Österreich Konvent
5. Sitzung,
Freitag, 21. November 2003
Tagesordnung
1.) Änderung in der Zusammensetzung der Ausschüsse 4, 5, 6, 9 und
10.
2.) Anhörung
(Hearing) von Vertretern gesellschaftlicher Organisationen
und
Interessenvertretungen am 21. November und am 15. Dezember 2003.
Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler....................................... 5
Silvia Fuhrmann....................................................................................................... 6
Mag. Johann
Gudenus............................................................................................. 7
Christoph Riedl........................................................................................................ 9
Mag. Barbara
Prammer......................................................................................... 13
Theresia Zierler...................................................................................................... 16
Christine Marek...................................................................................................... 17
Mag. Brigid
Weinzinger.......................................................................................... 19
Dr. Brigitte
Hornyik................................................................................................. 23
Karl Blecha............................................................................................................. 25
Dr. Josef
Ratzenböck............................................................................................ 28
Dr. Paul Tremmel.................................................................................................. 29
Dr. Maria Berger..................................................................................................... 31
Stellvertretender
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer........ 33
Dr. Eva
Glawischnig.............................................................................................. 33
Mag. Renate
Brauner............................................................................................. 34
Dr. Herbert Haller................................................................................................... 35
Herwig Hösele........................................................................................................ 37
Dr. Andreas Khol.................................................................................................... 38
DDr. Karl
Lengheimer............................................................................................ 39
MMag. Dr.
Madeleine Petrovic............................................................................... 40
Mag. Terezija Stoisits............................................................................................. 42
Dr. Günter Voith..................................................................................................... 43
Bernd Vögerle........................................................................................................ 44
Dr. Walter Hessler................................................................................................. 45
Stellvertretende
Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner............... 47
Dr. Christoph
Schönborn....................................................................................... 47
Mag. Peter Karner.................................................................................................. 48
Robert Freihsl........................................................................................................ 49
Dr. Michael
Staikos................................................................................................ 50
Lothar Pöll.............................................................................................................. 51
Dr. Emanuel Aydin................................................................................................. 52
Anba Gabriel........................................................................................................... 52
Mag. Herwig Sturm................................................................................................ 53
Carla-Amina Baghajati........................................................................................... 54
Mag. Thomas Schärf............................................................................................. 56
Dr. Peter Riedel..................................................................................................... 57
Max Nemec............................................................................................................ 58
Martin Ivancsics..................................................................................................... 59
Ernst Kulmann....................................................................................................... 64
Ing. Karl Hanzl........................................................................................................ 64
Dr. Marjan Sturm.................................................................................................... 65
Dr. Hannes Tretter................................................................................................. 67
Mag. Heinz Patzelt................................................................................................. 71
MMag. Dr. Willi
Brauneder..................................................................................... 73
Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler..................................... 74
Dr. Bernd-Christian Funk....................................................................................... 74
Dr. Andreas Khol.................................................................................................... 75
Dr. Peter Kostelka.................................................................................................. 76
Dr. Manfred Matzka................................................................................................ 77
DDr. Heinz Mayer................................................................................................... 78
MMag. Dr.
Madeleine Petrovic............................................................................... 80
Dr. Theodor
Öhlinger............................................................................................. 81
Mag. Terezija Stoisits............................................................................................. 82
Dr. Klaus Poier....................................................................................................... 83
Dr. Peter Bußjäger................................................................................................. 84
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, die
Plätze einzunehmen.
Ich eröffne die heutige Sitzung des Österreich-Konvents und
begrüße alle Mitglieder, die Vertreter von gesellschaftlichen Organisationen
und Interessenvertretungen sowie auch die erschienenen Zuhörer.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Tagesordnung
setzt sich aus zwei Punkten zusammen. Punkt 1: Änderungen in der Zusammensetzung
der Ausschüsse des Konvents gemäß § 12 Absatz 3 der Geschäftsordnung des
Konvents und Punkt 2: Die Beschlussfassung gemäß § 11 der Geschäftsordnung des
Konvents über die Anhörung von Vertretern gesellschaftlicher Organisationen und
Interessenvertretungen. Dabei wird sowohl über die Anhörung am heutigen Tage
vom Konvent Beschluss zu fassen sein, als auch über die Anhörung von
Interessenvertretern in der Sitzung am 15. Dezember 2003. Die entsprechenden
Anträge für die Anhörung der Interessenvertreter sind Ihnen mit den Einladungen
zugegangen, darüber hinaus liegen diese Anträge auch auf den Pulten bei Ihnen
auf.
Ich darf zum 1.
Punkt der Tagesordnung kommen, zur Änderung der Zusammensetzung der
Ausschüsse. Das Präsidium hat folgenden Vorschlag unterbreitet: Im Ausschuss 4
betreffend den Grundrechtskatalog wird Bundesminister Mag. Herbert Haupt
Mitglied. Im Ausschuss 5, mit dem Thema: Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden,
wird Universitätsprofessor Dr. Theo Öhlinger Mitglied. Der Ausschuss 6, mit dem
Thema: Reform der Verwaltung, wird ergänzt durch Universitätsprofessor Dr.
Raschauer, Präsident Dr. Leitl und Präsident Verzetnitsch. Im Ausschuss 9, mit
dem Thema: Rechtsschutz, Gerichtsbarkeit, wird Univ. Prof. Bernhard Raschauer
durch Bundesministerin Elisabeth Gehrer ersetzt. Und im Ausschuss 10, mit dem
Thema Finanzverfassung, wird Bundesrat Prof. Konecny durch Dr. Johannes
Schnizer ersetzt.
Ich darf zur Abstimmung über diesen Antrag kommen und darf
Sie um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. Gegenprobe: Wer ist dagegen? – Ich
stelle die Einstimmigkeit fest. (Angenommen)
Wir kommen nunmehr zum Tagesordnungspunkt
2: die Anhörung von Vertretern gesellschaftlicher Organisationen und
Interessenvertretungen gemäß § 11 der Geschäftsordnung. Ich bringe den Antrag
über die Anhörung in der heutigen Sitzung zur Abstimmung, sowie auch den Antrag
über die Anhörung von Interessenvertretungen in der Sitzung am 15. Dezember
2003.
Wer mit diesen Anträgen einverstanden ist, den ersuche ich
um ein Zeichen der Zustimmung. Gegenprobe: Wer ist dagegen? Das ist einstimmig
beschlossen. (Angenommen)
Ich darf nun ganz kurz auf den Ablauf der heutigen Sitzung,
vor allem der Anhörung des Interessenvertreter zu sprechen kommen. Wir werden
am Vormittag die Vertreter und Vertreterinnen aus den Bereichen der Jugend,
Frauen und Senioren hören, so weit die geladenen Vertreter anwesend sind und
sich zu Wort melden, und im Anschluss daran wird die Möglichkeit für höchstens
18 Wortmeldungen von Mitgliedern des Konvents bestehen. Ich gehe davon aus,
dass diese Anhörung etwa um die Mittagszeit beendet sein wird. In Anschluss an
diese Anhörung wird die Sitzung für eine Pause von zirka einer Stunde
unterbrochen werden. Am Nachmittag erfolgt die Fortsetzung der Anhörung mit Vertretern
und Vertreterinnen aus den Bereichen der gesetzlich anerkannten Kirchen- und
Religionsgesellschaften, der Volksgruppen und der Menschenrechtsorganisationen,
und zwar gleichfalls, soweit die geladenen Vertreter anwesend sind und sich zu
Wort melden. Im Anschluss daran besteht erneut die Möglichkeit, dass maximal 18
Wortmeldungen von Mitgliedern des Konvents erfolgen. Die Dauer jeder
Wortmeldung der Interessenvertreter ist begrenzt, und zwar unterschiedlich
begrenzt, und ich werde zu Beginn jeder Wortmeldung darauf hinweisen, auf wie
lange.
Ich darf die Interessenvertreter jetzt schon darauf
aufmerksam machen, dass sofern eine Wortmeldung mit 5 Minuten oder weniger
begrenzt ist, 1 Minute vor Beendigung der Redezeit die rote Lampe am Rednerpult
aufleuchtet. Wenn die Redezeit mehr als 5 Minuten beträgt, dann leuchtet diese
Lampe bereits 2 Minuten vor Ende der Redezeit auf. Für jede Gruppe von
Interessenvertretern besteht eine Gesamtredezeitbeschränkung. Jede Gruppe hat
aber das Recht eingeräumt erhalten,
abweichend von der Einzelredezeit, die Gesamtredezeit unter ihren
Rednern so zu verteilen, wie sie es im Einvernehmen für richtig befindet. Von
dieser Möglichkeit haben einige Gruppen auch angekündigt, Gebrauch zu machen.
Ist Frau Romana Brait anwesend und macht von ihrem
Rederecht Gebrauch? – Das ist offenbar nicht der Fall.
Dann gelangen wir zur zweiten Rednerin, Frau Silvia
Fuhrmann von der Jungen Volkspartei. – Ich darf Sie bitten.
Silvia Fuhrmann: Guten Morgen, sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf hier sozusagen die Position aus Sicht
der Jungen ÖVP, die sich zum Teil auch deckt mit der Position der
Bundesjugendvertretung, in aller Kürze darbringen und möchte zu Beginn auch
noch festhalten, dass ich es als Mitgliedsorganisation der
Bundesjugendvertretung sehr schade finde, dass es von zehn eingeladenen
Organisationen, die gleichzeitig das Präsidium der Bundesjugendvertretung
ausmachen, nur drei geschafft haben, hier auch anwesend zu sein: der Ring
Freiheitlicher Jugend, die Junge ÖVP und die Katholische Jungschar. Der Vertreter
der Katholischen Jungschar wird ebenfalls die Position der
Bundesjugendvertretung hier darbringen.
Ich glaube an die Absicht, die Bundesjugendvertretung als
das was sie ist, nämlich als wichtige dem Seniorenrat und somit auch den
Sozialpartnern gleichgestellte Organisation zu behandeln und dass wir es
eigentlich als Aufwertung verstehen hätten können, dass wir die Möglichkeit
bekommen, mit zehn Organisationen vertreten zu sein und nicht mit weniger, wie
das bei anderen der Fall ist. Nichtsdestotrotz hoffe ich, dass die Stimme der
Jugend dementsprechend umso intensiver gehört werden kann.
Grundsätzlich glaube ich oder richte auch die Bitte an den
Konvent, eines muss ich schon festhalten: Ich finde es nach wie vor sehr
schade, dass sowohl die Jugendvertreter als auch die Seniorenvertreter dem
echten Konvent sozusagen nicht angehören, bedanke mich aber trotzdem, dass wir
hier die Möglichkeit zu einem Hearing bekommen haben.
Die grundsätzliche Forderung und die Bitte, die wir seitens
der Jungen ÖVP an alle Ausschüsse heran tragen möchten ist einfach, sich auch
das Motto „neu, unkonventionell und chancenreich“ sozusagen vorzunehmen, das
heißt, im Interesse der Jugendlichen zu handeln, Jugend als Querschnittsmaterie
zu betrachten, wie es auch ein Entschließungsantrag im Parlament schon mehrmals
dokumentiert hat und wir zum Regierungsprogramm auch festgehalten haben. Das
ist das eine, und das andere, und dazu braucht man durchaus ein bisschen Mut,
nicht alte Strukturen um ihrer selbst willen weiter zu führen. Ich glaube, das
ist etwas, was sich oft mit dem Willen, die Verfassung zu verschlanken,
vielleicht nicht ganz verträgt, aber ich bin sicher, dass da ein großes Bemühen
besteht.
Ich möchte grundsätzlich auf zwei Punkte konkret eingehen.
Der Erste sind die Staatsaufgaben und die Ziele, wo wir als Junge auch
besonders drei Punkte herausheben möchten, die zu solchen Kernaufgaben des
Staates gehören müssen.
Der erste wichtige Punkt ist aus unserer Sicht die
Sicherheit. Das kann oder muss sein die innere und die äußere Sicherheit, aber
genau so die physische und die Rechtssicherheit. Ein wichtiges Schlagwort ist
aus unserer Sicht der Begriff Daseinsvorsorge, da gehört Wasser dazu, da gehört
Strom dazu, da gehört auch das Kanalsystem dazu, und als dritten Punkt möchten wir
hervorheben wettbewerbstaugliche Rahmenbedingungen und hier abzielen auf
Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Bildung.
Zu den staatlichen Institutionen haben wir die Position,
dass wir für eine Beibehaltung der derzeitigen Bundesländer- und Repräsentationsstruktur
eintreten und ein Bekenntnis zum Föderalismus auch als Ergebnis erwarten.
Kombiniert mit Verwaltungsvereinfachung und dem Stop-Prinzip. Im Ausschuss drei
werden noch weitere Dinge, die uns sehr wichtig sind und eigentlich die Jugend
am meisten betreffen, behandelt. Unter anderem möchte ich hier unsere Position
zur Wahlaltersenkung, genau so wie das Familienwahlrecht, das mit einem
Fragezeichen zu behandeln ist, darlegen. Zur Wahlaltersenkung sagen wir ja,
aber schrittweise, das heißt, von Gemeindeebene über Länderebene, über die
Bundesebene, das heißt, wir würden das derzeit in die Verfassung ablehnen. Das
Familienwahlrecht lehnen wir als Junge ÖVP ebenfalls ab, weil einfach sozusagen
die Partizipation und das passive Wahlrecht im Vordergrund stehen müssen, das
heißt Jugendlichen ein Mandat, eine Chance und Verantwortung zu geben, und das
ist ein wesentlich größerer Appell an die Parteien, nicht an die Verfassung. –
Vielen Dank.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke auch, und ich darf als nächsten Redner als
Vertreter der Österreichischen Gewerkschaftsjugend Herrn Stefan Maderna
aufrufen. Ist er anwesend? – Nein.
Dann kommt als nächster Redner, der sich zu Wort gemeldet
hat, Herr Ralf Schallmeiner von der Österreichischen Hochschülerschaft. – Ist
auch nicht im Saal anwesend.
Als nächster Redner ist mir Herr Mag. Johann Gudenus vom
Ring Freiheitlicher Jugend gemeldet worden. – Bitte sehr. Redezeitbeschränkung
fünf Minuten.
Mag. Johann Gudenus: Hoher Konvent! Verehrter Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es auch sehr bedauerlich, wie meine
Vorrednerin schon erwähnt hat, dass nur drei der Jugendorganisationen, die
heute geladen wurden, zur Aussprache hier heute anwesend sind. Ich finde es
sehr gut, dass wir heute hier das Rederecht erhalten, weil im Endeffekt die
Verfassung, die Sie diskutieren im Österreich-Konvent, die sein wird, die wir
als Jugendliche in den nächsten Jahren auch, wenn nicht Jahrzehnten, leben
müssen.
Ich finde es aber auch sehr bedauerlich, dass es nicht
möglich war, zu diesem Österreich-Konvent, wenn wir schon eine
Bundesjugendvertretung als fixe Interessenvertretung installiert haben vor
einigen Jahren, einen Vertreter
mit Sitz und Stimme hier im Österreich-Konvent einzuladen und auch mitbestimmen
zu lassen.
Was Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren hier
besprechen und auch informell beschließen, wird vor allem meine, unsere
Generation betreffen. Ich bitte Sie daher unsere Anliegen sehr ernst zu nehmen
und daran zu denken, dass das Produkt dieses Konvents vor allem meiner
Generation zu Gute kommen soll.
Wir als Ring Freiheitlicher Jugend fordern als zentrale
Staatszielbestimmungen erstens einmal eine bevölkerungsfreundliche
Familienpolitik, um vor allem dem Geburtenrückgang entgegen zu wirken. Wir
brauchen eine institutionelle Garantie der Familie, so wie zum Beispiel im
Bonner Grundgesetz. Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft. Alle
gesetzlichen Maßnahmen hätten sich daran zu orientieren. Alle gesetzlichen
Maßnahmen zum Beispiel betreffend Familiensplitting und dergleichen,
Kinderbetreuungsplätze, Wahlrecht der Eltern für ihre Kinder.
Damit Hand in Hand fordern wir eine zweite
Staatszielbestimmung: Österreich ist kein Einwanderungsland. Das Fremdenrecht
soll österreichverträglich konzipiert sein und wir sollten aus unseren eigenen
Ressourcen schöpfen. Da wieder der Schluss zur Staatszielbestimmung
bevölkerungsfreundliche Familienpolitik. Einbürgerungen könnten nach dem
Schweizer Modell erfolgen, nämlich durch eine Volksabstimmung in der
Gemeinde.
Zum Thema Meinungsfreiheit, Grundrecht Meinungsfreiheit:
Das liberale Prinzip. Der Herr Gusenbauer und der Herr Prof. Öhlinger haben
sinngemäß vor einigen Wochen in dieselbe Richtung argumentiert: Es kann nicht
sein, dass der Verfassungsgerichtshof umgangen wird, indem einfache Gesetze mit
Zweidrittelmehrheit in den Verfassungsrang gehoben werden. Eine
Zweidrittelmehrheit soll die Meinungsfreiheit nicht einschränken und ich rege
hier an, die Meinungsfreiheit anzugleichen an den EU-Grundrechtsstandard.
Demokratie als Grundprinzip: Wir fordern einen klaren
Ausbau der Demokratie. Mehr direkte Demokratie, vor allem das Volk soll bei
essentiellen Entscheidungen, Volksabstimmungen, die die EU betreffen,
eingebunden werden. Auch wie ich vorher schon angesprochen habe nach dem
Schweizer Modell, den Einbürgerungen auf Gemeindeebene.
Das Wahlrecht, als Menschenrecht des Kindes: Die Eltern
könnten das Wahlrecht stellvertretend für ihre Kinder ausüben, das stellt auch
einen Teil des Familienpaketes dar. Es heißt in der Bundesverfassung, das Recht
geht vom Volke aus. Das Volk ist das Staatsvolk, wählen ist ein
Staatsbürgerrecht. Es sollte in der neuen Verfassung auf jeden Fall
festgehalten werden, dass nur Staatsbürger das Wahlrecht haben sollten. In Wien
müsste dann sofort wieder die rechtmäßige Lage hergestellt werden.
Die Verfassungswidrigkeit des Ausländerwahlrechtes in Wien
sollte betont werden.
Wir fordern die Aufwertung des Bundesrates im Sinne einer
Bundesstaatsreform, den Ausbau der Rechtssicherheit durch
Landesverwaltungsgerichte, die eingeführt werden könnten.
Die deutsche Sprache als Staatssprache sollte auf jeden
Fall ein zentraler Punkt sein. Sie sollte geschützt werden! In Publikationen,
in Gesetzen sollten nur deutsche Begriffe verwendet werden. Das ist die Sprache
unserer Bevölkerung und des Landes und sollte als Kultursprache einen erhöhten
Schutz auch hier bekommen.
Was den EU-Bereich betrifft, sollte die Bevölkerung in
Entscheidungen, die EU betreffend, auf jeden Fall mit eingebunden werden.
Deswegen fordern wir auf jeden Fall eine Volksabstimmung über die kommende
EU-Verfassung. Und wir sollten vielleicht doch als Österreicher definieren, wie
weit geht für uns der Begriff EU im Sinne
der Erweiterung?
Ich finde, dass Staaten wie Türkei auf keinen Fall
EU-Mitglied werden sollten, weil sie die Menschenrechte nicht einhalten, weil
sie nicht zu Europa gehören und weil sie das wirtschaftliche Niveau sicher
nicht erreichen werden, wie es in Europa vorherrschend ist.
Abschließend noch das Zitat aus Faust, die Gretchenfrage:
Sage, wie hältst du es mit der Religion? Ich glaube, dieser Gottesbegriff, der
hier diskutiert wird, ist im Endeffekt eine Privatfrage, aber auf jeden Fall
könnte man in der Verfassung die christlichen Wurzeln Österreichs betonen, vor
allem als klares Zeichen gegenüber einer Expansion des islamischen
Fundamentalismus.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, die Jugend ist die
Zukunft. Bitte schauen Sie, dass es nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt,
gehen Sie verantwortungsvoll mit der Gestaltung unserer Zukunft um, indem Sie
unsere konstruktiven Anliegen auch beherzigen.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr
Andreas Kollross von der Sozialistischen Jugend. Ich bitte sehr.
Ist nicht anwesend und kann daher nicht zu Wort gelangen.
Dann erteile ich das Wort Herrn Christoph Riedl, der nach einer
Vereinbarung mit den übrigen Vertretern der Jugendorganisationen eine längere
Redezeit hat, und zwar von 15 Minuten. Ich bitte sehr.
Christoph Riedl: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte
Mitglieder des Österreich-Konvents! Dass ich hier sprechen darf als
Vorsitzender der Österreichischen Bundesjugendvertretung und sogar 15 Minuten
Redezeit bekomme, habe ich erfahren, während Sie, Herr Vorsitzender, Ihre
Einleitungsworte zum heutigen Konvent gesprochen haben.
Ich darf allen von Ihnen, die ein bisschen verwirrt sind
darüber, dass heutige einige Vertreter und Vertreterinnen der Österreichischen
Kinder- und Jugendorganisationen nicht anwesend sind, kurz die Chronologie der
Ereignisse berichten.
Ich darf ausholen: Das Bundesjungendvertretungsgesetz wurde
vor drei Jahren hier in diesem Raum einstimmig von allen Parlamentsparteien
beschlossen. Der Abschnitt 1
§ 1 heißt demnach: Die in diesem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen
sollen die Vertretung der Anliegen der Jugend gegenüber den politischen
Entscheidungsträgern auf Bundesebene sicherstellen.
In § 3: In Angelegenheiten, welche die Interessen der
österreichischen Jugend berühren, ist die Bundesjugendvertretung den
gesetzlichen Interessensvertretungen der Dienstnehmer, der
Wirtschaftstreibenden und der Landwirte gleichgestellt.
Letzte Woche, Kollegin Fuhrmann hat es erwähnt, wurde sogar
ein Entschließungsantrag im Nationalrat beschlossen, in dem es heißt, „der
Bundesminister für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz wird
ersucht, eine verstärkte Einbindung der Bundesjugendvertretung als gesetzliche
Interessensvertreter der österreichischen Jugend sicherzustellen“.
So weit, so gut. Seit bekannt wurde, dass es diesen
Österreich-Konvent geben wird, hat sich die Österreichische
Bundesjungendvertretung darum bemüht, mit Sitz und Stimme als gesetzlich
verankerte Interessensvertretung in diesem Konvent vertreten zu sein. Unsere
Forderung war, dass wir als Interessensvertretung – so wie im Gesetz steht –
gleichgestellt sind und wir glauben auch, dass in einem Gremium, das über die
Zukunft dieses Landes berät und das ein Durchschnittsalter von 54,8 Jahren
hat, ein Jugendvertreter oder Jugendvertreterin zumindest nicht schaden würde.
Die Bundesjungendvertretung hat aber nicht nur versucht,
die Öffentlichkeit und auch die Mitglieder des Konvents über diesen Missstand
zu informieren, sondern begann auch sich selbst mit den Themen des
Österreich-Konvents auseinander zu setzen. Höhepunkt dieser Auseinandersetzung
war sicherlich der Anfang Oktober stattgefundene Jungend-Konvent im
Theseus-Tempel, gar nicht weit von hier. Eine Veranstaltung, zu der nicht nur
die meisten österreichischen Kinder- und Jugendorganisationen kamen, sondern
auch sehr viele Vertreter und Vertreterinnen des Österreich-Konvents, um
gemeinsam über die Anliegen und Themen der jungen Menschen in diesem Land zu
diskutieren.
Uns wurde als Bundesjugendvertretung in Aussicht gestellt,
diesen Jungend-Konvent auch hier
präsentieren zu dürfen. Wir waren ziemlich überrascht, als die Einladung, heute
hier vor Ihnen zu sprechen, nicht an die Österreichische Bundesjungendvertretung
ging, sondern an zehn Kinder- und Jugendorganisationen Österreichs, die zwar
alle im Präsidium der Bundesjungendvertretung vertreten sind, aber sie wurden
einzeln angeschrieben.
Daraufhin – weil wir gefunden haben, zehn Vertreter, die
jeweils fünf Minuten reden – wollten wir fünf Personen nominieren aus diesem
Kreis, die Ihnen in zehn Minuten jeweils unsere Themen präsentieren. Daraufhin
haben wir vom Österreich-Konvent von der Geschäftsstelle vor drei Tagen ein
Schreiben bekommen, in dem die Beschlussfassung des Präsidiums des Österreich-Konvents
festgehalten wird. „Die von Ihnen vertretenen Jugendorganisationen sollen wir
darauf hinweisen, dass die an Sie ausgesprochene Einladung zur Sitzung des
Österreich-Konvents am 21. November aufrecht ist und diese Einladung weder
durch noch auf die Bundesjugendvertretung oder auf eine nicht andere nicht
angesprochene Organisation übertragen werden kann.“
Das war für uns ein klares Zeichen und das war auch Grund
genug für die Vertreter und Vertreterinnen, die heute nicht hier sind, Ihnen zu
erklären, warum sie nicht hier sind.
Uns geht es schon um die Sache. Sie werden heute im Laufe
des Tages die Ergebnisse des Jungend-Konvents schriftlich bekommen. Bis vor
20 Minuten haben wir nicht einmal gewusst, dass ich hier stehen darf und
Ihnen als Vorsitzender der Bundesjungendvertretung unsere Positionen
präsentieren darf.
Die Einladungen, die an die zehn gegangen sind, die im
Präsidium sitzen, stellt auch eine Ausgrenzung aller anderen 25 Kinder- und
Jugendorganisationen dar. Es fehlt der Alpenverein, es fehlen die
Kinderfreunde, es fehlen die Pfadfinder, es fehlt die Landjugend, es fehlen die
Jungarbeiter, es fehlt die Naturschutzjugend, die fehlt die Kolpingjugend, es
fehlt der MKV, es fehlt die österreichische Jungbauernschaft und viele mehr.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir, als gesetzliche
Interessenvertretung gleichgestellt mit allen anderen, möchten darauf
hinweisen, dass wir ernst genommen werden wollen. Wir wollen die Anliegen der
Jugend vertreten und wir wollen dies so tun wie andere Interessenvertretungen
in Österreich auch, denn wenn der ÖGB eingeladen wird, wird auch
selbstverständlich der Präsident Verzetnitsch eingeladen und nicht jemand von
der GÖD, von den Eisenbahnern, von den Metallern. Warum wird hier bei der
Jugend ein Unterschied gemacht, warum ist die Jugend hier eine
Interessenvertretung zweiter Klasse?
Um Ihnen aber zu zeigen, dass mir und uns die Anliegen
wichtig sind, die Anliegen der Jugend Österreichs, glaube ich, ich bin es den
anderen 25 Organisationen schuldig, war es geplant gewesen, dass wir Experten
aus unserem Präsidium hierher entsenden, die jeweils ein Thema Ihnen
vorstellen. Ein Thema zur Bildung, ein Thema zum Sozialstaat, ein Thema zur
Partizipation. Weil das nicht möglich war (aufgrund dieser Einladungspolitik),
werde ich jetzt nur kurz die Themen anreißen, weil ich glaube, dass es wichtig
ist, dass es hier gesagt wird und dass Sie sie auch von mir hier hören.
Wir hatten gestern den 20. November, den
internationalen Tag der Kinderrechte. Die Kinderrechte sind zwar 1992 in
Österreich unterschrieben worden, allerdings haben sie noch nicht
Verfassungsrang, das heißt, sie sind mit der Tatsache behaftet, dass man nicht
klagen kann. Das ist ein Umstand in Österreich, dem wir als Österreichische
Bundesjugendvertretung entgegenstehen wollen. Wir wünschen uns und wir fordern
die Verankerung die Kinderrechte in der Verfassung. Denn dann hoffentlich ist
es nicht mehr möglich - wie es in Oberösterreich passiert ist -, dass
Ballspielen auf einem Spielplatz gerichtlich verboten wird.
Die Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung hängt
für uns auch ganz eng zusammen mit dem Weißbuch „Jugend der Europäischen Union“
mit dem Hauptthema Partizipation, Information von Jugendlichen. Hier geht es
uns darum, dass man das ernst nimmt. Diese Partizipation von Jugendlichen soll
ernst genommen werden dahingehend, dass man nicht nur irgendwelche
Alibiaktionen macht und darauf hinweist, dass Jugendliche in vielen Bereichen,
wie beim Schulsprecher oder so weiter mitreden dürfen.
Uns geht es darum, Partizipation von Jugendlichen unter 18,
und damit meine ich ganz dezidiert, die der Kinder zu fördern. Eine
Wahlaltersenkung alleine auf 16 ist zwar eine Forderung der
Bundesjungendvertretung. Diese Wahlaltersenkung alleine wird jedoch nicht viel
helfen. Wir brauchen gemeinsam Maßnahmen, die Jugendliche in diesem Land
motivieren, dass sie ihre aktive Bürgerschaft in diesem Land ernst nehmen, dass
sie lernen zu partizipieren, dass sie es interessant finden.
Die Europäische Verfassung hat dieses schon umgesetzt:
Artikel 224, Rechte des Kindes, heißt es da. Die Meinung der Kinder wird in den
Angelegenheiten, die sie betreffen, in einem ihrem Alter und ihrem Reifegrad
entsprechenden Weise berücksichtigt, ja? Da geht es darum, dass wir uns
wirklich überlegen, wie kann Partizipation bei Kindern ausschauen? Wo können
Kinder auf kommunaler Ebene beim Spielplatz, wo auch immer, mitreden? Wenn wir
Kinder anfangen, so zu erziehen in dieser Möglichkeit, dass sie Partizipation
lernen, dann werden wir auch, sobald das Wahlalter eben auf 16 oder 18 ist,
Jugendliche haben, die sich dafür interessieren und die auch ihre Verantwortung
als Staatsbürger gerne wahrnehmen wollen.
Jugend als Querschnittsmaterie ist heute schon gefallen.
Ich möchte Ihnen das auch mitgeben und sagen, das fällt natürlich in diesen
Bereich hinein, Jugendpartizipation ist Querschnittsmaterie. Es gibt nicht nur
die Jugendthemen im zuständigen Bundesministerium. Jugendthemen sind eigentlich
alle Themen, die hier in diesem Nationalratssaal auch beschlossen und
besprochen werden. Das heißt, die Jugend möchte auch mitreden, wenn es um
Pensionsreformen geht. Die Jugend möchte mitreden, wenn es um Harmonisierung
geht. Die Jugend will dort mitreden, wo es um Themen geht, die die Zukunft der
jungen Menschen in diesem Land betrifft.
Eine weitere Forderung des Jugend-Konvents und der
Oberösterreichischen Bundesjugendvertretung ist der freie Zugang zur Bildung
als verankertes Verfassungsrecht. Dabei ist gerade der freie Bildungszugang,
der Österreich international wettbewerbsfähig macht, als erstes Argument in
Betracht zu ziehen. In Österreich sinken kontinuierlich die staatlichen
Ausgaben für Bildung in allen Bereichen und unter diesen Kürzungen leidet
natürlich unser Bildungssystem.
Aus diesem Grund fordert die Bundesjugendvertretung die
verfassungsmäßige Verankerung des freien und offenen Bildungszugangs für alle.
Es muss in Österreich garantiert werden, dass sie nicht nur dieselben Chancen
zur Erringung von Wissen und Bildung haben. Es muss auch der Staat Interesse an
dieser Entwicklung haben und sie fördern.
Die Österreichische Bundesjugendvertretung und der
Jugend-Konvent hat die Verankerung des Sozialstaates in der Verfassung
besprochen. Uns geht es darum, dass es eine Absicherung der materiellen
Grundlagen für ein menschenwürdiges Leben gibt und dass das in der Verfassung
festgeschrieben steht. Wir sind der Meinung, dass in einem modernen Gemeinwesen
die Menschen auch vor Armut, Obdachlosigkeit und Krankheit ohne ausreichende
medizinische Hilfeleistung mit gleicher Selbstverständlichkeit geschützt
werden.
Ein Recht auf Arbeit als Grundlage für eigenständige
Existenzsicherheit, ein Recht auf angemessene Arbeitsbedingungen, ein Recht auf
soziale Sicherheit zur Absicherung bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und Alter,
ein Recht auf staatliche Altersvorsorge und kein Drängen in die dritte Säule,
die sich die meisten Jugendlichen nicht leisten können.
Eine Verankerung des arbeitsfreien Sonntags in der
Verfassung erscheint uns dahingehend wichtig, dass natürlich die Ausweitung des
Ladenschutzgesetzes, die Ladenöffnungszeiten, hier natürlich in eine Richtung
weist, dass auch der Sonntag „nicht mehr heilig ist“. Es ist dies keine
Forderung, die nur die katholischen Organisationen in der
Bundesjugendvertretung vertreten. Es geht uns darum, diesen Tag als gemeinsamen
Tag der Familie, den Tag der Kinder, den Tag jener zu schützen, die nicht
unbedingt im Arbeitsprozess stehen müssen.
Wir sind natürlich nicht realitätsfremd. Wir wissen, dass
es Berufe gibt, die am Sonntag arbeiten müssen, aber, ob der Einzelhandel und
der Lebensmittelhandel am Sonntag arbeiten muss, das stellen wir in Frage.
Wir haben ein Antidiskriminierungsgesetz besprochen und
gefordert. Wir fordern den Entwurf eines umfassenden
Antidiskriminierungsgesetzes und eines entsprechenden Hinweises in der
Verfassung. Es darf nicht sein, dass es zu Diskriminierung oder Alltagsdiskriminierung
auf Grund der Herkunft, des Geschlechts, der Hautfarbe, der sexuellen
Orientierung, der Religion, körperlicher oder geistiger Behinderung oder des
Alters kommt.
Zum Thema Föderalismus kann die Bundesjugendvertretung nur
auf einen Punkt hinweisen: die Jugendschutzgesetze. Es ist für viele
Jugendliche nicht nachvollziehbar, warum ich in Salzburg nur bis 22 Uhr
ausgehen darf als 15-Jähriger und in Wien bis 1 Uhr in der Früh. Ein Service an
die Jugendlichen auch und eine Möglichkeit, Jugendlichen zur erklären, warum
das so ist, wäre, dass man eine Vereinheitlichung der Jugendschutzgesetze im
Rahmen auch einer Föderalismusreform oder wie auch immer ins Auge fasst.
Jugendschutz, denke ich, sollte in der heutigen Zeit gleich
sein für den Jugendlichen in Wien genauso wie für den in Vorarlberg, und man
hätte damit auch eine bessere Informationsmöglichkeit für die Jugendlichen, um
ihnen das zu erklären. Schließlich ist der Jugendschutz ja ein Schutz für die
Jungen und keine Bevormundung.
Der letzte Punkt, der beim Jugend-Konvent diskutiert wurde,
war die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht und Klärung der Rolle des
österreichischen Bundesheers im Zuge der europäischen Sicherheitsdiskussion.
Wenn man über eine Abschaffung der Wehrpflicht diskutiert und diese fordert,
dann muss man sich auch Gedanken machen, was mit dem Zivildienst passiert.
Derzeit ist es so, und es ist uns bewusst, dass im Bereich des sozialen
Sicherheitsnetzes ein großer Mangel an Fachkräften herrscht und das wird sich
noch verschärfen in nächster Zeit. Das letzte Halbjahr hat uns ja einige
Beispiele vors Auge geführt.
Der Zivildienst stellt in dieser prekären Situation einen
unentbehrlichen Bestandteil der sozialen Dienste dar, auch wenn Zivildiener nur
zu Hilfsdiensten herangezogen werden und keine hauptamtlichen Arbeitskräfte
ersetzen dürfen.
Die Österreichische Bundesjugendvertretung fordert die
Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht. Gesellschaftlich wichtige Dienste in
den Bereichen Soziales, Umwelt, nicht militärische Friedensarbeit und
Katastrophenschutz müssen nach dem Prinzip der Freiwilligkeit neu organisiert
beziehungsweise bereits bestehende Dienste, wie das freiwillige soziale Jahr,
das freiwillige ökologische Jahr, der Gedenkdienst, finanziell unterstützt und
in der Verfassung verankert werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind in aller
Kürze die Positionen der Österreichischen Bundesjugendvertretung, und ich
möchte noch einmal darauf hinweisen, dass sie jetzt nur angerissen worden sind
von jemandem, der vor 20 Minuten erfahren hat, dass er diese alle hier
präsentieren darf und soll.
Ich möchte Sie einladen. Die Österreichische
Bundesjugendvertretung ist gesprächsbereit. Wir möchten mit Ihnen gemeinsam an
einer neuen Verfassung arbeiten. Wir möchten mit Ihnen gemeinsam im Dialog
bleiben. Wir möchten mit Ihnen gemeinsam die Zukunft dieses Landes gestalten,
und ich bitte Sie, dass sie uns als Bundesjugendvertretung, als
Interessenvertretung, als gesetzlich verankerter Sozialpartner ernst nehmen und
uns diese Rolle geben, die uns zusteht. Herzlichen Dank.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke auch für die Darlegung des Vertreters der Jugend
und wir sind damit, was den Bereich Jugend anlangt, zum Ende gekommen. Wir
kommen nunmehr zum zweiten Bereich der Anhörung der Vertreter oder
Vertreterinnen aus dem Bereich der Frauen.
Als erste Wortmeldung liegt mir hier die der früheren
Ministerin Mag. Barbara Prammer für die SPÖ-Frauen vor. Ich darf Ihnen Frau
Ministerin das Wort erteilen und auf eine 10-minütige Redezeitbeschränkung
aufmerksam machen. – Bitte sehr.
Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Die österreichische Verfassung – das wissen Sie alle – entstand in
einer Zeit, in der die Gleichstellung der Geschlechter nicht einmal eine Vision
war, in der es erste schwache Versuche einer Frauenbewegung gab, aber nicht
mehr. Und wenngleich wir natürlich auch alle wissen, dass an unserer Verfassung
im Laufe der Zeit gearbeitet wurde und so manches in der Geschlechterfrage geändert
wurde, so hält sie doch in weiten Bereichen einer so genannten Genderprüfung
keineswegs in befriedigendem Maße stand. Die Bestimmungen des Artikels 7 sind
zwar wesentlich, können aber über weitere wesentliche Anforderungen an eine
moderne Verfassung nicht hinwegtäuschen.
Was verstehen wir unter einer
Genderprüfung? Es ist bis heute Realität, dass Frauen großteils andere
Lebensrealitäten und andere gesellschaftliche Realitäten haben als Männer.
Gleichheit vor dem Gesetz kann bis heute, wenn es diesen unterschiedlichen
Realitäten nicht Rechnung trägt, erst recht zu Ungleichheit führen, und ich
möchte gerne dazu ein kleines Beispiel geben - in der Gerichtsbarkeit die Frage
nach dem Anwaltszwang. Dort, wo es ihn gibt, gilt er selbstverständlich in
gleichem Maße für Männer und für Frauen. Realität ist aber, dass Frauen um mehr
als ein Drittel im Durchschnitt weniger verdienen. Wenn sich daher eine Frau
wesentlich schwerer eine gute Anwältin leisten kann, dann stellt sich ganz
einfach die Frage, ob hier der Zugang zum Recht für beide Geschlechter, für
Männer wie für Frauen, gleichermaßen möglich ist.
Solcher Fragen haben gestellt zu
werden, wenn wir der Anforderung gerecht werden wollen, so genannte
Genderprüfungen durchzuführen.
Wenn nun in Österreich Konsens darüber
besteht, eine neue Verfassung zu entwickeln, dann ist es ein Gebot der Stunde
bei all den Diskussionen sich eben genau dieser Geschlechterfrage zu stellen,
sich diese Frage bei weitem nicht nur in den Grundrechten oder zur
Staatszielbestimmung zu stellen, sondern in allen Problemfeldern.
Das ist auch der Grund, warum viele
Frauen und Frauenorganisationen die geringe Frauenquote bei den Mitgliedern im
Österreich-Konvent heftig kritisiert haben. Und, meine Damen und Herren, es ist
auch völlig klar, dass ein 50-minütiges Hearing unmöglich ersetzen kann, dass
Gleichstellungsfragen in diesem wichtigen Diskussionsprozess ständig und immer
wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden müssen. Dazu komme ich auch noch
einmal am Schluss meiner Ausführungen.
Sie, die Mitglieder des Konvents,
haben für sich festgelegt, Ihre Detailarbeit in zehn Ausschüssen zu erledigen.
Daher ist es für mich auch unabdingbar, dass sich jeder dieser Ausschüsse der
Geschlechterfrage zu stellen hat. Und ich will im Folgenden anhand einiger
kurzer Problemaufrisse aufzeigen, wo nach meiner Meinung der Diskussionsbedarf
jedenfalls, und sicher noch weit mehr als das, was ich jetzt hier anführen
kann, in den Ausschüssen zu
diskutieren sein müsste.
Zu den Staatsaufgaben und zu den Staatszielen:
Die Gleichstellung von Frauen und Männern braucht auch das klare Bekenntnis zur
aktiven Frauenförderung, bis zu deren Erreichung der Gleichstellung. Das ist
für uns, oder für mich als Frauenvertreterin, eine unabdingbare Notwendigkeit,
hier ein derartig eindeutiges Staatsziel zu formulieren.
Zu den Staatsaufgaben auch ein paar
Bemerkungen: Es wird immer darüber geredet, ein schlanker Staat sei ein
moderner Staat. Und oft und oft wird damit gemeint auch die Reduzierung der
Staatsaufgaben. Ich bin der Meinung, dass gerade die Reduzierung von
Staatsaufgaben und die Verlagerung von Staatsaufgaben sehr stark unter dem
Gender-Aspekt analysiert werden muss, weil es oft und oft auch die
Vergangenheit bereits gezeigt hat,
je klarer es Regelungen gibt, je eindeutiger dann auch der Zugang gerade
für Frauen zu fairen Chancen und zu rechtlichen Möglichkeiten gegeben ist.
Zu den staatlichen Institutionen: Es
wird nun die einmalige Chance gegeben, darüber nachzudenken, wie bereits in der
Struktur der Institutionen Geschlechterparität gefördert werden kann. Vor allem
natürlich beinhaltet im Wahlrecht. Wahlrecht – die Ausformung eines Wahlrechtes
zeigt ganz eindeutig: Gibt es die Chance auf mehr Beteiligung von Frauen, oder
gibt es das Hemmnis von mehr Beteiligung von Frauen und für Frauen. Und ich
rege an, dass hier in den Ausschussarbeiten jedenfalls auch die Beispiele aus
dem Ausland herangezogen werden. Ich möchte an dieser Stelle nur darauf
hinweisen und erinnern, dass seit einigen Jahren in Frankreich das Kommunalwahlrecht
derart gestaltet ist, dass von vornherein allen politischen Parteien vorgegeben
ist, eine Gleichstellung zwischen Männern und Frauen auf den Listen. Das heißt,
seit einigen Jahren ist es in den französischen Kommunen nicht mehr möglich,
eine Geschlechter-Disparität zu Stande zu bringen für jede einzelne Partei, die
in der Kommune kandidiert.
Was die
Geschlechtertauglichkeitsprüfung betrifft, möchte ich auch ein paar Worte
sagen, weil es heute auch schon angeschnitten worden ist: Familienwahlrecht
oder Kinderwahlrecht, oder wie immer es formuliert sein möge, ist ganz einfach
nicht der richtige Weg und würde einer Geschlechtertauglichkeitsprüfung
keinesfalls standhalten. Denn: Eine Rückkehr zu den Oberhäuptern der Familie
wäre eine Rückkehr ins vorvorige Jahrhundert und Sie können sicher sein, dass
der Großteil der österreichischen Frauen hier das keinesfalls akzeptieren
würde.
Zu den Grundrechten ließe sich
natürlich am meisten sagen. Und ich bin überzeugt davon, dass die Frau Dr.
Hornyik, die für den Frauenring hier ja noch sprechen wird, sehr vieles
ausführen wird. Daher hier nur ganz kurz: Bitte, vergessen Sie nicht, dass ja
auch die Vereinten Nationen vor mittlerweile einiger Zeit festgelegt haben,
dass Menschenrechte Frauenrechte bzw. umgekehrt, Frauenrechte Menschenrechte
sind und dass hier ein sehr großer Handlungsspielraum gegeben ist, wo wir im
Grundrechtekatalog auf die Geschlechterfrage auch dementsprechend eingehen
können.
Wichtig ist auch, was die
Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden betrifft, dass es zu
keiner Verwässerung kommen darf. Das, was vielleicht hier in einem
Diskussionsprozess auf der Bundesebene, wenn ich das so sagen darf, erreicht
werden kann, darf dann auf Länder- und Kommunalebene nicht verwässert werden.
Zur Reform von Verwaltung und der
Struktur der Organe der Verwaltung: Es geht um die Bürgerinnen-Nähe, manches
Mal viel mehr als um die Bürger-Nähe. Frauen haben andere Lebensrealitäten, das
habe ich schon gesagt. Und gerade, wenn wir über Regionen diskutieren, müssen
wir diesen Lebensrealitäten ins Auge sehen und den Bedürfnissen der Frauen
Rechnung tragen. Das geht vom öffentlichen Verkehr, von der Infrastruktur bis
hin natürlich zu den Einrichtungen, die Recht ermöglichen sollen.
Ich möchte auch noch gerne darauf
hinweisen, wie wichtig es ist, dass Verwaltungseinrichtungen - bestehende
genauso wie neue Verwaltungseinrichtungen - gewährleisten müssen, dass die dort
Beschäftigten in einem ausreichenden Ausmaß geschlechterparitätisch beschäftigt
sind. Für mich ist es auch sehr wichtig, weil ja auch die Debatte immer wieder
darum geht, was wird alles verlagert. Wie kann gewährleistet sein, dass zum
Beispiel das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz gerade auch auf diese neuen oder
unter Umständen neu zu schaffenden Institutionen auch übernommen werden kann.
Demokratische Kontrolle, ein
Schwerpunkt in der Geschlechterfrage. Es muss möglich sein, dass die
Gleichstellung und die Einhaltung der Gleichstellung auch tatsächlich
kontrolliert wird und hier auch der Rechtsschutz gegeben ist. Was ich mir als
Frauenpolitikerin von einer neuen Verfassung unbedingt erwarte, ist, dass es
gerade auch in der Finanzverfassung, wenn’s um Geld geht, überlegt wird, wie
zum Beispiel ein Gender Budgeting auch in die Realität der österreichischen
Finanzpolitik eingehen kann.
Ich erwarte mir geschlechtergerechten
Sprachgebrauch, Herr Präsident, ich möchte nicht mehr gerne eingeladen werden
als „Vertreter“ der Frauenorganisationen. Ich glaube, es ist wesentlich und
wichtig, dass das nicht als kleines i-Tüpfelchen gesehen wird, sondern das ist
die Grundlage, dass in den Köpfen der Menschen Frauen und Männer existieren
können.
Schließlich noch eines zur weiteren
Vorgangsweise abschließend. Was ich mir wünsche, von Ihnen als Mitgliedern des
Konvents, gerade auch in der Arbeit der Ausschüsse. Ich rege an, vor Legung des
ersten Zwischenberichts des jeweiligen Ausschusses eine Aussprache mit den
Frauenorganisationen im jeweiligen Ausschuss auf Basis eines Entwurfes eines
Zwischenberichtes zu diskutieren. Es gibt viele namhafte Expertinnen, bitte
bedienen Sie sich dieser Expertinnen auch in Ihrer Ausschussarbeit. Heute das
Hearing kann nur ein Anstoß gewesen sein für die weitere Arbeit im Sinne der
Frauentauglichkeit in Österreich.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön. Ich darf als nächste für die FPÖ-Frauen Frau
Theresia Zierler um das Wort bitten. Bitte sehr. Redezeitbeschränkung
gleichfalls 10 Minuten.
Theresia Zierler: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, hoher
Österreich-Konvent. Ich bin sehr froh, dass wir die Möglichkeit haben, heute
auch zum Thema Frauen-Kapitel bei diesem Hearing ein Statement, ein
Kurz-Statement, abzugeben.
Ich denke, die Frauenpolitik sollte gerade, was den
Österreich-Konvent betrifft, ein sehr wichtiges Thema sein. Und es gibt einen
Punkt, wo ich auch mit Kolleginnen anderer Parteien konform gehe, und das ist
jener Punkt, was die Besetzung des Konvents betrifft. Weil ich denke, dass sehr
viel mehr Frauen hier etwas hätten einbringen sollen.
Aber jetzt gleich zum Inhaltlichen: Für uns freiheitliche
Frauen gibt es drei sehr wichtige, drei maßgebliche Themen. Zum Einen:
Verankerung des Gender Mainstreaming in der Verfassung. Zum Zweiten:
Verankerung der Chancengleichheit und Generationensolidarität in der
Verfassung. Und zum Dritten ein Thema, das auch beim Jugendkapitel schon
angesprochen wurde, aber für uns auch ein Thema in der Frauenpolitik ist, und
zwar ist dies die Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung.
Lassen Sie mich die einzelnen Kapitel, die einzelnen Themen
etwas näher ausführen. Zum Gender Mainstreaming: Gender Mainstreaming als neue
Handlungsstrategie in der Gleichstellungspolitik will eine geschlechterbezogene
Sichtweise in alle politischen Konzepte, auf allen Ebenen mit dem Ziel
einbringen, dass die Chancengleichheit von Frauen und Männern in allen
Politikbereichen und bei allen politischen Maßnahmen berücksichtigt wird.
Gender Mainstreaming ist eine internationale Verpflichtung Österreichs und
Regierungsaufgabe, zu der sich die Bundesregierung bereits im Jahr 2000 bekannt
hat. Gender Mainstreaming ist seit Juli 2000 von der österreichischen Regierung
als Leitprinzip der Bundespolitik anerkannt und hat die Gleichstellung von
Frauen und Männern zum Ziel.
Die weitere Umsetzung von General Main Streaming erfolgt
auf Beschluss des Ministerrats 2002 als neue Handlungsstrategien der
Gleichstellungspolitik, die eine geschlechterbezogene Sichtweise in alle
politischen Konzepte, auf allen Ebenen, mit dem Ziel einbringen will, dass die
Chancengleichheit von Frauen und Männern in allen Politikbereichen und bei
allen politischen Maßnahmen berücksichtigt wird. Voraussetzung ist die
Feststellung, dass Gender Main Streaming von beiden Geschlechtern gelebt und
getragen und das Bewusstsein hierfür bei beiden Geschlechtern geschärft werden
muss.
Dies bedingt, dass Frauen wie auch Männer in Gender Main
Streaming Aktivitäten eingebunden werden. Genau auf dieser Basis soll eine
Überprüfung von Normvorhaben und sonstigen Maßnahmen unter dem Aspekt des
Gender Main Streaming in der österreichischen Verfassung Eingang finden.
Zum Thema 2. Verankerung der Chancengleichheit und
Generationensolidarität in der Verfassung. Jede Diskriminierung aufgrund des
Alters ist unzulässig. Eine angemessene Alterssicherung, die auf dem Grundsatz
der Generationensolidarität unter Berücksichtung der Verteilungsgerechtigkeit
beruht, ist zu gewährleisten. Im Regierungsprogramm ist die verfassungsmäßige
Verankerung des Diskriminierungsverbotes aufgrund des Alters festgeschrieben.
Uns geht es insbesondere darum, Menschen aller Altersgruppen gleiche Chancen zu
eröffnen. Es dürfen dabei weder junge Menschen noch Seniorinnen oder Senioren
benachteiligt werden. Wichtig ist, faire Möglichkeiten für den Berufseinsteiger
zu garantieren, junge Familien zu unterstützen und die Pensionen nachhaltig zu
sichern. Insgesamt geht es darum, die Solidarität zwischen den Altersgruppen
sicher zu stellen.
Bereits am 18. Juni 1999 verabschiedete der
Nationalrat eine Entschließung zur Sicherung des Generationenvertrages. Die
lautet: die Bundesregierung wird aufgefordert, in der mittel-langfristigen
Politikgestaltung auf die sich abzeichnenden demographischen Verschiebungen
Bedacht zu nehmen und sicher zu stellen, dass auch in Zukunft ein faires
Miteinander der Generationen gewährleistet bleibt. Gleichzeitig ist der Dialog
der Generationen im Sinne der Sicherung des Generationenvertrages zu fördern.
Im Jahr 2002 wurde im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen
in direkter Zusammenarbeit mit dem Verfassungsdienst eine Arbeitsgruppe zur
Erarbeitung eines einvernehmlichen Entwurfes für eine Regierungsvorlage zur
Verankerung der Alterssicherung in der Verfassung eingesetzt.
Im Mittelpunkt der österreichischen Generationenpolitik steht
die Förderung und Stärkung der Generationensolidarität als Basis für ein
friedliches und für ein produktives Miteinander der Generationen. Das hohe Maß
an Solidarität zwischen den Generationen in Österreich dokumentiert die
allgemeine Akzeptanz des harmonisierten finanziellen Ausgleichs zwischen den
Generationen und die dahinter stehenden verteilungspolitischen Grundsätze.
Angesichts des Bevölkerungswandels muss das hohe Maß an Generationensolidarität
erhalten und die Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Generationen auch für
die Zukunft gesichert werden.
Staatszielbestimmung zur Alterssicherung im Rahmen des
Artikels 7 der österreichischen Bundesverfassung. Da heißt es, eine
Benachteiligung Behinderter ist unzulässig. Und danach stellen wir uns eine Ergänzung
vor. Jede Diskriminierung aufgrund des Alters ist unzulässig. Eine angemessene
Alterssicherung ist zu gewährleisten, die auf dem Grundsatz der
Generationensolidarität beruht. Oder jede Diskriminierung aufgrund des Alters
ist unzulässig. Der Generationenvertrag als die maßgebliche Säule der
Alterssicherung hat die Interessen aller Generationen zu berücksichtigen.
Zu unserem dritten Thema. Verankerung der Kinderrechte in
der Verfassung in Anlehnung an Artikel 3 der UNO-Kinderrechtskonvention. Wichtigstes
Umfeld für das gedeihliche Aufwachsen der Kinder ist und bleibt die Familie.
Die Liebe und Zuwendung, die sie in der Familien erfahren. Die Werte, die ihnen
mitgegeben werden, sind prägend für ein späteres Wohlbefinden und natürlich
auch prägend für das ganze weitere Leben. Dem Staat soll dabei keine
Aufsichtsfunktion zukommen, wohl aber sind die rechtlichen Rahmenbedingungen zu
gestalten und zwar so zu gestalten, dass die Entwicklung des Kindes optimal
gesichert ist. Die Prüfung von Normen auf ihre Kinder und Jugendverträglichkeit
- wie im Regierungsprogramm von unserer Seite hineinreklamiert - garantiert von vorne herein die
Berücksichtung der Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen und die
Hintanhaltung von Benachteiligungen.
Da es um eine Personengruppe geht, die besonders unseres
Schutzes bedarf, ist die verfassungsrechtliche Verankerung in einer modernen
Staatsverfassung aus unserer Sicht unerlässlich. Ich bedanke mich für Ihre
Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke auch für die Ausführungen. Als nächste Rednerin
zu Wort gemeldet ist Frau Christien Marek für die Österreichische
Frauenbewegung ÖVP. Bitte sehr.
Christine Marek: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Einleitend möchte ich festhalten, dass die ÖVP Bundesfrauenvorsitzende
in ihrer Eigenschaft als Bundesministerin für Frauen bereits im März 2003 bei
der Ernennung der Mitglieder des Österreich Konvents auf eine Frauengenderquote
von mindestens 40 Prozent zu achten ersuchte. Leider wurden in Folge von
den 84 Konventsmitgliedern lediglich 14 Frauen ernannt. Das sind
16,6 Prozent und deswegen wurde dieses heute stattfindende Hearing zu
einer notwendigen Angelegenheit für die Berücksichtigung von frauenspezifischen
Anliegen im Rahmen der Arbeit an einer neuen Verfassung für Österreich.
Zu den grundsätzlichen Forderungen der Frauenbewegung der
ÖVP. Gemäß Artikel 2 und Artikel 3 des Amsterdamer Vertrages gehört die
Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und die Beseitigung der
Ungleichheiten zu den Aufgaben der Gemeinschaft und muss als Ziel bei all ihren
Tätigkeiten angestrebt werden. Die EU Empfehlung 96/694/EG des Rates vom 2.
Dezember 1996 sieht die ausgewogene Mitwirkung von Frauen und Männern an
Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen, in staatlichen Organen und Ausschüssen
vor. Die EU Kommission hat sich dann dazu verpflichtet, dass der Anteil jedes
Geschlechtes mindestens 40 Prozent betragen muss.
Wir fordern daher erstens die Umsetzung auch dieser
EU-Vorgaben und EU- Verpflichtungen auch in der neuen Verfassung und zwar,
indem in allen durch die Verfassung zustande gekommenen Kommissionen
Ausschüssen und Gremien diese Mindestquote von 40 Prozent einzuhalten und
darüber hinaus eine den tatsächlichen prozentuellen Anteil von Frauen
entsprechende Vertretung anzustreben ist. Diese Forderung bezieht sich auf die
Besetzung von nationalen und internationalen Gremien.
Zweitens. Die Gleichbehandlung und die Gleichstellung von
Frau und Mann muss sich wie von der Ministerin gefordert in der sprachlichen
Formulierung der Gesetzestexte niederschlagen. Wir fordern den Entfall von so
genannten weichen Formulierungen wie Möglichkeitsformen und Kann-Bestimmungen.
Lassen Sie mich dazu zwei Beispiele geben.
Bundesverfassungsgesetz Artikel 17 § 2 enthält: „Bund Länder und Gemeinden
bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau.“ Unserer
Ansicht nach muss es aber heißen: „Bund, Länder und Gemeinden verpflichten sich
zur Gleichstellung von Frau und Mann.“
Ein zweites Beispiel aus dem gleichen Artikel § 3.
Amtsbezeichnungen können in der Form verwendet werden, die das Geschlecht des
Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringen. Aber es muss auch
hier wieder heißen: „Amtsbezeichnungen sind in der Form zu verwenden, die das
Geschlecht des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringen.“
Meine Damen und Herren! Bereits vor Konventsbeginn erging
ein weiteres Ersuchen der Frauenministerin bei der Erstellung des Textes des
Österreich-Konvents, einen geschlechterbezogenen Sprachgebrauch zu
berücksichtigen - wie ihn auch der Ministerratsbeschluss der Bundesregierung
vom 2. Mai 2001 vorsieht. Wir fordern die prinzipielle sprachliche
Sichtbarmachung der Gleichstellung von Frauen und Männern, die im gegenständlichen
Gesetzestext zur österreichischen Bundesverfassung noch nicht vorzufinden ist.
Dies schließt auch ein, dass künftig keinerlei Generalklauseln für
geschlechtergerechtes Formulieren akzeptiert werden dürfen. Lassen Sie mich
auch dazu ein Beispiel geben. Artikel 14 § 2 besagt: „In den Angelegenheiten
des Dienstrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Lehrer für öffentliche
Pflichtschulen“ und so weiter. Aber auch hier muss es heißen: „der Lehrerinnen
und Lehrer.“ Ziel muss es sein, verpflichtende geschlechtergerechte
Formulierungen für alle Gesetzestexte in Österreich vorzusehen.
Die Verfassung hat daher vorzusehen, dass keine gesetzliche
Möglichkeit offen gelassen wird oder geschaffen wird, die Modifizierungen oder
Veränderungen dieses Grundsatzes der Geschlechterparität zulässt.
Vierter Punkt, der Bereich des Gender Budgeting: Gender
Budgeting ist als Mittel für eine gerechte Beteiligung von Frauen und Männern
an allen finanziellen und materiellen Ressourcen des Staates vorgesehen. Dahinter
steht einfach die Idee, Staatsausgaben und Staatseinnahmen
geschlechtsspezifisch aufzuschlüsseln und geschlechtsspezifische Budgetanalysen
durchzuführen – als Beispiel können Länder wie Australien oder die Länder
des Nordic Council, die Stadt Berlin und die Schweiz genannt werden, wo Gender
Budgeting bereits seit Jahren sehr erfolgreich durchgeführt wird.
Am österreichischen Beispiel des für Budgetpolitik
zuständigen Finanzministeriums wurden im vergangenen Jahr entsprechende
Konzepte und Projektvorschläge ausgearbeitet. Das österreichische
Finanzministerium hat dabei zum Beispiel eine Analyse mit dem Titel „Ist das
österreichische Steuersystem tatsächlich geschlechtsneutral?“
durchgeführt. Das Ergebnis bestätigt dringend die Notwendigkeit von Maßnahmen
im Rahmen der Budgetgesetze.
Wenn nun Gesetze – im Besonderen hier all jene, die
den Budget- und Finanzbereich betreffen – geschlechtsneutral formuliert
und auch auf die Folgewirkungen – im Speziellen auf Frauen –
analysiert werden, kann aufgezeigt werden, wie sich zum Beispiel Steuern im
Endeffekt auf die Geschlechter unterschiedlich auswirken können – und das
tun sie.
Um solche verschiedenen Wirkungsweisen von Budget- und
Finanzgesetzen auf Frauen und Männer in Zukunft zu vermeiden, fordern wir, dass
das Prinzip des Gender Budgeting für sämtliche Ausgabengebarungen der
öffentlichen Hand verpflichtend in der Verfassung festgeschrieben wird.
Lassen Sie mich abschließend noch etwas zu einem Korrektiv
im Österreich-Konvent bitten: Im Hinblick auf den geringen Frauenanteil im
Konvent und im Besonderen in den einzelnen Ausschüssen, in denen das Verhältnis
zum Beispiel 10: 1 Männer zu Frauen beträgt, fordert die österreichische
Frauenbewegung in der ÖVP als sofortige Maßnahme die Zulassung jeweils einer Repräsentantin
der Frauenorganisationen der im Parlament vertretenen Parteien mit
Beobachterstatus in allen Ausschüssen. – Danke schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Brigid
Weinzinger von der Grünen Frauenorganisation. – Bitte sehr.
10 Minuten Redezeitbeschränkung.
Mag. Brigid Weinzinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin Fiedler! Sehr
geehrte Damen! Wenn Ihnen die Anrede ein wenig befremdlich vorkommt, und Sie
sich nicht ganz damit identifizieren können, dann lade ich Sie ein,
mitzubedenken, dass Frauen in der österreichischen Verfassung seit nunmehr über
80 Jahren sich unter dem Titel „jedermann“ wieder finden sollen und noch
heute auf diesen Tischen eine Unterlage aufliegt, wo zum Beispiel ich als
„Vertreter der Frauenorganisationen“ bezeichnet werde.
Ich denke, die Formulierung in der Verfassung mag man auch
aus dem Geist der Zeit heraus ja noch verstehen – es war im Vorfeld der
Entstehung der österreichischen Verfassung 1920 ja heftig die Diskussion um das
Frauenstimmrecht. Da gab es so Wortmeldungen wie die von Franz, einem
Theoretiker der christlich-sozialen Partei, der sagte:
„Ihre körperliche Organisation wie ihre geistige Eigenart
weisen die Frauen im Allgemeinen vom Kampfplatz des öffentlichen Lebens ab und
stellen als die natürliche Bestimmung für ihre Lebensbestätigung klar und
unzweideutig hin das Walten im Inneren des Hauses als Gattin und Mutter.“ Das
war vor vielen, vielen Jahren – auch wenn heute in diesem Haus schon Äußerungen
gefallen sind, die an unselige Zeiten dieser vergangenen Periode erinnern
lassen –, aber ich denke, die österreichische Verfassung heute müsste sich
sehr wohl einem ganz anderen Geist verpflichten als dem, der hier zum Ausdruck
kam.
Man könnte auch sagen: Die Verfassung von 1920 wurde von
Männern gemacht, es wäre daher ein fairer Ausgleich, wenn die Verfassung im
Jahr 2003 und 2004 von Frauen gemacht wird. Nun wird eine Ungerechtigkeit
üblicherweise nicht dadurch beseitigt, dass man eine andere Ungerechtigkeit
schafft, daher denke ich, eine fifty-fifty-Quote der Berücksichtigung und der
Besetzung wäre daher mehr als angemessen – und ich denke, da werden die
Damen im Konvent und in den Ausschüssen sich irgendwie verdoppeln, verdrei-,
vervier-, verfünffachen müssen und viele Männer sehr schweigsam werden, damit
man das einigermaßen erreichen kann bei dieser Zusammensetzung des Konvents,
für die Sie, sehr geehrte Damen und Herren, natürlich nur sehr bedingt zur
Verantwortung gezogen werden können. Umso mehr ist es daher wichtig,
tatsächlich die Interessen einer Gleichbehandlung und einer Gleichstellung von
Frauen und Männern in der Verfassung und damit im wichtigsten Regelwerk der
österreichischen Politik zu erreichen.
Ich möchte Ihnen einige Anregungen geben, die seitens der
grünen Frauenorganisationen hier wichtig werden, um tatsächlich eine
geschlechtergerechte Verfassung zu erreichen.
Das Erste ist natürlich die Verankerung des Zieles der
Gleichstellung – als einem Auftrag nicht nur zur Gleichbehandlung, sondern
zur Erreichung einer aktiven Gleichstellung – in der Verfassung als
Staatsziel oder im Grundrechtekatalog – darüber kann man ja noch
diskutieren. Wichtig ist jedenfalls, dass hier eine Verpflichtung damit
verbunden ist, dort, wo eine Ungleichbehandlung gegeben ist, Gegenmaßnahmen zu
setzen und sicherzustellen, dass Staatsbürgerinnen dort, wo sie ungleich
behandelt werden, genauso wie Staatsbürger dort, wo sie sich ungleich behandelt
fühlen, das einklagbare Recht auf Fördermaßnahmen bekommen.
Im Klartext heißt das, dass wir in der Verfassung
sicherstellen müssen, dass es nicht nur Lippenbekenntnisse dazu gibt, dass
Gleichbehandlung stattfinden soll, sondern dass der Staat und seine
Institutionen den Auftrag bekommen, eine Überwindung von Ungleichgewichten
zwischen den Geschlechtern zu erzielen. Wir können es anders formulieren: Das
heißt nicht nur – so wie es jetzt sehr vage definiert ist – ein
verschämtes Zulassen von Maßnahmen zur positiven Diskriminierung, sondern die
Festschreibung der Verpflichtung zur positiven Diskriminierung so lange, bis
ein ausgewogener Status erreicht wird.
Dazu wird es verschiedene Instrumente geben müssen –
ob das nun das einklagbare Recht als subjektives Recht formuliert ist oder auch
die Möglichkeit von Verbandsklagen für Frauenorganisationen – zur
Durchsetzung der Interessen von Frauen.
Was wir jedenfalls brauchen – das habe ich ja am
Anfang auch schon mit meinem sprachlichen Exkurs angedeutet –, ist eine
geschlechtsneutrale Formulierung der Verfassung – das sollte eigentlich
schon selbstverständlich sein; der Vollständigkeit halber erwähne ich
es –, und das ist sowohl ein Auftrag und ein Wunsch an die Ausschüsse, die
jeweils in ihrer inhaltlichen Terminologie das mit berücksichtigen müssen, ob
sie nun vom Staatsbürger/ der Staatsbürgerin, jedem Menschen oder wie immer in
der Terminologie sprechen, als auch ein Wunsch ans Präsidium, dass jedenfalls
zur Sicherstellung auch einer kohärenten Formulierung in einer redaktionellen
Bearbeitung am Schluss ein expliziter Auftrag zur geschlechtsneutralen
Formulierung enthalten sein muss.
Es wurde ja bereits auf das Gender Budgeting von
Vorrednerinnen eingegangen: Auch ich meine, dass diese Verpflichtung der
Österreicher durch das Bekenntnis zum Gender Mainstreaming und die dazu gehörige
EU-Richtlinie auch verfassungsrechtlich abgesichert werden muss, damit
klargestellt wird, dass das auf allen Ebenen zu geschehen hat und dass das
nicht nur ein Alibi bleibt, sondern tatsächlich in der politischen, in der
finanz- und budgetpolitischen Ausgestaltung schlagend wird. Das heißt, nicht
nur zum Beispiel die Durchleuchtung des Steuersystems, sondern heißt auch
anzuschauen, welche Budgetmittel wohin gehen zum Beispiel im Verkehrssektor:
Wie viele der eingesetzten Mittel kommen Frauen als Verkehrsteilnehmerinnen
tendenziell stärker zugute, wie viele den Männern tendenziell stärker
zugute? – Ich glaube, da könnte man einige Überraschungen erleben, wenn
man das einmal geschlechterspezifisch nach dem Nutzerverhalten und
Nutzerinnenverhalten sich ansieht.
Ich würde es gerne formulieren mit einem Schlagwort, das ja
in Österreich immer für heftige Debatten sorgt, nämlich mit dem Schlagwort
„Finanzausgleich“. Nichts wird zwischen Bund und Ländern heftiger
umstritten als der Finanzausgleich alle paar Jahre, und ich glaube, es ist
genauso wichtig, einen Finanzausgleich zwischen den Geschlechtern herzustellen,
zwischen Männern und Frauen – und ich mache mir keine Illusionen, dass der
nicht ebenso umstritten ausfallen würde.
Schließlich möchte ich auf einen Punkt kommen, der auch mit
aktuellen Debatten zusammenhängt.
„Die Geschlechterparität“ klingt so ein bisschen nach dem alten Hut. Natürlich
wollen wir alle, dass Männer und Frauen gleich vertreten sind – also, das
unterstelle ich Ihnen jetzt irgendwie einmal – dass Männer und Frauen
gleichermaßen vertreten sind in politischen Vertretungsorganen, staatlichen
Institutionen und so weiter – die Zahlen selbst sind derzeit noch sehr
weit von diesem Ziel entfernt. Ich habe mir nur die Zusammensetzung der Parlamente
in Österreich angeschaut, also der neun Landtage und des Nationalrates. Und da
stellen wir fest, dass von insgesamt 655 Mandaten nur 198 von Frauen gehalten
werden – also noch nicht einmal ein Drittel. Spannend ist auch, wenn man sich
die Besetzung der Präsidien ansieht: von 30 Positionen in den Präsidien der
Parlamente werden nur sechs Posten von Frauen gehalten; und bei den
Klubobmenschen quer durch die Parlamente sind von 39 Klubobleuten überhaupt nur
vier Frauen. Und es gibt auch noch Institutionen, da heißt es - in Kärnten -
ganz offen einfach Klubobmännerkonferenz statt Präsidium.
Das heißt: wir haben eindeutigen Handlungsbedarf – die
Regierungsebene spiegelt das übrigens ganz ähnlich wider. Und der Konvent ist
jetzt auch nicht besser besetzt, auch in den Ausschüssen nicht. Alle
Vorsitzenden sind männlich. Ich denke, es ist daher dringend notwendig, sich
Gedanken zu machen, welche Instrumente zur Verfügung stehen, wenn man hier
korrigierend einwirken möchte.
Ein Instrument, das jedenfalls dazu nicht geeignet ist -
wie wir aus internationalen Vergleichen wissen - ist das Mehrheitswahlrecht.
Überall dort, wo Mehrheitswahlrechte bestehen – egal, ob es
jetzt das einfache Mehrheitswahlrecht oder nach dem absoluten Wahlrecht
geregelt ist – sind Frauen deutlich unterrepräsentiert. Und es gibt eine klare,
auch international dokumentierte Korrelation zwischen dem Bestehen eines
Verhältniswahlrechtes und dem Frauenanteil in den jeweils dadurch gewählten
Parlamenten.
Ich bitte daher inständig, das zu berücksichtigen bei den
Diskussionen um das Wahlrecht und kann an dieser Stelle auch nur der Idee des
Familienwahlrechts eine klare Absage erteilen. Erstens glaube ich, dass
grundlegende verfassungsrechtliche Bedenken dagegen stehen, hier das Wahlrecht
indirekt ausüben zu lassen für andere. Zweitens würde man ja – da kann ich
jetzt sehr kreativ werden – anderen Vorschlägen Tür und Tor öffnen, wer für wen
ebenfalls noch eine Stimme abgibt, um welche Interessen zu stärken. Und wenn
ich es absurd machen will, machen wir wieder die Interessenvertretung der
Autofahrer und Autofahrerinnen Österreichs und geben pro Pkw in der Familie
noch eine zusätzliche anteilige Stimme ab.
Ich weise Sie darauf hin, dass die Empfehlungen, was die
Frauenparität angeht, ja nicht nur jetzt von Frauenorganisationen kommen,
sondern auch bei der letzten Überprüfung der Umsetzung zur UNO-Konvention zur
Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ebenfalls dringlich
enthalten waren. Österreich hat hier zwar nur mit einem Umsetzungsvorbehalt
unterzeichnet, ich glaube aber, wir sollten uns international nicht blamieren
und hier hinter gebotenen Standards einer entwickelten Demokratie zurückfallen.
Daher am Schluss: Auch ich meine – und habe das auch schon
vor einiger Zeit formuliert -, dass dieser Konvent ein Korrektiv braucht. Ich
glaube, dass dieses Hearing nur ein allererster Schritt sein kann und würde mir
vor allem wünschen, dass die zahlreichen Frauenorganisationen, die in
Österreich nicht parteigebunden sind, die unabhängig sind, ebenfalls zu Wort
kommen in Ihren Ausschussberatungen; dass es regelmäßige Praxis wird,
Frauenorganisationen und ihre Vertreterinnen beizuziehen; dass es zu
Zwischenergebnissen immer wieder Hearings mit Frauenorganisationen sowie mit
anderen NGOs aus anderen Interessensfeldern gibt; und dass jedenfalls das
Resultat ihrer Arbeit hier vor Beschlussfassung einer
Geschlechterverträglichkeitsprüfung durch ein geeignetes Gremium von
Expertinnen unterzogen wird. Denn die Frage, die Sie sich stellen werden müssen
und die Ihnen gestellt werden wird, ist im Unterschied zu 1920 - einer Männer
dominierten Verfassung - : was, sehr geehrte Damen und Herren dieses
Verfassungskonvents, was haben Sie den Frauen heute im 21. Jahrhundert mit der
Verfassung zu bieten?
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön, Frau Magistra. Bevor ich der nächsten
Rednerin das Wort erteile, scheint mir doch eine Klarstellung angebracht zu
sein, weil zum zweiten Mal angesprochen wurde, dass die Einladungen an die Frauenorganisationen
derart abgefasst gewesen seien, dass darin zum Ausdruck gekommen sei, es würden
Männer eingeladen werden, nämlich Vertreter.
Ich lege Wert auf die Feststellung, dass die schriftlichen
Einladungen an die Frauenorganisationen ausdrücklich von Vertreterinnen
sprechen. Das ist das Eine. In den Unterlagen, die aufliegen, ist allerdings
richtig, dass von Vertretern die Rede ist, aber die Einladungen gingen an
Vertreterinnen.
Darüber hinaus erscheint es mir durchaus wesentlich zu
sein, um der Wahrheit willen nicht nur anzuführen, dass im Konvent insgesamt
weniger Frauen als Männer vertreten sind, sondern noch hinzufügen, dass das
Präsidium, das aus sieben Personen besteht, vier Männer und drei Frauen
aufweist, also aus vier Männern und drei Frauen zusammengesetzt ist, also
nahezu eine Parität besteht, und dass die Geschäftsführung des Büros des
Österreich-Konvents in den Händen einer Frau liegt, einer Geschäftsführerin,
und dass die Ausschussbetreuung für die einzelnen Ausschüsse sogar überwiegend
in den Händen von Frauen liegt. Das erscheint mir auch wesentlich, festgehalten
zu werden, wiewohl ich durchaus einräume, dass, was die Zusammensetzung des
Konvents insgesamt anlangt, ein Übergewicht der Männer gegeben ist. Aber um der
Wahrheit willen seien auch diese Feststellungen hier von dieser Stelle aus
angebracht.
Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Dr. Brigitte
Hornyik vom Frauenring. – Bitte sehr.
Dr. Brigitte Hornyik: Sehr geehrte – wenige – Damen vor mir, etwas
mehr hinter mir. Sehr geehrte – umso zahlreichere – Herren. Ich freue mich
sehr, dass ich nach einigem Hin und Her jetzt doch, wie der Herr Präsident
erwähnt hat, als Vertreterin des Frauenrings hier zu Ihnen sprechen darf und
nicht als Vertreter.
Ich wurde von der Vorsitzenden des Österreichischen
Frauenrings, der Frau Magister Salomon im Einverständnis mit dem gesamten
Vorstand, dem ich auch angehöre, ersucht, unsere Vorsitzende hier zu vertreten.
Wahrscheinlich auch deswegen, weil ich beruflich seit nun nahezu 25 Jahren in
Kernbereichen des Verfassungsrechts tätig bin und ja eigentlich hier kaum mehr
Forderungen zu erheben übrig geblieben sind nach den zahlreichen Forderungen,
die meine Vorrednerinnen bereits erhoben haben. Es wird daher nun meine Aufgabe
eher sein, die zahlreichen Argumente, die für eine Gleichstellung der Frauen in
der Verfassung heute bereits gebracht worden sind, mit dem von mir erlernten
Handwerkszeug – und das ist nun einmal die Verfassung – Ihnen vielleicht auch
verfassungsrechtlich zu argumentieren. Ich habe zu diesem Zweck
sicherheitshalber, weil ohne dem gehe ich nie aus dem Haus, den Kodex
mitgebracht. Das ist sozusagen mein Lieblingswerkzeug, das mir schon ziemlich
ans Herz gewachsen ist, und da fühle ich mich einfach sicherer und ohne dem
hätte ich mich heute hier kaum ans Rednerpult getraut.
Wir haben unsere Vorschläge dem Konvent auch schriftlich
vorgelegt. Und zumindest einer dieser Vorschläge ist hoffentlich in einer für
die hochkarätigen Verfassungsexperten hier in diesem Konvent vertrauten Form
und Sprache abgefasst, nämlich als legistischer Vorschlag. Und vielleicht ist
auch das ein Beitrag dazu, dass dem Konvent das Anliegen der Gleichstellung der
Frauen dadurch etwas leichter zugänglich und vertrauter wird.
Die Verfassung kann und soll die Politik nicht ersetzen.
Ich halte sie aber für eine wichtige Rahmenbedingung für die Politik. Und eine
Verfassung, in der die Gleichstellung von Frauen und Männern eine durchgehende
Leitlinie, sozusagen eine Art Grundprinzip ist, ist eine wesentliche Grundlage
für eine diesem Ziel verpflichtete Politik.
Und ich gestatte mir eine, speziell unserer Vorsitzenden im
Frauenring, einer gelernten Historikerin, gewidmete kurze historische Referenz.
Die rechtliche Gleichheit vor dem Gesetz gibt es bereits seit 1867 – also seit
mehr als 100 Jahren. Allerdings hat im Reichsrat der Monarchie der Gedanke,
dass damit auch das Frauenwahlrecht gemeint sein könnte, unter den Herren noch
nahezu obszöne Heiterkeitsstürme hervorgerufen.
Erst seit 1920 ist auch das Frauenwahlrecht in Österreich
verankert; erst seit der Ersten Republik ist der Ausschluss von – wie es damals
hieß – Frauenspersonen von der Mitgliedschaft in politischen Vereinen
aufgehoben.
Diese politischen Frauenrechte sind nun mehr als 80 Jahre
alt. Aber wie schaut die Realität der politischen Teilhabe von Frauen aus? Auch
das wurde heute schon angesprochen, ich möchte nur noch einmal kurz daran
erinnern. Der Anteil weiblicher Abgeordneter im Nationalrat liegt nach wie vor
unter 30 Prozent; Frauenanteile in den Landtagen bewegen sich in einem Spektrum
von 17 – 37 Prozent – da ist allerdings Wien einsamer Spitzenreiter.
Bei den Bürgermeisterinnen beträgt der Frauenanteil zirka
1,5 Prozent, konkret waren das 1999 38 Bürgermeisterinnen, von insgesamt 2.358
Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in ganz Österreich.
Diese geringen Frauenanteile werden sogar in einem
UNO-Bericht mittlerweile in Bezug auf Österreich kritisch erwähnt. Der Konvent
ist daher mit seinem Frauenanteil von 20 Prozent durchaus respektabel im
österreichischen Durchschnitt.
Das war nur ein kleines Beispiel aus einem großen Spektrum
von Unterrepräsentation, von ökonomischer und gesellschaftlicher
Benachteiligung von Frauen, die heute hier bereits mehrfach angesprochen wurde.
Wir halten es daher für unverzichtbar, von diesen Gedanken
einer formalen, rechtlichen Gleichheit vor dem Gesetz auch juristisch zu einer
Normierung der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter und der Frauenförderung überzugehen.
Seit mehr als 20 Jahren, nämlich seit der Ratifikation der
UNO-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen im
Jahr 1982 durch Österreich, hat sich Österreich durch die Ratifikation der
Artikel 1 bis 4 dieser Konvention im Verfassungsrang zur Herstellung der
tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter in allen Bereichen verpflichtet.
Diese internationale Verpflichtung ist auch Teil des österreichischen
Verfassungsrechtes und existiert bereits seit 1982.
Wie heute ebenfalls schon erwähnt, wurde im Artikel 7
Absatz 2 der Bundesverfassung 1998 ein allerdings bloßes Bekenntnis zur
Herstellung der Geschlechtergleichheit aufgenommen und die Erklärung, dass
Frauenförderung zulässig sei.
Auch die Verpflichtung der Staatengemeinschaft in Artikel 3
des EG-Vertrages zur Förderung der Herstellung der Gleichstellung von Frauen
und Männern wurde heute bereits erwähnt.
Ich möchte auch vom innerstaatlichen Verfassungsrecht her
vielleicht noch einmal unterstreichen, auch das ist heute schon angeklungen,
dass ich diese so genannte Geschlechterparität für ein demokratisches Gebot
halte, weil das Recht geht laut Artikel 1 der Bundesverfassung vom Volk aus und
meiner Auffassung nach besteht das Volk aus Männern und Frauen.
Und ich frage Sie, meine Damen und Herren, was ist das für
eine Demokratie, die es in Kauf nimmt, die nicht thematisiert und die nichts
dagegen tut, dass die Mehrheit der Bevölkerung, und das sind die Frauen mit
über 52 Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung, überall dort, wo
Entscheidungen getroffen werden, unterrepräsentiert ist?
Warum zieht sich dieses demokratische Defizit nicht wie ein
roter Faden durch die gesamte Arbeit des Konvents? Warum war die Frage der
Geschlechtergleichheit nicht ganz zentral bei der Formulierung der Themen der
Ausschüsse des Konvents?
Ich glaube also, dass es auch im Bereich des
Verfassungskonvents genug Arbeit für ein angewandtes Gendering, auch dieser
Begriff ist heute schon gefallen, wie es Artikel 3 Absatz 2 des EG-Vertrages
vorsieht, gibt.
Frau Abgeordnete Barbara Prammer hat heute die Beziehung
von Vertreterinnen von Frauenorganisationen in allen Ausschüssen gefordert. Ich
möchte mich dieser Forderung anschließen und sagen, dass
Verfassungsexpertinnen, wie ich und meine Kolleginnen, dafür gerne zur
Verfügung stehen.
Eines dieser vielen Anliegen der Frauen, auch im
Grundrechtebereich, haben wir Juristinnen, weil ich vertrete im Frauenring den
Verein österreichischer Juristinnen, versucht, in Form eines
Gesetzesvorschlages auszuformulieren und ich muss mich da für die hochkarätige
Unterstützung der Expertinnen, Frau Dr. Bei, Frau Dr. Sporrer, unserer
Vorsitzenden, Frau Mag. Thomasberger und ihrer Stellvertreterin, Frau Mag.
Novak herzlich bedanken, die mir bei Ausformulierung des dem Konvent auch
schriftlich vorliegenden Vorschlags zu einer Umformulierung des Artikel 7
Absatz 2 der Bundesverfassung wesentliche Unterstützung und wesentliches
Feedback gegeben haben.
Ich kann aufgrund der Kürze der Zeit leider eben nur dieses
eine Grundrecht und heute nicht mehr herausgreifen. Ich erinnere daran, dass
der Artikel 7 Absatz 2 der Bundesverfassung in seiner derzeitigen Fassung auf
der Novelle aus dem Jahr 1998 beruht. Wir haben damals leider nur eine
Kompromissformel im Hinblick auf dieses Bekenntnis zur Gleichstellung der
Geschlechter erzielen können.
Ich habe mich sehr gefreut, von der Vertreterin der
ÖVP-Frauenbewegung zu hören, dass jetzt auch die ÖVP unsere Forderung nach
einer Verpflichtung zur Gleichstellung unterstützt. Diese Zustimmung war damals
1998 leider nicht erreichbar.
Ebenfalls fordern wir, wie heute schon angeklungen – ich
stelle jetzt, aufgrund der Kürze der Zeit und da das rote Licht schon blinkt,
unseren ohnehin schriftlich vorliegenden Vorschlag nur mehr mit einigen
Stichworten vor:
Wir fordern also eine verpflichtende Geschlechtergleichstellung
und Geschlechterparität. Wir fordern subjektive Rechte jeder einzelnen Frau auf
Gleichstellung, auf Ausgleichs- und Fördermaßnahmen und wir fordern, wie heute
schon erwähnt, eine Gender Prüfung, die wir allerdings im Sinne der heute schon
erhobenen Forderung nach Deutsch als Amtssprache mit dem nicht sehr hübschen
Begriff "Geschlechterverträglichkeitsprüfung" - (aber dafür ein
deutscher Begriff) - getauft haben.
Wir haben uns auch mit dem Problem des Rechtsschutzes
auseinander gesetzt, auch das hat Barbara Prammer schon erwähnt. Verbandsklagen
würden unserer Einschätzung nach Frauen ganz wesentlich bei der Durchsetzung
ihrer Rechte helfen.
Es wäre aber auch eine Gender-Kompetenz des
Verfassungsgerichtshofes zu überlegen, eventuell die Einrichtung einer
Gender-Kommission im Parlament.
Hoher Verfassungskonvent! Unsere Vorschläge liegen, wie
bereits erwähnt, schriftlich vor. Ich ersuche den Konvent um Aufnahme unseres
Vorschlages in den Entwurf eines neuen Verfassungstextes und stehe, wie bereits
erwähnt, für weitere Diskussionen in den Arbeitsausschüssen als
Ansprechpartnerin gerne zur Verfügung. – Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön, Frau Doktor. Wir haben damit die Anhörung der
Frauenorganisationen beendet und gelangen nunmehr zur Anhörung der
Seniorenvertreter.
Als Erster davon hat sich Herr Bundesminister a.D. Karl
Blecha für den Pensionistenverband Österreichs zu Wort gemeldet. Herr Minister,
ich darf auf die dreizehnminütige Redezeitbeschränkung aufmerksam machen und
Ihnen das Wort erteilen. Bitte sehr.
Karl Blecha: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und
Herren! Zuerst möchte ich mich für die Einladung an die Seniorenvertretungen
bedanken, Überlegungen in die Konventsarbeit einbringen zu können.
Gerade die Vertreter und Vertreterinnen von Seniorinnen und
Senioren haben in der Vergangenheit immer wieder ihr besonderes Interesse an
Verfassungsfragen gezeigt. Sie haben die Beseitigung bestehender
Strukturdefizite und besonders vehement auch den Abbau von Doppelgleisigkeiten
in der Verwaltung, mit denen sie immer wieder konfrontiert werden, verlangt.
Sie haben das kameralistische Budgetsystem Österreichs in Frage gestellt und
sie haben mit ganz besonderem Nachdruck die Erneuerung des aus dem Jahre 1867
stammenden Grundrechtskatalogs gefordert.
Und in diesem Zusammenhang hat der österreichische
Seniorenrat 2001, im Oktober, bei seiner großen Hauptversammlung, die
Verankerung der Alterssicherung und die Verankerung des Diskriminierungsverbots
betreffend ältere Menschen in der Bundesverfassung gefordert.
Er hat dann auch noch im Zusammenhang mit einer möglichen
Verankerung der Patientenrechte, den Schutz der Rechte und der Würde
Pflegebedürftiger, in und außerhalb der Heime, öffentlich zur Diskussion
gestellt und auch hier die Einbeziehung in die Verfassungsdiskussion verlangt.
Wir, die wir nun im geplanten Konvent tatsächlich eine
Milliardenchance für diesen Staat sehen, waren dann sehr tief betroffen, dass
der Österreichische Seniorenrat, die Vertretung von zwei Millionen
Österreicherinnen und Österreichern, gleichgestellt den Interessenvertretungen
der Dienstnehmer, der Wirtschaftstreibenden und der Landwirtschaft, genauso
wenig, wie die Bundesjugendvertretung - ebenfalls gesetzliche Interessenvertretung
der Jungen - nicht eingeladen waren, einen Vertreter in den Konvent zu
entsenden.
Und auch zur heutigen Anhörung ist nicht der
Österreichische Seniorenrat eingeladen worden, sondern vier unserer
Mitgliedsorganisationen, unter Ausschluss der zweihunderttausend Mitglieder
vertretenden ÖGB-Pensionisten.
Ich bin aufgerufen worden als Vertreter des
Pensionistenverbandes Österreichs zu sprechen, werde das aber auch als der
Vertreter des Präsidiums des Seniorenrates tun, weil wir einstimmige Anliegen
haben, die wir uns vorgenommen haben, aufgeteilt zwischen dem Herrn
Alt-Landeshauptmann Dr. Ratzenböck, dem Herrn Bundesobmann Dr. Tremmel und mir
zu erläutern.
Wir wollen einen funktionstüchtigen Staat, weil wir, die
Älteren, die Mehrheit der sozial Schwächeren stellen und daher auf einen
solchen angewiesen sind. Wir wollen klar definierte Staatsziele, zu denen die
Sozialstaatlichkeit als die Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse von
Jung und Alt, von Männern und Frauen gehört. Wir hoffen, dass aufgrund der
Beratungen, auch vor allem des Konvents, erkennbar wird, welche staatliche
Ebene für welche Aufgaben zuständig ist. Und wir hoffen auch, dass die
wichtigste Aufgabe einer Verfassung, die Grundrechte zum Schutze des Einzelnen
zu gewährleisten, stärker betont wird. Denn derzeit verbürgen wir uns, ich habe
schon auf das Entstehungsjahr 1867 aufmerksam gemacht als wir vom
Grundrechtskatalog gesprochen haben, Abwehrrechte gegenüber dem Staat zu
gewährleisten, gehen aber auf die neuen Gefährdungen wenig ein. Und da kann ich
nur zitieren, dass schon 2001 der Österreichische Seniorenrat sich auch mit
jenen 70000 Seniorinnen und Senioren, die in Alters- und Pflegeheimen wohnen,
beschäftigt hat. Damals wurde zum Ausdruck gebracht, dass die meisten von ihnen
sehr, sehr gut untergebracht sind. Dass es aber auch Menschen in Pflegeheimen
gibt, halbseitig gelähmt, die nicht gefüttert werden und lebensbedrohlichen
Gewichtsverlust erleiden. Es gibt Patienten, denen drei Monate lang die
Zehennägel nicht geschnitten werden oder, obwohl sie ihre Körperfunktionen
kontrollieren können, kurzerhand in Windelhosen verpackt werden.
Diese Heimbewohner sind praktisch rechtlos, Patienten und
ihre Angehörigen haben keine Möglichkeit die selbstverständlichsten
Menschenrechte durchzusetzen. In diesem Zusammenhang haben wir auch die
Verankerung der Patientenrechte und vor allem dem verstärkten Schutz der
Pflegebedürftigen öffentlich zur Diskussion gestellt. Wir haben uns auch
beschäftigt mit anderen neuen Gefährdungen und haben beispielsweise den Schutz
vor Video und E-Mailüberwachungseinrichtungen und auch den Schutz vor
irreführender und sittenwidriger Werbung verlangt. Denn gerade die Seniorinnen
und Senioren sind Opfer täuschender Werbung, gegen die es nicht ausreichenden Schutz
gibt.
Meine geschätzten Damen und Herren, wir hoffen aber, dass
durch den Österreich-Konvent die seit zwei Jahrzehnten geführte Diskussion um
die Alterssicherung beendet wird. Und ich möchte mich jetzt nur mehr mit diesem
Punkt befassen.
Alterssicherung ist ein Kernelement des Europäischen
Sozialmodells. 1988 macht man einen ersten, sehr entscheidenden Anlauf zu einem
Bundesverfassungsgesetz über das Recht auf Sozialversicherung und Sozialhilfe,
in dem die soziale Sicherheit durch ein umfassendes System der
Sozialversicherung insbesondere, wie es hieß, zum Schutz gegen die Folgen von
Krankheit, Unfall, Invalidität, Alter und Arbeitslosigkeit gewährleistet werden
sollte.
Technisch gesehen war das eine institutionelle Garantie,
ein klarer Auftrag für die Gesetzgebung, eine Verpflichtung für die
Gesetzgebung. In den 90er-Jahren ist dann ein Bundesverfassungsgesetz über
wirtschaftliche und soziale Rechte ausgearbeitet worden, ist dann 1997 dem
Verfassungsausschuss des Hauses zugewiesen worden. Es enthielt die
Aufforderung, dass Gesetzgebung und Vollziehung soziale Sicherung, insbesondere
bei Krankheit, Unfall, Mutterschaft und geminderter Arbeits- und
Erwerbstätigkeit, Alter und Tod zu gewährleisten hat. Damals hat die
Grundrechtskommission, haben die Sozialpartner Einvernehmen erzielt, zu einer
Beschlussfassung kam es dennoch nicht und daher haben wir dann 2001 als
österreichischer Seniorenrat einen neuerlichen Anlauf gemacht und haben das
Grundrecht auf Alterssicherung mit einer Pensionsgarantie verbunden. Und hier
haben wir volle Zustimmung beim Bundesminister Haupt in seiner Funktion als
Generationenminister gefunden, der eine ministerienübergreifende Arbeitsgruppe
eingesetzt hat, um dieses Grundrecht auf Alterssicherung - verbunden mit
Pensionsgarantie - beschlussreif zu machen. Die Arbeitsgruppe ist eingesetzt
worden, aber nie zusammengetreten.
Im Mai 2002 war dann unsere Geduld am Ende und wir haben
einen eigenen Antrag vorbereitet. Wir haben den allen Parlamentsparteien zur
Stellungnahme geschickt, haben positive Stellungnahmen bekommen. Ich kann mich
noch erinnern, dass der zweite Präsident des Nationalrates, damals Prinzhorn,
ganz deutlich gemacht hat, dass er eben eine solche Absicherung der Pension per
Verfassungsgesetz für notwendig hält, wenn sie auch verbunden ist mit einer
Wertanpassung. Das ist ein wörtliches Zitat. Am 22. Mai haben die Abgeordneten
Dr. Gusenbauer, Dr. Cap, Dr. Wittmann und Genossen den von uns formulierten
Antrag für ein Bundesgesetz über die Sicherung der Pensionen als Initiativantrag
eingebracht. Uns, meine Damen und Herren, geht es darum, dass Gesetzgebung und
Vollziehung durch ein System der Sozialversicherung ein angemessenes Einkommen
der Menschen im Alter zu gewährleisten haben. Uns geht es darum, dass
Gesetzgebung und Vollziehung dafür zu sorgen haben, dass Pensionen gesichert
sind und in einem angemessenen Ausmaß steigen. Es gibt keine Diskussion
darüber, dass die Wertsicherung bedeutet, dass zumindest die Inflationsrate,
die Inflation abzugelten ist.
Gerade die aktuelle Diskussion zeigt, dass es dringend
erforderlich ist, das Recht der alten Menschen auf eine gesicherte Pension
verfassungsrechtlich zu garantieren. Nur dadurch, meine Damen und Herren, wird
es überhaupt erst möglich, dass die Alterssicherung der Tages- und
Anlasspolitik entzogen werden kann. Derzeit und darüber braucht man sich gar
keine Illusion machen, bangen die in Pension Befindlichen um die Kaufkraft
ihrer Pensionen, die ja durch Nichtabgeltung von Teuerungen immer weniger
werden. Auf der anderen Seite befürchten die im Erwerbsleben Stehenden starke
Reduktionen ihrer Pensionsansprüche und die Jungen glauben, dass in 40, 50
Jahren überhaupt keine staatliche Pension mehr bezahlt wird. Diese Sorgen,
Ängste, Alpträume können nur beseitigt werden, wenn eine angemessene
Altersversorgung im Wege einer Sozialversicherung verfassungsmäßig garantiert
wird. Es ist eines der wichtigsten Güter des modernen Staates, den materiell
gesicherten Lebensabend seiner Bürger sicherzustellen. Der Staat, meinen wir,
darf sich nicht aus seiner Verantwortung für Alterssicherung davonstehlen. Er
hat die Verpflichtung, auch den Generationenvertrag materiell abzustützen. Nur
eine klar definierte Alterssicherung in Form einer Verfassungsgarantie wird
jene Verunsicherung beseitigen, die den Generationenvertrag gefährdet und die
letztlich unseren Sozialstaat aufzulösen droht.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke sehr, Herr Bundesminister. Als nächster zu Wort
gemeldet ist Herr Landeshauptmann außer Dienst Dr. Josef Ratzenböck. Herr
Landeshauptmann, auch Sie darf ich auf die 13-minütige Redezeitbeschränkung
aufmerksam machen und Ihnen das Wort erteilen, bitte sehr.
Dr. Josef Ratzenböck: Lieber Herr Präsident Dr. Fiedler, meine sehr
geehrten Damen und Herren! Am 17. Juni anno Domini, im Jahre des Herrn 1997
wurde in Amsterdam ein Vertrag unterzeichnet. Im Artikel 13 steht drinnen, dass
eine Diskriminierung unter anderem wegen Alters verboten ist.
Die Gefahr besteht. Ich denke zum Beispiel an Rom, den
Vatikan. Dort dürfen Kardinäle ab 80 nicht mehr bei der Papstwahl mitwirken,
meine Damen und Herren. Der Konvent ändert das nicht, aber der Konvent wird
Vorsorge treffen, dass nicht auch bei uns solche Ideen vertreten werden. Ab 80
dürfen die Kardinäle nicht mehr mitwirken, meine Damen und Herren. Man sieht,
der Teufel schläft nie, auch nicht in Rom. Dort wirkt er manches Mal in der
Maske des Heiligen Geistes.
Wir wollen nicht benachteiligt werden bei der Steuer. Meine
Damen und Herren, es ist noch gar nicht so lang her, sind von verschiedenen
Seiten Vorschläge gekommen, von den Alten eine Solidarabgabe zu erheben. Was
heißt denn das? Das ist eine Steuer, die du zahlen musst, weil du alt geworden
bist, vielleicht wird man dann vorschlagen auch, bei der Solidarabgabe der
Alten eine Progression einzuführen: Je älter du wirst, desto höher wird die
Steuer. Wir wehren uns nicht, Steuer zu zahlen, wie alle anderen. Aber eine
Sondersteuer einzuführen, welche die Alten begleichen, meine Damen und Herren,
dagegen müssen wir auftreten. Wenn ich das sage, dann bin ich im Verdacht, eine
Erklärung abzugeben, welche die Politiker schützt. Wir zahlen nämlich eine
Solidarabgabe ab 1. Juli. 15 Prozent unseres Bezuges, aber das beklage ich
nicht, auch weil ich weiß, dass sich das Mitleid in der Öffentlichkeit mit uns
in Grenzen hält.
Meine sehr geehrten Damen und Herren: Und bei der Gesundheit! Da wünschen wir nichts
anderes als so behandelt zu werden, wie alle anderen auch. Es ist an die zwei
Jahre her, da hat man in der Schweiz diskutiert, in England und vor ein paar
Monaten wurde in der Bundesrepublik diskutiert, ob man die Leistungen der
Krankenkassen nicht bei den Alten einschränken soll. Man hat vor allem geredet
von den Hüftoperationen. Sozusagen, wenn einer von den Alten operiert werden
möchte in den Hüften, dann soll er selber zahlen. (Wenn das im
oberösterreichischen Landtag wäre,
mit diesem Mikrophon hätte ich das schon geändert, weil es die
Bewegungsfreiheit des Redners einengt.) Wir kommen dafür nicht mehr auf, denn
ungesagt, aber gedacht, zahlt sich - ja, die Frage ist - zahlt es sich denn bei diesen Alten
noch aus? Deshalb muss auch verankert werden, dass den Alten die Teilnahme am
medizinischen Fortschritt genauso zusteht wie allen anderen auch. Das sind
Wünsche, die eigentlich selbstverständlich sind, aber die offenbar doch einer
gesetzlichen Normierung bedürfen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alterssicherung, hat
der Kollege Blecha schon angesprochen. Etwas ganz Wichtiges, wir reden vom
Generationenvertrag. Ich sage, den gibt es nicht und hat es nie gegeben. Das
ist naturrechtlich begründet. Die Alten haben eine Aufgabe, in ihrer Jugend
haben sie für die Jungen gesorgt, und im Alter haben die Jungen die
Verpflichtung, sich um die Alten anzunehmen.
Wissen Sie, wenn ich da rede, Generationenvertrag, dann
rede ich nicht nur für uns Alte, sondern für alle anderen auch. Wir Alten haben
den Vorzug, an beiden Ufern des Lebensstromes gelebt zu haben. Wir waren einmal
jung, das wird mir niemand abstreiten können, und wir sind jetzt alt. Die
Jungen sind jung und sie möchten alt werden. Und wenn wir für unsere Rechte
eintreten, treten wir auch für die Rechte der Jungen ein.
Es gibt keine menschliche Gesellschaft, die nur aus einer
Generation besteht, sondern die menschliche Gesellschaft setzt sich aus vielen
Generationen zusammen, die alle Verantwortung füreinander tragen. Und nur das
wollen wir, dass es in unserer Verfassung
verankert wird.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön, Herr Landeshauptmann. Als nächster zu Wort
gemeldet ist Herr Dr. Paul Tremmel vom Seniorenring. Bitte sehr, auch Sie darf
ich auf die 13-minütige Redezeitbeschränkung hinweisen.
Dr. Paul Tremmel: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des
Österreich-Konvents! Zuerst darf ich mich bedanken, dass ich die Möglichkeit
habe, hier gehört zu werden und die Meinung des Seniorenrings hier darzulegen.
Ich möchte nicht Dinge wiederholen, die meine geschätzten Vorredner, Herr
Präsident Blecha und Herr Landeshauptmann Ratzenböck gesagt haben. Aber auf
eines darf ich vielleicht hinweisen, meine Damen und Herren. Es wäre schön
gewesen, wenn die Vertretung eines Bereiches, der 2 Millionen Menschen
repräsentiert, bei diesem Österreich-Konvent eingeladen worden wäre.
Wenn Sie heute hier – Sie haben das
schon gehört – über verschiedene Diskriminierungen, wenn über verschiedene
Diskriminierungen hier gesprochen wurde, wenn hingewiesen wurde auf den Artikel
13 des Amsterdamer-Vertrages, so stimmt dies alles teilweise. Besonders
betroffen sind wir von dieser Diskriminierung allerdings dann, wenn es hier um
das Alter geht. Präsident Blecha hat die Ausnahmefälle erwähnt in Altersheimen.
Es ist ja dies nur eine relative kleine Gruppe von 70000 Menschen. Wenn Sie
bedenken, dass etwa einzelne Menschen um 15 Uhr ins Bett gehen mussten, oder
ins Bett gelegt wurden, weil hier also ein Wechsel im Aufsichtsdienst
stattfand. Und wie hat der Bundespräsident bei Senioren, bei einer
Seniorenmesse, richtige Worte gesagt: Diese Menschen und viele unserer älteren
Mitbürger, die nicht das Glück hatten, eine Fremdsprache zu lernen, die hatten
nur mehr ein Fenster, ein Fenster, das ist, dass sie Radio hören können, oder
dass sie die Sendung des ORF teilweise anschauen können. Und diese, meine Damen
und Herren, ohne hier auch Redner irgendwo diskriminieren zu wollen, diese
verstehen sie nur mehr teilweise. Es ist das die größte Diskriminierung älterer
Menschen und Menschen überhaupt, die keine andere Sprache beherrschen, wenn
hier Anglizismen, die teilweise hier in Österreich erfunden werden, gebraucht
werden und diese Menschen verstehen das nicht mehr.
Und ich werde ein kleines Beispiel
schildern. Leider Gottes lebt meine Mutter nicht mehr. Die war Bäuerin und die
war gar nicht dumm, und die hat gesagt: „Du, sag’ einmal Pauli, was heißt denn
das eigentlich, Event?“ Ich musste ihr das dann darlegen und viele Menschen
haben einfach nicht den Mut zu fragen. Und deswegen werde ich hier auf einen
bestimmten Bereich unserer Verfassung hinweisen, das ist der Artikel 8. Die
deutsche Sprache ist - unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten
bundesgesetzlich eingeräumtes Recht - die Staatssprache der Republik.
Meine Damen und Herren! Wenn ich im
Juristendeutsch sprechen würde, dann könnte ich sagen, das ist eine Lex
imperfecta. Das steht zwar drinnen in unserer Verfassung, aber man hält sich
nur teilweise daran. Ohne die
Damen und Herren, die heute hier über das Gender Budgeting und Gender
Mainstreaming gesprochen haben, diskriminieren zu wollen, - sagen Sie das
einmal in einem Altersheim, die verstehen das nicht. Bemühen wir uns, nicht
mehr an den Menschen vorbei zu sprechen, und sprechen wir wieder so, nicht nur
wie es der Verfassungsauftrag ist, sondern, dass uns die Menschen wieder
verstehen.
Deswegen trete ich mit der höflichen
Bitte an die Damen und Herren des Österreich-Konvents, an die entsprechenden
Ausschussmitglieder heran, hier diesen Artikel 8 dahingehend zu verstärken,
dass etwa die ORF-Gesetzgebung dahingehend geändert wird, dass nicht nur der
Bildungsauftrag verankert wird. Sondern, dass darin auch gesprochen wird, dass
wieder so geredet wird, dass die Menschen das verstehen. Oder etwa, dass man
eine Verordnung erlässt an alle staatlichen Stellen, dass hier wieder die
Staatssprache, und dort, wo es notwendig und wo wir das auch wünschen, die
Sprache der autochthonen Minderheiten gebraucht wird. Das erfordert keinen
finanziellen Aufwand, meine Damen und Herren, und würde ein tiefes
Befriedigtsein der älteren Menschen wieder auslösen. Sie würden hier in ihrem
wichtigsten Bereich, nämlich im immateriellen Bereich, wieder ernst genommen
werden.
Wir reden alle über die alten Menschen
und vergessen – vielleicht ein kleines Beispiel auch dazu, weil hier über Mann
und Frau, über Frau und Mann gesprochen wurde, ich habe es noch sehr in
Erinnerung, wie meine Mutter als Trümmerfrau, denn die Verwandten, die Männer
waren noch nicht da, die waren in der Kriegsgefangenschaft - wie die hier das Haus wieder
aufgebaut haben, die ganze Familie durchgefüttert haben. Hier war die
Diskriminierung letztlich zu Ende. Und bemühen wir uns, meine Damen und Herren,
dass das in diesem Sinne, ohne dass wir Kampfespositionen beziehen, in diesem
Sinne in unsere Verfassung hineinkommt. Und ich darf hier nur demonstrativ
erwähnen, das ist auch ein wichtiger Bereich, die steuerliche Berücksichtigung
der Seniorenarbeit. Die Hunderte Vereine in Österreich, die könnten nicht existieren,
wenn hier nicht die Senioren wären; die Rettung, die Bergrettung und so weiter;
die Feuerwehr, wenn nicht die Senioren wären, die das heute hier tun. Dass man
hier eine steuerliche Berücksichtigung überlegt; dort, wo das nicht möglich
ist, eine Berücksichtigung in Form einer Negativsteuer überlegt.
Ungehinderter Zugang der älteren
Generation zu den Wahlbereichen. Dankenswerterweise wurde die Briefwahl bereits
erwähnt. Ich sage noch etwas auch als Jurist und ich habe das seinerzeit schon
lange gefordert. Es wäre ein Leichtes, das durchzusetzen, das Wählen auf Depot.
In einzelnen Wahllokalen, wo die Wahlkarten ausgegeben werden, wo die Leute
mühevoll dorthin gehen, die brauchen die Wahlkarten gar nicht mitnehmen nach
Hause, die könnten dort auf Depot wählen. Vielen Menschen würde das erleichtert
werden und da würde auch der Verfassungsgesetzgeber, die Republik Österreich,
wieder den Menschen die Möglichkeit geben, zu sagen, ja, wir nehmen eigentlich
dieses Wahlrecht, das sie haben, sehr ernst.
Einen weiteren Bereich möchte ich noch
erwähnen, weil es hier gesagt wurde. Das ist zwar nur ein normales Gesetz, das
ist das Heimvertretungsgesetz. Es wurde am Anfang und auch vom Präsidenten
Blecha bereits dahingehend hingewiesen, dass die Menschen in Altersheimen kaum
die Möglichkeit haben, sich selbst zu vertreten. Es gibt einen Patientenanwalt,
das geht über die Menschen teilweise hinweg. Manchmal gut gemeint, gut gemeint
deswegen, weil sie kaum in der Lage sind oder einige kaum in der Lage sind,
sich selbst zu artikulieren. Aber man sollte diese Möglichkeit zumindest
einräumen, dass die Menschen hier die Möglichkeit haben, in Form eines
Direktionsbeirates, in Form eines Beschwerdebriefkastens, in Form von
Heimbewohnern, die hier mitwirken, dass man diese Beschwerdemöglichkeit hier
den Menschen gibt!
Es kann doch nicht sein, dass ein
Mensch seine letzte Bleibe hat - das ist so, wie wenn man einen alten Baum
ausreißt und versucht, ihn irgendwo einzusetzen - , dass es Monate lang dauert
und manchmal verstirbt dieser Patient, bevor er hier die Möglichkeit hat, zu
seinem Recht zu finden. Weil wir als Vertreter der Seniorenverbände hier sind,
geben Sie diesen Verbänden die Möglichkeit, meine Damen und Herren, dass sie
dort ein Besuchsrecht bekommen, quasi auch ein Kontrollrecht, das wir durchaus
wahrnehmen würden. Es gibt einen Bezirk, wo man das bereits eingeführt hat, das
ist der Bezirk Bruck an der Mur, wo die Seniorenverbände das in ausgezeichneter
Form wahrnehmen und wo die Altenheiminsassen dann zufriedener sind.
Geben Sie der älteren Generation das
Gefühl, meine Damen und Herren, dass sie hier gern gewollte Mitglieder dieser
Gesellschaft sind. Und nicht wie kleine Kinder - da muss man das jetzt machen
oder da muss man das jetzt machen – sondern, dass sie vollwertige Mitglieder
unseres Staates sind.
Und eines, das ist keine Drohung,
meine Damen und Herren, jeder erreicht einmal dieses Alter und wird einmal so
weit sein und deswegen wünsche ich diesem Österreich-Konvent eine Tätigkeit,
die es ermöglicht, dass die Interessen von Männern und Frauen, von Frauen und
Männern, von Generationen verknüpft werden, und dass diese Verknüpfung, meine
Damen und Herren, in unserer Verfassung zum Ausdruck kommt.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön, Herr Dr. Tremmel.
Damit sind wir mit der Anhörung der Interessenvertreter am
Vormittag zu Ende und ich möchte die Gelegenheit nützen, allen Vertreterinnen
und Vertretern zu danken, dass sie sich an die vorgeschriebene, vorgesehene
Redezeit gehalten haben. Es war eine vorbildliche Disziplin und ich betrachte
das nicht unbedingt als Selbstverständlichkeit. Daher erwähne ich es ganz
besonders.
Wir gelangen nunmehr, wie ich angekündigt habe, zur
Diskussion über die von uns gehörten Referate der Vertreterinnen und Vertreter
der einzelnen gesellschaftlichen Gruppierungen und darf als Erste hiezu Frau
Dr. Maria Berger das Wort erteilen. Frau Abgeordnete! Ich mache Sie aufmerksam,
dass bei Ihnen so wie bei allen anderen Rednerinnen und Rednern nunmehr die
übliche fünfminütige Redezeit gilt. - Bitte sehr.
Dr. Maria Berger:
Danke schön, Herr Präsident! Ich
denke, dass dieser erste Teil der Anhörung für uns alle von sehr, sehr großem
Interesse war und dass auch die Vorschläge sehr gezielt eingebracht worden
sind. Besonders bedauerlich erscheinen mir allerdings die Entwicklungen, die es
offensichtlich bei den Jugendorganisationen gegeben hat und ich nehme die
Wortmeldung und den Beitrag des Vorsitzenden der Bundesjugendvertretung als
Stellungnahme einer sehr repräsentativen Organisation und als eine, die wir
tatsächlich in unsere Arbeit einfließen lassen sollten.
Von allen drei Gruppierungen – und ich
denke, ich habe aufmerksam zugehört – kommt ein sehr klarer Auftrag an uns
heran. Ich selbst bin Mitglied unserer Arbeitsgruppe Grundrechte unter dem
Vorsitz von Herrn Prof. Funk und ich denke, dass der ganz klare Auftrag, den
wir mitnehmen können, in die Richtung geht, dass der Grundrechtekatalog
dringend um soziale Grundrechte ergänzt werden muss.
Ich freue mich auch, dass von vielen
Organisationen bereits auf die Europäische Grundrechtecharta beziehungsweise
auf Artikel aus anderen Teile des europäischen Rechts hingewiesen worden ist.
Mit der Charta wird uns doch der Weg ein bisschen gewiesen in die Richtung, bei
allen Schwächen, die es auch dort gibt, dass soziale Grundrechte formulierbar
sind und dass wir sie insbesondere im innerstaatlichen Bereich auch angehen
müssen.
Ich möchte auf das Beispiel hinweisen,
weil das gerade von meinem Altlandeshauptmann Dr. Ratzenböck auch gebracht
worden ist, der Artikel 13, das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters.
Im europäischen Geschehen ist es uns immerhin schon gelungen, auf Grund dieses
Artikels eine sehr eklatante Diskriminierung abzuschaffen, nämlich die Höchstaltersvorschriften
für den Eintritt in den Dienst der Europäischen Union. Auf Grund dieser neuen
Vorschriften konnten diese beseitigt werden.
Grundrechte sollen eben nicht nur
deklaratorische Bedeutung haben, sondern auch ganz konkrete Fortschritte
bedeuten. Von den im Einzelnen angeführten Bezugnahmen auf Grundrechte sehe ich
bei dem, was von den Jugendorganisationen und Kinderorganisationen gekommen
ist, vor allem eine Verankerung auch spezifisch der Kinderrechte.
Wir wissen, dass fast alles, was wir
an Grundrechten formulieren, natürlich auch Rechte der Kinder sind. Im
Speziellen noch einmal auf Kinderrechte auch im Sinne der internationalen
Entwicklung einzugehen, halte ich für sehr, sehr wichtig. Dass im Bereich der Kinder und
Jugendlichen ein Recht auf freien Zugang zu Bildungseinrichtungen ein zentrales
ist, ist nahe liegend und für uns sicher auch Auftrag im Grundrechteausschuss.
Bei den klassischen Grundrechten steht
natürlich immer die Würde des Menschen stark im Mittelpunkt.
Wir können über dieses Grundrecht
heute nicht ernsthaft reden und würden äußerst unglaubwürdig sein, wenn wir das
nicht gerade auf den Bereich des Alterns ausdehnen und die Anforderungen, die
die Würde des Menschen im Alter bedeutet. Einige konkrete Beispiele sind
bereits angeführt worden, das geht in Richtung Patientenrechte, das geht auf
Sicherung von gewissen Qualitätsstandards im Pflege- und im Krankenhausbereich
und das geht sicher natürlich auch in die soziale Alterssicherung.
Bei der Gleichheit ist es notwendig,
ein umfassenderes Gleichstellungsgebot zu formulieren als es derzeit in der
österreichischen Verfassung enthalten ist und auch die Maßnahmen der positiven
Diskriminierung zu ermöglichen.
Ein bisschen erschrocken bin ich bei
der Wortmeldung des Vertreters der Freiheitlichen Jugendorganisation, weil ich
schon darauf hinweisen möchte, nicht nur österreichische Staatsbürger haben
Menschenrechte, alle Menschen haben Menschenrechte und wenn wir hier über die
Grundrechte in Österreich reden, dann stehen die natürlich, wenn auch mit
einigen Abstufungen, allen Menschen zu. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir
hier einen Schritt rückwärts machen und uns auch von international
eingegangenen Verpflichtungen befreien können.
Zum Gebrauch von Anglizismen, der von
zwei Rednern angesprochen wurde und hier auch die Bäuerinnen ins Gespräch
gebracht worden sind: Meine Mutter ist auch Bäuerin und ich weiß, wie gescheit
die Bäuerinnen sind, ich würde das nicht von vornherein einmal als Gegensatz
sehen. Ich weiß, dass diese Bäuerinnen heute Englisch-Kurse besuchen, nicht
nur, damit sie dem Fernsehprogramm besser folgen können, sondern, dass sie
insgesamt von ihrem Leben mehr haben und auch Reisen machen können. Ich würde
dieses Sprachproblem nicht so in den Vordergrund stellen.
Ich möchte auch alles unterstützen -
ich komme schon zum Ende -, was es uns wirklich ermöglicht, sei es in den
Ausschüssen, sei es darüber hinausgehend, dass Anregungen, wie sie gekommen
sind von den Vertreterinnen von Organisationen, die heute hier waren und noch kommen
werden, in die Arbeit besser eingebunden werden können. Ich möchte auch bitten,
dass tatsächlich alles, was auch schriftlich vorgelegt worden ist, uns in den
Ausschüssen zukommt, sodass wir das in die Arbeit der Ausschüsse einfließen
lassen können. Danke schön.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer (übernimmt den Vorsitz): Als Nächste gelangt Dr. Glawischnig zu
Wort. Nach ihr Frau Kollegin Brauner. Jeweils fünf Minuten.
Dr. Eva Glawischnig: Herr Präsident! Geschätztes Präsidium!
Geschätzte Damen und Herren des Konventes! Geschätzte Vertreterinnen und
Vertreter der geladenen Organisationen! Ich möchte mich zu Beginn gleich
bedanken für diese sehr zielgerichteten und sehr qualitativ hoch stehenden
guten Beiträge zur Diskussion im Konvent und möchte auch an die Mitglieder in
den Ausschüssen appellieren, dass es so etwas wie eine Berücksichtigungspflicht
auch der gemachten Vorschläge gibt.
Ich möchte als Präsidiumsmitglied nicht, dass diese
Hearings in irgendeiner Weise zu Alibiveranstaltungen verkommen, sondern ich
möchte, dass sie sehr ernst genommen werden. Und ich persönlich werde mich auch
selbst im Präsidium in die Pflicht nehmen, dass die konkreten Vorschläge, die
auch gemacht werden, behandelt werden und auch sehr, sehr ernst genommen
werden.
Ich möchte aber auch noch ein Zweites sagen. Da war ganz zu
Beginn dieses Tages offensichtlich ein Konflikt und ich möchte als
Präsidiumsmitglied auch dazu Stellung nehmen. Das Wichtige an diesem Hearing
heute oder an diesen Hearings insgesamt ist, dass zivilgesellschaftliche
Organisationen zu Wort kommen sollen. Ich persönlich habe auch Skepsis und ich
habe das auch im Präsidium geäußert, das ausschließlich parteigebunden zu
sehen. Es gibt tatsächlich auch Meinungsunterschiede über Beschlüsse im
Präsidium, je nachdem, unter welcher Brille man sie auch sieht. Ich möchte das
hier auch offen sagen, ich bin hier sehr skeptisch, wenn man alle Bereiche des
gesellschaftlichen Lebens ausschließlich Parteiorganisationen und ihren Integrationen
überlässt.
Deswegen bin ich für einen absoluten Vortritt von
unabhängigen Organisationen bei diesen Hearings auch für die Zukunft. Das war
auch das Problem mit der Jugend und meiner Meinung nach war ihre
Selbstbestimmung, ihr Nominationsrecht, auch vom Präsidiumsbeschluss gedeckt,
aber es ist dann auf Grund technischer Schwierigkeiten leider so nicht zustande
gekommen.
Trotzdem, diese grundsätzliche Ausrichtung, dass der
Konvent, der ohnehin schon so wenige Vertreter der Zivilgesellschaft hier als Mitglieder
hat, dass wir hier vorrangig die Menschen zu Wort kommen lassen, die nicht
ohnehin schon gebunden in Parteiorganisationen, Vorfeldorganisationen sind, das
wäre mir persönlich ein wichtiges Anliegen und ich werde das auch in den
nächsten Präsidiumssitzungen sehr viel ernster nehmen.
Ein abschließender Punkt noch. Ich denke, all das, was hier
vorgebracht worden ist, war von sehr sehr hoher Relevanz auch
verfassungsrechtlich. Es waren sehr, sehr gute Beiträge dabei, die sehr
punktgenau auch Dinge betroffen haben, die im Grund nicht zu übergehen sind,
die wir auch nicht übergehen können als Konvent.
Als Beispiel möchte ich die Gleichbehandlungsverpflichtung
herausstreichen, das ist nicht nur ein Vorbringen, das berücksichtigt werden
kann oder auch nicht kann, sondern das berücksichtigt werden muss von diesem
Konvent. Hier sollten wir sehr behutsam mit den vorgebrachten Forderungen
umgehen. Danke schön.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Kollegin. Die nächste Rednerin ist Frau
Mag. Renate Brauner und nach ihr Herr Dr. Herbert Haller.
Bitte, Frau Kollegin.
Mag. Renate Brauner: Danke vielmals. Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich glaube, das war eine sehr sehr wichtige Diskussion und es waren sehr
wichtige Beiträge, die wir heute Vormittag gehört haben und auch ich teile die
Ansicht, dass es schade ist, dass nicht mehr Möglichkeiten zu Diskussionen
dieser Art bestehen, denn es sind unglaublich wichtige Fragen angesprochen
worden, vor allem von den Vertreterinnen der Frauenorganisationen. Ich kann
sehr viele, fast alle Punkte, die hier angesprochen worden sind, wirklich mit
vollem Herzen unterstützen.
Es wurde gesagt, Frauenrechte sind Menschenrechte.
Selbstverständlich. Ich möchte aber ergänzen: keine wirklich funktionierende
Demokratie ohne Geschlechterdemokratie und ohne Geschlechtergerechtgkeit.
Insofern unterstütze ich auch alle Forderungen nach Präzisierung des
Gleichheitsgrundsatzes, die angesprochen wurden in Richtung positive
Diskriminierung. Ich unterstütze alle Forderungen nach aktiver
Gleichstellungspolitik und ich bitte wirklich, sehr sehr ernsthaft über den
Vorschlag nachzudenken: Gender-Expertinnen, also Expertinnen dafür, wie sich
denn die Dinge auswirken, die wir hier erarbeiten, auf die unterschiedliche
Lebenssituation von Männern und Frauen, in die Ausschussarbeit einzubinden. Das
ist die leider so komplizierte Übersetzung des Begriffes Gender und Gender
Mainstreaming.
Sie können mir glauben, dass alle, die in diesem Bereich
tätig sind, verzweifelt darum ringen, eine deutsche und deutlichere Übersetzung
dafür zu finden. Das ist nur wahnsinnig schwer, weil der Begriff „Gender“ eben
einen ganz bestimmten Zugang auch zum Ausdruck bringt.
Noch einmal zurück. Ich unterstütze diesen Vorschlag Gender
Expertinnen in die Ausschussarbeit mit einzubeziehen und Zwischenberichte auch
unter diesem speziellen Blickwinkel immer wieder kritisch zu hinterfragen, weil
ich selbst aus vielen Bereichen weiß, wie wichtig es ist, sehr genau darauf zu
achten, wie wirken sich gewisse Maßnahmen, die vielleicht im ersten Blick
völlig geschlechterneutral ausschauen, wie wirken sie sich unterschiedlich auf
Männer und Frauen aus, wo unterstützen sie das Ziel der Chancengleichheit für
Frauen und wo wirken sie hinderlich.
Das muss sehr genau angeschaut werden, deswegen bitte ich,
diesen Vorschlag genau zu prüfen und denke, dass wir dieses Ziel, die
Verfassung wirklich modern zu diskutieren, nur dann erreichen können, wenn alle
Fragen der Geschlechtergerechtigkeit – und ganz viele Punkte wurden
angesprochen – auch entsprechend berücksichtigt sind.
Zu den Anliegen der Jugend. Im Besonderen die Wortmeldung
des Vertreters des Bundesjugendringes war – denke ich – der beste Beweis dafür,
dass seine Kritik an der mangelnden Repräsentanz der Jungen berechtigt ist. Es
ist schade, dass diese wichtigen und zukunftsweisenden Inhalte, die bei der
Konferenz der Jungen erarbeitet wurden, nicht verstärkt noch eingebracht werden
können. Ich freue mich schon auf die schriftliche Zusammenfassung, die wir
sicher alle bekommen werden.
Ich denke, dass es hier einen wirklich tollen Versuch der
Jungen gegeben hat, gemeinsam Themenschwerpunkte zu erarbeiten. Es ist schade,
dass sie es nicht auf die Art und Weise, wie sie es sich vorgenommen haben,
auch hier präsentieren konnten.
Und ich glaube, dass dieser Beitrag die Meinung der jungen
Menschen, die wir alle in tagtäglichen Diskussionen auch immer wieder kennen
lernen, sehr gut dargestellt hat, mehr jedenfalls, als die Wortmeldung, die
mich genauso wie eine meiner Vorrednerinnen sehr erschreckt hat, des Vertreters
der freiheitlichen Jugend. Denn glücklicherweise weiß ich aus vielen Gesprächen
und auch aus Untersuchungen, dass diese Position, die er vertreten hat, die
integrationsfeindlich und minderheitenfeindlich war, von der Mehrheit der
jungen Menschen nicht vertreten wird. Jung sein an Jahren heißt offensichtlich
nicht immer jung und fortschrittlich sein im Geiste.
Zurück zu den Inhalten, die der Vertreter des
Bundesjugendrings angesprochen hat. Ich denke, dass wir vor allem die
Anregungen, die die Fragen der Partizipation betroffen haben, sehr ernst nehmen
müssen, und ich glaube, dass es sehr wichtig ist, auch darüber zu diskutieren,
was er zur Wahlalterssenkung gesagt hat. Sie wissen, dass wir in Wien diesen
Beschluss gerade gefasst haben, genauso wie den Beschluss nach einem Wahlrecht
für Menschen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft, wenn sie fünf Jahre
im Land aufhältig sind, und ich glaube, dass es ein wichtiger Fortschritt der
Demokratie ist.
Abschließende Bemerkung. Es ist wohl kein Zufall, dass alle
Gruppen, die hier gesprochen haben, als zentralen Punkt „Soziale Grundrechte“
angesprochen haben, besonders natürlich die Vertreter der Senioren und
Seniorinnen. Gerade in Zeiten, wo Menschen auf Grund der Wirtschaftslage und
steigender Arbeitslosigkeit sehr verunsichert sind, müssen wir soziale
Grundrechte als zentralen Stellenwert in unserer Diskussion betrachten, müssen
sie diesen zentralen Stellenwert für uns alle haben und deswegen mein Appell an
uns alle – ich nehme mich da selbstverständlich nicht aus -, nehmen wir die
hier vertretenen Anliegen sehr ernst, und zwar nicht nur heute. Danke vielmals.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Herr Dr. Herbert Haller, nach ihm Kollege
Hösele. Gleiche Redezeit.
Dr. Herbert Haller: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Ich
danke allen, die zu uns gesprochen haben. Ich möchte allerdings doch einige
Anmerkungen machen, die nicht ohne Kritik sind. So weit seitens der
Vertreterinnen und Vertreter der Jugend Formalfragen ein wenig in den
Vordergrund gestellt worden sind, bedauere ich das, soweit es zu Lasten von
inhaltlichen Aussagen gegangen ist und ich freue mich auf das Papier des
Bundesjugendrings, wo uns Inhalte angekündigt wurden.
So weit von den Vertreterinnen der Frauenorganisationen
weibliche Sprachformen und Quoten in den Vordergrund gestellt wurden, glaube
ich, das Anliegen zu verstehen, möchte allerdings schon sagen, dass ich eine
Vielzahl von Absolventinnen meiner Universität, der Wirtschaftsuniversität,
kenne, die als Frau Diplomkaufmann oder Frau Magister sich durchaus als Frau
angesprochen fühlen, ohne eine Kränkung darin zu sehen.
Es gibt Menschen, die erkennen - und ich glaube, das ist
wichtig -, dass Frauen in unserer Gesellschaft immer noch benachteiligt werden
in einer Vielzahl von Bereichen. Ich glaube, man sollte die, die für die
Beseitigung dieser Diskriminierung eintreten, nicht damit, fast würde ich
sagen, belästigen, dass man sagt: „Und jetzt hast du Vertreter gesagt“. Das
scheint mir nicht so wichtig zu sein. Es geht um die inhaltliche Gleichstellung
von Mann und Frau, und ich glaube, die Bewusstseinsbildung, dass es Männer und
Frauen gibt, die ist schon deutlich abgeschlossen.
Als Drittes, wenn immer Quoten verlangt werden, es gibt
Frauen, sehr kluge, vielleicht klügere als mancher Mann, viel klüger, die
sagen: Ich werde nicht Politikerin, denn das ist ein mörderischer Beruf mit
Fortbildung, Sitzungen, Gesprächen, Feindseligkeiten unter Umständen. Ich widme
mich einer Familie und wer einer Familie als Zentrum dient, hat vielleicht für
unsere Gesellschaft oft mehr getan als jemand, der in der Politik Fehler
gemacht hat.
Auch diese sind bei der Quotenberechnung hinzuzurechnen. Sie
scheinen da nicht in Parlamenten auf. Sie scheinen woanders auf, wo sie genauso
viel - wahrscheinlich -oder mehr vielleicht noch arbeiten müssen, ohne bedankt
zu werden. Das zu diesem Punkt.
Ich danke ganz besonders den Vertretern der
Seniorenvereinigungen. Minister Blecha hat beeindruckendst Dinge angesprochen,
die uns allen am Herzen liegen und die uns auch bewegen sollen. Wenn man
jemanden, der alt ist, gleichsam in einem Bett entsorgt - und er hat Beispiele
genannt für diese Aspekte -, dann ist mir das wesentlich wichtiger und ich darf
hier trotzdem zynisch sein. Es hat ja auch unser Vorsitzender gerade die Frau
Stadträtin Frau Magistra Brauner als Frau Magister angesprochen, und ich glaube
nicht, dass Sie dem Vorsitzenden hier irgendetwas unterstellen sollen, dass er
etwas nicht ernst nimmt und nicht versteht.
In Fragen der Zusammensetzung des Konvents möchte ich schon
für mich persönlich sagen: Ich freue mich, dass ich mit Fachfrauen und
Fachmännern, also Fachleuten, gemeinsam arbeiten kann und ich glaube, dass alle
hören, verstehen, abwägen können auf Grund ihrer Lebenserfahrung, auf Grund
ihrer Berufserfahren, auf Grund ihrer politischen Erfahrung. Auch hier bin ich
in der Quotenfrage mit etlichen Äußerungen nicht einverstanden. Ich glaube, es
geht darum, hören, verstehen, abwägen zu können und ich würde es ungern in
meinem Ausschuss neun mit Personen zu tun haben, denen ich erst Dinge
verständlich machen muss. Es sind wirklich schwierige Fragen – das wissen Sie
alle.
Wir haben in der ersten Sitzung die „Kelsen-Verfassung“
gelobt. Kelsen meint, in der Verfassung mögen Rechtserzeugungsregeln stehen,
das ist das Wichtigste, und natürlich grundlegende Werte. Verlangen wir nicht,
dass alles Mögliche in der Verfassung steht. Ich würde das als Misstrauen gegenüber
dem demokratischen Gesetzgeber verstehen. Danke schön.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Bevor ich den nächsten Redner Kollegen Hösele aufrufe,
noch folgenden Hinweis: Geplant war das Ganze so, dass wir um 9 beginnen und
bis 13 Uhr etwa arbeiten mit den Institutionen, die jetzt zu Wort gekommen sind
und den dazu vorgesehenen Diskussionsbeiträgen, dann um 14 Uhr fortsetzen und
die Nachmittagsrunde wäre, wenn sie voll ausgeschöpft würde, auch eine von etwa
an die 4 Stunden, 14 bis 18 Uhr. Jetzt sind wir aus verschiedenen Gründen
schneller als angedacht. Es ist das Rednerkontingent nicht voll ausgeschöpft
worden und manche Organisationen haben von ihrem Rederecht nicht Gebrauch
gemacht.
Ich habe jetzt noch 6 Redner und Rednerinnen, Rednerinnen
und Redner, und daher werden wir vor 12 fertig sein. Wir können aber den Beginn
der Nachmittagssitzung aus technischen Gründen nicht vor 14 Uhr ansetzen. Das
heißt, wir haben eine längere Mittagspause, wobei es aber möglich wäre, wenn
Vertreter der Religionsgemeinschaften, die jetzt schon da sind, gleich im
Anschluss an dieses Kapitel zu Wort kommen wollen, dann schöpfen wir die
Vormittagszeit besser aus, und es ist der Gesamtschluss der Beratungen etwas
früher.
Ich lade ein, wenn Sie davon Gebrauch machen wollen, die
Anwesenden und allenfalls noch kommenden Vertreter der Religionsgemeinschaften,
jetzt dann im Anschluss an diesen Themenblock zu sprechen. Bitte dann nur
Wortmeldungen hier abzugeben, dass wir die Wortmeldungen, ja, stimmt,
abzugeben, dass wir die Redeordnung machen können.
Und nachdem ich dies gesagt habe und nachdem ich keinen
Widerspruch gegen diese Vorgehensweise erkenne, darf ich jetzt den Präsident
Hösele aufrufen und nach ihm Präsident Dr. Khol.
Herwig Hösele: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Die Frau Abgeordnete Glawischnig hat darauf hingewiesen, dass dieses
heutige Hearing keine Alibiveranstaltung sein darf. Ich glaube, es ist sehr
wichtig auch von unserem Selbstverständnis her, dies zu unterstreichen, sondern
ein Zeichen und auch ein wichtiges Signal für einen beginnenden und hoffentlich
dauernden Dialog mit den Vertretern der Zivilgesellschaft - gesamt begleitend
den Konvent. Denn dieser Konvent ist ja nicht eine abgehobene Veranstaltung von
Staatsrechtslehrern und Politikern und ein „l’art pour l’art-Spiel“, sondern
sollte ja am Schluss einen ganz konkreten Nutzen für Bürgerin und Bürger dieser
Republik haben. Und ich glaube, dass heute, wenn auch mit einigen
Kommunikationsschwierigkeiten, die aber immer bei Dialogbeginn auch eintreten
können, ein guter Anfang gesetzt wurde, den wir fortsetzen wollen und werden.
Es sind auch viele wichtige Anregungen gekommen. Das erste
große Thema für mich sind die Wortmeldungen der Vertreterinnen der
Frauenorganisationen. Viel Anlass zu Kritik und Selbstkritik. Der Vorsitzende
des Konvents hat allerdings einige erklärende Bemerkungen gemacht, die ich
daher nicht mehr wiederholen möchte. Ganz sicherlich ist ganz große
Sensibilität von allen Konventsmitgliedern in diesem Zusammenhang gefordert.
Wenn ich der Anregung des Kollegen Bundesrates Dr. Tremmel Folge leiste,
spreche ich jetzt Deutsch: Es geht wirklich um eine
Geschlechter-Verträglichkeitsprüfung der neuen Bundesverfassung. Die
Bundesverfassung ist weiblich, die Republik Österreich ist weiblich, und wir
werden hier wohl eine geschlechterverträgliche Bundesverfassungsformulierung
zustande bringen. Ich darf ich dem Zusammenhang – ja, wir haben einen
Fortschritt, und da wollte ich gerade darauf hinkommen mit einer kleinen
Petitesse, in der Verfassung 1920, die wir gerade vor wenigen Wochen hier in
diesem Haus und im Bundesrat geändert haben – und ich glaube, es wird mit 1.
Jänner kundgemacht –, ist noch immer beim Bundesrat von Ersatzmännern die Rede
gewesen. Wir haben es jetzt wenigstens zustande gebracht, 83 Jahre später, den
Ersatzmann zum Ersatzmitglied zu machen. Es möge uns gelingen, im Jahr 2005
doch eine geschlechterverträgliche Verfassung insgesamt zu haben. Jetzt darf
ich schon – weil Sie mir so einen Zwischenruf gemacht haben – man tut sich ja
natürlich dann auch selbst – wir haben in unserer Geschäftsordnung des
Bundesrates den Begriff der Bundesrätin und des Bundesrates eingeführt. Ich
bekomme allerdings die Zeitschrift „Der Soldat“ noch immer zugesandt als Frau
Bundesrat Hedwig Hösele.
Aber ich darf nun zu Themen kommen, die insbesondere der
Vorsitzende der Bundesjugendvertretung angesprochen hat, und ich habe sowohl
ihm, als auch der Kollegin Fuhrmann und dem Herrn Gudenus gut zugehört. Der
Vorsitzende hat formuliert, dass eine Wahlaltersenkung allein - und ich möchte
mich in diese Diskussion nicht einmengen, ich möchte nur sagen, in der
Steiermark haben wir’s bei Gemeinderatswahlen mit gutem Erfolg gehabt bereits,
bei den Grazer Gemeinderatswahlen, mit 16, also diese Frage müsste gesondert
behandelt werden - , dass aber eine Wahlaltersenkung allein nicht helfen wird.
Er hat taugliche Partizipationsformen gefordert. Und da ist wirklich sehr, sehr
viel, sehr, sehr viel Gehirnschmalz und auch sehr viel wirkliche Anstrengung
notwendig, etwas zu tun, neue Zugänge zu schaffen, Kreativität, Offenheit und
Unkonventionalität.
Ein Punkt in dem Zusammenhang, da treffen sich
möglicherweise die Generationen: Kollege Tremmel hat die Briefwahl angesprochen. Ich glaube, wenn wir die Briefwahl
ermöglichen, sollten wir auch das E-Voting ermöglichen, für die
Internet-Generation, zumindest eine technische Möglichkeit,
verfassungsrechtlich auch diese neuen Formen zu ermöglichen. Wie überhaupt ich
jetzt am Schluss sagen darf: Die demographische Macht der drei
Seniorenvertreter ist natürlich eine große demokratische Macht, da müssen wir
aber die Ausgewogenheit der Generationen insgesamt sehen. Abschließend: Ich
glaube, es ist ein guter Anfang gesetzt für einen permanenten, hoffentlich
ehrlichen Dialog, an dessen Schluss – und das ist ja auch erfreulich, diese
Position haben Präsident Khol und ich voriges Jahr im Jänner erstmals
formuliert und ist mittlerweile von Präsident Fischer und Dr. Kostelka auch
öffentlich wiedergegeben worden – ein schöner Schlussstrich oder Schlussstein
eines solchen breiten Dialogprozesses sollte eine Volksabstimmung sein.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Kollege Dr. Khol, dann Kollege Dr. Lengheimer.
Dr. Andreas Khol: Herr Präsident, meine Damen und Herren. Eine lange Reise beginnt mit einem
ersten Schritt. Das war heute das erste bürgergesellschaftliche
Anhörungsverfahren. Herr Kollege Tremmel, ich glaube, dass wir uns alle
befleißigen sollten, möglichst wenig Fremdwörter zu verwenden. Weil Ihre
Bäuerin versteht „Anglizismus“ ebenso wenig wie „Event“. Und nur ein Drittel
der Bevölkerung, Frau Petrovic, versteht das Wort „Inflation“ - also muss man
„Teuerung“ sagen. Es war also ein spannender Beginn einer Diskussion, wobei ich
glaube, dass wir gut daran tun, eben ganz breit die bürgergesellschaftlichen
Organisationen zu hören. Heute haben wir ein erstes Spektrum. Am 15. Dezember
wird weiter angehört. Und es ist für uns wichtig, anzuhören. Ich denke, am 9.
Jänner - oder etwas später - wird ein dritter Durchgang sein. Ich lade alle
diese Organisationen, die wir heute gehört haben, dazu ein, dass sie uns ihre
Vorstellungen auch schriftlich darlegen. Es gilt hier beim Konvent nicht, dass
ein Schrifterl ein Gifterl ist, sondern eine Schrift ist hier wesentlich
wichtig, weil sie in die Ausschussarbeit einfließen kann. Ich denke – nachdem
wir die ersten Textentwürfe vorliegen haben, im Jänner/Februar, und ich freue
mich, dass beispielsweise der Ausschuss Nr. 4 (Grundrechte) bereits ganz
konkrete Formulierungen bearbeitet –, dass wir dann zu diesen Formulierungen
eine weitere Reihe von Anhörungen durchführen sollten. Das heißt, die 80, 90
Organisationen, die wir in den ersten drei Tagen hören, sollten wir in einer
weiteren Serie auch anhören, damit von vielen Seiten Standpunkte beleuchtet
werden. Dieser Pluralismus, also diese Vielseitigkeit, dass alle Standpunkte zu
Wort kommen, ist mir sehr wichtig. Und deswegen bedaure ich, dass die
Jugendvertretung, statt hier in zehn verschiedenen Stellungnahmen das breite
Spektrum darzubieten - von der
Freiheitlichen Jugend, die genauso ein Recht hat, hier zu sprechen wie die
katholische Jungschar oder die evangelische Jugend und die sozialistische
Jugend, die Gewerkschaftsjugend - , die Einladung nicht vollständig angenommen
hat. Ich möchte nicht einen mit Mehrheit beschlossenen Jugendstandpunkt.
Deswegen haben wir zehn Organisationen eingeladen - es muss der Grundsatz gelten, dass tausend Blumen blühen und
wir hören uns alles an. Und was wir dann verwerten, das unterliegt der freien
Beweiswürdigung jedes Konventmitgliedes. Ich bin auch nicht bereit, alles zu
akzeptieren. Daher bedaure ich es. Aber ich fordere die Jugendlichen auf diese
Weise auf, dass sie ihre individuellen Standpunkte auch darlegen. Ich fand ja
die Präsentation des Vorsitzenden außerordentlich gut. Ich meine, das muss man
einmal zusammen bringen, in diesem Alter, vor dem Konvent, frei diese Dinge
vorzutragen. Das ist eine gute Sache.
Die Vorschläge werden wir sicherlich
sorgsam prüfen. Aber es gilt die freie Beweiswürdigung. Also ich kann mich
denen, die gesagt haben: Alles, was da gesagt wurde, ist super, super, super,
und das muss man daher berücksichtigen, nicht anschließen.
Vor allem muss man sehr sorgfältig
einmal klären: Was ist ein politisches Ziel und hat daher in der Verfassung
nichts verloren? Was ist ein Staatsziel? Das gehört in eine Präambel. Was ist
ein Grundrecht, das einklagbar ist? Das gehört in den Grundrechtskatalog. Und,
wenn wir uns alle dazu bekennen, in vielen, vielen Wortmeldungen: Wir wollen
eine geschlossene Verfassung, wir wollen einen Text, und der soll schlank sein,
und der soll verständlich sein. Ich bin der Meinung, er soll auch absolut so
formuliert sein, dass die Gleichstellung von Mann und Frau zum Ausdruck kommt.
Wenn wir das alle wollen, dann dürfen wir nicht so vorgehen, dass wir das zwar
im Grundsatz annehmen, aber jeder seine Leib- und Magen-Themen in die
Verfassung hineinpacken will. Das wird nicht gehen. Also „Im Prinzip gut, aber
bei mir nicht“ ist nicht der richtige Vorgang.
Ich möchte noch ein paar Worte zum
Wahlrecht sagen. Ich glaube, Briefwahl dürfte inzwischen außer Streit sein, das
ist die gute Botschaft. Ich persönlich schließe mich dem an, was die Plattform
für ein Kinderwahlrecht dieser Tage ausgesandt hat und in den Konvent
eingebracht hat. Weil ich denke, dass beispielsweise in der Bundesrepublik
Deutschland Persönlichkeiten wie der Sozialdemokratische Bundestagspräsident
Thierse das ebenso unterschrieben hat wie freie Demokraten, Christdemokraten,
so ist das auch bei uns ein Weg.
Und ich weiß, Herr Präsident, ich
werde abgeläutet, normalerweise läute ich ab, aber hier ist es so, dass man das
Opfer der eigenen Regeln wird.
Stellvertretender Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Dr. Lengheimer und dann Frau Kollegin Dr. Petrovic. Bitte, gleiche
Redezeit.
DDr. Karl Lengheimer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Ich kann mit meinem vorgesehenen Beitrag nahtlos bei meinem Vorredner
anschließen. Wir haben heute einige Vertreterinnen und Vertreter gehört, die
sich auch mit Fragen des Wahlrechtes, mit der Herabsetzung des Wahlalters
beschäftigt haben und einige dieser Vertreterinnen und Vertreter hier, aber auch
außerhalb dieses Raumes, stellen dabei immer - so sehr sie die Herabsetzung des
Wahlalters verlangen - ein Kinderstimmrecht, das Wahlalter von Beginn des
Lebens, als Unsinn dar. Ich meine, dass diese Damen und Herren, die so
argumentieren, jedoch einen sachlichen Argumentationsnotstand haben. Warum? Man
kann ein allgemeines Wahlrecht an
die zivilrechtliche Volljährigkeit anknüpfen oder man kann eine andere Grenze
nehmen. Da muss man sich das Zivilrecht anschauen und stellt fest, dass die nächste wesentliche
Grenze das 14. Lebensjahr ist. Mit dem 14. Lebensjahr wird man eigenberechtigt.
In gewisser Hinsicht kann man selbst Entscheidungen treffen, kann selbst sich vor Gericht vertreten,
man kann testieren und vieles andere mehr, wie auch gegen den Willen der Eltern
über das eigene Besuchsrecht bestimmen. Mit 16 ist mir nur eine Grenze bekannt,
nämlich die Herabsetzungsmöglichkeit der Ehegeschäftsfähigkeit und die halte
ich nicht für eine taugliche Anknüpfung für das Wahlrecht.
Was ich damit sagen will: Eine Wahlaltergrenze mit 16 und
darunter nichts mehr, scheint mir doch mehr von der öffentlichen Zumutbarkeit
bestimmt als von sachlichen Erwägungen. Es sei denn, man geht davon aus,
wo das politische Interesse und
auch die politische Bildung vorhanden ist, um ein Wahlrecht auszuüben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! ich warne aus
demokratiepolitischen Gründen davor, das allgemeine Wahlrecht nach Interessen
oder politischem Verständnis zu beurteilen, denn das könnte schlimm und sehr
gefährlich ausgehen. Ich meine daher, dass wir uns mit dem Wahlrecht von Geburt
an sehr ernsthaft auseinandersetzen sollten. Ich möchte nicht nur auf die
Plattform Kinderwahlrecht und auch Anträge in Deutschland, sondern insbesondere
darauf verweisen, dass auch in der
Wissenschaft - und ich kann einige Beiträge aus der Politologie von Graz und
von Innsbruck zitieren -, jene,
die für eine Herabsetzung des Wahlalters sind, für die gänzliche Herabsetzung
eintreten und nicht auf das 16. Lebensjahr. Man kann auf die UNO Kinderrechtskonvention
verweisen, in der das Kind als Rechtssubjekt mit freier Meinungsäußerung genannt wird.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit sagen: Was man in der
Kommunalpolitik betreibt, Kinderjausen zur Gestaltung von Spielplätzen und
Ähnliches mehr, ist eine sinnvolle und sehr begrüßenswerte Heranführung junger
Menschen an die Partizipation, nur bitte ein demokratisches Wahlrecht ist das
nicht und kann es auch nicht sein. Warum daher nicht das Kinderstimmrecht
überlegen? Die Frau Abgeordnete Weinzinger hat heute in ihrem Beitrag darauf
verwiesen, wie absurd früher die Wahlrechtsausdehnung auf die Frauen, noch
früher überhaupt auf alle Menschen bezeichnet wurden. Also, das ist wohl kein
Argument und auch alle anderen Argumente, die dagegen sprechen, dass Kinder von
Geburt an wahlberechtigt sind, scheinen mir nicht durchschlagend. Dass die
Eltern bei einer solchen Wahl nicht die Interessen der Kinder vertreten,
sondern die eigenen? Man mutet den Eltern auch zu, dass sie das Vermögen der
Kinder verwalten und sagt bis zum Beweis des etwaigen Gegenteils nicht, dass
sie in die eigene Tasche arbeiten. Warum dieses übertriebene Misstrauen?
Auch dass das Kinderwahlrecht administrativ nicht möglich
wäre überzeugt nicht. Das ist auch bitte kein Emanzipationsproblem. Man kann
davon ausgehen, dass die Eltern zum großen Teil dabei übereinstimmend vorgehen
und wo das nicht der Fall ist, wird man Regeln finden müssen. Ob man
abwechselnd wählen lässt, ob man die Person, die das Kind erzieht, bei der das
Kind lebt, bevorzugt oder die Familienbeihilfe als Anknüpfungspunkt nimmt.
Ich meine schlussendlich, dass diese Möglichkeit mit dem
Wahlrecht ab 16 zusammen hängt. Denn kein 14-, 16-jähriger würde gegen seinen
Willen den Eltern das Stimmrecht geben. Es käme auch zu einer Diskussion, zu
einem lebhaften politischen Prozess zwischen Eltern und Kindern und ich meine
daher, dass wir im Sinne des
Geistes dieses Konvents nicht sagen sollten: „Das eine ja und das andere ist
ein Unsinn!,“ sondern dass wir gleichermaßen über beide Probleme, über eine
Wahlalterherabsetzung und ein Kinderstimmrecht, ernsthaft diskutieren sollten.
Danke.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Frau Dr. Petrovic bitte. Dann als nächste Kollegin
Stoisits.
MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und
Herren des Präsidiums! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte drei
Punkte streifen, ein paar inhaltliche, dann etwas zum Prozess dieses Konvents
und drittens eine inhaltliche Klarstellung, die mir sehr wichtig ist. Zum
ersten Punkt, zu einigen Forderungen insbesondere dem Forderungskatalog der
Jugend. Ich habe es oftmals gesagt auch in Diskussionen mit Vertretungen der
jungen Leute in Österreich. Ich gehe voll inhaltlich mit diesem Katalog konform
in allen Punkten und es gibt praktisch in allen Punkten grüne Anträge, was die
soziale Sicherheit als öffentliche Aufgabe betrifft, was die Sonntagsruhe
betrifft, was das Wahlalter betrifft und ich halte natürlich auch Umweltpolitik
für die Forderung, die der Jugend zu Gute kommt schlechthin.
Insofern ist es mir ein Leichtes zu sagen, ich unterstütze
das. Ich möchte hier dann in Zusammenhang mit der Prozesssteuerung des Konvents
sagen, ich frage mich nur immer wieder, wie gehen wir um mit solchen Forderungskatalogen.
Ich kenne derartige Forderungen seit vielen Jahren, seit vielen Jahren, ich
habe früher, jetzt meine Kolleginnen und Kollegen im Parlament, dazu Anträge
gestellt, immer mit demselben Ergebnis: Mit Mehrheit abgelehnt. Dann kommen die
jeweiligen Vertreterinnen, Vertreter des Parlaments, die für die Jugend
sprechen. Bei Podiumsdiskussionen, selbstverständlich, natürlich. Bald,
demnächst, da brauchen wir nur noch irgendeine Kommission, ein Beirat, ein
Gremium, um das zu prüfen und manche dieser Forderungen prüfen wir jetzt seit
20 Jahren und länger.
Meine Damen und Herren von den Jugendorganisationen! Ich
bitte, klären Sie das mit Ihren Stamm- oder Mutter- oder wie man sonst sagen
soll -parteien, damit wir nicht dauernd diesen Sisyphus-Kreislauf haben und ich
möchte hier auch im Konvent anregen, dass wir uns jetzt in Zukunft einer
Prozesssteuerung bedienen, dass wir klar machen, es gibt die und jene
Forderungen und dass über diese Forderungen abzusprechen ist, notfalls halt.
Wir haben hier ein Prozedere im Konvent, aber wir werden notfalls halt schauen
müssen, welches davon letztlich nach diesem Konsensprinzip realisierbar ist.
Meine Zustimmung hinsichtlich den Forderungen der Jugend - und das betrifft
alle grünen Vertreterinnen - ist sicher.
Ebenso mit den Forderungen der Frauenorganisationen. Ich
habe es immer auf einen Nenner gebracht, wir wollen die Gleichheit durch das
Gesetz und nicht eine nebulose Gleichheit vor dem Gesetz. Das betrifft
umfassend natürlich alle Bereiche des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen,
politischen Lebens und wir halten es für eine Aufgabe der Gesetzgebung auf
allen Ebenen und auch der Vollziehung diese Gleichheit herzustellen in der
Praxis.
Selbstverständlich ist auch die sprachliche
Gleichbehandlung ein Recht und nicht irgendein Schnörksel, irgendeine
ausgerissene Idee von irgendwelchen Feministinnen. Präsidentin Fiedler und
Professorin Haller werden merken, wie komisch das ist, wenn man dauernd so
angeredet wird wie es nicht der ontologischen Realität entspricht. Wir haben
ein Recht darauf und bitte das im dritten Jahrtausend endlich einmal zu
kapieren und auch bei der Überarbeitung der Verfassung zu respektieren.
Meine Damen und Herren! Ich wollte noch ein Wort sagen zum
Familien- oder Kinderwahlrecht. Einerseits halte ich es für entbehrlich, dass
wir eine Altersgrenze suchen, um uns an die anzuhängen. Ich halte 16 im Prinzip
für recht vernünftig. Bei mir, Herr Dr. Lengheimer, würden Sie offene
Türen einrennen, wenn wir uns auf 14 einigen können. Ich ermögliche Ihnen gern
eine Diskussion mit meinen Töchtern und Sie werden sehen, dass das absolut
vernünftig wäre, auch Menschen dieses Alters ein Wahlrecht zu geben. Aber ich
glaube, das Wahlrecht ist ein höchstpersönliches Recht, so etwa wie das Recht
Ehen zu schließen und daher glaube ich nicht, dass das eine andere Person
ausüben kann und insbesondere stelle ich mir die Frage, wie die Männer
überhaupt in diese Diskussion kommen, wenn Frauen eben praktisch den
Löwenanteil der Betreuungsarbeit leisten.
Ein allerletztes. Das war die Wortmeldung des Vertreters
des Rings der freiheitlichen Jugend. Ich möchte nicht – ich wollte eigentlich
zuerst nichts dazu sagen, aber ich möchte nicht, dass das hier in diesem Haus,
das mir sehr viel bedeutet, wenn Sie wollen: das ich liebe –, dass das so
stehen bleibt. Dieses Land war und ist immer ein Einwanderungsland, dazu stehen
Menschen, die zum Beispiel Petrovic heißen und die zweisprachige Kinder haben
und die leidenschaftliche Österreicherinnen sind und die sich nicht gefallen
lassen – gerade zehn Jahre nach dem Briefbomben-Terror nicht gefallen
lassen –, dass solche Worte in diesem Haus unwidersprochen gesagt werden
dürfen.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Kollegin Stoisits ist die nächste Rednerin und dann
Dr. Voith.
Mag. Terezija Stoisits: Poštovane dame i gospodo! Gospod prezednik! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Der österreichische Nationalrat stand zumindest bis
jetzt dafür, dass er von Vielfalt und nicht von Einfalt geprägt wird. Und die
meiner Ansicht nach legitime, weil auch demokratisch legitimierte Wortmeldung
eines Vertreters der Freiheitlichen Jugend hier hat für sich gesprochen.
Ich möchte mich dem, was Frau
Dr. Petrovic gesagt hat, anschließen: Vor allem, wenn man als ein –
ich weiß nicht – Fleisch gewordenes Beispiel der österreichischen Vielfalt
auch Mitglied des Nationalrates ist, dann sollte das diesem jungen Mann ins
Stammbuch geschrieben werden.
Ich möchte, weil jetzt meine beiden
Kolleginnen Glawischnig und Petrovic jetzt den Standpunkt der Grünen in Bezug
auf die gemachten Vorschläge ja schon relativ detailreich erörtert haben, das
jetzt nur noch einmal sozusagen deklaratorisch wiederholen:
Soziale Grundrechte – darauf
wurde mehrfach verwiesen –: Das ist für uns Mitglieder des Konvents von
Seiten der Grünen ein Arbeitsauftrag in den Ausschüssen, ganz besonders im
Ausschuss 4, Grundrechte. Und ich kann Ihnen berichten – und
vielleicht wird das der Vorsitzende auch im Laufe des Tages heute noch
tun –, dass sich der Ausschuss, ohne jetzt die Zivilgesellschaft gehört zu
haben, schon selbst zur Aufgabe gemacht hat.
Die Frage der Anlehnung an die
Europäische Grundrechtscharta sozusagen füge ich hier nur an.
Die Frage der Kinderrechte, weil
eben gestern Internationaler Tag der Kinderrechte war, ist ja von Christoph Riedl hier erwähnt
worden.
Die Frage der Anti-Diskriminierung und
des Festhaltens jetzt der europäischen Prinzipien und der Richtlinien, die es
dazu gegeben hat auch in der österreichischen Bundesverfassung und eine Ausweitung
oder Präzisierung wird den Grundrechtsausschuss auch beschäftigen – und da
danke ich auch sehr für diesen dezidierten Hinweis.
Und damit komme ich sozusagen zu
meiner Einschätzung der Präsentation der Jugend Österreichs. Angeblich ist das
ja eine Anhörung der Zivilgesellschaft. Ich meine, jetzt sage ich Ihnen als
Parlamentarierin und als Mitglied des Konvents: Wenn das, was wir heute jetzt
an physischen Stellungnahmen gehört haben, die österreichische
Zivilgesellschaft ist, dann kann ich nur sagen, das ist vielleicht unser
Verständnis, unser Konvents-Verständnis – jetzt schließe ich mich mit ein,
weil ich sitze in diesem Boot – von Zivilgesellschaft, aber das ist nicht
die österreichische Zivilgesellschaft! Die ist viel bunter, die ist viel
breiter, die ist viel vielfältiger als das, was wir heute Vormittag ansatzweise
gehört haben. Denn die Bürgerinnen und Bürger haben sich längst davon
verabschiedet, dass Meinung zu äußern und Standpunkt zu ergreifen immer nur in
Form von Parteianhänglichkeit möglich ist.
Ich weiß nicht, wer diesen alten
Gedanken noch anhängt – ich tue es jedenfalls nicht, und ich weiß auch,
dass das Frau Dr. Glawischnig nicht tut, sie hat es auch hier gesagt. Und
darum sollte sich dieser Konvent, der sich ja den Zukunftsfragen widmet, ja
bitte auch einmal von diesem alten Denken verabschieden und in die Zukunft
blicken. Das ist sozusagen mein Wunsch jetzt an den Konvent und nicht so sehr
an die Zivilgesellschaft – die weiß ja um ihre Forderungen. Die ist
vielleicht nicht, – weil das mehrfach gesagt wurde –,
verfassungsrechtlich gebildet ; es sind eben nicht nur Professoren des
Verfassungsrechtes Aktivisten in zivilgesellschaftlichen Organisationen, da
gibt es eben auch Bäuerinnen und Jugendliche und Sekretärinnen, ja, und Berufe,
die nicht dieses Wissen haben, aber die Anhörung der Zivilgesellschaft sollte
das alles mit beinhalten – das wollte ich jetzt zum Ende dieser
vormittäglichen Diskussion noch sagen.
Und ich habe inzwischen vom
legitimierten Vertreter einer gesetzlichen Einrichtung wie der österreichischen
Bundesjugendvertretung diesen Forderungskatalog auch erhalten, und ich kann
sagen: Das ist ein Arbeitsauftrag, ein gewaltiger Arbeitsauftrag für den
Konvent! Und ich kann nur sagen: Ich werde meinen Beitrag – und jetzt
spreche ich für die Grünen: Wir werden unseren Beitrag – leisten.
Aber, Herr Prof. Khol –
jetzt ist er nicht da –, wenn Sie hier Ihren Standpunkt formulieren und
sagen: Staatsziele in die Präambel!, dann sage ich: Wo? Das ist Ihre Meinung,
ich vertrete eine andere. Das ist genau die Aufgabe des Konvents, hier zu einem
Konsens zu kommen: So wie Sie das Recht haben, Ihre Meinung hier so dezidiert
zu sagen – Staatsziele in die Präambel und Grundrechte in einen
Grundrechtskatalog –, da sage ich: Ja, das könnte ein Ergebnis sein, aber
wir sind in diesem Prozess jetzt drinnen! Und so wie ich unsere Arbeit in dem
Ausschuss, in dem ich tätig bin, einschätze, glaube ich nicht, dass Sie
da ganz glücklich sein werden mit Ihrer Vorstellung von den Ergebnissen. –
Danke.
Stellvertretender Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner: Herr Dr. Voith, nach ihm Kollege Bernd
Vögerle. – Gleiche Redezeit.
Dr. Günter Voith: Meine Herren Präsidenten, darf ich hier sagen! Meine Damen und Herren!
Zunächst einmal: Ich habe hier zwar die Ehre, Mitglied des Konvents zu sein,
aber ich sehe hier nicht, dass ich deshalb ausgeschlossen bin aus der
Zivilgesellschaft . Zivilgesellschaft sind wir alle, das nur nebenbei.
Ich glaube, dieser Hearing-Tag und
sicherlich auch der 15. Dezember führt uns doch drastisch vor Augen ein
Problem, um nicht zu sagen, das Problem des Konvents, nämlich: Wir gehen an
einer, na ja, Gratwanderung neben einem Abgrund entlang, und diesen Abgrund
nenne ich Politik.
Wir haben über die Verfassung zu reden
und wir haben den Auftrag, die Verfassung natürlich mit einer bestimmten
Zielsetzung zu modernisieren und so weiter. Ich weiß schon, dass es nicht ganz
von der Politik zu trennen ist – selbstverständlich! –, Grundrechte,
von mir aus auch Zielvorstellungen, aber wenn wir uns zu tief an diesen Abgrund
oder in diesen Abgrund hineinbegeben, dann bin ich sicher, dass die
Verfassungsreform entweder ein Fiasko oder zumindest ein Torso wird.
Bitte die Verfassung nicht als
Instrument der Politik zu missbrauchen – dann kommen wir sicher nicht
weiter. Und es ist nicht sehr zielführend, wenn wir sehr viele Wünsche, die
rein politische Wünsche sind, die seit zehn und 20 Jahren, wie zu Recht
bedauert wird, nicht durchsetzbar waren, dass die ausgerechnet ein Verfassungskonvent
lösen kann. Das ist auch nicht die Aufgabe der Verfassung – im Gegenteil!
Die Verfassung hat die Grundlage, den Rahmen zu geben dafür, dass der Staat
funktioniert und gut funktioniert.
Und jetzt noch etwas: Es muss uns doch
bewusst sein, dass alle diese wunderbaren Dinge, die wir in die Verfassung
schreiben wollen – sofern sie nicht so unterschiedlich sind, dass wir gar
nichts davon hineinschreiben können –, dass die alle doch Papier sind,
wenn nicht die Regierung – welcher Art immer, welcher Zusammensetzung
immer – und natürlich der Gesetzgeber imstande ist, das auch zu
verwirklichen. Was heißt das? Das heißt, er muss eine gewisse
Handlungsfähigkeit haben.
Wir haben heute 450 € pro Monat
pro Erwerbstätigem im Schnitt zu bezahlen für die Zinsen der Staatsschuld! Es
hat ja in Wirklichkeit die Politik aus den materiellen Grundlagen heraus kaum
Handlungsfähigkeit – dafür muss auch eine Verfassungsreform die Grundlage
bilden. Und wir haben ja nur die Möglichkeit, tatsächlich Politik zu machen in
Zukunft – welche Regierung immer –, wenn sie einen gewissen Freiraum
hat, und wir können das nicht – mit der Verfassung schon gar nicht! –
vorwegnehmen, geschweige denn, dass wir vorwegnehmen können, welche
Zusammensetzung der nächste Nationalrat hat und wie sich die nächste Regierung
bildet.
Wenn wir nicht nur
Verteilungsproblematik wollen, die dann immer daran scheitert, dass nichts
herauskommt , dass keine Einigkeit herauskommt und keine Zufriedenheit,
dann gibt es einen Ausweg, für den wir auch Grundlage schaffen könnten –
ein bisschen Grundlage schaffen können –, das ist ein Wachstum des Ganzen.
Nur wenn
wir ein Wirtschaftswachstum zusammenbringen, ersparen wir uns die tatsächlichen
ununterbrochenen Krämpfe, dass eigentlich keine Rechte neu zu verteilen sind,
wenn es darum geht, zu konkretisieren. Und deshalb meine ich: Bitte,
überfordern Sie nicht ausgerechnet den Verfassungskonvent, der ja deshalb,
damit der Staat, damit die Politik mehr Spielraum hat, einberufen wurde zu
sagen: Wir brauchen einen schlankeren Staat und wir brauchen die Möglichkeit,
dass das die Politik wieder mehr schafft. Die Verfassung wird ja kritisiert,
unser jetziger Zustand, weil sie zu viel vorgegeben hat, zu viel fixiert, zu
wenig Spielraum gelassen hat, dass tatsächlich der Einfachgesetzgeber und die
Regierung handeln können. Danke.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner, wie gesagt, Kollege Bernd Vögerle. Und
dann hat einer von den anwesenden Vertretern der Religionsgemeinschaften von
der Einladung Gebrauch gemacht, jetzt noch vor der Mittagspause dran zu kommen,
das ist Dr. Walter Hessler von der
Neuapostolischen Kirche. Dann werden wir die Beratungen unterbrechen. Von den Vertretern
der Religionsgemeinschaften, die für 14 Uhr eingeladen wurden, haben wir nicht
so viele erreichen können, dass wir zweckmäßig handeln, wenn wir den
Sitzungsbeginn Nachmittag vorverlegen würden. Es muss also – und wird – beim
Sitzungsbeginn 14 Uhr bleiben. Der erste Redner am Nachmittag wird dann
Kardinal Dr. Schönborn sein. – Bitte, Kollege Vögerle.
Bernd Vögerle: Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen
und Herren des Konvents, vor allem aber Herr Christoph Riedl als Vertreter der
Bundesjugendvertretung! Ich habe mich als einer, der dazu steht, dass man nur
dort, wo man ist, etwas bewegen kann, gefragt, warum die Bundesjugendvertretung
oder die Jugendlichen diesen Weg gewählt haben, den sie heute gewählt haben,
nämlich im Wesentlichen vor dem Haus ihre Meinung zu sagen und nur zum Teil
hier im Haus.
Und ich habe mir das erklären lassen vom
Bundesjugendvorsitzenden. Und ich habe mir auch jetzt vom Herrn Präsidenten
Khol diese Worte angehört, und ich verstehe sie nicht ganz.
Ich glaube, die Bundesjugendvertretung ist eine gewählte
Vertretung; sie ist für die Vertretung ausdrücklich dieser Gruppe berufen, und
offensichtlich ist in der Einladung der Jugendlichen hier etwas vollkommen
falsch gegangen. Weil entweder hätte man die gesetzliche Vertretung eingeladen
oder man hätte den zehn Organisationen klar gemacht – so wie es der Herr
Präsident Khol jetzt versucht hat nachträglich -, warum gerade die zehn
eingeladen wurden und die anderen fünfzehn nicht, und dass die Vielfalt so
wichtig ist.
Ich glaube aber ganz einfach, hier ist Handlungsbedarf, und
ich bitte wirklich das Präsidium, zu überlegen, ob man diese Chance der
Bundesjugendvertretung nicht offiziell geben sollte, sie noch einmal einladen
sollte, ihr die Zeit einräumen sollte, sich vorzubereiten darauf, und dann hier
den Standpunkt einzubringen.
Ich glaube, diese Zeit sollten wir uns nehmen, weil die
Forderungen der Jugend im Jugendkonvent schon sehr eindeutig waren. Und alle
die, die dort waren und sich das angehört haben, und nicht erst das Papier
heute gesehen haben und bemerkt haben, dass es sehr wichtige Inhalte hat,
werden schon dort erkannt haben, dass die Jugend hier durchaus bereit ist,
etwas zu tun. Nicht von anderen etwas zu verlangen, sondern sich einzubringen;
sie will aber ernst genommen werden, meine Damen und Herren. Und ich sage
deshalb auch hier in aller Deutlichkeit: ich frage mich zu den Ausführungen von
Herrn Dr. Lengheimer zum 16-Jahre-Wahlrecht: was haben sich denn da die
Landtage, wo das 16-Jahre-Wahlrecht eingeführt wurde, alle gedacht? Vielleicht
haben sie es unbedacht gemacht – möglicherweise. Abgelehnt wird es
üblicherweise mit dem Hinweis, die Jugendlichen wollen gar nicht wählen – wie
erst jüngst in Niederösterreich.
Meine Damen und Herren, klar und deutlich: die Ergebnisse
jener Wahlen, wo die Jugendlichen mit 16 gewählt haben, zeigen ein anderes
Bild. Dort gibt es höhere Prozentsätze der Teilnahme an der Wahl wie von den
Erwachsenen. Und das sollten wir zur Kenntnis nehmen und nicht immer den
Jugendlichen sagen, sie sind wichtig. Und dann wundern wir uns – und das wurde
hier auch schon gesagt -, dass sie nicht Politik verdrossen sind, sondern
Politiker verdrossen sind. Es wundert mich manchmal nicht, wenn man den eigenen
Parteiorganisationen nicht die Möglichkeit gibt, sich so einzubringen – und ich
habe das am Jugendkonvent schon gesagt, und ich habe es auch im Ausschuss
gesagt und ich sage es auch hier: Es kann nicht sein, dass wir der Jugend
signalisieren, dass wir sie ernst nehmen und immer dann, wenn sie berechtigte
Wünsche, die argumentiert werden können, einbringen, sagen wir, na, die wollen
ja eigentlich gar nicht, da sind ein paar Funktionäre, die spinnen da etwas
zusammen.
Meine Damen und Herren! Ich fordere hier wirklich alle auf,
sich dieser Themen anzunehmen, sie in den Ausschüssen zu behandeln – es wurde
hier schon klar und deutlich gesagt, wie dieser Vorgang denkbar ist – und wir
haben zum Wahlrecht schon darüber gesprochen, und aus meiner Sicht nicht
abschließend gesprochen, sondern wir sind im Prozess. Und ich behaupte ganz
einfach, dass es notwendig ist, jene Gruppe von Menschen ernst zu nehmen, die
nicht im Konvent vertreten sind durch ihre gesetzliche Organisation, die aber
hier, heute, nur eine eingeschränkte Möglichkeit hatten, denen man die Chance
geben sollte, noch einmal klar zu erläutern, warum sie meinen, dass diese
Anliegen berechtigt sind, weil das gesprochene Wort zu den Konventsmitgliedern
ein sehr wichtiges ist als Erläuterung zu den geschriebenen Vorstellungen. Und
ich bitte Sie deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem das
Präsidium, diesen Vorschlag sehr ernsthaft zu erwägen und der Jugend diese
Chance einzuräumen. Danke schön.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Kollege Vögerle. Damit haben wir diesen
Diskussionsblock abgeschlossen. Wir haben jetzt einen Themenwechsel zum Bereich
Religionsgemeinschaften. Dabei sind insgesamt 13 Wortmeldungen vorgesehen, und
eine davon hören wir jetzt noch vor der Mittagspause: Kollege Dr. Walter
Hessler von der Neuapostolischen Kirche. Die vereinbarte Redezeit ist ebenfalls
fünf Minuten. – Bitte, Herr Kollege.
Dr. Walter Hessler: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Verehrte Damen
und Herren. Der Beschluss des Präsidiums, die in Österreich staatlich
anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften anzuhören, zeigt von dem
Bewusstsein, dass ein Zusammenleben aller Bürger in Freiheit, gegenseitiger
Achtung und Toleranz die Sinnfindung und Orientierung an einer transzendenten
Ordnung, einem höheren Wesen mit einschließt.
Hier in aller Kürze die Punkte, welche für die
Neuapostolische Kirche eine wichtige Grundlage für ein gelungenes Zusammenleben
im Staat und damit eine Basis für die Verfassung dieses Landes darstellen,
nicht nur heute sondern auch in Zukunft.
Erste Grundlage ist das höchste Gebot der Christen: „Liebe
Gott von ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Primär ist dabei
nicht der unbedingte Verweis auf das Christentum, sondern das Bewusstsein, dass
alle Religionen Liebe und Nachfolge zu einer ordnenden Kraft, einem höheren
Wesen – wie nennen es Gott – verbindet. Diese Liebe bringt Achtung, Toleranz
und Güte den Mitmenschen gegenüber. Die Sinnorientierung hin auf Gott ist ein
Quell für eine gedeihliche Entwicklung in diesem Land. Daher unser Wunsch,
diesen Bezug auf Gott in die Verfassung aufzunehmen.
Dieses erste Gebot der Christen führt auch gleich zu einer
weiteren Grundlage für die Verfassung: das Akzeptieren der Werte aller
Religionen, Rassen und Minderheiten. Diese Werte, so unterschiedlich sie sein
mögen, müssen zum Ziel haben, den Frieden im Lande und den Respekt vor der
Würde eines jeden Menschen zu bewahren, ohne Unterschied durch Herkunft, Alter,
Geschlecht, Bildung, Stand oder Behinderung. Sie müssen zum Ziel haben,
Menschenrechte, Freiheit und Demokratie sicherzustellen. Dabei sollte die
goldene Lebensregel zum tragen kommen, welche die Religionen verbindet. Bei
Mohammed lautet sie: „Keiner von euch ist ein Gläubiger, bis ihr für Euren
Nachbarn liebt, was ihr für euch selbst liebt.“ Ähnliche Formulierungen finden
wir bei Buddha im Hinduepos Ma ha ha ra ta, in den Gesprächen (15,23) des
Konfuzius, beim jüdischen Lehrer Hillel und im Evangelium des Matthäus (7,12),
wo Jesus sagt: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen.“
Dieses Prinzip führt in konsequenter Weise zu einer
Verankerung in der Verfassung -sowohl des Rechts auf ein würdiges Leben für
alle Menschen, für Kinder, die Behinderten, die Alten -, als auch des Rechts
auf ein menschenwürdiges Sterben. Stichworte, wie Kinder- und Altenbetreuung,
Pflege und Pflegegeld, Hospizarbeit und Hospizkarenz, ohne zumutbaren,
materiellen Nachteil, seien hier genannt.
Weiters führt diese goldene Regel zu einem verfassungsmäßigen
Schutz vor Experimenten am Menschen, Stichwort: Reproduktives Klonen. Hier sei
auf die Aussagen der Neuapostolischen Kirche Österreich im Rahmen der Studie
der Universität Wien zur Bio- und Medizinethik verwiesen.
Ebenfalls ergibt sich daraus die Forderung nach einem
verfassungsmäßigen Schutz vor einer Zerstörung des Menschen, sei es, dass diese
Zerstörung durch Drogen, durch Vergewaltigung, Kindesmissbrauch oder sonstige
physische wie psychische Gewalt erfolgt.
Als letzter Punkt sei hier noch ein Auftrag in der
Verfassung, zur Verhinderung der Ausbeutung und Zerstörung der Natur, der
Umwelt genannt. Wenn wir Recht auf Leben für unsere Kinder fordern, dann müssen
wir auch überlegen, welche Natur wir den Kindern hinterlassen. Eine Umwelt, in
der sie verzweifeln müssen, oder eine, in welcher sie sich wohl fühlen können.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte Ihnen allen, im
Namen der Neuapostolischen Christen, Kraft und Gottes Segen bei der Arbeit für
eine Verfassung wünschen, welche Solidarität, Menschenwürde und Toleranz in
unserem Land sicherstellt.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Herrn Dr. Hessler. Ich unterbreche jetzt die
Beratungen. Sie werden um 14 Uhr pünktlich wieder aufgenommen.
Erster Redner am Nachmittag ist Kardinal Dr. Schönborn. Die
Sitzung ist unterbrochen.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner (übernimmt den Vorsitz):
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die Sitzung des
Österreich-Konvents wieder auf. Ich begrüße sehr, sehr herzlich die
Vertreterinnen und die Vertreter der Religionsgemeinschaften, der Volksgruppen
und Vertreter aus dem Bereich der Menschenrechtsorganisationen. Wir haben im
Präsidium des Konvents beschlossen und Sie gebeten zu uns zu kommen, um mit den
Mitgliedern des Österreich-Konvents in einen Dialog über die neue Verfassung
der Republik Österreich zu treten, in einen Dialog zu treten über Neuordnungen
von Kompetenzen, in einen Dialog zu treten über neue gesellschaftliche Richtungen
auch, die in einer neuen Verfassung letztendlich auch niedergeschrieben werden
sollen.
Ich bedanke mich sehr, sehr herzlich dafür, dass Sie
gekommen sind, und ich bitte Sie, nun in der Reihe wie Sie sich auch vereinbart
haben, dass Sie hier vor dem Konvent sprechen, um Ihre Wortmeldungen.
Ich darf mit Respekt und herzlich begrüßen den Herrn
Kardinal Dr. Christoph Schönborn und ihn um seine Wortmeldung bitten.
Dr. Christoph Schönborn‡: Meine Damen und Herren! Die christlichen
Kirchen in Österreich wünschen die Aufnahme bestimmter Werte und Zielsetzungen
in die neue österreichische Bundesverfassung. Sie haben einen Beitrag zur
Verfassungsreform, mit dessen Vorbereitung der Konvent beauftragt ist,
gemeinsam erarbeitet und vertreten diesen Beitrag gemeinsam vor dem Konvent.
Die Kirchen erwarten, dass sie zu allen Fragen dieses Beitrags in einen Dialog
mit dem Konvent eintreten können. Der Beitrag der Kirchen wird im Folgenden,
von den Vertretern der Kirchenleitungen aller im ökumenischen Rat vereinigten
anerkannten Kirchen unseres Landes vorgetragen werden.
Sämtliche Beiträge werden im Namen aller beteiligten
Kirchen abgegeben. Ich freue mich darüber, dass es gelingen konnte, in der
Frage der Verfassungsreform ein einheitliches Votum aller genannten Kirchen
zustande zu bringen. Ich danke den beteiligten Kirchenleitungen für ihre
geschwisterliche Kooperation. Ich danke auch der Vorsitzenden des ökumenischen
Rates der christlichen Kirchen, die selbst Konventsmitglied, die Initiative
ergriffen hat, um jenes Gespräch zustande zu bringen, dessen Ergebnis die
beteiligten Kirchenvertreter nunmehr zum Vortrag bringen werden. Ich danke
weiters, den in den verschiedenen Kirchen tätigen Experten, welche die für ein
gemeinsames Wort notwendige Vorarbeit geleistet haben. Ich danke schließlich
und vor allem dem Konvent, der den Kirchen die Möglichkeit eröffnet hat, durch
öffentlichen Vortrag unseres Beitrags an der Verfassungsreform mitzuwirken.
Diese Mitwirkung soll nicht in der einmaligen Abgabe einer Stellungnahme
innerhalb dieses Konventshearings bestehen, sondern in einer ständigen
dialogischen Begleitung eines Vorhabens, dessen Wichtigkeit nicht eigens betont
werden muss.
Die Arbeit des Verfassungskonvents der USA hat deren
späterer vierter Präsident James Madison mit der Bemerkung kommentiert, dass
nicht allein ein geschriebener Verfassungstext, sondern dessen Akzeptanz und
Anwendung durch die Bevölkerung Ziel der Bemühungen einer verfassungsgebenden
Körperschaft sein müsse.
Wenn, und insoweit den Anliegen der Kirche im Rahmen der
Reform Gerechtigkeit widerfährt, werden die Kirchen auch um die Akzeptanz der
Bemühungen des Konventes in der Bevölkerung besorgt sein.
Zunächst Anmerkungen zu den Grundlagen der
Reformbemühungen. Erstens: Schutz der Menschenwürde. Die christlichen Kirchen
Österreichs sehen einen umfassenden Katalog von Grundrechten als
unverzichtbaren Bestandteil der Verfassung an, dessen Gestaltung ihre besondere
Aufmerksamkeit gilt. Sie treten für die Aufnahme einer Reihe von
Grundrechtsverbürgungen in die neue österreichische Verfassung ein und
beabsichtigen, entsprechend dem Fortschritt der Arbeiten im
Grundrechtsausschuss, weitere Vorschläge vorzulegen.
Das Prinzip der Achtung der Menschenwürde liegt als
allgemeiner Wertungsgrundsatz unserer Rechtsordnung zu Grunde und kommt
insbesondere in den Freiheitsrechten und in den sozialen Rechten der Verfassung
zum Ausdruck. Für uns Christen ist die Menschenwürde in der
Gott-Ebenbildlichkeit des Menschen begründet. Die Menschenwürde ist vielfach
gefährdet. Dessen ungeachtet findet sich in der österreichischen Verfassung
noch keine Norm, die ausdrücklich den Schutz der Menschenwürde garantiert und
für den Einzelnen auch durchsetzbar macht. Die christlichen Kirchen Österreichs
treten daher für die Aufnahme eines entsprechenden Grundrechtes in die neue
Verfassung ein. Es könnte nach dem Vorbild der EU-Grundrechtscharta folgender
Maßen formuliert werden: „Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie ist zu
achten und zu schützen.“
Diese Formulierung bringt eine Begrenzung des staatlichen
Handelns zum Ausdruck und begründet Schutzpflichten, etwa im Bereich der
Medizinethik, oder der Biotechnik, sowie gegenüber einer schrankenlosen
Beanspruchung grundrechtlicher Freiheiten durch andere. In diesem Zusammenhang
empfehlen die christlichen Kirchen nachdrücklich die Ratifikation der
Bioethik-Konvention des Europarates. Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Kardinal! Ich darf Herrn Superindentent Mag.
Peter Karner von der evangelischen Kirche H.B. um seinen Beitrag bitten. Bitte!
Mag. Peter Karner: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und
Herren! Ich setze fort, und wiederhole, dass die Kirchen sowohl die Aufnahme
von Grundwerten und Prinzipien, als auch von Zielsetzungen für die staatliche
Tätigkeit in die neue österreichische Bundesverfassung wünschen. Die neue
österreichische Bundesverfassung soll zusätzlich zur Achtung der Menschenwürde
folgende weitere Grundwerte verankern: Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit,
- letzteres ist der neuere Begriff, der den eher patriarchalischen der
Brüderlichkeit abgelöst hat - Sicherung und Förderung der Grundfreiheiten und
Menschenrechte, einschließlich der sozialen Grundrechte und der
Gleichbehandlungsrechte, sowie der Rechte aus internationalen Konventionen, die
Österreich zwar ratifiziert, aber noch nicht alle umgesetzt hat. Und
schließlich: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Im Einzelnen: Freiheit und Gleichheit mögen für unsere
Gesellschaft und in unserem Verfassungsrecht selbstverständliche Werte sein.
Sie bedürfen keiner besonderen Erläuterung und müssen dennoch genannt und
verbürgt sein. An Geschwisterlichkeit ist zu erinnern, sie ist für das
Rechtsleben einzufordern, das heißt, für das Zusammenleben von Menschen im Alltag
ihrer Geschäfte. In ihr klingt nicht das Pathos der Französischen Revolution
nach, denn Geschwisterlichkeit hebt die Verantwortung für den Mitmenschen, den
Nächsten hervor, die persönliche und die gesellschaftliche und die staatliche
Verantwortung in gleicher Weise.
Die Kirchen halten die Verankerung sozialer Grundrechte in
der Verfassung für unverzichtbar. In diesem Sinn ist die europäische
Sozialcharta endlich ernst zu nehmen, ebenso die Verbürgungen in der
EU-Grundrechtscharta und anderen internationalen Dokumenten, nämlich solchen,
die soziale Grundrechte zum Gegenstand haben.
Die Kirchen verweisen in diesem Zusammenhang nachdrücklich
auf ihre gemeinsames Sozialwort, das auf der Grundlage eines breit angelegten
Meinungsbildungs- und Diskussionsprozesses gemeinsam erarbeitet wurde und, wie
bekannt, in diesen Tagen der Öffentlichkeit vorgestellt wird.
Österreich ist säumig in der Erneuerung der Grund- und
Menschenrechte, einige Ratifikationen internationaler Konventionen, an denen
Österreich wohl mitgewirkt hat, stehen aus. Einige ratifizierte Konventionen
bedürfen der innerstaatlichen Genehmigung und Umsetzung. Schmerzlich ist ganz
besonders die Säumigkeit bei der noch fehlenden grundrechtlichen Sicherung der
Rechte des Kindes.
Rechtstaatlichkeit und Demokratie sind wiederum sozusagen
selbstverständliche Grundwerte in unserem Verfassungsrecht. Sie bedürfen nicht
mehr der Begründung, sie sind aber zu nennen und wieder in geeigneter Form in
den Verfassungstext aufzunehmen. Für die Ausgestaltung der demokratischen
Prozesse in den verschiedenen Abschnitten der Verfassung ist allerdings darauf
hinzuweisen, dass sich Demokratie weiter entwickeln muss. Die Partizipation der
Bürger und Bürgerinnen ist vor allem im Hinblick auf die europäische
Integration und in ihren neuen Strukturen grundlegend zu überdenken. Für alle
demokratischen Prozesse ist zu fordern, dass sie von den Bürgern und
Bürgerinnen akzeptiert werden können und inhaltlich gute Lösungen für
gesellschaftliche Konflikte und Herausforderungen bieten können.
Ich danke Ihnen.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke Herr Superintendent.
Ich bitte Herrn Pfarrer Robert Freihsl für die
Altkatholische Kirche um sein Statement. – Bitte.
Robert Freihsl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte
Damen und Herren! Die Baugesetze der Bundesverfassung bleiben Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Bundesstaatlichkeit, das steht außer Zweifel.
Erforderlich ist freilich die Weiterentwicklung, vor allem im Hinblick auf die
Mitwirkung Österreichs im System der Vereinten Nationen und anderer
internationaler Organisationen, zum Beispiel bei der Sicherung des Friedens in
der Welt.
Ganz vordringlich ist die Entwicklung im Hinblick auf die
Mitgestaltung der europäischen Integration und auf die Ausübung der
Mitgliedschaftsrechte und Pflichten in der Europäischen Union.
Erforderlich ist insbesondere die Neugestaltung des
Verhältnisses zwischen Bund, Ländern und Gemeinden im Geist des Föderalismus
und des neuen europäischen Regionalismus. Damit verbunden ist die Neugestaltung
der Finanzverfassung und des Finanzausgleiches, sowie die Sicherung des
gesamtstaatlichen Gleichgewichtes zwischen Bund und Ländern und Gemeinden, für
die öffentlichen Haushalte und für die Daseinsvorsorge.
Diese Themen sind zentrale Themen der Neuschöpfung der
österreichischen Bundesverfassung. Es ist allerdings richtig, dass diese Themen
nicht zu den typischen Anliegen der Kirchen zählen. Gleichwohl ist darauf zu
verweisen, dass die Kirchen das Prinzip der Subsidiarität als staatliches
Gestaltungsprinzip vertreten haben und vertreten.
Subsidiarität liegt nicht nur allen Formen der
Bundesstaatlichkeit zu Grunde, sondern ist auch ein Gestaltungsprinzip der
Europäischen Union geworden. Die Subsidiarität der Europäischen Union wirkt auf
die Verfassungen der Mitgliedstaaten zurück und Bundesstaaten zwingt sie zu
einer neuen Arbeitsteilung, die den gegenwärtigen und zukünftigen
Herausforderungen an die staatliche Tätigkeit gerecht wird. Ich danke Ihnen.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Pfarrer.
Ich bitte Herrn Erzbischof Dr. Michael Staikos um seine
Wortmeldung.
Dr. Michael Staikos: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und
Herren! Die gesetzlich anerkannten Kirchen in Österreich wünschen, dass in der
neuen österreichischen Bundesverfassung der staatlichen Tätigkeit klare Ziele
gesetzt werden. Ziele der staatlichen Tätigkeit sind insbesondere die
Gewährleistung einer Friedensordnung, die Verantwortung in der Schöpfung, die Vorsorge
für die innere und äußere Sicherheit Österreichs, die nachhaltige
gesellschaftliche Entwicklung, Wohlfahrt und Wettbewerbsfähigkeit Österreichs,
die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes, der Solidarität und eines
Lebens in Beziehungen, die Anerkennung und Förderung der kulturellen,
religiösen, sprachlichen, ethnischen und politischen Vielfalt und der Schutz
und die Förderung des kulturellen Erbes.
Staatsziele im Verfassungsrang halten die Kirchen in einer
Zeit der Verunsicherung und Orientierungslosigkeit in der Gesellschaft für
erforderlich. Staatsziele definieren die Kernaufgaben des Staates - wie man
heute sagt - in einer Zeit, in der die Staaten in Europa neu bestimmen.
Zum Wortlaut der sieben Staatsziele:
1. Es ist wichtig, die Aufgabe des Staates als Garant des
Friedens wieder in den Blick zu nehmen, für den Frieden im Inneren und für den
Frieden als Prinzip der Außenpolitik der Staaten. Die Friedensordnung
herzustellen und zu gewährleisten ist der Sinn der Staatsbildung, Staatsgründung
und Staatsfähigkeit.
2. Wir alle sind, auch der Staat ist mit seinen Aktivitäten
verantwortlich in der Schöpfung. Wir sind Teil der Schöpfung und gestalten die
Umwelt innerhalb der Schöpfung. Wir stehen nicht außerhalb der Natur, wir
tragen nicht vor der Schöpfung, sondern in dieser Schöpfung für alle ihre Teile
und Aspekte Mitverantwortung, jetzt und langfristig.
3. Für eine Politik, die für die innere und die äußere
Sicherheit Österreichs vorsorgt, ist eine klare und eindeutige Aussage zu
treffen, sie korrespondiert mit der Gewährleistung einer Friedensordnung.
4. Die Kirchen halten die Sicherung einer nachhaltigen
Entwicklung in einem sozialen, kulturellen, wissenschaftlichen,
wirtschaftlichen Sinne, die Sicherung der Wohlfahrt und der Wettbewerbsfähigkeit
in einer globalisierten Welt und in Europa für bereits allgemein akzeptierte
gesellschaftliche Zielsetzungen, vor allem auch für die staatliche Tätigkeit.
Diese Ziele sind im Text der neuen Verfassung zu verankern.
5. In ähnlicher Weise hat der Staat beizutragen zur
Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes, zu einem Leben in positiv
gestalteten persönlichen und gesellschaftlichen Beziehungen und zur Stärkung
der Solidarität in der Gesellschaft, vor allem mit den Ausgegrenzten und
Schwachen. Auch dieses Staatsziel ist in den Text der Verfassung aufzunehmen.
6. Mit vielen wissen sich die Kirchen einig, dass die
kulturelle, religiöse, sprachliche, ethnische und politische Vielfalt
anerkannt, geschützt und gefördert werden muss. Es geht um Anerkennung und
Förderung. Es geht nicht um Duldung, es geht nicht um Toleranz. Die Einheit in
der Vielfalt ist eine Maxime der Europäischen Union. Die Vielfalt im
politischen Sinne ist ein demokratisches Prinzip, die religiöse, kulturelle, sprachliche und ethnische Vielfalt ist
eine Bereicherung. Für die Kirchen ist der Schutz der Minderheiten über das
Staatsziel hinaus ein unverzichtbarer Baustein des österreichischen
Verfassungsrechtes.
Wir betonen, dass die sprachliche und kulturelle Vielfalt
ein Ausdruck österreichischer Geschichte und Identität ist, die in den
autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt.
Siebentens: Daran schließt sich der Schutz des kulturellen
Erbes, das wir nicht nur in einer physischen Dimension sehen. Die Erhaltung und
Entwicklung des kulturellen Erbes liegt im Interesse des Staates und der
staatlichen Gemeinschaft. Daher ist die Förderung des kulturellen Erbes durch
den Staat gerechtfertigt. Der Sonntag als Zeit der Besinnung - auch der
religiösen Feiern - ist zu wahren. Danke schön.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Vielen Dank, Herr Erzbischof. Darf ich Herrn
Superintendent Lothar Pöll von der Methodistenkirche um seine Worte
bitten.
Lothar Pöll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Zu den Staatszielen, welche die Kirchen vertreten, gehört die
Sicherung der für das Verständnis und für die Praxis aller Staatsziele
geeigneten Bildung und Weiterbildung. Bildung und Weiterbildung soll die
Menschen in religiöser, ethischer und philosophischer Dimension zu Autonomie
und Verantwortung befähigen und beruflich qualifizieren.
Es ist den Kirchen wichtig, gegen die Dominanz ökonomischer
Ansprüche und Erwartungen gegenüber den nationalen Bildungssystemen nicht nur
in Österreich, sondern in Europa, das Spezifikum der Qualität der Bildung
einzubringen, wie es dem europäischen Verständnis immer entsprochen hat,
nämlich eine ganzheitlich konzipierte Bildung, die zu möglichst umfassender
Entfaltung des Menschseins im Sinne einer Befähigung zu verantwortlicher
Selbstbestimmung beiträgt.
Bildung und Weiterbildung sollen im Dienst des Menschen
eine selbstbestimmte Lebensgestaltung ermöglichen und zugleich eine
Mitgestaltung der Zivilgesellschaft in Solidarität und demokratischen Prozessen
grundlegen. Vorrangig vor allen Fragen in der unmittelbaren Nützlichkeit auf
dem Arbeitsmarkt bedarf es der Beachtung einer religiös-ethisch-philosophischen
Dimension.
Dies bedeutet eine Vertiefung all jener schließlich auch
arbeitsmarktrelevanter Kompetenzen, die von den einzelnen Schultypen in
durchaus unterschiedlicher Weise vermittelt werden können. Schulen sollen
befähigen zu Entwicklung und Bewahrung eines kulturellen Gedächtnisses zur
Sinnfindung und zu ethischer Grundsatztreue. Eine solche Zielsetzung für
Bildung und Weiterbildung wird angesichts einer pluralistischen Gesellschaft
notwendig sein, die eines hohen Maßes an Verständigung über die Grundfragen des
Menschseins und einer nachhaltigen Sicherung der gemeinsamen Wertebasis bedarf.
Aus diesen Gründen ist eine umfassende Verankerung eines
Rechtes auf Bildung und Weiterbildung zu fordern. Dazu gehört auch die
Ermöglichung und Förderung einer qualifizierten ethischen und religiösen
Erziehung und die verfassungsrechtliche Garantie der Führung von Privatschulen
und deren Förderung durch den Staat. Ich danke Ihnen.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Vielen Dank, Herr Superintendent. Ich bitte als nächsten
um seine Worte Koepiskopos Dr. Emanuel Aydin. Er spricht für die
armenisch-apostolische und die syrisch-orthodoxe Kirche.
Dr. Emanuel Aydin: Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe die
ehrenvolle Aufgabe - zugleich für den verhinderten Erzbischof Grikorien - die
gemeinsame Stellungnahme der christlichen Kirchen in Österreich für den Bereich
der Grundrechte weiter auszuführen.
Bei den Grund- und Menschenrechten
bedarf es dringend einer zusammenfassenden Formulierung der verstreuten
Verfassungsartikel über die individuelle Religionsfreiheit. Es ist auf das
Staatsgrundgesetz 1867, auf Bestimmungen des Staatsvertrages von Saint Germain
1919, auf den Artikel 9 der europäischen Menschenrechtskonvention 1950
sowie auf die einschlägigen Artikel des Entwurfes für einen Verfassungsvertrag
für Europa Bedacht zu nehmen.
Dabei ergibt sich, dass die Verbürgung
der individuellen Religionsfreiheit als Menschenrecht in der altgewohnten Form,
die jedermann zusteht, nicht mehr konsensfähig ist. Die Diskussion zum Entwurf
des Verfassungsvertrages hat dies bestätigt. Jede Person hat Anspruch auf
Grundrechte.
Die Formulierung der Kirchen lautet:
A) Jeder Mensch hat ein Recht auf Gedanken, Gewissens- und Religionsfreiheit.
Dieses Recht umfasst die Freiheit des Einzelnen zum Wechsel der Religion oder
Weltanschauung sowie die Freiheit seiner Religion oder Weltanschauung einzeln
oder in Gemeinschaft mit anderen privat oder öffentlich zu bekennen, um den
Gottesdienst, Andachten und Beachtung religiöser Bräuche auszuüben.
B) Die Gewissens- und
Religionsfreiheit darf nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener
Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige
Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung,
Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer
darstellen.
C) Wehrpflichtige können erklären,
Zivildienst leisten zu wollen, weil sie die Wehrpflicht aus Gewissensgründen
nicht erfüllen können. Ich danke.
Stellvertretende Vorsitzende
des Österreich-Konvents Angela Orthner: Ich bitte
Herrn Bischof Anba Gabriel von der Koptisch-Orthodoxen Kirche um seine
Worte. Bitte.
Anba Gabriel: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die
kollektiven institutionellen Sicherungen der Religionsrichter sind nicht mehr
zeitgemäß. Das öffentliche Bekenntnis und die öffentliche Ausübung der Religion
oder Weltanschauung sind durch ein neues, zusammenfassenden Grundrecht, wie
vorgetragen und erläutert, geklärt und gesichert.
Wegen der gesamtstaatlichen Bedeutung
der Anerkennung der Kirchen und Religionsgemeinschaften auch in Würdigung ihrer
besonderen Stellung und sind den anerkannten Kirchen und
Religionsgesellschaften grundrechtlich besondere Freiheiten und Richter zu
gewähren.
Erstens. Die Erhaltung die Stellung
von Körperschaften öffentlichen Rechtes.
Zweitens: Sie sind in ihren inneren
Angelegenheiten autonom.
Drittens: Sie können ihre äußeren
Angelegenheiten zum Staat vertraglich regeln. Sie genießen den Beistand des
Staates.
Viertens: Sie sind berechtigt, von
ihren Mitgliedern Beiträge einzuheben.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Vielen Dank, Herr Bischof. Die Evangelische Kirche A.B.
ist durch Herrn Bischof Herwig Sturm vertreten. Darf ich Sie um Ihre Worte
bitten.
Mag. Herwig Sturm: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte
Damen und Herren! Die Kirchen beantragen die Aufnahme folgender
Verfassungsbestimmung: In Anerkennung der Identität und des besonderen
gesamtstaatlichen Beitrags der anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften
pflegt der Staat einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit ihnen
zu allen grundsätzlichen Entwicklungen staatlicher Tätigkeit. Dieser Wortlaut
ist der Bestimmung des Artikel 51 Abs. 3 des Entwurfes eines
Verfassungsvertrages für Europa nachgebildet, welcher derzeit in der
Regierungskonferenz in Beratung steht.
Ohne Änderung der inhaltlichen Schwerpunkte ist dieser Text
im Wortlaut an die österreichische Rechtslage angeglichen worden und entspricht
somit dem Harmonisierungsgebot für den Fall einer Annahme des Entwurfes für
einen EU-Verfassungsvertrag durch die Regierungskonferenz.
Zu den Bausteinen dieses Textes im Einzelnen:
Der Text anerkennt die besondere Identität der Kirchen und
Religionsgemeinschaften, die kraft ihres Auftrages an der Zivilgesellschaft
zwar teilnehmen, aber selbst nicht Teil der Zivilgesellschaft sind. Die Kirchen
sind in der Welt, aber nicht von der Welt, sagen wir in Anlehnung an eine
Bibelstelle im Johannes-Evangelium. Diese besondere Identität wurde den Kirchen
auch im Entwurf des EU-Verfassungsvertrages zugestanden. Der bereits zitierte
Artikel 51 regelt den Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften,
während der Grundsatz der partizipativen Demokratie zu Gunsten der
repräsentativen Verbände und der Zivilgesellschaft im Artikel 46 des Entwurfes
festgeschrieben ist.
Der besondere gesamtstaatliche Beitrag der anerkannten
Kirchen und Religionsgesellschaften für das Selbstverständnis unseres Landes
und seiner Bevölkerung, das so genannte christliche Erbe, schließt andere
Quellen nicht aus. Unser kirchlicher Beitrag bedarf aber der Pflege und
Anerkennung, weil der Staat, das ist jetzt ein Zitat, „der Staat von
Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht schaffen kann“.
Der offene, transparente und regelmäßige Dialog zwischen
dem Staat und den Kirchen und Religionsgesellschaften hebt den Grundsatz der
freien Kirche im freien Staat nicht auf. Er schreibt ihn sogar fest, weil doch
nur von einander unabhängige Identitäten in der Lage sind, miteinander einen
Dialog zu führen.
Dieser Dialog soll offen und transparent sein. Alle sollen
in der Lage sein, vom Ablauf und von den Ereignissen dieses Dialogs Kenntnis zu
nehmen. Dieser Dialog soll regelmäßig sein, weil nur dadurch jene Atmosphäre
der Zusammenarbeit gepflegt werden kann, die zur Bewältigung der vor uns
stehenden Herausforderungen in einer so vielfach verunsicherten und
orientierungsarmen Zeit unerlässlich erscheint.
Die Entwicklung der Beziehungen zwischen Kirchen und Staat,
um die uns manche EU-Mitgliedsländer beneiden, entspricht heute dem Prinzip der
freien Kirche im freien Staat. Dieses Prinzip ist auch in die Gesetzgebungsakte
und völkerrechtlichen Verträge ab 1960 übernommen worden. In dieser Atmosphäre
kann zwischen freien und unabhängigen Gesprächspartnern ein Dialog zu allen
grundsätzlichen Entwicklungen staatlicher Tätigkeit geführt werden. Er verlangt
von den Gesprächspartnern im Ergebnis nicht anderes als gegenseitiges Gehör,
und das ist allemal die beste Voraussetzung für gegenseitiges Verständnis und
gute Zusammenarbeit.
Ein Satz noch. Die Verankerung der oben im Wortlaut
vorgeschlagenen Klausel in der reformierten Verfassung wäre ein weiterer
Schritt auf dem Wege einer ebenso vertrauensvollen wie erfolgreichen
Zusammenarbeit zwischen Kirchen und Staat zum Wohl des Landes. Und noch ein
Satz zur Präambel.
Für die Berücksichtigung der hier vorgetragenen kirchlichen
Anliegen bedarf es keiner besonderen Präambel zur Verfassung. Sollte eine
solche Präambel aber vom Konvent für notwendig erachtet werden, so werden die
Kirchen einen gemeinsam erarbeiteten Text für die Aufnahme in diese Präambel
vorschlagen. Ich danke Ihnen.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Bischof Sturm. Danke herzlich, danke.
Die Islamische Glaubensgemeinschaft ist vertreten durch
Carla-Amina Baghajati. Ich darf Sie um Ihr Wort bitten.
Carla-Amina Baghajati: Sehr geehrte
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Musliminnen und Muslime
wissen wir zu schätzen, dass wir in der Behandlung des Islam in Österreich gesetzliche
Rahmenbedingungen antreffen, die sich als ausgesprochen integrationsfördernd
erweisen.
Der Anerkennungsstatus mit der
Zusicherung der freien und öffentlichen Religionsausübung vermittelt rechtliche
Gleichbehandlung. Als besonders wichtiges Kriterium ist in diesem Zusammenhang
die innere Autonomie zu werten, die dem Islam in Vertretung durch die
islamische Glaubensgemeinschaft in der Verwaltung der religiösen
Angelegenheiten zugesprochen wird. Innere Autonomie ist ein solch zentraler
Punkt, dass wir ihn auch in einer neuen Verfassung verankert sehen möchten.
Zur Erläuterung einige damit
verbundene Vorteile. Der Islam ist eine dynamische Religion. Auf Basis der
Quellentexte sollen von theologisch Gebildeten unter der Berücksichtigung der
Faktoren Zeit, Ort und Gesellschaft auftretende Fragen auch neu beleuchtet
werden und neue Antworten formuliert werden. Diesem Bedürfnis kann durch innere
Autonomie entgegengekommen werden.
Diese Eigenständigkeit sichert
Entwicklungsmöglichkeiten, wie sie gerade im Hinblick auf die Ausrichtung vom
Islam in Europa bedeutsam sind. Eigenständigkeit fördert auch die weitere
positive Identifikation mit Österreich. Zieht man in Betracht, dass in anderen
Ländern Europas, in denen das Recht auf innere Autonomie für Muslime in dieser
Form nicht gegeben ist, immer wieder auf Auslandsgutachten in Fragen des Islam
zurückgegriffen wird, so wird verständlich, wie wichtig es für die Musliminnen
und Muslime im Lande ist, mit eigener Stimme sprechen zu können.
Es wäre wohl auch absurd, wenn man
einerseits Zugehörigkeitsgefühl zu der neuen Heimat einfordern wollte,
andererseits aber in so persönlichen Dingen wie Fragen der Religion auf
politisch geprägte und nach eigenen Präferenzen gewichtete Auslegungen aus dem
Ausland als Entscheidungsgrundlage heranzöge.
Innere Autonomie schafft die Basis für
die Zusammenarbeit und den Austausch mit staatlichen Institutionen, aber auch
zivilgesellschaftlichen Einrichtungen und in Folge für das gedeihliche
Zusammenleben in unserer immer mehr von Vielfalt geprägten Gesellschaft.
Wir können also feststellen, dass hier wichtige Grundlagen
für den Dialog gelegt werden, der dabei ein wesentliches Kriterium erfüllt, das
heute verstärkt als notwendiges Qualitätsmerkmal angeführt wird:
Gleichwertigkeit. Daher sehen wir auch gewährleistet eine aktive und anerkannte
Rolle in dem notwendigen Prozess einnehmen zu können, indem sich Islam in
Österreich, in Europa nicht nur als eine rechtlich anerkannte, sondern
gesellschaftlich akzeptierte Religion herausbildet. Denn es ist von allgemeinem
Interesse, auf dem Weg der Integration durch Partizipation bestehende
Vorurteile, Klischees und Ressentiments zu überwinden und die Vereinbarkeit vom
muslimischen Glauben mit den Werten von Demokratie, Pluralismus,
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten bewusst zu machen.
Zur Frage eines Gottesbezuges in der Präambel der
Verfassung möchten wir festhalten, dass dies einzig in einer Form in unseren
Augen geschehen könnte, die nicht impliziert eine einzelne bestimmte Religion
meint. Unsere Verfassung soll von der gesamten Bevölkerung getragen werden,
sollte also einen inkludierenden Charakter haben, der nicht allein das
religiöse Bekenntnis der Mehrheitsbevölkerung reflektiert. Zudem haben auch - historisch
betrachtet - gerade die
Abrahamitischen Religionen wesentlichen Anteil an der europäischen Geisteswelt.
Ohne das kulturelle Erbe des Islam, der Spanien über Jahrhunderte prägte, wäre
der Aufschwung der Wissenschaften und des Denkens am Tor zur Neuzeit nicht
vorstellbar. Denker des Islam leisteten so auch einen wesentlichen Anteil, das
hellenistische Erbe zu bewahren, kreativ mit ihm umzugehen und der Aufklärung
wesentliche Impulse zu schenken. Im Islam speist sich das Engagement für die
Gemeinschaft aus dem Bewusstsein, sich vor ihrem, seinem Schöpfer für das
eigene Handeln verantworten zu müssen. Menschenwürde ist für uns als
Religionsgemeinschaft nur im Vertrauen auf Gott zu begründen. Insofern ist ein
Gottesbezug, der kongruent mit den vorherigen Überlegungen ausformuliert wird,
für uns nachvollziehbar.
Allerdings halten wir es für sinnvoller, weniger den
Gottesbezug anzusprechen, als vielmehr das aus dem Glauben oder auch aus der
Weltanschauung entspringende Verhalten eines sozial verträglichen und
verantwortlichen Miteinanders, das religiösen, oder aus anderen Motiven
verantwortungsvoll denkenden Menschen zu Eigen ist und die Basis einer
funktionierenden Gesellschaft bildet. Durch diese konkretere und zugleich von
der Allgemeinheit eher nachvollziehbare Herangehensweise ließe sich auch die
Österreich eigene, bewährte Umgangsweise mit dem zivilgesellschaftlichen
Potential von bekenntnisorientierten Menschen widerspiegeln. So unbestritten
und auch von unserer Seite nicht in Frage gestellt die klare Gewaltenteilung im
Staat ist, gibt sie doch Raum für den gesellschaftlich bedeutenden Beitrag der
religiösen Institutionen. Angesichts anstehender Aufgaben wie der Betreuung
eines wachsenden Anteils von Pflegebedürftigen, der Begleitung und Versorgung von
an den Rand gedrängten oder von Armut bedrohten Menschen, der Betreuung von
Asylsuchenden, um nur einige Aufgabenfelder zu nennen, ist die Stimme und das
tatkräftige Handeln religiöser Institutionen nicht wegzudenken und sollte
entsprechende Würdigung und Förderung erfahren. Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Frau Baghajati. Ich bitte Herrn Mag. Thomas Schärf
um seine Worte. Er vertritt die israelitische Kultusgemeinde. Bitte.
Mag. Thomas Schärf: Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr
geehrten Damen und Herren. Namens des Bundesverbandes der Israelitischen
Kultusgemeinden bedanken wir uns recht herzlich für die Möglichkeit, unsere
Anliegen im Zusammenhang mit einer Verfassungsreform zu deponieren. Aus der
Sicht der Israelitischen Religionsgesellschaft darf durch das zur Diskussion
stehende Vorhaben einer Neuformulierung und Kodifizierung der Österreichischen
Bundesverfassung die Religionsfreiheit, wie sie sich heute aus dem Zusammenhalt
der Bestimmungen der Artikel 14 und 15 Staatsgrundgesetz, des Artikel 9 EMRK
und des Artikel 63 Absatz 2 Staatsvertrag Saint Germain ergibt, keinerlei
Abbruch erfahren.
Das heißt in concreto, dass unseres Erachtens für die
individuelle Religionsfreiheit jedenfalls die Formulierung des Artikel 9 EMRK
zu übernehmen und der kooperativen Komponente der Religionsfreiheit in einem
weiteren Absatz Rechnung zu tragen sein wird. In diesem Zusammenhang erachten
wir insbesondere die Beschränkung der korporativen Religionsfreiheit, wie sie
sich heute anlassfallbezogen leider aufgrund der Größenschranke des § 11 Absatz
1 Ziffer 2 Bekenntnisgemeinschaftengesetz präsentiert, als bedenklich und als
für die Frage der kooperativen Anerkennung von Religionsgemeinschaften in
diesem Land irrelevant - würden doch die israelitische Religionsgesellschaft so
wie eine Reihe der anderen heute in Österreich anerkannten und hier vertretenen
gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften diese
Voraussetzungen entweder nicht, oder – auf unseren Fall bezogen – bedingt durch
die Geschehnisse des Nationalsozialismus nicht mehr erfüllen können.
Hinsichtlich der künftigen Grundrechtschranken bleibt
schließlich zu bemerken, dass deren Formulierung aus unserer Sicht Artikel 9.2
EMRK folgen sollte. Erläuternd weisen wir darauf hin, dass mit der vorzitierten
Bestimmung die nicht für alle Religionsgemeinschaften typischen spezifischen
Riten und Bräuche in ihrem Bestand gesichert wären und deren Formulierung
seinerzeit unter anderem gerade unter dem Blickwinkel der gesetzlichen
Bewahrung der Traditionen des Schächtens und der Beschneidung von Knaben in der
vorliegenden Form gewählt wurde. Wir weisen ferner darauf hin, dass nach der
derzeitigen Gesetzeslage den Angehörigen der Israelitischen Religionsgesellschaft
nicht einmal zu den höchsten jüdischen Feiertagen von Rosch Haschana und Jom
Kippur der Genuss einer garantierten Arbeitsruhe sichergestellt ist. Dies,
obwohl die religiösen Vorschriften des Judentums das Arbeitsverbot an Schabbat
und Feiertagen in der Regel weit strenger definieren und reglementieren als
dies etwa bei den evangelischen oder römisch-katholischen Christen der Fall
ist.
Im Zusammenhang mit der Ausübung des Wahlrechts zu den
Vertretungskörpern sowie für den Fall der verfassungsmäßigen Verankerung von
Feier- oder Ruhetagen ersuchen wir daher mit Nachdruck, den Erfordernissen und
Ansprüchen aller anerkannten Religionsgesellschaften Rechnung tragen zu wollen.
In Anbetracht der heute höchst aktuellen und verstärkten Problematik neonazistischer
und antisemitischer Betätigungen und Anschläge in Europa und den USA ist es aus
unserer Sicht auch in Zukunft leider unerlässlich, das in Österreich
gegenwärtig bestehende Verbot neonazistischer Betätigung und neonazistischer
Organisationen und die mit diesen Verboten korrelierenden Strafbestimmungen
zumindest fortzuschreiben, und diesen Schutz in eine neue Verfassung Einfluss
finden zu lassen.
In einem Europa der Vielfalt ist aber zudem auch der aktive
Schutz von Minderheiten vor jeglicher Form der Diskriminierung, wie wir ihn
heute in vorbildlicher Form in den Bestimmungen des Artikel 21 der Charta der
Grundrechte der Europäischen Union sowie in Artikel 1 des 12. Zusatzprotokolls
zu EMRK formuliert wissen, in eben derselben und in eben demselben Umfang
innerstaatlich verfassungsmäßig zu garantieren.
Schließlich erachten wir nicht nur aus dem Blickwinkel
einer Minderheit, sondern auch angesichts der vielfältigen und verschiedenen
Vorstellungen die in diesem Zusammenhang in der Öffentlichkeit zutage getreten
sind, die Formulierung und Aufnahme einer Verfassungs-Präambel nicht nur aus
juristischer Sicht schwierig, sondern vor allem aufgrund des einer Demokratie
immanenten, zugrunde liegenden und auch umzusetzenden Wertpluralismus als nicht
empfehlens- und anstrebenswert.
Letztlich – das soll nur am Rande bemerkt werden – sind wir
der Ansicht, dass mangels Judiziabilität Staats -Ziel-Bestimmungen in einer
neuen Verfassung nur sparsam verwendet werden sollten. Ich danke recht
herzlich.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke vielmals. Als nächsten bitte ich Herrn Dr. Peter
Riedel für die buddhistische Religionsgemeinschaft um seine Erklärung.
Dr. Peter Riedel: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich schließe
mich weitgehend meinen Vorrednern an, insbesondere auch dem Hinweis von Bischof
Sturm, dass eine Präambel für die Verfassung vermutlich nicht notwendig ist. Da
im Vorfeld Vorschläge aufgetaucht sind, der Gesetzgeber möge die Verantwortung
gegenüber den Menschen, der Umwelt und Gott verweisen, möchte ich dazu doch
etwas sagen.
In Österreich gibt es 14 staatlich anerkannte Religionen,
davon sind 13 so genannte Offenbarungsreligionen. 11 davon - wie wir gehört
haben - christlich, eine islamisch und eine jüdische. Sie alle kennen und
benennen Gott. Bei der 14., dem Buddhismus, handelt es sich um
Erkenntnisreligion. Erkenntnis liegt jenseits des Glaubens und hat eher mit
Wissenschaft als mit Religion im herkömmlichen Sinn zu tun. Das soll nicht
heißen, dass Buddhismus nur Wissenschaft wäre und keine Religion, denn auch mit
dem Ursprung des Menschen, seinen großen Fragen, woher kommen wir und wohin
gehen wir, beschäftigt sich diese Lehre. Die Grundzüge der Lehre sind
non-dualistisch, also jenseits aller Gegensätze. Alles ist eins und nichts ist
ausgeschlossen. In diesem Sinn ist Buddhismus weder theistisch noch
atheistisch. Es wird, so wie immer, eine mittlere Haltung eingenommen. Wird
Gott in der Verfassung genannt, können sich alle, die einen Glauben haben, mit
ihr leicht identifizieren. Jenen, die einen anderen oder an gar keinen Gott
glauben, fällt dies vermutlich schwerer. Darüber hinaus gibt es die Buddhisten,
die zwar keiner dieser Gruppen angehören, also wie ich schon ausführte, weder
an einen Gott glauben noch einen solchen ausschließen, wirklich wieder finden
würden sie sich aber in der vorgeschlagenen Präambel wohl nicht.
Eine letzte Wahrheit zu benennen erscheint mir gefährlich,
so wie es gefährlich ist, die äußere Form einer Religion mit dem Inhalt zu
verwechseln. Alle Religionen, zumindest die in Österreich anerkannten, wollen
meines Wissens auf einen Weg zur und in die Liebe führen und doch liegt in
ihnen auch eine Gefahr. Uns Menschen gelingt es offensichtlich immer wieder,
alles zum Anlass für Konflikte zu nehmen - auch die Religionen.
Das hat wohl mit der Natur des Menschen selbst zu tun. Nach
buddhistischer Erkenntnis ist Ablehnung, also der Hass, eine der Wurzeln im
Menschen, die anderen beiden sind nach dieser Lehre des Begehren und die
Illusion, das Nichterkennen. Alle Menschen scheinen diese Anlagen in sich zu
tragen und der Weg der Reifung, der Weg zu Weisheit, Freiheit, Unabhängigkeit
und Liebe wäre in diesem Sinn ein Übungsweg zur Überwindung dieser Wurzeln.
Aber das ist bereits buddhistische Praxis und hier ist nicht der Ort, einen Vortrag zu halten.
Aber eines werden wir im Plenum wohl alle Anwesenden –
zumindest ich denke das – bestätigen: Dass um meine Wahrheit und um deine
Wahrheit, um das Richtig und um das Falsch Menschen seit Jahrtausenden Auseinandersetzungen
und Kriege geführt haben und immer noch führen. Auch um diese zu überwinden, um
uns Menschen eine gerechte und alle Wesen einschließende österreichische
Verfassung zu geben, sind wir hier zusammen gekommen. Die Gefahr neuer
Missverständnisse, Auseinandersetzungen und Konflikte gerade über den Begriff
Gott - so wichtig er für die meisten Menschen ist-, sehe ich allerdings als
gegeben. Im Namen der österreichischen Buddhisten bitte ich daher die
Verantwortlichen im Konvent, den Begriff Gott nicht in der Verfassung zu
verankern.
Zuletzt möchte ich noch ein spontanes Wort sagen, ein
spontanes Anliegen, das nicht so sehr aus dem Buddhismus, sondern auch aus der
Psychologie des Menschen kommt. In Österreich ist es verboten, zumindest in den
großen Städten, die Toten über eine Nacht hinaus zu Hause zu belassen und sich
von ihnen zu verabschieden. Es kommt dies aus einem Hygieneverständnis, das
Anfang des Jahrhunderts entstanden ist, wo Hygiene ganz wichtig war, weil wir
ein neues Hygieneverständnis gehabt haben. Als Arzt kann ich sagen, dass es
nicht wirklich notwendig ist, dass die Anverwandten Gestorbene sofort in die
Leichenhalle geben. Ich glaube nicht nur aus buddhistischer, sondern aus
psychologischer und aus menschlicher Sicht, es wäre schön, wenn sich
diejenigen, die es wollen, von ihren Verwandten zwei oder drei Tage
verabschieden könnten. Ich selbst habe es mit meinem Vater erlebt, wo das in
Wien dann doch ausnahmsweise möglich war. Es war wunderschön, sich wenigstens
über 24 Stunden zu verabschieden - und das wäre ein großen Anliegen auch an den
Konvent vielleicht aufzunehmen, dass hier die Gesetze etwas geändert werden.
Danke schön.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke Herr Dr. Riedl. Ich bitte nun Herrn Max Nemec,
Mitglied des Kirchenrates der Kirche Jesu Christi um seine Ausführungen.
Max Nemec: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte
Damen und Herren! Im Namen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten
Tage bedanke ich mich auch hier, dass wir unser Anliegen vorbringen dürfen.
Wir haben aus einer Vielfalt vier Bereiche herausgefasst,
herausgenommen. Der erste Bereich ist, dass die Bestimmungen des
Bundesverfassungsgesetzes, erstes Hauptstück allgemeine Bestimmungen, im
besonderen Artikel 7/1, dass Vorrechte im Staat durch das Glaubensbekenntnis
ausgeschlossen sind, aufrecht zu erhalten sind. Des Weiteren, dass das
Staatsgrundgesetz Artikel 12 bis 17 ebenfalls hier aufrecht zu erhalten ist.
Punkt zwei. Dass sich Österreich als Gemeinwesen zu den
Werten der vollständigen Glaubensfreiheit und deren Ausübung bekennt unter
Berücksichtigung aller religiösen Gemeinschaften, auch jener, welche hehre
Ziele verfolgen und heute nicht anwesend sind. Drittens. Die Bewahrung der
weitgehenden Arbeitsfreiheit des Sonntags. Viertens Bestimmungen über Familie
und Ehe. Die Ehe zwischen Mann und Frau ist von Gott verordnet. Das Kind hat
ein Recht darauf, im Bund der Ehe geboren zu werden und in der Obhut eines
Vaters und einer Mutter aufzuwachsen, die den Ehebund in völliger Treue halten.
Vater und Mutter müssen einander in ihren Aufgaben als
gleichwertige Partner zur Seite stehen. Alle gesellschaftlichen und
gesetzlichen Voraussetzungen sind darauf auszurichten. Ungeachtet dessen dürfen
uneheliche Kinder in keiner Weise diskriminiert oder benachteiligt werden. Alle
Maßnahmen sind zu fördern, die darauf ausgerichtet sind, die Familie als
Grundeinheit der Gesellschaft zu bewahren und zu stärken. Wir warnen davor,
dass der zunehmende Zerfall der Familien Unheil über die einzelnen Menschen,
die Gemeinwesen und die Nationen bringen wird.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke vielmals, Herr Nemec. Zu Ihrer Information darf ich
Ihnen mitteilen, dass Herr Dr. Walter Hessl von der neuapostolischen
Kirche, den wir auch um sein Wort gebeten haben, bereits am Vormittag seine
Erklärung abgegeben hat. Wir haben damit das Hearing, die Anhörung der
Vertreter der Kirchen und der Religionsgemeinschaften abgeschlossen. Ich
bedanke mich bei der Hohen Geistlichkeit, bei Frau Bagajati, bei den Vertretern
der Religionsgemeinschaften, sehr herzlich für ihre Worte, für ihre
Stellungnahmen. Auch für die zur Verfügungstellung der schriftlichen
Stellungnahmen aus dem ökumenischen Rat und aus der israelitischen
Kultusgemeinde. Sie können versichert sein, dass wir nicht nur im Anschluss an
alle Erklärungen heute sehr gerne mit Ihnen darüber diskutieren und den Dialog
führen, sondern auch in unseren Arbeitsausschüssen ihre Worte und Ihre
Erklärungen sehr ernst nehmen werden. Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihr
Kommen.
Ich gehe und leite über zu den Erklärungen und
Stellungnahmen aus dem Bereich der Volksgruppen und darf Sie darüber
informieren, meine sehr geehrten Damen und Herren des Konvents, dass Herr Martin
Ivancsics für mehrere Volksgruppen das Kontingent der Zeit übernommen hat.
Daher wird er 20 Minuten sprechen und im Anschluss daran werden die
Vertreter anderer Volksgruppen ihre Wortmeldung abgeben.
Ich darf Herrn Martin Ivancsics um seine Erklärung bitten.
Martin Ivancsics: Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Die
Diskussion über die Reform der Verfassung fordert natürlich besonders jene
Gruppen auf, sich in diese Diskussion einzuklinken, die eines besonderen
Schutzes oder einer besonderen Förderung durch unsere Gesellschaft bedürfen,
durch unser Staatswesen auch wünschen. Die Volksgruppen zählen zu diesen
Menschen und diesen Gruppen unserer Gesellschaft, und daher sind wir sehr
dankbar, dass Sie uns hier und heute die Gelegenheit geben, einmal unsere
Standpunkte und unsere Wünsche und Forderungen zu deponieren und auch unsere
Überlegungen, wie sich hier aus der Sicht der Verfassung ein Volksgruppenrecht
gestalten könnte.
Ich bin Vertreter der größten österreichischen Volksgruppe,
nämlich der burgenländischen Kroaten, ich werde aber nicht nur aus dem
Blickwinkel meiner Volksgruppe sprechen, sondern auch aus der Sicht der
österreichischen Roma und auch der Slowaken in Österreich, die mich beide
ersucht haben, ihre Wortmeldungen hier wahrzunehmen.
Mir ist bewusst, dass der Konvent eine sehr ehrgeizige
Aufgabe übernommen hat und dass es bei der Diskussion der Verfassung im
Wesentlichen um grundsätzliche Regelungen und grundsätzliche Positionen und
Festlegungen geht, aber – und ich glaube, das werden Sie verstehen – gerade,
wenn es um die Interessen solcher Gruppen geht, wird es unvermeidlich sein,
auch näher ins Detail zu gehen, näher in Sachen einzusteigen, die nicht
unmittelbar mit der Verfassung zusammenhängen, aber doch durch die Verfassung
entscheidend und wesentlich beeinflusst werden, nämlich die Umsetzung all jener
Rechte und Möglichkeiten, die man den Volksgruppen in Österreich einräumen
möchte.
Wir leben heute in einer der wichtigsten Phasen der
europäischen Entwicklung und stehen kurz vor der Erweiterung der Europäischen
Union um zehn neue Mitgliedsländer. Neben allen politischen, sozialen und
wirtschaftlichen Aspekten rückt damit aber auch eine Frage in den Mittelpunkt,
die bisher weniger im Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Menschen verankert
war, dass nämlich zusätzliche Sprachkenntnisse durch diese Erweiterung eine
verstärkte Bedeutung erhalten. Die Wirtschaft verlangt von den
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zusätzliche Kompetenzen, zusätzliche
Qualifikationen und vor allem auch zusätzliche Sprachkenntnisse. – Damit
eröffnen sich auch neue Möglichkeiten, und gerade in den neuen Mitgliedsländern
bietet sich die österreichische Wirtschaft auch als sehr wichtiger Partner an.
Als Burgenländer erlebe ich diese Tatsache immer wieder in
der unmittelbaren Begegnung mit den Nachbarn, mit den zukünftigen
Partnerländern, und es wird auch dort immer wieder sehr geschätzt, wie sehr
Sprachkompetenz auch neue Beziehungen aufzubauen und Hindernisse viel früher zu
beseitigen hilft. Der Wert der Sprachkenntnisse steigt also allgemein, und er
wird dadurch noch verstärkt, wenn es sich um Sprachen handelt, die in den neuen
Mitgliedsländern gesprochen werden und die nicht von jedem anderen auch
beherrscht werden.
Es werden mit der Erweiterung der Union vier Sprachen der
österreichischen Volksgruppen auch Amtssprachen der Europäischen Union, nämlich
Ungarisch, Slowenisch, Tschechisch und Slowakisch. Das möge vielleicht auch ein
Licht werfen auf die mögliche Bedeutung der Sprachkompetenzen, die
österreichische Staatsbürger als natürliche Sprachkompetenz mitbringen.
In der neuen Union werden fast 8 Millionen Roma leben, also
eine gewaltige Zahl, die europaweit nach besonderen Maßnahmen für diese
Volksgruppe verlangt. Österreich hat gerade in dieser Frage eine beispielhafte
Politik gemacht, und mit der Anerkennung der Roma als Volksgruppe vor zehn
Jahren nunmehr auch Pionierarbeit geleistet. Natürlich sind auch in Österreich
noch sehr viele Maßnahmen, sehr viele Förderungen für die Roma notwendig,
insbesondere was ihre soziale Situation betrifft, insbesondere auch, was die
schulische Ausbildung der Roma betrifft. Wir haben im Burgenland durch eine
außerschulische Betreuung der Kinder erreicht, dass praktisch kein Roma-Kind
mehr als der Durchschnitt in den Sonderschulen gelandet ist – also hier sieht
man, dass man durch soziale Maßnahmen, durch sozial ausgerichtete Maßnahmen
auch sehr viel im kulturellen und bildungspolitischen Bereich erreichen kann.
Allein dieses Szenario muss für uns also als Aufforderung
gelten, der Regelung der Volks-gruppenrechte in einer neu gestalteten oder in
einer reformierten Verfassung verstärktes Augenmerk zu schenken, und ich
glaube, wir sollten das eben aus einer Position heraus diskutieren, die das
nicht als lästige Verpflichtung – nämlich die Erfüllung der Volksgruppen-rechte
– sieht, sondern es als Aufgreifen einer Chance unseres Landes betrachten.
Die natürliche Mehrsprachigkeit ist in der Zukunft ein
Kapital der gesamten Gesellschaft, das wir pflegen und stärken sollten: Mehr
Sprachen sind mehr Chancen für den Einzelnen, aber auch ein sehr veritabler
Standortvorteil für die gesamte Region.
Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Das Recht der Volksgruppen
in Österreich ist heute auf unzählige gesetzliche Grundlagen verteilt und
zersplittert: Völkerrechtliche Verträge wie der Staatsvertrag, Konventionen,
Chartas auf europäischer und globaler Ebene schreiben ebenso Minderheitenrechte
fest wie Bestimmungen in der Bundesverfassung oder in einfachgesetzlichen
Bestimmungen des Bundes und der Länder. Historisch ist diese Zersplitterung
verständlich und auch erklärbar, es ist aber eine Tatsache, dass gerade diese
Zersplitterung den rechtlichen Klauseln, die dort enthalten sind, vieles von
ihrer praktischen Wirksamkeit nimmt. Noch dazu sind die Rechte und die
Möglichkeiten für die einzelnen Volksgruppen sehr unterschiedlich ausgeprägt:
Während beispielsweise die Kroaten und die Slowenen einen wesentlich stärkeren
Rückhalt in den Gesetzen genießen als die Tschechen, Slowaken und Roma
beziehungsweise die Ungarn, haben andere Volksgruppen überhaupt noch keine
Anerkennung erfahren.
Ich möchte daher an erster Stelle unserer Vorschläge und
Forderungen an den Österreich-Konvent, an den Verfassungskonvent eine
einheitliche Regelung für alle Volksgruppen stellen: Das ist unsere wichtigste
Forderung, denn es muss vermieden werden, dass wir auch in Zukunft im Bereich
der Volksgruppen eine Zwei- oder Drei-Klassen-Gesellschaft haben.
Zum Zweiten muss es nach unseren Vorstellungen auch eine
klar definierte Zielsetzung, aber auch Verpflichtung der Republik geben, die
den Schutz und die Förderung der Volksgruppen und ihrer Sprachen sicherstellt.
Die derzeit geltende Staatszielbestimmung ist ein sehr guter Ansatz für diese
Zielrichtung, sie muss aber mit wesentlich konkreterer Wirkung auf die weitere
Gesetzgebung und Regelungsbefugnisse des Staates ausgestattet werden.
Es sollte also eine Kodifizierung des Volksgruppenrechtes
mit den von mir formulierten Zielen eines der Ergebnisse der Beratungen des
Konvents sein.
Dazu gehört auch eine grundlegende Reform des Verfahrens
zur Anerkennung von Volksgruppen. – Derzeit wird die Anerkennung durch eine
Verordnung der Bundesregierung nach vorheriger Beschlussfassung durch den
Verfassungsausschuss vollzogen, das führt oft zu unverständlich
unterschiedlichen Regelungen: Die Slowaken, die Tschechen sind als Volksgruppe
anerkannt, die österreichischen Polen, die seit Generationen in unserem Land
leben, Staatsbürger sind, seit mehr als 100 Jahren Vereine und Organisationen
betreiben, sich auch kulturell, politisch, gesellschaftlich in unseren Staat
einbringen, denen bleibt die Anerkennung versagt.
Wir verlangen daher, dass auch hier eine eindeutig
objektivierbare Regelung Platz greift und eingeführt wird, die nämlich
Kriterien erfasst, und dann durch eine unabhängige Instanz eine Anerkennung zu
bewerten ist oder eben nicht. Die Abhängigkeit vom politischen Willen der
jeweiligen Mehrheiten im Nationalrat lässt dieses objektivierbare Verfahren
derzeit nicht zu, daher sollten wir es im Sinne der Gerechtigkeit und der
Gleichbehandlung verändern und verbessern.
Ich gehe davon aus, dass sich das gesellschaftliche und
auch das politische Bewusstsein in unserem Land unter dem Eindruck der
europäischen Entwicklung doch grundlegend in die Richtung verbessert, dass
Volksgruppenrechte eben nicht als Belastung und Behinderung des Staates gesehen
werden, sondern wegen der Vielfalt der Sprachen und Kulturen als Chance und als
Startvorteil gesehen und gelebt werden.
Die Vorsitzenden und die stellvertretenden Vorsitzenden der
Beiräte der sechs in Österreich anerkannten Volksgruppen haben im Jahr 1997 ein
Memorandum verfasst und dort ihre Vorstellungen, Forderungen und Wünsche nach
Regelungen durch den Staat formuliert. Wir haben damals dieses Memorandum der Bundesregierung
und auch den Klubvorsitzenden im Parlament überreicht, und ich werde mir
erlauben, Ihnen, Frau Vorsitzende, im Anschluss eine Ausfertigung dieses
Memorandums für die weiteren Beratungen zu übergeben.
Einige Punkte aus diesem Memorandum konnten mittlerweile
einer zufrieden stellenden Lösung näher gebracht werden. In vielen anderen
Punkten aber besteht unserer Meinung nach noch sehr viel Bedarf an modernen und
wirkungsvollen Regelungen.
Eine davon betrifft auch die Vertretung der Volksgruppen selbst,
nämlich die Stärkung der Position der Volksgruppenbeiräte. Sie stehen derzeit
im Status eines beratenden und empfehlenden Organs, haben aber beispielsweise
keinen Anspruch darauf, bei beabsichtigten Neuregelungen der Gesetze oder in
der Verwaltung gehört zu werden. Dabei kann es oft auch um elementare Anliegen
der Volksgruppen gehen, wie zum Beispiel Veränderungen im Bildungswesen, in der
Behördenstruktur und vielen anderen Fragen.
Es sollte daher zumindest ein verbindliches Anhörungsrecht
für die Volksgruppenbeiräte festgeschrieben werden.
Es sollte auch festgeschrieben werden, dass die Beiräte –
oder die Volksgruppen – eine gemeinsame Vertretung, die auch mit entsprechender
Kompetenz ausgestattet wird, bilden können. Derzeit vertritt jeder Beirat seine
Volksgruppe, aber die Konferenz der Beiratsvorsitzenden beispielsweise ist ein
Gremium, das außerhalb der Gesetze gebildet wurde und dem auch aus der Sicht
einer gesetzlichen Betrachtung keinerlei Kompetenz und keinerlei Wertigkeit
zukommt.
Unser Vorschlag und unsere Forderung ist daher, dass eben
diese Konferenz der Vorsitzenden und ihrer Stellvertreter ebenfalls auf eine
gesetzliche Grundlage gestellt wird.
Meine Damen und Herren! Mir ist bewusst, dass ich mit
einigen meiner Ausführungen – wie ich schon anfangs angedeutet habe – auch in
Bereiche komme, die nicht direkt in der Verfassung ihren Platz haben. Es ist
mir jedoch ein Anliegen, Ihnen darzustellen, dass von der grundsätzlichen
Gestaltung gesetzlicher Bestimmungen sehr viel auch hineinwirkt und abhängt,
wie es dann in der praktischen Ausführung und in den ausführenden Regelungen
eben aussieht.
Ein sehr gutes Beispiel dafür ist das Bildungswesen. Wir
haben heute in den Minderheitenschulgesetzen für das Burgenland und für Kärnten
eine recht umfassende Sicherung des Bildungsangebotes für die Ausbildung in
burgenland-kroatisch, ungarisch und auch slowenisch. Es bestehen auch sehr
zaghafte Ansätze für die Unterrichtung der Sprache der Roma. Bei uns im
Burgenland gab es und gibt es einen Versuch auch in den Schulen, Roman als
Unterrichtssprache einzuführen.
Es besteht aber derzeit keinerlei Regelung und keinerlei
Anspruch in Richtung öffentliches Schulwesen für die Tschechen und für die
Slowaken. Ganz im Gegenteil: Während wir erfreulicherweise internationale
Schulen unterstützen, den Unterricht in Fremdsprachen fördern, müssen die
Tschechen und mit ihnen gemeinsam die Slowaken hier in Wien eine Privatschule
betreiben. Sie opfern dafür sehr viele private Mittel und auch die Mittel aus
der Volksgruppenförderung, um diese Schule zu erhalten. Sie verzichten damit
auf dringend notwendige Mittel für kulturelle und andere Aktivitäten, die dem
Erhalt der Sprache und der Kultur dienen sollten. Die Funktionäre des
Schulvereines der Komensky-Schule gehen dabei auch große private Risken ein,
weil sie mit ihrem privaten Vermögen – nachdem es als Verein organisiert ist –
auch für die Schule haften.
Sie werden mir sicherlich Recht geben, wenn ich diesen
Zustand als unhaltbar bezeichne und eine stärkere Beteiligung der öffentlichen
Hand, des Bundes und des Landes Wien an der Erhaltung dieser Schule einfordere.
Es laufen bereits Gespräche mit der Stadt Wien, und es
sieht so aus, dass es hier doch zu einer Bereitschaft der Stadt Wien kommt,
hier unterstützend einzugreifen. Und ich hoffe doch auch, dass der Bund hier
den Wert dieser Einrichtung und die Notwendigkeit einer Förderung anerkennt.
Es leben in Wien und in anderen Ballungszentren
beträchtliche Teile der österreichischen Volksgruppen. Hier in Wien leben Kroaten,
Ungarn, Roma, und auch für sie gibt es keinerlei Regelung und keinerlei
Möglichkeit, den Unterricht ihrer Kinder in der Volksgruppensprache zu
konsumieren.
Ich glaube daher, dass es auch hier Gespräche geben sollte,
nicht neue Bildungseinrichtungen zu schaffen, aber in bestehenden
Bildungseinrichtungen Angebote einzurichten, die eben auch eine Pflege dieser
Sprachen und das Erlernen dieser Sprachen möglich machen.
Es geht hier darum, dass wir Chancengleichheit herstellen
und dass wir der Mobilität der Menschen in unserem Lande auch Rechnung tragen,
denn es besteht halt dieses Territorial-Prinzip aus einer Zeit, wo es eben
diese Mobilität nicht gab. Heute sind die Menschen mobil und daher auch in den
Ballungszentren verstärkt vertreten.
Eine ganz wesentliche Notwendigkeit zur Erhaltung von
Sprache und Kultur ist auch die Vorschulbildung. Auch hier haben wir äußerst
unterschiedliche bis gar keine Regelungen. Das burgenländische
Kindergartengesetz sichert und garantiert die Betreuung der Kinder in den Volksgruppensprachen.
Das ist gesetzlich geregelt und auch organisatorisch und finanziell, personell
abgesichert.
Die Kärntner Slowenen hingegen müssen bisher in erster
Linie auf die Gründung von Privatkindergärten, von zweisprachigen
Privatkindergärten, zurückgreifen.
Und wenn ich ein anderes Beispiel nehme: In der Steiermark,
wo nach dem Staatsvertrag die dort lebenden Slowenen ebenfalls Anspruch auf
Schutz und Förderung haben, wird diese Verpflichtung ignoriert und negiert. Da
gibt es überhaupt nichts. Ich glaube, dass in einer Zeit wie heute, in einer
Entwicklung, wie wir sie heute erleben, das eigentlich überhaupt kein
Diskussionspunkt sein sollte.
Ich möchte abschließend auch noch auf ein Problem
hinweisen, das uns im Burgenland sehr berührt, weil wir im Burgenland auch sehr
viele Maßnahmen für die Volksgruppen auch praktisch durchführen:
Volksgruppenangelegenheiten sind Sache und Kompetenz des Bundes. Es kommen auch
die Grundsatzgesetzgebung, die Verpflichtungen, die Österreich eingegangen ist,
aufgrund bundesgesetzlicher Regelungen hinzu.
Auszuführen haben viele dieser Maßnahmen – wie zum Beispiel
das zweisprachige Schulwesen, wie zum Beispiel die zweisprachigen Kindergärten,
wie zum Beispiel die Möglichkeit der zusätzlichen Amtssprache – Länder und Gemeinden.
Und es entstehen insbesondere den Gemeinden zusätzliche Kosten: Zusätzlicher
Klassenraum, zusätzliche Aufwendungen für zweisprachigen Unterricht,
zusätzliche Materialien und Personalaufwendungen für die Amtssprache. Nur sie
werden bei der Ausführung dieser Aufgaben, bei der Erfüllung dieser Aufgaben
allein gelassen und bleiben auch mit den finanziellen Belastungen allein.
Ich glaube, dass auch hier eine vernünftige Lösung gefunden
werden müsste, wo der Bund nicht nur seine gesetzgeberische Verpflichtung
erfüllt, sondern auch begleitend die finanziellen Ressourcen bereitstellt.
Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Wir werden in den nächsten
Wochen und Monaten, aber auch in der Zukunft sehr viel über Volksgruppen zu
diskutieren haben, und ich glaube, es wird sich auch das Bewusstsein
verbreiten, dass eben Volksgruppen eine Bereicherung sind, eine Chance sind,
ein Startvorteil für die gesamte Region. Wir werden diese Erkenntnis zum
Durchbruch bringen, weil eben die Praxis und die Erfordernisse einer europäischen
Entwicklung das auch unter Beweis stellen werden.
Als burgenländischer Kroate möchte ich das so ausdrücken –
und es ist mir ein Bedürfnis, das natürlich auch in meiner Sprache zu sagen -:
ja nam svim željim da svi skupa najdemo riješenja, da budu naše narodne grupe
imale mogućnosti biti mosti u novoj Europi. Ich wünsche uns allen, dass durch
die Beratungen des Österreich-Konvents unsere Volksgruppen auch wirklich jene
Möglichkeit bekommen, ihre Aufgabe zu erfüllen, die sie als österreichische
Staatsbürger sehen, nämlich als Brücken für unser Land in einem neuen Europa zu
fungieren.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Vielen Dank, Herr Ivancsics. Darf ich als nächsten Herrn
Ernst Kulmann um seine Worte bitten – er vertritt die ungarische Volksgruppe. –
Bitte.
Ernst Kulmann: Frau Präsidentin! Meine sehr geschätzten Damen
und Herren! Über die allgemeinen Fragen haben wir eine Einigkeit erzielt
zwischen den Volksgruppen. Ich habe mir aber doch 2 Minuten vorbehalten, um
Ihnen die Situation der ungarischen Volksgruppe nicht nur in Wien, sondern auch
im Burgenland darzulegen.
Und hier bleibt im Prinzip nur ein einziger Punkt zurück,
nämlich die Frage der Förderungsmittel seitens des Bundes. Hier fühlt sich die
gesamte ungarische Volksgruppe durch das Bundeskanzleramt derart benachteiligt,
dass wir Gefahr laufen, dass es in kürzester Zeit die ungarische Volksgruppe –
ich sage es absichtlich – nicht geben wird, denn, ich glaube, es soll auch der
Sinn und Zweck der Verfassung sein, dass hier alle Volksgruppen gleich
behandelt werden.
Und ich möchte daher den Österreich-Konvent bitten, alle
verfassungsrechtlichen Vorschriften zu schaffen, welche die Gleichbehandlung
der Volksgruppen sichert.
Ich möchte, wenn es mir die Zeit erlaubt, auf zwei Dinge
zurückkommen, nämlich die Förderungsmittel werden ohne Kriterien des
Bundeskanzleramtes vergeben und dieses Fehlen der Kriterien wurde auch vom
beratenden Ausschuss des Europäischen Parlaments für Minderheitssprachen
eigentlich festgehalten und in der Entgegnung des Bundeskanzleramtes wurde auf
diese Frage überhaupt nicht eingegangen.
Ich bitte daher den Österreich-Konvent, alles zu
unternehmen, dass auch in dieser Hinsicht die verfassungsrechtlichen
Vorschriften gewährleistet werden. Und ich darf Ihnen abschließend ebenfalls
ein Memorandum der ungarischen Volksgruppe über die Volksgruppenförderung
überreichen. Ihnen, sehr geehrte Frau Präsidentin und den Präsidenten des
Österreich-Konvent. Bitte schön.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke vielmals.
Darf ich Herrn Ing. Karl Hanzl um seine Worte bitten. Er
vertritt die tschechische Volksgruppe. Bitte.
Ing. Karl Hanzl: Vazena pani predsedkyne, vazene damy, vazeni panove. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte
Damen und Herren! Erlauben Sie mir, im Namen der tschechischen Volksgruppe nur
eine Frage noch einmal darzustellen, die bereits Martin Ivancsics wunderbar
präsentiert hat.
Die Tschechen wenden sich an den österreichischen Staat in
der Geschichte sehr, sehr selten. Wir versuchen, viele unserer Probleme intern
zu lösen. Es gibt aber Fragen, die einfach auch für eine Volksgruppe nicht
lösbar sind.
Dazu gehört vor allem das Schulwesen. Die ältesten Vereine
Wiens sind vor 140 Jahren gegründet worden, blicken auch auf so eine lange
Geschichte zurück und genau so lange und wundervoll ist auch die Geschichte des
Schulwesens in Wien.
Wenn ich das bildlich darstelle, dann hat mein Großvater
erlebt, wie um die Jahrhundertwende und, etwas später - 1910 -, die
tschechischen Schulen in Wien zugenagelt wurden. Es hat meine Mutter und mein
Vater erlebt, wie vor dem und im Rahmen des zweiten Weltkrieges die Schulen
enteignet und zugesperrt wurden. Meine Generation hat nach dem Weltkrieg
erlebt, dass die Schulen nacheinander verkauft werden mussten, damit wir es uns
leisten können, überhaupt ein Schulwesen zu halten. Und wir waren vor zehn
Jahren an einem Punkt angelangt, wo im Endeffekt es wirklich am totalen Zusperren
war.
Auf die damalige Anfrage bei einer österreichischen
Institution und auch bei österreichischen Politikern um Unterstützung erhielten
wir die Antwort: Leute, so lang eure Schule nur mehr 120 Kinder hat, ist die
Tendenz, dass es die Schule nicht mehr gibt, wesentlich größer als die Chance
auf Weiterbestand.
Wir haben in den letzten zehn Jahren es geschafft, weil wir
diese Antwort nachvollziehbar gefunden haben, uns vor allem selbst zu helfen,
und durch verschiedenste Maßnahmen und enormen persönlichen Einsatz diese Zahl
von 120 Kindern auf 360 Kinder zu verdreifachen. Die Schule platzt aus allen
Nähten und wir werden im nächsten Jahr maturieren, nach 60 Jahren
Unterbrechung.
An dieser Stelle ein großer Dank an die Frau
Unterrichtsministerin, die auch hier groß mitgetan hat und mitgewirkt hat, dass
diese Matura wieder gelingt.
Aber Faktum bleibt, dass eine Volksgruppe das Schulwesen
nicht erhalten kann.
In diesem Falle ist zwar eine Lösung in unseren
Staatszielbestimmungen angesagt und niedergeschrieben, aber nie erreicht
worden. Das heißt, ich ersuche den Konvent um eine derartig weise Fassung in
der neuen Verfassung, die nicht nur Ziele über 100 Jahre versucht zu
formulieren, sondern auch dazu etwas bewirkt, dass diese Ziele erreicht werden
können. Sonst bleiben die österreichischen Staatsbürger, die tschechisch
pflegen wollen und dazu auch die Schule benötigen, im Bereich der Schulbildung
und des Schulwesens Staatsbürger
zweiter Klasse. – Herzlichen Dank.
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents
Angela Orthner: Danke, Herr Ing. Hanzl. Ich bitte Herrn Dr. Marjan Sturm
um seine Worte. Er vertritt die slowenische Volksgruppe.
Dr. Marjan Sturm: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Ich möchte einleitend darauf hinweisen, dass die Vorsitzenden und
Stellvertreter der Beiräte in Kooperation mit der Abgeordneten Frau Stoisits diesen Montag eine Beratung
mit allen repräsentativen Organisationen der österreichischen Volksgruppen durchgeführt
haben, sodass die Meinungen, die wir heute hier wiedergeben, auf einem
weitestgehenden Konsens innerhalb der repräsentativen
Volksgruppenorganisationen beruhen.
Ich möchte zu der heutigen Diskussion zusammenfassend
Folgendes sagen. Wir glauben, dass es um drei Bereiche geht, die der Verfassungskonvent
diskutieren sollte. Zum Einen: Es geht hier um die strukturellen Fragen,
nämlich der Vereinheitlichung der Gesetzeslage. Wir haben hier eine
zersplitterte Gesetzeslage, angefangen vom Staatsgrundgesetz von 1867, dessen
Geltung unklar ist, bis hin zum Vertrag von Saint Germain, zum Staatsvertrag von 1955, der wiederum nur zwei
Volksgruppen berücksichtigt, bis hin zur Staatszielbestimmung, die im Jahr 2000
verabschiedet worden ist.
Ich glaube, dass es
darum geht, hier eine Vereinheitlichung vorzunehmen und in einem
Grundrechtskatalog neu zu formulieren.
Zweitens: Inhaltlich, glaube ich, geht es darum, dass
natürlich alle bisherigen Rechte dort zusammengefasst werden sollten, alle
Garantien zusammengefasst werden sollten, wobei auch die Judikatur des
Verfassungsgerichtshofes berücksichtigt werden sollte. Man sollte diese
Judikatur auch in den Erklärungen bzw. den Erläuterungen festschreiben.
Drittens, glaube ich, geht es darum, dass wir im 21.
Jahrhundert auch darüber nachdenken, wie könnte man Volksgruppenrechte
modernisieren und der neuen Zeit anpassen.
Es geht hier einerseits darum, dass zum Beispiel der
Artikel 7 des Österreichischen Staatsvertrages aufgrund der
Entstehungsgeschichte natürlich nicht auf die Kindergärten gedacht hat, auch
nicht daran gedacht hat, dass Medien in einer modernen Gesellschaft eine
wichtige Rolle spielen.
Ich glaube, hier ist ein Adaptierungsprozess notwendig ist,
und diese Bereiche müssten in einer neuen Kodifizierung berücksichtigt werden.
Es wird von einzelnen Organisationen auch bemängelt, dass
Volksgruppenrechte auf der einen Seite Individualrechte sind, dass aber auf der
anderen Seite die Durchsetzung dieser Rechte mitunter äußerst schwierig ist (z.
B. zweisprachige Ortstafeln). Deswegen fordern einige Organisationen das so
genannte Verbandsklagerecht, das heißt, das Recht, dass auch Organisationen
sich an den Verfassungsgerichtshof wenden können sollen.
Ich glaube, dass das durchaus ein diskussionswürdiger Punkt
ist und ich meine, dass der Konvent darüber ernsthaft diskutieren sollte.
Die vierte Dimension, die mir aber wichtig erscheint, ist
tatsächlich die europäische Dimension. Martin Ivancsics hat bereits darauf
hingewiesen und ich persönlich möchte dazu Folgendes sagen: Wir alle sind
Österreicher, aber wir alle werden uns daran gewöhnen müssen, dass mit der Zeit
zu unserer Identität auch noch die europäische Identität hinzukommen wird. Das
heißt, wir alle werden eine multiple Identität, eine mehrfache Identität haben.
Und ich glaube, dass es dabei notwendig ist, Vorurteile,
die in unseren Köpfen und in unseren fiktiven Rucksäcken vorhanden sind,
abzubauen. Universitätsprofessor Larcher hat das so dargestellt. In ethnisch
gemischten Gebieten gibt es zwei Mentalitäten: Das so genannte legitimistische
Geschichtsverständnis der Mehrheit, die sagt, im Zusammenleben haben wir immer
alles Recht gemacht und - auf der anderen Seite - das heroische
Geschichtsverständnis von Minderheiten, die sagen, wir waren immer Opfer, wir
wurden immer geschlagen. Beide Mentalitäten müssen wir überwinden.
Und ich glaube, dass gerade diese europäische Dimension,
die Tatsache, dass vier Volksgruppensprachen europäische Amtssprachen werden,
die Tatsache, dass diese Sprachen, die bisher Sprachen der Kultur und der
Folklore waren, jetzt auch eine Funktion in der grenzüberschreitenden
Kooperation, in der Wirtschaft und in der Verwaltung bekommen werden. Es ist
interessant, dass in Slowenien aufgrund ihrer Sprachkompetenz mehr Kärntner
arbeiten als Slowenen aus Slowenien in Kärnten.
Also hier ergibt sich eine neue Dimension, eine neue
Entwicklung. Und ich glaube, dass man diese Entwicklungen, so weit das möglich
ist - ich bin kein Verfassungsjurist -,
auch in einem Verfassungskonvent berücksichtigen sollte. Eine neue
Verfassung sollte im Sinne der bereits beschlossenen Staatszielbestimmung
berücksichtigen, dass in Österreich eine historisch gewachsene sprachlich
kulturelle Vielfalt beheimatet ist
und diese Vielfalt trägt jeder von uns auch in sich. Niemand ist mehr
eindimensional in seiner Identität. Durch die europäische Integration wird
diese Tendenz noch verstärkt werden. Daraus ergibt sich z.B. die Notwendigkeit
über die Sprachenpolitik des Staates nachzudenken, wobei die
Volksgruppensprachen eine neue Funktion bekommen werden. In diesem Sinne
wünsche ich dem Konvent ein erfolgreiches Wirken und ich darf mich recht
herzlich für die Aufmerksamkeit bedanken.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Vielen Dank, Herr Dr. Sturm, Ihnen und den Herren, die zu
den Volksgruppen gesprochen haben. Ich bedanke mich auch bei denen, die zwar
anwesend sind, aber nicht gesprochen haben, beim Vertreter der slowakischen
Volksgruppe und beim Vertreter der Volksgruppe der Roma.
Damit haben wir den Bereich der Volksgruppen in der
Anhörung beendet. Wir werden im Anschluss an die noch folgende Anhörung auch
darüber diskutieren. Vielen Dank für Ihre Beiträge in mündlicher und in
schriftlicher Form.
Ich darf überleiten zu den beiden Vertretern der
Menschenrechtsorganisationen und Herrn Univ. Prof. Dr. Hannes Tretter bitten,
von der Liga der Menschenrechte seine Erklärung abzugeben. Bitte!
Dr. Hannes Tretter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte
Damen und Herren! Ich darf im Namen der österreichischen Liga für Menschenrechte
eine Reihe von Anregungen und Vorschläge an den Österreich-Konvent übermitteln,
die auch schriftlich vorbereitet sind, und die ich gleich vorlegen möchte.
Danke schön.
Österreich hat eine Reihe, was heißt eine Reihe, eine
Vielzahl der internationalen und europäischen Menschenrechtskonventionen
unterzeichnet und ratifiziert. Allerdings nicht alle in der nach der Auffassung
der Liga gebotenen Form auf verfassungsrechtlicher Ebene. Sehr viele
Konventionen sind auf einfacher gesetzlicher Ebene in die österreichische
Rechtsordnung aufgenommen worden. Einzelne sind, mit speziellen
Verfassungsbestimmungen, speziell transformiert worden. Beispielhaft ist die
europäische Menschenrechtskonvention zur Gänze im Verfassungsrang in die
österreichische Rechtsordnung integriert worden. Wir schlagen vor, zu überlegen
die spezielle Transformation einer Reihe internationaler und europäischer
Menschenrechtsübereinkommen, eine genaue Analyse, welche Bestimmungen speziell
transformiert werden sollten, um den völkerrechtlichen Verpflichtungen
Österreichs, die mit der Ratifizierung dieser Konventionen übernommen wurden,
auch innerstaatlich besser Genüge zu tun. Dazu zählt die europäische
Datenschutzkonvention, das europäische Rahmenübereinkommen zum Schutz
nationaler Minderheiten, auch die UNO-Rassendiskriminierungskonvention, auch
wenn es ein Spezial-BVG dazu bereits gibt, die UNO-Frauenrechtekonvention und
insbesondere auch die UNO-Kinderrechte-Konvention. Auch an eine Implementierung
und Orientierung, wie es der Österreich-Konvent hier plant, der Europäischen
Grundrechtecharta kann gedacht werden.
Der zweite Punkt betrifft, wie heute auch schon
angesprochen, die Implementierung und die Frage der verfassungsrechtlichen
Gewährleistung sozialer und wirtschaftlicher Rechte, wobei sich immer wieder in
der Diskussion, auch der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, die Frage nach
ihrer Durchsetzbarkeit stellt. Maßgabe für die Beurteilung und für die
Überlegungen, welche sozialen und wirtschaftlichen Rechte für eine
Implementierung in Frage kommen, sind zweifellos die europäische Sozialcharta
und der UNO-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die in
Österreich mit Durchführungsvorbehalt auf einfach-gesetzlicher Ebene
transformiert sind.
Ich darf mir erlauben zu sagen, dass mich die Diskussion
und die Infragestellung, wieweit soziale Grundrechte justiziabel sind, immer
wieder sehr verwundert hat. Hat doch Österreich, genauso wie viele andere
europäische Staaten ein wohl geknüpftes, oft sehr dichtes soziales Netz, dass sich
in subjektiven Rechtsansprüchen im Arbeits- und Sozialrecht niederschlägt. Und
so betrachtet scheint es mir durchaus möglich zu sein, zentrale, elementare
Bestimmungen dieser menschenrechtlichen Konventionen auch auf
verfassungsrechtlicher Ebene durchsetzbar vorzusehen. Natürlich gibt es einige
soziale, wirtschaftliche Rechte, die in einer marktwirtschaftlich organisierten
Gesellschaft, Wirtschaft, nicht leicht oder vielleicht gar nicht durchsetzbar
sind, etwa das Recht auf Arbeit. Jedoch kann ich mir hier ohne weiteres
vorstellen, dass durch die Einräumung prozessualer Garantien, durch quasi
vorgelagerte oder in engem rechtlichen Zusammenhang stehende andere Ansprüche
auch gleichsam flankierend ein Schutz zentraler, sozialer Grundrechte möglich
ist.
Ein Beispiel: das Recht auf Arbeit quasi flankierend mit
abzusichern in einem Vorfeld durch einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf
Zugang zum staatlichen Arbeitsmarktservice, mit der Verpflichtung des Staates
eine solche Dienstleistung der Gesellschaft jederzeit zur Verfügung zu stellen.
Befürchtungen, dass der Verfassungsgerichtshof hier nicht
imstande sein könnte, entsprechend zu entscheiden oder ihm mehr oder weniger
hier noch mehr die Funktion eines Quasi-Gesetzgebers zugespielt wird, möchte
ich mit dem Argument begegnen, dass in der Judikatur des
Verfassungsgerichtshofes der Ermessensspielraum, der dem Gesetzgeber zur
Verfügung steht, stets ein - und wohltreffliches - Argument gewesen ist, dass
in diesem Zusammenhang, glaube ich, Erwähnung finden sollten, um zu zeigen,
dass soziale Grundrechte auch unter Beachtung dieses Ermessungsspielraumes
durchaus justiziabel erscheinen.
Dritter Punkt, heute schon mehrfach angesprochen,
Neukodifikation des Schutzes der Volksgruppen. Ich möchte mich daher hier sehr
kurz halten unter Einschluss des europäischen Rahmenübereinkommens zum Schutz
nationaler Minderheiten und auch der europäischen Sprachencharta. Ich begrüße
sehr Vorschläge, wie sie heute auch schon gekommen sind, für die
verfassungsrechtliche Verankerung eines Anerkennungsprozesses für – und nun
möchte ich sagen – neue Minderheiten. Das sind nach der Ansicht der Liga
Minderheitenangehörige mit österreichischer Staatsangehörigkeit ab der dritten
Generation, etwa der dritten Generation, die wohl als ständig ansässig,
traditionell ansässig in Österreich angesehen werden können und daher nach
Auffassung der Liga durchaus auch den Anspruch haben, zusätzlich zu den
autochthonen Minderheiten den Volksgruppenschutz genießen zu können.
Die österreichische Liga für Menschenrechte würde die
Verankerung eines Rechts auf Asyl in der Verfassung sehr begrüßen,
einschließlich auch bestimmter zentraler, materieller Rechte der Genfer
Flüchtlingskonvention, wie zum Beispiel des Rechts auf Versorgung der
Flüchtlinge. Ich glaube, gerade in der heutigen Zeit, ein durchaus brisantes
Thema. Die Liga spricht sich auch für Überlegungen aus, ein nach der
Aufenthaltsdauer gestaffeltes Wahlrecht für Ausländer auf insbesondere
Gemeinde- und Landes-, aber vielleicht auch auf Bundesebene einzuführen.
Zentral scheint der Liga auch die Verankerung des 12. Zusatzprotokolls zur
europäischen Menschenrechtskonvention eines allgemeinen Rechts auf
Nicht-Diskriminierung, auf Gleichbehandlung zu sein. Der Ratifizierungsprozess
in Österreich ist noch nicht abgeschlossen. Die Liga plädiert für eine
verfassungsrechtliche Verankerung dieses 12. Zusatzprotokolls. Unterschiede
zwischen Staatsangehörigen und Ausländern können nach unserer Auffassung
durchaus über das Argument der sachlichen Rechtfertigung vorgenommen werden.
Nun noch ein paar kurze Anmerkungen, Anregungen zur
Verbesserung des Grundrechtsschutzes. Die österreichische Liga spricht sich für
die verfassungsrechtliche Ansiedelung eines neu organisierten, neu
strukturierten Menschenrechtsbeirates beim Nationalrat aus. Der
Menschenrechtsbeirat, der nur dem Nationalrat verantwortlich sein soll und im
Sinne des zweiten Fakultativ-Protokolls zur UNO-Konvention gegen Folter, von
Österreich auch ratifiziert, so gestaltet sein soll, dass dieser
Menschenrechtsbeirat die Anhaltung von Menschen durch Sicherheitsorgane, aber
auch im Bereich der Justiz, aber auch durch sonst ermächtigte Organe,
Institutionen und Personen überwachen, überprüfen und präventiv begleiten soll.
Denken Sie etwa an die Anhaltung von Personen beim Heer, in Krankenhäusern, in
psychiatrischen Anstalten, in Altenheimen, ja auch in Jugendheimen, Stichwort
wäre hier, Personen zu schützen, die sich in besonderen Rechtsverhältnissen
beziehungsweise besonderen Gewaltverhältnissen befinden. Und Erfahrungen der
Menschenrechtskommissionen – ich bin auch ein Mitglied einer
Menschenrechtskommission –, des Beirates, haben gezeigt, dass etwa in privaten
Flüchtlingsheimen mit den dort untergebrachten ausländischen Menschen in einer
unmenschlichen, unwürdigen Art und Weise verfahren wird, so dass wir uns
wünschen würden, wenn wir die Kompetenz erhielten, auch diese Missstände
aufzeigen zu können. Ein beim Nationalrat angesiedelter Menschenrechtsbeirat
sollte auch die Aufgabe bekommen, dem Nationalrat wie dem Bundesrat, aber auch
Bundesregierung und Bundesministerien in menschenrechtlichen Angelegenheiten
auf Anfrage zu beraten, aber auch selbständig Vorschläge zu erstatten, Berichte
vorzulegen, Gutachten zu verfassen. Ein umfassendes Einsichts- und
Auskunftsrecht bei allen Behörden und ermächtigten Organen im Bereich der
persönlichen Gewalt- und Rechtsverhältnisse wäre für eine wirkungsvolle
Wahrnehmung dieser Kompetenz essentiell. Auch ein Recht zur Antragstellung auf
Normenkontrolle beim Verfassungsgerichtshof sollte vorgesehen werden. Darauf
komme ich dann gleich nochmals zurück.
Nächster Punkt: Es ist eine alte Diskussion, ob der
Verfassungsgerichtshof zuständig gemacht werden soll, auch Entscheidungen des
Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichteshofes auf
Grundrechtskonformität zu überprüfen, so wie in anderen Staaten auch.
Die Liga spricht sich nunmehr dagegen aus, aber möchte
alternativ den Vorschlag machen und die Überlegung in den Raum stellen, ob es
nicht auch Sinn machen würde, insbesondere unter dem Aspekt eines kürzeren
Verfahrens, Verwaltungsgerichtshof und Obersten Gerichtshof zu Grundrechtsgerichtshöfen
zu machen, die jeweils für die sonstigen Zuständigkeiten auch die Aufgabe
erhalten, die Grundrechte zu wahren, was unserer Auffassung nach eine
entsprechende organisatorische und auch personelle und ausbildungsmäßige
Vorbereitung der beiden Gerichtshöfe auf diese Aufgabe notwendig machen würde.
Dadurch käme es zu einer Entlastung des
Verfassungsgerichtshofes, dessen Normkontrollfunktion im Gegenzug ausgeweitet
werden sollte. Durch ein individuelles Antragsrecht auf Normenkontrolle nach
Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes oder des Obersten Gerichtshofes,
wenn die Verfassungswidrigkeit der präjudiziellen Bestimmungen in Verfahren vor
dem OGH und dem VfGH behauptet wird, durchaus verknüpft mit der Möglichkeit
einer Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof im Falle der
Aussichtslosigkeit oder im Fall des Umstandes, dass die Rechtsfrage
ausjudiziert ist.
Eine Normenprüfungskompetenz sollte der
Verfassungsgerichtshof erhalten auch auf Antrag des Menschenrechtsbeirates und
vielleicht ein bisschen ein visionärer Vorschlag, zu überlegen, ob es nicht
auch durchaus im Sinne eines effizienten Grundrechtsschutzes Sinn machen würde,
dem Verfassungsgerichtshof eine präventive Normenkontrolle einzuräumen. Ich
halte es oft für sehr unerträglich, dass, weil es politisch opportun ist, weil
es geschwind gehen muss, Gesetze in Kraft gesetzt werden, bei denen die Frage
der Verfassungsmäßigkeit der Grundrechtskonformität nicht wirklich sauber
geprüft worden ist und es erst zahlreicher Verfahren bedarf, um den Verfassungsgerichtshof
in die Lage zu versetzen, den Gesetzgeber hier insoweit zu korrigieren. Sehr
viele Menschenrechtsverletzungen könnten vermieden werden, wenn durch eine
präventive Normenkontrolle durch den Verfassungsgerichtshof begegnet werden
könnte. Antragsberechtigt etwa ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates
oder Bundesrates, aber auch der Menschenrechtsbeirat.
Nächster Punkt: Einführung von Verbandsklagen, Public
Interrest Motions auf verfassungsrechtlicher Ebene auch vor den Höchstgerichten
und zwar im Interesse von gefährdeten Personengruppen durch nichtstaatliche
Organisationen, die sich dem Schutz dieser Gruppen verschrieben haben, um
Grundrechtsverletzungen geltend machen zu können, die typisch auftreten und
gehäuft auftreten, weil, wie die Erfahrung zeigt, sehr viele Betroffene solcher
gefährdeter Gruppen häufig nicht in der Lage sind, nicht über die finanziellen Mittel verfügen oder bereits
außer Landes sind, und daher ihre Rechte nicht entsprechend erstreiten können.
Auch eine Verankerung der Möglichkeit, für Interessenvertretung kollektive
Rechtsansprüche beziehungsweise objektives Recht durchzusetzen, etwa im
Volksgruppenbereich durch Realisierungen des Rechts oder Geltendmachung des
Rechts auf topografische Aufschriften, wäre zu überlegen.
Verbesserung des Rechtsschutzes im Bereich von
Datenerfassung und Überwachungstechnologien durch die Einrichtung einer
Ombuds-Person, die auch die entsprechenden technischen Mittel zur Verfügung
gestellt bekommt, präventive und nachprüfende effiziente Kontrolle, vielleicht
auch stichprobenweise ausüben zu können. Wissen wir, was mit der Aufbewahrung
von Daten bei den Handy-Betreibern passiert? Ich muss gestehen, ich weiß es
nicht.
Regeln über Staatshaftung bei Grundrechtsverletzungen in
Anlehnung an die EUGH-Rechtsprechung zur Staatshaftung. Eine Tagung der
österreichischen Juristenkommission hat kürzlich die Notwendigkeit deutlich
gemacht, über diese Frage nachzudenken.
Ich bin sofort, wenn mir noch eine Minute erlaubt ist, am
Ende.
Eine zentrale Frage – Umsetzung von Urteilen des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Derzeit gibt es nur im
staatsrechtlichen Bereich entsprechende Bestimmungen, nicht aber für den zivil-
und verwaltungsrechtlichen Bereich. In meinen Augen ein nicht sehr tragbarer
Zustand, dass es in Österreich schwierigst ist, in vielen Fällen Urteile des
Gerichtshofes für Menschenrechte, in denen jemand gewonnen hat, auch
umzusetzen, im Sinne einer Restitutio integrum.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch eine letzte
Anregung machen, die für die österreichische Realität sicherlich sehr, sehr
weit ist, aber im Sinne des Nachdenkens in die Zukunft, im Sinne der
Herausforderungen, die sich durch die Globalisierung stellen und auch durch
eine europäische Erfahrung, die wir in der letzten Zeit gemacht haben,
nachzudenken über – nämlich auch für den Schutz der Menschenrechte – eine
verfassungsgesetzliche Regelung der vierten und fünften Gewalt in Staat und
Gesellschaft, nämlich Medien und Wirtschaft im Sinne von Gewaltenteilung und
Gewaltenkontrolle vor allem durch die Erlassung von
Unvereinbarkeitsbestimmungen und Gefährdungen von Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten begegnen zu können. – Vielen Dank.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Professor Trettner.
Ich darf Herrn Mag. Heinz Patzelt, Generalsekretär von
Amnesty International bitten.
Mag. Heinz Patzelt: Geehrte verfassungsinteressierte Menschen!
Vielleicht statt Kritik an den vielen verwaisten Namenstaferln Bewunderung für
die, die es immerhin schaffen, 30 oder 35 Standpunkte an einem Tag zu verdauen,
an die relativ wenigen.
Es ist erfreulich, wenn Menschenrechtsorganisationen wie
Amnesty oder die Liga hier eingeladen werden, über die Verfassung, das
österreichische Grundgerüst zu sprechen. Menschenrechte sind nicht ein ethisch
nebuloses Thema, das so irgendwie über den Staaten schwebt. Menschenrechte
sollen Grundlage dessen sein, was die Staaten tun und was andere tun. Ich halte
das für ein sehr wertvolles und richtiges Signal.
Lassen Sie mich ein bisschen unsystematisch und rasch – ich
möchte Sie nicht zu lange langweilen – einige Punkte ansprechen, ich habe mich
mit Herrn Prof. Trettner abgestimmt, Dinge, die wir doppelt erwähnen,
erscheinen uns doppelt und dreifach bedeutsam.
Menschenrechtsbeirat in der Weiterentwicklung.
Menschenrechtliche Kontrolle ist ein ganz zentrales Element für ein
funktionierendes Staatswesen. Wir haben die Gerichte und deren Bedeutung und deren Mandat
möge um Gottes Willen unangetastet bleiben. Daneben braucht es aber
strukturelle Verbesserungen.
Der Menschenrechtsbeirat hat trotz seines – vorsichtig
formuliert – recht inkompletten Mandates beachtliches geleistet bisher. Er
stößt an Grenzen, er gehört ausgedehnt auf den Justizbereich, er gehört
ausgedehnt auf andere Bereiche, wo Menschen nicht mehr selbstbestimmt leben
können, wo Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt sind oder werden müssen.
Wir plädieren für eine Anbindung an den Nationalrat, damit Erweiterung der
Unabhängigkeit, Ausdehnung auf die Bereiche Justiz, Psychiatrie,
Krankenaltenpflege und eine entsprechende Verankerung dort.
Sollte es gelingen, die Volksanwaltschaft, die beachtliches
leistet, deren Besetzungsmodus wir aber kritisch gegenüber stehen in ihrer doch
sehr engen Anbindung an Parteivorschläge. Sollte es gelingen, diese
Volksanwaltschaft umzugestalten in dem, glaube ich, mustergültigen Beispiel der
Art und Weise der Schaffung des Rechnungshofes und Wahl ihrer Präsidentin oder
ihres Präsidenten, dann können wir uns auch vorstellen, dass man diese beiden
Institutionen Volksanwaltschaft neu, Menschenrechtskommission schlussendlich
zueinander führt und zu einem umfassenden Schutzorgan macht, einerseits für
Einzelfallbeschwerden, das ist die primäre Charakteristik, und der
Volksanwaltschaft strukturelle proaktive Analyse, vorhersehbare
Fehlervermeidung durch eine Menschenrechtskommission, das wäre sicherlich auch
im Sinn einer schlanken Institutionalisierung. Bedingung wäre aber wohl eine
Anpassung und Modernisierung der Volksanwaltschaft in ihrer Bestellung.
Ein zweiter wesentlicher Punkt: Asylrecht in die
Verfassung. Die Verfassung soll einen Grundrechtskatalog haben, was sehr
erfreulich ist. Wir stehen der Idee von Staatszielbestimmungen mehr als nur
kritisch gegenüber. Erlauben Sie mir den österreichischen Ausdruck.
Staatszielbestimmungen sind ein wenig zum Krenreiben, das, was in den
Grundrechtskatalogen - in den
einklagbaren - steht, das ist wirklich Recht, das verwirklicht wird.
Das Asylrecht führt in seinem grundlegenden Gedanken genau
dorthin, zumindest der Artikel 1a2 der Genfer Flüchtlingskonvention.
Artikel 33 der genauen Beschreibung des Flüchtlingsbegriffes des so genannten
Refoulementschutzes, gehören in so einen Grundrechtskatalog hinein. Das würde
vielleicht auch helfen. Lassen Sie mich diesen kleinen kritischen Exkurs
machen.
Wenn ich mir die Diskussion der vergangenen Monate
anschaue, würde vielleicht einigen helfen, Asylrecht als Asylrecht zu
begreifen, nicht mehr mit der notwendigen Migrationspolitik zum Unwort
Asylpolitik zu vermischen und Asylrecht, von dem ich bisher dachte, dass es,
weil es international verankert ist, weil Österreich zu seinen internationalen
Verpflichtungen steht, unantastbar ist in Österreich. Leider sehen wir, dass
dem nicht so ist, vielleicht würde das manche wieder auf die richtige Bahn
zurück bringen. Deswegen ist es wichtig, das Asylrecht in die Verfassung hinein
zu nehmen.
Ein nächster Gedanke Menschenrechtsbildung. Hier leistet
Österreich beachtliches, vieles passiert aber freiwillig. Ein ernst zu
nehmendes Recht auf Bildung, das es in unserer Verfassung gibt und auch
zukünftig geben wird, da habe ich keinen Zweifel, gehört um die ganz wichtige
Staatsaufgabe, junge Menschen, erwachsene Menschen menschenrechtlich
auszubilden erweitert. Ein Gedanke, der dorthinein zu nehmen ist.
Kinderrechtskonvention. Eines der zentralsten
menschenrechtlichen Schutzinstrumente in Österreich: Einwandfrei oder fast
einwandfrei respektiert, auch das ist ein Bereich, den ich gesondert erwähnen
will. Hier gehören die Ideen, die im Artikel 3 der Kinderrechtskonvention
verankert sind, wohl in einen Grundrechtskatalog der Verfassung in geeigneter
Form transponiert. Das ist nicht eins zu eins wörtlich zu übernehmen, aber die
spezifischen besonderen Rechte von Kindern gehören in der Verfassung auch in
einem Grundrechtskatalog wieder verankert.
Antidiskriminierung. Das, was gerade zu diesem Thema
parlamentarisch und vorparlamentarisch abläuft, ist aus unserer Perspektive
leider eine lächerliche Peinlichkeit, was hier an Nichtumsetzung und nicht
zukunftsorientierter Umsetzung passiert. Für uns wäre sehr, sehr wesentlich,
den Gleichstellungsgedanken, den unsere Verfassung hat und der ein sehr
wertvoller und wichtiger ist, grundsätzlich umzudenken von der primären
Ausrichtung auf Staatsbürger und Staatsbürgerinnen und EU-Bürger und
-Bürgerinnen zu verändern, grundsätzlich den Menschen in den
Gleichheitsgedanken hineinzustellen und nur dort, wo das sachlich
gerechtfertigt ist - und es gibt ganz sicher Bereiche, wo das so ist -,
Staatsbürger und Staatsbürgerinnen als gleichere unter gleichen herauszunehmen
und es nicht so zu machen, wie es derzeit ist.
Ein nächster kleiner Gedanke: Medienfreiheit, vielleicht
noch stärker und besser abzusichern als es derzeit ist. Im Rahmen der
Medienfreiheit möchte ich auf ein Spezifikum hinweisen. Unserer Meinung nach
ist ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der nicht nur unabhängig, sondern
offensichtlich unabhängig ist, der mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet
ist, ein ganz wesentliches, Menschenrechtsbildungs-, aber auch
Menschenrechtskontrollorgan.
Wenn ich an eine BBC denke, die höchst kritisch über die
britische Beteiligung an einem völkerrechtswidrigen Irak-Krieg berichtet hat,
dann ist das ein Punkt, wo ich wirklich auch menschenrechtskritische Arbeit
eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks sehe. Das ist etwas, was wir bei allem
Respekt vor privaten Rundfunksendern typischerweise nicht von dort bekommen
werden. In diesem Sinne bitte darüber nachzudenken, ob das nicht etwas ist, was
so grundlegend ist, dass es sich hier in der Verfassung noch klarer
widerspiegeln sollte.
Generelle Überlegungen. Eine schlanke, entschlackte
Verfassung ist ein guter Anspruch, damit wird sie lesbar, begreifbar und das
ist sicher für viele Menschen wichtig, wenn die dabei frei werdenden Energien
und Ressourcen dazu genützt werden, Menschenrechtsschutz als zentrale
Staatsaufgabe nicht nur grundsätzlich anzuerkennen – wer wird dem schon
widersprechen – sondern wirklich klar widerspiegeln, dann wäre das ein
wesentlicher Schritt nach vorne.
Wirtschaftliche, soziale, kulturelle Rechte. Hier haben
alle, die wir Jus studiert haben, gelernt, dass das so etwas anderes ist als
bürgerlich politische Freiheitsrechte. Dass es hier prinzipielle Unterschiede gäbe.
Ich bin überzeugt, dass es bei der versammelten Jurisprudenz dieses Konventes
möglich sein müsste, diesen traditionellen Unterschied zu überwinden.
Wirtschaftliche, soziale, kulturelle Rechte gleichermaßen individuell
einforderbar und klar in einem Grundrechtskatalog zu verantworten und nicht
irgendwo in Staatszielbestimmungen langsam vor sich hindämmern zu lassen.
Sollte es am Schluss gelingen, diese Rechte auch
individuell einklagbar zu stellen, dann wäre das, was diesem Konvent gelungen
ist, wirklich ein großer Wurf, der für Europa und für die Welt herzeigbar wäre.
Ich bin überzeugt, dass das bei gutem Willen machbar ist. Das liegt daran, die
Dinge in dieser Richtung anzupacken, dann wäre auch menschenrechtlich ein
wirklich großer Wurf gelungen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, wir stehen
Ihnen gerne für Rat und Tat in den Ausschüssen zur Verfügung.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Vielen Dank, Herr Generalsekretär. Wir haben damit die
Anhörung beendet und treten in die Diskussion ein.
Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr
Professor Dr. Brauneder. Ich bitte ihn um seine Wortmeldung.
MMag. Dr. Willi Brauneder‡: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Präsidium!
Meine Damen und Herren! Würden die Namenstafeln tatsächlich zur Identifikation
dahinter sitzender Personen beitragen, würde ich ein paar Worte mehr verlieren,
so kann ich mich etwas kurz fassen vor dieser nahezu seminaristischen
Veranstaltung fast nur von Konvent-Mitgliedern.
Dennoch der Dank an die Organisatoren vor allem und eben an
alle jene, die uns heute ihre Gedanken nahe gebracht haben. Ich glaube, es hat
unseren Horizont doch sehr erweitert.
Was ich etwas näher ausgeführt hätte, was ich aber nicht
tun möchte, wäre eben der Hinweis, dass ein bisschen gar zu viel Euphorie im
Hinblick auf die Verfassungsgestaltung an sich nicht so ganz am Platz wäre,
denn nicht nur der Verfassungstext macht so zusagen die Verfassung im weiteren
Sinn, sondern auch das, was man daraus macht.
Weil das Recht auf Bildung zuerst erwähnt worden ist,
möchte ich mich nur mit einem Beispiel begnügen. Das soziale Grundrecht auf
Bildung oder die Staatszielbestimmung, der Staat möge die Bildung fördern,
würde die Bildung sicher nicht fördern oder ist an sich nicht geeignet, das
Bildungsniveau zu heben oder ein sinkendes Bildungsniveau, wie etwa in
Deutschland, möchte ich hinzufügen, zu verhindern, wenn unterrichtet wird von
desillusionierten Lehrern auf Grund verflachter Studienpläne. Verfassung ist
nicht alles, das wollte ich mit diesem Beispiel sagen.
Eine Veranstaltung wie diese zeigt natürlich ein Spektrum
von Interessen auf. Ein bisschen Unbehagen habe ich allerdings dann, wenn
vielleicht die eine oder andere Wortmeldung so ausgelegt oder verstanden werden
könnte, dass man große Hoffnungen darin setzt, dass die Interessen der
20-Jährigen nur von 20-Jährigen, von 40-Jährigen nur von 40-Jährigen und so
weiter fiktiv bis zu den Hundertjährigen hin vertreten werden könnten.
Eine derartige Sicht der Demokratie vielleicht sogar von
diesen Interessen aus zu agieren und zu meinen, nur Männer könnten
Männerinteressen vertreten und vice versa, würde meinen Geschmack nicht finden.
Es gibt Beispiele genug aus der Geschichte, dass ein
derartiges ständisches Denken, seien es Berufsstände oder andere, jedenfalls
ein derartiges Interessendenken letztendlich keinen Erfolg zeitigt. Nicht nur
weil es schwierig ist, die Interessen zu definieren, weil es zu einer
Gewichtung der Interessen kommt und weil schließlich und endlich dann
Interessen gegen Interessen prallen. So meine ich, dass wir doch sehr gut
beraten sind, diese Interessenvorschläge als Ratschläge aufzunehmen, nicht aber
etwa Vorsorge treffen sollen für Institutionen in der Verfassung. Denn für mich
wäre noch immer das höchste Prinzip jenes der repräsentativen Demokratie. Danke
schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler (übernimmt den Vorsitz): Danke, Herr Professor Brauneder. Als nächster zu Wort
gemeldet ist Herr Professor Dr. Bernd-Christian Funk. Ich darf
auf die fünf Minuten Redezeitbeschränkung aufmerksam machen. Bitte, Herr
Professor.
Dr. Bernd-Christian Funk: Danke Herr
Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die meisten Anregungen und Wünsche
des heutigen Tages richten sich an die Adresse der Ausschüsse IV (Grundrechtskatalog)
und I (Staatsaufgaben und Staatsziele). Ich möchte über grundrechtliche
Perspektiven sprechen.
Das Mandat und das Arbeitsprogramm des
Ausschusses IV sind groß genug, um all das aufnehmen zu können was heute hier
angesprochen wurde.
In der umstrittenen Frage: Spielregel
oder inhaltliche Direktive gibt es eine klare Präferenz gegen eine bloße
Spielregelverfassung und für inhaltliche Vorgaben in Form von Zielen,
Gewährleistungen, institutionellen Garantien und Leistungsrechten.
Bestätigt wurde auch jener umfassende
Ansatz, von dem der Ausschuss IV von Anfang an ausgegangen ist. Demnach sollen
Grundrechte nicht auf staatsgerichtete Abwehransprüche beschränkt bleiben,
sondern Leistungsansprüche in Form von sozialen und wirtschaftlichen Grundrechten
einschließen, die durch Verfahrensrechte ergänzt werden. Offenkundig ist der
Zusammenhang im Verhältnis von Grundrechten, Staatsaufgaben/Staatszielen und
institutionellen Gewährleistungen. Hier gibt es Differenzen sowohl zwischen den
beiden zuständigen Ausschüssen als auch innerhalb dieser. Nach meiner
Auffassung sollte das Verhältnis von Grundrechten einerseits und
Staatsaufgaben/Staatszielen andererseits nicht im Sinne eines Entweder–Oder,
sondern im Sinne eines gegenseitig ergänzenden Sowohl–als–Auch gesehen werden.
Da wie dort geht es um Staatsverantwortung. Beide Bereiche können miteinander
in Einklang gebracht werden.
Zu den Aufgaben des Ausschusses IV
gehört es, einen Text für einen Grundrechtskatalog zu erstellen, der
gleichermaßen klar, plausibel, leicht lesbar, möglichst vom überzeugenden
Pathos der alten Grundrechtsgewährleistungen getragen und außerdem noch
juristisch präzise ist.
Der erreichte Grundrechtsbestand soll
gesichert, die Texte sollen bereinigt, neue Gewährleistungen geschaffen werden.
Zugleich soll die Dynamik der Rechtssprechung erhalten bleiben. Die Aufgabe
erinnert an die Quadratur des Kreises, wenn nicht gar an die Kubatur der Kugel
– aus mathematischer Sicht sind beide gleichermaßen unlösbar. Der Ausschuss IV
steht unter Lösungsdruck. Es sollte möglich sein, Kompromisse zu finden.
Jedenfalls werden alle Anregungen und Vorschläge zu beachten sein.
Im Prozedere des Ausschusses IV und
des Konvents gibt es strategische Parallelen. Der Konvent hat sich für
Vorschläge der Zivilgesellschaft geöffnet. Der Ausschuss IV möchte die Chancen
für einen Input von Expertenmeinungen auf eine breite Basis stellen. Mit
genereller Billigung des Präsidiums sollen künftig Expertinnen und Experten mit
dem Fortgang der Beratungsergebnisse vertraut gemacht und eingeladen werden,
sich dazu zu äußern. Das soll formlos nach dem Prinzip des laufenden
„Mitlesens“ geschehen. Das Präsidium hat dem Ausschuss dafür grünes Licht
gegeben. Leider geht die Autonomie der Ausschüsse nicht so weit, dass auch die
Anhörung von Expertinnen und Experten im Parlamentsgebäude ohne weiteres
zulässig ist. Bei physischer Präsenz der Eingeladenen in diesem Gebäude ist
nach den Regeln der Geschäftsordnung eine individuelle Genehmigung durch das
Präsidium erforderlich. Dies gilt auch dann, wenn keine Kosten anfallen. Der
Sinn des Genehmigungsvorbehaltes bei kostenfreien Einladungen ist mir nicht
klar. Danke schön.
Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Herr
Professor. Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Erster Präsident des
Nationalrates Dr. Khol. Bitte, Herr Präsident!
Dr. Andreas Khol: Ja, meine Damen und Herren, die Reihen sind schütterer geworden, aber umso
interessierter. Ich bin beeindruckt von den klaren Worten der 12 Kirchen, die
einander die Hand gereicht haben und sich abgesprochen haben und ich bin sehr
beeindruckt von der Wortmeldung der Vertreterin der moslemischen
Glaubensgemeinschaft. Ich glaube, dass das, was von den Religionsvertretern
angesprochen wurde, nämlich die Rolle der Würde des Menschen, die Grundwerte,
die klaren sieben Staatsziele, dass das Dinge sind, die aus meiner Sicht in
einer Präambel verankert werden sollen. Das heißt also, dass wir das Wort von
Kelsen in seinem Kommentar aus dem Jahre 1922 berücksichtigen sollten. Der
damals gesagt hat, eine Präambel zu dieser Verfassung ist nicht zustande
gekommen, weil sie unvollständig ist und weil es eine ganze Reihe von Leuten
gegeben hat, die am Staat gezweifelt haben, an der Selbstständigkeit und an der
Staatsform. Nachdem wir über diesen Stand der Dinge hinaus sind, das heißt, ich
glaube, wir haben heute einen Staat, den alle wollen und zu dem alle stehen und
ich glaube gerade, wenn ich Herrn Professor Funk höre, dass wir die
Unvollständigkeit der Verfassung, was die Grundrechte betrifft, korrigieren
können, dass dann diese Verfassung eine Präambel verdient, so wie es die
meisten Verfassungen dieser Welt haben und auch der Europäische
Grundrechtsvertrag hat. Ich glaube das, was dort verankert ist, ist zumindest
das Minimum dessen, was man anstreben sollte.
Ich glaube, wir sollten ehrgeiziger
sein, wir haben ein größeres Maß an Konsens in diesem Haus und in diesem
Konvent über die Staatsziele.
Gestern Abend hat eine Veranstaltung
hier stattgefunden, an der an die 400 Menschen teilgenommen haben. Der ORF hat
sie aufgezeichnet und dort hat Kardinal Schönborn unter Zustimmung des Herrn
von der moslemischen Glaubensgemeinschaft eine Formulierung für den Gottesbezug
in der Präambel vorgelegt, die offenkundig von vielen anderen geteilt wird. Sie
entspricht dem, was die Europäische Bischofskonferenz für den Europäischen
Konvent ausgearbeitet hat. Sie hat drei Teile.
Der erste Teil bestätigt, dass die
Macht des Gesetzgebers begrenzt ist. Der zweite Teil verweist auf das
kulturelle, humanistische und religiöse Erbe. Und der dritte Teil auf die
Verantwortung des Gesetzgebers vor Gott, den Menschen und der Umwelt.
Von diesen Formulierungen sind die
ersten zwei Teile in die Europäische Präambel eingegangen. Ich glaube, dass wir
uns daran eine Richtschnur nehmen sollten. Ich kann allen versichern, dass
viele meiner Freunde und ich für eine Präambel eintreten zu dieser Verfassung,
in der wir Staatsziele und auch die Grundlegungen unserer Rechtssetzung eben in
einem fassen, dass wir dafür eintreten werden.
Wir werden auch einen Vorschlag
diesbezüglich vorlegen und ich darf den Vertretern der Kirche versichern, dass
wir alles tun werden, dass es eine Präambel gibt, sodass die archimedischen
Zweifel, die hier bestehen,
behoben sein können.
Was die Volksgruppen betrifft, so darf
ich darauf hinweisen, dass man natürlich sich sehr viel mehr vorstellen kann.
Kollege Kostelka und ich haben ja noch vor einigen Jahren gemeinsame Vorschläge
gemacht, die am Widerstand der Volksgruppen gescheitert sind. Nämlich nicht am
Widerstand, sondern an der Uneinigkeit. Wenn ich heute gehört habe, was Marjan
Sturm gesagt hat und Martin Ivancsics, so scheint es hier einen größeren
Konsens zu geben. Ich denke, dass das Minimum dessen und auch das Maximum im
Verfassungsrang das ist, was wir im Jahre 2000 im diesem Hause im
Verfassungsrang beschlossen haben.
Was die Menschenrechte betrifft, so denke ich, dass wir
hier auf einer relativ klaren Schiene der Europäischen Grundrechts-Charta - im
Wortlaut der Europäischen Menschenrechts-Konvention - und zusätzlich das, was
in den österreichischen Verfassungsbestimmungen schon heute im
Grundrechtsbestand liegt, fahren werden. Die vielen internationalen
Konventionen, die es hier gibt, glaube ich, werden wir nicht als solche umsetzen,
sondern wir werden einen Grundrechts-Katalog machen, der das, was in diesen
Konventionen verankert ist, im innerstaatlichen Recht bindend vorschreibt. Was
Europa uns hier vorgibt, kann Maßstab sein.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke, Herr Präsident. Als nächster am Wort ist Herr
Volksanwalt Dr. Peter Kostelka. Bitte, Herr Volksanwalt.
Dr. Peter Kostelka: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine sehr
geehrten Damen und Herren, hoher Konvent. Das Alphabet macht es möglich, dass
eine Reminiszenz an nicht allzu entfernte Zeiten möglich ist, dass ich
unmittelbar im Anschluss an den Herrn Kollegen Khol das Wort bekomme und ich
kann unmittelbar an ihn anschließen.
In diesem Zusammenhang darf ich fürs Erste einmal
feststellen, dass ich so, wie Kollege Khol, sehr beeindruckt war von den
Darstellungen der Vertreter der Religionsgemeinschaften. Und das insbesondere
deswegen, weil es ein Kontinuum war, weil nicht jede Religionsgesellschaft für
sich versucht hat, Position zu ergreifen, sondern wo das Mosaik aller
Wortmeldungen letztendlich die Position, die gemeinsam angestrebt wurde,
deutlich gemacht hat. Und diese Gemeinsamkeit ist sicherlich etwas, das in den
weiteren Arbeiten des Konvents eine Rolle spielen wird, was uns letztendlich –
im Hinblick auf die klaren Formulierungen – auch vor Augen führt, dass eine
Verfassung zwar sicherlich die Spielregeln, wie das so schön heißt, der
Machtausübung und der Machtverteilung in einem staatlichen Gemeinwesen, zu
regeln hat. Dass sie aber darüber hinaus natürlich auch eine Sammlung der von
der staatlichen Gemeinschaft zu verwirklichenden Grundwerte darstellt.
Und das ist in Wirklichkeit auch ein wesentlicher Punkt im
Zusammenhang mit dem, was Dr. Khol gesagt hat. Er hat in diesem Zusammenhang das
– im Übrigen erst vor wenigen Tagen herausgekommene – Faksimile des Kommentars
von Kelsen aus dem Jahre 1922 angesprochen, in dem ausdrücklich darauf
hingewiesen wird, dass es eine solche Präambel nicht gegeben hat, weil darüber
kein Einvernehmen bestand. Manche der in diesem Zusammenhang von ihm
angeführten Begründungen stimmen tatsächlich. Aber wenn man den dort
dargestellten Entwurf einer solchen Präambel sich näher anschaut, dann wird
klar, dass im Grunde genommen nicht ein Wertegebäude formuliert werden sollte,
das hinter einer Verfassung steht, sondern in dem legitimiert werden sollte,
warum – was damals gar nicht so unbestritten gewesen sein dürfte – die
Vertreter einer konstituierenden Nationalversammlung sich hier zusammen finden
und den neuen Staat, nämlich Deutsch-Österreich, gründen. Das sollte die damals
gemeinte Präambel und ich glaube, diese Problematik haben wir wirklich
überwunden. Dazu bedürfen wir keiner Präambel mehr. Und ich habe mit sehr
großem Interesse zur Kenntnis genommen, dass die Vertreter der
Religionsgemeinschaften in dieser Frage auch nicht ganz eins sind. Dass manche
gesagt haben: Es wäre schön, wenn wir eine solche hätten. Und andere der
Meinung waren, dass eine solche ganz und gar nicht notwendig ist, sogar im
Grunde genommen schädlich wäre.
Ich habe kein Problem mit der Verankerung einer
entsprechenden Bemerkung hinsichtlich des religiösen Erbes. Ich habe Probleme
mit der Verankerung der Präambel selbst. Weil ich mir nämlich die Frage nach
der Funktion einer solchen stelle. Ich glaube, die Verfassung sollte deutlich
genug formuliert sein, als dass wir keine Interpretationshilfe brauchen. Und
das wäre ja letztendlich eine Präambel.
Danke für die klaren Worte im Zusammenhang mit den
Menschenrechten. Das ist außerordentlich hilfreich. Sie wissen, dass ich als
Volksanwalt dafür gesorgt habe, dass wir einen Menschenrechtsbericht dem
Nationalrat vorlegen, weil ich davon zutiefst überzeugt bin, dass die
Menschenrechte im österreichischen Verwaltungsalltag eine viel zu geringe Rolle
spielen. Der österreichische Verwaltungsbeamte ist sich bewusst, dass er
Gesetze zu vollziehen hat. Aber, hinsichtlich der Grundrechte scheint er der
Meinung zu sein: Das soll sich Nationalrat und Bundesrat mit dem
Verfassungsgerichtshof gefälligst ausmachen, das ginge ihn nichts an.
Und ich glaube daher, dass es notwendig ist, hier erstens
einmal nachzuarbeiten, einen wirklich flächendeckenderen, gerade die
Volksgruppen sind ja ein Beispiel dafür, einen flächendeckenderen Katalog zu
erstellen und dann die Vollziehung dessen auch in den Gehirnen und in den
Herzen der Verwaltungsbeamten, aber auch der Richter, zu verankern.
Letzte Bemerkung, Herr Professor Tretter, eine solche
Bemerkung, nämlich auf die Unvereinbarkeit und den Konnex mit den Grundrechten,
macht man in diesem Konvent nicht ungestraft. Ich habe Sie schon eingeladen,
und ich werde Sie schriftlich auch in den nächsten Tagen einladen, dem
Ausschuss 8 in diesem Zusammenhang hilfreich unter die Arme zu greifen und ihre
Dienste im Zusammenhang mit einer Neukonzeption des Unvereinbarkeitsgesetzes
angedeihen zu lassen. Danke vielmals.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke, Herr Volksanwalt. Der nächste Redner ist Herr
Sektionschef Dr. Matzka. Bitte sehr, Herr Sektionschef.
Dr. Manfred Matzka: Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr
verehrten Damen und Herren Kollegen. Natürlich hat sich vieles von den heutigen
Diskussionsbeiträgen, die ich sehr interessiert angehört habe, auf den
klassischen hoheitlichen Staat bezogen, auf die Fragen der Grundrechte, auf
Präambel-Fragen, auf Grundsatzfragen. Aber vieles ging auch darüber hinaus. Und
ich habe einiges mitgenommen, was im Bereich meines Ausschusses von Relevanz
ist, obwohl man das auf den ersten Blick nicht so sehen mag.
Der Ausschuss befasst sich mit Ausgliederung, mit
Privatwirtschaftsverwaltung, mit Förderungen und mit Leistungen des Staates.
Und viele Dinge, die hier angesprochen wurden, werden in unserem
Diskussionszusammenhang zu berücksichtigen sein. Es geht ja bei den
Grundrechten nicht nur um den Schutz der Grundrechte klassischen Zuschnitts und
klassischer Provenienz, es geht wohl auch darum, dafür Sorge zu tragen, dass
sich der Staat dort, wo er etwas leisten soll, wo er etwas schützen soll, wo er
etwas gewährleisten soll, nicht durch einen Formenwandel oder durch die Flucht
ins Privatrecht seiner inhaltlichen Leistungsverpflichtungen,
Hilfestellungsverpflichtungen, Gewährleistungsverpflichtungen entziehen kann
und soll.
Der Gedanke ist für die Jugend, für die Senioren, für die
Religionsgesellschaften, für NGO’s überall dort von großer Bedeutung, wo sie –
und das haben sie – teilweise Leistungen und Arbeiten übernommen haben, die der
Staat erbringen könnte, die aber in unserer Gesellschaft von diesen
Institutionen mit Willen, mit Wissen, mit Duldung und mit Förderung des Staates
wahrgenommen werden. Insofern geht es auch und gerade bei der Ausgliederung
darum, dass man etwa im Feld der Altersversorgung (und Blecha hat das
angesprochen) und Pflege einen Anspruch auf hoch qualitative Hilfeleistung und
Hilfestellung auch dann haben muss, wenn nicht der Staat selbst, sondern seine
Ges.m.b.H., sein Vertragspartner, sein Private-Public-Partnership Konstrukt,
diese Aufgaben wahrnehmen.
Und vielleicht kommt man auch zu dem Punkt, zu sagen: Es
ist nicht alles ausgliederungsfähig, auch wenn es kostengünstiger sein mag.
Aber die allgemeine Schulpflicht ist wahrscheinlich in der Hand des Staates
besser aufgehoben als in der einer Bundesunterrichts-Ges.m.b.H. & Co. KG.
Derselbe Gedanke ist im Bereich der privatwirtschaftlichen
Förderung von großer Relevanz. Weil, das, was wir hier gerade in der
Grundrechtsdiskussion gehört haben, doch dazu Anlass gibt, zu erkennen:
Förderung und Subvention sind keine Almosen des Staates, wenn sie an
Institutionen gegeben werden, die öffentliche Aufgaben, gesamtgesellschaftliche
Aufgaben wahrnehmen. Und weil sie das nicht sind, muss es auch in diesem
privatwirtschaftlichen Bereich Garantien geben, die im Hoheitlichen völlig
selbstverständlich sind: Sachlichkeitsorientierung. Gleichheitsgebot,
Gewährleistungspflicht, Diskriminierungsverbot, das sind grundsätzliche
Prinzipien, die auch dort Eingang finden müssen, wo es nur um Förderung, um
Subventionierung, um zur Verfügung Stellung von Geld und materiellen Ressourcen
geht.
Auch die Selbstverwaltung wurde angesprochen - und da sage
ich ganz offen, da ist mir einiges unklar: Ich war überrascht, als bei den
Vertretern der Kirchen und Religionsgesellschaften das Wort fiel, diese
Institutionen seien Körperschaften öffentlichen Rechts. Wenn das stimmt, dann
sind sie wohl Selbstverwaltungskörper. Wenn das stimmt, dann verwischt sich die
Grenze zwischen Staat und diesen Institutionen, auch wenn es um die innere
Organisation geht, denn dann bin ich dabei zumindest die Frage stellen zu
müssen, ob Grundsätze, die wir für Selbstverwaltung im staatlichen Bereich
anerkennen, auch außerhalb dessen gelten sollen - etwa Gleichheit von Mann und
Frau. Demokratie und ähnliche Regelungen. Ich weiß nicht, ob wir gut daran tun,
in diesen Gedankengang einzutreten. Das werden wir noch zu diskutieren haben.
Eines habe ich noch aus dieser Diskussion mit den Kirchen
und Religionsgesellschaften mitgenommen: ich war überrascht von der Klarheit
der Aussage, dass es durchaus sehr viel Sinn macht, Staat und Kirche zu
trennen, die inneren Angelegenheiten des Staates von den inneren
Angelegenheiten der Kirchen, die Welt vom Glauben. Ich sehe darin eine
Ermutigung, in unserer Tradition des österreichischen theoretischen und
verfassungspraktischen Ansatzes weiter fortzufahren, eine laizistische
Verfassung zu haben, die ohne Gottesbezug auskommt, die aber bei vielen anderen
Dingen von den Grundrechten bis zu den sozialstaatlichen Elementen vieles von
dem aufnimmt, was uns die Kirchenvertreter an inhaltlichen Verpflichtungen des
Staates gegenüber der Gesellschaft mitgegeben haben.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke, Herr Sektionschef. Der nächste Redner ist Professor
Dr. Mayer. Bitte, Herr Professor.
DDr. Heinz Mayer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des
Präsidiums! Die Rechtsordnung ist die, ja geradezu die Welt der Werte, hat Hans
Kelsen wenige Jahre, nachdem die Bundesverfassung im Jahr 1920 verabschiedet
wurde, geschrieben. Man muss Kelsen freilich ergänzen. Die Rechtsordnung
schützt nicht alle Werte, sie schützt gelegentlich Werte der Minderheiten, sie
schützt oft Werte der Mehrheit und sie lässt manche Werte überhaupt
unberücksichtigt, dadurch unterscheidet sich der demokratische liberale
Rechtsstaat vom totalitären Staat. Wenn die Rechtsordnung Werte schützt, dann
tut sie dies, indem sie der Durchsetzung dieser Werte ihre Hilfe verleiht,
indem der Staat bereit ist, für die Durchsetzung dieser Werte und der hinter
diesen Werten stehenden Interessen seine Mittel einzusetzen.
Es liegt auf der Hand, dass eine Rechtsordnung diese
ordnende Funktion nur dann erfüllen kann, wenn sie einigermaßen präzise ist.
Wenn sie einigermaßen klar den Bereich abgrenzt, in dem sich der Staat
durchsetzt und in dem der Staat Wertdurchsetzungen und
Interessensdurchsetzungen unterstützt und fördert.
Tut eine Rechtsordnung das nicht, bleibt sie unbestimmt und
unpräzise. Gewährt sie großen Spielraum, dann kann diese wesentliche Funktion
der Herstellung einer Ordnung durch eine generelle Regel nicht erfüllt werden.
Es wurde heute gefordert, die Menschenwürde als Staatsziel, den Schutz der
Menschenwürde in die Verfassung aufzunehmen. Niemand hier in diesem Raum wird
die Auffassung vertreten, die Menschenwürde sei unbeachtlich und sei vom Gesetzgeber
und vom Verfassungsgesetzgeber unberücksichtigt zu lassen. Gleichwohl herrscht
über das, was Menschenwürde im Konkreten bedeutet, in dieser Gesellschaft und,
ich glaube in jeder größeren Gesellschaft, kein voller Konsens. Wenn wir uns
auch im Kern einig sind, was Menschenwürde bedeutet und wenn wir auch viele
Grundrechte haben, die Aspekte der Menschenwürde schützen, so gibt es doch
manche, denen das zu wenig ist, die meinen, der Bereich der Menschenwürde sei
weiter als das, was die gegenwärtige Rechtsordnung schützt.
Wir finden also bei diesem fundamentalethischen Begriff
zwar im Kern einen Konsens, im weiten Bereich des Begriffshofes aber großen
Dissens. Wer sich darüber näher informieren möchte, den lade ich ein, die
Literatur zum deutschen Verfassungsrecht zu studieren und dazu die umfangreiche
Literatur, die nur zum Thema Biotechnologie und ihre Vereinbarkeit mit der
Menschenwürde erschienen ist. Die Aufnahme des Begriffs der Menschenwürde in
die deutsche Verfassung hat zutiefst ethische und weltanschauliche Diskussionen
zu rechtlichen Diskussionen erhoben, denn wenn etwas rechtlich geschützt ist,
dann kann es verboten werden, dann kann es untersagt werden, dann muss es
vielleicht verboten werden.
Meine Damen und Herren! Neben der Biotechnologie wird mit
einer Menschenwürde möglicherweise auch die Organtransplantation, aber auch
viele andere Bereiche der Rechtsordnung in einem neuen Licht erscheinen.
Ähnliches gilt für einen Gottesbezug in der Verfassung. Welcher Gott ist
gemeint? Welche Glaubenslehre wird hier rechtlich bedeutend und wie wird sie
rechtlich bedeutend? Eines kann man sich nicht erwarten, solche Begriffe in die
Verfassung aufzunehmen in der Meinung oder mit dem Hintergedanken, sie bedeuten
ohnehin rechtlich nichts. Niemand darf davon ausgehen, dass Worte des
Verfassungsgesetzgebers nichts bedeuten und keinen Inhalt haben.
Was bedeutet aber die Aufnahme solcher fundamentalethischer
Begriffe in eine Verfassung? Sie bedeutet, dass diese Begriffe die
Rechtsordnung determinieren und dass viele Fragen, die wir heute als ethische
Fragen diskutieren, hinfort als Rechtsfragen zu diskutieren sind und von den
Höchstgerichten - insbesondere vom Verfassungsgerichtshof - zu entscheiden sein
werden. Was Menschenwürde im konkreten Fall bedeutet und verlangt, wird dann
also der Verfassungsgerichtshof entscheiden.
Ich denke aber, dass in einem demokratischen liberalen
Rechtsstaat dem Gesetzgeber und nicht dem Verfassungsgerichtshof die
Entscheidung, was unter dem Titel Menschenwürde den Schutz der Rechtsordnung
genießt, überlassen bleiben muss. Fragen von derartiger Tragweite sind von
demokratisch legitimierten und verantwortlichen Personen und nicht von
unabhängigen Richtern zu entscheiden. Danke schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Herr Professor. Als nächste zu Wort
gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Madeleine Petrovic. Bitte sehr, Frau
Abgeordnete.
MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Herr Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrte
Damen und Herren! Ich schließe gleich bei meinem Vorredner an und muss sagen,
dass bei mir allein aufgrund der Entwicklung nach der Regierungsbildung des
Jahres 2000 das Wort Präambel einen eher ambivalenten Charakter angenommen hat
und ich habe so ein bisschen den Verdacht, dass immer dann, wenn die
Gesetzgebung, jetzt die einfache Gesetzgebung oder die Verfassungsgesetzgebung,
besonders schöne und salbungsvolle Worte ihrem Tun voranstellt, dass dann die
Gefahr, dass eben diese Werte irgendwie verletzt werden könnten, recht groß
ist. Und im Moment sehe ich das eigentlich nicht. Das heißt, ich denke, dass
der Katalog der Grundrechte so unübersichtlich und zersplittert er heute ist -
im Wesentlichen die Gerichte kommen damit irgendwie zurecht. Wir haben uns
vorgenommen, hier Vereinfachungen -vielleicht auch hoffentlich Verbesserungen -
gerade eben im sozialen Bereich und im ökologischen Bereich hier hineinzufügen,
und ich persönlich habe auch, wenn es irgendwie möglich ist, eine sehr sehr
starke Präferenz für durchsetzbare verbriefte Grundrechte, das heißt eben
Bestimmungen, die dann Personen subjektive Rechte verleihen.
Da gibt es Dinge, die sind meiner Meinung nach
entscheidungsreif und sehr handfest, wie das Grundrecht auf Gesundheit, das die
Grünen ja als Antrag eingebracht haben und das ein subjektives Recht auf Abwehr
von Gefahren verleiht, und dann gibt es andere Rechte, wie die Rechte künftiger
Generationen, die Rechte auf – wenn Sie so wollen, aus einem religiösen
Verständnis heraus – Bewahrung der Schöpfung, wo wahrscheinlich die Diskussion
einfach noch Zeit braucht. Also in derartigen Bereichen kann ich mir
schon vorstellen, dass Staatsziele einen Sinn haben, um anzudeuten: Der
Gesetzgeber denkt bereits in die Richtung, aber das Maß an Konkretheit ist noch
nicht ausreichend. Aber ansonsten plädiere ich dafür, wirklich hier sehr
pragmatisch zu bleiben und die salbungsvollen Worte, wie gesagt, die haben
schon ihre Gefahren in sich.
Zu den Volksgruppen und den Menschenrechten im Engeren wird
ohnehin noch einiges gesagt werden. Ich persönlich wollte noch ganz kurz zu
einigen Äußerungen aus dem Bereich der Kirchen, der Religionsgemeinschaften
Stellung nehmen:
Aus meiner Sicht ist die Trennung von Staat und Kirche
etwas sehr Wichtiges, etwas Gutes und eine echte Errungenschaft. Ich erinnere
an die Zeiten, wo Menschen im zivilen Bereich größte Schwierigkeiten hatten, im
Bereich Eheschließung, Wiederverheiratung, Ehen, all das. Wir haben uns darauf
geeinigt, und das ist ein guter Konsens dieser Republik: Hier die Kirchen, dort
der Staat. Selbstverständlich gibt es hier Berührungspunkte – der Staat
hat die nötigen Freiräume zu geben, um die Ausübung der verschiedenen
Religionen zu ermöglichen, und es kann auch durchaus die Notwendigkeit für den
Staat geben, hier oder dort in seltenen Ausnahmefällen einzugreifen, nämlich
dann, wenn zum Beispiel Grundrechte in Gefahr sind. Wenn es um medizinische
Heilbehandlungen für Kinder geht, die nach dem anerkannten Stand der
Wissenschaft notwendig sind, wo es vielleicht wirklich um Leben oder Tod
geht – aber das sind minimale Ausnahmefälle, mit denen man, glaube ich, in
der Praxis sehr verantwortungsvoll bisher umgegangen ist.
Ich wollte eine Frage ansprechen, die hier besonders
erwähnt wurde vom Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde, nämlich die
Frage von Traditionen, wie etwa die Tradition des Schächtens. Sie kennen mich
als eine sehr leidenschaftliche Tierschützerin, Sie können aber andererseits
die Gewissheit haben, dass mein Respekt vor Kirchen und Religionsgemeinschaften
im Zweifel den höheren Stellenwert hat. Nur würde ich meinerseits bitten und
ersuchen, dass man hier in den Kirchen und Religionsgesellschaften – das kann
nicht ich leisten als Politikerin – einmal überlegt, wie weit manche
Vorschriften heute noch zwingend notwendig sind, wie weit sie wirklich ein
inneres religiöses Gebot darstellen, oder, so wie das der Vertreter der
buddhistischen Religionsgemeinschaft dargestellt hat, eine früher notwendige
hygienische Vorschrift war, die wir heute vielleicht da oder dort relativieren
können.
Wie gesagt, ich kann das nicht leisten, ich will das nicht
leisten; ich bin dafür, die religiösen Vorschriften einmal staatlicherseits so
zur Kenntnis zu nehmen, wie sie sind, aber ich sage andererseits, wir stehen in
einer Zeit auch eines Wertewandels in allen Bereichen – was die
Menschenrechte betrifft, was die Rechte der Umwelt betrifft, und ich glaube,
auch was den Tierschutz betrifft. Und wenn wir hier gemeinsam einen
Dialog führen können über eine Entwicklung, dann bin ich gerne mit dabei.
Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke, Frau Abgeordnete. Die nächste Wortmeldung steht bei
Herrn Prof. Dr. Öhlinger. Bitte sehr.
Dr. Theodor Öhlinger: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Der
Konvent hat sich auf einen Dialog mit der Gesellschaft eingelassen, wie es ihn
in der gesamten Verfassungsgeschichte Österreichs bisher noch nicht gegeben
hat. Und er hat sich damit auch selbst unter Druck gesetzt: Wer den Dialog
anbietet, muss auch eine Antwort geben. Mit anderen Worten, die Chancen, dass
der Konvent ein substantielles Ergebnis erzielt, sind nach dem heutigen Tag
größer geworden – nicht mehr 50:50, nicht mehr vielleicht 65:35, sondern noch
mehr, denn wir können nach einem solchen Gespräch nicht mehr auseinander gehen,
ohne etwas erreicht zu haben.
Für mich ist heute eines klar geworden: Die Menschen
erwarten einen Verfassungsentwurf, der auf ihre Sorgen und ihre Probleme
eingeht und der ihre Anliegen anspricht. Und damit ist die Frage von
Staatszielbestimmungen eine Frage geworden, um die man sich nicht mehr
herumdrücken kann.
Ich will meine bisherige Skepsis gegen die juristische
Leistungsfähigkeit von breiten, vagen Formeln nicht verschweigen. Aber es wird
nicht möglich sein, einen Verfassungstext zu finden, der keine
Staatszielbestimmungen enthält, wenn er auch nur auf einen kleinen Teil der
heute angesprochenen Anregungen und Wünsche eingeht.
Allerdings: Staatszielbestimmungen sind gegenüber
einklagbaren Rechten natürlich ein Defizit und insofern – da stimme ich meinen
beiden Vorrednern zu – muss man sich natürlich um präzise Formulierungen
bemühen, um einklagbare Rechte bemühen, wenn solche Rechte formulierbar sind.
Ich glaube nur – und auch das ist heute deutlich geworden –, zwischen
Staatszielbestimmungen und einklagbaren Rechten besteht kein antagonistischer
Gegensatz. Gerade der Entwurf über eine Verankerung der Minderheitenrechte, der
uns Konventsmitgliedern diese Woche zugegangen ist und der eigentlich der
Anlass meiner Wortmeldung gewesen wäre, zeigt sehr schön, dass Staatszielbestimmungen
und Grundrechte eng verschränkt miteinander sind. Ich glaube daher auch, dass
sich der Konvent bemühen muss, diesen Zusammenhang herzustellen.
Ich bin insofern einer etwas anderen Meinung – aber
vielleicht ist es nur eine andere Formulierung als mein Freund Funk –: Es geht
nicht um ein Nebeneinander von Staatszielbestimmungen und Grundrechten, es geht
um die Verschränkung dieser beiden Dinge, und ich glaube daher, dass man dem
auch im Rahmen des Konvents organisatorisch Rechnung tragen soll. Ich halte es
für ein Unglück, dass beide Bereiche auf verschiedene Ausschüsse aufgeteilt
sind! Da muss es zu einem Dialog kommen – es ist das auch eine Anregung an das
Präsidium, darüber nachzudenken, wie wir diesen Zusammenhang zwischen
einklagbaren Rechten und darüber hinaus reichenden, aber doch unverzichtbaren
Zielen und Aufgabenbestimmungen in einer Verfassung sinnvoll lösen können. Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke, Herr Professor. Die nächste Wortmeldung steht bei
Frau Abgeordneter Terezija Stoisits. Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Mag. Terezija Stoisits: Danke vielmals, Herr Präsident. Ich bin ganz bei Herrn
Prof. Öhlinger – leider ist er nicht Mitglied des
Grundrechtsausschusses.
Ja, ich sage ja: Leider! Leider!
Wie ich die Arbeit bis jetzt im
Grundrechtsausschuss verstanden habe – und das wird der Herr Vorsitzende
sicher durch Kopfnicken bestätigen –: dass es nicht um ein Nebeneinander,
sondern wahrlich um ein Miteinander geht, sozusagen um die Verschränkung. Das ist
aber auch die Aufgabe, die wir uns gestellt haben, und ich möchte gerne –
weil es schon sehr spät ist und weil schon so viel gesagt wurde – das an
einem Beispiel zeigen.
Es gibt seit dem Jahr 2000 die
Staatszielbestimmung im Artikel 8, die kulturelle Vielfalt,
sprachlich-ethnische Vielfalt dieses Landes, und auf der anderen Seite gibt es
Volksgruppen, die nicht verankerte Rechte auf verfassungsrechtlicher Ebene
haben, ja? – Und die Stellungnahmen, die heute gekommen sind von den
Volksgruppenorganisationen, aber auch von den Menschenrechtsorganisationen, von
Dr. Tretter und Mag. Patzelt, die das angesprochen haben, sind ja
genau in die Richtung gegangen. Gegen Staatsziele spricht nichts, aber die
Umsetzbarkeit der Intention von Staatszielen, das ist das wesentliche Um und
Auf. So, das war die erste Bemerkung.
Und eine allerletzte Bemerkung zu den Wortmeldungen zu den
Kirchen und Religionsgemeinschaften. Diese Stellungnahmen wurden vielfach
darauf reduziert, ob Gott in der Verfassung oder nicht in der Verfassung vorkommen
soll. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften haben nämlich überhaupt nicht
davon geredet, sondern davon, dass es darum geht, soziale Grundrechte zu
verankern, die Europäische Sozialcharta nicht zu vergessen, die Europäische
Grundrechtscharta, Kinderrechte, Minderheitenrechte. Wörtlich – jetzt weiß ich
nicht, welcher Vertreter es war, der davon gesprochen hat – geht es um
Anerkennung und Förderung und nicht um Duldung und Toleranz in Bezug auf
Minderheiten, ethnische Minderheiten, aber auch Minderheiten darüber hinaus.
Das sind die Botschaften, die ich empfangen habe. Ich gebe zu, es gibt auch
selektive Wahrnehmung, aber vielleicht hat der eine oder andere oder die eine
oder andere eine ähnlich selektive Wahrnehmung wie ich und dann kommen wir
schnell zu einer Übereinstimmung. Sie ist aber nicht kongruent mit der des
Herrn Professor Khol, weil irgendwie, ich habe das gehört, was heute in dieser
Veranstaltung gesagt wurde und nicht in der gestrigen, wo 400 Leute waren.
Heute waren wenige da, aber das sind die für den Konvent relevanten. Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke, Frau Abgeordnete. Nächster Redner ist Herr Dr.
Poier. Bitte sehr.
Dr. Klaus Poier: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich möchte nochmals sehr herzlich den Vertreterinnen und Vertretern der
verschiedenen Organisationen danken, die uns sehr viele Inputs für unsere
Arbeit geliefert haben. Besonders die Wortmeldungen am Nachmittag haben
gezeigt, wie viel fruchtbringender es sein kann, wenn es um Inhalte und nicht
um Formales geht. Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn man mit den
Vertreterinnen und Vertretern der Jugendorganisationen noch einmal in einen
Dialog treten könnte und einen Weg findet, wie man diese Anfangschwierigkeiten,
die es heute gegeben hat, überwinden kann.
Ganz vehement möchte ich mich für eine Präambel zu unserer
neuen Verfassung aussprechen. Eine Präambel ist für mich nichts Sinnloses,
sondern sie ist ein Text, der sehr einfach formuliert sein kann und der dem
Bürger verdeutlichen kann, in welchem Staat er lebt, welche Werte es dort gibt,
welche Grundsätze und Ziele.
Präsident Fiedler hat immer wieder davon gesprochen, dass
unsere neue Verfassung kurz sein soll, dass sie für jeden Bürger verständlich
sein soll. Das ist ein sehr schönes Ziel, wird aber wahrscheinlich nicht
erreichbar sein. In einer Präambel kann das aber sehr wohl erreichbar sein. Sie
kann kurz sein, sie kann einfach formuliert sein, sie kann für jeden Bürger
verständlich sein.
Zwei Beispiele dazu: Wir verwenden in unseren
Lehrveranstaltungen immer wieder die Präambel zur amerikanischen Verfassung.
Die passt sehr schön auf eine Seite, ist sehr lyrisch formuliert, zeigt die
Geschichte, die dahinter steckt, und die Werte, die umgesetzt werden sollen.
Es wäre schön, wenn wir in Zukunft auch eine solche
österreichische Präambel haben.
Und ein zweites Beispiel: In meiner Volksschulzeit war das
deutlichste Zeichen des Staates im Unterricht, dass wir vor dem
Nationalfeiertag über die Neutralität sprachen und schöne österreichische
Fähnchen gestaltet haben.
Ich würde es sehr schön finden, wenn in Zukunft in der
Volksschule jeder Volksschüler und jede Volksschülerin mit der österreichischen
Präambel arbeiten könnte, und allen Schülern und Schülerinnen klar wird, in
welchem Staat, in welchem Land sie leben, welche Werte es dort gibt, welche
Grundsätze, welche Ziele. Vielleicht gelingt es uns sogar, die Präambel so
schön und so lyrisch zu gestalten, dass man sie wie ein Goethe-Gedicht
auswendig lernen kann.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Vielen Dank, Herr Dr. Poier. Wir werden sehen, wie lyrisch
die gesamte Verfassung noch werden wird. Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr
Landtagsdirektor Dr. Bußjäger. Ich erteile es ihm. Bitte sehr.
Dr. Peter Bußjäger: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Ich
möchte auch auf das Thema Präambel, das ja ein Reizwort zu sein scheint, Bezug
nehmen. Ich glaube, der heutige Tag hat erbracht, dass sich die Menschen von
der Verfassung erwarten, dass sie auch Werthaltungen zum Ausdruck bringt, in
irgendeiner Form.
Nun, dieser Tag hat auch erbracht, dass es unumgänglich
sein wird, in irgendeiner Form Staatsziele zu kreieren. Man muss ja auch nur
daran denken, dass wir Staatsziele ja schon haben. Ich denke an den umfassenden
Umweltschutz; Gleichstellung von Männern und Frauen; an die
Behindertengleichstellung. Und es ist ja völlig unrealistisch und wäre auch
völlig falsch, hier dadurch ein Signal zu setzen, dass man diese Staatsziele
abschafft. Also kann es wohl nur darum gehen, ein neues System von Staatszielen
zu schaffen, auch vor dem Hintergrund – und das hat diese Diskussion auch
erbracht -, dass natürlich auch eine Inflation von Ansprüchen, von Forderungen
an solchen Staatszielen zu erwarten sind.
Und wenn man die Staatsziele nicht entwerten will, dann
muss man sie in ein System bringen. Und für so ein System kann eine Präambel
ein guter Ansatz sein. Es ist nicht der einzige, der sich hier aufdrängt, aber
sie kann ein gangbarer und brauchbarer Ansatz sein. Und in diesem Sinne würde
ich es begrüßen, wenn man sich auf diesen Gedanken einlässt, hier ein
abgerundetes System von Ansprüchen und Werthaltungen an den Staat zu
formulieren. Und ich hätte in dem Sinne auch keine Angst vor unbestimmten
Begriffen. Ich glaube auch, dass wir in dieser Verfassung vielleicht auch das
eine oder andere Neue wagen sollten.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Besten Dank auch für diese Wortmeldung, sie war zugleich
auch die letzte dieses Tages; die Rednerliste ist erschöpft.
Es bleibt mir sohin nur mehr, Ihnen, den Mitgliedern des
Konvents, für die Ausdauer zu danken, ganz besonders aber natürlich den
Vertretern der Interessenorganisationen – sowie sie noch vorhanden sind, kann
ich ihnen diesen Dank persönlich aussprechen, soweit dies nicht möglich ist,
wird man es ihnen ausrichten.
Und ich glaube, eines sagen zu können – und einige Redner
haben dies vor mir bereits zum Ausdruck gebracht -, dass wir unseren Horizont
erweitert haben, wir als Mitglieder des Konvents, wenn es darum ging, in
Erfahrung zu bringen, worauf kommt es den Menschen in diesem Lande an, was
stellen sie für Ansprüche an die Verfassung; welche Wünsche haben sie an eine
neue Verfassung. Und das war doch für uns alle sehr wertvoll.
Und ich appelliere an die Vorsitzenden der Ausschüsse,
soweit sie noch hier sind – aber es sind genug hier -, die heute unterbreiteten
Vorschläge in die Beratungen der Ausschüsse einfließen zu lassen. Und ich werde
von meiner Seite auch alles veranlassen, dass im Wege des Büros und der
Mitarbeiter des Büros diese Vorschläge nicht in Vergessenheit geraten, sondern
dass sie in den Ausschüssen in Diskussion genommen werden.
Natürlich kann ich niemandem versprechen, kann ich keiner
Organisation versprechen, dass sie letztlich mit all ihren Vorschlägen
durchdringen wird; es wäre vermessen, wollte ich Derartiges zum Ausdruck
bringen. Und in gewissen Bereichen ist es auch leicht einsichtig, dass es gar
nicht möglich ist, denn es waren heute genug Redner, die für eine Präambel in
der Verfassung eingetreten sind, andere haben sich dagegen ausgesprochen. Insoweit wird es unmöglich
sein, allen gerecht werden zu können. Aber wir werden uns bemühen, dass wir im
Konsens, wie wir uns das vorgenommen haben, eine gemeinsame Verfassung
erarbeiten, und ich kann den Interessenvertretern versprechen, dass Ihre
Vorschläge nicht in Vergessenheit geraten, dass sie jedenfalls seriös behandelt
werden.
Ich danke allen Mitgliedern und den Gästen nochmals für
den, wie ich meine, sehr konstruktiven Ablauf dieses Tages. Ich darf damit die
Sitzung schließen, ankündigen, dass die Nächste am 15. Dezember stattfinden
wird und dafür auch noch gesonderte Einladungen in Aussicht stellen. – Danke
schön.
Ende