Erläuterungen zur Meinungsfreiheit

auf Basis der Beratungen vom 14. Jänner 2004

(Freiheit der Meinungs­äußerung, Kommunikations­freiheiten;

Rundfunkfreiheit)

 

 

Erläuterungen zu „Freiheit der Meinungsäußerung, Kommunikationsfreiheiten; Rundfunkfreiheit“:

 

 

  1. Art 13 StGG 1867 entfällt.

 

2.   Art II BVG-Rundfunk (Vollzugsklausel) entfällt.

 

3.            Entsprechend der Judikatur des EGMR bleibt es dem Gesetzgeber unbenommen, besondere gesetzliche Regelungen zu schaffen, mit denen Medienunternehmen auch inhaltliche Auflagen auferlegt werden (siehe Art. I Abs. 2 des BVG Rundfunk).

 

4.   Eine Unabhängigkeitsgarantie wie derzeit im BVG-Rundfunk erscheint aus heutiger Sicht fraglich.

 

 

Die Erläuterungen werden wie folgt ergänzt:

 

1.   Absatz 1 umschreibt den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, der Medienfreiheit und der Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen (Informationsfreiheit). Die Formulierung der Sätze 1 und 2 entspricht im Wesentlichen den Sätzen 1 und 2 des Art.10 Abs. 1 EMRK. Der Begriff der „Medien“ in Satz 2 und 3 wurde gewählt, um auch neue Formen der Massenkommunikation zu erfassen. Er entspricht der in § 1 Abs. 1 Ziff. 1 Mediengesetz enthaltenen Legaldefinition.

 

2.   Die in Art. 10 Abs. 1 EMRK enthaltene Formulierung „ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen“ verstärkt sprachlich bestimmte Aspekte des Schutzbereichs, die in den genannten Formulierungen der Freiheiten bereits enthalten sind. Sie ist daher entbehrlich und im vorgeschlagenen Entwurf weggelassen. 

 

3.   Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK räumt den Mitgliedstaaten zur EMRK die Möglichkeit ein, Rundfunk-, Lichtspiel- und Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren zu unterwerfen. Systematisch handelt es sich um eine Schrankenregelung. Genehmigungsverfahren können auch gestützt auf die allgemeine Schrankenregelung (Abs. 2) eingerichtet werden. Einer besonderen Erwähnung bedürfen sie nicht.

 

4.            Absatz 1 Satz 2 enthält die staatliche Verpflichtung zur Gewährleistung der Pluralität in den Medien. Bei der Wahl der Mittel verfügt der Staat über einen Gestaltungsspielraum. In Betracht kommen insbesondere gesetzliche Regelungen gegen Medienkonzentration oder die Gewährung einer wirksamen Presseförderung. Zu beachten ist, dass solche Regelungen immer auch Eingriffe in Grundrechte von Konkurrenten zur Folge haben können, die den Schranken des Absatzes 2 entsprechen müssen. Welches Instrument der Staat im einzelnen wählen darf und muss, hängt von den sich wandelnden Bedingungen des Medienmarktes ab.

 

5.   In Absatz 1 Satz 4 ist das Zensurverbot ausdrücklich aufgenommen.

Gegen­über Z. 1 und 2 des Beschlusses der Prov. Nationalversammlung vom 30. Ok­to­ber 1918 wurde die Formulierung vereinfacht und der aktuellen Situation angepasst.

 

6.   Die in Absatz 2 enthaltene Schrankenregelung entspricht derjenigen des Art. 10 Abs. 2 EMRK. Gegenüber der derzeitig gültigen Version wurde lediglich der Übersetzungsfehler berichtigt.

 

 

Ergänzungsvorschlag von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter zur „Rundfunkfreiheit“:

 

Die Bestimmungen sind besonderen Anforderungen an die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit gewidmet.

 

1.   Unter Rundfunk ist nach Art. I Abs. 1 BVG-Rundfunk die für die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild unter Benützung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung bzw. längs oder mittels eines Leiters zu verstehen. Diese Definition hatte gewiss in der Vergangenheit ihre Berechtigung und vermag auch heute noch wesentliche Abgrenzungsfunktionen zu erfüllen. Allerdings sind neuere technische Entwicklungen nicht mehr ohne weiteres mit Hilfe dieser Definition einzuordnen. Als Beispiele seien video-on-demand (individuelle Auswahl eines Films, kein Rundfunk) , near-video-on-demand (Einstieg in ein permanentes Programm über einen Decoder, Rundfunk) oder das Internet, bei dem man je nach angebotenem Dienst zu differenzieren haben wird, genannt. Angesichts unabsehbarer technischer Entwicklungen wird es vornehmlich Aufgabe des Gesetzgebers und der Rechtsprechung sein, Abgrenzungen vorzunehmen. Als verfassungsrechtliche Richtlinie kann dabei gelten, dass es weniger auf das technische Differenzierungsmerkmal als auf den publizistischen Gehalt einer Verbreitung ankommt. So wird man von Rundfunk ausgehen, wenn sich Rundfunkunternehmen zur Verbreitung ihrer Programme des Internet bedienen, nicht dagegen, wenn ein Unternehmen oder eine Privatperson zum Besuch der eigenen Homepage einlädt, mögen dort auch Videos über das Unternehmen oder die Person gezeigt werden (vgl. Holoubek/Traimer/Kassai, Grundzüge der Massenkommunikation, 2. Auflage (2002), S. 34).

 

2.   Aus Satz 1 (wortgleich zu Art. I Abs. 3 BVG-Rundfunk) folgt eine Existenzgarantie für einen auch von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen unabhängigen Rundfunk. Der Staat hat für seine Funktionsfähigkeit Vorsorge zu treffen. Bei der Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Staat einen Gestaltungsspielraum. Er kann z.B. einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk einrichten oder im Fall privatrechtlicher Rechtsform über die Eigentümerbefugnisse die Unabhängigkeit sichern (vgl. Holoubek, Rundfunkfreiheit und Rundfunkmonopol (1990), S. 171 f.). Artikel 10 EMRK geht von einem Leitbild eines dualen Rundfunksystems aus. Genehmigungsverfahren sind weiterhin zulässig. Anstelle der Regelung des Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK wurde als zusätzliches Eingriffsziel der Schutz der Pluralität der Medien in Abs. 2 aufgenommen.

 

2.   Die Regelung enthält einen Auftrag an den Gesetzgeber, rundfunkrechtliche Vorschriften gesetzlich festzulegen. Dabei hat er vier ausdrücklich genannte Ziele zu gewährleisten, die sich auf die Programminhalte und auf die Organisation des Rundfunks beziehen. Diese Ziele entsprechen denjenigen in Art. 1 Abs. 2 BVG-Rund­funk. Es wurde lediglich eine sprachliche Änderung vorgenommen („Meinungsvielfalt“ statt „Berücksichtigung der Meinungsvielfalt“). Diese Ziele gelten für die Rundfunkordnung insgesamt, d.h. jedenfalls für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in modifizierter Form aber auch für den privaten Rundfunk. Die gesetzlichen Regelungen sind, anders als dies von der Judikatur des VfGH für Art. I Abs. 2 BVG-Rundfunk angenommen wurde, nach Absatz 3 nicht Voraussetzung für die Ausübung der Rundfunkfreiheit (so bereits zur bisherigen Rechtslage Holoubek, a.a.O., S. 190; treffend daher die Qualifikation als Schrankenvorbehalt durch Funk, Rechtsprobleme der Rundfunkwerbung, in: Aicher (Hrsg.), Das Recht der Webung, 1984, 55 (63)).