Zu den Punkten 1.1.1. (Nationalrat), 1.1.3. (Weg der Bundesgesetzgebung), 1.1.4. (Mitwirkung an der Vollziehung) und 1.2.1. (Bundespräsident)

Positionspapier bzw. Fragenkatalog für die

Sitzung am 20.11.2003

 

1.1.1. Nationalrat

1.1.1.1. Zahl der Mitglieder

Beim derzeitigen Beratungsstand könnte der Ausschussbericht in diesem Punkt wie folgt lauten:

 

"Die Zahl der Abgeordneten zum Nationalrat ist derzeit nicht bundesverfassungsgesetzlich, sondern bloß einfachgesetzlich, nämlich in § 1 Abs. 1 der Nationalrats-Wahlordnung 1992, geregelt.

 

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Zahl der Mitglieder des Nationalrates auch künftig nicht bundesverfassungsgesetzlich geregelt werden sollte.

 

Er lässt sich dabei zum einen davon leiten, dass eine verfassungspolitische Notwendigkeit, diesen Gegenstand bundesverfassungsgesetzlich zu regeln, nicht besteht. In der Zweiten Republik wurde die entsprechende bundesgesetzliche Regelung bloß ein Mal, durch die Nationalrats-Wahlordnung 1970 im Wege der Anhebung der Zahl der Abgeordneten des Nationalrates von 165 auf 183, geändert. Im Hinblick auf die allgemeine Zielsetzung des Konvents, den Text der von ihm auszuarbeitenden Verfassung auf das verfassungspolitisch Notwendige zu beschränken, empfiehlt sich daher die Beibehaltung der geltenden Rechtslage, also der Verzicht auf eine bundesverfassungsgesetzliche Regelung."

 

Fraglich könnte noch sein, ob im Ausschussbericht etwas zur Zahl der Abgeordneten als solcher ausgesagt werden sollte. Dagegen spricht die grundsätzliche Überlegung, die Ausschussarbeit auf die bundesverfassungsgesetzliche Ebene zu beschränken.

 

1.1.1.2. Wahlen:

Beim derzeitigen Beratungsstand ergeben sich dazu die folgenden Positionen bzw. Fragen:

 

- Für die Wahlen zum Nationalrat, zu den Landtagen und zu den Gemeinderäten sollen – so wie derzeit – jedenfalls die Grundsätze des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechts gelten.

 

- Soll für die genannten Wahlen auch die Geltung der Grundsätze des freien und des allgemeinen Wahlrechts sowie des Grundsatzes der Verhältniswahl bundesverfassungsgesetzlich statuiert werden?

 

- Soll in das B‑VG eine Bestimmung aufgenommen werden, der zu Folge die nähere Regelung über die im Folgenden genannten Gegenstände in der jeweiligen Wahlordnung – mit erhöhten Quoren – getroffen werden kann:

 

 

Bejahendenfalls erscheinen die Abs. 2 bis 7 des Art. 26 B‑VG bzw. die korrespondierenden Bestimmungen in den Art. 95 und 117 B‑VG entbehrlich. Verneinendenfalls stellt sich die Frage, in welcher Weise die vorstehend genannten Gegenstände auf der Ebene des B‑VG geregelt werden sollen.

 

- Soll hinsichtlich der bisher aufgeworfenen Fragen eine einheitliche bundesverfassungsgesetzliche Regelung für die Wahlen zum Nationalrat, zu den Landtagen und zu den Gemeinderäten geschaffen werden oder soll die derzeit bestehende systematische Trennung nach Bundes-, Landes- und Gemeindeebene beibehalten werden?

 

- Soll – im Sinne einer Stärkung der Verfassungsautonomie der Länder – die bundesverfassungsgesetzliche Regelung sämtlicher oder einzelner (wenn ja, welcher) der vorgenannten Aspekte hinsichtlich der Wahlen zu den Landtagen und zu den Gemeinderäten unterbleiben (mit dem Effekt, dass dafür der Landes[verfassungs]gesetzgeber zuständig wäre)?

 

- Soll Art. 95 Abs. 2 B‑VG (die Landtagswahlordnungen dürfen die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechts nicht enger ziehen als die Bundesverfassung für die Wahlen zum Nationalrat) bzw. die korrespondierende Bestimmung in Art. 117 Abs. 2 B‑VG beibehalten werden?

 

 

1.1.1.3. Organisation des Nationalrates:

In diesem Zusammenhang stellen sich, ausgehend vom derzeitigen Beratungsstand, zwei Fragen:

 

a) Soll Art. 27 Abs. 1 B‑VG dahingehend geändert werden, dass die Gesetzgebungsperiode des Nationalrates 5 – statt wie derzeit 4 – Jahre dauert?

 

Dazu wurde ein Rechtsvergleich mit den Verfassungen der übrigen EU-Mitgliedstaaten sowie der Schweiz angestellt, der zeigt, dass in 10 dieser 15 Staaten Legislaturperioden von 4 Jahren, in 5 eine Legislaturperiode von 5 Jahren vorgesehen ist.

 

b) Welche der Regelungen über die "Organisation" des Nationalrates in den Art. 27 bis 33 B‑VG müssen nicht notwendiger Weise im B‑VG getroffen werden, sondern können dem Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates vorbehalten werden?

 

Dazu hat Herr Volksanwalt Dr. Kostelka einen Textentwurf als Grundlage für die weiteren Beratungen vorgelegt.

 

1.1.3. Weg der Bundesgesetzgebung:

In dieser Hinsicht ergeben sich, ausgehend vom derzeitigen Beratungsstand, die folgenden Fragen:

 

a) Soll in das B‑VG eine Bestimmung über das Begutachtungsverfahren aufgenommen werden?

 

Dazu wurde ein Rechtsvergleich über die allfällige Regelung des Begutachtungsverfahrens in den Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten angestellt. Daraus ergibt sich, dass eine solche nur in der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, und auch dort nur sehr eingeschränkt vorgesehen ist. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Art. 46 und 49 des Entwurfes eines Vertrages über eine Verfassung für Europa, die wie folgt lauten:

 

Artikel 46 Grundsatz der partizipativen Demokratie

(1) Die Organe der Union geben den Bürgerinnen und Bürgern und den repräsentativen Verbänden in geeigneter Weise die Möglichkeit, ihre Ansichten in allen Bereichen des Handelns der Union öffentlich bekannt zu geben und auszutauschen.

(2) Die Organe der Union pflegen einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft.

(3) Um die Kohärenz und die Transparenz des Handelns der Union zu gewährleisten, führt die Kommission umfangreiche Anhörungen der Betroffenen durch.

(4) Mindestens eine Million Bürgerinnen und Bürger aus einer erheblichen Zahl von Mitgliedstaaten können die Kommission auffordern, geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht der Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verfassung umzusetzen. Die Bestimmungen über die besonderen Verfahren und Bedingungen, die für eine solche Bürgerinitiative gelten, werden durch ein Europäisches Gesetz festgelegt.

Artikel 49 Transparenz der Arbeit der Organe der Union

(1) Um eine verantwortungsvolle Verwaltung zu fördern und die Beteiligung der Zivilgesellschaft sicherzustellen, handeln die Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Union unter weitest gehender Beachtung des Grundsatzes der Offenheit.

(2) Das Europäische Parlament tagt öffentlich; dies gilt auch für den Ministerrat, wenn er über Gesetzgebungsvorschläge berät oder beschließt.

(3) Jede Unionsbürgerin und jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder mit Sitz in einem Mitgliedstaat hat unter den in Teil III festgelegten Bedingungen das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Union, und zwar unabhängig davon, in welcher Form diese Dokumente erstellt werden.

(4) In Europäischen Gesetzen werden die allgemeinen Grundsätze und die aufgrund öffentlicher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung des Rechts auf Zugang zu solchen Dokumenten festgelegt.

(5) Im Einklang mit den in Absatz 4 genannten Europäischen Gesetzen legen die im Absatz 3 genannten Organe, Einrichtungen, Ämter oder Agenturen in ihren jeweiligen Geschäftsordnungen besondere Bestimmungen für den Zugang zu ihren Dokumenten fest.

 

b) Soll in das B‑VG eine Bestimmung über ein Gesetzesinitiativrecht der Länder bzw. der Gemeinden (vertreten durch den Gemeinde- und/oder den Städtebund) aufgenommen werden?

 

 

1.1.4. Mitwirkung an der Vollziehung:

In diesem Zusammenhang ist auf Grund des Ergebnisses der bisherigen Beratung vor allem die folgende Frage zu beantworten:

 

- Soll in das B-VG eine Bestimmung über die Durchführung von Anhörungen für jene Fälle aufgenommen werden, in denen dem Nationalrat von Bundesverfassungs wegen ein Mitwirkungsrecht bei der Ernennung von Organen zukommt (dies wären der Präsident des Rechungshofes, Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes, Mitglieder der Volksanwaltschaft, Mitglieder von Organen der Europäischen Union)?

 

Zu prüfen wäre insbesondere, ob mit diesbezüglichen Regelungen im Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates das Auslangen gefunden werden könnte.

 

- Weiters wäre zu klären, ob hinsichtlich des Art. 55 Abs. 4 B‑VG (Ermächtigung des Bundesgesetzgebers vorzusehen, dass bestimmte allgemeine Akte der Bundesregierung oder eines Bundesministers, insbesondere also Verordnungen, des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates bedürfen) ein Änderungsbedarf besteht?

 

1.2.1. Bundespräsident:

Ausgehend vom derzeitigen Beratungsstand ergeben sich die folgenden Positionen bzw. Fragen:

 

- Die Bestellung des Bundespräsidenten im Wege der Volkswahl ist grundsätzlich unbestritten. (Fraglich könnte sie sein, wenn nach einer allfälligen Änderung des Aufgabenkataloges nur „minder wichtige Aufgaben“ verblieben.)

 

- Was die Aufgaben des Bundespräsidenten betrifft, so wurden im Wesentlichen die folgenden zwei Positionen vertreten:

 

a) Dem Bundespräsidenten soll künftig nicht mehr die Befugnis zukommen, den Bundeskanzler bzw. die Bundesregierung zu bestellen bzw. abzuberufen, und auch nicht die Befugnis, den Nationalrat aufzulösen; von den Vertreterinnen/Vertretern dieser Position wurde ventiliert, dem Bundespräsidenten gewisse „(Ober)Ombudsman“-Funktionen zu übertragen.

 

In dieser Hinsicht hat DDr. Lengheimer eine Diskussionsunterlage vorgelegt.

 

Ausgehend von dieser Position wäre zu klären, wie die Bundesregierung bestellt werden soll bzw. worin die Funktion des Bundespräsidenten bei „Härtefällen und Unbilligkeiten“ bestehen soll.

 

b) Dem Bundespräsidenten sollen – für politische Krisen-Situationen – weiterhin die oben genannten Befugnisse zukommen.

 

In dieser Hinsicht hat Univ. Prof. DDr. Mayer eine Diskussionsunterlage vorgelegt.

 

Hinsichtlich dieser beiden Positionen wäre eine weitergehende Klärung herbeizuführen.

 

- Allgemein wurde es für zweckmäßig erachtet, den Katalog der Aufgaben des Bundespräsidenten dahingehend zu prüfen, ob Befugnisse, die „antiquiert“ erscheinen, entfallen könnten.

 

Dazu wurde eine Arbeitsunterlage, basierend auf dem Dokument 1.2.1./B (Anlage zur Basisinformation 1), erstellt.