Thesen für öffentlich-rechtliche Vertretungskörperschaften der Volksgruppen und für eine Vertretung der Volksgruppen in den gesetzgebenden Körperschaften

Vertretungsmodell, dass einerseits die Legitimation zur Vertretung der Volksgruppe auf eine breite demokratische Grundlage stellen soll, andererseits aber der Volksgruppe die Wahrnehmung kollektiver Rechte, Kompetenzen und Selbstverwaltung in eigenen Angelegenheiten bringen sowie die Vertretung der Volksgruppen in den gesetzgebenden Körperschaften sicherstellen soll.

Zu den Grundzügen dieses Vertretungsmodells:

1. Gemeinsam mit allgemeinen Wahlen, z.B. Landtags- oder Gemeinderatswahlen, wird eine Wahl der Volksgruppenvertretungen, der "Volksgruppenräte" durchgeführt. Wahlberechtigt sind alle Angehörigen der betreffenden Volksgruppe, wobei das Bekenntnis, der Volksgruppe anzugehören, nicht kontrolliert wird. Praktisch bedeutet dies, dass z.B. in ganz Kärnten (Variante: im zweisprachigen Gebiet; Personen, die außerhalb dieses Gebietes wohnen, können einen Stimmzettel anfordern) in den Wahlzellen Stimmzettel für die Wahl des Volksgruppenrates der Kärntner Slowenen aufgelegt werden. Jeder, der sich des Wahlzettels zur Wahl der Vertretung der Kärntner Slowenen bedient, bekennt sich automatisch als Angehöriger der slowenischen Volksgruppe. Es ist aber sichergestellt, dass dieses Bekenntnis in der Wahlzelle und somit geheim und nicht nachprüfbar erfolgt. Damit wird die Anlegung eines Volksgruppenkatasters verhindert.

2. Die Volksgruppenräte sollen beispielsweise aus 25 Mandataren bestehen. Gewählt wird nach Listenwahlrecht. Das passive Wahlrecht erlangt jede Liste oder Person, die z.B. 100 Unterstützungserklärungen beibringt.

 

Sowohl sämtliche Kandidaten als auch sämtliche Unterstützer müssen der betreffenden Volksgruppe angehören und sich auch als solche deklarieren. Im Gegensatz zum aktiven Wahlrecht wäre somit beim passiven Wahlrecht das Bekenntnis, der Volksgruppe anzugehören, überprüfbar und somit müsste ein Kontrollmechanismus eingerichtet werden, ähnlich jenem, der für die Mitglieder der Volksgruppenbeiräte vorgesehen ist.

3. Die Volksgruppenräte sind öffentlich-rechtliche Körperschaften. Sie geben sich selbst ihre Geschäftsordnung und bestellen Vollzugs- und Kontrollorgane. Sie müssten vom Staat bestimmte Kompetenzen übertragen bekommen: die Verfügung über alle für die Volksgruppe zur Verfügung gestellten Förderungsmittel, die aktive Beschwerdelegitimation vor den Höchstgerichten in Volksgruppenangelegenheiten, Begutachtungs- und Vorschlagsrechte, teilweise auch das alleinige Vorschlagsrecht (z.B. für die Leiter der Minderheitenabteilungen bei den Landesschulräten); Angelegenheiten, die in überwiegendem Interesse der Volksgruppe liegen und von ihr selbst besorgt werden können usw. Der Idealfall wäre, wenn den Volksgruppenräten in Volksgruppenangelegenheiten ein Vetorecht eingeräumt würde.

4. Die Vertretung der Volksgruppen in den Landtagen könnte mittels Entsendung durch die Volksgruppenräte geregelt werden (ähnlich, wie die Landtage die jeweiligen Abgeordneten in den Bundesrat entsenden). Damit wäre eine ständige und repräsentative Vertretung der Volksgruppe im Landtag gesichert, wobei natürlich die Frage der Kompetenzen eines solchen Volksgruppenmandatars gesondert zu klären wären.

 

Grundsätzlich ist von der Forderung nach einem vollwertigen Mandat auszugehen, mindestens müsste einem solchen Volksgruppenmandatar aber das Rederecht zu sämtlichen Themen, das Recht der Gesetzesinitiative und die einem Klub entsprechende Infrastruktur zugesichert werden. Eine solche Lösung (Virilmandat) hätte den Vorteil, dass in jedem Fall ein Repräsentant nach dem Willen der Mehrheit der Volksgruppe im Landtag vertreten wäre, sich andererseits aber auch die Parteien um die Stimmen der Volksgruppenangehörigen bemühen müssten.

 

Legistische Umsetzung:

Bundesverfassung

Landesgesetze

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bundesverfassung

Kapitel XX: Selbstverwaltungen der Volksgruppen

 

Artikel ...

(1) Zur Vertretung der Volksgruppen sind durch Landesgesetz in jenen Bundesländern, in denen autochthone Volksgruppen beheimatet sind, Volksgruppenräte einzurichten.

(2) Die Volksgruppenräte sind Körperschaften öffentlichen Rechts mit dem Recht auf Selbstverwaltung.

(3) Zur Besorgung einzelner Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches können sich die Volksgruppenräte zu einem nationalen Volksgruppenrat zusammenschließen. Die Volksgruppenräte sind berechtigt, das jeweilige Landeswappen, der Österreichische Volksgruppenrat ist berechtigt das Bundeswappen zu führen.

Artikel ...

(1) Die Volksgruppenräte sind berufen, die Volksgruppen in allen sie betreffenden Lebensbereichen zu vertreten, insbesondere gegenüber dem Bund und den Ländern und ihren Organen. Insbesondere haben sie folgende Aufgaben zu erfüllen:

1. ihre Wahrnehmungen über die Verhältnisse und Bedürfnisse der Volksgruppen den gesetzgebenden Körperschaften und den Behörden über deren Aufforderung wie auch aus eigenem Antrieb zur Kenntnis zu bringen und Vorschläge aus allen diesen Gebieten zu erstatten;

2. über Entwürfe von Gesetzen, Verordnungen und anderen Vorschriften, die das politische, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Gesamtinteresse der Volksgruppen berühren und

3. bei Errichtung von öffentlichen Anstalten, welche die Förderung der Volksgruppen, ihres wirtschaftlichen Lebensraumes oder ihres Bildungswesens zum Zwecke haben sowie der wesentlichen Änderung solcher Einrichtungen ihre Gutachten abzugeben;

4. Vertreter in (gesetzgebende) Körperschaften, Behörden und Organe des Bundes und der Länder zu entsenden oder Besetzungsvorschläge zu erstatten;

5. zur Hebung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lage der Volksgruppen und ihrer Angehörigen Einrichtungen und Anstalten ins Leben zu rufen und zu verwalten oder an der Errichtung und Verwaltung solcher Anstalten mitzuwirken;

6. Veranstaltungen von Kursen, Lehrgängen, Fachvorträgen uä. sowie die umfassende Beratung der Angehörigen der Volksgruppen;

7. Beschwerden über Verletzungen von Rechtsvorschriften und Abkommen zum Schutz von Volksgruppen oder über Benachteiligungen von Personengruppen oder Einzelpersonen aufgrund ihrer nationalen Zugehörigkeit entgegenzunehmen sowie jegliche Aktivität einschließlich Propaganda, welche in irgendeiner Form Hass und Diskriminierung aufgrund der nationalen Herkunft gutheißt oder fördert, die Existenz oder Identität der Volksgruppen bedroht, nachteilige Auswirkungen auf den Ausdruck und die Entwicklung dieser Identität hat oder die Volksgruppen auf andere Art daran hindert ihre Menschenrechte und Grundfreiheiten zu genießen und auszuüben, zu dokumentieren und der Bundesregierung und den Landesregierungen darüber Bericht zu erstatten bzw. im Falle strafrechtlicher Tatbestände, deren Verfolgung zu veranlassen;

8. die Einhaltung der den Volksgruppen nach nationalen und internationalen Rechtsvorschriften zustehenden Rechte zu verfolgen sowie Angehörige der Volksgruppen in Verfahren über behauptete Verletzungen dieser Rechte vor den Bundes- und Landesbehörden, den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts und den Organen nach der Europäischen Menschenrechtskonvention zu beraten und zu vertreten;

9. an amtlichen statistischen Erhebungen, die die Volksgruppen berühren, mitzuwirken oder Statistiken dieser Art selbst zu führen;

10. bei allen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder deren Organen gesetzten Maßnahmen, die das politische, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Gesamtinteresse der Volksgruppen berühren mitzuwirken;

11. die Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes und der Länder im Bereich der Volksgruppenförderung zu führen sowie, unbeschadet der Aufsichtsrechte des Bundes und der Länder, die Kontrolle darüber auszuüben.

(2) Die Volksgruppenräte haben der Bundesregierung spätestens bis zum 30. Juni eines jeden zweiten Jahres über ihre Tätigkeit zu berichten und Vorschläge zur Behebung wahrgenommener Mängel zu erstatten. Die Berichte sind von der Bundesregierung im Rahmen ihrer Berichtspflicht an den Nationalrat weiterzuleiten.

Artikel ...

(1) Gesetzes- und Verordnungsentwürfe, die Interessen berühren, deren Vertretung den Volksgruppenräten zukommt, sind den Volksgruppenräten unter Einräumung einer angemessenen Frist zur Begutachtung zu übermitteln. Gesetzes- und Verordnungsentwürfe, die Volksgruppenangelegenheiten behandeln und die vom zuständigen Volksgruppenrat abgelehnt wurden, können diesem in unveränderter Form frühestens nach Ablauf eines Jahres neu vorgelegt werden.

(2) Die Behörden haben innerhalb ihres Wirkungskreises den Volksgruppenräten auf Verlangen die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die Volksgruppenräte in ihrer Wirksamkeit zu unterstützen.

 

Artikel ...

(1) Die Volksgruppenräte werden von den Angehörigen der Volksgruppen, die das Wahlrecht zum Nationalrat besitzen, aufgrund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechtes nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Die Wahl der Volksgruppenräte ist mit anderen allgemeinen Wahlen zu koppeln.

 

(2) Wahlberechtigt sind alle Volksgruppenangehörigen, die am Stichtag das Wahlrecht zum Nationalrat besitzen.

 

(3) Wählbar sind alle wahlberechtigten Volksgruppenangehörigen.

 

(4) Die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren, insbesondere über die Ausschreibung der Wahlen, die Wahlbehörden, die Wahlwerbung, die Stimmzettel, das Abstimmungs- und Ermittlungsverfahren, die Einberufung der gewählten Volksgruppenräte, die Wahl der Organe der Volksgruppenräte einschließlich erforderlicher Nachwahlen, sind durch Landesgesetz zu treffen.

 

 

Artikel ...

 

(1) Der Kostenaufwand der Volksgruppenräte gliedert sich in den Aufwand

a.)   für die gesetzliche Vertretung der Volksgruppen (Volksgruppenräte)

b.)   die Erfüllung der Aufgaben gemäß Artikel 2

 

(2) Die Auslagen der Volksgruppenräte werden vom Bund gedeckt. Der Bund ist berechtigt, jene Mittel, die für Belange, die in die Kompetenz anderer Gebietskörperschaften fallen, im Wege des Finanzausgleiches zurückzufordern.