Basisinformation I

zum Thema I. Rechte der Parlamente

 (Nationalrat, Bundesrat, Landtage)

 

1. Interpellations- und Kontrollrechte

1.1. Bund

Frage: Soll die Reichweite des Fragerechts ausgedehnt werden? Soll insbesondere das Fragerecht von Abgeordneten dem Informationsrecht von Regierungsmitgliedern entsprechend gestaltet werden?

Rechtslage: Derzeit beschränkt sich das Fragerecht auf Gegenstände der Vollziehung sowie Unternehmungen, an denen der Bund mit mindestens 50% beteiligt ist und die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen. 
 
Artikel 52 B-VG lautet:
Der Nationalrat und der Bundesrat sind befugt, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu 
überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen sowie ihren Wünschen über die Ausübung der Vollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben.
  (2) Kontrollrechte gemäß Abs. 1 bestehen gegenüber der Bundesregierung und ihren Mitgliedern auch in bezug auf Unternehmungen, an denen der Bund mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist und die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen. Einer solchen finanziellen Beteiligung ist die Beherrschung von Unternehmungen durch andere finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen gleichzuhalten. Dies gilt auch für Unternehmungen jeder weiteren Stufe, bei denen die Voraussetzungen gemäß diesem Absatz vorliegen.
  (3) Jedes Mitglied des Nationalrates und des Bundesrates ist befugt, in den Sitzungen des Nationalrates oder des Bundesrates kurze mündliche Anfragen an die Mitglieder der Bundesregierung zu richten.
  (4) Die nähere Regelung hinsichtlich des Fragerechtes wird durch das Bundesgesetz, betreffend die Geschäftsordnung des Nationalrates, sowie durch die Geschäftsordnung des Bundesrates getroffen.“
 
 
 Reformvorschlag:
Herabsetzung des Prozentanteils der Bundesbeteiligung; Verankerung des neugefassten Umfangs des Fragerechts im B-VG
 
 
Frage: Soll sich das befragte Organ der Pflicht zur Beantwortung von Interpellationen - mit entsprechender Begründung - entschlagen können? 
Rechtslage: Auf Basis des Geschäftsordnungsgetzes des Nationalrates (§ 89) und der Geschäftsordnung Bundesrates (§ 59) muß das Mitglied der Bundesregierung „begründen“, „dass eine Erteilung der gewünschten Auskunft nicht möglich ist“ (dazu Atzwanger-Zögernitz, Nationalrat-Geschäftsordnung, 3. Aufl., 374). Es wird kritisiert, dass dem Mitglied der Bundesregierung geradezu undeterminiertes Ermessen eingeräumt wird. In der parlamentarischen Praxis berufen sich Bundesminister verschiedentlich auf das Amtsgeheimnis und auf die Pflicht zur Wahrung des Datenschutzes.
 
Frage: Soll der aufgrund Artikel 52b B-VG und § 32b GOG-NR eingerichtete Ständige Unterausschuß des Rechnungshofausschusses zur Überprüfung eines bestimmten Vorganges der Bundesgebarung ausgebaut werden? Soll insbesondere die Einberufung dieses Unterausschusses erleichtert und die Möglichkeit des Verlangens auf Aktenvorlage vorgesehen werden?
Rechtslage: 
 
§ 52b B-VG lautet:
 „Art. 52b. (1) Zur Überprüfung eines bestimmten Vorganges in einer der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Angelegenheit der Bundesgebarung wählt der Ausschuß gemäß Art. 126d Abs. 2(Anmerkung: Rechnungshofausschuß) einen ständigen Unterausschuß. Diesem Unterausschuß muß mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuß des Nationalrates vertretenen Partei angehören.
  (2) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates.“
 
Derzeit haben nur Untersuchungsausschüsse das Recht auf Aktenvorlage (§ 25 Abs 2 Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse, Anlage zum Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates, BGBl Nr. 410/1975 idF BGBl I Nr. 163/1998)
 
 
Frage: Soll die parlamentarische Minderheit Prüfungsaufträge an die Volksanwaltschaft erteilen können? 
Rechtslage: Auf Basis des geltenden Bundesverfassungsrechts sind solche Prüfungsaufträge nicht möglich. 
 
Frage: Soll die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen auf Verlangen einer parlamentarischen Minderheit  eingeführt werden? Soll in diesem Zusammenhang für die parlamentarische Minderheit die Möglichkeit geschaffen werden, ein Organstreitverfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig zu machen? (Vgl Punkt 1.4.)
Rechtslage:
Art 53 B-VG lautet:
 „ Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluß Untersuchungsausschüsse einsetzen.
  (2) Die nähere Regelung hinsichtlich der Einsetzung und des Verfahrens von Untersuchungsausschüssen wird durch das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates getroffen.
  (3) Die Gerichte und alle anderen Behörden sind verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebungen Folge zu leisten; alle öffentlichen Ämter haben auf Verlangen ihre Akten vorzulegen.“
 
Rechtsvergleich: Gesetz  zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, BGBl I 2001, 1142 (Dokument 1.1./A). Das Gesetz regelt die Einsetzung auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Bundestages. Hält der Bundestag den Einsetzungsantrag für teilweise verfassungswidrig, ist der Untersuchungsgegenstand auf die Teile zu beschränken, die der Bundestag nicht für verfassungswidrig hält. 
Die Bundesländer Wien und Salzburg haben z.B. das Minderheitsrecht zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in der Landesverfassung verankert. (Vgl § 59a ff. Wiener Stadtverfassung;  Artikel 28 Abs 5, Salzburger Landes-Verfassungsgesetz)
Reformvorschläge: vgl. IA Dr. Peter Kostelka, Schieder 18/A XXI. GP (Dokument 1.1./B); IA Dr. Alexander Van der Bellen 647/A XXI. GP (Dokument 1.1./C)
 
Frage: Bedarf es einer besonderen Regelung der Kontrolle von Ministerentscheidungen in „eigener Sache“ (z.B. des BMF als oberste Steuerbehörde)?
 
Frage: Soll das Institut der Ministeranklage (Artikel 142 B-VG) reformiert werden?
Rechtslage:
Artikel 142 B-VG lautet:
„ (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Anklage, mit der die verfassungsmäßige Verantwortlichkeit der obersten Bundes- und Landesorgane für die durch ihre Amtstätigkeit erfolgten schuldhaften Rechtsverletzungen geltend gemacht wird. 
  (2) Die Anklage kann erhoben werden: 
.....
  b) gegen die Mitglieder der Bundesregierung und die ihnen  hinsichtlich der Verantwortlichkeit gleichgestellten Organe gegen Gesetzesverletzung: durch Beschluß des Nationalrates;“
 

 

1.2. Länder

Frage: Sollen für die Kontrollrechte der Landtage bundesverfassungsrechtliche (und damit bundeseinheitliche) Standards geschaffen werden?

Rechtslage: vgl. Dokument 1.2./A

 

Frage: Wäre angesichts des Umstands, dass sich die politischen Kontrollrechte derzeit nur auf den selbständigen Wirkungsbereich der Länder beziehen (Adamovich, Handbuch des österreichischen Verfassungsrechts, 6. Auflage 399) im Fall der „Verländerung der mittelbaren Bundesverwaltung“ ein Ausbau der Kontrollrechte der Landtage notwendig?

Sollte auch ein politisches Kontrollrecht der Landtage gegenüber dem fachlich zuständigen Bundesminister im Sinne einer bundeseinheitlichen Vollziehung eingerichtet werden?

 

 

1.3. Amtsverschwiegenheit gegenüber Parlamenten

Frage: Soll das „Redaktionsversehen“ betreffend die implizite Möglichkeit der Mitglieder der Bundesregierung, sich gegenüber dem Nationalrat und dem Bundesrat auf die Amtsverschwiegenheit zu berufen, beseitigt werden?

Rechtslage:
Art. 20 Abs. 3 B-VG lautet:
„(3) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit). Die Amtsverschwiegenheit besteht für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre nicht gegenüber diesem Vertretungskörper, wenn er derartige Auskünfte ausdrücklich verlangt.“
 
Reformvorschlag:
Artikel 20 Abs. 3 letzter Satz B-VG lautet:
„Die Amtsverschwiegenheit besteht für (die obersten)  Organe der Vollziehung nicht gegenüber einem allgemeinen Vertretungskörper, wenn er derartige Auskünfte ausdrücklich verlangt.“
 
Verschiedentlich wurde auch die Anwendbarkeit des Art. 20 Abs. 3 B-VG auf die Organe der Gerichtsbarkeit thematisiert (vgl ua Grigg, Amtsverschwiegenheit - Schutz der Parteien -Amtshaftung, ZfV 1982, 13 ff.; verneinend ua Walter, Bundesverfassungsrecht, 9. Aufl., RZ 502). Im übrigen zur Amtsverschwiegenheit sh. Punkt VI. 

 

1.4. Organstreitverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof

Frage: Soll die Möglichkeit von obersten Organen bzw. Organen der Gesetzgebung, Organstreitverfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig zu machen, erweitert werden? Soll im Fall der Einführung eines Minderheitsrechtes auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bei Meinungsverschiedenheiten zwischen der parlamentarischen Minderheit und der parlamentarischen Mehrheit und umgekehrt ein Organstreitverfahren beim Verfassungsgerichtshof eingeführt werden?

Rechtslage: Derzeit gibt es nur Verfahren beim Verfassungsgerichtshof auf Antrag des Rechnungshofes (Art 126a leg.cit.) und der Volksanwaltschaft (Art 148f B-VG). 
 
„ Artikel 126a. Entstehen zwischen dem Rechnungshof und einem Rechtsträger (Art. 121 Abs. 1) Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit des
Rechnungshofes regeln, so entscheidet auf Antrag der Bundesregierung oder einer Landesregierung oder des Rechnungshofes der Verfassungsgerichtshof. Alle Rechtsträger sind verpflichtet, entsprechend der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes eine Überprüfung durch den Rechnungshof zu ermöglichen. Die Exekution
dieser Verpflichtung wird von den ordentlichen Gerichten durchgeführt. Das Verfahren wird durch Bundesgesetz geregelt.“ 
 
„Artikel 148f. Entstehen zwischen der Volksanwaltschaft und der Bundesregierung oder einem Bundesminister Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft regeln, so entscheidet auf Antrag der Bundesregierung oder der Volksanwaltschaft der
Verfassungsgerichtshof in nichtöffentlicher Verhandlung.“
 

Rechtsvergleich: In der BRD gibt es ein umfassendes Regime von Organstreitverfahren beim Bundesverfassungsgericht auf Basis des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere ist sowohl das Minderheitsrecht (Dokument 1.1./A) als auch das entsprechende Organstreitverfahren betreffend z. B. den Umfang der Prüfungsbefugnis des Untersuchungsausschusses oder strittige Beweisanträge (vgl. „Flick- Urteil“ vom 17. 7. 1984 sowie „Parteispenden“- Urteil vom 18.4.2002) vorgesehen.

Artikel 93 Abs 1 Nr.1 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland lautet:

„(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:

1.  über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind;“

 

1.5. Immunität

· Frage: Ist die traditionelle verfassungsgesetzliche Unterscheidung zwischen beruflicher und außerberuflicher Immunität sowie deren Ausgestaltung noch zeitgemäß?

1.5.1. Berufliche Immunität

·  Frage: Soll die berufliche Immunität von Abgeordneten verfassungsrechtlich neu gestaltet werden?

Rechtslage:

„Art. 57. (1) Die Mitglieder des Nationalrates dürfen wegen der in Ausübung ihres Berufes geschehenen Abstimmungen niemals, wegen der in diesem Beruf gemachten mündlichen oder schriftlichen Äußerungen nur vom Nationalrat verantwortlich gemacht werden.“

 

1.5.2. Außerberufliche Immunität

 

1.5.2.1. Sachlicher Geltungsbereich

 

Frage: Soll die außerberufliche Immunität auf (gewisse) zivilgerichtliche Verfahren erstreckt werden?

Frage: Soll die Entscheidungsbefugnis der parlamentarischen Mehrheit über das Vorliegen eines „Zusammenhangs mit der politischen Tätigkeit“ des Abgeordneten gemäß Artikel 57 Abs. 3 B-VG näher determiniert werden?

Rechtslage:

Artikel 57 Abs. 3 B-VG lautet:

„(3) Ansonsten dürfen Mitglieder des Nationalrates ohne Zustimmung des Nationalrates wegen einer strafbaren Handlung nur dann behördlich verfolgt werden, wenn diese offensichtlich in keinem Zusammenhang mit
der politischen Tätigkeit des betreffenden Abgeordneten steht. Die Behörde hat jedoch eine Entscheidung des Nationalrates über das Vorliegen eines solchen Zusammenhanges einzuholen, wenn dies der betreffende Abgeordnete oder ein Drittel der Mitglieder des mit diesen Angelegenheiten betrauten ständigen Ausschusses verlangt. Im Falle eines solchen Verlangens hat jede behördliche Verfolgungshandlung sofort zu unterbleiben oder ist eine solche abzubrechen.“
 
1.5.2.2. Persönlicher Geltungsbereich
 
· Frage: Soll die Immunität auf andere oberste Organe erstreckt werden (Präsident des Rechnungshofes, Volksanwälte ua)? 
 
Frage: Soll die Immunität der Bundesräte bundesverfassungsgesetzlich vereinheitlicht werden?

Artikel 58 B-VG lautet:

Die Mitglieder des Bundesrates genießen während der ganzen Dauer ihrer Funktion die Immunität von Mitgliedern des Landtages, der sie entsendet hat.“

 

·  Frage: Soll die berufliche bzw. außerberufliche Immunität der Landtagsabgeordneten generell landesverfassungsrechtlich geregelt werden?

Rechtslage: Vgl. Artikel 96 B-VG; landesverfassungsgesetzliche Grundlagen der Immunität sh. Dokument 1.5./A.

 

Frage: Soll die Immunität des Bundespräsidenten verfassungrechtlich neu gestaltet werden?

Rechtslage:  

Art. 63 B-VG lautet:

„Artikel 63. (1) Eine behördliche Verfolgung des Bundespräsidenten ist nur zulässig, wenn ihr die Bundesversammlung zugestimmt hat.
  (2) Der Antrag auf Verfolgung des Bundespräsidenten ist von der zuständigen Behörde beim Nationalrat zu stellen, der beschließt, ob die Bundesversammlung damit zu befassen ist. Spricht sich der Nationalrat dafür aus, hat der Bundeskanzler die Bundesversammlung sofort einzuberufen.“
 
Art. 68 B-VG lautet:
 
„Artikel 68. (1) Der Bundespräsident ist für die Ausübung seiner Funktionen der Bundesversammlung gemäß Artikel 142 verantwortlich.
  (2) Zur Geltendmachung dieser Verantwortung ist die Bundesversammlung auf Beschluß des Nationalrates oder des Bundesrates vom Bundeskanzler einzuberufen.
  (3) Zu einem Beschluß, mit dem eine Anklage im Sinne des Artikels 142 erhoben wird, bedarf es der Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder jedes der beiden Vertretungskörper und einer
Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.“
 
Rechtsvergleich:
 
1. Art 61 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland lautet: 

 

GG Art 61

„(1) Der Bundestag oder der Bundesrat können den Bundespräsidenten wegen vorsätzlicher

Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes vor dem

Bundesverfassungsgericht anklagen. Der Antrag auf Erhebung der Anklage muß von

mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder einem Viertel der

Stimmen des Bundesrates gestellt werden. Der Beschluß auf Erhebung der Anklage bedarf

der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages oder von zwei Dritteln

der Stimmen des Bundesrates. Die Anklage wird von einem Beauftragten der anklagenden

Körperschaft vertreten.

(2) Stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß der Bundespräsident einer

vorsätzlichen Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes schuldig

ist, so kann es ihn des Amtes für verlustig erklären. Durch einstweilige Anordnung

kann es nach der Erhebung der Anklage bestimmen, daß er an der Ausübung seines Amtes

verhindert ist.“

 

2. Artikel 49 der Verfassung der Republik Griechenland lautet:

 

Artikel 49. (1) Der Präsident der Republik hat sich auf keinen Fall für Handlungen zu verantworten, die er während der Ausübung seines Amtes vorgenommen hat, außer für Hochverrat und für vorsätzliche Verletzung der Verfassung. Für Handlungen, die nicht die Ausübung seines Amtes betreffen, wird die Verfolgung bis zur Beendigung seiner Amtszeit aufgeschoben.

(2) Der Antrag auf Erhebung der Anklage gegen den Präsidenten der Republik und auf Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegen ihn muß von mindestens einem Drittel der Parlamentsmitglieder gestellt werden; der Beschluß über die Annahme dieses Antrages bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der Gesamtzahl der Mitglieder des Parlaments.

(3) Wird der Antrag angenommen, wird gegen den Präsidenten der Republik ein Verfahren vor dem in Artikel 86 vorgesehenen Gericht eingeleitet; die Bestimmungen des Artikels 86 sind im vorliegenden Fall entsprechend anzuwenden.

(4) Mit Einleitung des Verfahrens enthält sich der Präsident der Republik der Ausübung seines Amtes; er wird nach den Bestimmungen des Artikels 34 vertreten: bei einem Freispruch durch das in Artikel 86 vorgesehene Gericht nimmt er seine Tätigkeit wieder auf, falls seine Amtszeit nicht inzwischen abgelaufen ist.

(5) Das Nähere regelt ein vom Parlamentsplenum zu beschließendes Gesetz.“

 

3. Artikel 90 der Verfassung der Italienischen Republik lautet:

„Art. 90. Der Präsident der Republik ist für die in Ausübung seiner Amtsaufgaben vollzogenen Handlungen nicht verantwortlich, es sei denn, es handle sich um Hochverrat oder einen Angriff auf die Verfassung.

In derartigen Fällen wird er vom Parlament in gemeinsamer Sitzung durch Beschluß der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder unter Anklage gestellt.“

 

4. Artikel 162 der Schweizer Verfassung lautet:

„Art. 162. Immunität (1) Die Mitglieder der Bundesversammlung und des Bundesrates sowie die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler können für ihre Äusserungen in den Räten und in deren Organen rechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden.

(2) Das Gesetz kann weitere Arten der Immunität vorsehen und diese auf weitere Personen ausdehnen.“

In der Schweiz ist der Bundespräsident Mitglied der Bundesregierung (=“Bundesrat“). Seine Verantwortlichkeit ist im „Verantwortlichkeitsgesetz“ geregelt. Die Strafverfolgung bedarf der Ermächtigung der „eidgenössischen Räte“.

 

 

1.6. Unvereinbarkeitsrecht

Frage: Soll die „politische Unvereinbarkeit“ grundsätzlich verfassungsrechtlich neu gestaltet werden?

Rechtslage: Derzeit sind mit der Stellung eines Abgeordneten zum Nationalrat unvereinbar:

Mitglied des Bunderates oder des europäischen Parlaments

Bundespräsident

Präsident des Rechnungshofes

Präsident, Vizepräsident und Mitglied des OGH, VfGH und des VwGH; Präsident und Vizepräsident der obersten Gerichtshöfe dürfen auch währed der letzten vier Jahre nicht dem Nationalrat angehört haben(vgl. Walter-Mayer, Bundesverfassungsrecht, 9. Auflage, RZ 370).

Unvereinbarkeit der Mitglieder der Landtage:

Bundespräsident

Präsident des Rechnungshofes

Präsident, Vizepräsident und Mitglied des OGH, VfGH und des VwGH;

weitere Fälle der Unvereinbarkeit ergeben sich aus dem Unvereinbarkeitsgesetz und aus dem jeweiligen Landesverfassungsgesetz (vgl Walter-Mayer, aaO, RZ 800).

 

Frage: Soll die „wirtschaftliche Unvereinbarkeit“ grundsätzlich verfassungsrechtlich neu gestaltet werden, insbesondere die wirtschaftlichen Anknüpfungstatbestände in § 4 Unvereinbarkeitsgesetz?

Soll eine Bagatellgrenze für die Anzeigepflicht von Unternehmensbeteiligungen gemäß § 3 Unvereinbarkeitsgesetz eingeführt werden?

Inkorporierung der Unvereinbarkeitstatbestände in das B-VG? Und/oder: „Verländerung“ der Kompetenz zur Regelung der wirtschaftlichen Unvereinbarkeit (vgl Artikel 19 Abs 2 B-VG) zugunsten der Landesebene?

Rechtslage: Derzeit im Unvereinbarkeitsgesetz, BGBl. Nr. 330/1983 (WV) idF BGBl I Nr 194/1999 normiert. Wegen der kompetenzüberschreitenden Tatbestände mit zahlreichen Verfassungsbestimmungen und sehr kasuistisch geregelt. Zum Teil sind auch eher wesensfremde Tatbestände (z.B. Offenlegung der Vermögensverhältnisse an den Präsidenten des Rechnungshofes gemäß § 3a UnvG) erfasst. Im Einzelnen sh. dazu Dokument 1.6./A.

Eine Synopse der vom Ausschuss 8 eingeholten Thesenpapiere zur wirtschaftlichen Unvereinbarkeit befindet sich in Dokument 1.6./C.

Die Unvereinbarkeit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft mit der „Führung eines besoldeten Staatsamtes“ ergibt sich aus § 20 Rechtsanwaltsordnung.

 

Rechtsvergleich: Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages, Anlage 1 zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, Dokument 1.6./B. Diese enthalten im Wesentlichen Anzeigepflichten sowie die Veröffentlichung der angezeigten Tätigkeiten und Funktionen. Mit einer Novelle aus 2003 wurden gutachterliche, publizistische und Vortragstätigkeiten sowie Anteile an Kapitalgesellschaften in die Anzeigepflicht aufgenommen. – Nach § 57 Bundesbeamtengesetz muß ein Beamter aus seinem Amt ausscheiden, wenn er die Wahl zum Abgeordneten des Bundestages annimmt.

Frage: Sollen die Regelungen des Unvereinbarkeitsgesetzes betreffend Dienstverhältnisse von Abgeordneten zu einer Gebietskörperschaft beibehalten werden?

Rechtslage:

§ 6a Unvereinbarkeitsgesetz, BGBl. Nr. 330/1989 (WV) idF BGBl. I Nr. 64/1997 lautet:

„§ 6a. (1) Die Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates oder eines Landtages, die in einem Dienstverhältnis zu einer
Gebietskörperschaft stehen, haben dies unter Angabe ihres Tätigkeitsbereiches innerhalb eines Monats nach erfolgtem Eintritt in diesen Vertretungskörper, wenn das Dienstverhältnis nach erfolgter Wahl begründet wurde, innerhalb eines Monats dem Präsidenten des Vertretungskörpers anzuzeigen. 
  (2) (Verfassungsbestimmung) Über die Zulässigkeit der weiteren Ausübung einer solchen Tätigkeit entscheidet der Unvereinbarkeitsausschuß - im Falle der Mitglieder der Landtage der zuständige Ausschuß der Landtage - mit einfacher Stimmenmehrheit. Richtern, Staatsanwälten, Beamten im Exekutivdienst (Wachebeamten) sowie im übrigen öffentlichen Sicherheitsdienst, Beamten im militärischen Dienst und Bediensteten im Finanz- oder Bodenschätzungsdienst ist die weitere Ausübung ihrer dienstlichen Aufgaben untersagt, es sei denn, der Ausschuß beschließt im Einzelfall, daß die weitere Ausübung zulässig ist, weil ungeachtet der Mitgliedschaft im Vertretungskörper auf Grund der im Einzelfall obliegenden Aufgaben eine objektive und unbeeinflußte Amtsführung gewährleistet ist. Sonstigen öffentlich Bediensteten ist die Ausübung einer Tätigkeit untersagt, wenn dies der Ausschuß beschließt, weil eine objektive und unbeeinflußte Amtsführung nicht gewährleistet ist. In diesen Fällen ist dem betroffenen Mitglied des Nationalrates oder Bundesrates innerhalb von zwei Monaten ein mindestens gleichwertiger, zumutbarer Arbeitsplatz  zuzuweisen oder, wenn dies nicht möglich ist, mit seiner Zustimmung ein möglichst gleichwertiger Arbeitsplatz; verweigert das Mitglied seine Zustimmung, ist es mit Ablauf dieser Frist unter Entfall der Dienstbezüge außer Dienst zu stellen.“

 

· Frage: Sollen zur Regelung der Tätigkeit von Interessensvertretern im parlamentarischen Umfeld verfassungsrechtliche Vorkehrungen getroffen werden?

Rechtsvergleich: Eine Studie betreffend die Regelungen über die Tätigkeit von Interessensvertretungen bei den Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten befindet sich auf der

nachstehend angeführten Website http://www.europarl.eu.int/workingpapers/pana/w5/default_de.htm

Gemäß Anlage 2 der Geschäftsordnung des deutschen Bundestages wird jährlich eine öffentliche Liste aufgestellt, in der alle Verbände, die Interessen gegenüber dem Bundestag oder der Bundesregierung vertreten wollen, eingetragen werden.