Anlage zum Protokoll über die 2. Sitzung des Ausschusses 4

 

Textvorschlag: Privatsphäre (auf Basis der Beratungen vom 10. Oktober 2003)

 

 

Artikel 8 EMRK: Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

 

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
 
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

 

Schutz des Hausrechts

 

Das Hausrecht ist unverletzlich.
 
Ein Eingriff in dieses Recht ist nur nach Maßgabe gesetzlicher Ermächtigungen, die den Erfordernissen des Artikel 8 Abs. 2 EMRK entsprechen müssen, zulässig.
 
Eine Hausdurchsuchung, das ist die Durchsuchung der Wohnung oder sonstiger zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten, darf nur kraft einer mit Gründen versehenen richterlichen Verfügung vorgenommen werden.
 
Ausnahmsweise kann eine Hausdurchsuchung bei Gefahr im Verzug durch die zuständige Verwaltungsbehörde angeordnet und erforderlichenfalls auch durch Organe der Behörden auf eigenen Entschluss vorgenommen werden.

 

 

§ 1 DSG: Grundrecht auf Datenschutz

 

(1) Jede Person hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung ihres Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der sie betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf die betroffene Person einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
 
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse der betroffenen Person oder mit ihrer Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen einer anderen Person zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind.

Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.
 
(3) Jede Person hat, soweit sie betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, dh. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen   
1.  das Recht auf Auskunft darüber, wer welche Daten über sie verarbeitet, woher die Daten stammen, und wozu sie verwendet werden, insbesondere auch, an wen sie übermittelt werden;
2.  das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.
 
(4) Beschränkungen der Rechte nach Abs. 3 sind nur unter den in Abs. 2 genannten Voraussetzungen zulässig.
 
(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, dass Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.

 

 

Schutz der Vertraulichkeit privater Kommunikation

 

Die Vertraulichkeit privater Kommunikation darf nicht verletzt werden. Eingriffe in das Kommunikationsgeheimnis dürfen nur nach Maßgabe gesetzlicher Ermächtigungen, die den Erfordernissen des Artikel 8 Abs. 2 EMRK entsprechen müssen, auf Grund einer richterlichen Verfügung, ausnahmsweise zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, Freiheit oder Gesundheit von Menschen auf Grund behördlicher Anordnung und erforderlichenfalls auch durch Organe der Behörden auf eigenen Entschluss vorgenommen werden.
 
Ohne richterliche Verfügung ist eine Beschlagnahme von Informationsträgern in den Fällen einer gesetzlichen Verhaftung oder Hausdurchsuchung zulässig sowie zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, Freiheit oder Gesundheit von Menschen.
 
 
 

Erläuterungen (auf Basis der Beratungen vom 10. Oktober 2003)
 
 
Die vorgeschlagene Textierung erfasst – von Art. 8 EMRK ausgehend – die grundrechtlichen Gewährleistungen im Bereich der Privatsphäre.
 
 
1.      Art. 8 EMRK bleibt unverändert.
 
 
2.      Schutz des Hausrechts
 
Die vorgeschlagene Fassung geht von der Rechtslage des StGG (Art. 9) und des Gesetzes zum Schutz des Hausrechts von 1862 (HausrechtsG) aus und übernimmt deren Garantien, soweit sie über Art. 8 EMRK hinausgehen. Der „Überhang“ betrifft den Schutz vor „Hausdurchsuchung“ zum Unterschied vom Schutz der „Wohnung“ (Art. 8 EMRK) und das Erfordernis eines richterlichen „Befehls“ (künftig: richterliche „Verfügung“, auch im Hinblick auf die in Aussicht genommene Reform des strafrechtlichen Vorverfahrens).
 
Die Möglichkeit einer Hausdurchsuchung ohne richterliche Verfügung (Befehl) soll erhalten bleiben und je nach Dringlichkeit primär an eine behördliche Anordnung gebunden werden und erforderlichenfalls auch durch Organe der Behörden auf eigenen Entschluss vorgenommen werden können. Klargestellt wird, dass die Zulässigkeit solcher Eingriffe gesetzlicher Ermächtigungen bedarf, die den Erfordernissen des Art. 8 Abs. 2 EMRK zu entsprechen haben.
 
Die Unterscheidungen des HausrechtsG hinsichtlich Strafgerichtspflege, polizeilicher und finanzieller Aufsicht sind verzichtbar.
 
Eine Schmälerung des Schutzniveaus tritt nicht ein.
 
Art. 9 StGG und das HausrechtsG können künftig entfallen.
 
 
3.      Grundrecht auf Datenschutz
 
Die vorgeschlagene Regelung entspricht unverändert der geltenden Rechtslage.
 
 
4.      Grundrecht auf Schutz der Vertraulichkeit privater Kommunikation

 

Die vorgeschlagene Fassung integriert das Grundrecht auf Schutz des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10a StGG), des Briefgeheimnisses (Art. 10 StGG) und berücksichtigt neue Formen von Eingriffen in die Vertraulichkeit privater Kommunikation, wie Lausch- und Spähangriff. Auch hier wird grundsätzlich ein „Richtervorbehalt“ vorgeschlagen, mit Ausnahmeermächtigungen für den Gefahrenfall (z.B. „bemannte Wanze“, Gefahrenabwehr wie derzeit in § 149d Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 149e Abs. 1 StPO vorgesehen: Ermächtigung für Maßnahmen der optischen und akustischen Überwachung von Personen unter Verwendung technischer Mittel bei andauernder Entführung oder Geiselnahme).
 
Art. 10 und 10a StGG können entfallen.