Ö-Konvent.    Vorschlag für Ausgangslage im Ausschussbericht

Ausschuss 4 „Grundrechtskatalog“    Grabenwarter (auf der Basis Strategiepapier Funk)

    19. Mai 2004

               

 

Grundrechtliche Gewährleistungen finden sich im österreichischen Verfassungsrecht verstreut in zahlreichen Texten und Quellen, aus verschiedenen Abschnitten der Rechtsentwicklung stammend, innerhalb und außerhalb des B-VG, teils staatlicher, teils völkerrechtlicher Herkunft. Zwei relativ geschlossene Kataloge enthalten das StGG 1867 und die EMRK mit ihren Zusatzprotokollen. Ansonsten gibt es eine Fülle sporadischer, größerer und kleinerer Texte und Quellen, manche davon sind Reste angefangener Kodifikationen (zB BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit). Dazu kommen Grundrechtstexte und -quellen völkerrechtlicher Herkunft, die nicht im Verfassungsrang transformiert wurden und/oder nicht unmittelbar anwendbar sind.

 

Die EMRK und ihre Zusatzprotokolle schaffen insgesamt einen weitgehend kompletten Katalog der „klassischen“ Menschenrechte und Grundfreiheiten. Gäbe es nur die EMRK und ihre Zusatzprotokolle, so bestünde bei diesen Rechten und Freiheiten nur wenig Ergänzungsbedarf an zusätzlichen verfassungsgesetzlichen Garantien. Sie haben überdies wegen ihrer Einbindung in die europäische Grundrechtsordnung und wegen der permanenten richterrechtlichen Fortentwicklung sowohl durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als auch durch den österreichischen VfGH unter allen grundrechtlichen Rechtsquellen ein großes Gewicht.

 

Der Verfassungsrang der EMRK ist unter den Mitgliedstaaten des Europarates einmalig. Er hat zu einer umfangreichen Rechtsprechung insbesondere des Verfassungsgerichtshofes, aber auch des Verwaltungsgerichtshofes und in jüngerer Vergangenheit zunehmend auch des  Obersten Gerichtshofes geführt, in denen die Garantien der EMRK entfaltet werden. Die wissenschaftliche Durchdringung dieses Rechtsgebiets und das Grundrechtsbewusstsein sind in Österreich überdurchschnittlich. Neue Instrumente des Rechtsschutzes wurden in Beiratsform sowie durch eigene Rechtsschutzbeauftragte in den letzten Jahren eingeführt, um den gerichtlichen Rechtsschutz um präventiven und begleitenden Rechtsschutz zu ergänzen und zu verstärken.

 

Diese Voraussetzungen bilden eine solide Basis für eine Diskussion um die Reform der Grundrechte. Sie muss sich vor allem jenen Entwicklungen widmen, die sich in der Zeit nach der Ratifikation der EMRK ereignet haben und durch Zusatzprotokolle oder jüngere innerstaatliche Grundrechte (noch) nicht ausreichend berücksichtigt wurden. In der Strukturierung seiner Arbeit definierte der Ausschuss zu Beginn den Bereich der Fundamentalgarantien, der Gleichheitsgarantien sowie der sozialen Rechte als Diskussionsfelder, in denen die Ausschussarbeit Antworten auf geänderte Rahmenbedingungen zu erarbeiten haben wird.