Stellungnahme zum Mandat des Ausschusses 3 des Österreichkonventes

 

Einleitung

 

1) Ort

 

Die Teilnahme der österreichischen Bundesländer am Österreichkonvent erfolgt aus einem Selbstverständnis der Gleichberechtigung und Partnerschaft mit dem Bund als Konstituenten des gemeinsamen Gesamtstaates.

Der Österreichkonvent und seine Organe halten ihre Sitzungen laut Geschäftsordnung im Parlament in Wien ab. Die Abhaltung einzelner Sitzungen an einem anderen Ort ist aber prinzipiell nicht ausgeschlossen sondern bedarf der Zustimmung des oder der Vorsitzenden. In Hinblick auf die föderale Grundstruktur und Ausrichtung des Konventes ist die Abhaltung einzelner Sitzungen des Ausschusses in den Bundesländern in Betracht zu ziehen. Dies ist nicht nur Ausdruck des demokratisch-föderalistischen Grundkonsenses des Konventes sondern auch eine tatsächliche Gleichstellung der Ausschussmitglieder aus den Ländern.

 

2) Zeit

 

Der Ausschuss hat eine Aufarbeitung des gesamten Programmes bis 15. Dezember in Aussicht genommen. Es wäre jedoch nicht zieldienlich, diese Vorgabe unter allen Umständen einhalten zu wollen.

Es kann durchaus der Fall sein, dass einzelne Gegenstände zu diesem Zeitpunkt nicht ausreichend behandelt und bearbeitet wurden. In diesem Fall ist der Qualität des Arbeitsergebnisses der Vorrang zu geben und die Beratungszeit neu zu bemessen.

Der Österreichkonvent hat sich ein großes Ziel gesetzt. Die historische Chance, dem Österreich der folgenden Generationen eine neue und zeitgemäße Verfassung zu geben, sollte nicht durch ein sklavisches Festhalten an einen Zeitplan aufs Spiel gesetzt werden.

 

3) Verfahren

 

Die dem Ausschuß 3 zugewiesenen Fragestellungen können nur in Zusammenschau mit den Fragestellungen und Fortschritten anderer Ausschüsse sinnvoll behandelt werden.

Nach einer ersten Phase der Vorberatungen dieses Ausschusses über grundsätzliche Fragen der Staatsorganisation und des Staatsaufbaues sind daher gemeinsame Sitzungen mit anderen Ausschüssen und hier vor allem mit Ausschuss 5 (Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden) und Ausschuss 10 (Finanzverfasung) durchzuführen. Es ist nicht zielführend, über den Aufbau eines Staates getrennt von der Verteilung der Staatsaufgaben zwischen den Gebietskörperschaften und der Frage der Behandlung des Staatshaushaltes zu verhandeln.

 

Ad I) Bund

 

1)      Legislative

a) Nationalrat
Bei der Größe und Zusammensetzung des Nationalrates ist jedenfalls auf eine Repräsentation jedes Bundeslandes in einer politisch relevanten Größe zu achten. Bei der Einrichtung von Wahlsprengeln und Wahlbezirken sind Überschneidungen über Bundesländergrenzen hinweg zu vermeiden. Innerhalb eines Bundeslandes ist auf eine Aufteilung der Wahlkreise nach den politischen Bezirken zu achten.
In diesem Zusammenhang ist in Erwägung zu ziehen, einen bestimmten Anzahl an Mandaten gleich auf die Länder unabhängig ihrer Größe und Bevölkerungszahl aufzuteilen.

b) Bundesrat
Im Zuge einer neuen Verfassung für Österreich muss es auf jeden Fall zu einer Aufwertung des Bundesrates kommen. Viele andere notwendige Reformen für den österreichischen Föderalismus sind in erster Linie von einem funktionierenden Bundesrat als echte Interessenvertretung der Länder abhängig. Zu überlegen ist eine direkte Beschickung des Bundesrates mit Abgeordneten der Landtage. Eine Beschickung mit Mitgliedern der Landesregierungen ist nur bei gleichzeitiger Vertretung von Mitgliedern der Landtage akzeptabel. Eine Vertretung der Länder im Bundesrat durch die Landesregierungen alleine gefährdet das Prinzip der Gewaltenteilung und somit die Funktion einer echten Länderkammer.


c) Weg der Gesetzgebung
Die derzeitige verfassungsrechtliche Situation ermöglicht den Ländern keine wirkliche Mitgestaltung beim Entwurf und der Beschlussfassung von Bundesgesetzen. Es sind aber gerade die Länder, die im Wege der mittelbaren Bundesverwaltung oder der Vollziehung von Materien gem. Art 11 B-VG, die respektiven Bundesgesetze zu vollziehen haben. Eine möglichst frühe Einbeziehung von Ländern und Gemeinden als die wichtigsten Vollziehungsorgane von Bundesgesetzen kann die Qualität der Bundesgesetzgebung deutlich erhöhen und die Entwurfsarbeiten vereinfachen und beschleunigen. Als mögliche Form einer verstärkten Mitwirkung der Länder und Gemeinden im Gesetzgebungsverfahren des Bundes sind die eine verbesserte Einbeziehung – etwa im Verhandlungsweg - in das Begutachtungsverfahren, eine institutionalisierte Beiziehung zu Ausschussverhandlungen oder ein verfassungsrechtlich verankertes Zustimmungsrecht der Länder und Gemeinden zu nennen.

 

Ad IV) Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam betreffende

 

1)      Zahl der staatlichen Ebenen unter Berücksichtigung der EU-Ebene
Die Zahl der innerstaatlichen Ebenen in Hinblick auf die Mitgliedschaft bei einer supranationalen Organisation zu verändern, kann nur bedeuten, diese zu verringern. Angesichts der Verteilung der Staatsaufgaben im österreichischen Bundesstaat würde die Weglassung von Ebenen unterhalb der Bundesebene einer Vernichtung des föderativen Prinzips gleichkommen. Sowohl die Länder und Gemeinden sind in ihrer politischen, staatsrechtlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Rolle durch keine der jeweils anderen oder gegebenenfalls zusätzlich eingeführten Ebenen zu ersetzen. Das Argument, die Länder und Gemeinden seien angesichts der stärker werdenden Bedeutung überstaatlicher Rechtssetzung überflüssig, ist nicht stichhaltig. Die Tatsache, dass die Länder und Gemeinden nur mehr Rechtssetzungsakte der übergeordneten Ebene übernehmen und vollziehen, belegt nicht ihre Verzichtbarkeit sondern die fehlende Einfluss- und Mitsprachemöglichkeit auf Bundes- und EU-Ebene. Die Notwendigkeit subnationaler Rechtssetzungs- und Vollziehungsebenen ergibt sich ja gerade aus dem Demokratiedefizit gemeinschaftsrechtlicher Rechtssetzungsakte. Es ist Aufgabe der unteren Staatsebenen, als Sprachrohr der Regionen, Länder und Gemeinden mit demokratischer Legitimation zu wirken. In dieser Funktion müssen vor allem die Länder im Gesamtstaat aber auch auf supranationaler Ebene gestärkt werden.

 

2)      Neue Formen der Kooperation zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
Hinsichtlich selbstvollziehender 15a-Vereinbarungen ist auf das Problem fehlender demokratischer Legitimation der abschließenden Landesregierungen hinzuweisen. Durch das Ermöglichen einer direkt wirksamen Vereinbarung gem Art 15a B-VG wird das Prinzip der Gewaltenteilung empfindlich gestört, da Akte der Landesregierungen direkt ohne Beschlussfassung der Landtage Gesetzeskraft erlangen können. Eine solche Möglichkeit ist aus demokratiepolitischer Sicht ab zu lehnen.

 

Ad V) Verfassungsautonomie

 

Für die Verfassungsautonomie der Länder ist eine strenge Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zu fordern. Die Vorgaben der Bundesverfassung dürfen demgemäß nur die völkerrechtliche Einheit des österreichischen Staates und die Sicherung der staatlichen Verwaltung in den Ländern zum Gegenstand haben. Darüber hinaus ist den Ländern eine autonome Gestaltung der inneren Organisation ein zu räumen. Gesetze wie das BVG über die Einrichtung der Ämter der Landesregierung sind demzufolge überflüssig.

 

Ad VI) Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Vollziehung

 

Im Bereich der Umsetzung von gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakten ist die Rolle der Länder jedenfalls zu stärken. Gemäß einer Untersuchung des Ausschusses der Regionen werden drei Viertel aller umsetzungsbedürftigen Rechtsakte der EU in den Mitgliedstatten von subnationalen Ebenen umgesetzt und vollzogen.

Der Art 23 d B-VG in seiner jetzigen Form kann eine ausreichende und ihrer Funktion entsprechende Vertretung der Länder im Rechtsschöpfungsprozess der EU nicht sicherstellen. Die Praxis der Bundesländer, die gemeinschaftliche Stellungnahme gem Abs 2 leg cit auch außerhalb der Integrationskonferenz der Länder etwa durch Beschlüsse der Landeshauptmännerkonferenz zustande kommen zu lassen, stellt einen demokratiepolitisch bedenklichen Bruch des gewaltenteilenden Prinzipes dar. Die Beteiligung Österreichs an der gemeinschaftsrechtlichen Rechtssetzung ist ohnehin von einer starken Lastigkeit zu Gunsten der Bundesregierung gekennzeichnet. Mit Blick auf das unter Punkt IV) 1) Gesagte ist die Beteiligungsmöglichkeit der Länderparlamente auf ein echtes und effektives Mitwirkungsrecht zu erweitern. Die Länderparlamente müssen die Möglichkeit erhalten, einen geplanten Gemeinschaftsrechtsakt im selben Maße wie die Vertreter des Gesamtstaates in den entscheidenden supranationalen Organen entweder maßgeblich mit zu gestalten oder zu verhindern.

Als mögliche Ausgangspunkte könnte eine verbesserte und verpflichtende Integrationskonferenz der Länder unter Besetzung und Führung durch die Landesparlamente oder ein im Sinne des unter Punkt I) 1) b) Gesagten gestärkter Bundesrat dienen.

In diesem Zusammenhang ist außerdem eine verpflichtende Beiziehung eines oder mehrerer von den Ländern namhaft gemachter Ländervertreter mit echter Beeinflussungsmöglichkeit der österreichischen Verhandlungsposition zur Mitwirkung an der Willensbildung im Rat für sämtliche Rechtsetzungsakte der EU ein zu führen. Dies erscheint schon aufrund der den Ländern und Gemeinden zukommenden Bedeutung in der Vollziehung dieser Akte recht und billig. Für Materien gem Abs 3 leg cit ist eine solche Mitwirkung jedenfalls unverzichtbar.