Österreich-Konvent; Ausschuss 7

 

Arbeitspapier der Wirtschaftskammer Österreich

zum Thema „Regulierungsbehörden“

 

 

LEITSÄTZE

 

 

Weisungs- und Aufsichtsaspekte

 

1.      Durch Gesetz können für Wirtschaftsbereiche, in denen aktuell oder dauernd zu geringer Wettbewerb besteht, weisungsfreie Regulierungsbehörden zur wettbewerbsorien­tierten Wirtschaftsaufsicht geschaffen werden.

 

2.      Die zuständigen obersten Organe haben zumindest die Aufsichtsbefugnis über diese Behörden auszuüben und den Nationalrat über deren Tätigkeiten zu informieren.

 

3.      Die zuständigen obersten Organe haben das Recht, Verordnun­gen der Regulierungsbehörden beim VfGH anzufechten.

 

 

Rechtsschutzaspekt

 

4.      Als Rechtsschutzorgan gegen Regulierungsentscheidungen könnte das zu schaffende Bundes-Verwaltungsgericht erster Instanz tätig sein.

 

 

Ausgliederungsaspekt

 

5.      Die Ansiedlung von Regulierungsbehörden außerhalb der staatlichen Verwaltungsorganisation soll zweifelsfrei möglich sein

 

 

 


ERLÄUTERUNGEN

 

 

  I. Die österreichischen Regulierungsbehörden

 II. Hauptprobleme

III. Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden

                                Weisungsfreiheit

                                Politische Verantwortlichkeit

                                Grad und Form von Unabhängigkeit

 IV. Rechtsschutz gegen Regulierungsentscheidungen

                                Effizienz- und "Civil-Rights"- Aspekte

                                Lösungsansatz

  V. Ausgliederungsaspekte

                                Allgemeines

                                Lösungsansatz

 

 

I. Die österreichischen Regulierungsbehörden

Mit der Rezeption des Gemeinschaftsrechts und der damit ein­hergehenden Marktöffnung in vormals geschützten Bereichen gelangten auch spezifische Sonder-Wett­bewerbsbehörden in die österreichische Rechtsordnung: die Regulierungsbehörden für die Bereiche Energie, Schiene, Telekom und Medien.

 

Die organisatorische Regulierungsstruktur ist jeweils doppelt angelegt und besteht in den Bereichen Energie, Schiene und Telekom

·        aus einer aus der staatlichen Verwaltung ausgegliederten Behörden-GmbH inkl. Geschäftapparat

·        sowie aus einer als weisungsfreie "133 Z 4-Behörde" eingerichteten "Control-Kommission", die meist auch als Rechtsmittelbehörde für Entscheidungen der GmbH fungiert.

·        Die Rundfunk-Regulierungsbehörden sind nicht ausgegliedert und haben gegenläufige Bezeich­nungen.

 

Als solche Behördenpaare sind eingerichtet:

·        Die Energie-Control-GmbH samt Energie-Control-Kommission

·        Die Schienen-Control-GmbH samt Schienen-Control-Kommission

·        Die (Rundfunk u.)Telekom-Regulierungs-GmbH (RTR GmbH) samt Telekom-Control-Kommission

·        Die Kommunikationskommission "KommAustria" (keine GmbH) mit dem Bundeskommunikations­senat als Kontrollbehörde. Die "KommAustria" stützt sich allerdings auf die RTR-GmbH als Geschäftsapparat.

·        (Die Austro-Control-GmbH ist keine solche Regulierungsbe­hörde.)

 

Neben den neuen Regulierungsbehörden gibt es noch die Behörden der Wirtschaftsaufsicht, die teil­weise ebenfalls ausgegliedert sind, wie die unabhängige Finanzmarktaufsicht (FMA), oder aber innerhalb der allgemeinen staatlichen Verwaltung angesiedelt sind, wie zB die Bundeswettbewerbsbehörde.

 

 

 

 

II. Hauptprobleme

 

Die Regulierungsbehörden neuen Typs finden derzeit keine passende verfassungs­rechtliche Grundlage. Sowohl ihre Stellung im Verhältnis zur ("klassischen") allgemei­nen Verwaltung als auch zum etablierten Rechtsschutzinstrumentarium (VwGH) wird als unbefriedigend empfunden. Der (einfache) Gesetzgeber behilft sich mit Hilfskon­struktionen von der Art von "133 Z 4-Behörden" bzw. mit Behörden-GmbH u.ä.

            Im Zusammenhang mit Regulierungsbehörden sind folgende drei Hauptprobleme zu beachten:

·        Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden unter dem Aspekt
- der Weisungsfreiheit
- und der politischen Verantwortlichkeit.

 

·        Der Rechtsschutz gegen Regulierungsentscheidungen.

 

·        Die organisatorische Einrichtung der Regulierungsbehörden.

 

 

III. Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden

Eine strikte Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden vom Staat ist nicht zwingend geboten – weder europarechtlich noch nach innerstaatlichem Recht. In der Unabhän­gigkeit wird freilich ein probates Mittel zur Versachlichung der Regulierungstätigkeit gesehen.

 

Die entsprechenden RL fordern bloß eine Unabhängigkeit von den Interessen der jeweiligen Betreiber. Nur im Fall, dass der Staat selbst in einem regulierten Markt tätig ist (etwa mit einem Eigenunter­nehmen oder auch als Mitgesellschafter), muss die Unabhängigkeit auch gegenüber dem Staat gegeben sein. Von der Frage ihrer Unabhängigkeit ist die allfällige "Ausgliede­rung" einer Behörde grund­sätzlich zu trennen.

 

 

Weisungsfreiheit

Rechtliche Unabhängigkeit in ihrer strengsten Form ist die Ungebundenheit durch Weisungen. Die österreichische Verwaltung unterliegt einer strikten Weisungsbindung an die obersten Organe (insb. Art. 20 Abs. 1 B-VG). Diese Weisungsbindung kann nach geltendem Verfassungsrecht

·        entweder durch eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Weisungsfreistellung
(in Form von derzeit etwa 40 Verfassungsbestimmungen im jeweiligen Materiengesetz)

 

·        oder durch die einfachgesetzliche Einrichtung einer weisungsfreien Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag gem. Art. 20 Abs. 2 iVm Art. 133 Abs. 4 B-VG
(Derzeit gibt es etwa 140 solcher Behörden; davon rund 30 auf Bundesebene, darunter auch die oben unter I. angesprochenen "Control-Kommissionen".)

 

durchbrochen werden.

 

Beide Modelle stehen in Diskussion. So tragen die fugitiven Verfassungsbestimmungen zur viel be­klagten Unübersichtlichkeit des Verfassungsrechts bei. Aber auch der verstärkten Heranzie­hung des Behördentyps der sog. 133 Z 4-Behörden wurde seitens des VfGH Einhalt geboten, der ihnen einen bloßen Ausnahmecha­rakter zubilligt und eine besondere Rechtfertigung einfordert.

 

 

 

Politische Verantwortlichkeit

Das strenge Weisungsprinzip in der österreichischen Verwaltung korreliert mit einer entsprechenden parlamentarischen Verant­wortlichkeit der obersten Organe. Lockert man den Weisungszu­sammenhang, so stellt sich die Frage, ob damit auch – wegen des verringerten Einflusses – der Grad der Verantwortlichkeit abnehmen müsste. ("Man kann nur im Rahmen seiner Ingerenz ver­antwortlich sein.") Dabei wäre zu beachten, dass jedenfalls für gänzlich unabhängig eingerichtete Regulatoren eine spezi­fische "politische" Verantwortlichkeit geschaffen werden müsste; eventuell in Gestalt "aufsichtsrats"-ähnlicher Kon­trolle.

 

 

Grad und Form von Unabhängigkeit

Die den obersten Organen zustehende (verfassungsrechtliche) Leitungsbefugnis besteht aus fünf Elementen:

·        der Weisungsbefugnis,

·        der Organisationsgewalt,

·        der Personalhoheit,

·        der Finanzhoheit

·        und der Aufsichtsbefugnis

 

Die Dimension der Unabhängigkeit ist demnach vielschichtig:

·        Rechtliche Unabhängigkeit als Weisungsfreiheit
(allgemeiner: Freiheit von Fremdsteuerung).

 

·        Organisatorische Unabhängigkeit: eigenständiger Organisationsverband, allenfalls zusammen mit eigenständiger juristischer Person wie beispielsweise derzeit im Rahmen einer GmbH-Lösung.

 

·        Finanzielle Unabhängigkeit: zumindest teilweise Unabhängig­keit vom Staatsbudget etwa durch Umlagenhoheit bzw. Recht zur Einhebung eines Finanzierungsentgelts von den Beaufsich­tigten und Regulierten zur Deckung der laufenden Kosten (z.B. § 6 Energie-Regulierungsbehördengesetz).

 

"Unabhängigkeit" in einem offeneren Sinn liegt aber nicht erst dann vor, wenn alle fünf Elemente erfüllt sind. Unter Zugrun­delegung eines weiten Unabhängigkeitsbe­griffes wäre zu überlegen, ob nicht bereits einzelne Aspekte ausreichen, um eine zweckmäßige Organisationsstruktur zu gewährleisten.

 

 

IV. Rechtsschutz gegen Regulierungsentscheidungen

Effizienz- und "Civil-Rights"- Aspekte

Bei der Frage des Rechtsschutzes gegen Regulierungsentscheidungen stehen zwei Aspekte im Mittelpunkt:

·        Die Effizienz des Rechtsschutzes im Hinblick

-         auf die Verhinderung einer überlangen Verfahrens­dauer sowie

-         auf die fachlichen Spezialkenntnisse der Rechts­schutzbehörden.

 

·        Die Erfüllung der Anforderungen der MRK im Hinblick auf "Civil Rights", da Regulierungsentscheidungen nahezu automatisch diese Sphäre berühren.

 

Überdies finden die derzeit üblichen Konstruktionen der Rechtsschutzbehörden als "133 Z 4-Behörden" vor dem VfGH immer weniger Zustimmung. Außerdem erscheint fraglich, ob die bloße Entsendung eines Richters in eine Kollegialbehörde tatsächlich ausreicht, um die geforderten Erwartungen zu erfüllen. Auch ist es durchaus zweifel­haft, ob die derzeitige Ansiedlung der Kontrollbehörde beim Geschäftsapparat der Regulierungsbehörde die zweckmäßige Distanz zwischen Kontrollorgan und Kontrol­liertem ermöglicht.

 

 

Lösungsansatz

Im Zuge der in Aussicht genommenen Neugestaltung der verwal­tungsgerichtlichen Organisationsstruktur sind die beiden zuvor erwähnten Aspekte mit zu berücksichtigen. In einem neu zu schaffenden Bundes-Verwaltungsgericht erster Instanz wären die Anforderungen an einen effizienten Rechtsschutz in Regulie­rungsangelegenheiten insbesondere im Hinblick auf den erfor­derlichen gerichtlichen Sachver­stand zu berücksichtigen und eine Art. 6 MRK-konforme Kognition vorzusehen. Konkrete Lösungsvarianten können freilich nur in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss 9 entwickelt werden.

 

 


V. Ausgliederungsaspekte

Allgemeines

Wie oben gezeigt, sind die meisten Regulierungsbehörden aus der staatlichen Verwaltung ausgegliedert und in Gestalt eigens geschaf­fener gesellschaftsrechtlicher GmbH-Surrogate mit den behördli­chen Regulierierungsaufgaben beliehen worden. Dies ist jedoch keinesfalls zwingend. Im Gegenteil: Der VfGH lässt in seiner aktuellen Judikatur erkennen, dass die angesprochenen Kons­truktionen sein Misstrauen wecken, handelt es sich bei der Regulierung doch um eine hoheitliche Tätigkeit reinsten Wassers, deren verfassungsmäßig zulässige Übertragung auf privatrechtsförmige Rechtsträger nicht unumstritten ist.

 

Denkbar wäre demgemäß auch ein Standpunkt, der eine Ausglie­derung von hoheitlichen Aufgaben nicht zulässt. Das hieße allerdings, dass die rege Ausgliederungstätigkeit der letzten Jahre zu einem großen Teil wieder rückgeführt werden müsste.

 

Lösungsansatz

Eine Rückführung der bereits ausgegliederten Rechtsträger in die Bundesverwaltung erscheint nicht zweckmäßig. Deshalb sol­lte eine verfassungsrechtliche Klarstellung erfolgen, dass auch Rechtsträger außerhalb der allgemeinen staatlichen Ver­waltung (behördliche) Verwaltungsgeschäfte führen können.