VfGH 10. 10. 2003, A 36/00
Auszug aus den Entscheidungsgründen
 
Der österreichische Gesetzgeber hat die Frage, vor welcher staatlichen Behörde und in welchem Verfahren gemeinschaftsrechtlich begründete Staatshaftungsansprüche geltend zu machen sind, nicht
ausdrücklich geregelt. Die Frage ist daher nach den allgemeinen Grundsätzen der Zuständigkeitsverteilung vorzunehmen, wie sie sich in der österreichischen Rechtsordnung finden, wobei freilich den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen, wie sie der Europäische Gerichtshof in den vorher zitierten Entscheidungen formuliert hat, Rechnung getragen werden muss (vgl. VfSlg.  16.107/2001 unter Hinweis auf VfSlg. 12.049/1989). (...)
 
Zwar wäre es denkbar anzunehmen, dass die wiedergegebene Bestimmung des §2 Abs3 AHG, soweit sie gemeinschaftsrechtlich begründete Haftungsansprüche ausschließt, nicht anzuwenden ist, da ihr insoweit unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht entgegensteht, eine Auffassung, die vor allem von Lengauer, Haftung eines Mitgliedstaates für die Verletzung von EG-Recht, ÖJZ 1997, 81 (86), vertreten wird, doch übersähe eine solche Argumentation, dass die Nichtanwendung positiven Gesetzesrechtes zur Erreichung einer gemeinschaftsrechtskonformen Rechtslage nur dann in Frage  kommt, wenn dieses Ziel nicht anders herbeigeführt werden kann. In concreto steht aber die - gemeinschaftsrechtlich jedenfalls unbedenkliche - Bestimmung des Art137 B-VG zur Verfügung, derzufolge vermögensrechtliche Ansprüche gegen Gebietskörperschaften subsidiär vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden können. (...)
 
Dort aber, wo sich der Staatshaftungsanspruch aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt und das Gemeinschaftsrecht eine entsprechende Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Organs zur Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen erfordert, steht die subsidiäre Zuständigkeit nach Art137 B-VG zur Verfügung. Dies gilt für die Haftung, die aus dem Titel legislativen Unrechts geltend gemacht wird (vgl. VfSlg. 16.107/2001), genauso wie für die Haftung aus gemeinschaftsrechtswidrigen höchstgerichtlichen Entscheidungen.