Klaus Hartmann als Vertreter                                                                         9. Jänner 2004

von Bundesminister Josef Pröll

 

Österreich-Konvent; Ausschuss 7

Verschiedene Aspekte

zur Privatwirtschaftsverwaltung

sowie Stellungnahme zum entsprechenden Diskussionspapier

 

Kaum ein Aspekt der Staatstätigkeit hat im Laufe der rechtswissenschaftlichen Dis­kussion eine derart schillernde Karriere gemacht, wie die Privatwirtschaftsverwaltung (PWV); die verfassungsrechtlichen Grundlagen wurden bereits auf die unterschied­lichste Weise ausgelegt. Eines ist klar: Die moderne Verwaltung agiert in zunehmen­den Maß mit den Mitteln des Privatrechts, sodass die hoheitliche Verwaltung bereits rein quantitativ in den Hintergrund getreten sein soll (niemand konnte freilich bisher den Anteil der PWV an der gesamten Staatstätigkeit herausrechnen).

            Genau genommen bedeutet PWV mehr, als das staatliche Handeln in den Formen des Privat­rechts. Gemeint ist viel mehr der staatliche Aktionsradius, wie er auch Privaten offen steht. Also insbe­sondere das Handeln in den privatrechtlichen Formen; aber genauso: das Beanspruchen öffentlicher Rechte, wie sie auch Privaten zugänglich sind. Wenn also eine Gemeinde eine (öffentlich-rechtliche) Gewerbeberechtigung erwirbt, so handelt sie ebenfalls im Rahmen der PWV.

 

Grob gesprochen lassen sich in der PWV zwei Hauptaktionsfelder identifizieren:

·        die Vergabe öffentlicher Aufträge

·        und die Vergabe von Subventionen u.ä. per Fördervertrag

Das letzte Jahrzehnt war gekennzeichnet durch eine enorme Verrechtlichung des Vergabebereiches aufgrund europäischer Vorgaben und einer damit einhergehenden Schaffung völlig neuer und teurer Verwaltungs- und Kontrollstrukturen. Der Förderbe­reich ist davon bisher nicht betroffen (Ausnahme: europ. Wettbewerbsrecht).

 

1. PWV und Legalitätsprinzip

Nach der hL gilt in der PWV kein Legalitätsprinzip, d.h. das Handeln der Gebietskör­perschaften als Träger von Privatrechten muss nicht gesetzlich determiniert sein – es gibt ja die Privatrechtsordnung. Freilich sind entsprechende Gesetze, wo sie – gewis­sermaßen freiwillig und zahlreich – erlassen werden, nicht verfassungswidrig. Solche "Selbstbindungs-" oder "Statutargesetze" entfalten allerdings regelmäßig keine Au­ßenwirkung und haben eine ähnliche rechtliche Bedeutung wie (interne) Verwal­tungsverordnungen (=Weisungen).

2. PWV und Kompetenzverteilung

Die Kompetenzartikel 10 bis 15 B-VG betreffen insbesondere die Hoheitsverwaltung und gelten nicht für die Privatwirtschaftsverwaltung. Außerhalb der Hoheitsverwal­tung können der Bund und die Länder machen, was sie wollen. Unter einem rein ver­waltungsreformatorischen Gesichtspunkt ist diese Freiheit nicht unproblematisch: sie führt nachgerade zwangsläufig in verwaltungsorganisatorische Doppelgleisigkeiten. Auch wenn im Ausschuss 5 bereits eine Festlegung getroffen wurde, so ist doch da­rauf hinzuweisen, dass eine klare Zuständigkeitsverteilung in der PWV ein echtes Einsparungspotenzial ermöglichen könnte. Aus der Sicht der Länder wird das freilich anders gesehen.

 

3. PWV und Rechtsschutz

Aufgrund der mangelnden Außenwirkung kann sich niemand auf ein Selbstbindungs­gesetz berufen. Zur Klarstellung wird in solchen Gesetzen auch manchmal ausdrück­lich darauf hin gewiesen, dass "niemandem ein Recht erwachse". (Der Rechtsweg zu den Zivilgerichten bei Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis bleibt selbstverständ­lich offen.)

            Das wird rechtspolitisch verschiedentlich kritisiert und es wird daher gefordert, gegen den "übermächtigen" Staat entsprechende Rechtsmittel einzuräumen. Im Hin­blick auf die Erfahrungen im Bereich der Auftragsvergabe, wo ein ausgeprägter Rechtsschutz besteht, ist vor einer flächendeckenden Ausdehnung etwa vergabe­rechtsähnlicher Strukturen auf alle Bereiche der PWV zu warnen.

            Der Sinn des Vergaberegimes ist vor allem, dass der Staat möglichst günstig einkauft und nicht, dass ein unterlegener Konkurrent sich auf dem Beschwerdeweg doch noch den öffentlichen Auftrag sichert.

 

4. Zur Diskussionsgrundlage aufgrund der 6. Ausschusssitzung

Die vorgelegte schriftliche Diskussionsgrundlage setzt sich umfassend mit vielen rechtlichen Aspekten der PWV auseinander. Im Hinblick auf konkrete Reformvor­schläge, die in den Ausschussbericht aufgenommen werden sollen, bedarf es aller­dings eine verstärkte Herausarbeitung der jeweiligen Gründe. Als konkrete Textvor­schläge zur Verfassungsrechtslage für die PWV leuchten derzeit aus dem Papier fol­gende hervor:

·      Eine erläuternde Beifügung im Art. 17 B-VG zur Privatrechtsfähigkeit (S. 7).

·      Eine textliche Angleichung von Art. 17 und Art. 116 Abs. 2 B-VG (S. 7).

Folgende weitere Aspekte zum vorgelegten Text sind anzumerken:

·      Zur Abgrenzung (S. 2, vorletzter Absatz)

Die "Wahrnehmung von Parteienrechten durch Staatsorgane im Verwaltungsverfah­ren" erscheint kein zweckmäßiges Abgrenzungskriterium zu sein. So agiert etwa eine Amts- oder Formalpartei nicht im Rahmen der PWV. Auch die "schlichte Hoheits­verwaltung ist nicht PWV, sondern eben "Hoheitsverwaltung". Auch die "Schaffung von Selbstbindungsrecht" ist wohl – hoheitliche – Rechtssetzung und kein Akt der PWV.

 

·      Zur Anführung verschiedener Kontrollrechte parlamentarischer Organe (S. 4 f)

Die dezidierte Anführung des parlamentarischen Interpellationsrechtes wie auch der Kontrolle von Rechnungshof und Volksanwaltschaft könnte insoferne zu Missver­ständnissen führen, als ohnehin völlig außer Streit steht, dass eine umfassende Kon­trollmöglichkeiten auch gegenüber der staatlichen PWV-Tätigkeit besteht. Allfällige Kontrolldefizite im Rahmen von Ausgliederungen sind mE nicht in diesem Kontext zu diskutieren.

 

·      Zur Gesetzesbindung (S. 5 letzter Absatz)

Eine "Bindung an das Gesetz" kann schon deswegen nicht "aufrecht bleiben", weil sie – zumindest nach hL – in der PWV nicht zwingend besteht. In Bereichen aller­dings, wo ein (Selbstbindungs-)Gesetz erlassen wurde, besteht ohne Zweifel schon jetzt eine entsprechende Bindung der staatlichen Organe.

 

·      Zur Trennung zwischen hoheitlichen und privatrechtlichen Handlungsformen (S. 6)

Eine Überwindung der "strengen Trennungen zwischen hoheitlichen und privatrecht­lichen Handlungsformen" wird letztlich nichts daran ändern, dass eine Unterschei­dung schon deshalb erforderlich ist, um den jeweiligen verfassungsrechtlich vorgese­henen Rechtsschutzweg auch richtig einzuschlagen: einerseits zu den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts oder anderseits zur ordentlichen Gerichtsbarkeit bei privat­rechtlichen Streitigkeiten.

            Dass öffentliche Aufgaben in privatrechtlicher Form wahrgenommen werden, ist keine speziell zu berücksichtigende Besonderheit, sondern geradezu die Regel der PWV – der Staat hat eigentlich keine privaten Aufgaben.

 

·      Zur Kontrolle (S. 6 f)

Die im Abschnitt "Kontrolle" dargestellten Probleme beschränken sich nicht auf die PWV. Auch im Rahmen der Hoheitsverwaltung gibt es viele berechtigte Geheimhal­tungsinteressen (vielleicht sogar noch mehr), die zu schützen sind.

            Schon jetzt werden Geheimhaltungspflichten auch auf die Kontrollore (RH und VA) überwälzt, sodass zwischen einer umfassenden Kontrolle und der Veröffentlich­ung von Kontrollergebnissen (die beschränkbar ist) begrifflich unterschieden werden muss (vgl. das VfGH-Erk. zur RH-Erfassung der Gehälter bei den staatsnahen Ein­richtungen).

 

·      Zu den Grenzen des privatrechtlichen Handelns (S. 7, 2. Absatz)

Die Frage der "Grenzen des privatrechtlichen Handelns" ist insoferne ein Aspekt des 7er-Ausschusses, als damit das Problem des Rechtsformenmissbrauches in der PWV angesprochen ist. Der Ausschuss 1 befasst sich mit allfälligen Grenz- oder Ga­rantiebereichen des staatlichen Handelns schlechthin – egal in welcher Rechtsform.

 

·      Zur mangelnden Kompetenzverteilung (S. 7, 3. Absatz)

Wissenschaftliche Kritik an der Doppelgleisigkeit wird beispielsweise von Korinek/Ho­loubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung (1993), 87 geübt, die die­se Parallelaktivitäten "sowohl aus bundesstaatlicher Sicht wie auch aus Effizienz­überlegungen negativ bewerten". Siehe dazu auch oben, Punkt 2 .

 

·      Zum Sonderprivatrecht (S. 7, 5. und 6. Absatz)

Bei der Erlassung von Sonderprivatrecht ist zu bedenken, dass dadurch das diffizile System der Privatrechtsordnung neue und unerwünschte Facetten erhalten kann. Schon jetzt zeigt sich, dass der Bund bei der Wahrnehmung seiner Privatrechtskom­petenz im eigenen Organisationsinteresse nicht vor manchen diskussionswürdigen Regelungen zurückschreckt. Das gilt auch für weitere Privilegierungen von bundes­gesetzlichen Kreationen im Hinblick auf Steuer- oder Gebührenbefreiungen.

 


·      Zum Rechtsschutz (S. 11, 2. Absatz)

Die Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber "ausgegliederten und privatrechtlich agie­renden Einrichtungen" scheinen nicht signifikant geringer zu sein, als gegenüber Pri­vatrechtsakten einer Gebietskörperschaft. Wenn die privatrechtsförmige Wahrneh­mung von öffentlichen Aufgaben ein Problem ist, dann in beiden Bereichen gleicher­maßen.

 

·      Zu den sukzessiven Instanzenzügen (S. 8, letzter Absatz und S. 11, 3. Absatz)

Inwieweit das in der Lehre tatsächlich gesehene Problem der sukzessiven Instanzen­züge in der PWV eine Rolle spielt, ist nicht ganz klar. Das exlege-Außerkrafttreten von Administrativentscheidungen bei Anrufung eines ordentlichen Gerichts ist insbe­sondere im Mietrecht, im Enteignungsrecht und im Sozialversicherungsrecht anzu­treffen und soll die Gerichte entlasten. Ein spezifisches Problem der PWV ist darin weniger zu erkennen.