Österreich Konvent

TONBANDABSCHRIFT

 

 

5. Sitzung,

Freitag, 21. November 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Tagesordnung

 

1.)   Änderung in der Zusammensetzung der Ausschüsse 4, 5, 6, 9 und 10.

 

2.)   Anhörung (Hearing) von Vertretern gesellschaftlicher Organisationen
       und Interessenvertretungen am 21. November und am 15. Dezember 2003.

 

 

 

 


 

Inhalt

 

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler....................................... 5

Silvia Fuhrmann....................................................................................................... 6

Mag. Johann Gudenus............................................................................................. 7

Christoph Riedl........................................................................................................ 9

Mag. Barbara Prammer......................................................................................... 13

Theresia Zierler...................................................................................................... 16

Christine Marek...................................................................................................... 17

Mag. Brigid Weinzinger.......................................................................................... 19

Dr. Brigitte Hornyik................................................................................................. 23

Karl Blecha............................................................................................................. 25

Dr. Josef Ratzenböck............................................................................................ 28

Dr. Paul Tremmel.................................................................................................. 29

Dr. Maria Berger..................................................................................................... 31

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer........ 33

Dr. Eva Glawischnig.............................................................................................. 33

Mag. Renate Brauner............................................................................................. 34

Dr. Herbert Haller................................................................................................... 35

Herwig Hösele........................................................................................................ 37

Dr. Andreas Khol.................................................................................................... 38

DDr. Karl Lengheimer............................................................................................ 39

MMag. Dr. Madeleine Petrovic............................................................................... 40

Mag. Terezija Stoisits............................................................................................. 42

Dr. Günter Voith..................................................................................................... 43

Bernd Vögerle........................................................................................................ 44

Dr. Walter Hessler................................................................................................. 45

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner............... 47

Dr. Christoph Schönborn....................................................................................... 47

Mag. Peter Karner.................................................................................................. 48

Robert Freihsl........................................................................................................ 49

Dr. Michael Staikos................................................................................................ 50

Lothar Pöll.............................................................................................................. 51

Dr. Emanuel Aydin................................................................................................. 52

Anba Gabriel........................................................................................................... 52

Mag. Herwig Sturm................................................................................................ 53

Carla-Amina Baghajati........................................................................................... 54

Mag. Thomas Schärf............................................................................................. 56

Dr. Peter Riedel..................................................................................................... 57

Max Nemec............................................................................................................ 58

Martin Ivancsics..................................................................................................... 59

Ernst Kulmann....................................................................................................... 64

Ing. Karl Hanzl........................................................................................................ 64

Dr. Marjan Sturm.................................................................................................... 65

Dr. Hannes Tretter................................................................................................. 67

Mag. Heinz Patzelt................................................................................................. 71

MMag. Dr. Willi Brauneder..................................................................................... 73

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler..................................... 74

Dr. Bernd-Christian Funk....................................................................................... 74

Dr. Andreas Khol.................................................................................................... 75

Dr. Peter Kostelka.................................................................................................. 76

Dr. Manfred Matzka................................................................................................ 77

DDr. Heinz Mayer................................................................................................... 78

MMag. Dr. Madeleine Petrovic............................................................................... 80

Dr. Theodor Öhlinger............................................................................................. 81

Mag. Terezija Stoisits............................................................................................. 82

Dr. Klaus Poier....................................................................................................... 83

Dr. Peter Bußjäger................................................................................................. 84

 

 


Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Ich eröffne die heutige Sitzung des Österreich-Konvents und begrüße alle Mitglieder, die Vertreter von gesellschaftlichen Organisationen und Interessenvertretungen sowie auch die erschienenen Zuhörer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Tagesordnung setzt sich aus zwei Punkten zusammen. Punkt 1: Änderungen in der Zusammensetzung der Ausschüsse des Konvents gemäß § 12 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Konvents und Punkt 2: Die Beschlussfassung gemäß § 11 der Geschäftsordnung des Konvents über die Anhörung von Vertretern gesellschaftlicher Organisationen und Interessen­vertretungen. Dabei wird sowohl über die Anhörung am heutigen Tage vom Konvent Beschluss zu fassen sein, als auch über die Anhörung von Interessenvertretern in der Sitzung am 15. Dezember 2003. Die entsprechenden Anträge für die Anhörung der Interessenvertreter sind Ihnen mit den Einladungen zugegangen, darüber hinaus liegen diese Anträge auch auf den Pulten bei Ihnen auf.

Ich darf zum 1. Punkt der Tagesordnung kommen, zur Änderung der Zusammensetzung der Ausschüsse. Das Präsidium hat folgenden Vorschlag unterbreitet: Im Ausschuss 4 betreffend den Grundrechtskatalog wird Bundesminister Mag. Herbert Haupt Mitglied. Im Ausschuss 5, mit dem Thema: Aufgabenverteilung  zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, wird Universitätsprofessor Dr. Theo Öhlinger Mitglied. Der Ausschuss 6, mit dem Thema: Reform der Verwaltung, wird ergänzt durch Universitätsprofessor Dr. Raschauer, Präsident Dr. Leitl und Präsident Verzetnitsch. Im Ausschuss 9, mit dem Thema: Rechtsschutz, Gerichtsbarkeit, wird Univ. Prof. Bernhard Raschauer durch Bundesministerin Elisabeth Gehrer ersetzt. Und im Ausschuss 10, mit dem Thema Finanzverfassung, wird Bundesrat Prof. Konecny durch Dr. Johannes Schnizer ersetzt.

Ich darf zur Abstimmung über diesen Antrag kommen und darf Sie um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. Gegenprobe: Wer ist dagegen? – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. (Angenommen)

Wir kommen nunmehr zum Tagesordnungspunkt 2: die Anhörung von Vertretern gesellschaftlicher Organisationen und Interessenvertretungen gemäß § 11 der Geschäftsordnung. Ich bringe den Antrag über die Anhörung in der heutigen Sitzung zur Abstimmung, sowie auch den Antrag über die Anhörung von Interessenvertretungen in der Sitzung am 15. Dezember 2003.

Wer mit diesen Anträgen einverstanden ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. Gegenprobe: Wer ist dagegen? Das ist einstimmig beschlossen. (Angenommen)

Ich darf nun ganz kurz auf den Ablauf der heutigen Sitzung, vor allem der Anhörung des Interessenvertreter zu sprechen kommen. Wir werden am Vormittag die Vertreter und Vertreterinnen aus den Bereichen der Jugend, Frauen und Senioren hören, so weit die geladenen Vertreter anwesend sind und sich zu Wort melden, und im Anschluss daran wird die Möglichkeit für höchstens 18 Wortmeldungen von Mitgliedern des Konvents bestehen. Ich gehe davon aus, dass diese Anhörung etwa um die Mittagszeit beendet sein wird. In Anschluss an diese Anhörung wird die Sitzung für eine Pause von zirka einer Stunde unterbrochen werden. Am Nachmittag erfolgt die Fortsetzung der Anhörung mit Vertretern und Vertreterinnen aus den Bereichen der gesetzlich anerkannten Kirchen- und Religionsgesellschaften, der Volksgruppen und der Menschenrechtsorganisationen, und zwar gleichfalls, soweit die geladenen Vertreter anwesend sind und sich zu Wort melden. Im Anschluss daran besteht erneut die Möglichkeit, dass maximal 18 Wortmeldungen von Mitgliedern des Konvents erfolgen. Die Dauer jeder Wortmeldung der Interessenvertreter ist begrenzt, und zwar unterschiedlich begrenzt, und ich werde zu Beginn jeder Wortmeldung darauf hinweisen, auf wie lange.

Ich darf die Interessenvertreter jetzt schon darauf aufmerksam machen, dass sofern eine Wortmeldung mit 5 Minuten oder weniger begrenzt ist, 1 Minute vor Beendigung der Redezeit die rote Lampe am Rednerpult aufleuchtet. Wenn die Redezeit mehr als 5 Minuten beträgt, dann leuchtet diese Lampe bereits 2 Minuten vor Ende der Redezeit auf. Für jede Gruppe von Interessenvertretern besteht eine Gesamtredezeitbeschränkung. Jede Gruppe hat aber das Recht eingeräumt erhalten,  abweichend von der Einzelredezeit, die Gesamtredezeit unter ihren Rednern so zu verteilen, wie sie es im Einvernehmen für richtig befindet. Von dieser Möglichkeit haben einige Gruppen auch angekündigt, Gebrauch zu machen.

Ich darf nunmehr die Anhörung der Interessenvertreter beginnen und aus dem Bereich der Jugend den Anfang machen. Es liegt eine Wortmeldung von Frau Romana Brait für die Bundesschülervertretung vor.

Ist Frau Romana Brait anwesend und macht von ihrem Rederecht Gebrauch? – Das ist offenbar nicht der Fall.

Dann gelangen wir zur zweiten Rednerin, Frau Silvia Fuhrmann von der Jungen Volkspartei. – Ich darf Sie bitten.

Silvia Fuhrmann: Guten Morgen, sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf hier sozusagen die Position aus Sicht der Jungen ÖVP, die sich zum Teil auch deckt mit der Position der Bundesjugendvertretung, in aller Kürze darbringen und möchte zu Beginn auch noch festhalten, dass ich es als Mitgliedsorganisation der Bundesjugendvertretung sehr schade finde, dass es von zehn eingeladenen Organisationen, die gleichzeitig das Präsidium der Bundesjugendvertretung ausmachen, nur drei geschafft haben, hier auch anwesend zu sein: der Ring Freiheitlicher Jugend, die Junge ÖVP und die Katholische Jungschar. Der Vertreter der Katholischen Jungschar wird ebenfalls die Position der Bundesjugendvertretung hier darbringen.

Ich glaube an die Absicht, die Bundesjugendvertretung als das was sie ist, nämlich als wichtige dem Seniorenrat und somit auch den Sozialpartnern gleichgestellte Organisation zu behandeln und dass wir es eigentlich als Aufwertung verstehen hätten können, dass wir die Möglichkeit bekommen, mit zehn Organisationen vertreten zu sein und nicht mit weniger, wie das bei anderen der Fall ist. Nichtsdestotrotz hoffe ich, dass die Stimme der Jugend dementsprechend umso intensiver gehört werden kann.

Grundsätzlich glaube ich oder richte auch die Bitte an den Konvent, eines muss ich schon festhalten: Ich finde es nach wie vor sehr schade, dass sowohl die Jugendvertreter als auch die Seniorenvertreter dem echten Konvent sozusagen nicht angehören, bedanke mich aber trotzdem, dass wir hier die Möglichkeit zu einem Hearing bekommen haben.

Die grundsätzliche Forderung und die Bitte, die wir seitens der Jungen ÖVP an alle Ausschüsse heran tragen möchten ist einfach, sich auch das Motto „neu, unkonventionell und chancenreich“ sozusagen vorzunehmen, das heißt, im Interesse der Jugendlichen zu handeln, Jugend als Querschnittsmaterie zu betrachten, wie es auch ein Entschließungsantrag im Parlament schon mehrmals dokumentiert hat und wir zum Regierungsprogramm auch festgehalten haben. Das ist das eine, und das andere, und dazu braucht man durchaus ein bisschen Mut, nicht alte Strukturen um ihrer selbst willen weiter zu führen. Ich glaube, das ist etwas, was sich oft mit dem Willen, die Verfassung zu verschlanken, vielleicht nicht ganz verträgt, aber ich bin sicher, dass da ein großes Bemühen besteht.

Ich möchte grundsätzlich auf zwei Punkte konkret eingehen. Der Erste sind die Staatsaufgaben und die Ziele, wo wir als Junge auch besonders drei Punkte herausheben möchten, die zu solchen Kernaufgaben des Staates gehören müssen.

Der erste wichtige Punkt ist aus unserer Sicht die Sicherheit. Das kann oder muss sein die innere und die äußere Sicherheit, aber genau so die physische und die Rechtssicherheit. Ein wichtiges Schlagwort ist aus unserer Sicht der Begriff Daseinsvorsorge, da gehört Wasser dazu, da gehört Strom dazu, da gehört auch das Kanalsystem dazu, und als dritten Punkt möchten wir hervorheben wettbewerbstaugliche Rahmenbedingungen und hier abzielen auf Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Bildung.

Zu den staatlichen Institutionen haben wir die Position, dass wir für eine Beibehaltung der derzeitigen Bundesländer- und Repräsentationsstruktur eintreten und ein Bekenntnis zum Föderalismus auch als Ergebnis erwarten. Kombiniert mit Verwaltungsvereinfachung und dem Stop-Prinzip. Im Ausschuss drei werden noch weitere Dinge, die uns sehr wichtig sind und eigentlich die Jugend am meisten betreffen, behandelt. Unter anderem möchte ich hier unsere Position zur Wahlaltersenkung, genau so wie das Familienwahlrecht, das mit einem Fragezeichen zu behandeln ist, darlegen. Zur Wahlaltersenkung sagen wir ja, aber schrittweise, das heißt, von Gemeindeebene über Länderebene, über die Bundesebene, das heißt, wir würden das derzeit in die Verfassung ablehnen. Das Familienwahlrecht lehnen wir als Junge ÖVP ebenfalls ab, weil einfach sozusagen die Partizipation und das passive Wahlrecht im Vordergrund stehen müssen, das heißt Jugendlichen ein Mandat, eine Chance und Verantwortung zu geben, und das ist ein wesentlich größerer Appell an die Parteien, nicht an die Verfassung. – Vielen Dank.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke auch, und ich darf als nächsten Redner als Vertreter der Österreichischen Gewerkschaftsjugend Herrn Stefan Maderna aufrufen. Ist er anwesend? – Nein.

Dann kommt als nächster Redner, der sich zu Wort gemeldet hat, Herr Ralf Schallmeiner von der Österreichischen Hochschülerschaft. – Ist auch nicht im Saal anwesend.

Als nächster Redner ist mir Herr Mag. Johann Gudenus vom Ring Freiheitlicher Jugend gemeldet worden. – Bitte sehr. Redezeitbeschränkung fünf Minuten.

Mag. Johann Gudenus: Hoher Konvent! Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es auch sehr bedauerlich, wie meine Vorrednerin schon erwähnt hat, dass nur drei der Jugendorganisationen, die heute geladen wurden, zur Aussprache hier heute anwesend sind. Ich finde es sehr gut, dass wir heute hier das Rederecht erhalten, weil im Endeffekt die Verfassung, die Sie diskutieren im Österreich-Konvent, die sein wird, die wir als Jugendliche in den nächsten Jahren auch, wenn nicht Jahrzehnten, leben müssen.

Ich finde es aber auch sehr bedauerlich, dass es nicht möglich war, zu diesem Österreich-Konvent, wenn wir schon eine Bundesjugendvertretung als fixe Interessenvertretung installiert haben vor einigen Jahren,  einen Vertreter mit Sitz und Stimme hier im Österreich-Konvent einzuladen und auch mitbestimmen zu lassen.

Was Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren hier besprechen und auch informell beschließen, wird vor allem meine, unsere Generation betreffen. Ich bitte Sie daher unsere Anliegen sehr ernst zu nehmen und daran zu denken, dass das Produkt dieses Konvents vor allem meiner Generation zu Gute kommen soll.

Wir als Ring Freiheitlicher Jugend fordern als zentrale Staatszielbestimmungen erstens einmal eine bevölkerungsfreundliche Familienpolitik, um vor allem dem Geburtenrückgang entgegen zu wirken. Wir brauchen eine institutionelle Garantie der Familie, so wie zum Beispiel im Bonner Grundgesetz. Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft. Alle gesetzlichen Maßnahmen hätten sich daran zu orientieren. Alle gesetzlichen Maßnahmen zum Beispiel betreffend Familiensplitting und dergleichen, Kinderbetreuungsplätze, Wahlrecht der Eltern für ihre Kinder.

Damit Hand in Hand fordern wir eine zweite Staatszielbestimmung: Österreich ist kein Einwanderungsland. Das Fremdenrecht soll österreichverträglich konzipiert sein und wir sollten aus unseren eigenen Ressourcen schöpfen. Da wieder der Schluss zur Staatszielbestimmung bevölkerungsfreundliche Familienpolitik. Einbürgerungen könnten nach dem Schweizer Modell erfolgen, nämlich durch eine Volksabstimmung in der Gemeinde. 

Zum Thema Meinungsfreiheit, Grundrecht Meinungsfreiheit: Das liberale Prinzip. Der Herr Gusenbauer und der Herr Prof. Öhlinger haben sinngemäß vor einigen Wochen in dieselbe Richtung argumentiert: Es kann nicht sein, dass der Verfassungsgerichtshof umgangen wird, indem einfache Gesetze mit Zweidrittelmehrheit in den Verfassungsrang gehoben werden. Eine Zweidrittelmehrheit soll die Meinungsfreiheit nicht einschränken und ich rege hier an, die Meinungsfreiheit anzugleichen an den EU-Grundrechtsstandard.

Demokratie als Grundprinzip: Wir fordern einen klaren Ausbau der Demokratie. Mehr direkte Demokratie, vor allem das Volk soll bei essentiellen Entscheidungen, Volksabstimmungen, die die EU betreffen, eingebunden werden. Auch wie ich vorher schon angesprochen habe nach dem Schweizer Modell, den Einbürgerungen auf Gemeindeebene.

Das Wahlrecht, als Menschenrecht des Kindes: Die Eltern könnten das Wahlrecht stellvertretend für ihre Kinder ausüben, das stellt auch einen Teil des Familienpaketes dar. Es heißt in der Bundesverfassung, das Recht geht vom Volke aus. Das Volk ist das Staatsvolk, wählen ist ein Staatsbürgerrecht. Es sollte in der neuen Verfassung auf jeden Fall festgehalten werden, dass nur Staatsbürger das Wahlrecht haben sollten. In Wien müsste dann sofort wieder die rechtmäßige Lage hergestellt werden.

Die Verfassungswidrigkeit des Ausländerwahlrechtes in Wien sollte betont werden.

Wir fordern die Aufwertung des Bundesrates im Sinne einer Bundesstaatsreform, den Ausbau der Rechtssicherheit durch Landesverwaltungsgerichte, die eingeführt werden könnten.

Die deutsche Sprache als Staatssprache sollte auf jeden Fall ein zentraler Punkt sein. Sie sollte geschützt werden! In Publikationen, in Gesetzen sollten nur deutsche Begriffe verwendet werden. Das ist die Sprache unserer Bevölkerung und des Landes und sollte als Kultursprache einen erhöhten Schutz auch hier bekommen.

Was den EU-Bereich betrifft, sollte die Bevölkerung in Entscheidungen, die EU betreffend, auf jeden Fall mit eingebunden werden. Deswegen fordern wir auf jeden Fall eine Volksabstimmung über die kommende EU-Verfassung. Und wir sollten vielleicht doch als Österreicher definieren, wie weit geht für uns der Begriff EU im Sinne  der Erweiterung?

Ich finde, dass Staaten wie Türkei auf keinen Fall EU-Mitglied werden sollten, weil sie die Menschenrechte nicht einhalten, weil sie nicht zu Europa gehören und weil sie das wirtschaftliche Niveau sicher nicht erreichen werden, wie es in Europa vorherrschend ist.

Abschließend noch das Zitat aus Faust, die Gretchenfrage: Sage, wie hältst du es mit der Religion? Ich glaube, dieser Gottesbegriff, der hier diskutiert wird, ist im Endeffekt eine Privatfrage, aber auf jeden Fall könnte man in der Verfassung die christlichen Wurzeln Österreichs betonen, vor allem als klares Zeichen gegenüber einer Expansion des islamischen Fundamentalismus.

Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, die Jugend ist die Zukunft. Bitte schauen Sie, dass es nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt, gehen Sie verantwortungsvoll mit der Gestaltung unserer Zukunft um, indem Sie unsere konstruktiven Anliegen auch beherzigen.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Andreas Kollross von der Sozialistischen Jugend. Ich bitte sehr.

Ist nicht anwesend und kann daher nicht zu Wort gelangen. Dann erteile ich das Wort Herrn Christoph Riedl, der nach einer Vereinbarung mit den übrigen Vertretern der Jugendorganisationen eine längere Redezeit hat, und zwar von 15 Minuten. Ich bitte sehr.

Christoph Riedl: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Mitglieder des Österreich-Konvents! Dass ich hier sprechen darf als Vorsitzender der Österreichischen Bundesjugendvertretung und sogar 15 Minuten Redezeit bekomme, habe ich erfahren, während Sie, Herr Vorsitzender, Ihre Einleitungsworte zum heutigen Konvent gesprochen haben.

Ich darf allen von Ihnen, die ein bisschen verwirrt sind darüber, dass heutige einige Vertreter und Vertreterinnen der Österreichischen Kinder- und Jugendorganisationen nicht anwesend sind, kurz die Chronologie der Ereignisse berichten.

Ich darf ausholen: Das Bundesjungendvertretungsgesetz wurde vor drei Jahren hier in diesem Raum einstimmig von allen Parlamentsparteien beschlossen. Der Abschnitt 1  § 1 heißt demnach: Die in diesem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen sollen die Vertretung der Anliegen der Jugend gegenüber den politischen Entscheidungsträgern auf Bundesebene sicherstellen.

In § 3: In Angelegenheiten, welche die Interessen der österreichischen Jugend berühren, ist die Bundesjugendvertretung den gesetzlichen Interessensvertretungen der Dienstnehmer, der Wirtschaftstreibenden und der Landwirte gleichgestellt.

Letzte Woche, Kollegin Fuhrmann hat es erwähnt, wurde sogar ein Entschließungsantrag im Nationalrat beschlossen, in dem es heißt, „der Bundesminister für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz wird ersucht, eine verstärkte Einbindung der Bundesjugendvertretung als gesetzliche Interessensvertreter der österreichischen Jugend sicherzustellen“.

So weit, so gut. Seit bekannt wurde, dass es diesen Österreich-Konvent geben wird, hat sich die Österreichische Bundesjungendvertretung darum bemüht, mit Sitz und Stimme als gesetzlich verankerte Interessensvertretung in diesem Konvent vertreten zu sein. Unsere Forderung war, dass wir als Interessensvertretung – so wie im Gesetz steht – gleichgestellt sind und wir glauben auch, dass in einem Gremium, das über die Zukunft dieses Landes berät und das ein Durchschnittsalter von 54,8 Jahren hat, ein Jugendvertreter oder Jugendvertreterin zumindest nicht schaden würde.

Die Bundesjungendvertretung hat aber nicht nur versucht, die Öffentlichkeit und auch die Mitglieder des Konvents über diesen Missstand zu informieren, sondern begann auch sich selbst mit den Themen des Österreich-Konvents auseinander zu setzen. Höhepunkt dieser Auseinandersetzung war sicherlich der Anfang Oktober stattgefundene Jungend-Konvent im Theseus-Tempel, gar nicht weit von hier. Eine Veranstaltung, zu der nicht nur die meisten österreichischen Kinder- und Jugendorganisationen kamen, sondern auch sehr viele Vertreter und Vertreterinnen des Österreich-Konvents, um gemeinsam über die Anliegen und Themen der jungen Menschen in diesem Land zu diskutieren.

Uns wurde als Bundesjugendvertretung in Aussicht gestellt, diesen Jungend-Konvent  auch hier präsentieren zu dürfen. Wir waren ziemlich überrascht, als die Einladung, heute hier vor Ihnen zu sprechen, nicht an die Österreichische Bundesjungendvertretung ging, sondern an zehn Kinder- und Jugendorganisationen Österreichs, die zwar alle im Präsidium der Bundesjungendvertretung vertreten sind, aber sie wurden einzeln angeschrieben.

Daraufhin – weil wir gefunden haben, zehn Vertreter, die jeweils fünf Minuten reden – wollten wir fünf Personen nominieren aus diesem Kreis, die Ihnen in zehn Minuten jeweils unsere Themen präsentieren. Daraufhin haben wir vom Österreich-Konvent von der Geschäftsstelle vor drei Tagen ein Schreiben bekommen, in dem die Beschlussfassung des Präsidiums des Österreich-Konvents festgehalten wird. „Die von Ihnen vertretenen Jugendorganisationen sollen wir darauf hinweisen, dass die an Sie ausgesprochene Einladung zur Sitzung des Österreich-Konvents am 21. November aufrecht ist und diese Einladung weder durch noch auf die Bundesjugendvertretung oder auf eine nicht andere nicht angesprochene Organisation übertragen werden kann.“

Das war für uns ein klares Zeichen und das war auch Grund genug für die Vertreter und Vertreterinnen, die heute nicht hier sind, Ihnen zu erklären, warum sie nicht hier sind.

Uns geht es schon um die Sache. Sie werden heute im Laufe des Tages die Ergebnisse des Jungend-Konvents schriftlich bekommen. Bis vor 20 Minuten haben wir nicht einmal gewusst, dass ich hier stehen darf und Ihnen als Vorsitzender der Bundesjungendvertretung unsere Positionen präsentieren darf.

Die Einladungen, die an die zehn gegangen sind, die im Präsidium sitzen, stellt auch eine Ausgrenzung aller anderen 25 Kinder- und Jugendorganisationen dar. Es fehlt der Alpenverein, es fehlen die Kinderfreunde, es fehlen die Pfadfinder, es fehlt die Landjugend, es fehlen die Jungarbeiter, es fehlt die Naturschutzjugend, die fehlt die Kolpingjugend, es fehlt der MKV, es fehlt die österreichische Jungbauernschaft und viele mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir, als gesetzliche Interessenvertretung gleichgestellt mit allen anderen, möchten darauf hinweisen, dass wir ernst genommen werden wollen. Wir wollen die Anliegen der Jugend vertreten und wir wollen dies so tun wie andere Interessenvertretungen in Österreich auch, denn wenn der ÖGB eingeladen wird, wird auch selbstverständlich der Präsident Verzetnitsch eingeladen und nicht jemand von der GÖD, von den Eisenbahnern, von den Metallern. Warum wird hier bei der Jugend ein Unterschied gemacht, warum ist die Jugend hier eine Interessenvertretung zweiter Klasse?

Um Ihnen aber zu zeigen, dass mir und uns die Anliegen wichtig sind, die Anliegen der Jugend Österreichs, glaube ich, ich bin es den anderen 25 Organisationen schuldig, war es geplant gewesen, dass wir Experten aus unserem Präsidium hierher entsenden, die jeweils ein Thema Ihnen vorstellen. Ein Thema zur Bildung, ein Thema zum Sozialstaat, ein Thema zur Partizipation. Weil das nicht möglich war (aufgrund dieser Einladungspolitik), werde ich jetzt nur kurz die Themen anreißen, weil ich glaube, dass es wichtig ist, dass es hier gesagt wird und dass Sie sie auch von mir hier hören.

Wir hatten gestern den 20. November, den internationalen Tag der Kinderrechte. Die Kinderrechte sind zwar 1992 in Österreich unterschrieben worden, allerdings haben sie noch nicht Verfassungsrang, das heißt, sie sind mit der Tatsache behaftet, dass man nicht klagen kann. Das ist ein Umstand in Österreich, dem wir als Österreichische Bundesjugendvertretung entgegenstehen wollen. Wir wünschen uns und wir fordern die Verankerung die Kinderrechte in der Verfassung. Denn dann hoffentlich ist es nicht mehr möglich - wie es in Oberösterreich passiert ist -, dass Ballspielen auf einem Spielplatz gerichtlich verboten wird.

Die Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung hängt für uns auch ganz eng zusammen mit dem Weißbuch „Jugend der Europäischen Union“ mit dem Hauptthema Partizipation, Information von Jugendlichen. Hier geht es uns darum, dass man das ernst nimmt. Diese Partizipation von Jugendlichen soll ernst genommen werden dahingehend, dass man nicht nur irgendwelche Alibiaktionen macht und darauf hinweist, dass Jugendliche in vielen Bereichen, wie beim Schulsprecher oder so weiter mitreden dürfen.

Uns geht es darum, Partizipation von Jugendlichen unter 18, und damit meine ich ganz dezidiert, die der Kinder zu fördern. Eine Wahlaltersenkung alleine auf 16 ist zwar eine Forderung der Bundesjungendvertretung. Diese Wahlaltersenkung alleine wird jedoch nicht viel helfen. Wir brauchen gemeinsam Maßnahmen, die Jugendliche in diesem Land motivieren, dass sie ihre aktive Bürgerschaft in diesem Land ernst nehmen, dass sie lernen zu partizipieren, dass sie es interessant finden.

Wenn ich immer höre, die Jugendlichen in Österreich sind politikverdrossen, glaube ich, sie sind eher manchmal Politikerinnen- und Politikerverdrossen. Ich glaube, man darf das den Jugendlichen nicht zum Vorwurf machen, sondern muss auf sie zugehen und sie einladen, gemeinsam mit den Verantwortlichen in diesem Land sich um Themen zu kümmern, die für Kinder und Jugendliche interessant sind.

Die Europäische Verfassung hat dieses schon umgesetzt: Artikel 224, Rechte des Kindes, heißt es da. Die Meinung der Kinder wird in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einem ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt, ja? Da geht es darum, dass wir uns wirklich überlegen, wie kann Partizipation bei Kindern ausschauen? Wo können Kinder auf kommunaler Ebene beim Spielplatz, wo auch immer, mitreden? Wenn wir Kinder anfangen, so zu erziehen in dieser Möglichkeit, dass sie Partizipation lernen, dann werden wir auch, sobald das Wahlalter eben auf 16 oder 18 ist, Jugendliche haben, die sich dafür interessieren und die auch ihre Verantwortung als Staatsbürger gerne wahrnehmen wollen.

Jugend als Querschnittsmaterie ist heute schon gefallen. Ich möchte Ihnen das auch mitgeben und sagen, das fällt natürlich in diesen Bereich hinein, Jugendpartizipation ist Querschnittsmaterie. Es gibt nicht nur die Jugendthemen im zuständigen Bundesministerium. Jugendthemen sind eigentlich alle Themen, die hier in diesem Nationalratssaal auch beschlossen und besprochen werden. Das heißt, die Jugend möchte auch mitreden, wenn es um Pensionsreformen geht. Die Jugend möchte mitreden, wenn es um Harmonisierung geht. Die Jugend will dort mitreden, wo es um Themen geht, die die Zukunft der jungen Menschen in diesem Land betrifft.

Eine weitere Forderung des Jugend-Konvents und der Oberösterreichischen Bundesjugendvertretung ist der freie Zugang zur Bildung als verankertes Verfassungsrecht. Dabei ist gerade der freie Bildungszugang, der Österreich international wettbewerbsfähig macht, als erstes Argument in Betracht zu ziehen. In Österreich sinken kontinuierlich die staatlichen Ausgaben für Bildung in allen Bereichen und unter diesen Kürzungen leidet natürlich unser Bildungssystem.

Aus diesem Grund fordert die Bundesjugendvertretung die verfassungsmäßige Verankerung des freien und offenen Bildungszugangs für alle. Es muss in Österreich garantiert werden, dass sie nicht nur dieselben Chancen zur Erringung von Wissen und Bildung haben. Es muss auch der Staat Interesse an dieser Entwicklung haben und sie fördern.

Die Österreichische Bundesjugendvertretung und der Jugend-Konvent hat die Verankerung des Sozialstaates in der Verfassung besprochen. Uns geht es darum, dass es eine Absicherung der materiellen Grundlagen für ein menschenwürdiges Leben gibt und dass das in der Verfassung festgeschrieben steht. Wir sind der Meinung, dass in einem modernen Gemeinwesen die Menschen auch vor Armut, Obdachlosigkeit und Krankheit ohne ausreichende medizinische Hilfeleistung mit gleicher Selbstverständlichkeit geschützt werden.

Ein Recht auf Arbeit als Grundlage für eigenständige Existenzsicherheit, ein Recht auf angemessene Arbeitsbedingungen, ein Recht auf soziale Sicherheit zur Absicherung bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und Alter, ein Recht auf staatliche Altersvorsorge und kein Drängen in die dritte Säule, die sich die meisten Jugendlichen nicht leisten können.

Eine Verankerung des arbeitsfreien Sonntags in der Verfassung erscheint uns dahingehend wichtig, dass natürlich die Ausweitung des Ladenschutzgesetzes, die Ladenöffnungszeiten, hier natürlich in eine Richtung weist, dass auch der Sonntag „nicht mehr heilig ist“. Es ist dies keine Forderung, die nur die katholischen Organisationen in der Bundesjugendvertretung vertreten. Es geht uns darum, diesen Tag als gemeinsamen Tag der Familie, den Tag der Kinder, den Tag jener zu schützen, die nicht unbedingt im Arbeitsprozess stehen müssen.

Wir sind natürlich nicht realitätsfremd. Wir wissen, dass es Berufe gibt, die am Sonntag arbeiten müssen, aber, ob der Einzelhandel und der Lebensmittelhandel am Sonntag arbeiten muss, das stellen wir in Frage.

Wir haben ein Antidiskriminierungsgesetz besprochen und gefordert. Wir fordern den Entwurf eines umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes und eines entsprechenden Hinweises in der Verfassung. Es darf nicht sein, dass es zu Diskriminierung oder Alltagsdiskriminierung auf Grund der Herkunft, des Geschlechts, der Hautfarbe, der sexuellen Orientierung, der Religion, körperlicher oder geistiger Behinderung oder des Alters kommt.

Zum Thema Föderalismus kann die Bundesjugendvertretung nur auf einen Punkt hinweisen: die Jugendschutzgesetze. Es ist für viele Jugendliche nicht nachvollziehbar, warum ich in Salzburg nur bis 22 Uhr ausgehen darf als 15-Jähriger und in Wien bis 1 Uhr in der Früh. Ein Service an die Jugendlichen auch und eine Möglichkeit, Jugendlichen zur erklären, warum das so ist, wäre, dass man eine Vereinheitlichung der Jugendschutzgesetze im Rahmen auch einer Föderalismusreform oder wie auch immer ins Auge fasst.

Jugendschutz, denke ich, sollte in der heutigen Zeit gleich sein für den Jugendlichen in Wien genauso wie für den in Vorarlberg, und man hätte damit auch eine bessere Informationsmöglichkeit für die Jugendlichen, um ihnen das zu erklären. Schließlich ist der Jugendschutz ja ein Schutz für die Jungen und keine Bevormundung.

Der letzte Punkt, der beim Jugend-Konvent diskutiert wurde, war die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht und Klärung der Rolle des österreichischen Bundesheers im Zuge der europäischen Sicherheitsdiskussion. Wenn man über eine Abschaffung der Wehrpflicht diskutiert und diese fordert, dann muss man sich auch Gedanken machen, was mit dem Zivildienst passiert. Derzeit ist es so, und es ist uns bewusst, dass im Bereich des sozialen Sicherheitsnetzes ein großer Mangel an Fachkräften herrscht und das wird sich noch verschärfen in nächster Zeit. Das letzte Halbjahr hat uns ja einige Beispiele vors Auge geführt.

Der Zivildienst stellt in dieser prekären Situation einen unentbehrlichen Bestandteil der sozialen Dienste dar, auch wenn Zivildiener nur zu Hilfsdiensten herangezogen werden und keine hauptamtlichen Arbeitskräfte ersetzen dürfen.

Die Österreichische Bundesjugendvertretung fordert die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht. Gesellschaftlich wichtige Dienste in den Bereichen Soziales, Umwelt, nicht militärische Friedensarbeit und Katastrophenschutz müssen nach dem Prinzip der Freiwilligkeit neu organisiert beziehungsweise bereits bestehende Dienste, wie das freiwillige soziale Jahr, das freiwillige ökologische Jahr, der Gedenkdienst, finanziell unterstützt und in der Verfassung verankert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind in aller Kürze die Positionen der Österreichischen Bundesjugendvertretung, und ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass sie jetzt nur angerissen worden sind von jemandem, der vor 20 Minuten erfahren hat, dass er diese alle hier präsentieren darf und soll.

Ich möchte Sie einladen. Die Österreichische Bundesjugendvertretung ist gesprächsbereit. Wir möchten mit Ihnen gemeinsam an einer neuen Verfassung arbeiten. Wir möchten mit Ihnen gemeinsam im Dialog bleiben. Wir möchten mit Ihnen gemeinsam die Zukunft dieses Landes gestalten, und ich bitte Sie, dass sie uns als Bundesjugendvertretung, als Interessenvertretung, als gesetzlich verankerter Sozialpartner ernst nehmen und uns diese Rolle geben, die uns zusteht. Herzlichen Dank.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke auch für die Darlegung des Vertreters der Jugend und wir sind damit, was den Bereich Jugend anlangt, zum Ende gekommen. Wir kommen nunmehr zum zweiten Bereich der Anhörung der Vertreter oder Vertreterinnen aus dem Bereich der Frauen.

Als erste Wortmeldung liegt mir hier die der früheren Ministerin Mag. Barbara Prammer für die SPÖ-Frauen vor. Ich darf Ihnen Frau Ministerin das Wort erteilen und auf eine 10-minütige Redezeitbeschränkung aufmerksam machen. – Bitte sehr.

Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die österreichische Verfassung – das wissen Sie alle – entstand in einer Zeit, in der die Gleichstellung der Geschlechter nicht einmal eine Vision war, in der es erste schwache Versuche einer Frauenbewegung gab, aber nicht mehr. Und wenngleich wir natürlich auch alle wissen, dass an unserer Verfassung im Laufe der Zeit gearbeitet wurde und so manches in der Geschlechterfrage geändert wurde, so hält sie doch in weiten Bereichen einer so genannten Genderprüfung keineswegs in befriedigendem Maße stand. Die Bestimmungen des Artikels 7 sind zwar wesentlich, können aber über weitere wesentliche Anforderungen an eine moderne Verfassung nicht hinwegtäuschen.

Was verstehen wir unter einer Genderprüfung? Es ist bis heute Realität, dass Frauen großteils andere Lebensrealitäten und andere gesellschaftliche Realitäten haben als Männer. Gleichheit vor dem Gesetz kann bis heute, wenn es diesen unterschiedlichen Realitäten nicht Rechnung trägt, erst recht zu Ungleichheit führen, und ich möchte gerne dazu ein kleines Beispiel geben - in der Gerichtsbarkeit die Frage nach dem Anwaltszwang. Dort, wo es ihn gibt, gilt er selbstverständlich in gleichem Maße für Männer und für Frauen. Realität ist aber, dass Frauen um mehr als ein Drittel im Durchschnitt weniger verdienen. Wenn sich daher eine Frau wesentlich schwerer eine gute Anwältin leisten kann, dann stellt sich ganz einfach die Frage, ob hier der Zugang zum Recht für beide Geschlechter, für Männer wie für Frauen, gleichermaßen möglich ist.

Solcher Fragen haben gestellt zu werden, wenn wir der Anforderung gerecht werden wollen, so genannte Genderprüfungen durchzuführen.

Wenn nun in Österreich Konsens darüber besteht, eine neue Verfassung zu entwickeln, dann ist es ein Gebot der Stunde bei all den Diskussionen sich eben genau dieser Geschlechterfrage zu stellen, sich diese Frage bei weitem nicht nur in den Grundrechten oder zur Staatszielbestimmung zu stellen, sondern in allen Problemfeldern.

Das ist auch der Grund, warum viele Frauen und Frauenorganisationen die geringe Frauenquote bei den Mitgliedern im Österreich-Konvent heftig kritisiert haben. Und, meine Damen und Herren, es ist auch völlig klar, dass ein 50-minütiges Hearing unmöglich ersetzen kann, dass Gleichstellungsfragen in diesem wichtigen Diskussionsprozess ständig und immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden müssen. Dazu komme ich auch noch einmal am Schluss meiner Ausführungen.

Sie, die Mitglieder des Konvents, haben für sich festgelegt, Ihre Detailarbeit in zehn Ausschüssen zu erledigen. Daher ist es für mich auch unabdingbar, dass sich jeder dieser Ausschüsse der Geschlechterfrage zu stellen hat. Und ich will im Folgenden anhand einiger kurzer Problemaufrisse aufzeigen, wo nach meiner Meinung der Diskussionsbedarf jedenfalls, und sicher noch weit mehr als das, was ich jetzt hier anführen kann,  in den Ausschüssen zu diskutieren sein müsste.

Zu den Staatsaufgaben und zu den Staatszielen: Die Gleichstellung von Frauen und Männern braucht auch das klare Bekenntnis zur aktiven Frauenförderung, bis zu deren Erreichung der Gleichstellung. Das ist für uns, oder für mich als Frauenvertreterin, eine unabdingbare Notwendigkeit, hier ein derartig eindeutiges Staatsziel zu formulieren.

Zu den Staatsaufgaben auch ein paar Bemerkungen: Es wird immer darüber geredet, ein schlanker Staat sei ein moderner Staat. Und oft und oft wird damit gemeint auch die Reduzierung der Staatsaufgaben. Ich bin der Meinung, dass gerade die Reduzierung von Staatsaufgaben und die Verlagerung von Staatsaufgaben sehr stark unter dem Gender-Aspekt analysiert werden muss, weil es oft und oft auch die Vergangenheit bereits gezeigt hat,  je klarer es Regelungen gibt, je eindeutiger dann auch der Zugang gerade für Frauen zu fairen Chancen und zu rechtlichen Möglichkeiten gegeben ist.

Zu den staatlichen Institutionen: Es wird nun die einmalige Chance gegeben, darüber nachzudenken, wie bereits in der Struktur der Institutionen Geschlechterparität gefördert werden kann. Vor allem natürlich beinhaltet im Wahlrecht. Wahlrecht – die Ausformung eines Wahlrechtes zeigt ganz eindeutig: Gibt es die Chance auf mehr Beteiligung von Frauen, oder gibt es das Hemmnis von mehr Beteiligung von Frauen und für Frauen. Und ich rege an, dass hier in den Ausschussarbeiten jedenfalls auch die Beispiele aus dem Ausland herangezogen werden. Ich möchte an dieser Stelle nur darauf hinweisen und erinnern, dass seit einigen Jahren in Frankreich das Kommunalwahlrecht derart gestaltet ist, dass von vornherein allen politischen Parteien vorgegeben ist, eine Gleichstellung zwischen Männern und Frauen auf den Listen. Das heißt, seit einigen Jahren ist es in den französischen Kommunen nicht mehr möglich, eine Geschlechter-Disparität zu Stande zu bringen für jede einzelne Partei, die in der Kommune kandidiert.

Was die Geschlechtertauglichkeitsprüfung betrifft, möchte ich auch ein paar Worte sagen, weil es heute auch schon angeschnitten worden ist: Familienwahlrecht oder Kinderwahlrecht, oder wie immer es formuliert sein möge, ist ganz einfach nicht der richtige Weg und würde einer Geschlechtertauglichkeitsprüfung keinesfalls standhalten. Denn: Eine Rückkehr zu den Oberhäuptern der Familie wäre eine Rückkehr ins vorvorige Jahrhundert und Sie können sicher sein, dass der Großteil der österreichischen Frauen hier das keinesfalls akzeptieren würde.

Zu den Grundrechten ließe sich natürlich am meisten sagen. Und ich bin überzeugt davon, dass die Frau Dr. Hornyik, die für den Frauenring hier ja noch sprechen wird, sehr vieles ausführen wird. Daher hier nur ganz kurz: Bitte, vergessen Sie nicht, dass ja auch die Vereinten Nationen vor mittlerweile einiger Zeit festgelegt haben, dass Menschenrechte Frauenrechte bzw. umgekehrt, Frauenrechte Menschenrechte sind und dass hier ein sehr großer Handlungsspielraum gegeben ist, wo wir im Grundrechtekatalog auf die Geschlechterfrage auch dementsprechend eingehen können.

Wichtig ist auch, was die Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden betrifft, dass es zu keiner Verwässerung kommen darf. Das, was vielleicht hier in einem Diskussionsprozess auf der Bundesebene, wenn ich das so sagen darf, erreicht werden kann, darf dann auf Länder- und Kommunalebene nicht verwässert werden.

Zur Reform von Verwaltung und der Struktur der Organe der Verwaltung: Es geht um die Bürgerinnen-Nähe, manches Mal viel mehr als um die Bürger-Nähe. Frauen haben andere Lebensrealitäten, das habe ich schon gesagt. Und gerade, wenn wir über Regionen diskutieren, müssen wir diesen Lebensrealitäten ins Auge sehen und den Bedürfnissen der Frauen Rechnung tragen. Das geht vom öffentlichen Verkehr, von der Infrastruktur bis hin natürlich zu den Einrichtungen, die Recht ermöglichen sollen.

Ich möchte auch noch gerne darauf hinweisen, wie wichtig es ist, dass Verwaltungseinrichtungen - bestehende genauso wie neue Verwaltungseinrichtungen - gewährleisten müssen, dass die dort Beschäftigten in einem ausreichenden Ausmaß geschlechterparitätisch beschäftigt sind. Für mich ist es auch sehr wichtig, weil ja auch die Debatte immer wieder darum geht, was wird alles verlagert. Wie kann gewährleistet sein, dass zum Beispiel das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz gerade auch auf diese neuen oder unter Umständen neu zu schaffenden Institutionen auch übernommen werden kann.

Demokratische Kontrolle, ein Schwerpunkt in der Geschlechterfrage. Es muss möglich sein, dass die Gleichstellung und die Einhaltung der Gleichstellung auch tatsächlich kontrolliert wird und hier auch der Rechtsschutz gegeben ist. Was ich mir als Frauenpolitikerin von einer neuen Verfassung unbedingt erwarte, ist, dass es gerade auch in der Finanzverfassung, wenn’s um Geld geht, überlegt wird, wie zum Beispiel ein Gender Budgeting auch in die Realität der österreichischen Finanzpolitik eingehen kann.

Ich erwarte mir geschlechtergerechten Sprachgebrauch, Herr Präsident, ich möchte nicht mehr gerne eingeladen werden als „Vertreter“ der Frauenorganisationen. Ich glaube, es ist wesentlich und wichtig, dass das nicht als kleines i-Tüpfelchen gesehen wird, sondern das ist die Grundlage, dass in den Köpfen der Menschen Frauen und Männer existieren können.

Schließlich noch eines zur weiteren Vorgangsweise abschließend. Was ich mir wünsche, von Ihnen als Mitgliedern des Konvents, gerade auch in der Arbeit der Ausschüsse. Ich rege an, vor Legung des ersten Zwischenberichts des jeweiligen Ausschusses eine Aussprache mit den Frauenorganisationen im jeweiligen Ausschuss auf Basis eines Entwurfes eines Zwischenberichtes zu diskutieren. Es gibt viele namhafte Expertinnen, bitte bedienen Sie sich dieser Expertinnen auch in Ihrer Ausschussarbeit. Heute das Hearing kann nur ein Anstoß gewesen sein für die weitere Arbeit im Sinne der Frauentauglichkeit in Österreich.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön. Ich darf als nächste für die FPÖ-Frauen Frau Theresia Zierler um das Wort bitten. Bitte sehr. Redezeitbeschränkung gleichfalls 10 Minuten.

Theresia Zierler: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, hoher Österreich-Konvent. Ich bin sehr froh, dass wir die Möglichkeit haben, heute auch zum Thema Frauen-Kapitel bei diesem Hearing ein Statement, ein Kurz-Statement, abzugeben.

Ich denke, die Frauenpolitik sollte gerade, was den Österreich-Konvent betrifft, ein sehr wichtiges Thema sein. Und es gibt einen Punkt, wo ich auch mit Kolleginnen anderer Parteien konform gehe, und das ist jener Punkt, was die Besetzung des Konvents betrifft. Weil ich denke, dass sehr viel mehr Frauen hier etwas hätten einbringen sollen.

Aber jetzt gleich zum Inhaltlichen: Für uns freiheitliche Frauen gibt es drei sehr wichtige, drei maßgebliche Themen. Zum Einen: Verankerung des Gender Mainstreaming in der Verfassung. Zum Zweiten: Verankerung der Chancengleichheit und Generationensolidarität in der Verfassung. Und zum Dritten ein Thema, das auch beim Jugendkapitel schon angesprochen wurde, aber für uns auch ein Thema in der Frauenpolitik ist, und zwar ist dies die Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung.

Lassen Sie mich die einzelnen Kapitel, die einzelnen Themen etwas näher ausführen. Zum Gender Mainstreaming: Gender Mainstreaming als neue Handlungsstrategie in der Gleichstellungspolitik will eine geschlechterbezogene Sichtweise in alle politischen Konzepte, auf allen Ebenen mit dem Ziel einbringen, dass die Chancengleichheit von Frauen und Männern in allen Politikbereichen und bei allen politischen Maßnahmen berücksichtigt wird. Gender Mainstreaming ist eine internationale Verpflichtung Österreichs und Regierungsaufgabe, zu der sich die Bundesregierung bereits im Jahr 2000 bekannt hat. Gender Mainstreaming ist seit Juli 2000 von der österreichischen Regierung als Leitprinzip der Bundespolitik anerkannt und hat die Gleichstellung von Frauen und Männern zum Ziel.

Die weitere Umsetzung von General Main Streaming erfolgt auf Beschluss des Ministerrats 2002 als neue Handlungsstrategien der Gleichstellungspolitik, die eine geschlechterbezogene Sichtweise in alle politischen Konzepte, auf allen Ebenen, mit dem Ziel einbringen will, dass die Chancengleichheit von Frauen und Männern in allen Politikbereichen und bei allen politischen Maßnahmen berücksichtigt wird. Voraussetzung ist die Feststellung, dass Gender Main Streaming von beiden Geschlechtern gelebt und getragen und das Bewusstsein hierfür bei beiden Geschlechtern geschärft werden muss.

Dies bedingt, dass Frauen wie auch Männer in Gender Main Streaming Aktivitäten eingebunden werden. Genau auf dieser Basis soll eine Überprüfung von Normvorhaben und sonstigen Maßnahmen unter dem Aspekt des Gender Main Streaming in der österreichischen Verfassung Eingang finden.

Zum Thema 2. Verankerung der Chancengleichheit und Generationensolidarität in der Verfassung. Jede Diskriminierung aufgrund des Alters ist unzulässig. Eine angemessene Alterssicherung, die auf dem Grundsatz der Generationensolidarität unter Berücksichtung der Verteilungsgerechtigkeit beruht, ist zu gewährleisten. Im Regierungsprogramm ist die verfassungsmäßige Verankerung des Diskriminierungsverbotes aufgrund des Alters festgeschrieben. Uns geht es insbesondere darum, Menschen aller Altersgruppen gleiche Chancen zu eröffnen. Es dürfen dabei weder junge Menschen noch Seniorinnen oder Senioren benachteiligt werden. Wichtig ist, faire Möglichkeiten für den Berufseinsteiger zu garantieren, junge Familien zu unterstützen und die Pensionen nachhaltig zu sichern. Insgesamt geht es darum, die Solidarität zwischen den Altersgruppen sicher zu stellen.

Bereits am 18. Juni 1999 verabschiedete der Nationalrat eine Entschließung zur Sicherung des Generationenvertrages. Die lautet: die Bundesregierung wird aufgefordert, in der mittel-langfristigen Politikgestaltung auf die sich abzeichnenden demographischen Verschiebungen Bedacht zu nehmen und sicher zu stellen, dass auch in Zukunft ein faires Miteinander der Generationen gewährleistet bleibt. Gleichzeitig ist der Dialog der Generationen im Sinne der Sicherung des Generationenvertrages zu fördern. Im Jahr 2002 wurde im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen in direkter Zusammenarbeit mit dem Verfassungsdienst eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines einvernehmlichen Entwurfes für eine Regierungsvorlage zur Verankerung der Alterssicherung in der Verfassung eingesetzt.

Im Mittelpunkt der österreichischen Generationenpolitik steht die Förderung und Stärkung der Generationensolidarität als Basis für ein friedliches und für ein produktives Miteinander der Generationen. Das hohe Maß an Solidarität zwischen den Generationen in Österreich dokumentiert die allgemeine Akzeptanz des harmonisierten finanziellen Ausgleichs zwischen den Generationen und die dahinter stehenden verteilungspolitischen Grundsätze. Angesichts des Bevölkerungswandels muss das hohe Maß an Generationensolidarität erhalten und die Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Generationen auch für die Zukunft gesichert werden.

Staatszielbestimmung zur Alterssicherung im Rahmen des Artikels 7 der österreichischen Bundesverfassung. Da heißt es, eine Benachteiligung Behinderter ist unzulässig. Und danach stellen wir uns eine Ergänzung vor. Jede Diskriminierung aufgrund des Alters ist unzulässig. Eine angemessene Alterssicherung ist zu gewährleisten, die auf dem Grundsatz der Generationensolidarität beruht. Oder jede Diskriminierung aufgrund des Alters ist unzulässig. Der Generationenvertrag als die maßgebliche Säule der Alterssicherung hat die Interessen aller Generationen zu berücksichtigen.

Zu unserem dritten Thema. Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung in Anlehnung an Artikel 3 der UNO-Kinderrechtskonvention. Wichtigstes Umfeld für das gedeihliche Aufwachsen der Kinder ist und bleibt die Familie. Die Liebe und Zuwendung, die sie in der Familien erfahren. Die Werte, die ihnen mitgegeben werden, sind prägend für ein späteres Wohlbefinden und natürlich auch prägend für das ganze weitere Leben. Dem Staat soll dabei keine Aufsichtsfunktion zukommen, wohl aber sind die rechtlichen Rahmenbedingungen zu gestalten und zwar so zu gestalten, dass die Entwicklung des Kindes optimal gesichert ist. Die Prüfung von Normen auf ihre Kinder und Jugendverträglichkeit - wie im Regierungsprogramm von unserer Seite hineinreklamiert -  garantiert von vorne herein die Berücksichtung der Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen und die Hintanhaltung von Benachteiligungen.

Da es um eine Personengruppe geht, die besonders unseres Schutzes bedarf, ist die verfassungsrechtliche Verankerung in einer modernen Staatsverfassung aus unserer Sicht unerlässlich. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke auch für die Ausführungen. Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Christien Marek für die Österreichische Frauenbewegung ÖVP. Bitte sehr.

Christine Marek: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einleitend möchte ich festhalten, dass die ÖVP Bundesfrauenvorsitzende in ihrer Eigenschaft als Bundesministerin für Frauen bereits im März 2003 bei der Ernennung der Mitglieder des Österreich Konvents auf eine Frauengenderquote von mindestens 40 Prozent zu achten ersuchte. Leider wurden in Folge von den 84 Konventsmitgliedern lediglich 14 Frauen ernannt. Das sind 16,6 Prozent und deswegen wurde dieses heute stattfindende Hearing zu einer notwendigen Angelegenheit für die Berücksichtigung von frauenspezifischen Anliegen im Rahmen der Arbeit an einer neuen Verfassung für Österreich.

Zu den grundsätzlichen Forderungen der Frauenbewegung der ÖVP. Gemäß Artikel 2 und Artikel 3 des Amsterdamer Vertrages gehört die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und die Beseitigung der Ungleichheiten zu den Aufgaben der Gemeinschaft und muss als Ziel bei all ihren Tätigkeiten angestrebt werden. Die EU Empfehlung 96/694/EG des Rates vom 2. Dezember 1996 sieht die ausgewogene Mitwirkung von Frauen und Männern an Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen, in staatlichen Organen und Ausschüssen vor. Die EU Kommission hat sich dann dazu verpflichtet, dass der Anteil jedes Geschlechtes mindestens 40 Prozent betragen muss.

Wir fordern daher erstens die Umsetzung auch dieser EU-Vorgaben und EU- Verpflichtungen auch in der neuen Verfassung und zwar, indem in allen durch die Verfassung zustande gekommenen Kommissionen Ausschüssen und Gremien diese Mindestquote von 40 Prozent einzuhalten und darüber hinaus eine den tatsächlichen prozentuellen Anteil von Frauen entsprechende Vertretung anzustreben ist. Diese Forderung bezieht sich auf die Besetzung von nationalen und internationalen Gremien.

Zweitens. Die Gleichbehandlung und die Gleichstellung von Frau und Mann muss sich wie von der Ministerin gefordert in der sprachlichen Formulierung der Gesetzestexte niederschlagen. Wir fordern den Entfall von so genannten weichen Formulierungen wie Möglichkeitsformen und Kann-Bestimmungen.

Lassen Sie mich dazu zwei Beispiele geben. Bundesverfassungsgesetz Artikel 17 § 2 enthält: „Bund Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau.“ Unserer Ansicht nach muss es aber heißen: „Bund, Länder und Gemeinden verpflichten sich zur Gleichstellung von Frau und Mann.“

Ein zweites Beispiel aus dem gleichen Artikel § 3. Amtsbezeichnungen können in der Form verwendet werden, die das Geschlecht des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringen. Aber es muss auch hier wieder heißen: „Amtsbezeichnungen sind in der Form zu verwenden, die das Geschlecht des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringen.“

Meine Damen und Herren! Bereits vor Konventsbeginn erging ein weiteres Ersuchen der Frauenministerin bei der Erstellung des Textes des Österreich-Konvents, einen geschlechterbezogenen Sprachgebrauch zu berücksichtigen - wie ihn auch der Ministerratsbeschluss der Bundesregierung vom 2. Mai 2001 vorsieht. Wir fordern die prinzipielle sprachliche Sichtbarmachung der Gleichstellung von Frauen und Männern, die im gegenständlichen Gesetzestext zur österreichischen Bundesverfassung noch nicht vorzufinden ist. Dies schließt auch ein, dass künftig keinerlei Generalklauseln für geschlechtergerechtes Formulieren akzeptiert werden dürfen. Lassen Sie mich auch dazu ein Beispiel geben. Artikel 14 § 2 besagt: „In den Angelegenheiten des Dienstrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Lehrer für öffentliche Pflichtschulen“ und so weiter. Aber auch hier muss es heißen: „der Lehrerinnen und Lehrer.“ Ziel muss es sein, verpflichtende geschlechtergerechte Formulierungen für alle Gesetzestexte in Österreich vorzusehen.

Dritter Punkt: Um bei der Schaffung neuer Verwaltungsstrukturen die Einhaltung der Grundsätze des Gleichbehandlungsgesetzes sicherzustellen, hat die Verfassung entsprechende Formulierungen vorzusehen. Insbesondere betrifft diese Forderung die Geschlechterparität im Zusammenhang mit der Besetzung von Funktionen und Arbeitsplätzen in jenen Bereichen, in denen noch kein ausgewogenes Verhältnis des Frauenanteils zur Gesamtzahl der Beschäftigten vorliegt – im Allgemeinen wird hier auch von positiver Diskriminierung gesprochen.

Die Verfassung hat daher vorzusehen, dass keine gesetzliche Möglichkeit offen gelassen wird oder geschaffen wird, die Modifizierungen oder Veränderungen dieses Grundsatzes der Geschlechterparität zulässt.

Vierter Punkt, der Bereich des Gender Budgeting: Gender Budgeting ist als Mittel für eine gerechte Beteiligung von Frauen und Männern an allen finanziellen und materiellen Ressourcen des Staates vorgesehen. Dahinter steht einfach die Idee, Staatsausgaben und Staatseinnahmen geschlechtsspezifisch aufzuschlüsseln und geschlechtsspezifische Budgetanalysen durchzuführen – als Beispiel können Länder wie Australien oder die Länder des Nordic Council, die Stadt Berlin und die Schweiz genannt werden, wo Gender Budgeting bereits seit Jahren sehr erfolgreich durchgeführt wird.

Am österreichischen Beispiel des für Budgetpolitik zuständigen Finanzministeriums wurden im vergangenen Jahr entsprechende Konzepte und Projektvorschläge ausgearbeitet. Das österreichische Finanzministerium hat dabei zum Beispiel eine Analyse mit dem Titel „Ist das österreichische Steuersystem tatsächlich geschlechtsneutral?“ durchgeführt.  Das Ergebnis bestätigt dringend die Notwendigkeit von Maßnahmen im Rahmen der Budgetgesetze.

Wenn nun Gesetze – im Besonderen hier all jene, die den Budget- und Finanzbereich betreffen – geschlechtsneutral formuliert und auch auf die Folgewirkungen – im Speziellen auf Frauen – analysiert werden, kann aufgezeigt werden, wie sich zum Beispiel Steuern im Endeffekt auf die Geschlechter unterschiedlich auswirken können – und das tun sie.

Um solche verschiedenen Wirkungsweisen von Budget- und Finanzgesetzen auf Frauen und Männer in Zukunft zu vermeiden, fordern wir, dass das Prinzip des Gender Budgeting für sämtliche Ausgabengebarungen der öffentlichen Hand verpflichtend in der Verfassung festgeschrieben wird.

Lassen Sie mich abschließend noch etwas zu einem Korrektiv im Österreich-Konvent bitten: Im Hinblick auf den geringen Frauenanteil im Konvent und im Besonderen in den einzelnen Ausschüssen, in denen das Verhältnis zum Beispiel 10: 1 Männer zu Frauen beträgt, fordert die österreichische Frauenbewegung in der ÖVP als sofortige Maßnahme die Zulassung jeweils einer Repräsentantin der Frauenorganisationen der im Parlament vertretenen Parteien mit Beobachterstatus in allen Ausschüssen. – Danke schön.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Brigid Weinzinger von der Grünen Frauenorganisation. – Bitte sehr. 10 Minuten Redezeitbeschränkung.

Mag. Brigid Weinzinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin Fiedler! Sehr geehrte Damen! Wenn Ihnen die Anrede ein wenig befremdlich vorkommt, und Sie sich nicht ganz damit identifizieren können, dann lade ich Sie ein, mitzubedenken, dass Frauen in der österreichischen Verfassung seit nunmehr über 80 Jahren sich unter dem Titel „jedermann“ wieder finden sollen und noch heute auf diesen Tischen eine Unterlage aufliegt, wo zum Beispiel ich als „Vertreter der Frauenorganisationen“ bezeichnet werde.

Ich denke, die Formulierung in der Verfassung mag man auch aus dem Geist der Zeit heraus ja noch verstehen – es war im Vorfeld der Entstehung der österreichischen Verfassung 1920 ja heftig die Diskussion um das Frauenstimmrecht. Da gab es so Wortmeldungen wie die von Franz, einem Theoretiker der christlich-sozialen Partei, der sagte:

„Ihre körperliche Organisation wie ihre geistige Eigenart weisen die Frauen im Allgemeinen vom Kampfplatz des öffentlichen Lebens ab und stellen als die natürliche Bestimmung für ihre Lebensbestätigung klar und unzweideutig hin das Walten im Inneren des Hauses als Gattin und Mutter.“ Das war vor vielen, vielen Jahren – auch wenn heute in diesem Haus schon Äußerungen gefallen sind, die an unselige Zeiten dieser vergangenen Periode erinnern lassen –, aber ich denke, die österreichische Verfassung heute müsste sich sehr wohl einem ganz anderen Geist verpflichten als dem, der hier zum Ausdruck kam.

Man könnte auch sagen: Die Verfassung von 1920 wurde von Männern gemacht, es wäre daher ein fairer Ausgleich, wenn die Verfassung im Jahr 2003 und 2004 von Frauen gemacht wird. Nun wird eine Ungerechtigkeit üblicherweise nicht dadurch beseitigt, dass man eine andere Ungerechtigkeit schafft, daher denke ich, eine fifty-fifty-Quote der Berücksichtigung und der Besetzung wäre daher mehr als angemessen  – und ich denke, da werden die Damen im Konvent und in den Ausschüssen sich irgendwie verdoppeln, verdrei-, vervier-, verfünffachen müssen und viele Männer sehr schweigsam werden, damit man das einigermaßen erreichen kann bei dieser Zusammensetzung des Konvents, für die Sie, sehr geehrte Damen und Herren, natürlich nur sehr bedingt zur Verantwortung gezogen werden können. Umso mehr ist es daher wichtig, tatsächlich die Interessen einer Gleichbehandlung und einer Gleichstellung von Frauen und Männern in der Verfassung und damit im wichtigsten Regelwerk der österreichischen Politik zu erreichen.

Ich möchte Ihnen einige Anregungen geben, die seitens der grünen Frauenorganisationen hier wichtig werden, um tatsächlich eine geschlechtergerechte Verfassung zu erreichen.

Das Erste ist natürlich die Verankerung des Zieles der Gleichstellung – als einem Auftrag nicht nur zur Gleichbehandlung, sondern zur Erreichung einer aktiven Gleichstellung – in der Verfassung als Staatsziel oder im Grundrechtekatalog – darüber kann man ja noch diskutieren. Wichtig ist jedenfalls, dass hier eine Verpflichtung damit verbunden ist, dort, wo eine Ungleichbehandlung gegeben ist, Gegenmaßnahmen zu setzen und sicherzustellen, dass Staatsbürgerinnen dort, wo sie ungleich behandelt werden, genauso wie Staatsbürger dort, wo sie sich ungleich behandelt fühlen, das einklagbare Recht auf Fördermaßnahmen bekommen.

Im Klartext heißt das, dass wir in der Verfassung sicherstellen müssen, dass es nicht nur Lippenbekenntnisse dazu gibt, dass Gleichbehandlung stattfinden soll, sondern dass der Staat und seine Institutionen den Auftrag bekommen, eine Überwindung von Ungleichgewichten zwischen den Geschlechtern zu erzielen. Wir können es anders formulieren: Das heißt nicht nur – so wie es jetzt sehr vage definiert ist – ein verschämtes Zulassen von Maßnahmen zur positiven Diskriminierung, sondern die Festschreibung der Verpflichtung zur positiven Diskriminierung so lange, bis ein ausgewogener Status erreicht wird.

Dazu wird es verschiedene Instrumente geben müssen – ob das nun das einklagbare Recht als subjektives Recht formuliert ist oder auch die Möglichkeit von Verbandsklagen für Frauenorganisationen – zur Durchsetzung der Interessen von Frauen.

Was wir jedenfalls brauchen – das habe ich ja am Anfang auch schon mit meinem sprachlichen Exkurs angedeutet –, ist eine geschlechtsneutrale Formulierung der Verfassung – das sollte eigentlich schon selbstverständlich sein; der Vollständigkeit halber erwähne ich es –, und das ist sowohl ein Auftrag und ein Wunsch an die Ausschüsse, die jeweils in ihrer inhaltlichen Terminologie das mit berücksichtigen müssen, ob sie nun vom Staatsbürger/ der Staatsbürgerin, jedem Menschen oder wie immer in der Terminologie sprechen, als auch ein Wunsch ans Präsidium, dass jedenfalls zur Sicherstellung auch einer kohärenten Formulierung in einer redaktionellen Bearbeitung am Schluss ein expliziter Auftrag zur geschlechtsneutralen Formulierung enthalten sein muss.

Es wurde ja bereits auf das Gender Budgeting von Vorrednerinnen eingegangen: Auch ich meine, dass diese Verpflichtung der Österreicher durch das Bekenntnis zum Gender Mainstreaming und die dazu gehörige EU-Richtlinie auch verfassungsrechtlich abgesichert werden muss, damit klargestellt wird, dass das auf allen Ebenen zu geschehen hat und dass das nicht nur ein Alibi bleibt, sondern tatsächlich in der politischen, in der finanz- und budgetpolitischen Ausgestaltung schlagend wird. Das heißt, nicht nur zum Beispiel die Durchleuchtung des Steuersystems, sondern heißt auch anzuschauen, welche Budgetmittel wohin gehen zum Beispiel im Verkehrssektor: Wie viele der eingesetzten Mittel kommen Frauen als Verkehrsteilnehmerinnen tendenziell stärker zugute, wie viele den Männern tendenziell stärker zugute? – Ich glaube, da könnte man einige Überraschungen erleben, wenn man das einmal geschlechterspezifisch nach dem Nutzerverhalten und Nutzerinnenverhalten sich ansieht.

Ich würde es gerne formulieren mit einem Schlagwort, das ja in Österreich immer für heftige Debatten sorgt, nämlich mit dem Schlagwort „Finanzausgleich“.  Nichts wird zwischen Bund und Ländern heftiger umstritten als der Finanzausgleich alle paar Jahre, und ich glaube, es ist genauso wichtig, einen Finanzausgleich zwischen den Geschlechtern herzustellen, zwischen Männern und Frauen – und ich mache mir keine Illusionen, dass der nicht ebenso umstritten ausfallen würde.

Schließlich möchte ich auf einen Punkt kommen, der auch mit aktuellen Debatten  zusammenhängt. „Die Geschlechterparität“ klingt so ein bisschen nach dem alten Hut. Natürlich wollen wir alle, dass Männer und Frauen gleich vertreten  sind – also, das unterstelle ich Ihnen jetzt irgendwie einmal – dass Männer und Frauen gleichermaßen vertreten sind in politischen Vertretungsorganen, staatlichen Institutionen und so weiter – die Zahlen selbst sind derzeit noch sehr weit von diesem Ziel entfernt. Ich habe mir nur die Zusammensetzung der Parlamente in Österreich angeschaut, also der neun Landtage und des Nationalrates. Und da stellen wir fest, dass von insgesamt 655 Mandaten nur 198 von Frauen gehalten werden – also noch nicht einmal ein Drittel. Spannend ist auch, wenn man sich die Besetzung der Präsidien ansieht: von 30 Positionen in den Präsidien der Parlamente werden nur sechs Posten von Frauen gehalten; und bei den Klubobmenschen quer durch die Parlamente sind von 39 Klubobleuten überhaupt nur vier Frauen. Und es gibt auch noch Institutionen, da heißt es - in Kärnten - ganz offen einfach Klubobmännerkonferenz statt Präsidium.

Das heißt: wir haben eindeutigen Handlungsbedarf – die Regierungsebene spiegelt das übrigens ganz ähnlich wider. Und der Konvent ist jetzt auch nicht besser besetzt, auch in den Ausschüssen nicht. Alle Vorsitzenden sind männlich. Ich denke, es ist daher dringend notwendig, sich Gedanken zu machen, welche Instrumente zur Verfügung stehen, wenn man hier korrigierend einwirken möchte.

Ein Instrument, das jedenfalls dazu nicht geeignet ist - wie wir aus internationalen Vergleichen wissen - ist das Mehrheitswahlrecht.

Überall dort, wo Mehrheitswahlrechte bestehen – egal, ob es jetzt das einfache Mehrheitswahlrecht oder nach dem absoluten Wahlrecht geregelt ist – sind Frauen deutlich unterrepräsentiert. Und es gibt eine klare, auch international dokumentierte Korrelation zwischen dem Bestehen eines Verhältniswahlrechtes und dem Frauenanteil in den jeweils dadurch gewählten Parlamenten.

Ich bitte daher inständig, das zu berücksichtigen bei den Diskussionen um das Wahlrecht und kann an dieser Stelle auch nur der Idee des Familienwahlrechts eine klare Absage erteilen. Erstens glaube ich, dass grundlegende verfassungsrechtliche Bedenken dagegen stehen, hier das Wahlrecht indirekt ausüben zu lassen für andere. Zweitens würde man ja – da kann ich jetzt sehr kreativ werden – anderen Vorschlägen Tür und Tor öffnen, wer für wen ebenfalls noch eine Stimme abgibt, um welche Interessen zu stärken. Und wenn ich es absurd machen will, machen wir wieder die Interessenvertretung der Autofahrer und Autofahrerinnen Österreichs und geben pro Pkw in der Familie noch eine zusätzliche anteilige Stimme ab.

Ich weise Sie darauf hin, dass die Empfehlungen, was die Frauenparität angeht, ja nicht nur jetzt von Frauenorganisationen kommen, sondern auch bei der letzten Überprüfung der Umsetzung zur UNO-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ebenfalls dringlich enthalten waren. Österreich hat hier zwar nur mit einem Umsetzungsvorbehalt unterzeichnet, ich glaube aber, wir sollten uns international nicht blamieren und hier hinter gebotenen Standards einer entwickelten Demokratie zurückfallen.

Daher am Schluss: Auch ich meine – und habe das auch schon vor einiger Zeit formuliert -, dass dieser Konvent ein Korrektiv braucht. Ich glaube, dass dieses Hearing nur ein allererster Schritt sein kann und würde mir vor allem wünschen, dass die zahlreichen Frauenorganisationen, die in Österreich nicht parteigebunden sind, die unabhängig sind, ebenfalls zu Wort kommen in Ihren Ausschussberatungen; dass es regelmäßige Praxis wird, Frauenorganisationen und ihre Vertreterinnen beizuziehen; dass es zu Zwischenergebnissen immer wieder Hearings mit Frauenorganisationen sowie mit anderen NGOs aus anderen Interessensfeldern gibt; und dass jedenfalls das Resultat ihrer Arbeit hier vor Beschlussfassung einer Geschlechterverträglichkeitsprüfung durch ein geeignetes Gremium von Expertinnen unterzogen wird. Denn die Frage, die Sie sich stellen werden müssen und die Ihnen gestellt werden wird, ist im Unterschied zu 1920 - einer Männer dominierten Verfassung - : was, sehr geehrte Damen und Herren dieses Verfassungskonvents, was haben Sie den Frauen heute im 21. Jahrhundert mit der Verfassung zu bieten?

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Frau Magistra. Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, scheint mir doch eine Klarstellung angebracht zu sein, weil zum zweiten Mal angesprochen wurde, dass die Einladungen an die Frauenorganisationen derart abgefasst gewesen seien, dass darin zum Ausdruck gekommen sei, es würden Männer eingeladen werden, nämlich Vertreter.

Ich lege Wert auf die Feststellung, dass die schriftlichen Einladungen an die Frauenorganisationen ausdrücklich von Vertreterinnen sprechen. Das ist das Eine. In den Unterlagen, die aufliegen, ist allerdings richtig, dass von Vertretern die Rede ist, aber die Einladungen gingen an Vertreterinnen.

Darüber hinaus erscheint es mir durchaus wesentlich zu sein, um der Wahrheit willen nicht nur anzuführen, dass im Konvent insgesamt weniger Frauen als Männer vertreten sind, sondern noch hinzufügen, dass das Präsidium, das aus sieben Personen besteht, vier Männer und drei Frauen aufweist, also aus vier Männern und drei Frauen zusammengesetzt ist, also nahezu eine Parität besteht, und dass die Geschäftsführung des Büros des Österreich-Konvents in den Händen einer Frau liegt, einer Geschäftsführerin, und dass die Ausschussbetreuung für die einzelnen Ausschüsse sogar überwiegend in den Händen von Frauen liegt. Das erscheint mir auch wesentlich, festgehalten zu werden, wiewohl ich durchaus einräume, dass, was die Zusammensetzung des Konvents insgesamt anlangt, ein Übergewicht der Männer gegeben ist. Aber um der Wahrheit willen seien auch diese Feststellungen hier von dieser Stelle aus angebracht.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Dr. Brigitte Hornyik vom Frauenring. – Bitte sehr.

Dr. Brigitte Hornyik: Sehr geehrte – wenige – Damen vor mir, etwas mehr hinter mir. Sehr geehrte – umso zahlreichere – Herren. Ich freue mich sehr, dass ich nach einigem Hin und Her jetzt doch, wie der Herr Präsident erwähnt hat, als Vertreterin des Frauenrings hier zu Ihnen sprechen darf und nicht als Vertreter.

Ich wurde von der Vorsitzenden des Österreichischen Frauenrings, der Frau Magister Salomon im Einverständnis mit dem gesamten Vorstand, dem ich auch angehöre, ersucht, unsere Vorsitzende hier zu vertreten. Wahrscheinlich auch deswegen, weil ich beruflich seit nun nahezu 25 Jahren in Kernbereichen des Verfassungsrechts tätig bin und ja eigentlich hier kaum mehr Forderungen zu erheben übrig geblieben sind nach den zahlreichen Forderungen, die meine Vorrednerinnen bereits erhoben haben. Es wird daher nun meine Aufgabe eher sein, die zahlreichen Argumente, die für eine Gleichstellung der Frauen in der Verfassung heute bereits gebracht worden sind, mit dem von mir erlernten Handwerkszeug – und das ist nun einmal die Verfassung – Ihnen vielleicht auch verfassungsrechtlich zu argumentieren. Ich habe zu diesem Zweck sicherheitshalber, weil ohne dem gehe ich nie aus dem Haus, den Kodex mitgebracht. Das ist sozusagen mein Lieblingswerkzeug, das mir schon ziemlich ans Herz gewachsen ist, und da fühle ich mich einfach sicherer und ohne dem hätte ich mich heute hier kaum ans Rednerpult getraut.

Wir haben unsere Vorschläge dem Konvent auch schriftlich vorgelegt. Und zumindest einer dieser Vorschläge ist hoffentlich in einer für die hochkarätigen Verfassungsexperten hier in diesem Konvent vertrauten Form und Sprache abgefasst, nämlich als legistischer Vorschlag. Und vielleicht ist auch das ein Beitrag dazu, dass dem Konvent das Anliegen der Gleichstellung der Frauen dadurch etwas leichter zugänglich und vertrauter wird.

Die Verfassung kann und soll die Politik nicht ersetzen. Ich halte sie aber für eine wichtige Rahmenbedingung für die Politik. Und eine Verfassung, in der die Gleichstellung von Frauen und Männern eine durchgehende Leitlinie, sozusagen eine Art Grundprinzip ist, ist eine wesentliche Grundlage für eine diesem Ziel verpflichtete Politik.

Und ich gestatte mir eine, speziell unserer Vorsitzenden im Frauenring, einer gelernten Historikerin, gewidmete kurze historische Referenz. Die rechtliche Gleichheit vor dem Gesetz gibt es bereits seit 1867 – also seit mehr als 100 Jahren. Allerdings hat im Reichsrat der Monarchie der Gedanke, dass damit auch das Frauenwahlrecht gemeint sein könnte, unter den Herren noch nahezu obszöne Heiterkeitsstürme hervorgerufen.

Erst seit 1920 ist auch das Frauenwahlrecht in Österreich verankert; erst seit der Ersten Republik ist der Ausschluss von – wie es damals hieß – Frauenspersonen von der Mitgliedschaft in politischen Vereinen aufgehoben.

Diese politischen Frauenrechte sind nun mehr als 80 Jahre alt. Aber wie schaut die Realität der politischen Teilhabe von Frauen aus? Auch das wurde heute schon angesprochen, ich möchte nur noch einmal kurz daran erinnern. Der Anteil weiblicher Abgeordneter im Nationalrat liegt nach wie vor unter 30 Prozent; Frauenanteile in den Landtagen bewegen sich in einem Spektrum von 17 – 37 Prozent – da ist allerdings Wien einsamer Spitzenreiter.

Bei den Bürgermeisterinnen beträgt der Frauenanteil zirka 1,5 Prozent, konkret waren das 1999 38 Bürgermeisterinnen, von insgesamt 2.358 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in ganz Österreich.

Diese geringen Frauenanteile werden sogar in einem UNO-Bericht mittlerweile in Bezug auf Österreich kritisch erwähnt. Der Konvent ist daher mit seinem Frauenanteil von 20 Prozent durchaus respektabel im österreichischen Durchschnitt.

Das war nur ein kleines Beispiel aus einem großen Spektrum von Unterrepräsentation, von ökonomischer und gesellschaftlicher Benachteiligung von Frauen, die heute hier bereits mehrfach angesprochen wurde.

Wir halten es daher für unverzichtbar, von diesen Gedanken einer formalen, rechtlichen Gleichheit vor dem Gesetz auch juristisch zu einer Normierung der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter und der  Frauenförderung überzugehen.

Seit mehr als 20 Jahren, nämlich seit der Ratifikation der UNO-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen im Jahr 1982 durch Österreich, hat sich Österreich durch die Ratifikation der Artikel 1 bis 4 dieser Konvention im Verfassungsrang zur Herstellung der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter in allen Bereichen verpflichtet. Diese internationale Verpflichtung ist auch Teil des österreichischen Verfassungsrechtes und existiert bereits seit 1982.

Wie heute ebenfalls schon erwähnt, wurde im Artikel 7 Absatz 2 der Bundesverfassung 1998 ein allerdings bloßes Bekenntnis zur Herstellung der Geschlechtergleichheit aufgenommen und die Erklärung, dass Frauenförderung zulässig sei.

Auch die Verpflichtung der Staatengemeinschaft in Artikel 3 des EG-Vertrages zur Förderung der Herstellung der Gleichstellung von Frauen und Männern wurde heute bereits erwähnt.

Ich möchte auch vom innerstaatlichen Verfassungsrecht her vielleicht noch einmal unterstreichen, auch das ist heute schon angeklungen, dass ich diese so genannte Geschlechterparität für ein demokratisches Gebot halte, weil das Recht geht laut Artikel 1 der Bundesverfassung vom Volk aus und meiner Auffassung nach besteht das Volk aus Männern und Frauen.

Und ich frage Sie, meine Damen und Herren, was ist das für eine Demokratie, die es in Kauf nimmt, die nicht thematisiert und die nichts dagegen tut, dass die Mehrheit der Bevölkerung, und das sind die Frauen mit über 52 Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung, überall dort, wo Entscheidungen getroffen werden, unterrepräsentiert ist?

Warum zieht sich dieses demokratische Defizit nicht wie ein roter Faden durch die gesamte Arbeit des Konvents? Warum war die Frage der Geschlechtergleichheit nicht ganz zentral bei der Formulierung der Themen der Ausschüsse des Konvents?

Ich glaube also, dass es auch im Bereich des Verfassungskonvents genug Arbeit für ein angewandtes Gendering, auch dieser Begriff ist heute schon gefallen, wie es Artikel 3 Absatz 2 des EG-Vertrages vorsieht, gibt.

Frau Abgeordnete Barbara Prammer hat heute die Beziehung von Vertreterinnen von Frauenorganisationen in allen Ausschüssen gefordert. Ich möchte mich dieser Forderung anschließen und sagen, dass Verfassungsexpertinnen, wie ich und meine Kolleginnen, dafür gerne zur Verfügung stehen.

Eines dieser vielen Anliegen der Frauen, auch im Grundrechtebereich, haben wir Juristinnen, weil ich vertrete im Frauenring den Verein österreichischer Juristinnen, versucht, in Form eines Gesetzesvorschlages auszuformulieren und ich muss mich da für die hochkarätige Unterstützung der Expertinnen, Frau Dr. Bei, Frau Dr. Sporrer, unserer Vorsitzenden, Frau Mag. Thomasberger und ihrer Stellvertreterin, Frau Mag. Novak herzlich bedanken, die mir bei Ausformulierung des dem Konvent auch schriftlich vorliegenden Vorschlags zu einer Umformulierung des Artikel 7 Absatz 2 der Bundesverfassung wesentliche Unterstützung und wesentliches Feedback gegeben haben.

Ich kann aufgrund der Kürze der Zeit leider eben nur dieses eine Grundrecht und heute nicht mehr herausgreifen. Ich erinnere daran, dass der Artikel 7 Absatz 2 der Bundesverfassung in seiner derzeitigen Fassung auf der Novelle aus dem Jahr 1998 beruht. Wir haben damals leider nur eine Kompromissformel im Hinblick auf dieses Bekenntnis zur Gleichstellung der Geschlechter erzielen können.

Ich habe mich sehr gefreut, von der Vertreterin der ÖVP-Frauenbewegung zu hören, dass jetzt auch die ÖVP unsere Forderung nach einer Verpflichtung zur Gleichstellung unterstützt. Diese Zustimmung war damals 1998 leider nicht erreichbar.

Ebenfalls fordern wir, wie heute schon angeklungen – ich stelle jetzt, aufgrund der Kürze der Zeit und da das rote Licht schon blinkt, unseren ohnehin schriftlich vorliegenden Vorschlag nur mehr mit einigen Stichworten vor:

Wir fordern also eine verpflichtende Geschlechtergleichstellung und Geschlechterparität. Wir fordern subjektive Rechte jeder einzelnen Frau auf Gleichstellung, auf Ausgleichs- und Fördermaßnahmen und wir fordern, wie heute schon erwähnt, eine Gender Prüfung, die wir allerdings im Sinne der heute schon erhobenen Forderung nach Deutsch als Amtssprache mit dem nicht sehr hübschen Begriff "Geschlechterverträglichkeitsprüfung" - (aber dafür ein deutscher Begriff) - getauft haben.

Wir haben uns auch mit dem Problem des Rechtsschutzes auseinander gesetzt, auch das hat Barbara Prammer schon erwähnt. Verbandsklagen würden unserer Einschätzung nach Frauen ganz wesentlich bei der Durchsetzung ihrer Rechte helfen.

Es wäre aber auch eine Gender-Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes zu überlegen, eventuell die Einrichtung einer Gender-Kommission im Parlament.

Hoher Verfassungskonvent! Unsere Vorschläge liegen, wie bereits erwähnt, schriftlich vor. Ich ersuche den Konvent um Aufnahme unseres Vorschlages in den Entwurf eines neuen Verfassungstextes und stehe, wie bereits erwähnt, für weitere Diskussionen in den Arbeitsausschüssen als Ansprechpartnerin gerne zur Verfügung. – Danke.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Frau Doktor. Wir haben damit die Anhörung der Frauenorganisationen beendet und gelangen nunmehr zur Anhörung der Seniorenvertreter.

Als Erster davon hat sich Herr Bundesminister a.D. Karl Blecha für den Pensionistenverband Österreichs zu Wort gemeldet. Herr Minister, ich darf auf die dreizehnminütige Redezeitbeschränkung aufmerksam machen und Ihnen das Wort erteilen. Bitte sehr.

Karl Blecha: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich für die Einladung an die Seniorenvertretungen bedanken, Überlegungen in die Konventsarbeit einbringen zu können.

Gerade die Vertreter und Vertreterinnen von Seniorinnen und Senioren haben in der Vergangenheit immer wieder ihr besonderes Interesse an Verfassungsfragen gezeigt. Sie haben die Beseitigung bestehender Strukturdefizite und besonders vehement auch den Abbau von Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung, mit denen sie immer wieder konfrontiert werden, verlangt. Sie haben das kameralistische Budgetsystem Österreichs in Frage gestellt und sie haben mit ganz besonderem Nachdruck die Erneuerung des aus dem Jahre 1867 stammenden Grundrechtskatalogs gefordert.

Und in diesem Zusammenhang hat der österreichische Seniorenrat 2001, im Oktober, bei seiner großen Hauptversammlung, die Verankerung der Alterssicherung und die Verankerung des Diskriminierungsverbots betreffend ältere Menschen in der Bundesverfassung gefordert.

Er hat dann auch noch im Zusammenhang mit einer möglichen Verankerung der Patientenrechte, den Schutz der Rechte und der Würde Pflegebedürftiger, in und außerhalb der Heime, öffentlich zur Diskussion gestellt und auch hier die Einbeziehung in die Verfassungsdiskussion verlangt.

Wir, die wir nun im geplanten Konvent tatsächlich eine Milliardenchance für diesen Staat sehen, waren dann sehr tief betroffen, dass der Österreichische Seniorenrat, die Vertretung von zwei Millionen Österreicherinnen und Österreichern, gleichgestellt den Interessenvertretungen der Dienstnehmer, der Wirtschaftstreibenden und der Landwirtschaft, genauso wenig, wie die Bundesjugendvertretung - ebenfalls gesetzliche Interessenvertretung der Jungen - nicht eingeladen waren, einen Vertreter in den Konvent zu entsenden.

Und auch zur heutigen Anhörung ist nicht der Österreichische Seniorenrat eingeladen worden, sondern vier unserer Mitgliedsorganisationen, unter Ausschluss der zweihunderttausend Mitglieder vertretenden ÖGB-Pensionisten.

Ich bin aufgerufen worden als Vertreter des Pensionistenverbandes Österreichs zu sprechen, werde das aber auch als der Vertreter des Präsidiums des Seniorenrates tun, weil wir einstimmige Anliegen haben, die wir uns vorgenommen haben, aufgeteilt zwischen dem Herrn Alt-Landeshauptmann Dr. Ratzenböck, dem Herrn Bundesobmann Dr. Tremmel und mir zu erläutern.

Wir wollen einen funktionstüchtigen Staat, weil wir, die Älteren, die Mehrheit der sozial Schwächeren stellen und daher auf einen solchen angewiesen sind. Wir wollen klar definierte Staatsziele, zu denen die Sozialstaatlichkeit als die Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse von Jung und Alt, von Männern und Frauen gehört. Wir hoffen, dass aufgrund der Beratungen, auch vor allem des Konvents, erkennbar wird, welche staatliche Ebene für welche Aufgaben zuständig ist. Und wir hoffen auch, dass die wichtigste Aufgabe einer Verfassung, die Grundrechte zum Schutze des Einzelnen zu gewährleisten, stärker betont wird. Denn derzeit verbürgen wir uns, ich habe schon auf das Entstehungsjahr 1867 aufmerksam gemacht als wir vom Grundrechtskatalog gesprochen haben, Abwehrrechte gegenüber dem Staat zu gewährleisten, gehen aber auf die neuen Gefährdungen wenig ein. Und da kann ich nur zitieren, dass schon 2001 der Österreichische Seniorenrat sich auch mit jenen 70000 Seniorinnen und Senioren, die in Alters- und Pflegeheimen wohnen, beschäftigt hat. Damals wurde zum Ausdruck gebracht, dass die meisten von ihnen sehr, sehr gut untergebracht sind. Dass es aber auch Menschen in Pflegeheimen gibt, halbseitig gelähmt, die nicht gefüttert werden und lebensbedrohlichen Gewichtsverlust erleiden. Es gibt Patienten, denen drei Monate lang die Zehennägel nicht geschnitten werden oder, obwohl sie ihre Körperfunktionen kontrollieren können, kurzerhand in Windelhosen verpackt werden.

Diese Heimbewohner sind praktisch rechtlos, Patienten und ihre Angehörigen haben keine Möglichkeit die selbstverständlichsten Menschenrechte durchzusetzen. In diesem Zusammenhang haben wir auch die Verankerung der Patientenrechte und vor allem dem verstärkten Schutz der Pflegebedürftigen öffentlich zur Diskussion gestellt. Wir haben uns auch beschäftigt mit anderen neuen Gefährdungen und haben beispielsweise den Schutz vor Video und E-Mailüberwachungseinrichtungen und auch den Schutz vor irreführender und sittenwidriger Werbung verlangt. Denn gerade die Seniorinnen und Senioren sind Opfer täuschender Werbung, gegen die es nicht ausreichenden Schutz gibt.

Meine geschätzten Damen und Herren, wir hoffen aber, dass durch den Österreich-Konvent die seit zwei Jahrzehnten geführte Diskussion um die Alterssicherung beendet wird. Und ich möchte mich jetzt nur mehr mit diesem Punkt befassen.

Alterssicherung ist ein Kernelement des Europäischen Sozialmodells. 1988 macht man einen ersten, sehr entscheidenden Anlauf zu einem Bundesverfassungsgesetz über das Recht auf Sozialversicherung und Sozialhilfe, in dem die soziale Sicherheit durch ein umfassendes System der Sozialversicherung insbesondere, wie es hieß, zum Schutz gegen die Folgen von Krankheit, Unfall, Invalidität, Alter und Arbeitslosigkeit gewährleistet werden sollte.

Technisch gesehen war das eine institutionelle Garantie, ein klarer Auftrag für die Gesetzgebung, eine Verpflichtung für die Gesetzgebung. In den 90er-Jahren ist dann ein Bundesverfassungsgesetz über wirtschaftliche und soziale Rechte ausgearbeitet worden, ist dann 1997 dem Verfassungsausschuss des Hauses zugewiesen worden. Es enthielt die Aufforderung, dass Gesetzgebung und Vollziehung soziale Sicherung, insbesondere bei Krankheit, Unfall, Mutterschaft und geminderter Arbeits- und Erwerbstätigkeit, Alter und Tod zu gewährleisten hat. Damals hat die Grundrechtskommission, haben die Sozialpartner Einvernehmen erzielt, zu einer Beschlussfassung kam es dennoch nicht und daher haben wir dann 2001 als österreichischer Seniorenrat einen neuerlichen Anlauf gemacht und haben das Grundrecht auf Alterssicherung mit einer Pensionsgarantie verbunden. Und hier haben wir volle Zustimmung beim Bundesminister Haupt in seiner Funktion als Generationenminister gefunden, der eine ministerienübergreifende Arbeitsgruppe eingesetzt hat, um dieses Grundrecht auf Alterssicherung - verbunden mit Pensionsgarantie - beschlussreif zu machen. Die Arbeitsgruppe ist eingesetzt worden, aber nie zusammengetreten.

Im Mai 2002 war dann unsere Geduld am Ende und wir haben einen eigenen Antrag vorbereitet. Wir haben den allen Parlamentsparteien zur Stellungnahme geschickt, haben positive Stellungnahmen bekommen. Ich kann mich noch erinnern, dass der zweite Präsident des Nationalrates, damals Prinzhorn, ganz deutlich gemacht hat, dass er eben eine solche Absicherung der Pension per Verfassungsgesetz für notwendig hält, wenn sie auch verbunden ist mit einer Wertanpassung. Das ist ein wörtliches Zitat. Am 22. Mai haben die Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Cap, Dr. Wittmann und Genossen den von uns formulierten Antrag für ein Bundesgesetz über die Sicherung der Pensionen als Initiativantrag eingebracht. Uns, meine Damen und Herren, geht es darum, dass Gesetzgebung und Vollziehung durch ein System der Sozialversicherung ein angemessenes Einkommen der Menschen im Alter zu gewährleisten haben. Uns geht es darum, dass Gesetzgebung und Vollziehung dafür zu sorgen haben, dass Pensionen gesichert sind und in einem angemessenen Ausmaß steigen. Es gibt keine Diskussion darüber, dass die Wertsicherung bedeutet, dass zumindest die Inflationsrate, die Inflation abzugelten ist.

Gerade die aktuelle Diskussion zeigt, dass es dringend erforderlich ist, das Recht der alten Menschen auf eine gesicherte Pension verfassungsrechtlich zu garantieren. Nur dadurch, meine Damen und Herren, wird es überhaupt erst möglich, dass die Alterssicherung der Tages- und Anlasspolitik entzogen werden kann. Derzeit und darüber braucht man sich gar keine Illusion machen, bangen die in Pension Befindlichen um die Kaufkraft ihrer Pensionen, die ja durch Nichtabgeltung von Teuerungen immer weniger werden. Auf der anderen Seite befürchten die im Erwerbsleben Stehenden starke Reduktionen ihrer Pensionsansprüche und die Jungen glauben, dass in 40, 50 Jahren überhaupt keine staatliche Pension mehr bezahlt wird. Diese Sorgen, Ängste, Alpträume können nur beseitigt werden, wenn eine angemessene Altersversorgung im Wege einer Sozialversicherung verfassungsmäßig garantiert wird. Es ist eines der wichtigsten Güter des modernen Staates, den materiell gesicherten Lebensabend seiner Bürger sicherzustellen. Der Staat, meinen wir, darf sich nicht aus seiner Verantwortung für Alterssicherung davonstehlen. Er hat die Verpflichtung, auch den Generationenvertrag materiell abzustützen. Nur eine klar definierte Alterssicherung in Form einer Verfassungsgarantie wird jene Verunsicherung beseitigen, die den Generationenvertrag gefährdet und die letztlich unseren Sozialstaat aufzulösen droht.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke sehr, Herr Bundesminister. Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Landeshauptmann außer Dienst Dr. Josef Ratzenböck. Herr Landeshauptmann, auch Sie darf ich auf die 13-minütige Redezeitbeschränkung aufmerksam machen und Ihnen das Wort erteilen, bitte sehr.

Dr. Josef Ratzenböck: Lieber Herr Präsident Dr. Fiedler, meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 17. Juni anno Domini, im Jahre des Herrn 1997 wurde in Amsterdam ein Vertrag unterzeichnet. Im Artikel 13 steht drinnen, dass eine Diskriminierung unter anderem wegen Alters verboten ist. 

An sich, wenn alle Leute vor dem Gesetz gleich sind, was in der Theorie von jedem anerkannt wird, braucht man kein Diskriminierungsverbot. Nur gibt es halt in der Gesellschaft verschiedene Gruppen, die immer wieder diskriminiert werden und bei denen die Gefahr einer Diskriminierung besteht. Zu diesen Gruppen gehören auch wir, die Alten. Deshalb legen wir größten Wert darauf, dass in der Verfassung dieses Diskriminierungsverbot - ich kann sagen - übernommen wird, weil in den Europa-Verträgen steht es ja drinnen; dass man auch bei uns eindeutig klarstellt, Alter ist kein Grund, uns schlechter zu behandeln.

Die Gefahr besteht. Ich denke zum Beispiel an Rom, den Vatikan. Dort dürfen Kardinäle ab 80 nicht mehr bei der Papstwahl mitwirken, meine Damen und Herren. Der Konvent ändert das nicht, aber der Konvent wird Vorsorge treffen, dass nicht auch bei uns solche Ideen vertreten werden. Ab 80 dürfen die Kardinäle nicht mehr mitwirken, meine Damen und Herren. Man sieht, der Teufel schläft nie, auch nicht in Rom. Dort wirkt er manches Mal in der Maske des Heiligen Geistes.

Wir wollen nicht benachteiligt werden bei der Steuer. Meine Damen und Herren, es ist noch gar nicht so lang her, sind von verschiedenen Seiten Vorschläge gekommen, von den Alten eine Solidarabgabe zu erheben. Was heißt denn das? Das ist eine Steuer, die du zahlen musst, weil du alt geworden bist, vielleicht wird man dann vorschlagen auch, bei der Solidarabgabe der Alten eine Progression einzuführen: Je älter du wirst, desto höher wird die Steuer. Wir wehren uns nicht, Steuer zu zahlen, wie alle anderen. Aber eine Sondersteuer einzuführen, welche die Alten begleichen, meine Damen und Herren, dagegen müssen wir auftreten. Wenn ich das sage, dann bin ich im Verdacht, eine Erklärung abzugeben, welche die Politiker schützt. Wir zahlen nämlich eine Solidarabgabe ab 1. Juli. 15 Prozent unseres Bezuges, aber das beklage ich nicht, auch weil ich weiß, dass sich das Mitleid in der Öffentlichkeit mit uns in Grenzen hält.

Meine sehr geehrten Damen und  Herren: Und bei der Gesundheit! Da wünschen wir nichts anderes als so behandelt zu werden, wie alle anderen auch. Es ist an die zwei Jahre her, da hat man in der Schweiz diskutiert, in England und vor ein paar Monaten wurde in der Bundesrepublik diskutiert, ob man die Leistungen der Krankenkassen nicht bei den Alten einschränken soll. Man hat vor allem geredet von den Hüftoperationen. Sozusagen, wenn einer von den Alten operiert werden möchte in den Hüften, dann soll er selber zahlen. (Wenn das im oberösterreichischen Landtag wäre,  mit diesem Mikrophon hätte ich das schon geändert, weil es die Bewegungsfreiheit des Redners einengt.) Wir kommen dafür nicht mehr auf, denn ungesagt, aber gedacht, zahlt sich - ja, die Frage ist -  zahlt es sich denn bei diesen Alten noch aus? Deshalb muss auch verankert werden, dass den Alten die Teilnahme am medizinischen Fortschritt genauso zusteht wie allen anderen auch. Das sind Wünsche, die eigentlich selbstverständlich sind, aber die offenbar doch einer gesetzlichen Normierung bedürfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alterssicherung, hat der Kollege Blecha schon angesprochen. Etwas ganz Wichtiges, wir reden vom Generationenvertrag. Ich sage, den gibt es nicht und hat es nie gegeben. Das ist naturrechtlich begründet. Die Alten haben eine Aufgabe, in ihrer Jugend haben sie für die Jungen gesorgt, und im Alter haben die Jungen die Verpflichtung, sich um die Alten anzunehmen.

Wissen Sie, wenn ich da rede, Generationenvertrag, dann rede ich nicht nur für uns Alte, sondern für alle anderen auch. Wir Alten haben den Vorzug, an beiden Ufern des Lebensstromes gelebt zu haben. Wir waren einmal jung, das wird mir niemand abstreiten können, und wir sind jetzt alt. Die Jungen sind jung und sie möchten alt werden. Und wenn wir für unsere Rechte eintreten, treten wir auch für die Rechte der Jungen ein.

Es gibt keine menschliche Gesellschaft, die nur aus einer Generation besteht, sondern die menschliche Gesellschaft setzt sich aus vielen Generationen zusammen, die alle Verantwortung füreinander tragen. Und nur das wollen wir, dass es in unserer Verfassung  verankert wird.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Herr Landeshauptmann. Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Paul Tremmel vom Seniorenring. Bitte sehr, auch Sie darf ich auf die 13-minütige Redezeitbeschränkung hinweisen.

Dr. Paul Tremmel: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Österreich-Konvents! Zuerst darf ich mich bedanken, dass ich die Möglichkeit habe, hier gehört zu werden und die Meinung des Seniorenrings hier darzulegen. Ich möchte nicht Dinge wiederholen, die meine geschätzten Vorredner, Herr Präsident Blecha und Herr Landeshauptmann Ratzenböck gesagt haben. Aber auf eines darf ich vielleicht hinweisen, meine Damen und Herren. Es wäre schön gewesen, wenn die Vertretung eines Bereiches, der 2 Millionen Menschen repräsentiert, bei diesem Österreich-Konvent eingeladen worden wäre.

Wenn Sie heute hier – Sie haben das schon gehört – über verschiedene Diskriminierungen, wenn über verschiedene Diskriminierungen hier gesprochen wurde, wenn hingewiesen wurde auf den Artikel 13 des Amsterdamer-Vertrages, so stimmt dies alles teilweise. Besonders betroffen sind wir von dieser Diskriminierung allerdings dann, wenn es hier um das Alter geht. Präsident Blecha hat die Ausnahmefälle erwähnt in Altersheimen. Es ist ja dies nur eine relative kleine Gruppe von 70000 Menschen. Wenn Sie bedenken, dass etwa einzelne Menschen um 15 Uhr ins Bett gehen mussten, oder ins Bett gelegt wurden, weil hier also ein Wechsel im Aufsichtsdienst stattfand. Und wie hat der Bundespräsident bei Senioren, bei einer Seniorenmesse, richtige Worte gesagt: Diese Menschen und viele unserer älteren Mitbürger, die nicht das Glück hatten, eine Fremdsprache zu lernen, die hatten nur mehr ein Fenster, ein Fenster, das ist, dass sie Radio hören können, oder dass sie die Sendung des ORF teilweise anschauen können. Und diese, meine Damen und Herren, ohne hier auch Redner irgendwo diskriminieren zu wollen, diese verstehen sie nur mehr teilweise. Es ist das die größte Diskriminierung älterer Menschen und Menschen überhaupt, die keine andere Sprache beherrschen, wenn hier Anglizismen, die teilweise hier in Österreich erfunden werden, gebraucht werden und diese Menschen verstehen das nicht mehr.

Und ich werde ein kleines Beispiel schildern. Leider Gottes lebt meine Mutter nicht mehr. Die war Bäuerin und die war gar nicht dumm, und die hat gesagt: „Du, sag’ einmal Pauli, was heißt denn das eigentlich, Event?“ Ich musste ihr das dann darlegen und viele Menschen haben einfach nicht den Mut zu fragen. Und deswegen werde ich hier auf einen bestimmten Bereich unserer Verfassung hinweisen, das ist der Artikel 8. Die deutsche Sprache ist - unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumtes Recht - die Staatssprache der Republik.

Meine Damen und Herren! Wenn ich im Juristendeutsch sprechen würde, dann könnte ich sagen, das ist eine Lex imperfecta. Das steht zwar drinnen in unserer Verfassung, aber man hält sich nur teilweise daran.  Ohne die Damen und Herren, die heute hier über das Gender Budgeting und Gender Mainstreaming gesprochen haben, diskriminieren zu wollen, - sagen Sie das einmal in einem Altersheim, die verstehen das nicht. Bemühen wir uns, nicht mehr an den Menschen vorbei zu sprechen, und sprechen wir wieder so, nicht nur wie es der Verfassungsauftrag ist, sondern, dass uns die Menschen wieder verstehen.

Deswegen trete ich mit der höflichen Bitte an die Damen und Herren des Österreich-Konvents, an die entsprechenden Ausschussmitglieder heran, hier diesen Artikel 8 dahingehend zu verstärken, dass etwa die ORF-Gesetzgebung dahingehend geändert wird, dass nicht nur der Bildungsauftrag verankert wird. Sondern, dass darin auch gesprochen wird, dass wieder so geredet wird, dass die Menschen das verstehen. Oder etwa, dass man eine Verordnung erlässt an alle staatlichen Stellen, dass hier wieder die Staatssprache, und dort, wo es notwendig und wo wir das auch wünschen, die Sprache der autochthonen Minderheiten gebraucht wird. Das erfordert keinen finanziellen Aufwand, meine Damen und Herren, und würde ein tiefes Befriedigtsein der älteren Menschen wieder auslösen. Sie würden hier in ihrem wichtigsten Bereich, nämlich im immateriellen Bereich, wieder ernst genommen werden.

Wir reden alle über die alten Menschen und vergessen – vielleicht ein kleines Beispiel auch dazu, weil hier über Mann und Frau, über Frau und Mann gesprochen wurde, ich habe es noch sehr in Erinnerung, wie meine Mutter als Trümmerfrau, denn die Verwandten, die Männer waren noch nicht da, die waren in der Kriegsgefangenschaft  - wie die hier das Haus wieder aufgebaut haben, die ganze Familie durchgefüttert haben. Hier war die Diskriminierung letztlich zu Ende. Und bemühen wir uns, meine Damen und Herren, dass das in diesem Sinne, ohne dass wir Kampfespositionen beziehen, in diesem Sinne in unsere Verfassung hineinkommt. Und ich darf hier nur demonstrativ erwähnen, das ist auch ein wichtiger Bereich, die steuerliche Berücksichtigung der Seniorenarbeit. Die Hunderte Vereine in Österreich, die könnten nicht existieren, wenn hier nicht die Senioren wären; die Rettung, die Bergrettung und so weiter; die Feuerwehr, wenn nicht die Senioren wären, die das heute hier tun. Dass man hier eine steuerliche Berücksichtigung überlegt; dort, wo das nicht möglich ist, eine Berücksichtigung in Form einer Negativsteuer überlegt.

Ungehinderter Zugang der älteren Generation zu den Wahlbereichen. Dankenswerterweise wurde die Briefwahl bereits erwähnt. Ich sage noch etwas auch als Jurist und ich habe das seinerzeit schon lange gefordert. Es wäre ein Leichtes, das durchzusetzen, das Wählen auf Depot. In einzelnen Wahllokalen, wo die Wahlkarten ausgegeben werden, wo die Leute mühevoll dorthin gehen, die brauchen die Wahlkarten gar nicht mitnehmen nach Hause, die könnten dort auf Depot wählen. Vielen Menschen würde das erleichtert werden und da würde auch der Verfassungsgesetzgeber, die Republik Österreich, wieder den Menschen die Möglichkeit geben, zu sagen, ja, wir nehmen eigentlich dieses Wahlrecht, das sie haben, sehr ernst.

Einen weiteren Bereich möchte ich noch erwähnen, weil es hier gesagt wurde. Das ist zwar nur ein normales Gesetz, das ist das Heimvertretungsgesetz. Es wurde am Anfang und auch vom Präsidenten Blecha bereits dahingehend hingewiesen, dass die Menschen in Altersheimen kaum die Möglichkeit haben, sich selbst zu vertreten. Es gibt einen Patientenanwalt, das geht über die Menschen teilweise hinweg. Manchmal gut gemeint, gut gemeint deswegen, weil sie kaum in der Lage sind oder einige kaum in der Lage sind, sich selbst zu artikulieren. Aber man sollte diese Möglichkeit zumindest einräumen, dass die Menschen hier die Möglichkeit haben, in Form eines Direktionsbeirates, in Form eines Beschwerdebriefkastens, in Form von Heimbewohnern, die hier mitwirken, dass man diese Beschwerdemöglichkeit hier den Menschen gibt!

Es kann doch nicht sein, dass ein Mensch seine letzte Bleibe hat - das ist so, wie wenn man einen alten Baum ausreißt und versucht, ihn irgendwo einzusetzen - , dass es Monate lang dauert und manchmal verstirbt dieser Patient, bevor er hier die Möglichkeit hat, zu seinem Recht zu finden. Weil wir als Vertreter der Seniorenverbände hier sind, geben Sie diesen Verbänden die Möglichkeit, meine Damen und Herren, dass sie dort ein Besuchsrecht bekommen, quasi auch ein Kontrollrecht, das wir durchaus wahrnehmen würden. Es gibt einen Bezirk, wo man das bereits eingeführt hat, das ist der Bezirk Bruck an der Mur, wo die Seniorenverbände das in ausgezeichneter Form wahrnehmen und wo die Altenheiminsassen dann zufriedener sind.

Geben Sie der älteren Generation das Gefühl, meine Damen und Herren, dass sie hier gern gewollte Mitglieder dieser Gesellschaft sind. Und nicht wie kleine Kinder - da muss man das jetzt machen oder da muss man das jetzt machen – sondern, dass sie vollwertige Mitglieder unseres Staates sind.

Und eines, das ist keine Drohung, meine Damen und Herren, jeder erreicht einmal dieses Alter und wird einmal so weit sein und deswegen wünsche ich diesem Österreich-Konvent eine Tätigkeit, die es ermöglicht, dass die Interessen von Männern und Frauen, von Frauen und Männern, von Generationen verknüpft werden, und dass diese Verknüpfung, meine Damen und Herren, in unserer Verfassung zum Ausdruck kommt.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Herr Dr. Tremmel.

Damit sind wir mit der Anhörung der Interessenvertreter am Vormittag zu Ende und ich möchte die Gelegenheit nützen, allen Vertreterinnen und Vertretern zu danken, dass sie sich an die vorgeschriebene, vorgesehene Redezeit gehalten haben. Es war eine vorbildliche Disziplin und ich betrachte das nicht unbedingt als Selbstverständlichkeit. Daher erwähne ich es ganz besonders.

Wir gelangen nunmehr, wie ich angekündigt habe, zur Diskussion über die von uns gehörten Referate der Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen gesellschaftlichen Gruppierungen und darf als Erste hiezu Frau Dr. Maria Berger das Wort erteilen. Frau Abgeordnete! Ich mache Sie aufmerksam, dass bei Ihnen so wie bei allen anderen Rednerinnen und Rednern nunmehr die übliche fünfminütige Redezeit gilt. - Bitte sehr.

Dr. Maria Berger: Danke schön, Herr Präsident! Ich denke, dass dieser erste Teil der Anhörung für uns alle von sehr, sehr großem Interesse war und dass auch die Vorschläge sehr gezielt eingebracht worden sind. Besonders bedauerlich erscheinen mir allerdings die Entwicklungen, die es offensichtlich bei den Jugendorganisationen gegeben hat und ich nehme die Wortmeldung und den Beitrag des Vorsitzenden der Bundesjugendvertretung als Stellungnahme einer sehr repräsentativen Organisation und als eine, die wir tatsächlich in unsere Arbeit einfließen lassen sollten.

Von allen drei Gruppierungen – und ich denke, ich habe aufmerksam zugehört – kommt ein sehr klarer Auftrag an uns heran. Ich selbst bin Mitglied unserer Arbeitsgruppe Grundrechte unter dem Vorsitz von Herrn Prof. Funk und ich denke, dass der ganz klare Auftrag, den wir mitnehmen können, in die Richtung geht, dass der Grundrechtekatalog dringend um soziale Grundrechte ergänzt werden muss.

Ich freue mich auch, dass von vielen Organisationen bereits auf die Europäische Grundrechtecharta beziehungsweise auf Artikel aus anderen Teile des europäischen Rechts hingewiesen worden ist. Mit der Charta wird uns doch der Weg ein bisschen gewiesen in die Richtung, bei allen Schwächen, die es auch dort gibt, dass soziale Grundrechte formulierbar sind und dass wir sie insbesondere im innerstaatlichen Bereich auch angehen müssen.

Ich möchte auf das Beispiel hinweisen, weil das gerade von meinem Altlandeshauptmann Dr. Ratzenböck auch gebracht worden ist, der Artikel 13, das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters. Im europäischen Geschehen ist es uns immerhin schon gelungen, auf Grund dieses Artikels eine sehr eklatante Diskriminierung abzuschaffen, nämlich die Höchstaltersvorschriften für den Eintritt in den Dienst der Europäischen Union. Auf Grund dieser neuen Vorschriften konnten diese beseitigt werden.

Grundrechte sollen eben nicht nur deklaratorische Bedeutung haben, sondern auch ganz konkrete Fortschritte bedeuten. Von den im Einzelnen angeführten Bezugnahmen auf Grundrechte sehe ich bei dem, was von den Jugendorganisationen und Kinderorganisationen gekommen ist, vor allem eine Verankerung auch spezifisch der Kinderrechte.

Wir wissen, dass fast alles, was wir an Grundrechten formulieren, natürlich auch Rechte der Kinder sind. Im Speziellen noch einmal auf Kinderrechte auch im Sinne der internationalen Entwicklung einzugehen, halte ich für sehr, sehr wichtig.  Dass im Bereich der Kinder und Jugendlichen ein Recht auf freien Zugang zu Bildungseinrichtungen ein zentrales ist, ist nahe liegend und für uns sicher auch Auftrag im Grundrechteausschuss.

Bei den klassischen Grundrechten steht natürlich immer die Würde des Menschen stark im Mittelpunkt.

Wir können über dieses Grundrecht heute nicht ernsthaft reden und würden äußerst unglaubwürdig sein, wenn wir das nicht gerade auf den Bereich des Alterns ausdehnen und die Anforderungen, die die Würde des Menschen im Alter bedeutet. Einige konkrete Beispiele sind bereits angeführt worden, das geht in Richtung Patientenrechte, das geht auf Sicherung von gewissen Qualitätsstandards im Pflege- und im Krankenhausbereich und das geht sicher natürlich auch in die soziale Alterssicherung.

Bei der Gleichheit ist es notwendig, ein umfassenderes Gleichstellungsgebot zu formulieren als es derzeit in der österreichischen Verfassung enthalten ist und auch die Maßnahmen der positiven Diskriminierung zu ermöglichen.

Ein bisschen erschrocken bin ich bei der Wortmeldung des Vertreters der Freiheitlichen Jugendorganisation, weil ich schon darauf hinweisen möchte, nicht nur österreichische Staatsbürger haben Menschenrechte, alle Menschen haben Menschenrechte und wenn wir hier über die Grundrechte in Österreich reden, dann stehen die natürlich, wenn auch mit einigen Abstufungen, allen Menschen zu. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir hier einen Schritt rückwärts machen und uns auch von international eingegangenen Verpflichtungen befreien können.

Zum Gebrauch von Anglizismen, der von zwei Rednern angesprochen wurde und hier auch die Bäuerinnen ins Gespräch gebracht worden sind: Meine Mutter ist auch Bäuerin und ich weiß, wie gescheit die Bäuerinnen sind, ich würde das nicht von vornherein einmal als Gegensatz sehen. Ich weiß, dass diese Bäuerinnen heute Englisch-Kurse besuchen, nicht nur, damit sie dem Fernsehprogramm besser folgen können, sondern, dass sie insgesamt von ihrem Leben mehr haben und auch Reisen machen können. Ich würde dieses Sprachproblem nicht so in den Vordergrund stellen.

Ich möchte auch alles unterstützen - ich komme schon zum Ende -, was es uns wirklich ermöglicht, sei es in den Ausschüssen, sei es darüber hinausgehend, dass Anregungen, wie sie gekommen sind von den Vertreterinnen von Organisationen, die heute hier waren und noch kommen werden, in die Arbeit besser eingebunden werden können. Ich möchte auch bitten, dass tatsächlich alles, was auch schriftlich vorgelegt worden ist, uns in den Ausschüssen zukommt, sodass wir das in die Arbeit der Ausschüsse einfließen lassen können. Danke schön.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer (übernimmt den Vorsitz): Als Nächste gelangt Dr. Glawischnig zu Wort. Nach ihr Frau Kollegin Brauner. Jeweils fünf Minuten.

Dr. Eva Glawischnig: Herr Präsident! Geschätztes Präsidium! Geschätzte Damen und Herren des Konventes! Geschätzte Vertreterinnen und Vertreter der geladenen Organisationen! Ich möchte mich zu Beginn gleich bedanken für diese sehr zielgerichteten und sehr qualitativ hoch stehenden guten Beiträge zur Diskussion im Konvent und möchte auch an die Mitglieder in den Ausschüssen appellieren, dass es so etwas wie eine Berücksichtigungspflicht auch der gemachten Vorschläge gibt.

Ich möchte als Präsidiumsmitglied nicht, dass diese Hearings in irgendeiner Weise zu Alibiveranstaltungen verkommen, sondern ich möchte, dass sie sehr ernst genommen werden. Und ich persönlich werde mich auch selbst im Präsidium in die Pflicht nehmen, dass die konkreten Vorschläge, die auch gemacht werden, behandelt werden und auch sehr, sehr ernst genommen werden.

Ich möchte aber auch noch ein Zweites sagen. Da war ganz zu Beginn dieses Tages offensichtlich ein Konflikt und ich möchte als Präsidiumsmitglied auch dazu Stellung nehmen. Das Wichtige an diesem Hearing heute oder an diesen Hearings insgesamt ist, dass zivilgesellschaftliche Organisationen zu Wort kommen sollen. Ich persönlich habe auch Skepsis und ich habe das auch im Präsidium geäußert, das ausschließlich parteigebunden zu sehen. Es gibt tatsächlich auch Meinungsunterschiede über Beschlüsse im Präsidium, je nachdem, unter welcher Brille man sie auch sieht. Ich möchte das hier auch offen sagen, ich bin hier sehr skeptisch, wenn man alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ausschließlich Parteiorganisationen und ihren Integrationen überlässt.

Deswegen bin ich für einen absoluten Vortritt von unabhängigen Organisationen bei diesen Hearings auch für die Zukunft. Das war auch das Problem mit der Jugend und meiner Meinung nach war ihre Selbstbestimmung, ihr Nominationsrecht, auch vom Präsidiumsbeschluss gedeckt, aber es ist dann auf Grund technischer Schwierigkeiten leider so nicht zustande gekommen.

Trotzdem, diese grundsätzliche Ausrichtung, dass der Konvent, der ohnehin schon so wenige Vertreter der Zivilgesellschaft hier als Mitglieder hat, dass wir hier vorrangig die Menschen zu Wort kommen lassen, die nicht ohnehin schon gebunden in Parteiorganisationen, Vorfeldorganisationen sind, das wäre mir persönlich ein wichtiges Anliegen und ich werde das auch in den nächsten Präsidiumssitzungen sehr viel ernster nehmen.

Ein abschließender Punkt noch. Ich denke, all das, was hier vorgebracht worden ist, war von sehr sehr hoher Relevanz auch verfassungsrechtlich. Es waren sehr, sehr gute Beiträge dabei, die sehr punktgenau auch Dinge betroffen haben, die im Grund nicht zu übergehen sind, die wir auch nicht übergehen können als Konvent.

Als Beispiel möchte ich die Gleichbehandlungsverpflichtung herausstreichen, das ist nicht nur ein Vorbringen, das berücksichtigt werden kann oder auch nicht kann, sondern das berücksichtigt werden muss von diesem Konvent. Hier sollten wir sehr behutsam mit den vorgebrachten Forderungen umgehen. Danke schön.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Kollegin. Die nächste Rednerin ist Frau Mag. Renate Brauner und nach ihr Herr Dr. Herbert Haller. Bitte, Frau Kollegin.

Mag. Renate Brauner: Danke vielmals. Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, das war eine sehr sehr wichtige Diskussion und es waren sehr wichtige Beiträge, die wir heute Vormittag gehört haben und auch ich teile die Ansicht, dass es schade ist, dass nicht mehr Möglichkeiten zu Diskussionen dieser Art bestehen, denn es sind unglaublich wichtige Fragen angesprochen worden, vor allem von den Vertreterinnen der Frauenorganisationen. Ich kann sehr viele, fast alle Punkte, die hier angesprochen worden sind, wirklich mit vollem Herzen unterstützen.

Es wurde gesagt, Frauenrechte sind Menschenrechte. Selbstverständlich. Ich möchte aber ergänzen: keine wirklich funktionierende Demokratie ohne Geschlechterdemokratie und ohne Geschlechtergerechtgkeit. Insofern unterstütze ich auch alle Forderungen nach Präzisierung des Gleichheitsgrundsatzes, die angesprochen wurden in Richtung positive Diskriminierung. Ich unterstütze alle Forderungen nach aktiver Gleichstellungspolitik und ich bitte wirklich, sehr sehr ernsthaft über den Vorschlag nachzudenken: Gender-Expertinnen, also Expertinnen dafür, wie sich denn die Dinge auswirken, die wir hier erarbeiten, auf die unterschiedliche Lebenssituation von Männern und Frauen, in die Ausschussarbeit einzubinden. Das ist die leider so komplizierte Übersetzung des Begriffes Gender und Gender Mainstreaming.

Sie können mir glauben, dass alle, die in diesem Bereich tätig sind, verzweifelt darum ringen, eine deutsche und deutlichere Übersetzung dafür zu finden. Das ist nur wahnsinnig schwer, weil der Begriff „Gender“ eben einen ganz bestimmten Zugang auch zum Ausdruck bringt.

Noch einmal zurück. Ich unterstütze diesen Vorschlag Gender Expertinnen in die Ausschussarbeit mit einzubeziehen und Zwischenberichte auch unter diesem speziellen Blickwinkel immer wieder kritisch zu hinterfragen, weil ich selbst aus vielen Bereichen weiß, wie wichtig es ist, sehr genau darauf zu achten, wie wirken sich gewisse Maßnahmen, die vielleicht im ersten Blick völlig geschlechterneutral ausschauen, wie wirken sie sich unterschiedlich auf Männer und Frauen aus, wo unterstützen sie das Ziel der Chancengleichheit für Frauen und wo wirken sie hinderlich.

Das muss sehr genau angeschaut werden, deswegen bitte ich, diesen Vorschlag genau zu prüfen und denke, dass wir dieses Ziel, die Verfassung wirklich modern zu diskutieren, nur dann erreichen können, wenn alle Fragen der Geschlechtergerechtigkeit – und ganz viele Punkte wurden angesprochen – auch entsprechend berücksichtigt sind.

Zu den Anliegen der Jugend. Im Besonderen die Wortmeldung des Vertreters des Bundesjugendringes war – denke ich – der beste Beweis dafür, dass seine Kritik an der mangelnden Repräsentanz der Jungen berechtigt ist. Es ist schade, dass diese wichtigen und zukunftsweisenden Inhalte, die bei der Konferenz der Jungen erarbeitet wurden, nicht verstärkt noch eingebracht werden können. Ich freue mich schon auf die schriftliche Zusammenfassung, die wir sicher alle bekommen werden.

Ich denke, dass es hier einen wirklich tollen Versuch der Jungen gegeben hat, gemeinsam Themenschwerpunkte zu erarbeiten. Es ist schade, dass sie es nicht auf die Art und Weise, wie sie es sich vorgenommen haben, auch hier präsentieren konnten.

Und ich glaube, dass dieser Beitrag die Meinung der jungen Menschen, die wir alle in tagtäglichen Diskussionen auch immer wieder kennen lernen, sehr gut dargestellt hat, mehr jedenfalls, als die Wortmeldung, die mich genauso wie eine meiner Vorrednerinnen sehr erschreckt hat, des Vertreters der freiheitlichen Jugend. Denn glücklicherweise weiß ich aus vielen Gesprächen und auch aus Untersuchungen, dass diese Position, die er vertreten hat, die integrationsfeindlich und minderheitenfeindlich war, von der Mehrheit der jungen Menschen nicht vertreten wird. Jung sein an Jahren heißt offensichtlich nicht immer jung und fortschrittlich sein im Geiste.

Zurück zu den Inhalten, die der Vertreter des Bundesjugendrings angesprochen hat. Ich denke, dass wir vor allem die Anregungen, die die Fragen der Partizipation betroffen haben, sehr ernst nehmen müssen, und ich glaube, dass es sehr wichtig ist, auch darüber zu diskutieren, was er zur Wahlalterssenkung gesagt hat. Sie wissen, dass wir in Wien diesen Beschluss gerade gefasst haben, genauso wie den Beschluss nach einem Wahlrecht für Menschen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft, wenn sie fünf Jahre im Land aufhältig sind, und ich glaube, dass es ein wichtiger Fortschritt der Demokratie ist.

Abschließende Bemerkung. Es ist wohl kein Zufall, dass alle Gruppen, die hier gesprochen haben, als zentralen Punkt „Soziale Grundrechte“ angesprochen haben, besonders natürlich die Vertreter der Senioren und Seniorinnen. Gerade in Zeiten, wo Menschen auf Grund der Wirtschaftslage und steigender Arbeitslosigkeit sehr verunsichert sind, müssen wir soziale Grundrechte als zentralen Stellenwert in unserer Diskussion betrachten, müssen sie diesen zentralen Stellenwert für uns alle haben und deswegen mein Appell an uns alle – ich nehme mich da selbstverständlich nicht aus -, nehmen wir die hier vertretenen Anliegen sehr ernst, und zwar nicht nur heute. Danke vielmals.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Herr Dr. Herbert Haller, nach ihm Kollege Hösele. Gleiche Redezeit.

Dr. Herbert Haller: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Ich danke allen, die zu uns gesprochen haben. Ich möchte allerdings doch einige Anmerkungen machen, die nicht ohne Kritik sind. So weit seitens der Vertreterinnen und Vertreter der Jugend Formalfragen ein wenig in den Vordergrund gestellt worden sind, bedauere ich das, soweit es zu Lasten von inhaltlichen Aussagen gegangen ist und ich freue mich auf das Papier des Bundesjugendrings, wo uns Inhalte angekündigt wurden.

So weit von den Vertreterinnen der Frauenorganisationen weibliche Sprachformen und Quoten in den Vordergrund gestellt wurden, glaube ich, das Anliegen zu verstehen, möchte allerdings schon sagen, dass ich eine Vielzahl von Absolventinnen meiner Universität, der Wirtschaftsuniversität, kenne, die als Frau Diplomkaufmann oder Frau Magister sich durchaus als Frau angesprochen fühlen, ohne eine Kränkung darin zu sehen.

Es gibt Menschen, die erkennen - und ich glaube, das ist wichtig -, dass Frauen in unserer Gesellschaft immer noch benachteiligt werden in einer Vielzahl von Bereichen. Ich glaube, man sollte die, die für die Beseitigung dieser Diskriminierung eintreten, nicht damit, fast würde ich sagen, belästigen, dass man sagt: „Und jetzt hast du Vertreter gesagt“. Das scheint mir nicht so wichtig zu sein. Es geht um die inhaltliche Gleichstellung von Mann und Frau, und ich glaube, die Bewusstseinsbildung, dass es Männer und Frauen gibt, die ist schon deutlich abgeschlossen.

Als Drittes, wenn immer Quoten verlangt werden, es gibt Frauen, sehr kluge, vielleicht klügere als mancher Mann, viel klüger, die sagen: Ich werde nicht Politikerin, denn das ist ein mörderischer Beruf mit Fortbildung, Sitzungen, Gesprächen, Feindseligkeiten unter Umständen. Ich widme mich einer Familie und wer einer Familie als Zentrum dient, hat vielleicht für unsere Gesellschaft oft mehr getan als jemand, der in der Politik Fehler gemacht hat.

Auch diese sind bei der Quotenberechnung hinzuzurechnen. Sie scheinen da nicht in Parlamenten auf. Sie scheinen woanders auf, wo sie genauso viel - wahrscheinlich -oder mehr vielleicht noch arbeiten müssen, ohne bedankt zu werden. Das zu diesem Punkt.

Ich danke ganz besonders den Vertretern der Seniorenvereinigungen. Minister Blecha hat beeindruckendst Dinge angesprochen, die uns allen am Herzen liegen und die uns auch bewegen sollen. Wenn man jemanden, der alt ist, gleichsam in einem Bett entsorgt - und er hat Beispiele genannt für diese Aspekte -, dann ist mir das wesentlich wichtiger und ich darf hier trotzdem zynisch sein. Es hat ja auch unser Vorsitzender gerade die Frau Stadträtin Frau Magistra Brauner als Frau Magister angesprochen, und ich glaube nicht, dass Sie dem Vorsitzenden hier irgendetwas unterstellen sollen, dass er etwas nicht ernst nimmt und nicht versteht.

In Fragen der Zusammensetzung des Konvents möchte ich schon für mich persönlich sagen: Ich freue mich, dass ich mit Fachfrauen und Fachmännern, also Fachleuten, gemeinsam arbeiten kann und ich glaube, dass alle hören, verstehen, abwägen können auf Grund ihrer Lebenserfahrung, auf Grund ihrer Berufserfahren, auf Grund ihrer politischen Erfahrung. Auch hier bin ich in der Quotenfrage mit etlichen Äußerungen nicht einverstanden. Ich glaube, es geht darum, hören, verstehen, abwägen zu können und ich würde es ungern in meinem Ausschuss neun mit Personen zu tun haben, denen ich erst Dinge verständlich machen muss. Es sind wirklich schwierige Fragen – das wissen Sie alle.

Wir haben in der ersten Sitzung die „Kelsen-Verfassung“ gelobt. Kelsen meint, in der Verfassung mögen Rechtserzeugungsregeln stehen, das ist das Wichtigste, und natürlich grundlegende Werte. Verlangen wir nicht, dass alles Mögliche in der Verfassung steht. Ich würde das als Misstrauen gegenüber dem demokratischen Gesetzgeber verstehen. Danke schön.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Bevor ich den nächsten Redner Kollegen Hösele aufrufe, noch folgenden Hinweis: Geplant war das Ganze so, dass wir um 9 beginnen und bis 13 Uhr etwa arbeiten mit den Institutionen, die jetzt zu Wort gekommen sind und den dazu vorgesehenen Diskussionsbeiträgen, dann um 14 Uhr fortsetzen und die Nachmittagsrunde wäre, wenn sie voll ausgeschöpft würde, auch eine von etwa an die 4 Stunden, 14 bis 18 Uhr. Jetzt sind wir aus verschiedenen Gründen schneller als angedacht. Es ist das Rednerkontingent nicht voll ausgeschöpft worden und manche Organisationen haben von ihrem Rederecht nicht Gebrauch gemacht.

Ich habe jetzt noch 6 Redner und Rednerinnen, Rednerinnen und Redner, und daher werden wir vor 12 fertig sein. Wir können aber den Beginn der Nachmittagssitzung aus technischen Gründen nicht vor 14 Uhr ansetzen. Das heißt, wir haben eine längere Mittagspause, wobei es aber möglich wäre, wenn Vertreter der Religionsgemeinschaften, die jetzt schon da sind, gleich im Anschluss an dieses Kapitel zu Wort kommen wollen, dann schöpfen wir die Vormittagszeit besser aus, und es ist der Gesamtschluss der Beratungen etwas früher.

Ich lade ein, wenn Sie davon Gebrauch machen wollen, die Anwesenden und allenfalls noch kommenden Vertreter der Religionsgemeinschaften, jetzt dann im Anschluss an diesen Themenblock zu sprechen. Bitte dann nur Wortmeldungen hier abzugeben, dass wir die Wortmeldungen, ja, stimmt, abzugeben, dass wir die Redeordnung machen können.

Und nachdem ich dies gesagt habe und nachdem ich keinen Widerspruch gegen diese Vorgehensweise erkenne, darf ich jetzt den Präsident Hösele aufrufen und nach ihm Präsident Dr. Khol.

Herwig Hösele: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frau Abgeordnete Glawischnig hat darauf hingewiesen, dass dieses heutige Hearing keine Alibiveranstaltung sein darf. Ich glaube, es ist sehr wichtig auch von unserem Selbstverständnis her, dies zu unterstreichen, sondern ein Zeichen und auch ein wichtiges Signal für einen beginnenden und hoffentlich dauernden Dialog mit den Vertretern der Zivilgesellschaft - gesamt begleitend den Konvent. Denn dieser Konvent ist ja nicht eine abgehobene Veranstaltung von Staatsrechtslehrern und Politikern und ein „l’art pour l’art-Spiel“, sondern sollte ja am Schluss einen ganz konkreten Nutzen für Bürgerin und Bürger dieser Republik haben. Und ich glaube, dass heute, wenn auch mit einigen Kommunikationsschwierigkeiten, die aber immer bei Dialogbeginn auch eintreten können, ein guter Anfang gesetzt wurde, den wir fortsetzen wollen und werden.

Es sind auch viele wichtige Anregungen gekommen. Das erste große Thema für mich sind die Wortmeldungen der Vertreterinnen der Frauenorganisationen. Viel Anlass zu Kritik und Selbstkritik. Der Vorsitzende des Konvents hat allerdings einige erklärende Bemerkungen gemacht, die ich daher nicht mehr wiederholen möchte. Ganz sicherlich ist ganz große Sensibilität von allen Konventsmitgliedern in diesem Zusammenhang gefordert. Wenn ich der Anregung des Kollegen Bundesrates Dr. Tremmel Folge leiste, spreche ich jetzt Deutsch: Es geht wirklich um eine Geschlechter-Verträglichkeitsprüfung der neuen Bundesverfassung. Die Bundesverfassung ist weiblich, die Republik Österreich ist weiblich, und wir werden hier wohl eine geschlechterverträgliche Bundesverfassungsformulierung zustande bringen. Ich darf ich dem Zusammenhang – ja, wir haben einen Fortschritt, und da wollte ich gerade darauf hinkommen mit einer kleinen Petitesse, in der Verfassung 1920, die wir gerade vor wenigen Wochen hier in diesem Haus und im Bundesrat geändert haben – und ich glaube, es wird mit 1. Jänner kundgemacht –, ist noch immer beim Bundesrat von Ersatzmännern die Rede gewesen. Wir haben es jetzt wenigstens zustande gebracht, 83 Jahre später, den Ersatzmann zum Ersatzmitglied zu machen. Es möge uns gelingen, im Jahr 2005 doch eine geschlechterverträgliche Verfassung insgesamt zu haben. Jetzt darf ich schon – weil Sie mir so einen Zwischenruf gemacht haben – man tut sich ja natürlich dann auch selbst – wir haben in unserer Geschäftsordnung des Bundesrates den Begriff der Bundesrätin und des Bundesrates eingeführt. Ich bekomme allerdings die Zeitschrift „Der Soldat“ noch immer zugesandt als Frau Bundesrat Hedwig Hösele.

Aber ich darf nun zu Themen kommen, die insbesondere der Vorsitzende der Bundesjugendvertretung angesprochen hat, und ich habe sowohl ihm, als auch der Kollegin Fuhrmann und dem Herrn Gudenus gut zugehört. Der Vorsitzende hat formuliert, dass eine Wahlaltersenkung allein - und ich möchte mich in diese Diskussion nicht einmengen, ich möchte nur sagen, in der Steiermark haben wir’s bei Gemeinderatswahlen mit gutem Erfolg gehabt bereits, bei den Grazer Gemeinderatswahlen, mit 16, also diese Frage müsste gesondert behandelt werden - , dass aber eine Wahlaltersenkung allein nicht helfen wird. Er hat taugliche Partizipationsformen gefordert. Und da ist wirklich sehr, sehr viel, sehr, sehr viel Gehirnschmalz und auch sehr viel wirkliche Anstrengung notwendig, etwas zu tun, neue Zugänge zu schaffen, Kreativität, Offenheit und Unkonventionalität.

Ein Punkt in dem Zusammenhang, da treffen sich möglicherweise die Generationen: Kollege Tremmel hat die Briefwahl angesprochen.  Ich glaube, wenn wir die Briefwahl ermöglichen, sollten wir auch das E-Voting ermöglichen, für die Internet-Generation, zumindest eine technische Möglichkeit, verfassungsrechtlich auch diese neuen Formen zu ermöglichen. Wie überhaupt ich jetzt am Schluss sagen darf: Die demographische Macht der drei Seniorenvertreter ist natürlich eine große demokratische Macht, da müssen wir aber die Ausgewogenheit der Generationen insgesamt sehen. Abschließend: Ich glaube, es ist ein guter Anfang gesetzt für einen permanenten, hoffentlich ehrlichen Dialog, an dessen Schluss – und das ist ja auch erfreulich, diese Position haben Präsident Khol und ich voriges Jahr im Jänner erstmals formuliert und ist mittlerweile von Präsident Fischer und Dr. Kostelka auch öffentlich wiedergegeben worden – ein schöner Schlussstrich oder Schlussstein eines solchen breiten Dialogprozesses sollte eine Volksabstimmung sein.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Kollege Dr. Khol, dann Kollege Dr. Lengheimer.

Dr. Andreas Khol: Herr Präsident, meine Damen und Herren. Eine lange Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Das war heute das erste bürgergesellschaftliche Anhörungsverfahren. Herr Kollege Tremmel, ich glaube, dass wir uns alle befleißigen sollten, möglichst wenig Fremdwörter zu verwenden. Weil Ihre Bäuerin versteht „Anglizismus“ ebenso wenig wie „Event“. Und nur ein Drittel der Bevölkerung, Frau Petrovic, versteht das Wort „Inflation“ - also muss man „Teuerung“ sagen. Es war also ein spannender Beginn einer Diskussion, wobei ich glaube, dass wir gut daran tun, eben ganz breit die bürgergesellschaftlichen Organisationen zu hören. Heute haben wir ein erstes Spektrum. Am 15. Dezember wird weiter angehört. Und es ist für uns wichtig, anzuhören. Ich denke, am 9. Jänner - oder etwas später - wird ein dritter Durchgang sein. Ich lade alle diese Organisationen, die wir heute gehört haben, dazu ein, dass sie uns ihre Vorstellungen auch schriftlich darlegen. Es gilt hier beim Konvent nicht, dass ein Schrifterl ein Gifterl ist, sondern eine Schrift ist hier wesentlich wichtig, weil sie in die Ausschussarbeit einfließen kann. Ich denke – nachdem wir die ersten Textentwürfe vorliegen haben, im Jänner/Februar, und ich freue mich, dass beispielsweise der Ausschuss Nr. 4 (Grundrechte) bereits ganz konkrete Formulierungen bearbeitet –, dass wir dann zu diesen Formulierungen eine weitere Reihe von Anhörungen durchführen sollten. Das heißt, die 80, 90 Organisationen, die wir in den ersten drei Tagen hören, sollten wir in einer weiteren Serie auch anhören, damit von vielen Seiten Standpunkte beleuchtet werden. Dieser Pluralismus, also diese Vielseitigkeit, dass alle Standpunkte zu Wort kommen, ist mir sehr wichtig. Und deswegen bedaure ich, dass die Jugendvertretung, statt hier in zehn verschiedenen Stellungnahmen das breite Spektrum darzubieten  - von der Freiheitlichen Jugend, die genauso ein Recht hat, hier zu sprechen wie die katholische Jungschar oder die evangelische Jugend und die sozialistische Jugend, die Gewerkschaftsjugend - , die Einladung nicht vollständig angenommen hat. Ich möchte nicht einen mit Mehrheit beschlossenen Jugendstandpunkt. Deswegen haben wir zehn Organisationen eingeladen -  es muss der Grundsatz gelten, dass tausend Blumen blühen und wir hören uns alles an. Und was wir dann verwerten, das unterliegt der freien Beweiswürdigung jedes Konventmitgliedes. Ich bin auch nicht bereit, alles zu akzeptieren. Daher bedaure ich es. Aber ich fordere die Jugendlichen auf diese Weise auf, dass sie ihre individuellen Standpunkte auch darlegen. Ich fand ja die Präsentation des Vorsitzenden außerordentlich gut. Ich meine, das muss man einmal zusammen bringen, in diesem Alter, vor dem Konvent, frei diese Dinge vorzutragen. Das ist eine gute Sache.

Die Vorschläge werden wir sicherlich sorgsam prüfen. Aber es gilt die freie Beweiswürdigung. Also ich kann mich denen, die gesagt haben: Alles, was da gesagt wurde, ist super, super, super, und das muss man daher berücksichtigen, nicht anschließen.

Vor allem muss man sehr sorgfältig einmal klären: Was ist ein politisches Ziel und hat daher in der Verfassung nichts verloren? Was ist ein Staatsziel? Das gehört in eine Präambel. Was ist ein Grundrecht, das einklagbar ist? Das gehört in den Grundrechtskatalog. Und, wenn wir uns alle dazu bekennen, in vielen, vielen Wortmeldungen: Wir wollen eine geschlossene Verfassung, wir wollen einen Text, und der soll schlank sein, und der soll verständlich sein. Ich bin der Meinung, er soll auch absolut so formuliert sein, dass die Gleichstellung von Mann und Frau zum Ausdruck kommt. Wenn wir das alle wollen, dann dürfen wir nicht so vorgehen, dass wir das zwar im Grundsatz annehmen, aber jeder seine Leib- und Magen-Themen in die Verfassung hineinpacken will. Das wird nicht gehen. Also „Im Prinzip gut, aber bei mir nicht“ ist nicht der richtige Vorgang.

Ich möchte noch ein paar Worte zum Wahlrecht sagen. Ich glaube, Briefwahl dürfte inzwischen außer Streit sein, das ist die gute Botschaft. Ich persönlich schließe mich dem an, was die Plattform für ein Kinderwahlrecht dieser Tage ausgesandt hat und in den Konvent eingebracht hat. Weil ich denke, dass beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland Persönlichkeiten wie der Sozialdemokratische Bundestagspräsident Thierse das ebenso unterschrieben hat wie freie Demokraten, Christdemokraten, so ist das auch bei uns ein Weg.

Und ich weiß, Herr Präsident, ich werde abgeläutet, normalerweise läute ich ab, aber hier ist es so, dass man das Opfer der eigenen Regeln wird.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Dr. Lengheimer und dann Frau Kollegin Dr. Petrovic. Bitte, gleiche Redezeit.

DDr. Karl Lengheimer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mit meinem vorgesehenen Beitrag nahtlos bei meinem Vorredner anschließen. Wir haben heute einige Vertreterinnen und Vertreter gehört, die sich auch mit Fragen des Wahlrechtes, mit der Herabsetzung des Wahlalters beschäftigt haben und einige dieser Vertreterinnen und Vertreter hier, aber auch außerhalb dieses Raumes, stellen dabei immer - so sehr sie die Herabsetzung des Wahlalters verlangen - ein Kinderstimmrecht, das Wahlalter von Beginn des Lebens, als Unsinn dar. Ich meine, dass diese Damen und Herren, die so argumentieren, jedoch einen sachlichen Argumentationsnotstand haben. Warum? Man kann ein allgemeines Wahlrecht  an die zivilrechtliche Volljährigkeit anknüpfen oder man kann eine andere Grenze nehmen. Da muss man sich das Zivilrecht anschauen und stellt  fest, dass die nächste wesentliche Grenze das 14. Lebensjahr ist. Mit dem 14. Lebensjahr wird man eigenberechtigt. In gewisser Hinsicht kann man selbst Entscheidungen treffen,  kann selbst sich vor Gericht vertreten, man kann testieren und vieles andere mehr, wie auch gegen den Willen der Eltern über das eigene Besuchsrecht bestimmen. Mit 16 ist mir nur eine Grenze bekannt, nämlich die Herabsetzungsmöglichkeit der Ehegeschäftsfähigkeit und die halte ich nicht für eine taugliche Anknüpfung für das Wahlrecht.

Was ich damit sagen will: Eine Wahlaltergrenze mit 16 und darunter nichts mehr, scheint mir doch mehr von der öffentlichen Zumutbarkeit bestimmt als von sachlichen Erwägungen. Es sei denn, man geht davon aus, wo  das politische Interesse und auch die politische Bildung vorhanden ist, um ein Wahlrecht auszuüben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! ich warne aus demokratiepolitischen Gründen davor, das allgemeine Wahlrecht nach Interessen oder politischem Verständnis zu beurteilen, denn das könnte schlimm und sehr gefährlich ausgehen. Ich meine daher, dass wir uns mit dem Wahlrecht von Geburt an sehr ernsthaft auseinandersetzen sollten. Ich möchte nicht nur auf die Plattform Kinderwahlrecht und auch Anträge in Deutschland, sondern insbesondere darauf verweisen, dass  auch in der Wissenschaft - und ich kann einige Beiträge aus der Politologie von Graz und von Innsbruck zitieren -,  jene, die für eine Herabsetzung des Wahlalters sind, für die gänzliche Herabsetzung eintreten und nicht auf das 16. Lebensjahr. Man kann auf die UNO Kinderrechtskonvention verweisen, in der das Kind als Rechtssubjekt mit freier Meinungsäußerung  genannt wird.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit sagen: Was man in der Kommunalpolitik betreibt, Kinderjausen zur Gestaltung von Spielplätzen und Ähnliches mehr, ist eine sinnvolle und sehr begrüßenswerte Heranführung junger Menschen an die Partizipation, nur bitte ein demokratisches Wahlrecht ist das nicht und kann es auch nicht sein. Warum daher nicht das Kinderstimmrecht überlegen? Die Frau Abgeordnete Weinzinger hat heute in ihrem Beitrag darauf verwiesen, wie absurd früher die Wahlrechtsausdehnung auf die Frauen, noch früher überhaupt auf alle Menschen bezeichnet wurden. Also, das ist wohl kein Argument und auch alle anderen Argumente, die dagegen sprechen, dass Kinder von Geburt an wahlberechtigt sind, scheinen mir nicht durchschlagend. Dass die Eltern bei einer solchen Wahl nicht die Interessen der Kinder vertreten, sondern die eigenen? Man mutet den Eltern auch zu, dass sie das Vermögen der Kinder verwalten und sagt bis zum Beweis des etwaigen Gegenteils nicht, dass sie in die eigene Tasche arbeiten. Warum dieses übertriebene Misstrauen?

Auch dass das Kinderwahlrecht administrativ nicht möglich wäre überzeugt nicht. Das ist auch bitte kein Emanzipationsproblem. Man kann davon ausgehen, dass die Eltern zum großen Teil dabei übereinstimmend vorgehen und wo das nicht der Fall ist, wird man Regeln finden müssen. Ob man abwechselnd wählen lässt, ob man die Person, die das Kind erzieht, bei der das Kind lebt, bevorzugt oder die Familienbeihilfe als Anknüpfungspunkt nimmt.

Ich meine schlussendlich, dass diese Möglichkeit mit dem Wahlrecht ab 16 zusammen hängt. Denn kein 14-, 16-jähriger würde gegen seinen Willen den Eltern das Stimmrecht geben. Es käme auch zu einer Diskussion, zu einem lebhaften politischen Prozess zwischen Eltern und Kindern und ich meine daher,  dass wir im Sinne des Geistes dieses Konvents nicht sagen sollten: „Das eine ja und das andere ist ein Unsinn!,“ sondern dass wir gleichermaßen über beide Probleme, über eine Wahlalterherabsetzung und ein Kinderstimmrecht, ernsthaft diskutieren sollten. Danke.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Frau Dr. Petrovic bitte. Dann als nächste Kollegin Stoisits.

MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren des Präsidiums! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte drei Punkte streifen, ein paar inhaltliche, dann etwas zum Prozess dieses Konvents und drittens eine inhaltliche Klarstellung, die mir sehr wichtig ist. Zum ersten Punkt, zu einigen Forderungen insbesondere dem Forderungskatalog der Jugend. Ich habe es oftmals gesagt auch in Diskussionen mit Vertretungen der jungen Leute in Österreich. Ich gehe voll inhaltlich mit diesem Katalog konform in allen Punkten und es gibt praktisch in allen Punkten grüne Anträge, was die soziale Sicherheit als öffentliche Aufgabe betrifft, was die Sonntagsruhe betrifft, was das Wahlalter betrifft und ich halte natürlich auch Umweltpolitik für die Forderung, die der Jugend zu Gute kommt schlechthin.

Insofern ist es mir ein Leichtes zu sagen, ich unterstütze das. Ich möchte hier dann in Zusammenhang mit der Prozesssteuerung des Konvents sagen, ich frage mich nur immer wieder, wie gehen wir um mit solchen Forderungskatalogen. Ich kenne derartige Forderungen seit vielen Jahren, seit vielen Jahren, ich habe früher, jetzt meine Kolleginnen und Kollegen im Parlament, dazu Anträge gestellt, immer mit demselben Ergebnis: Mit Mehrheit abgelehnt. Dann kommen die jeweiligen Vertreterinnen, Vertreter des Parlaments, die für die Jugend sprechen. Bei Podiumsdiskussionen, selbstverständlich, natürlich. Bald, demnächst, da brauchen wir nur noch irgendeine Kommission, ein Beirat, ein Gremium, um das zu prüfen und manche dieser Forderungen prüfen wir jetzt seit 20 Jahren und länger.

Meine Damen und Herren von den Jugendorganisationen! Ich bitte, klären Sie das mit Ihren Stamm- oder Mutter- oder wie man sonst sagen soll -parteien, damit wir nicht dauernd diesen Sisyphus-Kreislauf haben und ich möchte hier auch im Konvent anregen, dass wir uns jetzt in Zukunft einer Prozesssteuerung bedienen, dass wir klar machen, es gibt die und jene Forderungen und dass über diese Forderungen abzusprechen ist, notfalls halt. Wir haben hier ein Prozedere im Konvent, aber wir werden notfalls halt schauen müssen, welches davon letztlich nach diesem Konsensprinzip realisierbar ist. Meine Zustimmung hinsichtlich den Forderungen der Jugend - und das betrifft alle grünen Vertreterinnen - ist sicher.

Ebenso mit den Forderungen der Frauenorganisationen. Ich habe es immer auf einen Nenner gebracht, wir wollen die Gleichheit durch das Gesetz und nicht eine nebulose Gleichheit vor dem Gesetz. Das betrifft umfassend natürlich alle Bereiche des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen Lebens und wir halten es für eine Aufgabe der Gesetzgebung auf allen Ebenen und auch der Vollziehung diese Gleichheit herzustellen in der Praxis.

Selbstverständlich ist auch die sprachliche Gleichbehandlung ein Recht und nicht irgendein Schnörksel, irgendeine ausgerissene Idee von irgendwelchen Feministinnen. Präsidentin Fiedler und Professorin Haller werden merken, wie komisch das ist, wenn man dauernd so angeredet wird wie es nicht der ontologischen Realität entspricht. Wir haben ein Recht darauf und bitte das im dritten Jahrtausend endlich einmal zu kapieren und auch bei der Überarbeitung der Verfassung zu respektieren.

Meine Damen und Herren! Ich wollte noch ein Wort sagen zum Familien- oder Kinderwahlrecht. Einerseits halte ich es für entbehrlich, dass wir eine Altersgrenze suchen, um uns an die anzuhängen. Ich halte 16 im Prinzip für recht vernünftig. Bei mir, Herr Dr. Lengheimer, würden Sie offene Türen einrennen, wenn wir uns auf 14 einigen können. Ich ermögliche Ihnen gern eine Diskussion mit meinen Töchtern und Sie werden sehen, dass das absolut vernünftig wäre, auch Menschen dieses Alters ein Wahlrecht zu geben. Aber ich glaube, das Wahlrecht ist ein höchstpersönliches Recht, so etwa wie das Recht Ehen zu schließen und daher glaube ich nicht, dass das eine andere Person ausüben kann und insbesondere stelle ich mir die Frage, wie die Männer überhaupt in diese Diskussion kommen, wenn Frauen eben praktisch den Löwenanteil der Betreuungsarbeit leisten.

Ein allerletztes. Das war die Wortmeldung des Vertreters des Rings der freiheitlichen Jugend. Ich möchte nicht  – ich wollte eigentlich zuerst nichts dazu sagen, aber ich möchte nicht, dass das hier in diesem Haus, das mir sehr viel bedeutet, wenn Sie wollen: das ich liebe –, dass das so stehen bleibt. Dieses Land war und ist immer ein Einwanderungsland, dazu stehen Menschen, die zum Beispiel Petrovic heißen und die zweisprachige Kinder haben und die leidenschaftliche Österreicherinnen sind und die sich nicht gefallen lassen – gerade zehn Jahre nach dem Briefbomben-Terror nicht gefallen lassen –, dass solche Worte in diesem Haus unwidersprochen gesagt werden dürfen.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Kollegin Stoisits ist die nächste Rednerin und dann Dr. Voith.

Mag. Terezija Stoisits: Poštovane dame i gospodo! Gospod prezednik! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der österreichische Nationalrat stand zumindest bis jetzt dafür, dass er von Vielfalt und nicht von Einfalt geprägt wird. Und die meiner Ansicht nach legitime, weil auch demokratisch legitimierte Wortmeldung eines Vertreters der Freiheitlichen Jugend hier hat für sich gesprochen.

Ich möchte mich dem, was Frau Dr. Petrovic gesagt hat, anschließen: Vor allem, wenn man als ein – ich weiß nicht – Fleisch gewordenes Beispiel der österreichischen Vielfalt auch Mitglied des Nationalrates ist, dann sollte das diesem jungen Mann ins Stammbuch geschrieben werden.

Ich möchte, weil jetzt meine beiden Kolleginnen Glawischnig und Petrovic jetzt den Standpunkt der Grünen in Bezug auf die gemachten Vorschläge ja schon relativ detailreich erörtert haben, das jetzt nur noch einmal sozusagen deklaratorisch wiederholen:

Soziale Grundrechte – darauf wurde mehrfach verwiesen –: Das ist für uns Mitglieder des Konvents von Seiten der Grünen ein Arbeitsauftrag in den Ausschüssen, ganz besonders im Ausschuss 4, Grundrechte. Und ich kann Ihnen berichten – und vielleicht wird das der Vorsitzende auch im Laufe des Tages heute noch tun –, dass sich der Ausschuss, ohne jetzt die Zivilgesellschaft gehört zu haben, schon selbst zur Aufgabe gemacht hat.

Die Frage der Anlehnung an die Europäische Grundrechtscharta sozusagen füge ich hier nur an.

Die Frage der Kinderrechte,  weil eben gestern Internationaler Tag der Kinderrechte war,  ist ja von Christoph Riedl hier erwähnt worden.

Die Frage der Anti-Diskriminierung und des Festhaltens jetzt der europäischen Prinzipien und der Richtlinien, die es dazu gegeben hat auch in der österreichischen Bundesverfassung und eine Ausweitung oder Präzisierung wird den Grundrechtsausschuss auch beschäftigen – und da danke ich auch sehr für diesen dezidierten Hinweis.

Und damit komme ich sozusagen zu meiner Einschätzung der Präsentation der Jugend Österreichs. Angeblich ist das ja eine Anhörung der Zivilgesellschaft. Ich meine, jetzt sage ich Ihnen als Parlamentarierin und als Mitglied des Konvents: Wenn das, was wir heute jetzt an physischen Stellungnahmen gehört haben, die österreichische Zivilgesellschaft ist, dann kann ich nur sagen, das ist vielleicht unser Verständnis, unser Konvents-Verständnis – jetzt schließe ich mich mit ein, weil ich sitze in diesem Boot – von Zivilgesellschaft, aber das ist nicht die österreichische Zivilgesellschaft! Die ist viel bunter, die ist viel breiter, die ist viel vielfältiger als das, was wir heute Vormittag ansatzweise gehört haben. Denn die Bürgerinnen und Bürger haben sich längst davon verabschiedet, dass Meinung zu äußern und Standpunkt zu ergreifen immer nur in Form von Parteianhänglichkeit möglich ist.

Ich weiß nicht, wer diesen alten Gedanken noch anhängt – ich tue es jedenfalls nicht, und ich weiß auch, dass das Frau Dr. Glawischnig nicht tut, sie hat es auch hier gesagt. Und darum sollte sich dieser Konvent, der sich ja den Zukunftsfragen widmet, ja bitte auch einmal von diesem alten Denken verabschieden und in die Zukunft blicken. Das ist sozusagen mein Wunsch jetzt an den Konvent und nicht so sehr an die Zivilgesellschaft – die weiß ja um ihre Forderungen. Die ist vielleicht nicht, – weil das mehrfach gesagt wurde –, verfassungsrechtlich gebildet ; es sind eben nicht nur Professoren des Verfassungsrechtes Aktivisten in zivilgesellschaftlichen Organisationen, da gibt es eben auch Bäuerinnen und Jugendliche und Sekretärinnen, ja, und Berufe, die nicht dieses Wissen haben, aber die Anhörung der Zivilgesellschaft sollte das alles mit beinhalten – das wollte ich jetzt zum Ende dieser vormittäglichen Diskussion noch sagen.

Und ich habe inzwischen vom legitimierten Vertreter einer gesetzlichen Einrichtung wie der österreichischen Bundesjugendvertretung diesen Forderungskatalog auch erhalten, und ich kann sagen: Das ist ein Arbeitsauftrag, ein gewaltiger Arbeitsauftrag für den Konvent! Und ich kann nur sagen: Ich werde meinen Beitrag – und jetzt spreche ich für die Grünen: Wir werden unseren Beitrag – leisten.

Aber, Herr Prof. Khol – jetzt ist er nicht da –, wenn Sie hier Ihren Standpunkt formulieren und sagen: Staatsziele in die Präambel!, dann sage ich: Wo? Das ist Ihre Meinung, ich vertrete eine andere. Das ist genau die Aufgabe des Konvents, hier zu einem Konsens zu kommen: So wie Sie das Recht haben, Ihre Meinung hier so dezidiert zu sagen  – Staatsziele in die Präambel und Grundrechte in einen Grundrechtskatalog –, da sage ich: Ja, das könnte ein Ergebnis sein, aber wir sind in diesem Prozess jetzt drinnen! Und so wie ich unsere Arbeit in dem Ausschuss, in dem ich tätig bin, einschätze, glaube ich nicht, dass Sie da ganz glücklich sein werden mit Ihrer Vorstellung von den Ergebnissen. – Danke.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner: Herr Dr. Voith, nach ihm Kollege Bernd Vögerle. – Gleiche Redezeit.

Dr. Günter Voith: Meine Herren Präsidenten, darf ich hier sagen! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal: Ich habe hier zwar die Ehre, Mitglied des Konvents zu sein, aber ich sehe hier nicht, dass ich deshalb ausgeschlossen bin aus der Zivilgesellschaft . Zivilgesellschaft sind wir alle, das nur nebenbei.

Ich glaube, dieser Hearing-Tag und sicherlich auch der 15. Dezember führt uns doch drastisch vor Augen ein Problem, um nicht zu sagen, das Problem des Konvents, nämlich: Wir gehen an einer, na ja, Gratwanderung neben einem Abgrund entlang, und diesen Abgrund nenne ich Politik.

Wir haben über die Verfassung zu reden und wir haben den Auftrag, die Verfassung natürlich mit einer bestimmten Zielsetzung zu modernisieren und so weiter. Ich weiß schon, dass es nicht ganz von der Politik zu trennen ist – selbstverständlich! –, Grundrechte, von mir aus auch Zielvorstellungen, aber wenn wir uns zu tief an diesen Abgrund oder in diesen Abgrund hineinbegeben, dann bin ich sicher, dass die Verfassungsreform entweder ein Fiasko oder zumindest ein Torso wird.

Bitte die Verfassung nicht als Instrument der Politik zu missbrauchen – dann kommen wir sicher nicht weiter. Und es ist nicht sehr zielführend, wenn wir sehr viele Wünsche, die rein politische Wünsche sind, die seit zehn und 20 Jahren, wie zu Recht bedauert wird, nicht durchsetzbar waren, dass die ausgerechnet ein Verfassungskonvent lösen kann. Das ist auch nicht die Aufgabe der Verfassung – im Gegenteil! Die Verfassung hat die Grundlage, den Rahmen zu geben dafür, dass der Staat funktioniert und gut funktioniert.

Und jetzt noch etwas: Es muss uns doch bewusst sein, dass alle diese wunderbaren Dinge, die wir in die Verfassung schreiben wollen – sofern sie nicht so unterschiedlich sind, dass wir gar nichts davon hineinschreiben können –, dass die alle doch Papier sind, wenn nicht die Regierung – welcher Art immer, welcher Zusammensetzung immer – und natürlich der Gesetzgeber imstande ist, das auch zu verwirklichen. Was heißt das?  Das heißt, er muss eine gewisse Handlungsfähigkeit haben.

Wir haben heute 450 € pro Monat pro Erwerbstätigem im Schnitt zu bezahlen für die Zinsen der Staatsschuld! Es hat ja in Wirklichkeit die Politik aus den materiellen Grundlagen heraus kaum Handlungsfähigkeit  – dafür muss auch eine Verfassungsreform die Grundlage bilden. Und wir haben ja nur die Möglichkeit, tatsächlich Politik zu machen in Zukunft – welche Regierung immer –, wenn sie einen gewissen Freiraum hat, und wir können das nicht – mit der Verfassung schon gar nicht! – vorwegnehmen, geschweige denn, dass wir vorwegnehmen können, welche Zusammensetzung der nächste Nationalrat hat und wie sich die nächste Regierung bildet.

Wenn wir nicht nur Verteilungsproblematik wollen, die dann immer daran scheitert, dass nichts herauskommt , dass keine Einigkeit herauskommt und keine Zufriedenheit, dann gibt es einen Ausweg, für den wir auch Grundlage schaffen könnten – ein bisschen Grundlage schaffen können –, das ist ein Wachstum des Ganzen. Nur wenn wir ein Wirtschaftswachstum zusammenbringen, ersparen wir uns die tatsächlichen ununterbrochenen Krämpfe, dass eigentlich keine Rechte neu zu verteilen sind, wenn es darum geht, zu konkretisieren. Und deshalb meine ich: Bitte, überfordern Sie nicht ausgerechnet den Verfassungskonvent, der ja deshalb, damit der Staat, damit die Politik mehr Spielraum hat, einberufen wurde zu sagen: Wir brauchen einen schlankeren Staat und wir brauchen die Möglichkeit, dass das die Politik wieder mehr schafft. Die Verfassung wird ja kritisiert, unser jetziger Zustand, weil sie zu viel vorgegeben hat, zu viel fixiert, zu wenig Spielraum gelassen hat, dass tatsächlich der Einfachgesetzgeber und die Regierung handeln können. Danke.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner, wie gesagt, Kollege Bernd Vögerle. Und dann hat einer von den anwesenden Vertretern der Religionsgemeinschaften von der Einladung Gebrauch gemacht, jetzt noch vor der Mittagspause dran zu kommen, das ist  Dr. Walter Hessler von der Neuapostolischen Kirche. Dann werden wir die Beratungen unterbrechen. Von den Vertretern der Religionsgemeinschaften, die für 14 Uhr eingeladen wurden, haben wir nicht so viele erreichen können, dass wir zweckmäßig handeln, wenn wir den Sitzungsbeginn Nachmittag vorverlegen würden. Es muss also – und wird – beim Sitzungsbeginn 14 Uhr bleiben. Der erste Redner am Nachmittag wird dann Kardinal Dr. Schönborn sein. – Bitte, Kollege Vögerle.

Bernd Vögerle: Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren des Konvents, vor allem aber Herr Christoph Riedl als Vertreter der Bundesjugendvertretung! Ich habe mich als einer, der dazu steht, dass man nur dort, wo man ist, etwas bewegen kann, gefragt, warum die Bundesjugendvertretung oder die Jugendlichen diesen Weg gewählt haben, den sie heute gewählt haben, nämlich im Wesentlichen vor dem Haus ihre Meinung zu sagen und nur zum Teil hier im Haus.

Und ich habe mir das erklären lassen vom Bundesjugendvorsitzenden. Und ich habe mir auch jetzt vom Herrn Präsidenten Khol diese Worte angehört, und ich verstehe sie nicht ganz.

Ich glaube, die Bundesjugendvertretung ist eine gewählte Vertretung; sie ist für die Vertretung ausdrücklich dieser Gruppe berufen, und offensichtlich ist in der Einladung der Jugendlichen hier etwas vollkommen falsch gegangen. Weil entweder hätte man die gesetzliche Vertretung eingeladen oder man hätte den zehn Organisationen klar gemacht – so wie es der Herr Präsident Khol jetzt versucht hat nachträglich -, warum gerade die zehn eingeladen wurden und die anderen fünfzehn nicht, und dass die Vielfalt so wichtig ist.

Ich glaube aber ganz einfach, hier ist Handlungsbedarf, und ich bitte wirklich das Präsidium, zu überlegen, ob man diese Chance der Bundesjugendvertretung nicht offiziell geben sollte, sie noch einmal einladen sollte, ihr die Zeit einräumen sollte, sich vorzubereiten darauf, und dann hier den Standpunkt einzubringen.

Ich glaube, diese Zeit sollten wir uns nehmen, weil die Forderungen der Jugend im Jugendkonvent schon sehr eindeutig waren. Und alle die, die dort waren und sich das angehört haben, und nicht erst das Papier heute gesehen haben und bemerkt haben, dass es sehr wichtige Inhalte hat, werden schon dort erkannt haben, dass die Jugend hier durchaus bereit ist, etwas zu tun. Nicht von anderen etwas zu verlangen, sondern sich einzubringen; sie will aber ernst genommen werden, meine Damen und Herren. Und ich sage deshalb auch hier in aller Deutlichkeit: ich frage mich zu den Ausführungen von Herrn Dr. Lengheimer zum 16-Jahre-Wahlrecht: was haben sich denn da die Landtage, wo das 16-Jahre-Wahlrecht eingeführt wurde, alle gedacht? Vielleicht haben sie es unbedacht gemacht – möglicherweise. Abgelehnt wird es üblicherweise mit dem Hinweis, die Jugendlichen wollen gar nicht wählen – wie erst jüngst in Niederösterreich.

Meine Damen und Herren, klar und deutlich: die Ergebnisse jener Wahlen, wo die Jugendlichen mit 16 gewählt haben, zeigen ein anderes Bild. Dort gibt es höhere Prozentsätze der Teilnahme an der Wahl wie von den Erwachsenen. Und das sollten wir zur Kenntnis nehmen und nicht immer den Jugendlichen sagen, sie sind wichtig. Und dann wundern wir uns – und das wurde hier auch schon gesagt -, dass sie nicht Politik verdrossen sind, sondern Politiker verdrossen sind. Es wundert mich manchmal nicht, wenn man den eigenen Parteiorganisationen nicht die Möglichkeit gibt, sich so einzubringen – und ich habe das am Jugendkonvent schon gesagt, und ich habe es auch im Ausschuss gesagt und ich sage es auch hier: Es kann nicht sein, dass wir der Jugend signalisieren, dass wir sie ernst nehmen und immer dann, wenn sie berechtigte Wünsche, die argumentiert werden können, einbringen, sagen wir, na, die wollen ja eigentlich gar nicht, da sind ein paar Funktionäre, die spinnen da etwas zusammen.

Meine Damen und Herren! Ich fordere hier wirklich alle auf, sich dieser Themen anzunehmen, sie in den Ausschüssen zu behandeln – es wurde hier schon klar und deutlich gesagt, wie dieser Vorgang denkbar ist – und wir haben zum Wahlrecht schon darüber gesprochen, und aus meiner Sicht nicht abschließend gesprochen, sondern wir sind im Prozess. Und ich behaupte ganz einfach, dass es notwendig ist, jene Gruppe von Menschen ernst zu nehmen, die nicht im Konvent vertreten sind durch ihre gesetzliche Organisation, die aber hier, heute, nur eine eingeschränkte Möglichkeit hatten, denen man die Chance geben sollte, noch einmal klar zu erläutern, warum sie meinen, dass diese Anliegen berechtigt sind, weil das gesprochene Wort zu den Konventsmitgliedern ein sehr wichtiges ist als Erläuterung zu den geschriebenen Vorstellungen. Und ich bitte Sie deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem das Präsidium, diesen Vorschlag sehr ernsthaft zu erwägen und der Jugend diese Chance einzuräumen. Danke schön.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Kollege Vögerle. Damit haben wir diesen Diskussionsblock abgeschlossen. Wir haben jetzt einen Themenwechsel zum Bereich Religionsgemeinschaften. Dabei sind insgesamt 13 Wortmeldungen vorgesehen, und eine davon hören wir jetzt noch vor der Mittagspause: Kollege Dr. Walter Hessler von der Neuapostolischen Kirche. Die vereinbarte Redezeit ist ebenfalls fünf Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

Dr. Walter Hessler: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Verehrte Damen und Herren. Der Beschluss des Präsidiums, die in Österreich staatlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften anzuhören, zeigt von dem Bewusstsein, dass ein Zusammenleben aller Bürger in Freiheit, gegenseitiger Achtung und Toleranz die Sinnfindung und Orientierung an einer transzendenten Ordnung, einem höheren Wesen mit einschließt.

Hier in aller Kürze die Punkte, welche für die Neuapostolische Kirche eine wichtige Grundlage für ein gelungenes Zusammenleben im Staat und damit eine Basis für die Verfassung dieses Landes darstellen, nicht nur heute sondern auch in Zukunft.

Erste Grundlage ist das höchste Gebot der Christen: „Liebe Gott von ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Primär ist dabei nicht der unbedingte Verweis auf das Christentum, sondern das Bewusstsein, dass alle Religionen Liebe und Nachfolge zu einer ordnenden Kraft, einem höheren Wesen – wie nennen es Gott – verbindet. Diese Liebe bringt Achtung, Toleranz und Güte den Mitmenschen gegenüber. Die Sinnorientierung hin auf Gott ist ein Quell für eine gedeihliche Entwicklung in diesem Land. Daher unser Wunsch, diesen Bezug auf Gott in die Verfassung aufzunehmen.

Dieses erste Gebot der Christen führt auch gleich zu einer weiteren Grundlage für die Verfassung: das Akzeptieren der Werte aller Religionen, Rassen und Minderheiten. Diese Werte, so unterschiedlich sie sein mögen, müssen zum Ziel haben, den Frieden im Lande und den Respekt vor der Würde eines jeden Menschen zu bewahren, ohne Unterschied durch Herkunft, Alter, Geschlecht, Bildung, Stand oder Behinderung. Sie müssen zum Ziel haben, Menschenrechte, Freiheit und Demokratie sicherzustellen. Dabei sollte die goldene Lebensregel zum tragen kommen, welche die Religionen verbindet. Bei Mohammed lautet sie: „Keiner von euch ist ein Gläubiger, bis ihr für Euren Nachbarn liebt, was ihr für euch selbst liebt.“ Ähnliche Formulierungen finden wir bei Buddha im Hinduepos Ma ha ha ra ta, in den Gesprächen (15,23) des Konfuzius, beim jüdischen Lehrer Hillel und im Evangelium des Matthäus (7,12), wo Jesus sagt: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen.“

Diese goldene Regel ist aus unserer Sicht eine Basis für die Verfassung. Gerade was die Hilfe für und den solidarischen Umgang mit Menschen in Not betrifft. Sei es nun Not als Folge von Gewalt, materielle Not, seien es Asylsuchende oder sei es psychische Not. Diese Regel ist auch die Basis für freie Kirchen  in einem freien Staat.

Dieses Prinzip führt in konsequenter Weise zu einer Verankerung in der Verfassung -sowohl des Rechts auf ein würdiges Leben für alle Menschen, für Kinder, die Behinderten, die Alten -, als auch des Rechts auf ein menschenwürdiges Sterben. Stichworte, wie Kinder- und Altenbetreuung, Pflege und Pflegegeld, Hospizarbeit und Hospizkarenz, ohne zumutbaren, materiellen Nachteil, seien hier genannt.

Weiters führt diese goldene Regel zu einem verfassungsmäßigen Schutz vor Experimenten am Menschen, Stichwort: Reproduktives Klonen. Hier sei auf die Aussagen der Neuapostolischen Kirche Österreich im Rahmen der Studie der Universität Wien zur Bio- und Medizinethik verwiesen.

Ebenfalls ergibt sich daraus die Forderung nach einem verfassungsmäßigen Schutz vor einer Zerstörung des Menschen, sei es, dass diese Zerstörung durch Drogen, durch Vergewaltigung, Kindesmissbrauch oder sonstige physische wie psychische Gewalt erfolgt.

Als letzter Punkt sei hier noch ein Auftrag in der Verfassung, zur Verhinderung der Ausbeutung und Zerstörung der Natur, der Umwelt genannt. Wenn wir Recht auf Leben für unsere Kinder fordern, dann müssen wir auch überlegen, welche Natur wir den Kindern hinterlassen. Eine Umwelt, in der sie verzweifeln müssen, oder eine, in welcher sie sich wohl fühlen können.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte Ihnen allen, im Namen der Neuapostolischen Christen, Kraft und Gottes Segen bei der Arbeit für eine Verfassung wünschen, welche Solidarität, Menschenwürde und Toleranz in unserem Land sicherstellt.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Herrn Dr. Hessler. Ich unterbreche jetzt die Beratungen. Sie werden um 14 Uhr pünktlich wieder aufgenommen.

Erster Redner am Nachmittag ist Kardinal Dr. Schönborn. Die Sitzung ist unterbrochen.

 

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner (übernimmt den Vorsitz): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die Sitzung des Österreich-Konvents wieder auf. Ich begrüße sehr, sehr herzlich die Vertreterinnen und die Vertreter der Religionsgemeinschaften, der Volksgruppen und Vertreter aus dem Bereich der Menschenrechtsorganisationen. Wir haben im Präsidium des Konvents beschlossen und Sie gebeten zu uns zu kommen, um mit den Mitgliedern des Österreich-Konvents in einen Dialog über die neue Verfassung der Republik Österreich zu treten, in einen Dialog zu treten über Neuordnungen von Kompetenzen, in einen Dialog zu treten über neue gesellschaftliche Richtungen auch, die in einer neuen Verfassung letztendlich auch niedergeschrieben werden sollen.

Ich bedanke mich sehr, sehr herzlich dafür, dass Sie gekommen sind, und ich bitte Sie, nun in der Reihe wie Sie sich auch vereinbart haben, dass Sie hier vor dem Konvent sprechen, um Ihre Wortmeldungen.

Ich darf mit Respekt und herzlich begrüßen den Herrn Kardinal Dr. Christoph Schönborn und ihn um seine Wortmeldung bitten.

Dr. Christoph Schönborn: Meine Damen und Herren! Die christlichen Kirchen in Österreich wünschen die Aufnahme bestimmter Werte und Zielsetzungen in die neue österreichische Bundesverfassung. Sie haben einen Beitrag zur Verfassungsreform, mit dessen Vorbereitung der Konvent beauftragt ist, gemeinsam erarbeitet und vertreten diesen Beitrag gemeinsam vor dem Konvent. Die Kirchen erwarten, dass sie zu allen Fragen dieses Beitrags in einen Dialog mit dem Konvent eintreten können. Der Beitrag der Kirchen wird im Folgenden, von den Vertretern der Kirchenleitungen aller im ökumenischen Rat vereinigten anerkannten Kirchen unseres Landes vorgetragen werden.

Sämtliche Beiträge werden im Namen aller beteiligten Kirchen abgegeben. Ich freue mich darüber, dass es gelingen konnte, in der Frage der Verfassungsreform ein einheitliches Votum aller genannten Kirchen zustande zu bringen. Ich danke den beteiligten Kirchenleitungen für ihre geschwisterliche Kooperation. Ich danke auch der Vorsitzenden des ökumenischen Rates der christlichen Kirchen, die selbst Konventsmitglied, die Initiative ergriffen hat, um jenes Gespräch zustande zu bringen, dessen Ergebnis die beteiligten Kirchenvertreter nunmehr zum Vortrag bringen werden. Ich danke weiters, den in den verschiedenen Kirchen tätigen Experten, welche die für ein gemeinsames Wort notwendige Vorarbeit geleistet haben. Ich danke schließlich und vor allem dem Konvent, der den Kirchen die Möglichkeit eröffnet hat, durch öffentlichen Vortrag unseres Beitrags an der Verfassungsreform mitzuwirken. Diese Mitwirkung soll nicht in der einmaligen Abgabe einer Stellungnahme innerhalb dieses Konventshearings bestehen, sondern in einer ständigen dialogischen Begleitung eines Vorhabens, dessen Wichtigkeit nicht eigens betont werden muss.

Die Arbeit des Verfassungskonvents der USA hat deren späterer vierter Präsident James Madison mit der Bemerkung kommentiert, dass nicht allein ein geschriebener Verfassungstext, sondern dessen Akzeptanz und Anwendung durch die Bevölkerung Ziel der Bemühungen einer verfassungsgebenden Körperschaft sein müsse.

Wenn, und insoweit den Anliegen der Kirche im Rahmen der Reform Gerechtigkeit widerfährt, werden die Kirchen auch um die Akzeptanz der Bemühungen des Konventes in der Bevölkerung besorgt sein.

Zunächst Anmerkungen zu den Grundlagen der Reformbemühungen. Erstens: Schutz der Menschenwürde. Die christlichen Kirchen Österreichs sehen einen umfassenden Katalog von Grundrechten als unverzichtbaren Bestandteil der Verfassung an, dessen Gestaltung ihre besondere Aufmerksamkeit gilt. Sie treten für die Aufnahme einer Reihe von Grundrechtsverbürgungen in die neue österreichische Verfassung ein und beabsichtigen, entsprechend dem Fortschritt der Arbeiten im Grundrechtsausschuss, weitere Vorschläge vorzulegen.

Das Prinzip der Achtung der Menschenwürde liegt als allgemeiner Wertungsgrundsatz unserer Rechtsordnung zu Grunde und kommt insbesondere in den Freiheitsrechten und in den sozialen Rechten der Verfassung zum Ausdruck. Für uns Christen ist die Menschenwürde in der Gott-Ebenbildlichkeit des Menschen begründet. Die Menschenwürde ist vielfach gefährdet. Dessen ungeachtet findet sich in der österreichischen Verfassung noch keine Norm, die ausdrücklich den Schutz der Menschenwürde garantiert und für den Einzelnen auch durchsetzbar macht. Die christlichen Kirchen Österreichs treten daher für die Aufnahme eines entsprechenden Grundrechtes in die neue Verfassung ein. Es könnte nach dem Vorbild der EU-Grundrechtscharta folgender Maßen formuliert werden: „Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie ist zu achten und zu schützen.“

Diese Formulierung bringt eine Begrenzung des staatlichen Handelns zum Ausdruck und begründet Schutzpflichten, etwa im Bereich der Medizinethik, oder der Biotechnik, sowie gegenüber einer schrankenlosen Beanspruchung grundrechtlicher Freiheiten durch andere. In diesem Zusammenhang empfehlen die christlichen Kirchen nachdrücklich die Ratifikation der Bioethik-Konvention des Europarates. Danke.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Kardinal! Ich darf Herrn Superindentent Mag. Peter Karner von der evangelischen Kirche H.B. um seinen Beitrag bitten. Bitte!

Mag. Peter Karner: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich setze fort, und wiederhole, dass die Kirchen sowohl die Aufnahme von Grundwerten und Prinzipien, als auch von Zielsetzungen für die staatliche Tätigkeit in die neue österreichische Bundesverfassung wünschen. Die neue österreichische Bundesverfassung soll zusätzlich zur Achtung der Menschenwürde folgende weitere Grundwerte verankern: Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit, - letzteres ist der neuere Begriff, der den eher patriarchalischen der Brüderlichkeit abgelöst hat - Sicherung und Förderung der Grundfreiheiten und Menschenrechte, einschließlich der sozialen Grundrechte und der Gleichbehandlungsrechte, sowie der Rechte aus internationalen Konventionen, die Österreich zwar ratifiziert, aber noch nicht alle umgesetzt hat. Und schließlich: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Im Einzelnen: Freiheit und Gleichheit mögen für unsere Gesellschaft und in unserem Verfassungsrecht selbstverständliche Werte sein. Sie bedürfen keiner besonderen Erläuterung und müssen dennoch genannt und verbürgt sein. An Geschwisterlichkeit ist zu erinnern, sie ist für das Rechtsleben einzufordern, das heißt, für das Zusammenleben von Menschen im Alltag ihrer Geschäfte. In ihr klingt nicht das Pathos der Französischen Revolution nach, denn Geschwisterlichkeit hebt die Verantwortung für den Mitmenschen, den Nächsten hervor, die persönliche und die gesellschaftliche und die staatliche Verantwortung in gleicher Weise.

Die Kirchen halten die Verankerung sozialer Grundrechte in der Verfassung für unverzichtbar. In diesem Sinn ist die europäische Sozialcharta endlich ernst zu nehmen, ebenso die Verbürgungen in der EU-Grundrechtscharta und anderen internationalen Dokumenten, nämlich solchen, die soziale Grundrechte zum Gegenstand haben.

Die Kirchen verweisen in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf ihre gemeinsames Sozialwort, das auf der Grundlage eines breit angelegten Meinungsbildungs- und Diskussionsprozesses gemeinsam erarbeitet wurde und, wie bekannt, in diesen Tagen der Öffentlichkeit vorgestellt wird.

Österreich ist säumig in der Erneuerung der Grund- und Menschenrechte, einige Ratifikationen internationaler Konventionen, an denen Österreich wohl mitgewirkt hat, stehen aus. Einige ratifizierte Konventionen bedürfen der innerstaatlichen Genehmigung und Umsetzung. Schmerzlich ist ganz besonders die Säumigkeit bei der noch fehlenden grundrechtlichen Sicherung der Rechte des Kindes.

Rechtstaatlichkeit und Demokratie sind wiederum sozusagen selbstverständliche Grundwerte in unserem Verfassungsrecht. Sie bedürfen nicht mehr der Begründung, sie sind aber zu nennen und wieder in geeigneter Form in den Verfassungstext aufzunehmen. Für die Ausgestaltung der demokratischen Prozesse in den verschiedenen Abschnitten der Verfassung ist allerdings darauf hinzuweisen, dass sich Demokratie weiter entwickeln muss. Die Partizipation der Bürger und Bürgerinnen ist vor allem im Hinblick auf die europäische Integration und in ihren neuen Strukturen grundlegend zu überdenken. Für alle demokratischen Prozesse ist zu fordern, dass sie von den Bürgern und Bürgerinnen akzeptiert werden können und inhaltlich gute Lösungen für gesellschaftliche Konflikte und Herausforderungen bieten können.

Ich danke Ihnen.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke Herr Superintendent. 

Ich bitte Herrn Pfarrer Robert Freihsl für die Altkatholische Kirche um sein Statement. – Bitte.

Robert Freihsl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Baugesetze der Bundesverfassung bleiben Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Bundesstaatlichkeit, das steht außer Zweifel. Erforderlich ist freilich die Weiterentwicklung, vor allem im Hinblick auf die Mitwirkung Österreichs im System der Vereinten Nationen und anderer internationaler Organisationen, zum Beispiel bei der Sicherung des Friedens in der Welt.

Ganz vordringlich ist die Entwicklung im Hinblick auf die Mitgestaltung der europäischen Integration und auf die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte und Pflichten in der Europäischen Union.

Erforderlich ist insbesondere die Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Bund, Ländern und Gemeinden im Geist des Föderalismus und des neuen europäischen Regionalismus. Damit verbunden ist die Neugestaltung der Finanzverfassung und des Finanzausgleiches, sowie die Sicherung des gesamtstaatlichen Gleichgewichtes zwischen Bund und Ländern und Gemeinden, für die öffentlichen Haushalte und für die Daseinsvorsorge.

Diese Themen sind zentrale Themen der Neuschöpfung der österreichischen Bundesverfassung. Es ist allerdings richtig, dass diese Themen nicht zu den typischen Anliegen der Kirchen zählen. Gleichwohl ist darauf zu verweisen, dass die Kirchen das Prinzip der Subsidiarität als staatliches Gestaltungsprinzip vertreten haben und vertreten.

Subsidiarität liegt nicht nur allen Formen der Bundesstaatlichkeit zu Grunde, sondern ist auch ein Gestaltungsprinzip der Europäischen Union geworden. Die Subsidiarität der Europäischen Union wirkt auf die Verfassungen der Mitgliedstaaten zurück und Bundesstaaten zwingt sie zu einer neuen Arbeitsteilung, die den gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen an die staatliche Tätigkeit gerecht wird. Ich danke Ihnen.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Pfarrer.

Ich bitte Herrn Erzbischof Dr. Michael Staikos um seine Wortmeldung.

Dr. Michael Staikos: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die gesetzlich anerkannten Kirchen in Österreich wünschen, dass in der neuen österreichischen Bundesverfassung der staatlichen Tätigkeit klare Ziele gesetzt werden. Ziele der staatlichen Tätigkeit sind insbesondere die Gewährleistung einer Friedensordnung, die Verantwortung in der Schöpfung, die Vorsorge für die innere und äußere Sicherheit Österreichs, die nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung, Wohlfahrt und Wettbewerbsfähigkeit Österreichs, die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes, der Solidarität und eines Lebens in Beziehungen, die Anerkennung und Förderung der kulturellen, religiösen, sprachlichen, ethnischen und politischen Vielfalt und der Schutz und die Förderung des kulturellen Erbes.

Staatsziele im Verfassungsrang halten die Kirchen in einer Zeit der Verunsicherung und Orientierungslosigkeit in der Gesellschaft für erforderlich. Staatsziele definieren die Kernaufgaben des Staates - wie man heute sagt - in einer Zeit, in der die Staaten in Europa neu bestimmen.

Zum Wortlaut der sieben Staatsziele:

1. Es ist wichtig, die Aufgabe des Staates als Garant des Friedens wieder in den Blick zu nehmen, für den Frieden im Inneren und für den Frieden als Prinzip der Außenpolitik der Staaten. Die Friedensordnung herzustellen und zu gewährleisten ist der Sinn der Staatsbildung, Staatsgründung und Staatsfähigkeit.

2. Wir alle sind, auch der Staat ist mit seinen Aktivitäten verantwortlich in der Schöpfung. Wir sind Teil der Schöpfung und gestalten die Umwelt innerhalb der Schöpfung. Wir stehen nicht außerhalb der Natur, wir tragen nicht vor der Schöpfung, sondern in dieser Schöpfung für alle ihre Teile und Aspekte Mitverantwortung, jetzt und langfristig.

3. Für eine Politik, die für die innere und die äußere Sicherheit Österreichs vorsorgt, ist eine klare und eindeutige Aussage zu treffen, sie korrespondiert mit der Gewährleistung einer Friedensordnung.

4. Die Kirchen halten die Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung in einem sozialen, kulturellen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen Sinne, die Sicherung der Wohlfahrt und der Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten Welt und in Europa für bereits allgemein akzeptierte gesellschaftliche Zielsetzungen, vor allem auch für die staatliche Tätigkeit. Diese Ziele sind im Text der neuen Verfassung zu verankern.

5. In ähnlicher Weise hat der Staat beizutragen zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes, zu einem Leben in positiv gestalteten persönlichen und gesellschaftlichen Beziehungen und zur Stärkung der Solidarität in der Gesellschaft, vor allem mit den Ausgegrenzten und Schwachen. Auch dieses Staatsziel ist in den Text der Verfassung aufzunehmen.

6. Mit vielen wissen sich die Kirchen einig, dass die kulturelle, religiöse, sprachliche, ethnische und politische Vielfalt anerkannt, geschützt und gefördert werden muss. Es geht um Anerkennung und Förderung. Es geht nicht um Duldung, es geht nicht um Toleranz. Die Einheit in der Vielfalt ist eine Maxime der Europäischen Union. Die Vielfalt im politischen Sinne ist ein demokratisches Prinzip, die religiöse, kulturelle,  sprachliche und ethnische Vielfalt ist eine Bereicherung. Für die Kirchen ist der Schutz der Minderheiten über das Staatsziel hinaus ein unverzichtbarer Baustein des österreichischen Verfassungsrechtes.

Wir treten daher für die Aufnahme des Gebotes der Nichtdiskriminierung von Minderheiten in die neue österreichische Bundesverfassung ein und zwar im Sinne internationaler Konventionen. Vor allem im Sinne des Artikels 21 der EU-Grundrechtscharta. Wir wollen die Verfassung um eine Bestimmung ergänzt wissen, die Artikel 8, Absatz 2 der gegenwärtigen Bundesverfassung aufnimmt und die Verantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden für die Erhaltung und Förderung vor allem der kulturellen und sprachlichen Vielfalt festhält.

Wir betonen, dass die sprachliche und kulturelle Vielfalt ein Ausdruck österreichischer Geschichte und Identität ist, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt.

Siebentens: Daran schließt sich der Schutz des kulturellen Erbes, das wir nicht nur in einer physischen Dimension sehen. Die Erhaltung und Entwicklung des kulturellen Erbes liegt im Interesse des Staates und der staatlichen Gemeinschaft. Daher ist die Förderung des kulturellen Erbes durch den Staat gerechtfertigt. Der Sonntag als Zeit der Besinnung - auch der religiösen Feiern - ist zu wahren. Danke schön.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Vielen Dank, Herr Erzbischof. Darf ich Herrn Superintendent Lothar Pöll von der Methodistenkirche um seine Worte bitten.

Lothar Pöll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu den Staatszielen, welche die Kirchen vertreten, gehört die Sicherung der für das Verständnis und für die Praxis aller Staatsziele geeigneten Bildung und Weiterbildung. Bildung und Weiterbildung soll die Menschen in religiöser, ethischer und philosophischer Dimension zu Autonomie und Verantwortung befähigen und beruflich qualifizieren.

Es ist den Kirchen wichtig, gegen die Dominanz ökonomischer Ansprüche und Erwartungen gegenüber den nationalen Bildungssystemen nicht nur in Österreich, sondern in Europa, das Spezifikum der Qualität der Bildung einzubringen, wie es dem europäischen Verständnis immer entsprochen hat, nämlich eine ganzheitlich konzipierte Bildung, die zu möglichst umfassender Entfaltung des Menschseins im Sinne einer Befähigung zu verantwortlicher Selbstbestimmung beiträgt.

Bildung und Weiterbildung sollen im Dienst des Menschen eine selbstbestimmte Lebensgestaltung ermöglichen und zugleich eine Mitgestaltung der Zivilgesellschaft in Solidarität und demokratischen Prozessen grundlegen. Vorrangig vor allen Fragen in der unmittelbaren Nützlichkeit auf dem Arbeitsmarkt bedarf es der Beachtung einer religiös-ethisch-philosophischen Dimension.

Dies bedeutet eine Vertiefung all jener schließlich auch arbeitsmarktrelevanter Kompetenzen, die von den einzelnen Schultypen in durchaus unterschiedlicher Weise vermittelt werden können. Schulen sollen befähigen zu Entwicklung und Bewahrung eines kulturellen Gedächtnisses zur Sinnfindung und zu ethischer Grundsatztreue. Eine solche Zielsetzung für Bildung und Weiterbildung wird angesichts einer pluralistischen Gesellschaft notwendig sein, die eines hohen Maßes an Verständigung über die Grundfragen des Menschseins und einer nachhaltigen Sicherung der gemeinsamen Wertebasis bedarf.

Aus diesen Gründen ist eine umfassende Verankerung eines Rechtes auf Bildung und Weiterbildung zu fordern. Dazu gehört auch die Ermöglichung und Förderung einer qualifizierten ethischen und religiösen Erziehung und die verfassungsrechtliche Garantie der Führung von Privatschulen und deren Förderung durch den Staat. Ich danke Ihnen.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Vielen Dank, Herr Superintendent. Ich bitte als nächsten um seine Worte Koepiskopos Dr. Emanuel Aydin. Er spricht für die armenisch-apostolische und die syrisch-orthodoxe Kirche.

Dr. Emanuel Aydin: Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe die ehrenvolle Aufgabe - zugleich für den verhinderten Erzbischof Grikorien - die gemeinsame Stellungnahme der christlichen Kirchen in Österreich für den Bereich der Grundrechte weiter auszuführen.

Bei den Grund- und Menschenrechten bedarf es dringend einer zusammenfassenden Formulierung der verstreuten Verfassungsartikel über die individuelle Religionsfreiheit. Es ist auf das Staatsgrundgesetz 1867, auf Bestimmungen des Staatsvertrages von Saint Germain 1919, auf den Artikel 9 der europäischen Menschenrechtskonvention 1950 sowie auf die einschlägigen Artikel des Entwurfes für einen Verfassungsvertrag für Europa Bedacht zu nehmen.

Dabei ergibt sich, dass die Verbürgung der individuellen Religionsfreiheit als Menschenrecht in der altgewohnten Form, die jedermann zusteht, nicht mehr konsensfähig ist. Die Diskussion zum Entwurf des Verfassungsvertrages hat dies bestätigt. Jede Person hat Anspruch auf Grundrechte.

Die Formulierung der Kirchen lautet: A) Jeder Mensch hat ein Recht auf Gedanken, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit des Einzelnen zum Wechsel der Religion oder Weltanschauung sowie die Freiheit seiner Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen privat oder öffentlich zu bekennen, um den Gottesdienst, Andachten und Beachtung religiöser Bräuche auszuüben.

B) Die Gewissens- und Religionsfreiheit darf nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer darstellen.

C) Wehrpflichtige können erklären, Zivildienst leisten zu wollen, weil sie die Wehrpflicht aus Gewissensgründen nicht erfüllen können. Ich danke.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Ich bitte Herrn Bischof Anba Gabriel von der Koptisch-Orthodoxen Kirche um seine Worte. Bitte.

Anba Gabriel: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die kollektiven institutionellen Sicherungen der Religionsrichter sind nicht mehr zeitgemäß. Das öffentliche Bekenntnis und die öffentliche Ausübung der Religion oder Weltanschauung sind durch ein neues, zusammenfassenden Grundrecht, wie vorgetragen  und erläutert,  geklärt und gesichert.

Wegen der gesamtstaatlichen Bedeutung der Anerkennung der Kirchen und Religionsgemeinschaften auch in Würdigung ihrer besonderen Stellung und sind den anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften grundrechtlich besondere Freiheiten und Richter zu gewähren.

Erstens. Die Erhaltung die Stellung von Körperschaften öffentlichen Rechtes.

Zweitens: Sie sind in ihren inneren Angelegenheiten autonom.

Drittens: Sie können ihre äußeren Angelegenheiten zum Staat vertraglich regeln. Sie genießen den Beistand des Staates.

Viertens: Sie sind berechtigt, von ihren Mitgliedern Beiträge einzuheben.

Dieser neue Verfassungsartikel würde endlich allen staatlich anerkannten Kirchen und religiösen Gesellschaften hinsichtlich ihrer Beziehungen zum Staat gleiche Berichtspositionen einräumen, sie vor allem in die Lage versetzen, vertragliche Lösungen mit dem Staat zu suchen und einzugehen. Als Körperschaften finde ich, ist der Bedarf für anerkannte Kirchen eine Zusicherung der Einhebung von Beiträgen, um grundsätzlich und ausreichend ihre inneren und äußeren Angelegenheiten finanzieren zu können. Ein Beistand des Staates, der im Einzelnen erst zu regeln sein wird, ist ideell und materiell zu verstehen. Unter Beistand verstehen wir Schutz, Hilfestellungen und Förderung der anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften. Vielen Dank.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Vielen Dank, Herr Bischof. Die Evangelische Kirche A.B. ist durch Herrn Bischof Herwig Sturm vertreten. Darf ich Sie um Ihre Worte bitten.

Mag. Herwig Sturm: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Kirchen beantragen die Aufnahme folgender Verfassungsbestimmung: In Anerkennung der Identität und des besonderen gesamtstaatlichen Beitrags der anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften pflegt der Staat einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit ihnen zu allen grundsätzlichen Entwicklungen staatlicher Tätigkeit. Dieser Wortlaut ist der Bestimmung des Artikel 51 Abs. 3 des Entwurfes eines Verfassungsvertrages für Europa nachgebildet, welcher derzeit in der Regierungskonferenz in Beratung steht.

Ohne Änderung der inhaltlichen Schwerpunkte ist dieser Text im Wortlaut an die österreichische Rechtslage angeglichen worden und entspricht somit dem Harmonisierungsgebot für den Fall einer Annahme des Entwurfes für einen EU-Verfassungsvertrag durch die Regierungskonferenz.

Zu den Bausteinen dieses Textes im Einzelnen:

Der Text anerkennt die besondere Identität der Kirchen und Religionsgemeinschaften, die kraft ihres Auftrages an der Zivilgesellschaft zwar teilnehmen, aber selbst nicht Teil der Zivilgesellschaft sind. Die Kirchen sind in der Welt, aber nicht von der Welt, sagen wir in Anlehnung an eine Bibelstelle im Johannes-Evangelium. Diese besondere Identität wurde den Kirchen auch im Entwurf des EU-Verfassungsvertrages zugestanden. Der bereits zitierte Artikel 51 regelt den Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften, während der Grundsatz der partizipativen Demokratie zu Gunsten der repräsentativen Verbände und der Zivilgesellschaft im Artikel 46 des Entwurfes festgeschrieben ist.

Der besondere gesamtstaatliche Beitrag der anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften für das Selbstverständnis unseres Landes und seiner Bevölkerung, das so genannte christliche Erbe, schließt andere Quellen nicht aus. Unser kirchlicher Beitrag bedarf aber der Pflege und Anerkennung, weil der Staat, das ist jetzt ein Zitat, „der Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht schaffen kann“.

Der offene, transparente und regelmäßige Dialog zwischen dem Staat und den Kirchen und Religionsgesellschaften hebt den Grundsatz der freien Kirche im freien Staat nicht auf. Er schreibt ihn sogar fest, weil doch nur von einander unabhängige Identitäten in der Lage sind, miteinander einen Dialog zu führen.

Dieser Dialog soll offen und transparent sein. Alle sollen in der Lage sein, vom Ablauf und von den Ereignissen dieses Dialogs Kenntnis zu nehmen. Dieser Dialog soll regelmäßig sein, weil nur dadurch jene Atmosphäre der Zusammenarbeit gepflegt werden kann, die zur Bewältigung der vor uns stehenden Herausforderungen in einer so vielfach verunsicherten und orientierungsarmen Zeit unerlässlich erscheint.

Die Entwicklung der Beziehungen zwischen Kirchen und Staat, um die uns manche EU-Mitgliedsländer beneiden, entspricht heute dem Prinzip der freien Kirche im freien Staat. Dieses Prinzip ist auch in die Gesetzgebungsakte und völkerrechtlichen Verträge ab 1960 übernommen worden. In dieser Atmosphäre kann zwischen freien und unabhängigen Gesprächspartnern ein Dialog zu allen grundsätzlichen Entwicklungen staatlicher Tätigkeit geführt werden. Er verlangt von den Gesprächspartnern im Ergebnis nicht anderes als gegenseitiges Gehör, und das ist allemal die beste Voraussetzung für gegenseitiges Verständnis und gute Zusammenarbeit.

Ein Satz noch. Die Verankerung der oben im Wortlaut vorgeschlagenen Klausel in der reformierten Verfassung wäre ein weiterer Schritt auf dem Wege einer ebenso vertrauensvollen wie erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Kirchen und Staat zum Wohl des Landes. Und noch ein Satz zur Präambel.

Für die Berücksichtigung der hier vorgetragenen kirchlichen Anliegen bedarf es keiner besonderen Präambel zur Verfassung. Sollte eine solche Präambel aber vom Konvent für notwendig erachtet werden, so werden die Kirchen einen gemeinsam erarbeiteten Text für die Aufnahme in diese Präambel vorschlagen. Ich danke Ihnen.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Bischof Sturm. Danke herzlich, danke.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft ist vertreten durch Carla-Amina Baghajati. Ich darf Sie um Ihr Wort bitten.

Carla-Amina Baghajati: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Musliminnen und Muslime wissen wir zu schätzen, dass wir in der Behandlung des Islam in Österreich gesetzliche Rahmenbedingungen antreffen, die sich als ausgesprochen integrationsfördernd erweisen.

Der Anerkennungsstatus mit der Zusicherung der freien und öffentlichen Religionsausübung vermittelt rechtliche Gleichbehandlung. Als besonders wichtiges Kriterium ist in diesem Zusammenhang die innere Autonomie zu werten, die dem Islam in Vertretung durch die islamische Glaubensgemeinschaft in der Verwaltung der religiösen Angelegenheiten zugesprochen wird. Innere Autonomie ist ein solch zentraler Punkt, dass wir ihn auch in einer neuen Verfassung verankert sehen möchten.

Zur Erläuterung einige damit verbundene Vorteile. Der Islam ist eine dynamische Religion. Auf Basis der Quellentexte sollen von theologisch Gebildeten unter der Berücksichtigung der Faktoren Zeit, Ort und Gesellschaft auftretende Fragen auch neu beleuchtet werden und neue Antworten formuliert werden. Diesem Bedürfnis kann durch innere Autonomie entgegengekommen werden.

Diese Eigenständigkeit sichert Entwicklungsmöglichkeiten, wie sie gerade im Hinblick auf die Ausrichtung vom Islam in Europa bedeutsam sind. Eigenständigkeit fördert auch die weitere positive Identifikation mit Österreich. Zieht man in Betracht, dass in anderen Ländern Europas, in denen das Recht auf innere Autonomie für Muslime in dieser Form nicht gegeben ist, immer wieder auf Auslandsgutachten in Fragen des Islam zurückgegriffen wird, so wird verständlich, wie wichtig es für die Musliminnen und Muslime im Lande ist, mit eigener Stimme sprechen zu können.

Es wäre wohl auch absurd, wenn man einerseits Zugehörigkeitsgefühl zu der neuen Heimat einfordern wollte, andererseits aber in so persönlichen Dingen wie Fragen der Religion auf politisch geprägte und nach eigenen Präferenzen gewichtete Auslegungen aus dem Ausland als Entscheidungsgrundlage heranzöge.

Innere Autonomie schafft die Basis für die Zusammenarbeit und den Austausch mit staatlichen Institutionen, aber auch zivilgesellschaftlichen Einrichtungen und in Folge für das gedeihliche Zusammenleben in unserer immer mehr von Vielfalt geprägten Gesellschaft.

Der soziale und religiöse Frieden, wie wir ihn in Österreich genießen, wird bestärkt und ausgebaut, indem bei auftauchenden Fragen öffentlichen Interesses, die die islamische Religion berühren, kompetente und befugte Ansprechpartner zuverlässig zur Auskunft und Diskussion vorhanden sind.

Wir können also feststellen, dass hier wichtige Grundlagen für den Dialog gelegt werden, der dabei ein wesentliches Kriterium erfüllt, das heute verstärkt als notwendiges Qualitätsmerkmal angeführt wird: Gleichwertigkeit. Daher sehen wir auch gewährleistet eine aktive und anerkannte Rolle in dem notwendigen Prozess einnehmen zu können, indem sich Islam in Österreich, in Europa nicht nur als eine rechtlich anerkannte, sondern gesellschaftlich akzeptierte Religion herausbildet. Denn es ist von allgemeinem Interesse, auf dem Weg der Integration durch Partizipation bestehende Vorurteile, Klischees und Ressentiments zu überwinden und die Vereinbarkeit vom muslimischen Glauben mit den Werten von Demokratie, Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten bewusst zu machen.

Zur Frage eines Gottesbezuges in der Präambel der Verfassung möchten wir festhalten, dass dies einzig in einer Form in unseren Augen geschehen könnte, die nicht impliziert eine einzelne bestimmte Religion meint. Unsere Verfassung soll von der gesamten Bevölkerung getragen werden, sollte also einen inkludierenden Charakter haben, der nicht allein das religiöse Bekenntnis der Mehrheitsbevölkerung reflektiert. Zudem haben auch - historisch betrachtet -  gerade die Abrahamitischen Religionen wesentlichen Anteil an der europäischen Geisteswelt. Ohne das kulturelle Erbe des Islam, der Spanien über Jahrhunderte prägte, wäre der Aufschwung der Wissenschaften und des Denkens am Tor zur Neuzeit nicht vorstellbar. Denker des Islam leisteten so auch einen wesentlichen Anteil, das hellenistische Erbe zu bewahren, kreativ mit ihm umzugehen und der Aufklärung wesentliche Impulse zu schenken. Im Islam speist sich das Engagement für die Gemeinschaft aus dem Bewusstsein, sich vor ihrem, seinem Schöpfer für das eigene Handeln verantworten zu müssen. Menschenwürde ist für uns als Religionsgemeinschaft nur im Vertrauen auf Gott zu begründen. Insofern ist ein Gottesbezug, der kongruent mit den vorherigen Überlegungen ausformuliert wird, für uns nachvollziehbar.

Allerdings halten wir es für sinnvoller, weniger den Gottesbezug anzusprechen, als vielmehr das aus dem Glauben oder auch aus der Weltanschauung entspringende Verhalten eines sozial verträglichen und verantwortlichen Miteinanders, das religiösen, oder aus anderen Motiven verantwortungsvoll denkenden Menschen zu Eigen ist und die Basis einer funktionierenden Gesellschaft bildet. Durch diese konkretere und zugleich von der Allgemeinheit eher nachvollziehbare Herangehensweise ließe sich auch die Österreich eigene, bewährte Umgangsweise mit dem zivilgesellschaftlichen Potential von bekenntnisorientierten Menschen widerspiegeln. So unbestritten und auch von unserer Seite nicht in Frage gestellt die klare Gewaltenteilung im Staat ist, gibt sie doch Raum für den gesellschaftlich bedeutenden Beitrag der religiösen Institutionen. Angesichts anstehender Aufgaben wie der Betreuung eines wachsenden Anteils von Pflegebedürftigen, der Begleitung und Versorgung von an den Rand gedrängten oder von Armut bedrohten Menschen, der Betreuung von Asylsuchenden, um nur einige Aufgabenfelder zu nennen, ist die Stimme und das tatkräftige Handeln religiöser Institutionen nicht wegzudenken und sollte entsprechende Würdigung und Förderung erfahren. Danke.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Frau Baghajati. Ich bitte Herrn Mag. Thomas Schärf um seine Worte. Er vertritt die israelitische Kultusgemeinde. Bitte.

Mag. Thomas Schärf: Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren. Namens des Bundesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden bedanken wir uns recht herzlich für die Möglichkeit, unsere Anliegen im Zusammenhang mit einer Verfassungsreform zu deponieren. Aus der Sicht der Israelitischen Religionsgesellschaft darf durch das zur Diskussion stehende Vorhaben einer Neuformulierung und Kodifizierung der Österreichischen Bundesverfassung die Religionsfreiheit, wie sie sich heute aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen der Artikel 14 und 15 Staatsgrundgesetz, des Artikel 9 EMRK und des Artikel 63 Absatz 2 Staatsvertrag Saint Germain ergibt, keinerlei Abbruch erfahren.

Das heißt in concreto, dass unseres Erachtens für die individuelle Religionsfreiheit jedenfalls die Formulierung des Artikel 9 EMRK zu übernehmen und der kooperativen Komponente der Religionsfreiheit in einem weiteren Absatz Rechnung zu tragen sein wird. In diesem Zusammenhang erachten wir insbesondere die Beschränkung der korporativen Religionsfreiheit, wie sie sich heute anlassfallbezogen leider aufgrund der Größenschranke des § 11 Absatz 1 Ziffer 2 Bekenntnisgemeinschaftengesetz präsentiert, als bedenklich und als für die Frage der kooperativen Anerkennung von Religionsgemeinschaften in diesem Land irrelevant - würden doch die israelitische Religionsgesellschaft so wie eine Reihe der anderen heute in Österreich anerkannten und hier vertretenen gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften diese Voraussetzungen entweder nicht, oder – auf unseren Fall bezogen – bedingt durch die Geschehnisse des Nationalsozialismus nicht mehr erfüllen können.

Hinsichtlich der künftigen Grundrechtschranken bleibt schließlich zu bemerken, dass deren Formulierung aus unserer Sicht Artikel 9.2 EMRK folgen sollte. Erläuternd weisen wir darauf hin, dass mit der vorzitierten Bestimmung die nicht für alle Religionsgemeinschaften typischen spezifischen Riten und Bräuche in ihrem Bestand gesichert wären und deren Formulierung seinerzeit unter anderem gerade unter dem Blickwinkel der gesetzlichen Bewahrung der Traditionen des Schächtens und der Beschneidung von Knaben in der vorliegenden Form gewählt wurde. Wir weisen ferner darauf hin, dass nach der derzeitigen Gesetzeslage den Angehörigen der Israelitischen Religionsgesellschaft nicht einmal zu den höchsten jüdischen Feiertagen von Rosch Haschana und Jom Kippur der Genuss einer garantierten Arbeitsruhe sichergestellt ist. Dies, obwohl die religiösen Vorschriften des Judentums das Arbeitsverbot an Schabbat und Feiertagen in der Regel weit strenger definieren und reglementieren als dies etwa bei den evangelischen oder römisch-katholischen Christen der Fall ist.

Im Zusammenhang mit der Ausübung des Wahlrechts zu den Vertretungskörpern sowie für den Fall der verfassungsmäßigen Verankerung von Feier- oder Ruhetagen ersuchen wir daher mit Nachdruck, den Erfordernissen und Ansprüchen aller anerkannten Religionsgesellschaften Rechnung tragen zu wollen. In Anbetracht der heute höchst aktuellen und verstärkten Problematik neonazistischer und antisemitischer Betätigungen und Anschläge in Europa und den USA ist es aus unserer Sicht auch in Zukunft leider unerlässlich, das in Österreich gegenwärtig bestehende Verbot neonazistischer Betätigung und neonazistischer Organisationen und die mit diesen Verboten korrelierenden Strafbestimmungen zumindest fortzuschreiben, und diesen Schutz in eine neue Verfassung Einfluss finden zu lassen.

In einem Europa der Vielfalt ist aber zudem auch der aktive Schutz von Minderheiten vor jeglicher Form der Diskriminierung, wie wir ihn heute in vorbildlicher Form in den Bestimmungen des Artikel 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie in Artikel 1 des 12. Zusatzprotokolls zu EMRK formuliert wissen, in eben derselben und in eben demselben Umfang innerstaatlich verfassungsmäßig zu garantieren.

Schließlich erachten wir nicht nur aus dem Blickwinkel einer Minderheit, sondern auch angesichts der vielfältigen und verschiedenen Vorstellungen die in diesem Zusammenhang in der Öffentlichkeit zutage getreten sind, die Formulierung und Aufnahme einer Verfassungs-Präambel nicht nur aus juristischer Sicht schwierig, sondern vor allem aufgrund des einer Demokratie immanenten, zugrunde liegenden und auch umzusetzenden Wertpluralismus als nicht empfehlens- und anstrebenswert.

Letztlich – das soll nur am Rande bemerkt werden – sind wir der Ansicht, dass mangels Judiziabilität Staats -Ziel-Bestimmungen in einer neuen Verfassung nur sparsam verwendet werden sollten. Ich danke recht herzlich.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke vielmals. Als nächsten bitte ich Herrn Dr. Peter Riedel für die buddhistische Religionsgemeinschaft um seine Erklärung.

Dr. Peter Riedel: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich schließe mich weitgehend meinen Vorrednern an, insbesondere auch dem Hinweis von Bischof Sturm, dass eine Präambel für die Verfassung vermutlich nicht notwendig ist. Da im Vorfeld Vorschläge aufgetaucht sind, der Gesetzgeber möge die Verantwortung gegenüber den Menschen, der Umwelt und Gott verweisen, möchte ich dazu doch etwas sagen.

In Österreich gibt es 14 staatlich anerkannte Religionen, davon sind 13 so genannte Offenbarungsreligionen. 11 davon - wie wir gehört haben - christlich, eine islamisch und eine jüdische. Sie alle kennen und benennen Gott. Bei der 14., dem Buddhismus, handelt es sich um Erkenntnisreligion. Erkenntnis liegt jenseits des Glaubens und hat eher mit Wissenschaft als mit Religion im herkömmlichen Sinn zu tun. Das soll nicht heißen, dass Buddhismus nur Wissenschaft wäre und keine Religion, denn auch mit dem Ursprung des Menschen, seinen großen Fragen, woher kommen wir und wohin gehen wir, beschäftigt sich diese Lehre. Die Grundzüge der Lehre sind non-dualistisch, also jenseits aller Gegensätze. Alles ist eins und nichts ist ausgeschlossen. In diesem Sinn ist Buddhismus weder theistisch noch atheistisch. Es wird, so wie immer, eine mittlere Haltung eingenommen. Wird Gott in der Verfassung genannt, können sich alle, die einen Glauben haben, mit ihr leicht identifizieren. Jenen, die einen anderen oder an gar keinen Gott glauben, fällt dies vermutlich schwerer. Darüber hinaus gibt es die Buddhisten, die zwar keiner dieser Gruppen angehören, also wie ich schon ausführte, weder an einen Gott glauben noch einen solchen ausschließen, wirklich wieder finden würden sie sich aber in der vorgeschlagenen Präambel wohl nicht.

Eine letzte Wahrheit zu benennen erscheint mir gefährlich, so wie es gefährlich ist, die äußere Form einer Religion mit dem Inhalt zu verwechseln. Alle Religionen, zumindest die in Österreich anerkannten, wollen meines Wissens auf einen Weg zur und in die Liebe führen und doch liegt in ihnen auch eine Gefahr. Uns Menschen gelingt es offensichtlich immer wieder, alles zum Anlass für Konflikte zu nehmen - auch die Religionen.

Das hat wohl mit der Natur des Menschen selbst zu tun. Nach buddhistischer Erkenntnis ist Ablehnung, also der Hass, eine der Wurzeln im Menschen, die anderen beiden sind nach dieser Lehre des Begehren und die Illusion, das Nichterkennen. Alle Menschen scheinen diese Anlagen in sich zu tragen und der Weg der Reifung, der Weg zu Weisheit, Freiheit, Unabhängigkeit und Liebe wäre in diesem Sinn ein Übungsweg zur Überwindung dieser Wurzeln. Aber das ist bereits buddhistische Praxis und hier ist nicht der Ort,  einen Vortrag zu halten.

Aber eines werden wir im Plenum wohl alle Anwesenden – zumindest ich denke das – bestätigen: Dass um meine Wahrheit und um deine Wahrheit, um das Richtig und um das Falsch Menschen seit Jahrtausenden Auseinandersetzungen und Kriege geführt haben und immer noch führen. Auch um diese zu überwinden, um uns Menschen eine gerechte und alle Wesen einschließende österreichische Verfassung zu geben, sind wir hier zusammen gekommen. Die Gefahr neuer Missverständnisse, Auseinandersetzungen und Konflikte gerade über den Begriff Gott - so wichtig er für die meisten Menschen ist-, sehe ich allerdings als gegeben. Im Namen der österreichischen Buddhisten bitte ich daher die Verantwortlichen im Konvent, den Begriff Gott nicht in der Verfassung zu verankern.

Zuletzt möchte ich noch ein spontanes Wort sagen, ein spontanes Anliegen, das nicht so sehr aus dem Buddhismus, sondern auch aus der Psychologie des Menschen kommt. In Österreich ist es verboten, zumindest in den großen Städten, die Toten über eine Nacht hinaus zu Hause zu belassen und sich von ihnen zu verabschieden. Es kommt dies aus einem Hygieneverständnis, das Anfang des Jahrhunderts entstanden ist, wo Hygiene ganz wichtig war, weil wir ein neues Hygieneverständnis gehabt haben. Als Arzt kann ich sagen, dass es nicht wirklich notwendig ist, dass die Anverwandten Gestorbene sofort in die Leichenhalle geben. Ich glaube nicht nur aus buddhistischer, sondern aus psychologischer und aus menschlicher Sicht, es wäre schön, wenn sich diejenigen, die es wollen, von ihren Verwandten zwei oder drei Tage verabschieden könnten. Ich selbst habe es mit meinem Vater erlebt, wo das in Wien dann doch ausnahmsweise möglich war. Es war wunderschön, sich wenigstens über 24 Stunden zu verabschieden - und das wäre ein großen Anliegen auch an den Konvent vielleicht aufzunehmen, dass hier die Gesetze etwas geändert werden. Danke schön.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke Herr Dr. Riedl. Ich bitte nun Herrn Max Nemec, Mitglied des Kirchenrates der Kirche Jesu Christi um seine Ausführungen.

Max Nemec: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Namen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage bedanke ich mich auch hier, dass wir unser Anliegen vorbringen dürfen.

Wir haben aus einer Vielfalt vier Bereiche herausgefasst, herausgenommen. Der erste Bereich ist, dass die Bestimmungen des Bundesverfassungsgesetzes, erstes Hauptstück allgemeine Bestimmungen, im besonderen Artikel 7/1, dass Vorrechte im Staat durch das Glaubensbekenntnis ausgeschlossen sind, aufrecht zu erhalten sind. Des Weiteren, dass das Staatsgrundgesetz Artikel 12 bis 17 ebenfalls hier aufrecht zu erhalten ist.

Punkt zwei. Dass sich Österreich als Gemeinwesen zu den Werten der vollständigen Glaubensfreiheit und deren Ausübung bekennt unter Berücksichtigung aller religiösen Gemeinschaften, auch jener, welche hehre Ziele verfolgen und heute nicht anwesend sind. Drittens. Die Bewahrung der weitgehenden Arbeitsfreiheit des Sonntags. Viertens Bestimmungen über Familie und Ehe. Die Ehe zwischen Mann und Frau ist von Gott verordnet. Das Kind hat ein Recht darauf, im Bund der Ehe geboren zu werden und in der Obhut eines Vaters und einer Mutter aufzuwachsen, die den Ehebund in völliger Treue halten.

Vater und Mutter müssen einander in ihren Aufgaben als gleichwertige Partner zur Seite stehen. Alle gesellschaftlichen und gesetzlichen Voraussetzungen sind darauf auszurichten. Ungeachtet dessen dürfen uneheliche Kinder in keiner Weise diskriminiert oder benachteiligt werden. Alle Maßnahmen sind zu fördern, die darauf ausgerichtet sind, die Familie als Grundeinheit der Gesellschaft zu bewahren und zu stärken. Wir warnen davor, dass der zunehmende Zerfall der Familien Unheil über die einzelnen Menschen, die Gemeinwesen und die Nationen bringen wird.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke vielmals, Herr Nemec. Zu Ihrer Information darf ich Ihnen mitteilen, dass Herr Dr. Walter Hessl von der neuapostolischen Kirche, den wir auch um sein Wort gebeten haben, bereits am Vormittag seine Erklärung abgegeben hat. Wir haben damit das Hearing, die Anhörung der Vertreter der Kirchen und der Religionsgemeinschaften abgeschlossen. Ich bedanke mich bei der Hohen Geistlichkeit, bei Frau Bagajati, bei den Vertretern der Religionsgemeinschaften, sehr herzlich für ihre Worte, für ihre Stellungnahmen. Auch für die zur Verfügungstellung der schriftlichen Stellungnahmen aus dem ökumenischen Rat und aus der israelitischen Kultusgemeinde. Sie können versichert sein, dass wir nicht nur im Anschluss an alle Erklärungen heute sehr gerne mit Ihnen darüber diskutieren und den Dialog führen, sondern auch in unseren Arbeitsausschüssen ihre Worte und Ihre Erklärungen sehr ernst nehmen werden. Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihr Kommen.

Ich gehe und leite über zu den Erklärungen und Stellungnahmen aus dem Bereich der Volksgruppen und darf Sie darüber informieren, meine sehr geehrten Damen und Herren des Konvents, dass Herr Martin Ivancsics für mehrere Volksgruppen das Kontingent der Zeit übernommen hat. Daher wird er 20 Minuten sprechen und im Anschluss daran werden die Vertreter anderer Volksgruppen ihre Wortmeldung abgeben.

Ich darf Herrn Martin Ivancsics um seine Erklärung bitten.

Martin Ivancsics: Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Die Diskussion über die Reform der Verfassung fordert natürlich besonders jene Gruppen auf, sich in diese Diskussion einzuklinken, die eines besonderen Schutzes oder einer besonderen Förderung durch unsere Gesellschaft bedürfen, durch unser Staatswesen auch wünschen. Die Volksgruppen zählen zu diesen Menschen und diesen Gruppen unserer Gesellschaft, und daher sind wir sehr dankbar, dass Sie uns hier und heute die Gelegenheit geben, einmal unsere Standpunkte und unsere Wünsche und Forderungen zu deponieren und auch unsere Überlegungen, wie sich hier aus der Sicht der Verfassung ein Volksgruppenrecht gestalten könnte.

Ich bin Vertreter der größten österreichischen Volksgruppe, nämlich der burgenländischen Kroaten, ich werde aber nicht nur aus dem Blickwinkel meiner Volksgruppe sprechen, sondern auch aus der Sicht der österreichischen Roma und auch der Slowaken in Österreich, die mich beide ersucht haben, ihre Wortmeldungen hier wahrzunehmen.

Mir ist bewusst, dass der Konvent eine sehr ehrgeizige Aufgabe übernommen hat und dass es bei der Diskussion der Verfassung im Wesentlichen um grundsätzliche Regelungen und grundsätzliche Positionen und Festlegungen geht, aber – und ich glaube, das werden Sie verstehen – gerade, wenn es um die Interessen solcher Gruppen geht, wird es unvermeidlich sein, auch näher ins Detail zu gehen, näher in Sachen einzusteigen, die nicht unmittelbar mit der Verfassung zusammenhängen, aber doch durch die Verfassung entscheidend und wesentlich beeinflusst werden, nämlich die Umsetzung all jener Rechte und Möglichkeiten, die man den Volksgruppen in Österreich einräumen möchte.

Wir leben heute in einer der wichtigsten Phasen der europäischen Entwicklung und stehen kurz vor der Erweiterung der Europäischen Union um zehn neue Mitgliedsländer. Neben allen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekten rückt damit aber auch eine Frage in den Mittelpunkt, die bisher weniger im Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Menschen verankert war, dass nämlich zusätzliche Sprachkenntnisse durch diese Erweiterung eine verstärkte Bedeutung erhalten. Die Wirtschaft verlangt von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zusätzliche Kompetenzen, zusätzliche Qualifikationen und vor allem auch zusätzliche Sprachkenntnisse. – Damit eröffnen sich auch neue Möglichkeiten, und gerade in den neuen Mitgliedsländern bietet sich die österreichische Wirtschaft auch als sehr wichtiger Partner an.

Als Burgenländer erlebe ich diese Tatsache immer wieder in der unmittelbaren Begegnung mit den Nachbarn, mit den zukünftigen Partnerländern, und es wird auch dort immer wieder sehr geschätzt, wie sehr Sprachkompetenz auch neue Beziehungen aufzubauen und Hindernisse viel früher zu beseitigen hilft. Der Wert der Sprachkenntnisse steigt also allgemein, und er wird dadurch noch verstärkt, wenn es sich um Sprachen handelt, die in den neuen Mitgliedsländern gesprochen werden und die nicht von jedem anderen auch beherrscht werden.

Es werden mit der Erweiterung der Union vier Sprachen der österreichischen Volksgruppen auch Amtssprachen der Europäischen Union, nämlich Ungarisch, Slowenisch, Tschechisch und Slowakisch. Das möge vielleicht auch ein Licht werfen auf die mögliche Bedeutung der Sprachkompetenzen, die österreichische Staatsbürger als natürliche Sprachkompetenz mitbringen.

In der neuen Union werden fast 8 Millionen Roma leben, also eine gewaltige Zahl, die europaweit nach besonderen Maßnahmen für diese Volksgruppe verlangt. Österreich hat gerade in dieser Frage eine beispielhafte Politik gemacht, und mit der Anerkennung der Roma als Volksgruppe vor zehn Jahren nunmehr auch Pionierarbeit geleistet. Natürlich sind auch in Österreich noch sehr viele Maßnahmen, sehr viele Förderungen für die Roma notwendig, insbesondere was ihre soziale Situation betrifft, insbesondere auch, was die schulische Ausbildung der Roma betrifft. Wir haben im Burgenland durch eine außerschulische Betreuung der Kinder erreicht, dass praktisch kein Roma-Kind mehr als der Durchschnitt in den Sonderschulen gelandet ist – also hier sieht man, dass man durch soziale Maßnahmen, durch sozial ausgerichtete Maßnahmen auch sehr viel im kulturellen und bildungspolitischen Bereich erreichen kann.

Allein dieses Szenario muss für uns also als Aufforderung gelten, der Regelung der Volks-gruppenrechte in einer neu gestalteten oder in einer reformierten Verfassung verstärktes Augenmerk zu schenken, und ich glaube, wir sollten das eben aus einer Position heraus diskutieren, die das nicht als lästige Verpflichtung – nämlich die Erfüllung der Volksgruppen-rechte – sieht, sondern es als Aufgreifen einer Chance unseres Landes betrachten.

Die natürliche Mehrsprachigkeit ist in der Zukunft ein Kapital der gesamten Gesellschaft, das wir pflegen und stärken sollten: Mehr Sprachen sind mehr Chancen für den Einzelnen, aber auch ein sehr veritabler Standortvorteil für die gesamte Region.

Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Das Recht der Volksgruppen in Österreich ist heute auf unzählige gesetzliche Grundlagen verteilt und zersplittert: Völkerrechtliche Verträge wie der Staatsvertrag, Konventionen, Chartas auf europäischer und globaler Ebene schreiben ebenso Minderheitenrechte fest wie Bestimmungen in der Bundesverfassung oder in einfachgesetzlichen Bestimmungen des Bundes und der Länder. Historisch ist diese Zersplitterung verständlich und auch erklärbar, es ist aber eine Tatsache, dass gerade diese Zersplitterung den rechtlichen Klauseln, die dort enthalten sind, vieles von ihrer praktischen Wirksamkeit nimmt. Noch dazu sind die Rechte und die Möglichkeiten für die einzelnen Volksgruppen sehr unterschiedlich ausgeprägt: Während beispielsweise die Kroaten und die Slowenen einen wesentlich stärkeren Rückhalt in den Gesetzen genießen als die Tschechen, Slowaken und Roma beziehungsweise die Ungarn, haben andere Volksgruppen überhaupt noch keine Anerkennung erfahren.

Ich möchte daher an erster Stelle unserer Vorschläge und Forderungen an den Österreich-Konvent, an den Verfassungskonvent eine einheitliche Regelung für alle Volksgruppen stellen: Das ist unsere wichtigste Forderung, denn es muss vermieden werden, dass wir auch in Zukunft im Bereich der Volksgruppen eine Zwei- oder Drei-Klassen-Gesellschaft haben.

Zum Zweiten muss es nach unseren Vorstellungen auch eine klar definierte Zielsetzung, aber auch Verpflichtung der Republik geben, die den Schutz und die Förderung der Volksgruppen und ihrer Sprachen sicherstellt. Die derzeit geltende Staatszielbestimmung ist ein sehr guter Ansatz für diese Zielrichtung, sie muss aber mit wesentlich konkreterer Wirkung auf die weitere Gesetzgebung und Regelungsbefugnisse des Staates ausgestattet werden.

Es sollte also eine Kodifizierung des Volksgruppenrechtes mit den von mir formulierten Zielen eines der Ergebnisse der Beratungen des Konvents sein.

Dazu gehört auch eine grundlegende Reform des Verfahrens zur Anerkennung von Volksgruppen. – Derzeit wird die Anerkennung durch eine Verordnung der Bundesregierung nach vorheriger Beschlussfassung durch den Verfassungsausschuss vollzogen, das führt oft zu unverständlich unterschiedlichen Regelungen: Die Slowaken, die Tschechen sind als Volksgruppe anerkannt, die österreichischen Polen, die seit Generationen in unserem Land leben, Staatsbürger sind, seit mehr als 100 Jahren Vereine und Organisationen betreiben, sich auch kulturell, politisch, gesellschaftlich in unseren Staat einbringen, denen bleibt die Anerkennung versagt.

Wir verlangen daher, dass auch hier eine eindeutig objektivierbare Regelung Platz greift und eingeführt wird, die nämlich Kriterien erfasst, und dann durch eine unabhängige Instanz eine Anerkennung zu bewerten ist oder eben nicht. Die Abhängigkeit vom politischen Willen der jeweiligen Mehrheiten im Nationalrat lässt dieses objektivierbare Verfahren derzeit nicht zu, daher sollten wir es im Sinne der Gerechtigkeit und der Gleichbehandlung verändern und verbessern.

Ich gehe davon aus, dass sich das gesellschaftliche und auch das politische Bewusstsein in unserem Land unter dem Eindruck der europäischen Entwicklung doch grundlegend in die Richtung verbessert, dass Volksgruppenrechte eben nicht als Belastung und Behinderung des Staates gesehen werden, sondern wegen der Vielfalt der Sprachen und Kulturen als Chance und als Startvorteil gesehen und gelebt werden.

Die Vorsitzenden und die stellvertretenden Vorsitzenden der Beiräte der sechs in Österreich anerkannten Volksgruppen haben im Jahr 1997 ein Memorandum verfasst und dort ihre Vorstellungen, Forderungen und Wünsche nach Regelungen durch den Staat formuliert. Wir haben damals dieses Memorandum der Bundesregierung und auch den Klubvorsitzenden im Parlament überreicht, und ich werde mir erlauben, Ihnen, Frau Vorsitzende, im Anschluss eine Ausfertigung dieses Memorandums für die weiteren Beratungen zu übergeben.

Einige Punkte aus diesem Memorandum konnten mittlerweile einer zufrieden stellenden Lösung näher gebracht werden. In vielen anderen Punkten aber besteht unserer Meinung nach noch sehr viel Bedarf an modernen und wirkungsvollen Regelungen.

Eine davon betrifft auch die Vertretung der Volksgruppen selbst, nämlich die Stärkung der Position der Volksgruppenbeiräte. Sie stehen derzeit im Status eines beratenden und empfehlenden Organs, haben aber beispielsweise keinen Anspruch darauf, bei beabsichtigten Neuregelungen der Gesetze oder in der Verwaltung gehört zu werden. Dabei kann es oft auch um elementare Anliegen der Volksgruppen gehen, wie zum Beispiel Veränderungen im Bildungswesen, in der Behördenstruktur und vielen anderen Fragen.

Es sollte daher zumindest ein verbindliches Anhörungsrecht für die Volksgruppenbeiräte festgeschrieben werden.

Es sollte auch festgeschrieben werden, dass die Beiräte – oder die Volksgruppen – eine gemeinsame Vertretung, die auch mit entsprechender Kompetenz ausgestattet wird, bilden können. Derzeit vertritt jeder Beirat seine Volksgruppe, aber die Konferenz der Beiratsvorsitzenden beispielsweise ist ein Gremium, das außerhalb der Gesetze gebildet wurde und dem auch aus der Sicht einer gesetzlichen Betrachtung keinerlei Kompetenz und keinerlei Wertigkeit zukommt.

Unser Vorschlag und unsere Forderung ist daher, dass eben diese Konferenz der Vorsitzenden und ihrer Stellvertreter ebenfalls auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird.

Meine Damen und Herren! Mir ist bewusst, dass ich mit einigen meiner Ausführungen – wie ich schon anfangs angedeutet habe – auch in Bereiche komme, die nicht direkt in der Verfassung ihren Platz haben. Es ist mir jedoch ein Anliegen, Ihnen darzustellen, dass von der grundsätzlichen Gestaltung gesetzlicher Bestimmungen sehr viel auch hineinwirkt und abhängt, wie es dann in der praktischen Ausführung und in den ausführenden Regelungen eben aussieht.

Ein sehr gutes Beispiel dafür ist das Bildungswesen. Wir haben heute in den Minderheitenschulgesetzen für das Burgenland und für Kärnten eine recht umfassende Sicherung des Bildungsangebotes für die Ausbildung in burgenland-kroatisch, ungarisch und auch slowenisch. Es bestehen auch sehr zaghafte Ansätze für die Unterrichtung der Sprache der Roma. Bei uns im Burgenland gab es und gibt es einen Versuch auch in den Schulen, Roman als Unterrichtssprache einzuführen.

Es besteht aber derzeit keinerlei Regelung und keinerlei Anspruch in Richtung öffentliches Schulwesen für die Tschechen und für die Slowaken. Ganz im Gegenteil: Während wir erfreulicherweise internationale Schulen unterstützen, den Unterricht in Fremdsprachen fördern, müssen die Tschechen und mit ihnen gemeinsam die Slowaken hier in Wien eine Privatschule betreiben. Sie opfern dafür sehr viele private Mittel und auch die Mittel aus der Volksgruppenförderung, um diese Schule zu erhalten. Sie verzichten damit auf dringend notwendige Mittel für kulturelle und andere Aktivitäten, die dem Erhalt der Sprache und der Kultur dienen sollten. Die Funktionäre des Schulvereines der Komensky-Schule gehen dabei auch große private Risken ein, weil sie mit ihrem privaten Vermögen – nachdem es als Verein organisiert ist – auch für die Schule haften.

Sie werden mir sicherlich Recht geben, wenn ich diesen Zustand als unhaltbar bezeichne und eine stärkere Beteiligung der öffentlichen Hand, des Bundes und des Landes Wien an der Erhaltung dieser Schule einfordere.

Es laufen bereits Gespräche mit der Stadt Wien, und es sieht so aus, dass es hier doch zu einer Bereitschaft der Stadt Wien kommt, hier unterstützend einzugreifen. Und ich hoffe doch auch, dass der Bund hier den Wert dieser Einrichtung und die Notwendigkeit einer Förderung anerkennt.

Es leben in Wien und in anderen Ballungszentren beträchtliche Teile der österreichischen Volksgruppen. Hier in Wien leben Kroaten, Ungarn, Roma, und auch für sie gibt es keinerlei Regelung und keinerlei Möglichkeit, den Unterricht ihrer Kinder in der Volksgruppensprache zu konsumieren.

Ich glaube daher, dass es auch hier Gespräche geben sollte, nicht neue Bildungseinrichtungen zu schaffen, aber in bestehenden Bildungseinrichtungen Angebote einzurichten, die eben auch eine Pflege dieser Sprachen und das Erlernen dieser Sprachen möglich machen.

Es geht hier darum, dass wir Chancengleichheit herstellen und dass wir der Mobilität der Menschen in unserem Lande auch Rechnung tragen, denn es besteht halt dieses Territorial-Prinzip aus einer Zeit, wo es eben diese Mobilität nicht gab. Heute sind die Menschen mobil und daher auch in den Ballungszentren verstärkt vertreten.

Eine ganz wesentliche Notwendigkeit zur Erhaltung von Sprache und Kultur ist auch die Vorschulbildung. Auch hier haben wir äußerst unterschiedliche bis gar keine Regelungen. Das burgenländische Kindergartengesetz sichert und garantiert die Betreuung der Kinder in den Volksgruppensprachen. Das ist gesetzlich geregelt und auch organisatorisch und finanziell, personell abgesichert.

Die Kärntner Slowenen hingegen müssen bisher in erster Linie auf die Gründung von Privatkindergärten, von zweisprachigen Privatkindergärten, zurückgreifen.

Und wenn ich ein anderes Beispiel nehme: In der Steiermark, wo nach dem Staatsvertrag die dort lebenden Slowenen ebenfalls Anspruch auf Schutz und Förderung haben, wird diese Verpflichtung ignoriert und negiert. Da gibt es überhaupt nichts. Ich glaube, dass in einer Zeit wie heute, in einer Entwicklung, wie wir sie heute erleben, das eigentlich überhaupt kein Diskussionspunkt sein sollte.

Ich möchte abschließend auch noch auf ein Problem hinweisen, das uns im Burgenland sehr berührt, weil wir im Burgenland auch sehr viele Maßnahmen für die Volksgruppen auch praktisch durchführen: Volksgruppenangelegenheiten sind Sache und Kompetenz des Bundes. Es kommen auch die Grundsatzgesetzgebung, die Verpflichtungen, die Österreich eingegangen ist, aufgrund bundesgesetzlicher Regelungen hinzu.

Auszuführen haben viele dieser Maßnahmen – wie zum Beispiel das zweisprachige Schulwesen, wie zum Beispiel die zweisprachigen Kindergärten, wie zum Beispiel die Möglichkeit der zusätzlichen Amtssprache – Länder und Gemeinden. Und es entstehen insbesondere den Gemeinden zusätzliche Kosten: Zusätzlicher Klassenraum, zusätzliche Aufwendungen für zweisprachigen Unterricht, zusätzliche Materialien und Personalaufwendungen für die Amtssprache. Nur sie werden bei der Ausführung dieser Aufgaben, bei der Erfüllung dieser Aufgaben allein gelassen und bleiben auch mit den finanziellen Belastungen allein.

Ich glaube, dass auch hier eine vernünftige Lösung gefunden werden müsste, wo der Bund nicht nur seine gesetzgeberische Verpflichtung erfüllt, sondern auch begleitend die finanziellen Ressourcen bereitstellt.

Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten, aber auch in der Zukunft sehr viel über Volksgruppen zu diskutieren haben, und ich glaube, es wird sich auch das Bewusstsein verbreiten, dass eben Volksgruppen eine Bereicherung sind, eine Chance sind, ein Startvorteil für die gesamte Region. Wir werden diese Erkenntnis zum Durchbruch bringen, weil eben die Praxis und die Erfordernisse einer europäischen Entwicklung das auch unter Beweis stellen werden.

Als burgenländischer Kroate möchte ich das so ausdrücken – und es ist mir ein Bedürfnis, das natürlich auch in meiner Sprache zu sagen -: ja nam svim željim da svi skupa najdemo riješenja, da budu naše narodne grupe imale mogućnosti biti mosti u novoj Europi. Ich wünsche uns allen, dass durch die Beratungen des Österreich-Konvents unsere Volksgruppen auch wirklich jene Möglichkeit bekommen, ihre Aufgabe zu erfüllen, die sie als österreichische Staatsbürger sehen, nämlich als Brücken für unser Land in einem neuen Europa zu fungieren.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Vielen Dank, Herr Ivancsics. Darf ich als nächsten Herrn Ernst Kulmann um seine Worte bitten – er vertritt die ungarische Volksgruppe. – Bitte.

Ernst Kulmann: Frau Präsidentin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Über die allgemeinen Fragen haben wir eine Einigkeit erzielt zwischen den Volksgruppen. Ich habe mir aber doch 2 Minuten vorbehalten, um Ihnen die Situation der ungarischen Volksgruppe nicht nur in Wien, sondern auch im Burgenland darzulegen.

Und hier bleibt im Prinzip nur ein einziger Punkt zurück, nämlich die Frage der Förderungsmittel seitens des Bundes. Hier fühlt sich die gesamte ungarische Volksgruppe durch das Bundeskanzleramt derart benachteiligt, dass wir Gefahr laufen, dass es in kürzester Zeit die ungarische Volksgruppe – ich sage es absichtlich – nicht geben wird, denn, ich glaube, es soll auch der Sinn und Zweck der Verfassung sein, dass hier alle Volksgruppen gleich behandelt werden.

Und ich möchte daher den Österreich-Konvent bitten, alle verfassungsrechtlichen Vorschriften zu schaffen, welche die Gleichbehandlung der Volksgruppen sichert.

Ich möchte, wenn es mir die Zeit erlaubt, auf zwei Dinge zurückkommen, nämlich die Förderungsmittel werden ohne Kriterien des Bundeskanzleramtes vergeben und dieses Fehlen der Kriterien wurde auch vom beratenden Ausschuss des Europäischen Parlaments für Minderheitssprachen eigentlich festgehalten und in der Entgegnung des Bundeskanzleramtes wurde auf diese Frage überhaupt nicht eingegangen.

Ich bitte daher den Österreich-Konvent, alles zu unternehmen, dass auch in dieser Hinsicht die verfassungsrechtlichen Vorschriften gewährleistet werden. Und ich darf Ihnen abschließend ebenfalls ein Memorandum der ungarischen Volksgruppe über die Volksgruppenförderung überreichen. Ihnen, sehr geehrte Frau Präsidentin und den Präsidenten des Österreich-Konvent. Bitte schön.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke vielmals.

Darf ich Herrn Ing. Karl Hanzl um seine Worte bitten. Er vertritt die tschechische Volksgruppe. Bitte.

Ing. Karl Hanzl: Vazena pani predsedkyne, vazene damy, vazeni panove. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, im Namen der tschechischen Volksgruppe nur eine Frage noch einmal darzustellen, die bereits Martin Ivancsics wunderbar präsentiert hat.

Die Tschechen wenden sich an den österreichischen Staat in der Geschichte sehr, sehr selten. Wir versuchen, viele unserer Probleme intern zu lösen. Es gibt aber Fragen, die einfach auch für eine Volksgruppe nicht lösbar sind.

Dazu gehört vor allem das Schulwesen. Die ältesten Vereine Wiens sind vor 140 Jahren gegründet worden, blicken auch auf so eine lange Geschichte zurück und genau so lange und wundervoll ist auch die Geschichte des Schulwesens in Wien.

Wenn ich das bildlich darstelle, dann hat mein Großvater erlebt, wie um die Jahrhundertwende und, etwas später - 1910 -, die tschechischen Schulen in Wien zugenagelt wurden. Es hat meine Mutter und mein Vater erlebt, wie vor dem und im Rahmen des zweiten Weltkrieges die Schulen enteignet und zugesperrt wurden. Meine Generation hat nach dem Weltkrieg erlebt, dass die Schulen nacheinander verkauft werden mussten, damit wir es uns leisten können, überhaupt ein Schulwesen zu halten. Und wir waren vor zehn Jahren an einem Punkt angelangt, wo im Endeffekt es wirklich am totalen Zusperren war.

Auf die damalige Anfrage bei einer österreichischen Institution und auch bei österreichischen Politikern um Unterstützung erhielten wir die Antwort: Leute, so lang eure Schule nur mehr 120 Kinder hat, ist die Tendenz, dass es die Schule nicht mehr gibt, wesentlich größer als die Chance auf Weiterbestand.

Wir haben in den letzten zehn Jahren es geschafft, weil wir diese Antwort nachvollziehbar gefunden haben, uns vor allem selbst zu helfen, und durch verschiedenste Maßnahmen und enormen persönlichen Einsatz diese Zahl von 120 Kindern auf 360 Kinder zu verdreifachen. Die Schule platzt aus allen Nähten und wir werden im nächsten Jahr maturieren, nach 60 Jahren Unterbrechung.

An dieser Stelle ein großer Dank an die Frau Unterrichtsministerin, die auch hier groß mitgetan hat und mitgewirkt hat, dass diese Matura wieder gelingt.

Aber Faktum bleibt, dass eine Volksgruppe das Schulwesen nicht erhalten kann.

In diesem Falle ist zwar eine Lösung in unseren Staatszielbestimmungen angesagt und niedergeschrieben, aber nie erreicht worden. Das heißt, ich ersuche den Konvent um eine derartig weise Fassung in der neuen Verfassung, die nicht nur Ziele über 100 Jahre versucht zu formulieren, sondern auch dazu etwas bewirkt, dass diese Ziele erreicht werden können. Sonst bleiben die österreichischen Staatsbürger, die tschechisch pflegen wollen und dazu auch die Schule benötigen, im Bereich der Schulbildung und des Schulwesens  Staatsbürger zweiter Klasse. – Herzlichen Dank.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Ing. Hanzl. Ich bitte Herrn Dr. Marjan Sturm um seine Worte. Er vertritt die slowenische Volksgruppe.

Dr. Marjan Sturm: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte einleitend darauf hinweisen, dass die Vorsitzenden und Stellvertreter der Beiräte in Kooperation mit der Abgeordneten Frau  Stoisits diesen Montag eine Beratung mit allen repräsentativen Organisationen der österreichischen Volksgruppen durchgeführt haben, sodass die Meinungen, die wir heute hier wiedergeben, auf einem weitestgehenden Konsens innerhalb der repräsentativen Volksgruppenorganisationen beruhen.

Ich möchte zu der heutigen Diskussion zusammenfassend Folgendes sagen. Wir glauben, dass es um drei Bereiche geht, die der Verfassungskonvent diskutieren sollte. Zum Einen: Es geht hier um die strukturellen Fragen, nämlich der Vereinheitlichung der Gesetzeslage. Wir haben hier eine zersplitterte Gesetzeslage, angefangen vom Staatsgrundgesetz von 1867, dessen Geltung unklar ist, bis hin zum Vertrag von Saint  Germain, zum Staatsvertrag von 1955, der wiederum nur zwei Volksgruppen berücksichtigt, bis hin zur Staatszielbestimmung, die im Jahr 2000 verabschiedet worden ist.

Ich glaube, dass es  darum geht, hier eine Vereinheitlichung vorzunehmen und in einem Grundrechtskatalog neu zu formulieren.

Zweitens: Inhaltlich, glaube ich, geht es darum, dass natürlich alle bisherigen Rechte dort zusammengefasst werden sollten, alle Garantien zusammengefasst werden sollten, wobei auch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes berücksichtigt werden sollte. Man sollte diese Judikatur auch in den Erklärungen bzw. den Erläuterungen festschreiben.

Drittens, glaube ich, geht es darum, dass wir im 21. Jahrhundert auch darüber nachdenken, wie könnte man Volksgruppenrechte modernisieren und der neuen Zeit anpassen.

Es geht hier einerseits darum, dass zum Beispiel der Artikel 7 des Österreichischen Staatsvertrages aufgrund der Entstehungsgeschichte natürlich nicht auf die Kindergärten gedacht hat, auch nicht daran gedacht hat, dass Medien in einer modernen Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen.

Ich glaube, hier ist ein Adaptierungsprozess notwendig ist, und diese Bereiche müssten in einer neuen Kodifizierung berücksichtigt werden.

Es wird von einzelnen Organisationen auch bemängelt, dass Volksgruppenrechte auf der einen Seite Individualrechte sind, dass aber auf der anderen Seite die Durchsetzung dieser Rechte mitunter äußerst schwierig ist (z. B. zweisprachige Ortstafeln). Deswegen fordern einige Organisationen das so genannte Verbandsklagerecht, das heißt, das Recht, dass auch Organisationen sich an den Verfassungsgerichtshof wenden können sollen.

Ich glaube, dass das durchaus ein diskussionswürdiger Punkt ist und ich meine, dass der Konvent darüber ernsthaft diskutieren sollte.

Die vierte Dimension, die mir aber wichtig erscheint, ist tatsächlich die europäische Dimension. Martin Ivancsics hat bereits darauf hingewiesen und ich persönlich möchte dazu Folgendes sagen: Wir alle sind Österreicher, aber wir alle werden uns daran gewöhnen müssen, dass mit der Zeit zu unserer Identität auch noch die europäische Identität hinzukommen wird. Das heißt, wir alle werden eine multiple Identität, eine mehrfache Identität haben.

Und ich glaube, dass es dabei notwendig ist, Vorurteile, die in unseren Köpfen und in unseren fiktiven Rucksäcken vorhanden sind, abzubauen. Universitätsprofessor Larcher hat das so dargestellt. In ethnisch gemischten Gebieten gibt es zwei Mentalitäten: Das so genannte legitimistische Geschichtsverständnis der Mehrheit, die sagt, im Zusammenleben haben wir immer alles Recht gemacht und - auf der anderen Seite - das heroische Geschichtsverständnis von Minderheiten, die sagen, wir waren immer Opfer, wir wurden immer geschlagen. Beide Mentalitäten müssen wir überwinden.

Und ich glaube, dass gerade diese europäische Dimension, die Tatsache, dass vier Volksgruppensprachen europäische Amtssprachen werden, die Tatsache, dass diese Sprachen, die bisher Sprachen der Kultur und der Folklore waren, jetzt auch eine Funktion in der grenzüberschreitenden Kooperation, in der Wirtschaft und in der Verwaltung bekommen werden. Es ist interessant, dass in Slowenien aufgrund ihrer Sprachkompetenz mehr Kärntner arbeiten als Slowenen aus Slowenien in Kärnten.

Also hier ergibt sich eine neue Dimension, eine neue Entwicklung. Und ich glaube, dass man diese Entwicklungen, so weit das möglich ist - ich bin kein Verfassungsjurist -,  auch in einem Verfassungskonvent berücksichtigen sollte. Eine neue Verfassung sollte im Sinne der bereits beschlossenen Staatszielbestimmung berücksichtigen, dass in Österreich eine historisch gewachsene sprachlich kulturelle Vielfalt beheimatet ist  und diese Vielfalt trägt jeder von uns auch in sich. Niemand ist mehr eindimensional in seiner Identität. Durch die europäische Integration wird diese Tendenz noch verstärkt werden. Daraus ergibt sich z.B. die Notwendigkeit über die Sprachenpolitik des Staates nachzudenken, wobei die Volksgruppensprachen eine neue Funktion bekommen werden. In diesem Sinne wünsche ich dem Konvent ein erfolgreiches Wirken und ich darf mich recht herzlich für die Aufmerksamkeit bedanken.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Vielen Dank, Herr Dr. Sturm, Ihnen und den Herren, die zu den Volksgruppen gesprochen haben. Ich bedanke mich auch bei denen, die zwar anwesend sind, aber nicht gesprochen haben, beim Vertreter der slowakischen Volksgruppe und beim Vertreter der Volksgruppe der Roma.

Damit haben wir den Bereich der Volksgruppen in der Anhörung beendet. Wir werden im Anschluss an die noch folgende Anhörung auch darüber diskutieren. Vielen Dank für Ihre Beiträge in mündlicher und in schriftlicher Form.

Ich darf überleiten zu den beiden Vertretern der Menschenrechtsorganisationen und Herrn Univ. Prof. Dr. Hannes Tretter bitten, von der Liga der Menschenrechte seine Erklärung abzugeben. Bitte!

Dr. Hannes Tretter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf im Namen der österreichischen Liga für Menschenrechte eine Reihe von Anregungen und Vorschläge an den Österreich-Konvent übermitteln, die auch schriftlich vorbereitet sind, und die ich gleich vorlegen möchte. Danke schön.

Österreich hat eine Reihe, was heißt eine Reihe, eine Vielzahl der internationalen und europäischen Menschenrechtskonventionen unterzeichnet und ratifiziert. Allerdings nicht alle in der nach der Auffassung der Liga gebotenen Form auf verfassungsrechtlicher Ebene. Sehr viele Konventionen sind auf einfacher gesetzlicher Ebene in die österreichische Rechtsordnung aufgenommen worden. Einzelne sind, mit speziellen Verfassungsbestimmungen, speziell transformiert worden. Beispielhaft ist die europäische Menschenrechtskonvention zur Gänze im Verfassungsrang in die österreichische Rechtsordnung integriert worden. Wir schlagen vor, zu überlegen die spezielle Transformation einer Reihe internationaler und europäischer Menschenrechtsübereinkommen, eine genaue Analyse, welche Bestimmungen speziell transformiert werden sollten, um den völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs, die mit der Ratifizierung dieser Konventionen übernommen wurden, auch innerstaatlich besser Genüge zu tun. Dazu zählt die europäische Datenschutzkonvention, das europäische Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, auch die UNO-Rassendiskriminierungskonvention, auch wenn es ein Spezial-BVG dazu bereits gibt, die UNO-Frauenrechtekonvention und insbesondere auch die UNO-Kinderrechte-Konvention. Auch an eine Implementierung und Orientierung, wie es der Österreich-Konvent hier plant, der Europäischen Grundrechtecharta kann gedacht werden.

Der zweite Punkt betrifft, wie heute auch schon angesprochen, die Implementierung und die Frage der verfassungsrechtlichen Gewährleistung sozialer und wirtschaftlicher Rechte, wobei sich immer wieder in der Diskussion, auch der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, die Frage nach ihrer Durchsetzbarkeit stellt. Maßgabe für die Beurteilung und für die Überlegungen, welche sozialen und wirtschaftlichen Rechte für eine Implementierung in Frage kommen, sind zweifellos die europäische Sozialcharta und der UNO-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die in Österreich mit Durchführungsvorbehalt auf einfach-gesetzlicher Ebene transformiert sind.

Ich darf mir erlauben zu sagen, dass mich die Diskussion und die Infragestellung, wieweit soziale Grundrechte justiziabel sind, immer wieder sehr verwundert hat. Hat doch Österreich, genauso wie viele andere europäische Staaten ein wohl geknüpftes, oft sehr dichtes soziales Netz, dass sich in subjektiven Rechtsansprüchen im Arbeits- und Sozialrecht niederschlägt. Und so betrachtet scheint es mir durchaus möglich zu sein, zentrale, elementare Bestimmungen dieser menschenrechtlichen Konventionen auch auf verfassungsrechtlicher Ebene durchsetzbar vorzusehen. Natürlich gibt es einige soziale, wirtschaftliche Rechte, die in einer marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft, Wirtschaft, nicht leicht oder vielleicht gar nicht durchsetzbar sind, etwa das Recht auf Arbeit. Jedoch kann ich mir hier ohne weiteres vorstellen, dass durch die Einräumung prozessualer Garantien, durch quasi vorgelagerte oder in engem rechtlichen Zusammenhang stehende andere Ansprüche auch gleichsam flankierend ein Schutz zentraler, sozialer Grundrechte möglich ist.

Ein Beispiel: das Recht auf Arbeit quasi flankierend mit abzusichern in einem Vorfeld durch einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Zugang zum staatlichen Arbeitsmarktservice, mit der Verpflichtung des Staates eine solche Dienstleistung der Gesellschaft jederzeit zur Verfügung zu stellen.

Befürchtungen, dass der Verfassungsgerichtshof hier nicht imstande sein könnte, entsprechend zu entscheiden oder ihm mehr oder weniger hier noch mehr die Funktion eines Quasi-Gesetzgebers zugespielt wird, möchte ich mit dem Argument begegnen, dass in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes der Ermessensspielraum, der dem Gesetzgeber zur Verfügung steht, stets ein - und wohltreffliches - Argument gewesen ist, dass in diesem Zusammenhang, glaube ich, Erwähnung finden sollten, um zu zeigen, dass soziale Grundrechte auch unter Beachtung dieses Ermessungsspielraumes durchaus justiziabel erscheinen.

Dritter Punkt, heute schon mehrfach angesprochen, Neukodifikation des Schutzes der Volksgruppen. Ich möchte mich daher hier sehr kurz halten unter Einschluss des europäischen Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten und auch der europäischen Sprachencharta. Ich begrüße sehr Vorschläge, wie sie heute auch schon gekommen sind, für die verfassungsrechtliche Verankerung eines Anerkennungsprozesses für – und nun möchte ich sagen – neue Minderheiten. Das sind nach der Ansicht der Liga Minderheitenangehörige mit österreichischer Staatsangehörigkeit ab der dritten Generation, etwa der dritten Generation, die wohl als ständig ansässig, traditionell ansässig in Österreich angesehen werden können und daher nach Auffassung der Liga durchaus auch den Anspruch haben, zusätzlich zu den autochthonen Minderheiten den Volksgruppenschutz genießen zu können.

Die österreichische Liga für Menschenrechte würde die Verankerung eines Rechts auf Asyl in der Verfassung sehr begrüßen, einschließlich auch bestimmter zentraler, materieller Rechte der Genfer Flüchtlingskonvention, wie zum Beispiel des Rechts auf Versorgung der Flüchtlinge. Ich glaube, gerade in der heutigen Zeit, ein durchaus brisantes Thema. Die Liga spricht sich auch für Überlegungen aus, ein nach der Aufenthaltsdauer gestaffeltes Wahlrecht für Ausländer auf insbesondere Gemeinde- und Landes-, aber vielleicht auch auf Bundesebene einzuführen. Zentral scheint der Liga auch die Verankerung des 12. Zusatzprotokolls zur europäischen Menschenrechtskonvention eines allgemeinen Rechts auf Nicht-Diskriminierung, auf Gleichbehandlung zu sein. Der Ratifizierungsprozess in Österreich ist noch nicht abgeschlossen. Die Liga plädiert für eine verfassungsrechtliche Verankerung dieses 12. Zusatzprotokolls. Unterschiede zwischen Staatsangehörigen und Ausländern können nach unserer Auffassung durchaus über das Argument der sachlichen Rechtfertigung vorgenommen werden.

Die Ausführungen bisher betreffen die Neukodifizierung der Grundrechte, Vorschläge zu einer Erweiterung des materiellen Grundrechtsbestandes.

Nun noch ein paar kurze Anmerkungen, Anregungen zur Verbesserung des Grundrechtsschutzes. Die österreichische Liga spricht sich für die verfassungsrechtliche Ansiedelung eines neu organisierten, neu strukturierten Menschenrechtsbeirates beim Nationalrat aus. Der Menschenrechtsbeirat, der nur dem Nationalrat verantwortlich sein soll und im Sinne des zweiten Fakultativ-Protokolls zur UNO-Konvention gegen Folter, von Österreich auch ratifiziert, so gestaltet sein soll, dass dieser Menschenrechtsbeirat die Anhaltung von Menschen durch Sicherheitsorgane, aber auch im Bereich der Justiz, aber auch durch sonst ermächtigte Organe, Institutionen und Personen überwachen, überprüfen und präventiv begleiten soll. Denken Sie etwa an die Anhaltung von Personen beim Heer, in Krankenhäusern, in psychiatrischen Anstalten, in Altenheimen, ja auch in Jugendheimen, Stichwort wäre hier, Personen zu schützen, die sich in besonderen Rechtsverhältnissen beziehungsweise besonderen Gewaltverhältnissen befinden. Und Erfahrungen der Menschenrechtskommissionen – ich bin auch ein Mitglied einer Menschenrechtskommission –, des Beirates, haben gezeigt, dass etwa in privaten Flüchtlingsheimen mit den dort untergebrachten ausländischen Menschen in einer unmenschlichen, unwürdigen Art und Weise verfahren wird, so dass wir uns wünschen würden, wenn wir die Kompetenz erhielten, auch diese Missstände aufzeigen zu können. Ein beim Nationalrat angesiedelter Menschenrechtsbeirat sollte auch die Aufgabe bekommen, dem Nationalrat wie dem Bundesrat, aber auch Bundesregierung und Bundesministerien in menschenrechtlichen Angelegenheiten auf Anfrage zu beraten, aber auch selbständig Vorschläge zu erstatten, Berichte vorzulegen, Gutachten zu verfassen. Ein umfassendes Einsichts- und Auskunftsrecht bei allen Behörden und ermächtigten Organen im Bereich der persönlichen Gewalt- und Rechtsverhältnisse wäre für eine wirkungsvolle Wahrnehmung dieser Kompetenz essentiell. Auch ein Recht zur Antragstellung auf Normenkontrolle beim Verfassungsgerichtshof sollte vorgesehen werden. Darauf komme ich dann gleich nochmals zurück.

Nächster Punkt: Es ist eine alte Diskussion, ob der Verfassungsgerichtshof zuständig gemacht werden soll, auch Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichteshofes auf Grundrechtskonformität zu überprüfen, so wie in anderen Staaten auch.

Die Liga spricht sich nunmehr dagegen aus, aber möchte alternativ den Vorschlag machen und die Überlegung in den Raum stellen, ob es nicht auch Sinn machen würde, insbesondere unter dem Aspekt eines kürzeren Verfahrens, Verwaltungsgerichtshof und Obersten Gerichtshof zu Grundrechtsgerichtshöfen zu machen, die jeweils für die sonstigen Zuständigkeiten auch die Aufgabe erhalten, die Grundrechte zu wahren, was unserer Auffassung nach eine entsprechende organisatorische und auch personelle und ausbildungsmäßige Vorbereitung der beiden Gerichtshöfe auf diese Aufgabe notwendig machen würde.

Dadurch käme es zu einer Entlastung des Verfassungsgerichtshofes, dessen Normkontrollfunktion im Gegenzug ausgeweitet werden sollte. Durch ein individuelles Antragsrecht auf Normenkontrolle nach Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes oder des Obersten Gerichtshofes, wenn die Verfassungswidrigkeit der präjudiziellen Bestimmungen in Verfahren vor dem OGH und dem VfGH behauptet wird, durchaus verknüpft mit der Möglichkeit einer Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof im Falle der Aussichtslosigkeit oder im Fall des Umstandes, dass die Rechtsfrage ausjudiziert ist.

Eine Normenprüfungskompetenz sollte der Verfassungsgerichtshof erhalten auch auf Antrag des Menschenrechtsbeirates und vielleicht ein bisschen ein visionärer Vorschlag, zu überlegen, ob es nicht auch durchaus im Sinne eines effizienten Grundrechtsschutzes Sinn machen würde, dem Verfassungsgerichtshof eine präventive Normenkontrolle einzuräumen. Ich halte es oft für sehr unerträglich, dass, weil es politisch opportun ist, weil es geschwind gehen muss, Gesetze in Kraft gesetzt werden, bei denen die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Grundrechtskonformität nicht wirklich sauber geprüft worden ist und es erst zahlreicher Verfahren bedarf, um den Verfassungsgerichtshof in die Lage zu versetzen, den Gesetzgeber hier insoweit zu korrigieren. Sehr viele Menschenrechtsverletzungen könnten vermieden werden, wenn durch eine präventive Normenkontrolle durch den Verfassungsgerichtshof begegnet werden könnte. Antragsberechtigt etwa ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates oder Bundesrates, aber auch der Menschenrechtsbeirat.

Nächster Punkt: Einführung von Verbandsklagen, Public Interrest Motions auf verfassungsrechtlicher Ebene auch vor den Höchstgerichten und zwar im Interesse von gefährdeten Personengruppen durch nichtstaatliche Organisationen, die sich dem Schutz dieser Gruppen verschrieben haben, um Grundrechtsverletzungen geltend machen zu können, die typisch auftreten und gehäuft auftreten, weil, wie die Erfahrung zeigt, sehr viele Betroffene solcher gefährdeter Gruppen häufig nicht in der Lage sind,  nicht über die finanziellen Mittel verfügen oder bereits außer Landes sind, und daher ihre Rechte nicht entsprechend erstreiten können. Auch eine Verankerung der Möglichkeit, für Interessenvertretung kollektive Rechtsansprüche beziehungsweise objektives Recht durchzusetzen, etwa im Volksgruppenbereich durch Realisierungen des Rechts oder Geltendmachung des Rechts auf topografische Aufschriften, wäre zu überlegen.

Verbesserung des Rechtsschutzes im Bereich von Datenerfassung und Überwachungstechnologien durch die Einrichtung einer Ombuds-Person, die auch die entsprechenden technischen Mittel zur Verfügung gestellt bekommt, präventive und nachprüfende effiziente Kontrolle, vielleicht auch stichprobenweise ausüben zu können. Wissen wir, was mit der Aufbewahrung von Daten bei den Handy-Betreibern passiert? Ich muss gestehen, ich weiß es nicht.

Regeln über Staatshaftung bei Grundrechtsverletzungen in Anlehnung an die EUGH-Rechtsprechung zur Staatshaftung. Eine Tagung der österreichischen Juristenkommission hat kürzlich die Notwendigkeit deutlich gemacht, über diese Frage nachzudenken.

Ich bin sofort, wenn mir noch eine Minute erlaubt ist, am Ende.

Eine zentrale Frage – Umsetzung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Derzeit gibt es nur im staatsrechtlichen Bereich entsprechende Bestimmungen, nicht aber für den zivil- und verwaltungsrechtlichen Bereich. In meinen Augen ein nicht sehr tragbarer Zustand, dass es in Österreich schwierigst ist, in vielen Fällen Urteile des Gerichtshofes für Menschenrechte, in denen jemand gewonnen hat, auch umzusetzen, im Sinne einer Restitutio integrum.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch eine letzte Anregung machen, die für die österreichische Realität sicherlich sehr, sehr weit ist, aber im Sinne des Nachdenkens in die Zukunft, im Sinne der Herausforderungen, die sich durch die Globalisierung stellen und auch durch eine europäische Erfahrung, die wir in der letzten Zeit gemacht haben, nachzudenken über – nämlich auch für den Schutz der Menschenrechte – eine verfassungsgesetzliche Regelung der vierten und fünften Gewalt in Staat und Gesellschaft, nämlich Medien und Wirtschaft im Sinne von Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle vor allem durch die Erlassung von Unvereinbarkeitsbestimmungen und Gefährdungen von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten begegnen zu können. – Vielen Dank.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Professor Trettner.

Ich darf Herrn Mag. Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International bitten.

Mag. Heinz Patzelt: Geehrte verfassungsinteressierte Menschen! Vielleicht statt Kritik an den vielen verwaisten Namenstaferln Bewunderung für die, die es immerhin schaffen, 30 oder 35 Standpunkte an einem Tag zu verdauen, an die relativ wenigen.

Es ist erfreulich, wenn Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty oder die Liga hier eingeladen werden, über die Verfassung, das österreichische Grundgerüst zu sprechen. Menschenrechte sind nicht ein ethisch nebuloses Thema, das so irgendwie über den Staaten schwebt. Menschenrechte sollen Grundlage dessen sein, was die Staaten tun und was andere tun. Ich halte das für ein sehr wertvolles und richtiges Signal.

Lassen Sie mich ein bisschen unsystematisch und rasch – ich möchte Sie nicht zu lange langweilen – einige Punkte ansprechen, ich habe mich mit Herrn Prof. Trettner abgestimmt, Dinge, die wir doppelt erwähnen, erscheinen uns doppelt und dreifach bedeutsam.

Menschenrechtsbeirat in der Weiterentwicklung. Menschenrechtliche Kontrolle ist ein ganz zentrales Element für ein funktionierendes Staatswesen. Wir haben die Gerichte und deren Bedeutung und deren Mandat möge um Gottes Willen unangetastet bleiben. Daneben braucht es aber strukturelle Verbesserungen.

Der Menschenrechtsbeirat hat trotz seines – vorsichtig formuliert – recht inkompletten Mandates beachtliches geleistet bisher. Er stößt an Grenzen, er gehört ausgedehnt auf den Justizbereich, er gehört ausgedehnt auf andere Bereiche, wo Menschen nicht mehr selbstbestimmt leben können, wo Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt sind oder werden müssen. Wir plädieren für eine Anbindung an den Nationalrat, damit Erweiterung der Unabhängigkeit, Ausdehnung auf die Bereiche Justiz, Psychiatrie, Krankenaltenpflege und eine entsprechende Verankerung dort.

Sollte es gelingen, die Volksanwaltschaft, die beachtliches leistet, deren Besetzungsmodus wir aber kritisch gegenüber stehen in ihrer doch sehr engen Anbindung an Parteivorschläge. Sollte es gelingen, diese Volksanwaltschaft umzugestalten in dem, glaube ich, mustergültigen Beispiel der Art und Weise der Schaffung des Rechnungshofes und Wahl ihrer Präsidentin oder ihres Präsidenten, dann können wir uns auch vorstellen, dass man diese beiden Institutionen Volksanwaltschaft neu, Menschenrechtskommission schlussendlich zueinander führt und zu einem umfassenden Schutzorgan macht, einerseits für Einzelfallbeschwerden, das ist die primäre Charakteristik, und der Volksanwaltschaft strukturelle proaktive Analyse, vorhersehbare Fehlervermeidung durch eine Menschenrechtskommission, das wäre sicherlich auch im Sinn einer schlanken Institutionalisierung. Bedingung wäre aber wohl eine Anpassung und Modernisierung der Volksanwaltschaft in ihrer Bestellung.

Ein zweiter wesentlicher Punkt: Asylrecht in die Verfassung. Die Verfassung soll einen Grundrechtskatalog haben, was sehr erfreulich ist. Wir stehen der Idee von Staatszielbestimmungen mehr als nur kritisch gegenüber. Erlauben Sie mir den österreichischen Ausdruck. Staatszielbestimmungen sind ein wenig zum Krenreiben, das, was in den Grundrechtskatalogen -  in den einklagbaren - steht, das ist wirklich Recht, das verwirklicht wird.

Das Asylrecht führt in seinem grundlegenden Gedanken genau dorthin, zumindest der Artikel 1a2 der Genfer Flüchtlingskonvention. Artikel 33 der genauen Beschreibung des Flüchtlingsbegriffes des so genannten Refoulementschutzes, gehören in so einen Grundrechtskatalog hinein. Das würde vielleicht auch helfen. Lassen Sie mich diesen kleinen kritischen Exkurs machen.

Wenn ich mir die Diskussion der vergangenen Monate anschaue, würde vielleicht einigen helfen, Asylrecht als Asylrecht zu begreifen, nicht mehr mit der notwendigen Migrationspolitik zum Unwort Asylpolitik zu vermischen und Asylrecht, von dem ich bisher dachte, dass es, weil es international verankert ist, weil Österreich zu seinen internationalen Verpflichtungen steht, unantastbar ist in Österreich. Leider sehen wir, dass dem nicht so ist, vielleicht würde das manche wieder auf die richtige Bahn zurück bringen. Deswegen ist es wichtig, das Asylrecht in die Verfassung hinein zu nehmen.

Ein nächster Gedanke Menschenrechtsbildung. Hier leistet Österreich beachtliches, vieles passiert aber freiwillig. Ein ernst zu nehmendes Recht auf Bildung, das es in unserer Verfassung gibt und auch zukünftig geben wird, da habe ich keinen Zweifel, gehört um die ganz wichtige Staatsaufgabe, junge Menschen, erwachsene Menschen menschenrechtlich auszubilden erweitert. Ein Gedanke, der dorthinein zu nehmen ist.

Kinderrechtskonvention. Eines der zentralsten menschenrechtlichen Schutzinstrumente in Österreich: Einwandfrei oder fast einwandfrei respektiert, auch das ist ein Bereich, den ich gesondert erwähnen will. Hier gehören die Ideen, die im Artikel 3 der Kinderrechtskonvention verankert sind, wohl in einen Grundrechtskatalog der Verfassung in geeigneter Form transponiert. Das ist nicht eins zu eins wörtlich zu übernehmen, aber die spezifischen besonderen Rechte von Kindern gehören in der Verfassung auch in einem Grundrechtskatalog wieder verankert.

Antidiskriminierung. Das, was gerade zu diesem Thema parlamentarisch und vorparlamentarisch abläuft, ist aus unserer Perspektive leider eine lächerliche Peinlichkeit, was hier an Nichtumsetzung und nicht zukunftsorientierter Umsetzung passiert. Für uns wäre sehr, sehr wesentlich, den Gleichstellungsgedanken, den unsere Verfassung hat und der ein sehr wertvoller und wichtiger ist, grundsätzlich umzudenken von der primären Ausrichtung auf Staatsbürger und Staatsbürgerinnen und EU-Bürger und -Bürgerinnen zu verändern, grundsätzlich den Menschen in den Gleichheitsgedanken hineinzustellen und nur dort, wo das sachlich gerechtfertigt ist - und es gibt ganz sicher Bereiche, wo das so ist -, Staatsbürger und Staatsbürgerinnen als gleichere unter gleichen herauszunehmen und es nicht so zu machen, wie es derzeit ist.

Ein nächster kleiner Gedanke: Medienfreiheit, vielleicht noch stärker und besser abzusichern als es derzeit ist. Im Rahmen der Medienfreiheit möchte ich auf ein Spezifikum hinweisen. Unserer Meinung nach ist ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der nicht nur unabhängig, sondern offensichtlich unabhängig ist, der mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet ist, ein ganz wesentliches, Menschenrechtsbildungs-, aber auch Menschenrechtskontrollorgan.

Wenn ich an eine BBC denke, die höchst kritisch über die britische Beteiligung an einem völkerrechtswidrigen Irak-Krieg berichtet hat, dann ist das ein Punkt, wo ich wirklich auch menschenrechtskritische Arbeit eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks sehe. Das ist etwas, was wir bei allem Respekt vor privaten Rundfunksendern typischerweise nicht von dort bekommen werden. In diesem Sinne bitte darüber nachzudenken, ob das nicht etwas ist, was so grundlegend ist, dass es sich hier in der Verfassung noch klarer widerspiegeln sollte.

Generelle Überlegungen. Eine schlanke, entschlackte Verfassung ist ein guter Anspruch, damit wird sie lesbar, begreifbar und das ist sicher für viele Menschen wichtig, wenn die dabei frei werdenden Energien und Ressourcen dazu genützt werden, Menschenrechtsschutz als zentrale Staatsaufgabe nicht nur grundsätzlich anzuerkennen – wer wird dem schon widersprechen – sondern wirklich klar widerspiegeln, dann wäre das ein wesentlicher Schritt nach vorne.

Wirtschaftliche, soziale, kulturelle Rechte. Hier haben alle, die wir Jus studiert haben, gelernt, dass das so etwas anderes ist als bürgerlich politische Freiheitsrechte. Dass es hier prinzipielle Unterschiede gäbe. Ich bin überzeugt, dass es bei der versammelten Jurisprudenz dieses Konventes möglich sein müsste, diesen traditionellen Unterschied zu überwinden. Wirtschaftliche, soziale, kulturelle Rechte gleichermaßen individuell einforderbar und klar in einem Grundrechtskatalog zu verantworten und nicht irgendwo in Staatszielbestimmungen langsam vor sich hindämmern zu lassen.

Sollte es am Schluss gelingen, diese Rechte auch individuell einklagbar zu stellen, dann wäre das, was diesem Konvent gelungen ist, wirklich ein großer Wurf, der für Europa und für die Welt herzeigbar wäre. Ich bin überzeugt, dass das bei gutem Willen machbar ist. Das liegt daran, die Dinge in dieser Richtung anzupacken, dann wäre auch menschenrechtlich ein wirklich großer Wurf gelungen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, wir stehen Ihnen gerne für Rat und Tat in den Ausschüssen zur Verfügung.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Vielen Dank, Herr Generalsekretär. Wir haben damit die Anhörung beendet und treten in die Diskussion ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Professor Dr. Brauneder. Ich bitte ihn um seine Wortmeldung.

MMag. Dr. Willi Brauneder: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Präsidium! Meine Damen und Herren! Würden die Namenstafeln tatsächlich zur Identifikation dahinter sitzender Personen beitragen, würde ich ein paar Worte mehr verlieren, so kann ich mich etwas kurz fassen vor dieser nahezu seminaristischen Veranstaltung fast nur von Konvent-Mitgliedern.

Dennoch der Dank an die Organisatoren vor allem und eben an alle jene, die uns heute ihre Gedanken nahe gebracht haben. Ich glaube, es hat unseren Horizont doch sehr erweitert.

Was ich etwas näher ausgeführt hätte, was ich aber nicht tun möchte, wäre eben der Hinweis, dass ein bisschen gar zu viel Euphorie im Hinblick auf die Verfassungsgestaltung an sich nicht so ganz am Platz wäre, denn nicht nur der Verfassungstext macht so zusagen die Verfassung im weiteren Sinn, sondern auch das, was man daraus macht.

Weil das Recht auf Bildung zuerst erwähnt worden ist, möchte ich mich nur mit einem Beispiel begnügen. Das soziale Grundrecht auf Bildung oder die Staatszielbestimmung, der Staat möge die Bildung fördern, würde die Bildung sicher nicht fördern oder ist an sich nicht geeignet, das Bildungsniveau zu heben oder ein sinkendes Bildungsniveau, wie etwa in Deutschland, möchte ich hinzufügen, zu verhindern, wenn unterrichtet wird von desillusionierten Lehrern auf Grund verflachter Studienpläne. Verfassung ist nicht alles, das wollte ich mit diesem Beispiel sagen.

Eine Veranstaltung wie diese zeigt natürlich ein Spektrum von Interessen auf. Ein bisschen Unbehagen habe ich allerdings dann, wenn vielleicht die eine oder andere Wortmeldung so ausgelegt oder verstanden werden könnte, dass man große Hoffnungen darin setzt, dass die Interessen der 20-Jährigen nur von 20-Jährigen, von 40-Jährigen nur von 40-Jährigen und so weiter fiktiv bis zu den Hundertjährigen hin vertreten werden könnten.

Eine derartige Sicht der Demokratie vielleicht sogar von diesen Interessen aus zu agieren und zu meinen, nur Männer könnten Männerinteressen vertreten und vice versa, würde meinen Geschmack nicht finden.

Es gibt Beispiele genug aus der Geschichte, dass ein derartiges ständisches Denken, seien es Berufsstände oder andere, jedenfalls ein derartiges Interessendenken letztendlich keinen Erfolg zeitigt. Nicht nur weil es schwierig ist, die Interessen zu definieren, weil es zu einer Gewichtung der Interessen kommt und weil schließlich und endlich dann Interessen gegen Interessen prallen. So meine ich, dass wir doch sehr gut beraten sind, diese Interessenvorschläge als Ratschläge aufzunehmen, nicht aber etwa Vorsorge treffen sollen für Institutionen in der Verfassung. Denn für mich wäre noch immer das höchste Prinzip jenes der repräsentativen Demokratie. Danke schön.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler (übernimmt den Vorsitz): Danke, Herr Professor Brauneder. Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Professor Dr. Bernd-Christian Funk. Ich darf auf die fünf Minuten Redezeitbeschränkung aufmerksam machen. Bitte, Herr Professor.

Dr. Bernd-Christian Funk: Danke Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die meisten Anregungen und Wünsche des heutigen Tages richten sich an die Adresse der Ausschüsse IV (Grundrechtskatalog) und I (Staatsaufgaben und Staatsziele). Ich möchte über grundrechtliche Perspektiven sprechen.

Das Mandat und das Arbeitsprogramm des Ausschusses IV sind groß genug, um all das aufnehmen zu können was heute hier angesprochen wurde.

In der umstrittenen Frage: Spielregel oder inhaltliche Direktive gibt es eine klare Präferenz gegen eine bloße Spielregelverfassung und für inhaltliche Vorgaben in Form von Zielen, Gewährleistungen, institutionellen Garantien und Leistungsrechten.

Bestätigt wurde auch jener umfassende Ansatz, von dem der Ausschuss IV von Anfang an ausgegangen ist. Demnach sollen Grundrechte nicht auf staatsgerichtete Abwehransprüche beschränkt bleiben, sondern Leistungsansprüche in Form von sozialen und wirtschaftlichen Grundrechten einschließen, die durch Verfahrensrechte ergänzt werden. Offenkundig ist der Zusammenhang im Verhältnis von Grundrechten, Staatsaufgaben/Staatszielen und institutionellen Gewährleistungen. Hier gibt es Differenzen sowohl zwischen den beiden zuständigen Ausschüssen als auch innerhalb dieser. Nach meiner Auffassung sollte das Verhältnis von Grundrechten einerseits und Staatsaufgaben/Staatszielen andererseits nicht im Sinne eines Entweder–Oder, sondern im Sinne eines gegenseitig ergänzenden Sowohl–als–Auch gesehen werden. Da wie dort geht es um Staatsverantwortung. Beide Bereiche können miteinander in Einklang gebracht werden.

Zu den Aufgaben des Ausschusses IV gehört es, einen Text für einen Grundrechtskatalog zu erstellen, der gleichermaßen klar, plausibel, leicht lesbar, möglichst vom überzeugenden Pathos der alten Grundrechtsgewährleistungen getragen und außerdem noch juristisch präzise ist.

Der erreichte Grundrechtsbestand soll gesichert, die Texte sollen bereinigt, neue Gewährleistungen geschaffen werden. Zugleich soll die Dynamik der Rechtssprechung erhalten bleiben. Die Aufgabe erinnert an die Quadratur des Kreises, wenn nicht gar an die Kubatur der Kugel – aus mathematischer Sicht sind beide gleichermaßen unlösbar. Der Ausschuss IV steht unter Lösungsdruck. Es sollte möglich sein, Kompromisse zu finden. Jedenfalls werden alle Anregungen und Vorschläge zu beachten sein.

Im Prozedere des Ausschusses IV und des Konvents gibt es strategische Parallelen. Der Konvent hat sich für Vorschläge der Zivilgesellschaft geöffnet. Der Ausschuss IV möchte die Chancen für einen Input von Expertenmeinungen auf eine breite Basis stellen. Mit genereller Billigung des Präsidiums sollen künftig Expertinnen und Experten mit dem Fortgang der Beratungsergebnisse vertraut gemacht und eingeladen werden, sich dazu zu äußern. Das soll formlos nach dem Prinzip des laufenden „Mitlesens“ geschehen. Das Präsidium hat dem Ausschuss dafür grünes Licht gegeben. Leider geht die Autonomie der Ausschüsse nicht so weit, dass auch die Anhörung von Expertinnen und Experten im Parlamentsgebäude ohne weiteres zulässig ist. Bei physischer Präsenz der Eingeladenen in diesem Gebäude ist nach den Regeln der Geschäftsordnung eine individuelle Genehmigung durch das Präsidium erforderlich. Dies gilt auch dann, wenn keine Kosten anfallen. Der Sinn des Genehmigungsvorbehaltes bei kostenfreien Einladungen ist mir nicht klar. Danke schön.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Herr Professor. Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Erster Präsident des Nationalrates Dr. Khol. Bitte, Herr Präsident!

Dr. Andreas Khol: Ja, meine Damen und Herren, die Reihen sind schütterer geworden, aber umso interessierter. Ich bin beeindruckt von den klaren Worten der 12 Kirchen, die einander die Hand gereicht haben und sich abgesprochen haben und ich bin sehr beeindruckt von der Wortmeldung der Vertreterin der moslemischen Glaubensgemeinschaft. Ich glaube, dass das, was von den Religionsvertretern angesprochen wurde, nämlich die Rolle der Würde des Menschen, die Grundwerte, die klaren sieben Staatsziele, dass das Dinge sind, die aus meiner Sicht in einer Präambel verankert werden sollen. Das heißt also, dass wir das Wort von Kelsen in seinem Kommentar aus dem Jahre 1922 berücksichtigen sollten. Der damals gesagt hat, eine Präambel zu dieser Verfassung ist nicht zustande gekommen, weil sie unvollständig ist und weil es eine ganze Reihe von Leuten gegeben hat, die am Staat gezweifelt haben, an der Selbstständigkeit und an der Staatsform. Nachdem wir über diesen Stand der Dinge hinaus sind, das heißt, ich glaube, wir haben heute einen Staat, den alle wollen und zu dem alle stehen und ich glaube gerade, wenn ich Herrn Professor Funk höre, dass wir die Unvollständigkeit der Verfassung, was die Grundrechte betrifft, korrigieren können, dass dann diese Verfassung eine Präambel verdient, so wie es die meisten Verfassungen dieser Welt haben und auch der Europäische Grundrechtsvertrag hat. Ich glaube das, was dort verankert ist, ist zumindest das Minimum dessen, was man anstreben sollte.

Ich glaube, wir sollten ehrgeiziger sein, wir haben ein größeres Maß an Konsens in diesem Haus und in diesem Konvent über die Staatsziele.

Gestern Abend hat eine Veranstaltung hier stattgefunden, an der an die 400 Menschen teilgenommen haben. Der ORF hat sie aufgezeichnet und dort hat Kardinal Schönborn unter Zustimmung des Herrn von der moslemischen Glaubensgemeinschaft eine Formulierung für den Gottesbezug in der Präambel vorgelegt, die offenkundig von vielen anderen geteilt wird. Sie entspricht dem, was die Europäische Bischofskonferenz für den Europäischen Konvent ausgearbeitet hat. Sie hat drei Teile.

Der erste Teil bestätigt, dass die Macht des Gesetzgebers begrenzt ist. Der zweite Teil verweist auf das kulturelle, humanistische und religiöse Erbe. Und der dritte Teil auf die Verantwortung des Gesetzgebers vor Gott, den Menschen und der Umwelt.

Von diesen Formulierungen sind die ersten zwei Teile in die Europäische Präambel eingegangen. Ich glaube, dass wir uns daran eine Richtschnur nehmen sollten. Ich kann allen versichern, dass viele meiner Freunde und ich für eine Präambel eintreten zu dieser Verfassung, in der wir Staatsziele und auch die Grundlegungen unserer Rechtssetzung eben in einem fassen, dass wir dafür eintreten werden.

Wir werden auch einen Vorschlag diesbezüglich vorlegen und ich darf den Vertretern der Kirche versichern, dass wir alles tun werden, dass es eine Präambel gibt, sodass die archimedischen Zweifel,  die hier bestehen, behoben sein können.

Was die Volksgruppen betrifft, so darf ich darauf hinweisen, dass man natürlich sich sehr viel mehr vorstellen kann. Kollege Kostelka und ich haben ja noch vor einigen Jahren gemeinsame Vorschläge gemacht, die am Widerstand der Volksgruppen gescheitert sind. Nämlich nicht am Widerstand, sondern an der Uneinigkeit. Wenn ich heute gehört habe, was Marjan Sturm gesagt hat und Martin Ivancsics, so scheint es hier einen größeren Konsens zu geben. Ich denke, dass das Minimum dessen und auch das Maximum im Verfassungsrang das ist, was wir im Jahre 2000 im diesem Hause im Verfassungsrang beschlossen haben.

Was die Menschenrechte betrifft, so denke ich, dass wir hier auf einer relativ klaren Schiene der Europäischen Grundrechts-Charta - im Wortlaut der Europäischen Menschenrechts-Konvention - und zusätzlich das, was in den österreichischen Verfassungsbestimmungen schon heute im Grundrechtsbestand liegt, fahren werden. Die vielen internationalen Konventionen, die es hier gibt, glaube ich, werden wir nicht als solche umsetzen, sondern wir werden einen Grundrechts-Katalog machen, der das, was in diesen Konventionen verankert ist, im innerstaatlichen Recht bindend vorschreibt. Was Europa uns hier vorgibt, kann Maßstab sein.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Herr Präsident. Als nächster am Wort ist Herr Volksanwalt Dr. Peter Kostelka. Bitte, Herr Volksanwalt.

Dr. Peter Kostelka: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren, hoher Konvent. Das Alphabet macht es möglich, dass eine Reminiszenz an nicht allzu entfernte Zeiten möglich ist, dass ich unmittelbar im Anschluss an den Herrn Kollegen Khol das Wort bekomme und ich kann unmittelbar an ihn anschließen.

In diesem Zusammenhang darf ich fürs Erste einmal feststellen, dass ich so, wie Kollege Khol, sehr beeindruckt war von den Darstellungen der Vertreter der Religionsgemeinschaften. Und das insbesondere deswegen, weil es ein Kontinuum war, weil nicht jede Religionsgesellschaft für sich versucht hat, Position zu ergreifen, sondern wo das Mosaik aller Wortmeldungen letztendlich die Position, die gemeinsam angestrebt wurde, deutlich gemacht hat. Und diese Gemeinsamkeit ist sicherlich etwas, das in den weiteren Arbeiten des Konvents eine Rolle spielen wird, was uns letztendlich – im Hinblick auf die klaren Formulierungen – auch vor Augen führt, dass eine Verfassung zwar sicherlich die Spielregeln, wie das so schön heißt, der Machtausübung und der Machtverteilung in einem staatlichen Gemeinwesen, zu regeln hat. Dass sie aber darüber hinaus natürlich auch eine Sammlung der von der staatlichen Gemeinschaft zu verwirklichenden Grundwerte darstellt.

Und das ist in Wirklichkeit auch ein wesentlicher Punkt im Zusammenhang mit dem, was Dr. Khol gesagt hat. Er hat in diesem Zusammenhang das – im Übrigen erst vor wenigen Tagen herausgekommene – Faksimile des Kommentars von Kelsen aus dem Jahre 1922 angesprochen, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es eine solche Präambel nicht gegeben hat, weil darüber kein Einvernehmen bestand. Manche der in diesem Zusammenhang von ihm angeführten Begründungen stimmen tatsächlich. Aber wenn man den dort dargestellten Entwurf einer solchen Präambel sich näher anschaut, dann wird klar, dass im Grunde genommen nicht ein Wertegebäude formuliert werden sollte, das hinter einer Verfassung steht, sondern in dem legitimiert werden sollte, warum – was damals gar nicht so unbestritten gewesen sein dürfte – die Vertreter einer konstituierenden Nationalversammlung sich hier zusammen finden und den neuen Staat, nämlich Deutsch-Österreich, gründen. Das sollte die damals gemeinte Präambel und ich glaube, diese Problematik haben wir wirklich überwunden. Dazu bedürfen wir keiner Präambel mehr. Und ich habe mit sehr großem Interesse zur Kenntnis genommen, dass die Vertreter der Religionsgemeinschaften in dieser Frage auch nicht ganz eins sind. Dass manche gesagt haben: Es wäre schön, wenn wir eine solche hätten. Und andere der Meinung waren, dass eine solche ganz und gar nicht notwendig ist, sogar im Grunde genommen schädlich wäre.

Ich habe kein Problem mit der Verankerung einer entsprechenden Bemerkung hinsichtlich des religiösen Erbes. Ich habe Probleme mit der Verankerung der Präambel selbst. Weil ich mir nämlich die Frage nach der Funktion einer solchen stelle. Ich glaube, die Verfassung sollte deutlich genug formuliert sein, als dass wir keine Interpretationshilfe brauchen. Und das wäre ja letztendlich eine Präambel.

Danke für die klaren Worte im Zusammenhang mit den Menschenrechten. Das ist außerordentlich hilfreich. Sie wissen, dass ich als Volksanwalt dafür gesorgt habe, dass wir einen Menschenrechtsbericht dem Nationalrat vorlegen, weil ich davon zutiefst überzeugt bin, dass die Menschenrechte im österreichischen Verwaltungsalltag eine viel zu geringe Rolle spielen. Der österreichische Verwaltungsbeamte ist sich bewusst, dass er Gesetze zu vollziehen hat. Aber, hinsichtlich der Grundrechte scheint er der Meinung zu sein: Das soll sich Nationalrat und Bundesrat mit dem Verfassungsgerichtshof gefälligst ausmachen, das ginge ihn nichts an.

Und ich glaube daher, dass es notwendig ist, hier erstens einmal nachzuarbeiten, einen wirklich flächendeckenderen, gerade die Volksgruppen sind ja ein Beispiel dafür, einen flächendeckenderen Katalog zu erstellen und dann die Vollziehung dessen auch in den Gehirnen und in den Herzen der Verwaltungsbeamten, aber auch der Richter, zu verankern.

Letzte Bemerkung, Herr Professor Tretter, eine solche Bemerkung, nämlich auf die Unvereinbarkeit und den Konnex mit den Grundrechten, macht man in diesem Konvent nicht ungestraft. Ich habe Sie schon eingeladen, und ich werde Sie schriftlich auch in den nächsten Tagen einladen, dem Ausschuss 8 in diesem Zusammenhang hilfreich unter die Arme zu greifen und ihre Dienste im Zusammenhang mit einer Neukonzeption des Unvereinbarkeitsgesetzes angedeihen zu lassen. Danke vielmals.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Herr Volksanwalt. Der nächste Redner ist Herr Sektionschef Dr. Matzka. Bitte sehr, Herr Sektionschef.

Dr. Manfred Matzka: Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen. Natürlich hat sich vieles von den heutigen Diskussionsbeiträgen, die ich sehr interessiert angehört habe, auf den klassischen hoheitlichen Staat bezogen, auf die Fragen der Grundrechte, auf Präambel-Fragen, auf Grundsatzfragen. Aber vieles ging auch darüber hinaus. Und ich habe einiges mitgenommen, was im Bereich meines Ausschusses von Relevanz ist, obwohl man das auf den ersten Blick nicht so sehen mag.

Der Ausschuss befasst sich mit Ausgliederung, mit Privatwirtschaftsverwaltung, mit Förderungen und mit Leistungen des Staates. Und viele Dinge, die hier angesprochen wurden, werden in unserem Diskussionszusammenhang zu berücksichtigen sein. Es geht ja bei den Grundrechten nicht nur um den Schutz der Grundrechte klassischen Zuschnitts und klassischer Provenienz, es geht wohl auch darum, dafür Sorge zu tragen, dass sich der Staat dort, wo er etwas leisten soll, wo er etwas schützen soll, wo er etwas gewährleisten soll, nicht durch einen Formenwandel oder durch die Flucht ins Privatrecht seiner inhaltlichen Leistungsverpflichtungen, Hilfestellungsverpflichtungen, Gewährleistungsverpflichtungen entziehen kann und soll.

Der Gedanke ist für die Jugend, für die Senioren, für die Religionsgesellschaften, für NGO’s überall dort von großer Bedeutung, wo sie – und das haben sie – teilweise Leistungen und Arbeiten übernommen haben, die der Staat erbringen könnte, die aber in unserer Gesellschaft von diesen Institutionen mit Willen, mit Wissen, mit Duldung und mit Förderung des Staates wahrgenommen werden. Insofern geht es auch und gerade bei der Ausgliederung darum, dass man etwa im Feld der Altersversorgung (und Blecha hat das angesprochen) und Pflege einen Anspruch auf hoch qualitative Hilfeleistung und Hilfestellung auch dann haben muss, wenn nicht der Staat selbst, sondern seine Ges.m.b.H., sein Vertragspartner, sein Private-Public-Partnership Konstrukt, diese Aufgaben wahrnehmen.

Und vielleicht kommt man auch zu dem Punkt, zu sagen: Es ist nicht alles ausgliederungsfähig, auch wenn es kostengünstiger sein mag. Aber die allgemeine Schulpflicht ist wahrscheinlich in der Hand des Staates besser aufgehoben als in der einer Bundesunterrichts-Ges.m.b.H. & Co. KG.

Derselbe Gedanke ist im Bereich der privatwirtschaftlichen Förderung von großer Relevanz. Weil, das, was wir hier gerade in der Grundrechtsdiskussion gehört haben, doch dazu Anlass gibt, zu erkennen: Förderung und Subvention sind keine Almosen des Staates, wenn sie an Institutionen gegeben werden, die öffentliche Aufgaben, gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahrnehmen. Und weil sie das nicht sind, muss es auch in diesem privatwirtschaftlichen Bereich Garantien geben, die im Hoheitlichen völlig selbstverständlich sind: Sachlichkeitsorientierung. Gleichheitsgebot, Gewährleistungspflicht, Diskriminierungsverbot, das sind grundsätzliche Prinzipien, die auch dort Eingang finden müssen, wo es nur um Förderung, um Subventionierung, um zur Verfügung Stellung von Geld und materiellen Ressourcen geht.

Auch die Selbstverwaltung wurde angesprochen - und da sage ich ganz offen, da ist mir einiges unklar: Ich war überrascht, als bei den Vertretern der Kirchen und Religionsgesellschaften das Wort fiel, diese Institutionen seien Körperschaften öffentlichen Rechts. Wenn das stimmt, dann sind sie wohl Selbstverwaltungskörper. Wenn das stimmt, dann verwischt sich die Grenze zwischen Staat und diesen Institutionen, auch wenn es um die innere Organisation geht, denn dann bin ich dabei zumindest die Frage stellen zu müssen, ob Grundsätze, die wir für Selbstverwaltung im staatlichen Bereich anerkennen, auch außerhalb dessen gelten sollen - etwa Gleichheit von Mann und Frau. Demokratie und ähnliche Regelungen. Ich weiß nicht, ob wir gut daran tun, in diesen Gedankengang einzutreten. Das werden wir noch zu diskutieren haben.

Eines habe ich noch aus dieser Diskussion mit den Kirchen und Religionsgesellschaften mitgenommen: ich war überrascht von der Klarheit der Aussage, dass es durchaus sehr viel Sinn macht, Staat und Kirche zu trennen, die inneren Angelegenheiten des Staates von den inneren Angelegenheiten der Kirchen, die Welt vom Glauben. Ich sehe darin eine Ermutigung, in unserer Tradition des österreichischen theoretischen und verfassungspraktischen Ansatzes weiter fortzufahren, eine laizistische Verfassung zu haben, die ohne Gottesbezug auskommt, die aber bei vielen anderen Dingen von den Grundrechten bis zu den sozialstaatlichen Elementen vieles von dem aufnimmt, was uns die Kirchenvertreter an inhaltlichen Verpflichtungen des Staates gegenüber der Gesellschaft mitgegeben haben.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Herr Sektionschef. Der nächste Redner ist Professor Dr. Mayer. Bitte, Herr Professor.

DDr. Heinz Mayer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Präsidiums! Die Rechtsordnung ist die, ja geradezu die Welt der Werte, hat Hans Kelsen wenige Jahre, nachdem die Bundesverfassung im Jahr 1920 verabschiedet wurde, geschrieben. Man muss Kelsen freilich ergänzen. Die Rechtsordnung schützt nicht alle Werte, sie schützt gelegentlich Werte der Minderheiten, sie schützt oft Werte der Mehrheit und sie lässt manche Werte überhaupt unberücksichtigt, dadurch unterscheidet sich der demokratische liberale Rechtsstaat vom totalitären Staat. Wenn die Rechtsordnung Werte schützt, dann tut sie dies, indem sie der Durchsetzung dieser Werte ihre Hilfe verleiht, indem der Staat bereit ist, für die Durchsetzung dieser Werte und der hinter diesen Werten stehenden Interessen seine Mittel einzusetzen.

Es liegt auf der Hand, dass eine Rechtsordnung diese ordnende Funktion nur dann erfüllen kann, wenn sie einigermaßen präzise ist. Wenn sie einigermaßen klar den Bereich abgrenzt, in dem sich der Staat durchsetzt und in dem der Staat Wertdurchsetzungen und Interessensdurchsetzungen unterstützt und fördert.

Tut eine Rechtsordnung das nicht, bleibt sie unbestimmt und unpräzise. Gewährt sie großen Spielraum, dann kann diese wesentliche Funktion der Herstellung einer Ordnung durch eine generelle Regel nicht erfüllt werden. Es wurde heute gefordert, die Menschenwürde als Staatsziel, den Schutz der Menschenwürde in die Verfassung aufzunehmen. Niemand hier in diesem Raum wird die Auffassung vertreten, die Menschenwürde sei unbeachtlich und sei vom Gesetzgeber und vom Verfassungsgesetzgeber unberücksichtigt zu lassen. Gleichwohl herrscht über das, was Menschenwürde im Konkreten bedeutet, in dieser Gesellschaft und, ich glaube in jeder größeren Gesellschaft, kein voller Konsens. Wenn wir uns auch im Kern einig sind, was Menschenwürde bedeutet und wenn wir auch viele Grundrechte haben, die Aspekte der Menschenwürde schützen, so gibt es doch manche, denen das zu wenig ist, die meinen, der Bereich der Menschenwürde sei weiter als das, was die gegenwärtige Rechtsordnung schützt.

Wir finden also bei diesem fundamentalethischen Begriff zwar im Kern einen Konsens, im weiten Bereich des Begriffshofes aber großen Dissens. Wer sich darüber näher informieren möchte, den lade ich ein, die Literatur zum deutschen Verfassungsrecht zu studieren und dazu die umfangreiche Literatur, die nur zum Thema Biotechnologie und ihre Vereinbarkeit mit der Menschenwürde erschienen ist. Die Aufnahme des Begriffs der Menschenwürde in die deutsche Verfassung hat zutiefst ethische und weltanschauliche Diskussionen zu rechtlichen Diskussionen erhoben, denn wenn etwas rechtlich geschützt ist, dann kann es verboten werden, dann kann es untersagt werden, dann muss es vielleicht verboten werden.

Meine Damen und Herren! Neben der Biotechnologie wird mit einer Menschenwürde möglicherweise auch die Organtransplantation, aber auch viele andere Bereiche der Rechtsordnung in einem neuen Licht erscheinen. Ähnliches gilt für einen Gottesbezug in der Verfassung. Welcher Gott ist gemeint? Welche Glaubenslehre wird hier rechtlich bedeutend und wie wird sie rechtlich bedeutend? Eines kann man sich nicht erwarten, solche Begriffe in die Verfassung aufzunehmen in der Meinung oder mit dem Hintergedanken, sie bedeuten ohnehin rechtlich nichts. Niemand darf davon ausgehen, dass Worte des Verfassungsgesetzgebers nichts bedeuten und keinen Inhalt haben.

Was bedeutet aber die Aufnahme solcher fundamentalethischer Begriffe in eine Verfassung? Sie bedeutet, dass diese Begriffe die Rechtsordnung determinieren und dass viele Fragen, die wir heute als ethische Fragen diskutieren, hinfort als Rechtsfragen zu diskutieren sind und von den Höchstgerichten - insbesondere vom Verfassungsgerichtshof - zu entscheiden sein werden. Was Menschenwürde im konkreten Fall bedeutet und verlangt, wird dann also der Verfassungsgerichtshof entscheiden.

Ich denke aber, dass in einem demokratischen liberalen Rechtsstaat dem Gesetzgeber und nicht dem Verfassungsgerichtshof die Entscheidung, was unter dem Titel Menschenwürde den Schutz der Rechtsordnung genießt, überlassen bleiben muss. Fragen von derartiger Tragweite sind von demokratisch legitimierten und verantwortlichen Personen und nicht von unabhängigen Richtern zu entscheiden. Danke schön.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Herr Professor. Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Madeleine Petrovic. Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Herr Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich schließe gleich bei meinem Vorredner an und muss sagen, dass bei mir allein aufgrund der Entwicklung nach der Regierungsbildung des Jahres 2000 das Wort Präambel einen eher ambivalenten Charakter angenommen hat und ich habe so ein bisschen den Verdacht, dass immer dann, wenn die Gesetzgebung, jetzt die einfache Gesetzgebung oder die Verfassungsgesetzgebung, besonders schöne und salbungsvolle Worte ihrem Tun voranstellt, dass dann die Gefahr, dass eben diese Werte irgendwie verletzt werden könnten, recht groß ist. Und im Moment sehe ich das eigentlich nicht. Das heißt, ich denke, dass der Katalog der Grundrechte so unübersichtlich und zersplittert er heute ist - im Wesentlichen die Gerichte kommen damit irgendwie zurecht. Wir haben uns vorgenommen, hier Vereinfachungen -vielleicht auch hoffentlich Verbesserungen - gerade eben im sozialen Bereich und im ökologischen Bereich hier hineinzufügen, und ich persönlich habe auch, wenn es irgendwie möglich ist, eine sehr sehr starke Präferenz für durchsetzbare verbriefte Grundrechte, das heißt eben Bestimmungen, die dann Personen subjektive Rechte verleihen.

Ich sehe durchaus auch eine Bedeutung von Staatszielbestimmungen, aber wenn es nicht gelingt oder wenn wir heute noch nicht so weit sind, zum Beispiel in einem Rechtsgebiet, das im Fluss ist, wo wir sagen: Da haben wir noch keine Verfassungsmehrheiten dafür, hier einklagbare Rechte zu schaffen, oder: Wir wissen noch nicht, in welche Richtung das geht. – Also ich denke zum Beispiel, in Teilbereichen des Umweltrechtes ist die Frage: Wie kann ich Grundrechte verankern?, tatsächlich eine sehr interessante.

Da gibt es Dinge, die sind meiner Meinung nach entscheidungsreif und sehr handfest, wie das Grundrecht auf Gesundheit, das die Grünen ja als Antrag eingebracht haben und das ein subjektives Recht auf Abwehr von Gefahren verleiht, und dann gibt es andere Rechte, wie die Rechte künftiger Generationen, die Rechte auf – wenn Sie so wollen, aus einem religiösen Verständnis heraus – Bewahrung der Schöpfung, wo wahrscheinlich die Diskussion einfach noch Zeit braucht.  Also in derartigen Bereichen kann ich mir schon vorstellen, dass Staatsziele einen Sinn haben, um anzudeuten: Der Gesetzgeber denkt bereits in die Richtung, aber das Maß an Konkretheit ist noch nicht ausreichend. Aber ansonsten plädiere ich dafür, wirklich hier sehr pragmatisch zu bleiben und die salbungsvollen Worte, wie gesagt, die haben schon ihre Gefahren in sich.

Zu den Volksgruppen und den Menschenrechten im Engeren wird ohnehin noch einiges gesagt werden. Ich persönlich wollte noch ganz kurz zu einigen Äußerungen aus dem Bereich der Kirchen, der Religionsgemeinschaften Stellung nehmen:

Aus meiner Sicht ist die Trennung von Staat und Kirche etwas sehr Wichtiges, etwas Gutes und eine echte Errungenschaft. Ich erinnere an die Zeiten, wo Menschen im zivilen Bereich größte Schwierigkeiten hatten, im Bereich Eheschließung, Wiederverheiratung, Ehen, all das. Wir haben uns darauf geeinigt, und das ist ein guter Konsens dieser Republik: Hier die Kirchen, dort der Staat. Selbstverständlich gibt es hier Berührungspunkte  – der Staat hat die nötigen Freiräume zu geben, um die Ausübung der verschiedenen Religionen zu ermöglichen, und es kann auch durchaus die Notwendigkeit für den Staat geben, hier oder dort in seltenen Ausnahmefällen einzugreifen, nämlich dann, wenn zum Beispiel Grundrechte in Gefahr sind. Wenn es um medizinische Heilbehandlungen für Kinder geht, die nach dem anerkannten Stand der Wissenschaft notwendig sind, wo es vielleicht wirklich um Leben oder Tod geht – aber das sind minimale Ausnahmefälle, mit denen man, glaube ich, in der Praxis sehr verantwortungsvoll bisher umgegangen ist.

Ich wollte eine Frage ansprechen, die hier besonders erwähnt wurde vom Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde, nämlich die Frage von Traditionen, wie etwa die Tradition des Schächtens. Sie kennen mich als eine sehr leidenschaftliche Tierschützerin, Sie können aber andererseits die Gewissheit haben, dass mein Respekt vor Kirchen und Religionsgemeinschaften im Zweifel den höheren Stellenwert hat. Nur würde ich meinerseits bitten und ersuchen, dass man hier in den Kirchen und Religionsgesellschaften – das kann nicht ich leisten als Politikerin – einmal überlegt, wie weit manche Vorschriften heute noch zwingend notwendig sind, wie weit sie wirklich ein inneres religiöses Gebot darstellen, oder, so wie das der Vertreter der buddhistischen Religionsgemeinschaft dargestellt hat, eine früher notwendige hygienische Vorschrift war, die wir heute vielleicht da oder dort relativieren können.

Wie gesagt, ich kann das nicht leisten, ich will das nicht leisten; ich bin dafür, die religiösen Vorschriften einmal staatlicherseits so zur Kenntnis zu nehmen, wie sie sind, aber ich sage andererseits, wir stehen in einer Zeit auch eines Wertewandels in allen Bereichen – was die Menschenrechte betrifft, was die Rechte der Umwelt betrifft, und ich glaube, auch was den Tierschutz betrifft.  Und wenn wir hier gemeinsam einen Dialog führen können über eine Entwicklung, dann bin ich gerne mit dabei.  Danke.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Frau Abgeordnete. Die nächste Wortmeldung steht bei Herrn Prof. Dr. Öhlinger.  Bitte sehr.

Dr. Theodor Öhlinger: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Der Konvent hat sich auf einen Dialog mit der Gesellschaft eingelassen, wie es ihn in der gesamten Verfassungsgeschichte Österreichs bisher noch nicht gegeben hat. Und er hat sich damit auch selbst unter Druck gesetzt: Wer den Dialog anbietet, muss auch eine Antwort geben. Mit anderen Worten, die Chancen, dass der Konvent ein substantielles Ergebnis erzielt, sind nach dem heutigen Tag größer geworden – nicht mehr 50:50, nicht mehr vielleicht 65:35, sondern noch mehr, denn wir können nach einem solchen Gespräch nicht mehr auseinander gehen, ohne etwas erreicht zu haben.

Für mich ist heute eines klar geworden: Die Menschen erwarten einen Verfassungsentwurf, der auf ihre Sorgen und ihre Probleme eingeht und der ihre Anliegen anspricht. Und damit ist die Frage von Staatszielbestimmungen eine Frage geworden, um die man sich nicht mehr herumdrücken kann.

Ich will meine bisherige Skepsis gegen die juristische Leistungsfähigkeit von breiten, vagen Formeln nicht verschweigen. Aber es wird nicht möglich sein, einen Verfassungstext zu finden, der keine Staatszielbestimmungen enthält, wenn er auch nur auf einen kleinen Teil der heute angesprochenen Anregungen und Wünsche eingeht.

Allerdings: Staatszielbestimmungen sind gegenüber einklagbaren Rechten natürlich ein Defizit und insofern – da stimme ich meinen beiden Vorrednern zu – muss man sich natürlich um präzise Formulierungen bemühen, um einklagbare Rechte bemühen, wenn solche Rechte formulierbar sind. Ich glaube nur – und auch das ist heute deutlich geworden –, zwischen Staatszielbestimmungen und einklagbaren Rechten besteht kein antagonistischer Gegensatz. Gerade der Entwurf über eine Verankerung der Minderheitenrechte, der uns Konventsmitgliedern diese Woche zugegangen ist und der eigentlich der Anlass meiner Wortmeldung gewesen wäre, zeigt sehr schön, dass Staatszielbestimmungen und Grundrechte eng verschränkt miteinander sind. Ich glaube daher auch, dass sich der Konvent bemühen muss, diesen Zusammenhang herzustellen.

Ich bin insofern einer etwas anderen Meinung – aber vielleicht ist es nur eine andere Formulierung als mein Freund Funk –: Es geht nicht um ein Nebeneinander von Staatszielbestimmungen und Grundrechten, es geht um die Verschränkung dieser beiden Dinge, und ich glaube daher, dass man dem auch im Rahmen des Konvents organisatorisch Rechnung tragen soll. Ich halte es für ein Unglück, dass beide Bereiche auf verschiedene Ausschüsse aufgeteilt sind! Da muss es zu einem Dialog kommen – es ist das auch eine Anregung an das Präsidium, darüber nachzudenken, wie wir diesen Zusammenhang zwischen einklagbaren Rechten und darüber hinaus reichenden, aber doch unverzichtbaren Zielen und Aufgabenbestimmungen in einer Verfassung sinnvoll lösen können.  Danke.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Herr Professor. Die nächste Wortmeldung steht bei Frau Abgeordneter Terezija Stoisits.  Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

Mag. Terezija Stoisits: Danke vielmals, Herr Präsident. Ich bin ganz bei Herrn Prof. Öhlinger – leider ist er nicht Mitglied des Grundrechtsausschusses.

Ja, ich sage ja: Leider! Leider!

Wie ich die Arbeit bis jetzt im Grundrechtsausschuss verstanden habe – und das wird der Herr Vorsitzende sicher durch Kopfnicken bestätigen –: dass es nicht um ein Nebeneinander, sondern wahrlich um ein Miteinander geht, sozusagen um die Verschränkung. Das ist aber auch die Aufgabe, die wir uns gestellt haben, und ich möchte gerne – weil es schon sehr spät ist und weil schon so viel gesagt wurde – das an einem Beispiel zeigen.

Es gibt seit dem Jahr 2000 die Staatszielbestimmung im Artikel 8, die kulturelle Vielfalt, sprachlich-ethnische Vielfalt dieses Landes, und auf der anderen Seite gibt es Volksgruppen, die nicht verankerte Rechte auf verfassungsrechtlicher Ebene haben, ja? – Und die Stellungnahmen, die heute gekommen sind von den Volksgruppenorganisationen, aber auch von den Menschenrechtsorganisationen, von Dr. Tretter und Mag. Patzelt, die das angesprochen haben, sind ja genau in die Richtung gegangen. Gegen Staatsziele spricht nichts, aber die Umsetzbarkeit der Intention von Staatszielen, das ist das wesentliche Um und Auf.  So, das war die erste Bemerkung.

Die zweite Bemerkung gilt dem Herrn Professor Präsident Khol. Ich habe mir, wie der Herr Bischof Sturm gesprochen hat, einen Satz mitgeschrieben, der sehr entscheidend war, weil er war nämlich der letzte Redner in der Reihe jener, die die christlichen Kirchen hier heute repräsentiert haben. Und er hat – und das habe ich wörtlich mitgeschrieben – davon gesprochen: Für die Berücksichtigung der hier vorgetragenen kirchlichen Anliegen bedarf es keiner besonderen Präambel zur Verfassung. Das steht in eklatantem Widerspruch zur Meinung vom Herrn Professor Khol. Jeder darf hier eine Meinung haben. Ich sage, das Konventprinzip im Konvent wird zu einer Lösung diesbezüglich kommen. Ich persönlich war sehr beeindruckt von dieser Ernsthaftigkeit, wie sich die Religionsgemeinschaften, also sowohl die christlichen Kirchen als auch die nicht in der Ökumene erfassten, auf die heutige Veranstaltung vorbereitet haben, und wie ernst man diese Einladung genommen hat. Deshalb mein ganz besonderer Dank – ohne jetzt spezielle Punkte zu erwähnen -, jedenfalls hat der Ausschuss hier einiges an Arbeit mitbekommen, aber die Frau Oberin Gleixner ist ja Mitglied des Ausschusses und deshalb sozusagen die personifizierte Vertretung dieses Rucksackes, der an Arbeit dort wartet.

Und eine allerletzte Bemerkung zu den Wortmeldungen zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften. Diese Stellungnahmen wurden vielfach darauf reduziert, ob Gott in der Verfassung oder nicht in der Verfassung vorkommen soll. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften haben nämlich überhaupt nicht davon geredet, sondern davon, dass es darum geht, soziale Grundrechte zu verankern, die Europäische Sozialcharta nicht zu vergessen, die Europäische Grundrechtscharta, Kinderrechte, Minderheitenrechte. Wörtlich – jetzt weiß ich nicht, welcher Vertreter es war, der davon gesprochen hat – geht es um Anerkennung und Förderung und nicht um Duldung und Toleranz in Bezug auf Minderheiten, ethnische Minderheiten, aber auch Minderheiten darüber hinaus. Das sind die Botschaften, die ich empfangen habe. Ich gebe zu, es gibt auch selektive Wahrnehmung, aber vielleicht hat der eine oder andere oder die eine oder andere eine ähnlich selektive Wahrnehmung wie ich und dann kommen wir schnell zu einer Übereinstimmung. Sie ist aber nicht kongruent mit der des Herrn Professor Khol, weil irgendwie, ich habe das gehört, was heute in dieser Veranstaltung gesagt wurde und nicht in der gestrigen, wo 400 Leute waren. Heute waren wenige da, aber das sind die für den Konvent relevanten. Danke.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Frau Abgeordnete. Nächster Redner ist Herr Dr. Poier.  Bitte sehr.

Dr. Klaus Poier: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nochmals sehr herzlich den Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Organisationen danken, die uns sehr viele Inputs für unsere Arbeit geliefert haben. Besonders die Wortmeldungen am Nachmittag haben gezeigt, wie viel fruchtbringender es sein kann, wenn es um Inhalte und nicht um Formales geht. Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn man mit den Vertreterinnen und Vertretern der Jugendorganisationen noch einmal in einen Dialog treten könnte und einen Weg findet, wie man diese Anfangschwierigkeiten, die es heute gegeben hat, überwinden kann.

Ganz vehement möchte ich mich für eine Präambel zu unserer neuen Verfassung aussprechen. Eine Präambel ist für mich nichts Sinnloses, sondern sie ist ein Text, der sehr einfach formuliert sein kann und der dem Bürger verdeutlichen kann, in welchem Staat er lebt, welche Werte es dort gibt, welche Grundsätze und Ziele.

Präsident Fiedler hat immer wieder davon gesprochen, dass unsere neue Verfassung kurz sein soll, dass sie für jeden Bürger verständlich sein soll. Das ist ein sehr schönes Ziel, wird aber wahrscheinlich nicht erreichbar sein. In einer Präambel kann das aber sehr wohl erreichbar sein. Sie kann kurz sein, sie kann einfach formuliert sein, sie kann für jeden Bürger verständlich sein.

Zwei Beispiele dazu: Wir verwenden in unseren Lehrveranstaltungen immer wieder die Präambel zur amerikanischen Verfassung. Die passt sehr schön auf eine Seite, ist sehr lyrisch formuliert, zeigt die Geschichte, die dahinter steckt, und die Werte, die umgesetzt werden sollen.

Es wäre schön, wenn wir in Zukunft auch eine solche österreichische Präambel haben.

Und ein zweites Beispiel: In meiner Volksschulzeit war das deutlichste Zeichen des Staates im Unterricht, dass wir vor dem Nationalfeiertag über die Neutralität sprachen und schöne österreichische Fähnchen gestaltet haben.

Ich würde es sehr schön finden, wenn in Zukunft in der Volksschule jeder Volksschüler und jede Volksschülerin mit der österreichischen Präambel arbeiten könnte, und allen Schülern und Schülerinnen klar wird, in welchem Staat, in welchem Land sie leben, welche Werte es dort gibt, welche Grundsätze, welche Ziele. Vielleicht gelingt es uns sogar, die Präambel so schön und so lyrisch zu gestalten, dass man sie wie ein Goethe-Gedicht auswendig lernen kann.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Vielen Dank, Herr Dr. Poier. Wir werden sehen, wie lyrisch die gesamte Verfassung noch werden wird. Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Landtagsdirektor Dr. Bußjäger. Ich erteile es ihm. Bitte sehr.

Dr. Peter Bußjäger: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Ich möchte auch auf das Thema Präambel, das ja ein Reizwort zu sein scheint, Bezug nehmen. Ich glaube, der heutige Tag hat erbracht, dass sich die Menschen von der Verfassung erwarten, dass sie auch Werthaltungen zum Ausdruck bringt, in irgendeiner Form.

Nun, dieser Tag hat auch erbracht, dass es unumgänglich sein wird, in irgendeiner Form Staatsziele zu kreieren. Man muss ja auch nur daran denken, dass wir Staatsziele ja schon haben. Ich denke an den umfassenden Umweltschutz; Gleichstellung von Männern und Frauen; an die Behindertengleichstellung. Und es ist ja völlig unrealistisch und wäre auch völlig falsch, hier dadurch ein Signal zu setzen, dass man diese Staatsziele abschafft. Also kann es wohl nur darum gehen, ein neues System von Staatszielen zu schaffen, auch vor dem Hintergrund – und das hat diese Diskussion auch erbracht -, dass natürlich auch eine Inflation von Ansprüchen, von Forderungen an solchen Staatszielen zu erwarten sind.

Und wenn man die Staatsziele nicht entwerten will, dann muss man sie in ein System bringen. Und für so ein System kann eine Präambel ein guter Ansatz sein. Es ist nicht der einzige, der sich hier aufdrängt, aber sie kann ein gangbarer und brauchbarer Ansatz sein. Und in diesem Sinne würde ich es begrüßen, wenn man sich auf diesen Gedanken einlässt, hier ein abgerundetes System von Ansprüchen und Werthaltungen an den Staat zu formulieren. Und ich hätte in dem Sinne auch keine Angst vor unbestimmten Begriffen. Ich glaube auch, dass wir in dieser Verfassung vielleicht auch das eine oder andere Neue wagen sollten.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Besten Dank auch für diese Wortmeldung, sie war zugleich auch die letzte dieses Tages; die Rednerliste ist erschöpft.

Es bleibt mir sohin nur mehr, Ihnen, den Mitgliedern des Konvents, für die Ausdauer zu danken, ganz besonders aber natürlich den Vertretern der Interessenorganisationen – sowie sie noch vorhanden sind, kann ich ihnen diesen Dank persönlich aussprechen, soweit dies nicht möglich ist, wird man es ihnen ausrichten.

Und ich glaube, eines sagen zu können – und einige Redner haben dies vor mir bereits zum Ausdruck gebracht -, dass wir unseren Horizont erweitert haben, wir als Mitglieder des Konvents, wenn es darum ging, in Erfahrung zu bringen, worauf kommt es den Menschen in diesem Lande an, was stellen sie für Ansprüche an die Verfassung; welche Wünsche haben sie an eine neue Verfassung. Und das war doch für uns alle sehr wertvoll.

Und ich appelliere an die Vorsitzenden der Ausschüsse, soweit sie noch hier sind – aber es sind genug hier -, die heute unterbreiteten Vorschläge in die Beratungen der Ausschüsse einfließen zu lassen. Und ich werde von meiner Seite auch alles veranlassen, dass im Wege des Büros und der Mitarbeiter des Büros diese Vorschläge nicht in Vergessenheit geraten, sondern dass sie in den Ausschüssen in Diskussion genommen werden.

Natürlich kann ich niemandem versprechen, kann ich keiner Organisation versprechen, dass sie letztlich mit all ihren Vorschlägen durchdringen wird; es wäre vermessen, wollte ich Derartiges zum Ausdruck bringen. Und in gewissen Bereichen ist es auch leicht einsichtig, dass es gar nicht möglich ist, denn es waren heute genug Redner, die für eine Präambel in der Verfassung eingetreten sind, andere haben sich dagegen ausgesprochen. Insoweit wird es unmöglich sein, allen gerecht werden zu können. Aber wir werden uns bemühen, dass wir im Konsens, wie wir uns das vorgenommen haben, eine gemeinsame Verfassung erarbeiten, und ich kann den Interessenvertretern versprechen, dass Ihre Vorschläge nicht in Vergessenheit geraten, dass sie jedenfalls seriös behandelt werden.

Ich danke allen Mitgliedern und den Gästen nochmals für den, wie ich meine, sehr konstruktiven Ablauf dieses Tages. Ich darf damit die Sitzung schließen, ankündigen, dass die Nächste am 15. Dezember stattfinden wird und dafür auch noch gesonderte Einladungen in Aussicht stellen. – Danke schön.

Ende