VfGH 23. 1. 2004, G 363/02 - Rechtssatz
Teilweise Zulässigkeit eines Drittelantrags von Abgeordneten, eingebracht von mehr als einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates auf Aufhebung von Bestimmungen des MilitärbefugnisG (hinsichtlich Teilen von §2, §11, §22 und §57 leg cit).
 
Im Übrigen keine Zulässigkeit des Antrags mangels ausreichender Darlegung der Bedenken im Einzelnen bzw mangels untrennbaren Zusammenhanges der zur Aufhebung beantragten  Bestimmungen.
 
(...)
 
Verfassungswidrigkeit des §57 Abs3 erster Satz MilitärbefugnisG; hoheitliches Tätigwerden des als Verwaltungsorgan im organisatorischen Sinn zu qualifizierenden Rechtsschutzbeauftragten.
 
Beim Rechtsschutzbeauftragten handelt es sich um eine Rechtsschutzeinrichtung, die - bedenkt man die Grundrechtsnähe der diese Kontrolle auslösenden Eingriffe - darauf abzielt, im Interesse der Betroffenen das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an faktischer Effizienz des Rechtsschutzes bei Maßnahmen der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr zu gewährleisten.
 
Die Regelung, der zufolge der Rechtsschutzbeauftragte in Ausübung seines Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden ist, die also sein Herauslösen aus der hierarchischen  Verwaltungsorganisation beinhaltet, ist zwar mit Blick auf die Gewährleistung eines effizienten Rechtsschutzes konsequent, bedürfte aber schon zufolge der verfassungsrechtlichen Systematik (siehe Unabhängige Verwaltungssenate - Art129b Abs2 B-VG, Unabhängiger Bundesasylsenat -Art129c Abs3 B-VG; Kollegialbehörde iSd Art133 Z4 B-VG) einer verfassungsrechtlichen Grundlage.
 
Verfassungswidrigkeit des §22 Abs3 Z3, §22 Abs4 Z3, §22 Abs5 Z3 MilitärbefugnisG.
 
Es steht - auch aus der Sicht des Gesetzgebers - außer Zweifel, dass durch die angefochtenen Bestimmungen die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden sollte, militärischen Organen und Dienststellen, die mit Aufgaben der nachrichtendienstlichen Aufklärung (und Abwehr) betraut sind, auf die beschriebene Weise die Ermittlung auch sensibler Daten zu ermöglichen. Es scheint unzweifelhaft, dass mit der Wahrnehmung dieser "Aufklärungsarbeit" im Dienste der Landesverteidigung Eingriffe in das durch Art8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens zwangsläufig
verbunden sind.
 
Da den militärischen Organen durch die bekämpften Bestimmungen ein weites Ermessen eingeräumt ist, kommt in diesem Zusammenhang der Frage des effizienten Rechtsschutzes eine besondere Bedeutung zu; der Gesetzgeber muss gegen den allfälligen verfassungswidrigen Gebrauch
dieser Ermächtigungen und gegen mögliche Willkür Rechtsschutzmechanismen vorsehen.
 
Die Einrichtung des - nicht verfassungsrechtlich weisungsfrei gestellten - Rechtsschutzbeauftragten, dem derzeit der Bundesminister für Landesverteidigung gemäß §22 Abs8 MilitärbefugnisG nur dann
Gelegenheit zur Äußerung zu einer Datenermittlung geben muss (wodurch der Rechtsschutzbeauftragte nach dieser Regelung erst Kenntnis von der Datenermittlung erlangt), wenn er für diese Ermittlung (zuvor!) ein entsprechendes Verlangen gestellt hat, ist jedoch - in der
derzeitigen Ausgestaltung - nicht geeignet, als rechtlich wie auch faktisch wirksame Rechtsschutzeinrichtung betrachtet zu werden, da sie den aus Art8 iVm Art13 EMRK erfließenden Verpflichtungen nicht entspricht.