Terezija STOISITS

15. März 2004

 

Punktation von Maga. Terezija Stoisits

für die Sitzung des Konventsausschusses Nr. 9

(Rechtsschutz, Gerichtsbarkeit) am 19. März 2004

 

 

Anmerkung zum Protokoll der letzten Sitzung:

Seite 7 1. Absatz: „Es sollte stärker betont werden, dass im Ausschuss  insoweit Konsens über die Einführung des – eingeschränkten – Subsidiarantrages, soweit mit diesem Rechtswidrigkeit genereller Normen geltend gemacht werden kann, erzielt worden sei, als damit das gegenwärtige Rechtsschutzsystem verbessert werden würde. Einige Mitglieder verwiesen aber auf die Vorteile einer weitergehenden echten „Urteilsbeschwerde“.

 

Zu I) 2) Allgemein

 

            Ad Bericht Seite 8 oben, Zur Frage der Bindungswirkung der Dreiervorschläge der richterlichen Personalsenate: „Vorgeschlagen wurde auch, dass der BMJ bei seiner Auswahl  jedenfalls einer Begründungspflicht unterliegen sollte,  um übergangenen BewerberInnen einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten.“

 

Zu II) Ordentliche Gerichtsbarkeit

 

            Grundsätzlich treten wir die Einrichtung eines Justizrates ein. Dieser Vorschlag ist im Ausschuss auf überwiegende Skepsis gestoßen. Zur Stärkung der unabhängigen Justiz sollten die Dreier-Vorschläge der Personalsenate für den BMJ (relativ) bindend sein, der RichterInnenschaft ein Mitspracherecht bei der Auswahl und Übernahme von RiAAs eingeräumt und ein bundesweit einheitliches Concours-Verfahren nach europäischem Muster eingeführt werden.

 

            Fragen der Gerichtsorganisation sollten – so wie bisher – Gegenstand der Justizpolitik sein und grundsätzlich einfachgesetzlich geregelt werden. Bei den Ausführungen zum Grundsatz einer dreistufigen Gerichtsorganisation sollte auch die Strafgerichtsbarkeit ausdrücklich angeführt werden. Ein grundsätzlich dreistufiger Instanzenzug in der Strafgerichtsbarkeit würde zu einer bundesweit einheitlicheren Rechtssprechung und zur Verringerung des Ost-West-Gefälles in der Strafrechtspraxis wesentlich beitragen.

 

Die diskutierten Änderungen in der Weisungshierarchie gegenüber der Staatsanwaltschaft würden den justiziellen Charakter der Staatsanwaltschaft stärken. Ergänzend wäre aber auch eine Stärkung der Unabhängigkeit in dienstrechtlichen Fragen zu diskutieren.

 

Genaralprokurator Dr. Walter Presslauer hat im Hearing ausdrücklich auf die Möglichkeit einer verstärkten Transparenz von – im wesentlichen nicht in Frage gestellten – staatsanwaltsinternen Weisungen verwiesen. Mit Ausnahme der Anklageweisung sollten Weisungen innerhalb der Staatsanwaltschaft grundsätzlich im Gerichtsakt aufscheinen, das heißt auch für den Angeklagten einsehbar sein.

 

Zu III) Gerichtshöfe öffentlichen Rechts

 

Zum Vorschlag einer „Urteilsbeschwerde“ bzw. eines „Subsidiarantrages“ an den VfGH (Seite 17 BerEntw):

Ausdrücklich sei angemerkt, dass wir den angeführten Leitgedanken der „Wahrung der Gleichrangigkeit der drei Höchstgerichte nicht teilen. Wir treten für die Einführung einer „Urteilsbeschwerde“, im Sinne der „Grundrechtsbeschwerde“ nach dem Muster des deutschen Verfassungsschutzsystems ein. Eine echte „Urteilsbeschwerde“ ist aber mit dem Konzept einer grundsätzlichen Gleichrangigkeit der Höchstgerichte nicht vereinbar.

 

Die Anrufbarkeit des VfGH ist derzeit im Bereich des Zivil- und Strafrechts nicht gegeben, wohl aber im Bereich des öffentlichen Rechts. Es besteht daher eine Rechtsschutzlücke im Verhältnis zwischen VfGH und den ordentlichen Gerichten.

Im Interesse eines vollen und einheitlichen Grundrechtsschutzes und aufgrund des sehr hohen Grades der Ausdifferenzierung der Grundrechtsdogmatik besteht die Notwendigkeit der Konzentration des Grundrechtsschutzes beim VfGH.

Der „Subsidiarantrag“ war nur insoweit konsertiert, als er gegenüber der geltenden Verfassungsrechtslage eine Verbesserung bedeutet. Einige Mitglieder haben aber auf die weitergehende „Urteilsbeschwerde“ hingewiesen.

Gegenüber den in der letzten Sitzung von einer Seite vorgebrachten und im Endbericht festgehaltenen Vorbehalte gegen eine „Urteilsbeschwerde“ hinsichtlich der ordentlichen Gerichtsbarkeit im allgemeinen und der Grundrechtsbeschwerde im Besonderen (Seite 18 und 19) sollten aber auch ihre Vorteile nicht unerwähnt bleiben: Grundrechte sind als subjektive öffentliche Rechte nur so weit durchsetzbar, als dafür ein entsprechendes Verfahren bereitsteht. Ohne echte „Urteilsbeschwerde“ wird der Grundrechtsschutz durch die Anfechtungsmöglichkeit von Bescheiden (und allenfalls Verordnungen  und Gesetzen) beschränkt. Diese Beschränkung impliziert zweierlei: zum einen sind alle anderen Handlungsformen der Verwaltung, zum anderen darüber hinaus alle Akte der Gerichtsbarkeit aus der verfassungsgerichtlichen Ingerenz entlassen.

Dies bedeutet etwa, dass die willkürliche Prüfungsentscheidung genauso der verfassungsgerichtlichen Grundrechtskontrolle entzogen ist wie die privatwirtschaftlich handelnde Verwaltung. Zwar hat der OGH – in durchaus verdienstvoller Weise – in jüngerer Zeit die Fiskalgeltung der Grundrechte anerkannt, doch war es nie genuine Aufgabe dieses Gerichtshofes, den Grundrechtsschutz in dogmatischer Hinsicht voranzutreiben. Der Grundrechtsschutz muss auch voll gewährleistet sein, wenn es um staatliche Aufgabenerledigung in Form der Privatwirtschaftsverwaltung geht. Die Wirksamkeit des Rechtsschutzes ist aber in Zweifel zu ziehen, wenn sich Private nicht an den VfGH wenden können.

Die Grundrechtsdogmatik hat im Übrigen, nicht zuletzt auch durch ihre internationale Verflechtung, einen Spezialisierungsgrad erreicht, der es nicht mehr ermöglichen dürfte, außerhalb einer darauf spezialisierten Fachgerichtsbarkeit einen effektiven Grundrechtsschutz zu gewährleisten. (vgl. Manfred Stelzer, Stand und Perspektiven des Grundrechtsschutzes, in: Festschrift 75 Jahre Bundesversammlung, Wien 1995, S 606f). In diesem Sinne erscheint auch die Grundrechtsbeschwerde nach dem Grundrechtsbeschwerdegesetz nicht ausreichend. Dies bestätigen auch die geringen Zahlen von Grundrechtsbeschwerden und deren minimale Erfolgsrate (im Jahr 2001 war von insgesamt 50 Grundrechtsbeschwerden eine einzige erfolgreich!).

 

Im Gegenzug zur Einführung einer „Urteilsbeschwerde“ könnte nicht zuletzt zur Entlastung des VfGH eine Einschränkung seiner Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit sowie eine Bindung an die Rechtsauslegung des VwGH bzw. OGH überlegt werden.

 

Anlassfallwirkung: Nach erfolgter Aufhebung von Normen durch den VfGH fallen aus unterschiedlichen Gründen Einzelfälle aus der Anlasswirkung heraus. Die Gerichte sollten die Möglichkeit haben, die Anlasswirkung auf bei ihnen anhängige Rechtssache zu erstrecken und die aufgehobene Norm nicht anzuwenden.

 

Beschwerde- und Anfechtungsrechte für Amtsorgane, Verbände und Bürgerinitiativen: Es wäre sicherzustellen, dass dies einfachgesetzlich eingeräumt werden kann – Ergänzungen von Art 139, 140 und 144 angelehnt an  Art 131 Abs 2 B-VG. 

Vergleich derzeit geltende Regelungen wie:

·                    § 24 Abs 11 UVP-G (Verfassungsbestimmung): „Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen gemäß Abs 1 auf Antrag der in § 19 Abs 3 und 4 genannten Parteien“. (ds Umweltanwaltschaften, Bürgerinitiativen, wasserwirtschaftliches Planungsorgan und Standortgemeinde)

·                    sowie den Prüfungsbeschluss des VfGH zu UVP-G (B 456, 457/03 B 462/03 vom 27. November 2003).

 

Weiterer Diskussionsbedarf besteht hinsichtlich des vorläufigen Rechtsschutzes durch Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung von VfGH- bzw. VwGH-Beschwerden.

Beschlüsse auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung werden nach herrschender Auffassung erst mit ihrer Erlassung (ex nunc) wirksam. Es besteht im Hinblick darauf, dass Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts vor der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine aufschiebende Wirkung haben, eine Rechtsschutzlücke (vgl. etwa verschiedentliche Abschiebungen von AusländerInnen, bevor einer Beschwerde noch die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde). Eine am Rechtsschutz orientierte Betrachtungsweise könnte daher bestrebt sein, die Rechtslage in Richtung zu ändern, dass Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof, mit denen ein Antrag auf  Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt wurde, bis zur Erledigung des Antrages aufschiebende Wirkung haben, es sei denn die Behörde (das Verwaltungsgericht) spricht im Rahmen ihrer (seiner) Entscheidung aus, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides (Urteils) im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Dieser Ausspruch ist im Rahmen der Entscheidung des VwGH oder VfGH über die aufschiebende Wirkung zu überprüfen."

Auch der Umfang des vorläufigen Rechtsschutzes könnte ausgeweitet werden. § 30 Abs. 2 VwGG und § 85 Abs. 2 VfGG ermächtigen zwar dazu, einer Beschwerde mit Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und damit zur Aussetzung des Vollzuges des angefochtenen Bescheides, wobei der Begriff "Vollzug" in einem weiten Sinn zu verstehen ist und sämtliche Rechtswirkungen des angefochtenen Bescheides erfasst. Diese Bestimmungen ermächtigen jedenfalls nach ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich zur Erlassung von einstweiligen Verfügungen oder zur Zuerkennung von vorläufigen Rechten, mit denen mehr als die Suspendierung der Umsetzung des angefochtenen Bescheides in die Wirklichkeit verfügt werden soll.

Auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach ein mit einem nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes Gericht durch eine Vorschrift des nationalen Rechts nicht daran gehindert werden darf, einstweilige Anordnungen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Gemeinschaftsrecht hergeleiteten Rechte ist in diesem Zusammenhang hinzuweisen.

 

 

Die Frage einer Verankerung von Verbandsklagen wurde im Ausschuss nicht erörtert. Die Einführung von Verbandsklagen auf verfassungsrechtlicher Ebene für den Schutz bestimmter (insbesondere benachteiligter, gefährdeter und sozial schwacher) Personengruppen spezialisierte NGOs zur Geltendmachung von Grundrechtsverletzungen, die typisch und gehäuft Angehörige bestimmter Personengruppen treffen und zur Vertretung solcher Gruppen würde eine wesentliche Verbesserung des österreichischen Rechtsschutzsystems bedeuten.

 

Auch die Möglichkeit einer verfassungsgesetzlichen Regelung zur Umsetzung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte wurde im Ausschuss noch nicht diskutiert.

 

 

ad IV) Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern

 

In den Ausschussberatungen konnte hinsichtlich des sogenannten „9+1-Modells“ im Wesentlichen Konsens erzielt werden. Das sollte im Endbericht auch ausdrücklich festgehalten werden.

 

            Im Fall der Verwirklichung des Zulässigkeitsmodell besteht das Risiko einer Duplizierung der Verfahren: zunächst über die Zulässigkeitsfrage und erst in einem zweiten Durchgang in der Sache selbst. Dieses Modell würde aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit übernommen werden. Daher sollte im Ausschussbericht auf die Bedachtname der Besonderheiten im verwaltungsrechtlichen Verfahren und Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen werden.

Ebenso sollte ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass der vorläufigen Rechtsschutz (aufschiebende Wirkung) während dem gesonderten Zulassungsverfahren gewährleistet sein müsse.

Die Gefahr der Duplizierung könnte dadurch minimiert werden, dass Revisionen zugleich mit der Zulässigkeitsbeschwerde einzubringen sind. Der VwGH könnte so im Falle der Zulässigkeit sogleich auf die Revision eingehen.

 

Festgehalten werden sollte, die Auffassung, dass das Organisations- sowie das Dienst- und Besoldungsrecht der Verwaltungsgerichte schon aus Sicht eines einheitlichen Standards und der Unabhängigkeit bundeseinheitlich zu regeln ist.

 

Bei den Kriterien für die Weiterbestellung von UVS-RichterInnen zu  VerwaltungsrichterInnen sollte darauf verwiesen werden, dass ein Großteil der heute tätigen UVS-RichterInnen ursprünglich für eine befristete Funktionsperiode ernannt war und erst nach einem neuerlichem Bestellverfahren, welches den Ländern freie Hand bei der Auswahl gab, wiederernannt wurden. Daher hat es bereits zwei Auswahlverfahren gegeben. Eine Nichtübernahme kann daher nur aus ganz besonders schwerwiegenden Gründen in Frage kommen. Der allgemeine Verweis auf die juristische Qualifikation bzw. fachliche Eignung, auf den Arbeitseifer und insbesondere auf das außerdienstliche Betragen geht viel zu weit. Gerade im Hinblick auf die bisherigen Erfahrungen im Zusammenhang mit der dienst- und organisationsrechtlichen Stellung der UVS-RichterInnen wäre mit einer derartig weichen Formulierung nicht sichergestellt, dass unangenehme oder missliebige Senatsmitglieder aus unsachlichen Gründen nicht übernommen werden.

 

Im Ausschuss wurde die Thematik der Sachverständigenausstattung bzw. der Kostentragung für Gutachten in Verfahren vor den neuen Verwaltungsgerichten noch nicht diskutiert. Bisher haben die BerufungswerberInnen keine Kosten zu tragen. Die Bundesländer verrechnen derzeit nichts für die Tätigkeit der Sachverständigen, die für den UVS arbeiten. Es sollte gewährleistet werden, dass die neuen Verwaltungsgerichte nicht mit externen GutachterInnen arbeiten müssen. Denkbar wäre, dass sie nicht keinen eigenen SV-Apparat haben, sondern auf Sachverständige der Gebietskörperschaften zurückgreifen können. Die Kosten würden ansonsten auf die BerufungswerberInnen überwälzt. Das wäre oft derartig hohe Kostenbelastung, dass dadurch der faktische Rechtsschutz erheblich verringert werden würde.

 

Ad VI 1) Zur Erweiterung des Rechtsschutzes durch Beiräte und Rechtsschutzbeauftragte

            Menschenrechtsbeirat sollte als allgemeine präventive Haftprüfungskommission mit der Kompetenz ausgestattet werden, alle Haftanstalten (Strafvollzugsanstalten der Justiz, einschließlich der Unterbringung in Untersuchungshaft, Polizei-Anhaltezentren, Schubhafteinrichtungen, psychische Anstalten etc.) ohne vorherige Anmeldung zu besuchen, eingerichtet werden und an das Parlament angebunden werden, damit die Unabhängigkeit seiner Mitglieder von der kontrollierten Vollziehung garantiert ist.

 

ad VI) 2) Staatshaftung:

            Im Ausschussbericht sollte die Notwendigkeit einer Novellierung von § 2 Abs. 3 AHG ausdrücklich festgehalten werden. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung sind Ersatzansprüche aus Erkenntnissen des VfGH, VwGH und OGH ausgeschlossen. Das entspricht nicht mehr der geltenden Rechtlage.

 

 

Hingewiesen wird darauf, dass zwischen dem Text des Berichtsentwurfes und dem dazu vorgeschlagenen Textvorschlag betreffend Änderungen des B-VG Divergenzen bestehen (etwa hinsichtlich einer Säumnisbeschwerde an den VwGH).