Dr. JOHANNES SCHNIZER               14. September 2004

 

 

Anmerkungen

 

zum Textvorschlag Grabenwarter/Jabloner zur Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz

 

 

Zu Art 130:

Der zweite Satz des Abs 1 Z 4 sollte gestrichen werden. Keinesfalls kann den Ländern ein Zustimmungsrecht in jenen Angelegenheiten eingeräumt werden, die sie im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung vollziehen, wie es sich meines Erachtens aus dem Zusammenhang der Art 130 Abs 1 Z 4, Art 131 Abs  1 Z 3 und Abs 2 Z 4 ergibt. Dies entspricht nicht nur dem Ergänzungsmandat des Präsidiums vom 25.06.2004, sondern auch den Festlegungen in der 10. Sitzung vom 2. Juli 2004, wonach die Landesverwaltungsgerichte für die Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung zuständig sein sollen.

 

Abs 3 scheint mir nicht den Konsens zum Ausdruck zu bringen, der hinsichtlich der Entscheidungsbefugnis im Ausschuß gefunden wurde; dieser geht dahin, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst entscheiden, außer dass der Sachverhalt so ergänzungsbedürftig ist oder aus anderen Gründen eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde aus verwaltungsökonomischen Gründen vorteilhaft ist. Daher schließe ich mich der Alternativvariante Grabenwarter an, vielleicht lässt sich eine gemeinsame Formulierung finden. Missverständlich ist in diesem Zusammenhang der Hinweis auf die Verwaltungsübertretungen.

 

Zu Art 131:

Aus Gründen der Übersichtlichkeit und leichteren Verständlichkeit sollte die Hauptzuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder, nämlich die Entscheidung über Bescheide aus der Bestimmung des Abs 1 Z 3 („alle übrigen Angelegenheiten ...“) herausgelöst und als neue Z 1 an den Beginn der Aufzählung ihrer Zuständigkeiten gestellt werden

 

Der Abs 2 Z 3 sollte wie folgt geändert werden: „über sonstige Beschwerden in Angelegenheiten des Art. 130 Abs. 1 Z. 4, die ihnen durch Bundesgesetz zugewiesen werden“.

Nach der vorgeschlagenen Fassung des Art. 130 Abs. 1 Z. 4 – die ich (siehe oben) jedenfalls ablehne – dürfte ein Bundesgesetz, das die Übetragung von Angelegenheiten in die Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte vorsieht, ohne Zustimmung der Länder nicht kundgemacht werden. Daraus ergibt sich notwendiger Weise eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes, dem durch Bundesgesetz diese Aufgabe zuzuweisen ist. Für den Bürger ist das Kriterium, ob die Länder einer Übertragung nicht zugestimmt haben, nicht ersichtlich es gibt dann eben kein Bundesgesetz - sodass es im Verfassungstext nicht vorkommen sollte.

 

Der Abs 3 sollte zur Gänze entfallen. Es ist im Sinne einer Parität nicht vorstellbar, dass die Länder einseitig die Möglichkeit haben, in (unmittelbarer) Bundesverwaltung vollzogene Angelegenheiten des Bundes vor ihre Gerichte zu ziehen. Denkbar wäre eine solche Übertragung allenfalls durch Bundesgesetz mit Zustimmung des betreffendes Landes.

 

Zu Art 133:

Der Rechtszug vom Verwaltungsgericht erster Instanz an den Verwaltungsgerichtshof sollte nicht als „Revision“, sondern als „Berufung“ bezeichnet werden, weil dieser Ausdruck auch Nichtjuristen verständlich ist. „Revision“ heißt das Rechtsmittel vor dem OGH auch nur deswegen, weil es sich bereits um die Revision einer Berufung handelt. Dies ist beim Verwaltungsgericht nicht der Fall, weil es erstinstanzlich entscheidet. Ich trete daher strikt für die Bezeichnung „Berufung“ im Verfassungstext ein, der ja allgemein verständlich sein soll.

 

Ich halte an meiner – auch im Protokoll der 10. Sitzung vermerkten Meinung (S. 12) – fest, dass der erste Satz des Abs 3 getrichen werden sollte. Es handelt sich dabei um eine verfahrensrechtliche Regelung, die keinen Platz in der Verfassung hat. In inhaltlicher Hinsicht lehne ich eine solche Regelung deshalb ab, weil sie nicht rechtsschutzfreundlich ist und in Wahrheit nur Rechtsanwälte davon abschrecken soll, Zulässigkeitsentscheidungen zu bekämpfen. Es ist seine Sache, wenn er sich mehr Arbeit macht, indem er zweistufig vorgeht.

 

Der letzte Satz des Abs 5 sollte gestrichen werden. Diese Bestimmung kumuliert die Zulässigkeitsentscheidung des Verwaltungsgerichts erster Instanz mit einem Ablehnungsrecht des VwGH. Einigung bestand im Ausschuss immer darüber, dass der VwGH als Revisionsgericht fungieren soll und ein Zulässigkeitsmodell eingeführt wird (siehe Protokoll der 10. Sitzung, S. 5), nicht aber, dass zu den ohnedies sehr eng gehaltenen Zulässigkeitsvoraussetzungen zusätzlich ein Ablehnungsrecht des VwGH festgelegt wird. Eine solche kumulative Beschränkung des Zugangs zum Höchstgericht besteht auch nicht im Rechtszug an den OGH.

 

Zu Art 134:

Bei der Ernennung der Mitglieder der Verwaltungsgerichte des Bundes und der Länder in Abs 3 und 4 sollten die Besetzungsvorschläge der Gerichte entsprechend dem derzeitigen Art 86 B‑VG gestaltet werden, sodass es jeweils heißt: „ ... auf Grund von Besetzungsvorschlägen des jeweiligen Verwaltungsgerichts des Bundes / der Länder“. Das war Konsens im Ausschuss!

 

Zu Art 135:

Ob die Verwaltungsgerichte erster Instanz in Senaten oder durch Einzelmitglieder erkennen, sollte der Materien- und nicht der Organisationsgesetzgeber entscheiden, der in Kenntnis der Materien diese Entscheidung am besten treffen kann. Abs 1 wäre dementsprechend anzupassen.

 

In Abs 3 letzter Satz sollte das Wort „womöglich“ entfallen, weil ihm hier im Gegensatz zu Abs 2 letzter Satz, Abs 3 vorletzter Satz und Abs 4 letzter Satz nicht die Bedeutung einer kumulativen Einschränkung zukommen soll.

 

Zu Art. 144:

 

Bekanntlich bin ich strikt gegen eine Beibehaltung der Sonderverwaltunsgerichtsbarkeit im Falle der Einführung einer Landesverwaltungsgerichtsbarkeit; um prozessökonomische Absurditäten zu vermeiden, müsste zumindest die Reihenfolge umgedreht werden.

 

Wenn sie schon beibehalten wird, sollte wenigstens die Abtretung so gestaltet werden wie bisher; also: Antrag auf Abtretung schon bei Beschwerde an den VfGH, sonst geht die Novelle auschließlich mit Verschlechterungen für den Bürger aus.