Konsequenzen einer Aufhebung von Art 21 Abs 3 B-VG

Matzka/Raschauer

 

Literatur: Thienel, Öffentlicher Dienst, Stand 1990; Kucsko-Stadlmayer in Korinek/Holoubek zu Art 21 B-VG, Stand 1999; Mayer, B-VG, 3. Aufl, 148 f.

 

Art 21 Abs 3 B-VG bestimmt: "Soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt ist, wird die Diensthoheit gegenüber den Bediensteten des Bundes von den obersten Organen des Bundes ausgeübt. Die Diensthoheit gegenüber den Bediensteten der Länder wird von den obersten Organen der Länder ausgeübt; soweit dieses Gesetz entsprechende Ausnahmen hinsichtlich der Bediensteten des Bundes vorsieht, kann durch Landesverfassungsgesetz bestimmt werden, dass die Diensthoheit gegenüber den Bediensteten des Landes von gleichartigen Organen ausgeübt wird".

Art 21 Abs 3 B-VG regelt somit nicht Verbandskompetenzen [des Bundes und der Länder] zur Gesetzgebung und zur Vollziehung, sondern eine spezielle Organkompetenz in Bezug auf die Ausübung der "Diensthoheit".

Demgegenüber nennt Art 118 Abs 3 Z 2 B-VG als eine der Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde: "Bestellung der Gemeindebediensteten und Ausübung der Diensthoheit unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Disziplinar-, Qualifikations- und Prüfungskommissionen;" Die Bestimmung regelt damit nur eine Verbandskompetenz.

 

Eine Einschränkung der den Dienstbehörden des Landes zukommenden Zuständigkeiten für Landeslehrer für öffentliche Pflichtschulen ergibt sich aus Art IV der B-VG-Nov BGBl 215/1962 (Zustimmung des BMin).

Bezüglich der Landesbediensteten sind jene Angelegenheiten der Diensthoheit, die als "Leitung des inneren Dienstes" im Sinn der Verfassungsbestimmungen des Art 106 B-VG und des § 1 Abs 3 ÄdLRegBVG zu qualifizieren sind, dem Landeshauptmann sowie dem Landesamtsdirektor als seinem Hilfsorgan zugewiesen.

 

Spezielle Bestimmungen sind:

Art 125 Abs 3 B-VG: Die Diensthoheit des Bundes gegenüber den beim Rechnungshof Bediensteten wird vom Präsidenten des Rechnungshofes ausgeübt.

Art 148h Abs 2 B-VG: Die Diensthoheit des Bundes gegenüber den bei der Volksanwaltschaft Bediensteten wird vom Vorsitzenden der Volksanwaltschaft ausgeübt.

Üblicher Weise wird unter einem auch Art 30 Abs 4 B-VG zitiert: Dem Präsidenten des Nationalrates stehen insbesondere auch die Ernennung der Bediensteten der Parlamentsdirektion und alle übrigen Befugnisse in Personalangelegenheiten dieser Bediensteten zu.

In VfSlg 15762/2000 sah der VfGH die Diensthoheit des Präs des VwGH gegenüber den beim VwGH Bediensteten als verfassungsrechtlich vorausgesetzt.

Diese Bestimmungen blieben im Fall einer Aufhebung des Art 21 Abs 3 B-VG inhaltlich unverändert.

 

An den Begriff "Diensthoheit" anknüpfend:

Art 14 Abs 4 B-VG: Landessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:
a) Behördenzuständigkeit zur Ausübung der Diensthoheit über die Lehrer für öffentliche Pflichtschulen ...

Art 14b Abs 3 B-VG: Soweit es sich nicht um die im Abs. 2 genannten Angelegenheiten handelt, ist Bundessache die Gesetzgebung, Landessache die Vollziehung in den Angelegenheiten ....
b) des Dienstrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Lehrer für öffentliche land- und forstwirtschaftliche Berufs- und Fachschulen und der Erzieher für öffentliche Schülerheime, die ausschließlich oder vorwiegend für Schüler dieser Schulen bestimmt sind, ausgenommen jedoch die Angelegenheiten der Behördenzuständigkeit zur Ausübung der Diensthoheit über diese Lehrer und Erzieher.

Art VI Satz 2 Übergang zur B-VG-Nov 1962, BGBl 215/1962: Die Gebietskörperschaft, welche die Diensthoheit über die Lehrer für die entsprechenden öffentlichen Schulen ausübt, ist verpflichtet, nach Maßgabe der bundesgesetzlichen Vorschriften über die Subventionierung die Zuweisung der einzelnen Lehrer an die Schulen durchzuführen.

Wortgleich Art V Satz 2 Landw. Schulrechts-B-VG-Novelle BGBl 316/1975

Alle anderen begrifflichen Anknüpfungen an den Begriff "Diensthoheit" sind (wenn man von der nur historisch relevanten Bestimmung des § 9 ÜG 1920 absieht), soweit ersichtlich, unterverfassungsrechtlichen Rangs.

Eine Bestimmung im Verfassungsrang, die auf "Art 21 B-VG" im Allgemeinen oder auf "Art 21 Abs 3 B-VG" im Besonderen verweist, konnte nicht gefunden werden.

Die genannten anknüpfenden Bestimmungen blieben im Fall einer Aufhebung des Art 21 Abs 3 B-VG inhaltlich unverändert.

 

In welchen Angelegenheiten wird die Organkompetenz der obersten Organe des Bundes und der Länder in Bezug auf Bundes- und Landesbedienstete festgelegt ?

"Alle Rechtsakte, die sich auf die Begründung oder nähere Gestaltung des Dienstverhältnisses beziehen" (VfSlg 14896/1997),
- in Bezug auf Beamte und Vertragsbedienstete,
- insb Begründung oder Auflösung des Dienstverhältnisses, Qualifikation und Leistungsbeurteilung, dienstrechtliche Weisungen, Hereinbringung eines Übergenusses, Entbindung von der Amtsverschwiegenheit uam,
- bei Beamten insb alle dienstrechtlichen Bescheide, incl Versetzung, Disziplinarmaßnahmen.

 

Worin besteht die "Vorbehaltswirkung" ?

Grundsätzlich ist der nach BMinG zuständige Bundesminister bzw - gemäß Art 106 B-VG - einerseits der Landeshauptmann, andererseits das nach der GO-LReg zuständige Mitglied der Landesregierung zuständige Dienstbehörde, und zwar auch bezüglich Bediensteter, die bei nachgeordneten Dienststellen, auch bei unabhängigen (zB UVS, UBAS), verwendet werden.

Da dies nicht wirklich praktikabel ist, hat der VfGH Abweichungen vom Wortlaut des Art 21 Abs 3 B-VG akzeptiert:
- Dienstbehördliche Zuständigkeiten dürfen durch Gesetz oder durch gesetzlich determinierte Rechtsverordnung auf nachgeordnete Behörden übertragen werden, jedoch dürfe "der Kernbereich" der Diensthoheit nicht übertragen werden. Dieser wird darin gesehen, dass das oberste Organ stets zur Erlassung (unmittelbarer) dienstrechtlicher Weisungen befugt ist und dass gegen dienstrechtliche Bescheide ein Instanzenzug an das oberste Organ offen stehen muss. - In diesem Licht scheinen Rechtsmittelzüge an den UVS (zB bei Landeslehrern gegen die Ausübung der Diensthoheit durch die LReg) nicht unproblematisch.
- Kraft historischer Interpretation wird die einfachgesetzliche Errichtung von weisungsfreien Disziplinarkommissionen als zulässig erachtet. Die einfachgesetzliche Betrauung von Beurteilungs- und Qualifikationskommissionen darf jedoch nicht die dienstbehördlichen Konsequenzen ("Entscheidung über den Verbleib einer Person in einer leitenden Funktion") umfassen, da diese zum "Kernbereich" gehören.
- Art 21 Abs 3 B-VG steht Ausgliederungen - und der Errichtung eines "Amts" für die dienstbehördlichen Angelegenheiten der beim Ausgegliederten verwendeten öffentlich Bediensteten - nicht entgegen; der Instanzenzug zum obersten Organ muss jedoch gewahrt bleiben und die Weisungsbefugnis des obersten Organs muss positivrechtlich hergestellt werden (VfSlg 15946/2000). - Da dies bei der Ausgliederung der Post-Nachfolgeunternehmen offenbar als unangebracht beurteilt wurde, wurden Instanzenzug und Weisungsbindung durch die Verfassungsbestimmung des § 17a Abs 2 PTSG ausgeschlossen (Postvorstand als oberste Dienstbehörde; vgl zu besonderen Abgrenzungsproblemen allerdings VwGH 20. 3. 2002, 2001/09/0184).

 

In VfSlg 13304/1992 hat der VfGH ein ähnliches Modell auch in Art 118 B-VG "hineingelesen". Demgegenüber orientiert sich der VwGH bei der Ermittlung dienstbehördlicher Zuständigkeiten gegenüber Gemeindebediensteten - uE zu Recht - am betreffenden Gesetz.

 

Was wäre somit die Konsequenz der Aufhebung des Art 21 Abs 3 B-VG ?

Wenn hier davon ausgegangen wird, dass für die Weisungsfreiheit von Disziplinar- und Beurteilungskommissionen in anderem Zusammenhang Vorsorge getroffen werden soll, würde sich ergeben, dass - je nach dem Willen des Gesetzgebers -
- ein Instanzenzug in dienstrechtlichen Angelegenheiten nicht notwendig zum obersten Organ führen muss (sondern vorher abgeschnitten oder aber zB zum UVS geführt werden könnte)
- ein Weisungszusammenhang, sofern die Dienstbehörde nicht weisungsfrei gestellt werden sollte, nach normalen Regeln gegeben wäre, also bei nachgeordneten Ämtern bestünde und bei Ausgegliederten positivrechtlich angeordnet werden müsste.

Parlamentarische Verantwortlichkeit wäre wie für jede andere Verwaltungsmaterie gegeben. Bleibt das Weisungsrecht der obersten Organe für ihren Ressortbereich uneingeschränkt, tritt keine Minderung der Verantwortung ein. Eine besondere Statuierung der Diensthoheit ist dafür nicht erforderlich.

Da insoweit keine bundesverfassungsrechtliche Vorgabe mehr bestünde, wäre es uE als Teil der Verfassungsautonomie der Länder zu sehen, die Diensthoheit in Bezug auf Landesbedienstete beim Landtag, bei einem Landesrechnungshof oder bei einer Landes-Volksanwaltschaft einem entsprechenden Organ zuzuweisen.