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A-1014
Wien, Judenplatz 11 |
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DES VERWALTUNGSGERICHTSHOFES |
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Univ.Prof.
Dr. Clemens Jabloner |
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Herrn
Generalsekretär
Mag. Werner WUTSCHER
Bundesministerium für Land- und
Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft
Stubenring 1 u. 12
1012 Wien Wien,
am 11. März 2004
E-Mail:
manuela.sigl@lebensministerium.at
Sehr geehrter Herr
Generalsekretär!
Zu dem am 4. März 2004
gemailten überarbeiteten Entwurf des Ausschussberichtes darf ich wie folgt
Stellung nehmen:
Zu S. 8: Im ersten
Absatz findet sich die nicht recht verständliche Formulierung
"Insbesondere wurden ideologische Unterschiede der Funktion des Staates
vermutet, die mit den Vorschlägen des Vorsitzenden nicht identisch waren".
Transparenter wäre m.A. nach folgende Ausführung: "Im Zuge der Diskussion
wurde deutlich, dass eine Diskussion über Verwaltungsreform nicht völlig von
den differenten Vorstellungen über die Funktion des Staates abgelöst werden
kann. Der Ausschuss konnte sich indessen auf die nachfolgend angeführten
Kriterien verständigen."
Im nächsten Absatz fehlt
mir - auch wenn ich die Perspektive der Modernisierer einnehme - eine
methodische Klammer: Vielleicht könnte man den zweiten Absatz wie folgt
einleiten: "In Österreich wird die staatliche Verwaltung traditionell
primär als Rechtsfunktion gedeutet. Damit stehen andere Deutungen im Rahmen der
Verwaltungslehre oder der Verwaltungspolitik nicht im Widerspruch, da es um die
Anwendung verschiedener Methoden geht. Im Ausschuss wurde verschiedentlich
vertreten, dass der juristische "Deutungsprimat" der Verwaltung durch
eine verstärkte Einbringung verwaltungspolitischer Gesichtspunkte ausgeglichen
werden sollte".
Zu den Ausführungen ab
Mitte dieser Seite ist festzuhalten, dass sie mit dem verfassungslegistischen
Projekt des Österreich-Konvents nur wenig zu tun haben. Allenfalls könnte man
diese Erwägungen in einen Annex verschieben.
In inhaltlicher Hinsicht
bin ich mit dem Inhalt des vorletzten Absatzes nicht einverstanden: Hier wird
zum Ausdruck gebracht, dass "eine konsequente Rückführung der staatlichen
Tätigkeiten auf die Kernaufgaben sichergestellt" werden soll. M.A. ist zu
unterscheiden zwischen der verfassungsrechtlichen Fragestellung, welche
"Kernaufgaben" nicht ausgegliedert werden dürfen und der allgemein
politischen Festlegung, dass alles außer den "Kernaufgaben"
ausgegliedert werden soll. Ich bin jedenfalls nicht der Auffassung, dass sich
der Staat auf die Kernaufgaben zurückziehen soll. Der Satz steht auch in einem
gewissen Spannungsverhältnis zum Folgenden, in dem die "Erbringung der demokratisch
legitimierten öffentlichen Leistungen" angesprochen wird. Das können wohl
auch andere Aufgaben als die Kernfunktionen sein.
In stilistischer
Hinsicht sollte man am normativen Stil der Rechtssprache festhalten und nicht
in die betriebswirtschaftliche "Leitbildsprache" abgleiten. Gemeint
ist doch, dass etwa eine klare Trennung der strategischen Führung von der
operativen Führung die Ablösung ermöglichen s o l l .
Zu S. 11: Das Beispiel
der "gesamten Justiz" im ersten Absatz ist nicht passend. Bei der
Justiz handelt es sich primär um Gerichtsbarkeit, also von vornherein nicht um
mittelbare Bundes"verwaltung". In Art. 102 Abs. 2 B-VG ist auch von
"Justizwesen" die Rede, was einen etwas anderen Gehalt hat. Das
Beispiel könnte einfach gestrichen werden.
Wie schon zum Ausdruck
gebracht, sollte im Folgenden ein Zusammenhang zur gescheiterten
Bundesstaatsreform der 90er Jahre hergestellt werden. Damals hatte sich
gezeigt, dass mit einer "Verländerung" der Vollziehung von
Bundesgesetzen wegen Herstellung des demokratischen Legitimationszusammenhangs
sehr aufwändige Ersatzkonstruktionen notwendig wären, die gerade aus
verwaltungsökonomischer Sicht den Wert des Systemwechsels wieder in Frage
stellen. Dieses Element übersieht auch Prof. Raschauer bei seinem Vorschlag
der Textergänzung. Auch müsste man - wenn man ihm folgt -, deutlich machen,
dass diese Parallelitäten bereits weitestgehend "abgeschöpft" sind,
etwa durch Reformmaßnahmen im Landwirtschaftsministerium. Das Modell Raschauer
mit seiner gänzlichen Auflassung einer Koordination auf der Ebene der
Bundesverwaltung könnte nur dann realisiert werden, wenn man die
Landesregierung in einen unmittelbaren Verantwortungszusammenhang zum
Nationalrat brächte, was ich aus anderen Gründen nicht für zweckmäßig hielte.
Eine Begutachtung des
schließlich überarbeiteten Teils über die mittelbare Bundesverwaltung darf ich
mir noch vorbehalten.
Zu S. 13: Der
Berichtsteil über das Thema "Weisung" ist noch immer etwas
undeutlich. Im neuen Entwurf findet sich unter 2. (S. 14) jetzt ein Hinweis auf
die bisherige Durchbrechungsmöglichkeit des Weisungsprinzips nach Art. 133 Z. 4
B-VG. Ich glaube aber, dass daraus nichts zu gewinnen ist. Hier ging es ja um
die Verwaltungsrechtsprechung durch Kollegialbehörden mit richterlichem
Einschlag und daher um kein verallgemeinerungsfähiges Modell der
Verwaltungsführung, wie dies auch vom VfGH bestätigt wurde. Legt man den neuen
Textvorschlag von Raschauer zu Grunde, dann müsste man - im Gegenzug - auch die
Gegenposition unter 4. etwas vertiefen. Insbesondere müsste darauf hingewiesen
werden, dass die allgemeine Geltung des Weisungsprinzips als Grundsatz von der
österreichischen Verfassungsrechtslehre besonders hoch angesetzt wird. So sagt
z.B. Raschauer, Art. 20 Abs. 1 B-VG, Rz 12, in: Korinek/Holoubek (Hrsg.)
B-VG Kommentar: "In größter Allgemeinheit ist der Grundsatz der leitungs-
und verantwortungsgebundenen Verwaltungsorganisation sogar
Verfassungsänderungen entzogen, bestehen also in den Grundprinzipien der
Verfassung Grenzen einer Abänderbarkeit ....." Diese Stelle hätte ich
schon sehr gerne im Ausschussbericht zitiert. Man kann auch nicht geltend
machen, dass der Gesetzgeber von einer generellen Ermächtigung quasi
"verfassungskonform" Gebrauch machen sollte, weil man diesfalls die Kontrolle
der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze von der Ebene des Verfassungstextes
unmittelbar in die Grundprinzipien verschöbe, was eine ausgesprochen schlechte
Verfassungstechnik wäre. Ich bin auch zu diesem Kapitel davon geleitet, dass
noch eine Gesprächsrunde stattfindet.
Zu S 16: Im Zusammenhang
des "Ausgliederungskapitels" herrschen nach meinem Eindruck nach noch
wesentliche Auffassungsunterschiede: Meiner Ansicht nach ist die
Ausgliederungsjudikatur des VfGH nicht so unklar (vgl. etwa das Gutachten von
Kucsko-Stadlmayer beim letzten ÖJT). Es wäre die Aufgabe des Ausschusses 6 oder
jedenfalls des Verfassungskonvents allenfalls diese Judikatur in den
Verfassungstext zu übernehmen. Verfassungspolitisch bin ich der Meinung, dass
der Judikatur des VfGH keinesfalls "gegengesteuert" werden sollte. In
der Determination "erforderlichenfalls" sehe ich keinen Ausdruck
eines "Subsidiaritätsprinzips", es sei denn, man würde dessen Geltung
unabhängig vom Verfassungsrecht annehmen. Den Textvorschlag lehne ich somit ab.
Zu S. 17: Zum letzten
Absatz meine ich, dass es hier nicht um Art. 98 B-VG geht
- diese Bestimmung betrifft das Gesetzgebungsverfahren der Länder -
sondern um Art. 97 Abs. 2 B-VG, d.h. die Vorsehung der Mitwirkung von
Bundesorganen an der Landesvollziehung. Diesfalls gibt es aber ein massives
Bundesinteresse, insbesondere die Mitwirkung von Exekutivorganen unter
Kontrolle zu behalten.
Zu S. 20: Die
Richtigkeit der Ausführungen im ersten Absatz erscheint mir zweifelhaft:
Zutreffend ist, dass es keine Auflösung der Dienstverhältnisse
öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse wegen Auflassung des Arbeitsplatzes
gibt. Es ist aber zu fragen, in welchen Grenzen eine derartige
Kündigungsmöglichkeit bei Vertragsbediensteten besteht. Oder will man massiv
auch unter dieses Niveau?
Zu S. 21: Hier verweise
ich zunächst auf mein bereits eingebrachtes Papier zu Art. 21 Abs. 3 B-VG.
Es wäre wie ausgeführt verfassungsdogmatisch zu prüfen, inwieweit das Vorhaben,
die Personalgestion der Bundesbediensteten bei ausgegliederten Rechtsträgern zu
vereinheitlichen, unter der Geltung des Art. 21 Abs. 3 B-VG
verwirklicht werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein, dann wäre
Art. 21 Abs. 3 entsprechend zu ergänzen. Die derzeit vorgeschlagene
Auflassung geht mir zu weit.
Zu S. 26: Im Textvorschlag
sollte es - im Sinn einer normativen Stilistik - nicht lauten
"handeln" sondern "sind verpflichtet ... zu handeln".
Aufrecht bleiben meine Zweifel am Sinn der "Wirksamkeitsnorm": Wenn
man - wie NPM - gerade der Steuerungskraft von Rechtsnormen misstraut, sondern
auf die "Wirklichkeit" setzt, so ist es doch ein Widerspruch, dies
dann "anzuordnen" oder?
Die oben angestellten
Erwägungen gelten auch für die vorgelegten Normtexte.
Mit der Bitte um
Information der Mitglieder verbleibe ich
mit den besten Grüßen
Ihr Clemens Jabloner