Österreich-Konvent; Ausschuss 7
Diskussionspapier
von BM DI. Pröll zum Thema
VORSCHLÄGE
1. Es sollte eine verfassungsrechtliche
Klarstellung erfolgen, dass auch Rechtsträger außerhalb der allgemeinen
staatlichen Verwaltung hoheitliche und nichthoheitliche Verwaltungsgeschäfte
führen können. Die Wahrnehmung von staatlichen Aufgaben durch die staatliche
Verwaltung sollte freilich als Grundsatz weiter bestehen. (vgl.
S. 4)
Textvorschlag:
Artikel xx. Zur Besorgung der Geschäfte der obersten Organe sind
die ihnen unterstellten Ämter berufen und können erforderlichenfalls
Rechtsträger außerhalb der staatlichen Verwaltung eingerichtet werden.
2. Weisungsspezifische Probleme sollten im
Zusammenhang mit den sonstigen Weisungs-Fallkonstellationen einer Lösung
zugeführt werden. (vgl. S. 5)
3. Eine grundlegende Neuausrichtung der
Amtshaftung über die aktuellen Probleme der ausgegliederten Finanzmarktaufsicht
hinaus könnte erwogen werden.
(vgl. S. 5)
4. Die Diensthoheit über die in
ausgegliederten Rechtsträgern tätigen Beamten sollte den Ausgliederungsbedürfnissen
angepasst werden. (vgl. S. 5)
5. Die einfachgesetzliche Schaffung von
Organisationstypen für ausgegliederte Rechtsträger (ohne Typenzwang) könnte dem
Bund, den Ländern und den Gemeinden den Einsatz ausgereifter
Ausgliederungsmodelle ermöglichen.
(vgl. S. 6)
ZUM THEMA AUSGLIEDERUNG
I.
Begriffliches
II. Die unscharfen Grenzen der
Verwaltung
III. Typische Probleme bei
Ausgliederungen
IV. Schweigen der
Verfassung und Strenge des VfGH
V. Verfassungsrechtliche Lösungsansätze
1.
Organisationsspezifischer Lösungsansatz und Textvorschlag
2.
Weisungsspezifischer Lösungsaspekt
3.
Amtshaftungsspezifischer Lösungsaspekt
4.
Dienstrechtsspezifischer Lösungsansatz
5.
Verfassungslegistische Verortung
VI. Organisationstypen als einfachgesetzlicher
Lösungsansatz
I. Begriffliches
·
(Allgemeine) staatliche Verwaltung
Verwaltungsorganisation des
Bundes und der Länder (bestehend aus BM und nachgeordneten Bereichen;
ÄmterLReg, BH; ....)
·
Ausgegliederte Rechtsträger
Juristische Personen des öffentlichen
oder des privaten Rechts (etwa GmbH im 100%-igen Staatseigentum oder
selbständige Anstalten, Fonds, Stiftungen u.ä.), die vormalige Aufgaben aus der
(zumeist staatlichen) Verwaltungsorganisation zu erfüllen haben. Diese Aufgaben
können hoheitlicher Natur sein oder auch Akte im Rahmen der
Privatwirtschaftsverwaltung.
·
Beleihung
Betrauung von Rechtsträgern
außerhalb der staatlichen Verwaltung mit hoheitlichen Aufgaben. So sind
etwa Privatpersonen durch Beleihung als "Fischereiaufsichtsorgane"
befugt, verbotene Geräte behördlich zu beschlagnahmen oder aber gilt die
Oesterreichische Nationalbank AG als geradezu prototypisches beliehenes
Unternehmen für devisenrechtliche Hoheitsakte.
·
Privatisierung
Sehr unscharfer Begriff !!
Geht vom völligen Rückzug des Staates (zB in Gestalt des Verkaufes von
öffentlichen Unternehmen an Private unter Aufgabe jeglicher
Einflussmöglichkeiten) bis hin zur Übertragung von Aufgaben bloß an
ausgegliederte Rechtsträger in der Rechtsform des (privatrechtlichen)
Gesellschaftsrechts (AG und GmbH).
·
Austro-Control-Erkenntnis
Erstes Schlüssel-Erk. des
VfGH (VfSlg. 14.473/1996) zur Ausgliederungsproblematik. Demnach sowie im Erk.
zur Bundes-Wertpapieraufsicht (VfGH v. 12.12.2001, G 269/01)
- dürfen an ausgegliederte Rechtsträger nur "vereinzelte" Aufgaben
übertragen werden,
- dürfen "Kernbereiche" der hoheitlichen Staatstätigkeit überhaupt
nicht ausgegliedert werden,
- unterliegt die Ausgliederung von Hoheitsbefugnissen den
verfassungsrechtlichen Sachlichkeits-
und Effizienzgeboten,
- muss das verfassungsrechtliche System der Leitungsgewalt und
Verantwortlichkeit der obersten
Organe gewahrt bleiben.
II. Die unscharfen Grenzen der Verwaltung
Als ein Problem der Verwaltungsorganisation erweist sich immer mehr,
dass die Grenzziehung dessen, was den "Staat" oder die
"Verwaltung" vom Rest der (privaten) Welt trennt, immer unschärfer
wird. Neben die Gebietskörperschaften als Träger der etablierten
Verwaltungsorganisation treten immer mehr ausgegliederten Rechtsträger –
gewissermaßen als "Verwaltungs-Satelliten".
Die Aufgabenstellungen sind freilich sehr heterogen.
Das geht von der Betreuung des Bundesvermögens (zB Schloss Schönbrunn GmbH und
Bundesforste AG) bis hin zu einer reinen Behördenfunktion
(Finanzmarktaufsicht). Die "Flucht" aus der staatlichen Verwaltung
endet nicht selten in einer Art von Verwaltungsnebel, in dem die herkömmlichen
Begriffe nicht mehr so richtig zugeordnet werden können.
III. Typische Probleme bei Ausgliederungen
Ein Teil der Ausgliederungen ist wirtschaftlich erfolgreich. Dennoch
zeichnet sich in der Praxis ab, dass eine gewisse Unübersichtlichkeit oder gar
Unordnung besteht sowie einige ungeklärte Probleme und offene Fragen
aufgeworfen werden:
·
verfassungsrechtliche
Grenzen der Ausgliederung
·
unübersichtliche
gesellschaftsrechtliche und organschaftliche Strukturen
·
Haftungsfragen
sowohl gesellschaftsrechtl. als auch amtshaftungsrechtl. Natur
·
z.T. ungeklärte
Rechtsbeziehung zum Eigentümer Gebietskörperschaft
·
politische
Verantwortlichkeiten
·
Grenzen der
Interpellation
·
Zurechnung von
öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Rechtsakten
·
Alimentierung
durch das Budget der "Mutter"- Gebietskörperschaft
·
Rechtsstellung
des ausgegliederten Personals
·
z.T. mangelnde
Transparenz wirtschaftlich relevanter Daten
·
Gebietskörperschaft
als "schlechter" Eigentümer
IV. Schweigen der Verfassung und Strenge des VfGH
Die in anderen Bereichen der Verwaltungsorganisation sehr beredte
Verfassung ist in den gegenständlichen Fragestellungen relativ schweigsam.
Jedenfalls ist die ausgegliederte Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben im
Organisationsplan der Verfassung nicht unmittelbar vorgesehen.
Eine strenge Judikatur des VfGH zieht den Ausgliederungsbestrebungen
eher enge und unklare Grenzen. Nach dem sog. Austro-Control-Erk. (VfSlg.
14.473/ 1996) und dem Erk. zur Bundes-Wertpapieraufsicht (VfGH v. 12.12.2001,
G 269/01)
·
dürfen an
ausgegliederte Rechtsträger nur "vereinzelte" Aufgaben übertragen
werden,
·
dürfen
"Kernbereiche" der hoheitlichen Staatstätigkeit überhaupt nicht
ausgegliedert werden,
·
unterliegt die
Ausgliederung von Hoheitsbefugnissen den verfassungsrechtlichen Sachlichkeits-
und Effizienzgeboten,
·
muss das
verfassungsrechtliche System der Leitungsgewalt und Verantwortlichkeit der
obersten Organe gewahrt bleiben.
Zentrale Bedeutung haben dem gemäß folgende Verfassungsbestimmungen:
·
Art. 20 Abs. 1
B-VG: Die obersten Organe führen die Verwaltung; Weisungsprinzip
·
Art. 77 B-VG:
Organisation der Bundesverwaltung: Bundesministerium und nachgeordneter
Bereich
·
ÄmterLRegBVG
V. Verfassungsrechtliche Lösungsansätze
1. Organisationsspezifischer Lösungsansatz und
Textvorschlag
Die verfassungsrechtliche Definition eines ausgliederungsfesten
Bereiches würde viele Abgrenzungsprobleme hervorrufen und sollte deshalb
unterbleiben.
Sowohl die Zuordnung zu einer Rechtssphäre (öffentliches
Recht oder Privatrecht) oder die Qualifizierung als Staats-,
Verwaltungs-, Kern- oder öffentliche Aufgabe hilft im Einzelfall
kaum weiter.
Eine Rückführung (Eingliederung) der bereits ausgegliederten
Rechtsträger in die Bundesverwaltung erscheint ebenfalls nicht zweckmäßig.
Deshalb sollte eine verfassungsrechtliche Klarstellung erfolgen, dass
auch Rechtsträger außerhalb der allgemeinen staatlichen Verwaltung hoheitliche
und nichthoheitliche Verwaltungsgeschäfte führen können. Die Wahrnehmung von
staatlichen Aufgaben durch die staatliche Verwaltung sollte freilich als
Grundsatz weiter bestehen.
Textvorschlag:
Artikel xx. Zur Besorgung der Geschäfte der obersten Organe sind
die ihnen unterstellten Ämter berufen und können erforderlichenfalls
Rechtsträger außerhalb der staatlichen Verwaltung eingerichtet werden.
2. Weisungsspezifischer Lösungsaspekt
Auch außerhalb der bereits geführten Diskussion um die Unabhängigkeit
von Verwaltungsbehörden stellt sich ein Weisungsproblem insoferne, als der
VfGH einen allzu verdünnten Einfluss auf ausgegliederte Rechtsträger – etwa uU
einen bloß gesellschaftsrechtlichen – problematisiert. Eine diesbezügliche
Lösung sollte im Zusammenhang mit den sonstigen Weisungs-Fallkonstellationen gefunden
werden.
3. Amtshaftungsspezifischer Lösungsaspekt
Im Ausgliederungs-Zusammenhang stellen sich Amtshaftungsprobleme
insoferne, als die einschlägige OGH-Judikatur zur Bankaufsicht die
ausgegliederte Finanzmarktaufsicht zentral berührt. Derzeit sind
Novellierungsüberlegungen im Gange, die auch Verfassungsbestimmungen mit
umfassen.
Eine
grundlegende Neuausrichtung der Amtshaftung unter Einschluss der
"Staatshaftungsprobleme", der Frage des
"Amtshaftungs-Gerichtshofes" und letztlich auch der Herausnahme der
"Bezirke" aus Art. 23 Abs. 1 1. Satz B-VG sollte jedoch ebenso in den
relevanten Ausschüssen beraten werden.
4. Dienstrechtsspezifischer Lösungsansatz
Nach einer Ausgliederung verbleiben die "ausgegliederten"
Beamten aus verfassungsrechtlichen Gründen in der Diensthoheit des obersten
Organs. Das erfordert spezielle behördliche Konstruktionen
("Personalämter") und eigene Rechnungskreisläufe für die anfallenden
Gehälter für eine relativ lange Übergangszeit. Eine "ausgliederungsorientierte"
Personalstruktur insbesondere auch für die Beamten wäre zweckdienlich und
könnte im Zusammenhang mit den allgemeinen Aspekten zum öffentlichen Dienst im
Ausschuss 6 geklärt werden.
5. Verfassungslegistische Verortung
·
Der oben
vorgelegte organisationsspezifische Textvorschlag betrifft die gesamte
staatliche Verwaltung und könnte daher im Kontext zu den obersten Organen stehen
(derzeit Art. 19 B-VG). Im bloßen Bundeskontext wäre auch Art. 77 denkbar. Die
Anwendbarkeit im Gemeindebereich wäre noch zu klären.
·
Weisungs- und amtshaftungsspezifische Lösungen
wären wohl in die bereits bestehenden Verfassungsbestimmungen (derzeit Art. 20
und 23 B-VG) einzubauen.
VI. Organisationstypen als einfachgesetzlicher
Lösungsansatz
Unter den vielen punktuellen Lösungsmöglichkeiten von Einzelproblemen
in einer Reihe von einzelnen Gesetzen ragt als gesamthafter Lösungsansatz die Schaffung
von vorgegebenen Organisationstypen für ausgegliederte Rechtsträger hervor.
Dabei sollten nicht nur die Bedürfnisse und Anforderungen des Bundes
berücksichtigt werden, sondern gerade auch die der Länder und Gemeinden.
Aufgrund der gesellschaftsrechtlichen
Gesetzgebungskompetenz des Bundes kann der Bund "Sondergesellschaftsrecht"
für den eigenen Bereich schaffen. Diese Möglichkeit ist den Ländern versperrt
und sollte auch nicht über eine erweiterte Organisationskompetenz
eröffnet werden, da eine allzu große Vielfalt (= Übersichtlichkeit) sowie
engsichtige Problemlösungen drohen.
Es wäre – gewissermaßen als Weiterentwicklung des Gesellschaftsrechts
für den öffentlichen Bereich – zu beachten, dass
·
verschiedene Organisationstypen einfachgesetzlich vorgesehen
werden
·
kein
Typenzwang besteht, sondern
ein Typenangebot als Orientierungshilfe
·
der praktische
Einsatz und die Adaption (!) von Organisationstypen nicht in Gesetzesform
erfolgen muss
·
auch die
Anforderungen von Public-Private-Partnership-Modellen mitbedacht werden
·
die dienstrechtlichen
Übergangsprobleme eine Lösung finden
·
...