Herrn
Volksanwalt
Dr. Peter Kostelka
Vorsitzender des Ausschusses 8
des Österreich–Konvents



Wien, 26.11.2003
GZ 666.000/001–D2/03

 



Sehr geehrter Herr Volksanwalt!

Zu den in der Basisinformation III zum Thema Rechnungshof aufgeworfenen Fragen erlaube ich mir, wie folgt Stellung zu nehmen:

Zu 1. Organisation, Wahl und Abwahl der Leitungsorgane

·        Gegen eine Reduzierung der verfassungsrechtlichen Grundlagen des Rechnungshofes auf ihren materiell verfassungsrechtlichen Kern besteht jedenfalls dann kein Ein­wand, wenn gleichzeitig die Bestandsgarantie des Ausführungsgesetzes, also des Rechnungshofgesetzes mit 2/3–Mehrheit abgesichert wird.

·        Da einem Vizepräsidenten die primäre Vertretung des Präsidenten zukommt, wäre es zur Wahrung der Interessen des Rechnungshofes auf jeden Fall vorteilhaft, wenn dem Präsidenten (wieder) ein Vizepräsident zur Seite gestellt wird, dessen Legiti­mation sich auf einen Wahlakt durch die Legislative und nicht nur auf einen administrativen Ernennungsakt zu stützen vermag.

·        Gegen die Beteiligung der Bundesländer bei der Bestellung der Rechnungshofspitze besteht kein Einwand. Hiebei würde die Wiedereinführung der Funktion eines ge­wählten Vizepräsidenten vielfältige Möglichkeiten für eine sachgerechte Länderbe­teiligung eröffnen.

·        Was die Wahl der Rechnungshofspitze (Präsident und Vizepräsident) anlangt, sollte diese auch weiterhin durch die gesetzgebenden Körperschaften, also insbesondere durch den Nationalrat erfolgen. Damit wäre insbesondere auch weiterhin klargestellt, dass die Rechnungs– und Gebarungskontrolle weder der Gerichtsbarkeit noch der Verwaltungstätigkeit, sondern nur der gesetzgebenden Gewalt zuzuordnen ist.

·        Was die Abwahl des Präsidenten (bzw. des Vizepräsidenten) anlangt, so empfiehlt es sich, die nach geltendem Recht jederzeitige Abberufungs­möglichkeit im Interesse der Sicherung der Unabhängigkeit der Gebarungskontrolle dahingehend abzuändern, dass eine solche Abberufung nicht vom Beschluss einer einfachen, sondern einer qualifizierten Mehrheit abhängig gemacht wird. Gleichzeitig wäre klarzustellen, dass ein diesbezüglicher Abberufungsantrag begründet werden muss. Die Festlegung einer 2/3–Mehrheit würde jedenfalls schon ausreichend Gewähr dafür bieten, dass die Ab­berufung der Rechnungshofspitze nicht von zufallsbedingten Mehrheitsverhältnis­sen oder bloß tagespolitisch bedeutsamen Ereignissen, sondern nur von grundsätz­lichen Erwägungen abhängig wird.

Zu 2. Prüfungskompetenz und Prüfungsverfahren

      2.1 Materiellrechtliche Fragestellungen

·        Was den Umfang der Prüfungskompetenz anlangt, wird seitens des Rechnungshofes eine Ausweitung der Prüfungskompetenzen auf Unternehmungen ab einer 25%igen Beteiligung der „öffentlichen Hand“ befürwortet.

·        In gleicher Weise sollte auch eine Prüfungskompetenz für alle Rechtsträger ge­schaffen werden, für die eine Haftung der „öffentlichen Hand“ besteht. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass bis zur B–VG–Novelle 1977, BGBl. Nr. 539/1977, der Rechnungshofkontrolle alle Unternehmungen unterworfen waren, an denen der Bund — gleichgültig in welcher Höhe — beteiligt war oder für die eine Ertrags– oder Ausfalls­haftung bestand (vgl. Art. 126b Abs. 2 B–VG i.d.F. BGBl. Nr. 143/1948).

·        Schließlich sollte auch klargestellt werden, dass Unternehmungen, an denen gesetzliche berufliche Vertretungen im sonst erforderlichen Ausmaß allein oder gemeinsam mit anderen „öffentlichen Kassen“ beteiligt sind bzw. für die sie eine Ertrags– oder Ausfallshaftung übernommen haben, der Zuständigkeit des Rech­nungshofes unterliegen. Gleiches müsste sinngemäß für die Unternehmungen der Sozial­versicherungsträger oder sonstiger der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträger, die keine Gebietskörperschaften sind (wie z.B. der ORF, die ÖBB, die Universitäten usw.), angeordnet werden. Hiebei handelt es sich vor allem um solche Rechtsträger, für die die Zuständigkeit des Rechnungshofes in besonderen Materiengesetzen festgelegt wurde.

·        Die Schaffung einer Prüfungszuständigkeit für alle durch Gesetz (auch durch Landesgesetz) eingerichteten Rechtsträger erschiene sinnvoll. Damit wäre nämlich klargestellt, dass nicht nur die Gebietskörper­schaften, sondern auch alle anderen Körperschaften und sonstigen Anstalten des öffentlichen Rechts durch einen generellen Kompetenz­tatbestand der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen.

·        Schließlich spricht sich der Rechnungshof dafür aus, auch die Direktförderungen der Europäischen Union in seine Prüfungszu­ständigkeit einzubeziehen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass erst eine diesbezügliche innerstaatliche Zuständig­keitsregelung die in Art. 248 Abs. 3 dritter Satz EGV erwartete vertrauensvolle Zu­sammenarbeit des Europäischen Rechnungshofes mit den einzelstaatlichen Rech­nungsprüfungsorganen ermöglichen würde.

·        Zur Frage, ob sich die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes auf alle Ge­meinden — und zwar unabhängig von der Einwohnerzahl — erstrecken sollte, erlaubt sich der Rechnungshof den Hinweis, dass dies den Rechnungshof in die Lage ver­setzen würde, sich einen bundesweiten Überblick auch über die Gebarung der Ge­meinden in allen Bundes­ländern zu verschaffen, Querschnittbelange wahrzunehmen und die erforderlichen Vergleiche anzustellen. Zu solchen Vergleichen wäre auch im Gemeindebereich nur der Rechnungshof in der Lage.

      2.2 Verfahrensrechtliche Fragestellungen

·        Vor allem im Interesse einer zeitnahen Berichterstattung befürwortet der Rechnungshof eine Verkürzung der Stellungnahmefrist (dzt. 3 Monate) auf sechs Wochen.

·        Es empfiehlt sich, die Vorschriften für das Verfahren betreffend die gesetzlichen beruflichen Vertretungen an das ansonsten für den Rechnungshof geltende Ver­fahren anzugleichen. Dies vor allem deshalb, weil die derzeitigen Verfahrensvor­schriften entweder zahlreiche Fragen ungeregelt lassen oder die für die Tätigkeit des Rechnungshofes typische „Öffentlichkeit“ der Finanzkontrolle nicht gewährleisten. Schließlich erscheint es nicht stimmig, wenn derzeit im Art. 122 Abs. 1 B–VG zwar klargestellt wird, unter welchen Voraussetzungen der Rechnungshof in Angelegen­heiten der Gebarung gesetzlicher Interessenvertretungen als Organ des Nationalrates oder als Organ eines Landtages tätig wird, gleichzeitig jedoch jede Berichterstattung an die erwähnten Legislativkörper ausgeschlossen wird.

·        Die Zuständigkeit des Rechnungshofes zur Überprüfung von erst im Planungs­stadium begriffenen Projekten der öffentlichen Hand nach dem Vorbild des § 11 des Steiermärkischen Landesrechnungshofgesetzes erscheint diskutabel; es sollte dabei allerdings mitbedacht werden, dass sich dies nur mit einer nicht unbeträchtlichen Steigerung der Zahl der Bediensteten im Rechnungshof bewerkstelligen ließe.

Zu 3. Parlamentarische Mitwirkungsrechte des Rechnungshofes (Art. 123a B–VG) und Beratung von Regierung und Parlamenten

·        Die rechtliche Verankerung einer Beratungsfunktion des Rechnungshofes für den Nationalrat und die Landtage wird ausdrücklich begrüßt. Auf diese Weise könnte der Rechnungshof seine Erfahrungen den erwähnten allgemeinen Vertretungskörpern nutzbar machen und den vielfach beklagten Informationsrückstand der Legislative gegenüber der Exekutive abbauen helfen. In gleicher Weise bestehen auch keine Bedenken dagegen, wenn dem Rechnungshof die Möglichkeit eröffnet wird, auch gegenüber der Bundesregierung oder gegenüber den Landesregierungen eine Beratungsfunktion wahrzunehmen. Im gegebenen Zusammenhang erschiene es dem Rechnungshof auch sehr wichtig, wenn ihm das Recht auf Stellungnahme zum Entwurf des Bundesfinanz­gesetzes (inklusive Zahlenteil) eingeräumt würde.

·        Der Präsident des Rechnungshofes ist derzeit lediglich berechtigt, an den Ver­handlungen des Nationalrates und seiner Ausschüsse über Rechnungshofberichte, Bundesrechnungsabschlüsse, Anträge gemäß § 99 Abs. 1 GOG—NR und die den Rechnungshof betreffenden Kapitel des Entwurfes des Bundesfinanzgesetzes teilzu­nehmen und dabei auch das Wort zu ergreifen. Der Rechnungshof würde es be­grüßen, wenn ein Teilnahme– und Rederecht des Präsidenten des Rechnungshofes grundsätzlich in allen Ver­handlungen der Ausschüsse und Unterausschüsse des Nationalrates und der Landtage und auch im Plenum der genannten Legislativkörper vorgesehen wird (in Anlehnung an § 18 GOG–NR), letzteres könnte allenfalls auf jene Verhandlungsgegenstände eingeschränkt werden, die den Rechnungshof betreffen (also bei der Behandlung von Berichten des Rechnungshofes oder z.B. bei den den Rechnungshof betreffenden Gesetzesvorhaben).

·        Weiters spricht sich der Rechnungshof dafür aus, dass sich der Präsident des Rech­nungshofes zumindestens in den Ausschüssen (Unterausschüssen) durch den jeweils ranghöchsten Beamten bzw. im Falle der Wiedereinführung dieser Funktion durch den Vizepräsidenten (diesfalls auch im Plenum) vertreten lassen kann.

·        Aus der Sicht der vom Rechnungshof wahrzunehmenden Interessen macht es kaum einen Unterschied, ob die zur Zeit in § 79 Abs. 3 GOG–NR vorgesehene Vorberatung der Berichte des Rechnungshofes im Verfassungsrang steht oder weiterhin im GOG–NR verankert bleibt, soferne nur die Regelung des Art. 30 Abs. 2 B–VG erhal­ten bleibt, wonach die Geschäftsordnung des Nationalrates nur bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Nationalratsabgeordneten und mit einer 2/3–Mehrheit beschlossen (bzw. abgeändert) werden kann.

·        Was schließlich die dem Rechnungshof in der Vergangenheit übertragenen wesens­fremden Aufgaben — wie z.B. Einkommensbericht­erstattungen und Einkommens­erhebungen (vgl. Art. 121 Abs. 4 B–VG oder § 8 BezBegrBVG) — anlangt, würde der Rechnungshof jedenfalls einen Entfall dieser Tätigkeiten oder zumindest eine Übertragung auf andere Einrichtungen (z.B. auf die Statistik Austria oder auf die Finanzämter) uneingeschränkt begrüßen. Hingegen stellt die derzeit in Art. 127b B–VG angeordnete Prüfung der gesetzlichen beruflichen Vertretungen keine „wesensfremde“ Aufgabe dar. Hier ist nur abzuwägen, ob man in diesem Bereich eine öffentliche Finanzkontrolle überhaupt für erforderlich erachtet. Bejaht man diese Frage, dann sollte sie sich jedenfalls von der sonst üblichen Gebarungskon­trolle nicht unterscheiden. Dies gilt für die Prüfungsmaßstäbe, das Verfahren, die Berichterstattung und die allfällige Prüfungszuständigkeit gegenüber Tochtergesell­schaften.

Zu 4. Budgetrecht

·        In diesem Zusammenhang verweist der Rechnungshof auf § 7 Z 2 der im Jahr 1977 vom IX. Kongress der Internationalen Organisation der Obersten Rechnungskontroll­behörden beschlossenen Deklaration von Lima, wonach im Interesse der gebotenen finanziellen Unabhängigkeit die einzelnen Rechnungshöfe das Recht haben sollen, die von ihnen für notwendig erachteten finanziellen Mittel bei der das Staatsbudget beschließenden Körperschaft erforderlichenfalls unmittelbar zu beantragen. In diesem Sinne befürwortet es der Rechnungshof jedenfalls, wenn künftig die direkte Vorlage des vom Rechnungshof zu erstellenden Entwurfes für sein Budgetkapitel einschließlich des ihn betreffenden Stellenplanes an den Nationalrat verfassungs­rechtlich verankert wird.

In der Hoffnung, mit diesen Ausführungen zu den aufgeworfenen Fragen ausreichend Stellung genommen zu haben, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Franz Fiedler