Österreich-Konvent
7. Sitzung,
Montag, 26. Jänner 2004
Tagesordnung
Anhörung (Hearing) von
Vertretern/Vertreterinnen gesellschaftlicher Organisationen und
Interessenvertretungen gem. §11 der Geschäftsordnung des Österreich-Konvents
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler.................................2
Mag. Claudia Lingner............................................................................................ 4
Dr. Georg
Stingl..................................................................................................... 6
Dr. Walter
Berka.................................................................................................... 7
Dr.
Wolfgang Weigel.............................................................................................. 8
Kurt
Weissenböck............................................................................................... 10
Patrice
Fuchs....................................................................................................... 11
Dr. Gerhard
Kratky.............................................................................................. 12
Dipl.-Kfm.
Günter Kahler.................................................................................... 13
Dr. Emil Brix......................................................................................................... 14
Mag. Leo Borchardt............................................................................................ 15
Mag.
Dr. Schmidt-Dengler................................................................................. 17
Ralf
Schallmeiner................................................................................................ 19
Mag. Harald
Stefan.............................................................................................. 20
Mag. Ernst
Zach................................................................................................... 22
Mag. Hubert
Petrasch......................................................................................... 23
Mag. Werner
Jungwirth...................................................................................... 25
Dr.
Wilfried Grätz................................................................................................. 26
Margit
Johannik................................................................................................... 27
Kurt Nekula.......................................................................................................... 28
Mag. Helmut
Skala............................................................................................... 30
Zuzana Brejche.................................................................................................... 32
Juliane Alton......................................................................................................... 33
Mag. Martin
Wassermair..................................................................................... 35
Herbert
Ullmann.................................................................................................. 36
Gabriele
Gerbasits.............................................................................................. 37
Christian
Ludwig Attersee.................................................................................. 39
Dr.
Wolfgang Greisenegger............................................................................... 39
Stellvertretender
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer (übernimmt den Vorsitz)............................................................................................................................... 40
Wolfgang
Hirner................................................................................................... 40
Mag. Franz
Bauer................................................................................................ 41
Dr. Georg
Weißmann........................................................................................... 42
Dr. Leopold
März................................................................................................. 43
Mag. René
Tritscher........................................................................................... 45
Mag. Dieter
Henrich............................................................................................ 46
Dr. Walter
Schaffelhofer..................................................................................... 47
Elisabeth
Gehrer................................................................................................. 49
Dr. Herbert
Haller................................................................................................ 50
Dr. Andreas Khol................................................................................................. 51
Dr. Evelin
Lichtenberger.................................................................................... 52
MMag. Dr.
Madeleine Petrovic.......................................................................... 53
Dr. Günter
Voith................................................................................................... 54
Dr. Bernd-Christian Funk................................................................................... 55
Albrecht
Konecny................................................................................................ 56
Edith
Haller........................................................................................................... 57
Rosa Logar........................................................................................................... 58
Johannes
Fenz.................................................................................................... 59
Gabriele
Binder................................................................................................... 61
Mag. Otto Gumpinger......................................................................................... 62
Ingrid Piringer...................................................................................................... 63
Romana Brait........................................................................................................ 64
Erwin Lanc............................................................................................................ 65
Stellvertretende
Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner (übernimmt den Vorsitz)............................................................................................................................... 67
Pete
Hämmerle.................................................................................................... 67
Dr. Gerald
Mader................................................................................................. 68
Klaus
Lukaschek................................................................................................. 69
Dr. Michael
Schaffer........................................................................................... 71
Dr. Walter
Feichtinger......................................................................................... 72
Dagmar
Strauss................................................................................................... 75
Dr. Kurt
Dellisch.................................................................................................. 75
Dr. Martin
Hahn.................................................................................................... 76
Dr.
Wolfgang Kopetzky....................................................................................... 78
Dr. Herbert
Schachter........................................................................................ 79
Dr. Hugo
Haupfleisch.......................................................................................... 80
Dipl.-Ing.
Wolfgang Rauh.................................................................................... 81
Dipl.-Ing.
Herbert Egger..................................................................................... 83
Dr. Klaus
Hoffmann............................................................................................. 84
Rudolf Otto........................................................................................................... 85
Christine Gubitzer............................................................................................... 86
Barbara Tramposch............................................................................................. 87
DDr. Karl Lengheimer......................................................................................... 88
Dr. Evelin
Lichtenberger.................................................................................... 89
MMag. Dr.
Willi Brauneder................................................................................. 90
MMag. Dr.
Madeleine Petrovic.......................................................................... 91
Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich
eröffne die heutige Sitzung des Konventes. Die Tagesordnung besteht aus einem
einzigen Punkt, nämlich der Fortsetzung der Anhörung von Vertretern der
Bürgergesellschaft.
Die Tagesordnung ist Ihnen zugegangen; sie liegt im Übrigen
auch auf. Wir werden heute am Vormittag Vertreter aus folgenden Bereichen
hören: Wissenschaft, Bildung, Kultur und Medien und am Nachmittag aus den
Bereichen Familien, Friedensorganisationen, Rettungsorganisationen, Verkehr und
Zivilgesellschaft.
Für jeden Redner beziehungsweise für jede Rednerin ist eine
Redezeit von fünf Minuten vorgesehen, die ich ersuchen darf, strikte
einzuhalten. Nach Ablauf von vier Minuten wird beim Rednerpult jeweils eine
rote Lampe aufleuchten, so dass der/die betreffende Redner/in darüber
informiert ist, dass er/sie noch eine Minute Zeit hat, um die Wortmeldung
abzuschließen.
Am Ende der Anhörung der Vertreter und Vertreterinnen, die
am Vormittag aufgerufen werden, besteht für die Mitglieder des Konvents die
Möglichkeit, sich zu Wort zu melden, wobei eine Begrenzung von Rednern und
Rednerinnen des Konvents auf zwölf vorgesehen ist. Die gleiche Regelung besteht
im Anschluss an die Anhörung der Vertreter und Vertreterinnen der
Bürgergesellschaft am Nachmittag. Auch dann wird für die Mitglieder des
Konvents die Möglichkeit bestehen, sich zu Wort zu melden und zu den
Ausführungen der Vertreter und Vertreterinnen der Bürgergesellschaft Stellung
zu nehmen. Auch diesbezüglich ist eine Redezeitbeschränkung von fünf Minuten
für die Mitglieder des Konvents vorgesehen. Desgleichen sind die Rednerinnen
und Redner des Konvents auch am Nachmittag auf zwölf beschränkt.
Von den Vertretern der Zivilgesellschaft, die eingeladen
wurden, hat sich die Großloge der Freimaurer entschuldigt, und des Weiteren
liegt eine Entschuldigung der Kommission Justitia et Pax vor, die angekündigt
hat, keinen Vertreter zu entsenden.
Für den Ablauf darf ich Folgendes hinzufügen: Es werden die
Rednerinnen und Redner in der Reihenfolge, wie Sie sie in der Tagesordnung
vorfinden, aufgerufen werden, jedoch mit einer einzigen Ausnahme. Als
Vertreterin der Bundesschüler wurde Frau oder Fräulein Romana Brait
nominiert. Sie sollte im Bereich Bildung am Vormittag zu Wort kommen, hat aber
ersucht, ihre Wortmeldung auf den Nachmittag zu verschieben, und einen
triftigen Grund hiefür angegeben. Sie hat Schularbeit am Vormittag, und ich
glaube, wir sollten darauf Rücksicht nehmen und die Vertreterin der
Bundesschüler erst am Nachmittag zu Wort kommen lassen. Ihre Wortmeldung wird
daher am Vormittag – obwohl sie nicht anwesend ist – nicht verfallen. Sie wird
voraussichtlich am Nachmittag nach dem Bereich der Familie zu Wort kommen
können.
Dies kurz zum technischen Ablauf der heutigen Sitzung. Ich
darf damit die erste Vertreterin der Bürgergesellschaft aus dem Bereich
Wissenschaft aufrufen: Frau Geschäftsführerin Mag. Claudia Lingner. Ich darf Sie um die Wortmeldung ersuchen. Fünf
Minuten Redezeitbeschränkung.
Mag. Claudia Lingner: Vielen Dank. Sehr geehrter
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich werde meine Ausführung sehr kurz
halten. Ich denke, wichtig ist, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit sich Österreich zu einem führenden
Wissenschafts- und Innovationsstandort optimal entwickeln kann. Dazu gehören:
Die Freiheit der Wissenschaft soll
weiter gewährleistet werden sowie Rahmenbedingungen für ethische Verantwortung
der Wissenschafter und der Wissenschafterinnen sollten gewährleistet und
geschaffen werden.
Die steuerlichen Rahmenbedingungen, um
den Transfer von Grundlagenforschung hin zur anwendungsorientierten Forschung
leichter und optimaler zu ermöglichen sind zu verbessern. Ich darf nur als
Stichwort „Translational Research“ in diesem Zusammenhang erwähnen.
Weiters denke ich, dass die Schaffung
von Förderungs- und Finanzierungstools, die über mehrere Jahre den
Forschungsprogrammen Sicherheit bieten, hier ein wichtiger Punkt wäre. Forschung-
und Forschungsprogramme sind nicht nur auf ein Jahr ausgelegt, sondern in der
Regel mittelfristig bis langfristig. Hier sollte bei der Bereitstellung von
Fördergeldern auf die Zeitachse des Programms abgestellt werden;
selbstverständlich einhergehend mit Controlling-Maßnahmen, aber auch
Evaluierungsmaßnahmen und -prozessen.Unterschiedliche wissenschaftliche
Programme und Ansätze sind zuzulassen, um mehrere wissenschaftliche Disziplinen
zu ermöglichen. Wichtig jedoch ist, dass Strukturen mit kritischen Größen oder
Massen geschaffen werden.
Forschungsarbeit und
Forschungsaktivitäten brauchen ein Umfeld, in dem sie sich entfalten können, um
die notwendige Attraktivität zu erhalten und um ausgezeichnete
Wissenschaftlerinnen für den „Standort Österreich“ zu gewinnen.
Ich denke auch, dass die Abstimmung
und vernünftige Vernetzung aller wissenschaftlichen Programme und Aktivitäten
sowohl innerhalb des Bundes aber auch zwischen Bund und Ländern und die
Aktivitäten der Länder untereinander ein wichtiger Punkt wäre, der
Berücksichtigung finden sollte. Hier sollte eine strategische Vorgangsweise
eingeschlagen werden, die das Herausarbeiten von Stärkefeldern der jeweiligen
Organisationen ermöglicht, aber auch aus forschungspolitischer Sicht etwaige
Lücken aufdeckt. Danach gilt es, die Frage zu stellen: Wer sollte diese in
welcher Form abdecken?
Österreich hat sich wie alle Länder
der EU dazu verpflichtet, die Forschungs- und Innovationsaktivitäten
signifikant zu erhöhen, indem sowohl der private als auch der öffentliche
Sektor – ersterer deutlich mehr als Letzterer – ihre Anstrengungen erhöhen.
Allerdings zeigen die diversen inzwischen durchgeführten Schätzungen, dass
nicht nur die Finanzierbarkeit dieses Wachstums den Aufholprozess verhindert,
sondern dass auch die Finanzierbarkeit, die entsprechenden Personalkapazitäten
nicht ausreichend vorhanden sind und auch nicht schlagartig erhöht werden
können.
Aus forschungspolitischer Perspektive
ist es daher wünschenswert, nicht nur die etablierten Forschungsakteure zu
vermehrter Forschung anzuregen beziehungsweise die entsprechenden
Voraussetzungen zu schaffen, sondern darüber hinaus eingedenk der damit
verbundenen Grenzen, auch den Kreis der Akteure selbst zu vergrößern.
Zusammen mit der Einsicht, dass
Anwendung und Forschung ihrerseits Forschung voraussetzt, ist es
forschungspolitisch eine wesentliche Herausforderung für uns, Forschung und
Forschungsanwendung gemeinsam zu entwickeln und dabei neue Partner in diese
Forschung zu integrieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Das waren ganz kurz meine Ausführungen zum Thema Wissenschaftsstandort für die
Ludwig Boltzmann Gesellschaft. Ich darf mich sehr herzlich bedanken.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke Frau Magistra! Nächster Redner für die Akademie
der Wissenschaften ist Herr Universitätsprofessor Dr. Stingl. - Bitte
sehr, Herr Professor!
Dr. Georg Stingl: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Zuallererst möchte ich mich dafür bedanken, dass der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften die Möglichkeit geboten wird, ihre Position
darzulegen.
Ich darf mich vielleicht zuerst vorstellen: Ich bin
Professor für Dermatologie an der Medizinischen Universität Wien und hier in
meiner Funktion als Sekretär der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Ich möchte ganz kurz die von mir vertretene Organisation
darstellen und unsere Anliegen an den Österreich-Konvent formulieren. Die
Österreichische Akademie der Wissenschaften ist eine Körperschaft öffentlichen
Rechtes, die nach dem Vorbild der großen Akademien Europas im Jahre 1847 durch
kaiserliches Patent gegründet worden ist. Die Österreichischen Akademie der
Wissenschaften übt ihre Tätigkeit auf Grund einer Satzung aus, zu deren
Gültigkeit die Bestätigung durch den Bundespräsidenten erforderlich ist. Ganz
kurz gesagt: Die Hauptaufgabe der Akademie ist es, die Wissenschaft in jeder
Hinsicht zu fördern.
Die Akademie hat eine Doppelfunktion: Sie ist auf der einen
Seite Gelehrtengesellschaft und auf der anderen Seite
Forschungsträgerorganisation. Die Gelehrtengesellschaft rekrutiert sich und
erhält ihren Bestand durch sehr strikte Zuwahl von Mitgliedern, insgesamt 90
wirkliche und 250 korrespondierende Mitglieder.
Die Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist die
führende grundlagenorientierte außeruniversitäre Forschungseinrichtung in
Österreich mit 720 Angestellten und einem Budget, das aus Bundesmitteln 40
Millionen umfasst, Drittmittel 7 Millionen, Rat für Forschung und Technologie
in etwa 40 Millionen Euro.
Die Fachbereiche der Forschung, die von der Akademie
vertreten werden, umfassen Biologie, Medizin und Umweltforschung, Physik und
Weltraumforschung, Erdwissenschaften, Formalwissenschaften, Sozial- und
Wirtschaftswissenschaften, Sprach- und Literaturwissenschaften, Kultur- und
historische Wissenschaften. Die wesentlichen Funktionen der ÖAW über ihre
bereits geschilderten hinaus sind auch die Tatsache, dass die ÖAW ein
beratendes Organ ist und Stipendien und Preise verleiht.
Was sind nun die Forderungen und Wünsche und Anliegen an
den Konvent? Das erste und wichtigste Anliegen ist, dass ein klares Bekenntnis
des Staates ausgedrückt wird zur Förderung der Forschung. Und zwar nicht nur
generell der Forschung, sondern durchaus auch erkenntnisorientierter und
grundlagenorientierter Forschung, weil wir glauben, dass die Befriedigung von
Neugierde – faustisches Prinzip – Urinstinkte und Wünsche des Menschen sind,
die sehr wesentlich zum intellektuellen Wohlbefinden und damit zur Gesundheit
des Menschen beitragen. Wir glauben, dass dieses grundsätzliche Bekenntnis zu
erkenntnisorientierter Forschung vielleicht in der Präambel festgeschrieben
werden könnte.
Der zweite Punkt ist unser Wusch nach Fortschreibung des
Grundrechtes der Freiheit von
Wissenschaft, Forschung und Lehre in Verfassungsrang. Diese Freiheit muss aber,
wie wir wissen, auch Möglichkeiten der Einschränkung haben. Daher wünschen wir
uns zusätzlich den Einbau einer Verpflichtung zu wissenschaftlicher Ethik. Die
Österreichische Akademie bietet sich an, gerade in dieser Funktion eine, wenn
Sie so wollen, Appellationsinstanz zu sein und ist grundsätzlich bereit, eine
solche Rolle zu übernehmen.
Abschließend meine ich, dass die Österreichischen Akademie
der Wissenschaften in höchstem Maße interessiert ist an einer modernisierten
Fassung der Verankerung von Wissenschaft, Forschung und Lehre in der
Bundesverfassung und bittet ausdrücklich um Eingebundensein in die
Verfassungsgestaltung dieses Bereiches. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke Ihnen, Herr Professor, für Ihre Ausführungen.
Nächster Redner ist der Vertreter der Rektorenkonferenz, Herr
Universitätsprofessor Dr. Berka. - Bitte sehr, Herr Professor!
Dr. Walter Berka: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Wenn man für die österreichische universitäre Wissenschaft
sprechen darf – und ich habe die Ehre, die Rektorenkonferenz zu vertreten –
sollte man, wie ich meine, von einer Prämisse ausgehen: Die Wissenschaften sind
ein Lebensbereich, der auf Distanzen und Autonomie zum Staat angewiesen ist,
damit sich die Wissenschaft in ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten und ihrem
eigenen Auftrag entsprechend - der vorbehaltslosen Suche nach Wahrheit -
entfalten kann. Das gilt auch für die universitäre Forschung und für die
akademische Lehre an den öffentlichen Universitäten – auch wenn für die
öffentlichen Universitäten der Staat, das heißt der Bund, die
Letztverantwortung im Hinblick auf die Ressourcen trägt.
Die Rektorenkonferenz ist der Auffassung, dass das geltende
Verfassungsrecht diese Autonomie in mehrfacher Hinsicht respektiert und
ausgestaltet, wenngleich in zerstreuten und nicht immer gut formulierten
Bestimmungen. Die Rektorenkonferenz ist weiterhin der Auffassung, dass das
bestehende Verfassungsrecht auch für die Zukunft der Universitäten im Prinzip
einen brauchbaren Rahmen bildet und im Wesentlichen unverändert beibehalten
werden kann.
Dabei geht es um mehrere verfassungsrechtliche
Bestimmungen, die gleichsam den Kernbestand dieser Autonomie bilden, die in
einem Sinnzusammenhang stehen und die in dieser Verbindung auch in eine neue
Verfassung Eingang finden sollten. Das sind: Erstens die individuelle
Wissenschaftsfreiheit, Zweitens die Autonomie der Universitäten im
Institutionellen, Drittens die Satzungs- und Verwaltungsbefugnis der
Universitäten im Rahmen der Gesetze und als Letztes möchte ich noch kurz auf
die notwendigen verfassungsrechtlichen Sicherungen zur Wahrung der
Internationalität der universitären Forschung hinweisen.
Ganz kurz zu diesen vier Punkten, meine sehr geehrten Damen
und Herren. Zur individuellen Wissenschaftsfreiheit: Das geltende
Verfassungsrecht gewährleistet im Staatsgrundgesetz jedem Forscher und jedem
akademischen Lehrer die individuelle Wissenschaftsfreiheit als ein
Freiheitsrecht. Diese Freiheit ist die unverzichtbare Garantie, sie ist die
Grundlage für jede eigenverantwortliche wissenschaftliche Betätigung und sie
müsste auch in einen neu formulierten Grundrechtskatalog aufgenommen werden –
wie es im Übrigen auch der europäische Standard ist.
Im geltenden Verfassungsrecht ist die Wissenschaftsfreiheit
als ein vorbehaltsloses Grundrecht formuliert. Auch diese Ausgestaltung sollte
beibehalten werden, weil sie die Wissenschaft am Besten vor Eingriff in ihre
Inhalte und Methoden schützen kann, weil sie Schutz vor – Verfassungsrechtler
würden sagen - intentionalen Eingriffen bietet. Im Kontext der
Wissenschaftsfreiheit sollte man nicht übersehen - und zwar vor allem im
Interesse der Kunstuniversitäten -, dass auch die Freiheit der Kunst und der
künstlerischen Lehre in den neuen Grundrechtskatalog Eingang finden sollte.
Zweitens: Neben der individuellen Wissenschaftsfreiheit
brauchen die Universitäten einen gesicherten institutionellen Freiraum, das
heißt, eine gewährleistete Universitätsautonomie. Das geltende Verfassungsrecht
setzt eine solche Autonomie nach verbreiterter Ansicht voraus, darüber hinaus
ist sie in einigen isolierten Verfassungsbestimmungen des alten
Universitätsorganisationsrechts verankert.
Eine solche Autonomiegewährleistung sollte explizit in den
Stammtext einer neuen Verfassung aufgenommen werden, nicht zuletzt deshalb,
weil der Rückgriff auf das, was historisch vorausgesetzt wird, erschwert oder
ausgeschlossen ist, wenn eine neue Verfassung formuliert wird.
Diese Universitätsautonomie sollte die Weisungsfreiheit
gegenüber dem Staat sowie die Selbstbestimmung der Universitäten in den Fragen
ihrer inneren Organisation, ihrer Finanzgebarung und bei der Gestaltung der Studienvorschriften
umfassen. Eine solche Autonomie hat einen Kernbereich, im Wesentlichen bei den
Angelegenheiten bei der unmittelbaren Wissenschaftsverwaltung. Im Übrigen
sollte die Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber aber offen stehen,
weil die Frage nach der sachgerechten Universitätsorganisation nicht ein für
alle mal festgeschrieben werden kann. Ich glaube, der Verfassungsgerichtshof
hat das am vergangenen Freitag wohl in ähnlicher Weise gesehen.
Drittens. Das geltende Verfassungsrecht ermächtigt die
Universitäten zu einer Verwaltungsführung im Rahmen der Gesetze und dispensiert
daher von der strikten Bindung an das Legalitätsprinzip. Das hat sich bewährt
und sollte beibehalten werden, wobei das natürlich von der genaueren
Formulierung des allgemeinen Legalitätsprinzips abhängt.
Viertens und zum Schluss. Im geltenden Verfassungsrecht ist
durch explizite Verfassungsbestimmungen sicher gestellt, dass Deutsch für
Prüfungen oder Lehrveranstaltungen verwendet werden kann, ungeachtet der
Festlegung von Deutsch als Staatssprache. Auch die Heranziehung ausländischer
Wissenschafter zu akademischen Funktionen und als Prüfer ist
verfassungsrechtlich abgesichert. Diese im Interesse der Internationalität der
österreichischen Universitäten wesentlichen Sicherungen müssen dann beibehalten
werden, wenn ein neues Verfassungsrecht einen Inländervorbehalt für hoheitliche
Tätigkeiten oder eine verbindliche Festlegung einer Staatssprache vorsieht, die
dies erschweren würde. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke, Herr Professor. Nächster Redner ist Herr
Universitätsprofessor Dr. Weigel für den UniversitätslehrerInnenverband. -
Bitte, Herr Professor.
Dr. Wolfgang Weigel: Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen
und Herren!
Der UniversitätslehrerInnenverband ist die
mitgliederstärkste Interessenvereinigung akademischer Forscherinnen und Lehrender
in Österreich. An fast allen Universitäten bestehen so genannte Lokalverbände.
In den meisten Personalvertretungen der Universitäten und im Zentralausschuss
stellt der UniversitätslehrerInnenverband die Mehrheit der Mandatare. Das
trifft auch auf seine Präsenz in der Sektion Hochschullehrer der Gewerkschaft
öffentlich Bediensteter mit einer parteiungebundenen Liste zu.
Er tritt immer wieder mit Gestaltungsvorschlägen für die
Wissenschaftspolitik, Universitätsorganisation und das Dienstrecht an die
Öffentlichkeit. Das diesbezügliche Grundsatzprogramm kann selbstverständlich
auf der Webseite des ULV abgerufen werden.
Für die Gelegenheit, die Anliegen des ULV im Hinblick auf
die Neugestaltung der Bundesverfassung vor dem Österreich-Konvent vorbringen zu
können, danke ich namens des Vorstandes und der Mitglieder.
Die Aufmerksamkeit des Konvents und der Autoren einer
erneuerten Bundesverfassung soll auf vier Dimensionen der Freiheit von
Forschung und Lehre, einschließlich der Erschließung der Künste, gelenkt
werden:
1. Den Zusammenhang zwischen Freiheit der Forschung und
Lehre und Unabhängigkeit der Forschenden und Lehrenden.
2. Die Auswirkungen der Grundsätze von Freiheit der
Forschung und Lehre und der Unabhängigkeit der Forschenden und Lehrenden auf die
Organisation der Universitäten.
3. Die Gefahr, Wissenschaft und Kunst auf ihren Beitrag zum
wirtschaftlichen Fortschritt von Gesellschaft und Staat zu reduzieren
4. Die Notwendigkeit, in der Forschung die Grenzen der Machbarkeit mittels der
Grenzen der gesellschaftlichen Grundwerte einer ständigen Prüfung zu
unterziehen.
Die Freiheit von Wissenschaft und Lehre – immer
einschließlich der Erschließung der Künste – muss ihren Niederschlag in der
Zuerkennung einer besonderen Stellung in der Gesellschaft (und deren
Rechtordnung) für jene Menschen finden, die ihre Berufung in einer
wissenschaftlichen Laufbahn suchen oder sich der Erschließung der Künste
widmen.
Die schöpferischen Tätigkeiten des Entdeckens, Erfindens
und Erkennens sind weitgehend unvereinbar mit der allzu strengen Einbindung in
eine hierarchische Ordnung; die berechtigte Erwartung des Erfolges darf nicht
zum Erfolgszwang werden.
Gerade die jüngsten Entwicklungen, in denen fast nur noch
von Innovationen und Marktwert die Rede ist, veranlassen zu einer ernsten Warnung: Wissenschaft und Kunst
sind nicht selbstverständlich Gegenstände nur der Ökonomie. Ihre Bedeutung für
die Gesellschaft und deren Entwicklung hat weitaus mehr Dimensionen als die der
Wirtschaftlichkeit. Es ist aber leider so, dass mit dem Blick auf globale
Wettbewerbsfähigkeit in der Öffentlichkeit fast ausschließlich die
Profitabilität protegiert wird. Sowohl wissenschaftlich fundierte Einsichten
als auch die geschichtliche Erfahrung weisen aber in eine andere Richtung:
Wissenschaft, Künste und deren Vermittlung sind – ungeachtet zeitweiliger
bedauerlicher Fehlentwicklungen - integraler Bestandteil der kulturellen
Entwicklung und Wesenselement der Zivilisation.
Zwangsläufig müssen die besonderen Erfordernisse und
Zugeständnisse für die Wissenschaften und Künste dann aber auch ihren
Niederschlag in den Organisationen finden, in denen geforscht und gelehrt wird:
den Universitäten.
Es ist überhaupt keine Frage, dass die Einrichtungen zur
Hervorbringung wissenschaftlicher Ergebnisse, zur Erschließung der Künste und
zur Vermittlung von Wissenschaft und Kunst an die Studierenden und die
Öffentlichkeit nach jenen Maßstäben zu organisieren und zu führen sind, die
seit jeher die Maßstäbe bilden, die für alle öffentlichen Einrichtungen konstitutiv
sind: Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit.
Aber wir möchten davor warnen, die Ökonomisierung zu weit
zu treiben oder – was auf dasselbe hinausläuft – als Kriterium zu eng zu sehen.
Die Gesellschaft kann zwar erkennen, was die Probleme sind, deren Lösung sie
herbeiwünscht: Aber sie kann weder die Wege noch die Erreichbarkeit der Ziele
abschätzen. Die Wissenschaft hat in dieser Hinsicht eine Sonderstellung in der
Gesellschaft. Die jüngsten Entwicklungen in der Organisation der wissenschaftlichen
Institutionen und in der Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen für
Wissenschafter vermitteln nicht mehr den Eindruck, dass der Politik (der
Gesellschaft?, den Medien?) bewusst ist, unter welchen Voraussetzungen
wissenschaftlicher Fortschritt gelingen kann. Ich beschwöre Sie anzuerkennen,
dass die Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft; in dem durch eine
Verfassung geregelten Gemeinwesen; nur so begriffen werden kann, dass bei der
einzelnen Wissenschafterin, beim dem einzelnen Wissenschafter - allenfalls noch
beim Team - begonnen wird und von diesem Kern weg gewissermaßen nach außen
gearbeitet wird.
Den Universitäten bekommt ein zeitgemäßes
Verwaltungsmanagement ganz ohne Zweifel. Beim Wissenschaftsmanagement indessen
hat der ULV seine Zweifel, ob dieses so weit reichen darf, wie heute bereits
praktiziert. Um es an dieser Stelle nochmals zu betonen:
Die Freiheit von Forschung und deren Verbreitung und
Hinführung in der Lehre bedingt vielmehr Unabhängigkeit der Forscherinnen.
Unabhängige und eigenständige Forscherinnen sind nicht nur die, die sich eine
Karriereleiter hinaufgemüht haben: Denn die Karriereleiter bedingt einen
Handlungsspielraum, um sich auf ihr zu bewegen! Freiheit der Forschung in einer
strikt hierarchisch verfassten Organisation der Forschung ist ein Widerspruch
in sich! Darüber hinaus geben wir zu bedenken:
Die Schulung im Erwerb von Wissen, die Unterweisung in der
Kunst, neues Wissen zu schaffen und die Anwendung des Wissens auf die Probleme
unseres Daseins sind selbst aus dem Blick der liberalsten Wirtschaftslehren
Kondition und Grundelement des Fortschrittes. Nur eine Verfassung der Freiräume
für Forscherinnen und Lehrerinnen und die Institutionalisierung der
Großzügigkeit werden es ermöglichen, im Dienste der Gesellschaft diesen Bereich
in optimaler Weise zu gestalten. Ökonomismus ist fehl am Platze!
Allerdings: Was die Forschung betrifft, so ergibt sich in
zunehmendem Maße eine Schere zwischen Machbarkeit und Brauchbarkeit. Die
Distanz zwischen diesen beiden Eckpunkten wird durch die Zulässigkeit gemessen;
die ist aber eine Funktion, nicht der Machbarkeit, sondern der Brauchbarkeit.
In diesem Sinn ist der Grundwert der freien Forschung zweifelsfrei zu
konditionieren. Das ist in einer pluralistischen Gesellschaft schwierig: Aber ein
intelligent zusammengesetztes Organ mit einer qualifizierten Mehrheitsregel als
Entscheidungskriterium kann (und muss wohl) hier hilfreich sein.
Die Rasanz der Entwicklung in Medizin, Biologe und vielen
anderen Bereichen der Wissenschaften lässt Berücksichtigung schon auf
konstitutioneller Ebene angebracht erscheinen! Wenn und insofern den
Wissenschaften, den Künsten, der Forschung und ihrer Vermittlung in der Lehre
ein Paragraph in einer neuen Verfassung gewidmet werden, so richte ich namens
des ULV an Sie die Bitte:
1. Forschung, Kunst und deren Vermittlung durch Lehre
sollen nicht nur frei sein: Den Ausübenden muss nach Maßgabe der anerkannten
Grundwerte auch Unabhängigkeit zugestanden werden, und zwar nach einer kurzen
Probezeit fast von Anbeginn ihrer Laufbahn.
2. Von den Einrichtungen, in denen Forschung und Künste
betrieben und das Wissen weitergegeben werden, darf durchaus Führung nach den
Maßstäben der Wirtschaftlichkeit gefordert werden, nicht aber automatisch
Ergebnisorientierung in einem völlig sinnwidrigen auf wirtschaftliche
Verwertbarkeit reduzierten Sinn!
3. Die Verträglichkeit wissenschaftlicher Möglichkeiten mit
Grundwerten der Gesellschaft schließlich und damit mit der „Brauchbarkeit“ muss
heutzutage wohl bereits auf konstitutioneller Ebene einer Prüfung zugänglich
gemacht werden können. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke, Herr Professor. Nächster Redner ist der Vertreter
des Lektorenverbandes, Herr Kurt Weissenböck. - Bitte sehr.
Kurt Weissenböck: Namens des Lektorenverbandes danke ich für die
Einladung.
Wir sind im Universitätsgetriebe nur eine sehr kleine
Gruppe und werden verschiedentlich auch von anderen Gruppierungen mit
vertreten. Naturgemäß sind unsere Anliegen ähnliche bis identische, wie sie von
den Vorrednern bereits vorgetragen wurden. In einem solchen Gremium wie hier
ist Zeit kostbar, die Wiederholung von Argumenten würde die Aufmerksamkeit der
Zuhörer eher abstumpfen als sie wecken. Daher darf ich sagen, dass wir, sollte
zu dem Thema etwas konkret Herberes einfallen, als das bisher Gehörte, würden
wir von der Möglichkeit einer schriftlichen Eingabe Gebrauch machen. Ich danke
nochmals für die Einladung. Ich stelle die Redezeit dem Gremium allgemein zur
Verfügung. - Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke auch dafür und darf als nächste Rednerin die
Vertreterin der HochschülerInnenschaft, Frau Patrice Fuchs aufrufen.
Das Motto des bildungspolitischen Diskurses - wie er heute
von verschiedensten Regierungsvertreterinnen geführt wird, lautet offener und
freier Hochschulzugang - bedeutet
eine Minderung von Qualität von Forschung und Lehre. Eine Konsequenz, die sich
daraus ergibt, hat man 2001 schon umgesetzt, nämlich die Abschaffung des freien
Hochschulzugangs durch die Einführung von Studiengebühren. Wir möchten diesem
Motto etwas entgegen stellen, und ich fange an mit ein paar ökonomischen
Gedanken, die ich ins Gespräch bringen möchte: Und zwar, was ist das
Gegenkonzept von offenem und freiem Hochschulzugang? Da kann man sich die
Universitätenlandschaft in England und in den USA anschauen, wie es so genannte
Lead-Universitäten gibt, und zwar sieht es so aus, dass es sehr viele normale
Universitäten gibt und ein paar, zwei, drei Universitäten; mit herausragendem
Ruf, und die finanzielle Ausstattung ist dermaßen, dass alle Universitäten eine
gewisse staatliche Förderung bekommen, Eliteuniversitäten jedoch ein wenig
mehr. Darüber
hinaus können natürlich Elite-Universitäten mehr Drittmittel lukrieren, da sie
durch ihren Ruf mehr Investoren anziehen und sie können natürlich auch höhere
Studiengebühren einheben, da die Studierenden, die sich das leisten können,
natürlich sehr gerne gewillt sind, höhere Gebühren zu zahlen, weil ein
Abschluss auf so einer prestigeträchtigen Universität ein Garant ist für einen hoch dotierten Job.
Die Forscherinnen, die auf normalen Universitäten
ausgebildet werden, die dort auch sehr gut ausgebildet werden, die zieht es
natürlich nach dem Abschluss auch eher auf die Elite-Universität, nicht
unbedingt; weil die inhaltliche Qualität dort höher ist, sondern weil die
Karrierechancen dort eher gegeben sind und die Jobs besser bezahlt werden.
Wenn man das dann zusammenfasst, dann ergibt sich für die
normalen Universitäten in solchen Landschaften folgende Pflichten
beziehungsweise folgende Bedingungen: Sie müssen mit weniger Geld auskommen.
Mit diesem Weniger an Geld müssen sie mehr Studierende ausbilden. Die
Forscherinnen, die sie ausbilden, bleiben nicht an der Institution. Als einzige
Pflicht für die Elite-Universität bleibt diesen übrig, ihren Ruf zu behalten,
damit sie diesen Ruf auch in Zukunft weiterhin in Geld umwandeln können.
Zweitens will ich über den Begriff der Elite an sich
sprechen und über die so genannte Hochbegabtenförderung. Eine Elite definiert
sich im Grunde prinzipiell einmal selber, das heißt, wenn man von
hervorragenden Leistungen der Elite spricht, so ist der, der darüber redet, meistens
jemand, der sich selbst zur Elite zählt, also er lobt sich selber. So hört man
auch sehr oft von Vertreterinnen des Bürgerinnentums die Einschätzung, dass zum
Beispiel die Matura nicht von jeden geschafft werden kann, sondern dazu sei
eine besondere Begabung vonnöten. Was hierbei nicht ausgesprochen wird, ist die
Tatsache, dass scheinbar die Kinder des Bildungsbürgerinnentums durch die Bank
zufällig alle begabt sind, weil sie in der Regel die Matura machen. Und wenn
man sich das jetzt so anschaut, vor zehn Jahren waren noch 80 Prozent der
österreichischen Bevölkerung scheinbar nicht begabt genug, Matura zu machen,
heute sind es nur noch 50 Prozent. Also, es kann sich hier nicht um ein
genetisches Phänomen handeln, sondern ich orte hier eher ein tiefenpsychologisches
Problem, nämlich, dass man Leistungen, die hervorgebracht wurden und zwar durch
Herkunft erleichtert oder vielleicht sogar ermöglicht wurden, im Nachhinein
durch angebliche Begabtheit legitimiert werden sollen.
So gesehen, ist natürlich eine Elite-Universität ein ganz
besonders tolles Angebot, also ein Klassenangebot an eine Gesellschaftsschicht.
Sie können nämlich gegen Bezahlung sich automatisch zu den Besten zählen und
die Konkurrenz wird aufgrund von Mangel an Geld weit abgeschlagen, man muss
sich nicht mehr messen. Eine sehr große Selbstzufriedenheit ersetzt hierbei die
Selbstreflektion.
Drittens möchte ich noch über die Chancen sprechen, die
Bildung Menschen ermöglicht und die niemandem vorenthalten werden sollte. Wer
sich bildet, hat nicht nur bessere Chancen auf einen Job mit Status, sondern
auch bessere Chancen, einen Job zu bekommen, deren Inhalt einen interessiert
und mehr fordert. Das allein sollte schon eigentlich dazu führen, dass
Supermarkt-Kassiererinnen dasselbe Gehalt bekommen wie Akademikerinnen, weil
sie für die Eintönigkeit entschädigt werden sollten.
Und nicht zuletzt erhöht natürlich der Grad der Bildung
auch die Möglichkeit, sich in den demokratischen Diskurs einzumischen und die
Zukunft einer Gemeinschaft voranzutreiben, in die Richtung, die für angemessen
erscheint. Und wenn wir alle der Meinung wären, dass wir in einer großen
Gemeinschaft leben und ein philanthropisches Interesse daran haben, die Zukunft
so zu gestalten, dass jeder Mensch dieselbe Chance erhält, da sollte es doch
selbstverständlich sein, dass alle Bildungsinstitutionen allen Menschen offen
stehen und dass die Inhalte, die dort gelehrt werden, sich nicht nur an
Reputation und Profit orientieren, sondern an Vielfalt und auch Hinterfragen
von Dogmen. – Ich danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke auch für diese Ausführungen und darf als
nächsten Redner den Vertreter des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung,
Herrn Generalsekretär Dr. Kratky aufrufen.
Dr. Gerhard Kratky: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr
geehrten Damen und Herren!
Der Wissenschaftsfonds vertritt die Forschenden in der
Grundlagenforschung in Österreich. Das Thema Grundlagenforschung hat zunehmende
Aktualität gewonnen, weil vor wenigen Tagen Kommissar Busquin eine Mitteilung
der Europäischen Kommission zum Thema „Europa und die Grundlagenforschung“
vorgestellt hat.
In dieser Mitteilung ist eine bemerkenswerte
Neuorientierung der Europäischen Kommission in Richtung der Grundlagenforschung
festzustellen. Insbesondere im Verhältnis USA und Europa hat die Kommission
festgestellt, dass Europa in erhöhtem Maße Anstrengungen in Richtung
Grundlagenforschung machen muss, um Wettbewerbsfähigkeit und damit Wohlstand
sicherzustellen. Es wurde der Zusammenhang zwischen Grundlagenforschung,
angewandter Forschung und Innovationen herausgestrichen und die Notwendigkeit
verstärkter Förderung für die Grundlagenforschung festgestellt.
Es ist hier jetzt nicht der Ort und die Zeit, darauf näher
einzugehen. Ich möchte mich mit den Themen, die den Konvent direkt betreffen,
befassen. Wir gehen davon aus, dass der Artikel 17 der Verfassung, demzufolge
die Wissenschaft und ihre Lehre frei ist, unangefochten ist und sicherlich
weiter bestehen wird. So unangefochten dieser Grundsatz ist, so
präzisierungsbedürftig ist er in einigen Bereichen.
Lassen Sie mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, zwei
ganz konkrete Anliegen herausgreifen, die freilich auch schon von Vorrednern
berührt wurden.
Das erste Anliegen ist eine Festschreibung, der zu Folge
die Finanzierung der Grundlagenforschung - in angemessener Höhe - eine
Staatsaufgabe ist. Ich glaube, das ist eine ganz entscheidende Feststellung und
hier gibt es auch, weltweit gesehen, keine Alternative. Selbst im Eldorado der
Privatwirtschaft, in den Vereinigten Staaten, wird Grundlagenforschung nahezu
ausschließlich vom Staat finanziert.
Das zweite Anliegen, das wir an den Konvent haben, ist die
Festschreibung der Autonomie der Forschungsförderung im Grundlagenbereich. Es
ist nun einmal so, dass niemand besser über die wissenschaftliche Exzellenz und
damit Förderungswürdigkeit von wissenschaftlichen Projekten entscheiden kann,
als die Scientific Community selbst.
Und diese beiden Anliegen, Grundlagenforschung ist
Staatsaufgabe und die Autonomie der Forschungsförderung, hängen natürlich eng
zusammen, sind voneinander abhängig. Und sie sind mit Sicherheit keine
Selbstverständlichkeit. Nicht vor allzu langer Zeit hat ein Mitglied der
Bundesregierung gemeint: Ja, wenn sie – gemeint waren die Wissenschafterinnen
und Wissenschafter – autonom sein wollen, dann sollen sie auch autonom ihre
Finanzierung sicherstellen. Ich würde meinen, dass das ein sehr populärer
Spruch ist, dass er aber durchaus an der Grundidee des Artikels 17
vorbeischrammt. Umso wichtiger ist es, diese beiden Grundsätze, nämlich die
Verankerung der Grundlagenforschung als Staatsaufgabe und die Autonomie der
Forschungsförderung im Schlussdokument des Konvents festzuschreiben. – Danke
vielmals.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön, Herr Generalsekretär. Der nächste Redner ist
der Vertreter des Forschungsförderungsfonds für die Gewerbliche Wirtschaft,
Herr Dipl.-Kfm. Kahler. – Bitte sehr.
Dipl.-Kfm. Günter Kahler‡: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen
und Herren! Es freut mich, dass ich als erster Vertreter der
wirtschaftsbezogenen Forschung das Wort ergreifen darf.
Es waren ja bisher sozusagen die Grundlagenforscher am
Drücker. Die wirtschaftsbezogene Forschung ist in Österreich sehr lange nicht
so richtig eingeschätzt worden. Wir haben auch statistische Zahlen, die nicht
ganz aktuell sind. Inzwischen hat die Wirtschaft einen Gutteil zur Forschung in
Österreich beigetragen, nämlich 60 Prozent der insgesamt ausgegebenen Mittel in
Österreich. Also es ist nicht so, dass die wirtschaftsbezogene Forschung quasi
die Entwicklungen verschlafen hat.
Als Vertreter des FFF habe ich Ihnen zu vermelden, dass der
Fonds selber seit 35 Jahren ein wirklicher Eckstein der wirtschaftsbezogenen
Forschung ist. Wir haben im letzten Jahr zum Beispiel 240 Millionen € für die
wirtschaftsbezogene Forschung zur Verfügung gestellt. Knapp mehr als 50 Prozent
der Mittel sind dabei in Klein- und Mittelbetriebe gegangen.
Abgesehen von diesen Dingen ist es natürlich notwendig – das
hat Österreich wirklich dringend notwendig -, dass endlich eine langfristige
Forschungsstrategie erfolgt. Wie weit das verfassungsmäßig überhaupt eine Rolle
spielt kann ich nicht beurteilen, aber man müsste eine klare Strategie
entwickeln, die auch eine verbindliche Finanzierungsstrategie und Perspektive
beinhaltet. Es müssten wirkliche Leistungsvereinbarungen zwischen Forschern und
den Finanzgebern erreicht werden.
Das ist eine Aufgabe, die nicht leicht ist. Wir haben in
den letzten Jahren immer wieder Strukturdebatten gehabt, wie man das verbessern
könnte, wenn es dann aber um die Finanzierung geht, dann ist weitgehend der
Wille nicht da, hier langfristig zu sagen, diese und diese Mittel sind
notwendig, und die und die Steigerung.
Wir haben schon Studien erlebt, jede Menge, wo natürlich
dann immer sehr, sehr große Mittel für die öffentliche Forschungsförderung
heraus kommen, um den Level von Westeuropa zu erreichen, der dann natürlich
weitgehend verfehlt wurde.
Wir haben das ehrgeizige Ziel, bis 2010 drei Prozent der
Forschungsausgaben, also des BIPs zu haben und jeder weiß, dass das heißt, dass
wir um 50 Prozent zulegen müssen. Wir haben derzeit erst zwei Prozent Forschungsquote
und wenn wir hier wirklich zu den Top-Drei oder zu den Top-Fünf kommen wollen,
müssen wir 50 Prozent dazulegen. Das heißt, die Wirtschaft muss hier wirklich
einen Trapezakt machen, und das kann nur dann passieren, wenn von öffentlicher
Seite eine klare Struktur vorgegeben wird, dass auch die Rahmenbedingungen so
sind. Es sind schon einige Schritte in dieser Richtung passiert, nämlich
steuerliche Möglichkeiten, die jetzt großzügig ausgebaut worden sind. Die
direkte Förderung, die besonders für Klein- und Mittelbetriebe wichtig ist, die
ist ein bisschen auf der Strecke geblieben. Es gibt jetzt schon so genannte
Top-Down-Programme, wo gewisse Technologiefelder angesprochen werden sollen,
das ist aber nicht wirklich ausreichend.
Also nochmals unsere Bitte an den Konvent, darauf zu
schauen, dass das Forschungsförderungsgesetz wirklich eine gute Basis bildet,
und dass auch wirklich eine Strategie für die Forschungsleistungen in der
Zukunft verabschiedet wird. Das wäre unser Anliegen und wir haben auch schriftlich
dazu Stellung genommen, weil fünf Minuten sind relativ kurz für das
komplizierte Thema, Sie wissen das. Es wird seit Jahren und Stunden und immer
wieder verhandelt und ich hoffe, ich habe Ihnen zumindest einen kurzen
Überblick gegeben. – Danke sehr.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön. – Als nächster Redner kommt der Vertreter der
Österreichischen Forschungsgemeinschaft, Herr Generalsekretär Dr. Brix, zu
Wort. – Bitte sehr.
Dr. Emil Brix: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen
und Herren!
Aus der Sicht der Österreichischen Forschungsgemeinschaft
ist es relativ einfach zu formulieren, was die Verfassung regeln und
garantieren sollte. Es ist schon angesprochen worden: Einerseits die
individuelle Wissenschaftsfreiheit und andererseits die Autonomie der in
Forschung und Lehre tätigen Einrichtungen, so wie der
Forschungsförderungseinrichtungen.
Uns scheint vor allem die Unabhängigkeit der teilweise oder
zur Gänze aus öffentlichen Mitteln
finanzierten Forschungsförderungseinrichtungen wichtig, um die Effizienz zu
gewährleisten und die Autonomie dauerhaft außer Streit zu stellen.
An der Frage, wie hoch der Stellenwert der Forschung und
Wissenschaft in Österreich ist, entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit dieses
Landes, wir wissen aber gleichzeitig, dass die Verfassung das nicht entscheiden
kann. Dennoch glauben wir, dass die Förderung der Forschung eine öffentliche
Aufgabe ist, an deren Erfüllung der Staat maßgeblich interessiert ist und er
sollte daher die Förderung der Wissenschaften als eine Zielbestimmung in die
neue Verfassung aufnehmen.
Ich möchte noch zwei speziellere Fragen ansprechen. Nicht
nur der Bund, sondern auch andere Gebietskörperschaften tragen wesentlich zur
Wissenschaftsförderung in Österreich bei. Als eine von Mitteln des Bundes und
der Bundesländer getragene private Einrichtung ist die Österreichische
Forschungsgemeinschaft ein Beispiel für positive Synergien aus diesem
Zusammenwirken mehrerer Gebietskörperschaften. Wir sprechen uns daher für eine
möglichst offene Kompetenzverteilung in der Wissenschaftsförderung aus, um alle
Gebietskörperschaften zu spezifischen Beiträgen zur Wissenschaftsförderung zu
motivieren.
Sicherlich ist die Art der dafür erforderlichen Regelungen
davon abhängig, wie der Konvent insgesamt die Kompetenzverteilung rechtlich
regeln wird. Wichtig erscheint mir, dass jedenfalls in der künftigen Lösung, auch
nicht ungewollt, den Gebietskörperschaften neue Fesseln angelegt werden.
Für die Attraktivität österreichischer
Bildungseinrichtungen und für die Ausbildungschancen der Studierenden ist es
zentral, dass eine klare verfassungsmäßige Absicherung der Möglichkeit,
Vorlesungen, Prüfungen und schriftliche Arbeiten in Fremdsprachen zu halten,
vorgesehen wird. Es wurde schon angesprochen. Ich ersuche die
Konventsmitglieder um Prüfung, ob die bestehenden verfassungsrechtlichen
Bestimmungen ausreichen, um prinzipiell in allen Studienbereichen auch
Fremdsprachen anwenden zu können. Eine übersichtliche Rechtslage würde zu einer
wünschenswerten stärken Verwendung der heute bereits in einzelnen
Studiengesetzen gegebenen Möglichkeiten führen. Ich möchte generell anregen,
dass der Konvent prüft, ob in der Verfassung überhaupt noch eine
Staatssprachenbestimmung erforderlich und zeitgemäß ist.
Erlauben Sie mir abschließend noch ein Wort zu unserer
eigenen Forschungsarbeit. Innerhalb der ÖFG befasst sich eine Arbeitsgemeinschaft
mit dem Titel „Wege zur Civil Society in Österreich“ mit neuen Formen der
Beteiligung von Einzelpersonen und Interessensorganisationen am öffentlichen
Leben und an politischen Prozessen. Meine kritische und bereits in vielen
anderen Stellungnahmen ähnlich formulierte Bemerkung lautet: Die
Zusammensetzung und Arbeitsweise des Österreich Konvents scheint uns nicht
ausreichend zu gewährleisten, dass inhaltliche Anliegen dieses Sektors
umfassend berücksichtigt werden im Entscheidungsprozess für eine neue Verfassung.
Themen wie stärkere Partizipation der Bürger und adäquate Gestaltungsräume für
Nichtregierungsorganisationen sollten daher im Ergebnis der Konventsarbeit über
die Ausschüsse stärker berücksichtigt werden.
Wir wollen daher in den nächsten Monaten die Arbeit des
Konvents in Form eines
zivilgesellschaftlichen Monitorings unterstützen und dabei jene Fragen,
in denen eine neue Verfassung Beiträge zur Stärkung der Civil Society in
Österreich leisten kann, untersuchen. Die Regeln des Umgangs zwischen Staat und
Zivilgesellschaft scheinen uns nicht nebensächlich, sondern sollten - etwa in
Form einer Verpflichtung, bei neuen Gesetzen auch ihre Auswirkung auf das
Verhältnis zwischen Staat und Zivilgesellschaft zu prüfen, sie mögen dies eine
Zivilverträglichkeitsprüfung von Gesetzen nennen - verbessert werden. - Ich
danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke, Herr Generalsekretär. Nächster Redner ist Herr Mag.
Borchardt für den Österreichischen Cartellverband. – Bitte sehr.
Mag. Leo Borchardt:
Herr Vorsitzender! Geschätzte Damen
und Herren!
Ich spreche hier als Vertreter des
Österreichischen Cartellverbandes, des mit über 12.000 Mitgliedern größten
Studenten- und Akademikerverbandes Österreichs. Neben einigen allgemeinen
Bemerkungen werde ich kurz auf die Grundrechte, dann das Fundament von Bildung
und Wissenschaft, nämlich die Schulen, und im Anschluss auf den tertiären
Bildungssektor, also die Universitäten und Fachhochschulen eingehen.
Bildung dient nicht nur der geistigen
Entfaltung und der Identitätsstiftung, Bildung stärkt auch die Chance jedes
Einzelnen am Arbeitsmarkt und den Wirtschaftsstandort Österreich. Die Förderung
von Bildung, Forschung und Wissenschaft ist ein zentraler Bestandteil
staatlichen Wirkens und sollte deshalb im Sinne des Gemeinwohls als
Verpflichtung des gesamten Staates gesehen werden. Das ist eine Zielsetzung,
die man beispielsweise in einer Präambel verankern könnte.
Ich komme kurz zu den Hardfacts, zum
Juristischen. Das momentane Grundrechtsschutzniveau erscheint uns als den
Anforderungen angemessen. Es ist im vollen Umfang aufrecht zu erhalten; das
heißt, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei, wie im Artikel 17
Staatsgrundgesetz verankert, ebenso das künstlerische Schaffen, die Vermittlung
von Kunst und Wissenschaft. Uns ist es aber wichtig, dass die durch die
Schöpfungsverantwortung definierten ethischen Grenzen wissenschaftlichen
Schaffens respektiert werden.
Die Grundlage des Bildungssystems und
vernünftiger Wissenschaft und Forschung, das ist die Schulbildung. Sie beginnt
mit der Volksschule, geht weiter über zu den Mittelschulen, wo es zu einer
Differenzierung kommt. Es ist unsere Meinung, dass sich dieses differenzierte
Schulwesen in Österreich bewährt hat. Es bietet jeder Schülerin und jedem
Schüler einen auf seine bzw. ihre Fähigkeiten und Neigungen abgestimmten
Bildungsweg und erlaubt auch die Förderung spezieller Begabungen, genauso wie
den Abbau von Defiziten einzelner Schülerinnen und Schüler.
Vordringlichstes Ziel etwaiger
Reformen im Schulbereich sollte unserer Ansicht nach die Hebung des Niveaus,
vor allem der städtischen Hauptschulen sowie der Reifeprüfung sein. Auch auf
die österreichweite Vergleichbarkeit von Leistungsbeurteilungen sollte Wert
gelegt werden. Außerdem fordern wir, dass das Schulwesen von ideologischen
Einflüssen frei gehalten wird. Es muss also langfristig zu einer
Entpolitisierung der Schulverwaltung kommen.
Was das tertiäre Bildungswesen
betrifft, so ist dieses in den letzten zehn Jahren tief greifenden
Veränderungen unterworfen gewesen, die vom Österreichischen Cartellverband
grundsätzlich begrüßt wurden. In Zentrum der Bemühungen stand da vor allem die
Qualitätssteigerung, also Internationalisierung, mehr Effizienz, mehr
Autonomie, sowie die Abrundung des Bildungsangebots in Form der Einführung von
Fachhochschulen auf der einen Seite und erst kürzlich der Bakkalaureats- und
Masterstudien auf der anderen Seite.
Es ist unsere Ansicht, dass Wettbewerb
in den meisten Fällen die Qualität steigert, weshalb er im tertiären
Bildungsbereich unbedingt einzufordern ist. Um das Leistungsniveau nachhaltig
zu erhöhen, muss das den Universitäten durch das UG 2002 zugestandene Mehr an
Autonomie, also die Unabhängigkeit in inneren Angelegenheiten, von den
Universitäten auch voll ausgenutzt werden. Langfristig wird das dann zu einer
stärkeren Differenzierung des Hochschulsystems führen; die besten Studierenden
werden auf lange Sicht dann auch die besten Professoren verlangen und
umgekehrt.
Positive Effekte sehen wir vor allem
mit der zunehmenden Internationalisierung der Universitäten verbunden,
beispielsweise durch mehr Lehrveranstaltungen und Prüfungen in Fremdsprachen.
Das Gleiche gilt für die Steigerung der Studierendenmobilität: Hier ist eine
der zentralen Forderungen des Österreichischen Cartellverbandes ein
verpflichtendes Auslandssemester für alle. Der dritte Punkt ist die
strategische, gezielte Förderung von Innovationsprozessen, also zum Beispiel
durch interdisziplinäre Forschungszentren und Cluster, beispielsweise in
Kooperation mit der Wirtschaft. Forschung muss im Österreich von Morgen mehr
Bedeutung zugemessen werden als heute.
Zusammenfassend darf ich noch einmal drei Punkte, die
mir und dem Österreichischen Cartellverband wichtig erscheinen, darlegen.
Erstens: die Grundrechte sind im Bereich Bildung, Wissenschaft und Forschung
momentan sehr gut auf die Anforderungen zugeschnitten, der Schutzstandard
sollte so fortgeschrieben werden. Zweitens: die Universitätsautonomie wird von
uns grundsätzlich begrüßt, die Unis sollen aber auch etwas machen aus den ihnen
eingeräumten Möglichkeiten. Und drittens: wir fordern Leistungssteigerung durch
Internationalisierung und mehr Wettbewerb, eine unserer zentralen Forderungen
ist da das verpflichtende Auslandssemester für alle. - Ich danke für Ihre
Aufmerksamkeit!
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke,
Herr Magister! Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Univ. Prof. Dr. Wendelin
Schmidt-Dengler. - Ich bitte um die Wortmeldung.
Mag. Dr.
Schmidt-Dengler: Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren!
Aufgefordert, als Geisteswissenschaftler über die
verfassungsmäßige Verankerung der Wissenschaft zu sprechen, habe ich zunächst
für die erwiesene Ehre zu danken, zum anderen, meine Inkompetenz in
juristischen Fragen im Vorhinein zu fatieren. Und, was die professionelle
Qualifikation meiner Stellungnahme angeht, nur auf den Gebrauch der Sprache
hinzuweisen, damit aber auch auf eine sehr wohl vorhandene Kompetenz der
Geisteswissenschaft in einem juristisch definierten und gesellschaftlich
determinierten Bezugsfeld, mit anderen Worten: Auch die Geisteswissenschaften
verdienen es, in diesem Zusammenhang gehört zu werden, zumal sie zu einem nicht
unbeträchtlichen Teil im öffentlichen Gespräch präsent sind, ihr tatsächliches
Vorhandensein aber erst dann bemerkt wird, wenn sich Gelüste zu ihrer
Abschaffung in der Öffentlichkeit regen.
Dass die Wissenschaft und ihre Lehre frei seien, wird durch
das Gesetz festgeschrieben, wobei sich jedoch bei mir als Philologen, oder wenn
Sie so wollen, Semantiker die Frage einstellt, was denn Wissenschaft und
Freiheit bedeuten. Am wenigsten Schwierigkeiten wird man wohl mit dem Begriff
der Lehre haben, obwohl auch diesbezügliche Auffassungen im hohen Maße
different sein dürften. Grundsätzlich ist zu sagen, dass es sehr wohl
qualitätssichernde Kriterien gibt, dass jedoch die Grauzone, in der wissenschaftliche
Aussagen in nicht-wissenschaftliche oder gar unwissenschaftliche übergehen,
sehr ausgedehnt ist. Das gilt nicht nur für den schwankenden Boden der
Geisteswissenschaften, wie ich mich habe informieren lassen. Ich würde übrigens
auch dem Urteil des Herrn Kollegen Brix zustimmen, Prüfungen in Fremdsprachen
abnehmen zu sollen, würde aber bitten, für die Germanistik, weiterhin das
Deutsche als Umgangssprache gelten zu lassen.
Dass die Qualitätssicherung nicht durch ein ausgeklügeltes
hierarchisches System allein erfolgen kann, steht wohl außer Zweifel bis zum
gegenwärtigen Zeitpunkt. Indes wird immer wieder als letzte Instanz doch auf
dieses hierarchische System rekurriert. Damit bin ich schon in dem Dilemma, dem
Wissenschaft und Lehre ausgesetzt sind. Um diese Freiheit und die notwendige
Qualität zu garantieren, bedarf es auch der zuverlässigen Kriterien und einer
wirksamen Verwaltung derselben von Forschung und Lehre. Bis jetzt wird immer
auch die Habilitation als eines jener Kriterien genannt, die doch sehr
wesentlich sind; und mir scheint die Habilitation doch ein Punkt zu sein, an
dem man nicht so leicht vorbeigehen sollte.
Dies alles mag bei der Schaffung des UG 2002 als Absicht im
Hintergrund gestanden sein. Die Konzeption des Gesetzes, die rasche Beschlussfassung,
vor allem die Durchführung in Einzelfällen zeigt an, dass dabei mit dem
Verzicht auf eine demokratische Grundkonzeption in der Wissenschaftspraxis in
Österreich Zustände eintreten, die deren Freiheit nicht nur im weitersten Sinne
dieses Begriffes gefährden, sondern auch deren Substanz bedrohen.
Der durchaus verständliche Wunsch nach einer Straffung der
Verwaltung wird zur Legitimation unumschränkter Machtausübung durch wenige, man
könnte sagen, auch der Rektorate. Die gremiale Absicherung scheint als ein
Relikt längst vergangener Epochen. Die Einbindung verschiedener, an den
Universitäten vorhandener Gruppen wurde auf ein Minimum beschränkt, die
Kontrolle liegt in den Händen weniger. Die subtilen, und auf lange
Diskussionsprozesse zurückgehenden Studiengänge, die auch den Ansprüchen der
Studierenden gerecht werden sollten, wurden nicht dadurch verbessert, dass man
sich Klarheit über die zweifellos vorhandenen Mängel verschaffte, sondern ist
einer heillosen Reformhysterie verfallen, sah sich genötigt, schnell
abzuschaffen, was sich bewährt hatte, und wurde sich so der tatsächlich
vorhandenen Mängel kaum bewusst.
Die gremiale Verwaltung wurde als ineffizient denunziert,
als Territorium einer vor allem von den gut situierten und faulen Vertretern
des Mittelbaus abgewertet. Man verwies darauf, dass die attische Demokratie –
und das ist ein Relikt der humanistischen Bildung offenkundig -, dass die
attische Demokratie auch ein Opfer dieser Diskussionssucht geworden sei. Ich
kann aus meiner Erfahrung nur sagen, dass in diesen Gremien sicher viel,
manchmal zu viel diskutiert wurde, dass wir aber - und das gilt auch für die
Professoren, deren Möglichkeit zur aktiven Anteilnahme nun auch weitgehend
beschnitten sind - uns immerhin vertreten fühlen durften, und auch auf diese
Vertretung Einfluss nehmen konnten.
Schlagwörter wie: Universitäten im Wettbewerb, so der Titel
eines wissenschaftstheoretisch äußerst dünnflüssigen Reformelixiers vor etwa
vier Jahren, traten an die Stelle eines demokratisch orientierten Konzeptes,
wobei die Regeln für diesen Wettbewerb kaum oder gar nicht definiert sind. Dass
sich Wettbewerb in der Wissenschaft automatisch einstellt, ist ebenso klar wie
der Umstand, dass dessen offizielle Institution auf dem menschlich so sensiblen
Territorium der Wissenschaftspraxis eine neue und unnötige Konfliktzone
etabliert.
Reflektierte Reform wurde das Opfer eines
Innovationsterrors, der alles, was sich nicht kompromisslos zu diesen
Erneuerungen bekannte, der Rückständigkeit zieh. An ihren Früchten wird man sie
erkennen. Die Neueinführung des UG 2002 hat bei den Angehörigen der
Universitäten, bei Professoren, beim Mittelbau, bei den Studierenden zu tiefen
Verunsicherungen geführt, freilich von Universität zu Universität verschieden.
Die Vorgänge an der Universität Wien sind ein deutliches
Indiz, wobei ich nicht jene bedenklichen Ereignisse meine, die sich in der
Vorwoche in Wien abspielten. Die Öffentlichkeit, besondern in Österreich, nimmt
so etwas ja nur dann wahr, wenn es ein Spektakel dieser Art gibt. Und die Presse teilt mit großen Teilen
der Bevölkerung das antiakademische Ressentiment und bedient sie auch damit. Zu
fragen wäre - und ich glaube, das Ressentiment ist nicht ganz unberechtigt – zu
fragen wäre, warum es ein solches Ressentiment gibt. Aber diese Reform wird es
nicht beseitigen, nein, sie wird viel mehr dafür sorgen, dass die Universitäten
weiterhin einem autoritären Prinzip unterliegen, unter dem Vorwand, dass so die
Verwaltung besser und weniger kostspielig wird.
Die Freiheit der Wissenschaft mag durch das Gesetz in der
Theorie garantiert sein. Und in der Tat: Gerichtlich verfolgt oder gar
abgeurteilt ist im Österreich der zweiten Republik wegen einer
wissenschaftlichen These wohl niemand worden. Das aber ist wohl nur die Minimalanforderung.
Zur Freiheit der Wissenschaft gehört auch ein Universitätsgesetz, das die
demokratische Struktur der Universitäten garantiert. Kein Verein ließe sich
solche Strukturen gefallen.
Das UG 1975, so kritikwürdig es auch in einigen Punkten
war, garantierte eine andere Dimension der akademischen Freiheit als das UG
2002. Österreich konnte in dieser Hinsicht als fortschrittliches Land gelten.
Mit Blick darauf verurteile ich den Verlust dieser Qualitäten, die mit einem
hässlichen Euphemismus als Rückbau gekennzeichnet werden, und bitte um
Verständnis dafür, wenn ich mich angesichts dieser Art von Revolution und
Evolution und Innovation als konservativ verstehe.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler:
Herr Professor! Ich danke Ihnen für die mit großem Engagement vorgetragene
Wortmeldung, die, wie Sie auf Grund des Applauses ja sehen konnten, auf große
Zustimmung unter den Mitgliedern des Konvents gestoßen ist.
(Dr. Khol: Das ist ein leichtfertiger Umgang mit der
Sprache, das ist eine Verharmlosung des Begriffes „autoritär“!)
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler : Wir werden auch das zu Protokoll nehmen.
Nächster Redner ist Herr Ralph Schallmeiner von der
Österreichischen Hochschülerschaft. Ich bitte um die Wortmeldung.
Ralf Schallmeiner: Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr
Vorsitzender! Sehr geehrte Mitglieder des Konvents!
Gleich vorne weg ein großes Dankeschön dafür, dass die ÖH
nochmals die Möglichkeit erhalten hat, hier zu sprechen. Ich möchte endlich,
wie meine Vorrednerin Patrice Fuchs, nochmals auf die studentische Sicht des
Themas eingehen. Wenn ich mir die jetzige Situation ansehe, dann kommt mir
persönlich zumindest ein bisserl das kalte Grausen. Wir haben zwar theoretisch
den freien und offenen Zugang – zumindest wurde er öfter schon erwähnt – zur
Bildung, jedoch Studiengebühren, Numerus Clausus-Debatte und Schulgelddebatten
sind dazu da, um eben diesen in Frage zu stellen. Zu dem gibt es derzeit eine
immer weiter fortschreitende Trennung zwischen Forschung und Lehre.
Zur Freiheit von Forschung und Lehre fällt mir derzeit nur
so viel ein, dass ich sagen muss, kritische Forschung, sehr oft auch als
Grundlagenforschung bezeichnet, ist regelrecht unterfinanziert, kritische Lehre
ebenfalls. Lehre richtet sich heutzutage nicht mehr nach den Inhalten, sondern
in erster Linie nach der Finanzierung. Demnach muss man angesichts dieser
Situation sagen, es sieht nicht gerade sehr gut aus. Dabei wäre gerade Bildung
die Chance für dieses Land. Sie ist die Chance für das Weiterkommen, für das
persönliche materielle Weiterkommen. Bildung ist Chance für die Gesellschaft an
sich, eben die so genannte Wissensgesellschaft, und natürlich eine sehr, sehr
große Chance, wenn nicht die größte Chance für die Volkswirtschaft der Republik
Österreich.
Wenn man sich, um nochmals kurz darauf zurück zu kommen,
erst sagt, Chance für das materielle Weiterkommen des Einzelnen, so braucht man
sich nur die soziale Struktur ansehen. Die Kolland-Studie, die von Frau
Ministerin Gehrer in Auftrag gegeben wurde, beweist es deutlich. Höhere Bildung
hängt vom sozialen Hintergrund der Studierenden ab. Bildungsferne Schichten,
also sozial niedrigere Schichten, werden immer weiter und weiter wieder
ausgeschlossen von höherer, von qualitativ hochwertiger Bildung.
Wenn ich von einer Chance spreche, dann muss man auch
sagen, Chancen müssen finanziert werden. Es heißt, es müssen die Ressourcen für
diese Chancen gewährleistet sein. Wenn ich mir ansehe, Skandinavien gibt
derzeit 1,6 bis 2,0 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt für höhere
Bildung aus, Japan bewegt sich konstant seit Jahren und Jahrzehnten bei zirka
2,0 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt, die USA, obwohl diese ein
sehr privates System haben, wie wir heute schon gehört haben, geben zirka
2,5 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt für höhere Bildung aus.
Österreich im Jahr 2003 1,11 Prozent! Außer uns gibt innerhalb der OECD
nur Tschechien weniger für höhere Bildung aus.
Das schlägt sich natürlich auch in der Akademikerinnenquote
nieder. Skandinavien, dort haben wir Länder, wo bis zu 60 Prozent und
mehr, was ich mir erst gerade habe sagen lassen, sogar mehr Menschen, die einen
akademischen Titel tragen. Dort ist offensichtlich Chancengleichheit
gewährleistet. Dort ist es egal, welches Geschlecht ich habe oder aus welchem
sozialen Hintergrund ich komme. Ich habe dort offensichtlich die Chance, eher
zu einem akademischen Grad zu kommen, eher höhere oder hochwertige Bildung in
Anspruch zu nehmen als hier in Österreich. Österreich liegt zum Vergleich bei
derzeit 14 Prozent, soweit ich es jetzt richtig im Kopf habe.
Was hat das jetzt alles mit der Verfassung zu tun? Nun, ich
habe mir einmal in einem Seminar erklären lassen, die Verfassung ist so etwas
wie eine Staatszieldefinition, ist etwas wie ein Aufgabenkatalog an eine
moderne Republik, ist so etwas wie der Rechte- und Pflichten-Katalog für die
Menschen und von den Menschen. Das Staatsziel aus meiner Sicht und auch aus
Sicht der Österreichischen Hochschülerschaft muss sein, Chancengleichheit für
alle herzustellen. Es muss Staatsziel werden, Bildung und Wissenschaft so zu
etablieren, dass eben wirklich alle Anspruch darauf haben, dass Alle in diesem
Land die gleiche Chance haben, diese Bildung, diese wissenschaftliche Bildung
in Anspruch zu nehmen. Der Aufgabenkatalog muss es demnach sein, dass es
Strukturen braucht, die diese Chancengleichheit wahren beziehungsweise
erstellen und sichern. Und die Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat müssen
es sein, dass ich in Zukunft wieder ein Recht auf freien Bildungszugang habe,
dass ich in Zukunft auch wieder das Recht auf offenen Bildungszugang habe. Daher
ist es natürlich auch aus meiner Sicht die Pflicht des Staates, dafür Sorge zu
tragen, dass Freiheit von Forschung und Lehre genau so wieder gewährleistet
sind, unabhängig von der Wirtschaftlichkeit der Forschung, unabhängig von der
Wirtschaftlichkeit der Lehre, dass ein freier und offener Bildungszugang - wie
gesagt - eben wieder in Österreich Einzug hält. Dies bedarf ausreichender
Finanzierung und entsprechender Rahmenbedingungen, vor allem demokratischer
Rahmenbedingungen und nicht so wie jetzt durch das UG 02 gewährleistet.
Daher fordere ich Sie als Verantwortliche auf, keine
Lippenbekenntnisse abzugeben, sondern eine eindeutige Festschreibung in der
Verfassung als Ziel, Aufgabe, und als Rechte und Pflichten des Staates
anzusehen, dass Bildung offen und frei für Alle sein müssen. – Danke schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön. Nächster Redner ist Herr Mag. Harald
Stefan. Ich bitte um die Wortmeldung.
Mag. Harald Stefan: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Freiheit der Forschung und Lehre sowie die Meinungsfreiheit
im Allgemeinen sind scheinbar selbstverständliche Grundlage unserer
demokratischen Grundordnung und insbesondere der Universität. Hier setzt jedoch
mein Ansatz und mein Anliegen an den Österreich-Konvent aus Sicht eines
waffenstudentischen Korporierten an.
Ein zunehmend einschränkendes Meinungsklima, zum Teil mit
Gesinnungsschnüffelei und politischer Durchleuchtung, hat sich an den
Universitäten breit gemacht. Diese Geisteshaltung wird von Teilen der
demokratisch nur sehr unzureichend legitimierten Hochschülerschaft und von
Gruppen außerhalb derselben an die Universität gebracht. Hintergrund ist oft
eine als totalitär zu bezeichnende Gesinnung, die andere Meinungen zu
unterdrücken versucht. Selbst mit den Mitteln der Gewalt gegen Sachen und auch
gegen Menschen; die jüngsten Vorfälle an der Universität belegen das.
Bereits in früheren Jahren hat sich beispielsweise bei der
Bestellung auswärtiger Professoren diese intolerante Vorgangsweise als sehr
negativ für die wissenschaftliche Reputation unserer Universitäten und unseres
Landes erwiesen. Häufig haben an sich fachlich höchst qualifizierte
Wissenschafter vor einer konkreten Bewerbung zurückgeschreckt. Der Grund: die
missbrauchte so genannte studentische Mitbestimmung. Die Wissenschafter wollten
sich bohrenden Fragen zu ihrer Weltanschauung und ihrer
gesellschaftspolitischen Einstellung nicht stellen. Der Schaden für die
Qualität der Universitäten ist evident. Wirkliche Kapazitäten machen häufig
einen Bogen um Österreich. Die Universitätsreform 2002 war daher insofern ein
Schritt in die richtige Richtung.
Ein weiterer Aspekt ist das Klima der geistigen Freiheit an
der Universität im Allgemeinen. Wesentliche Voraussetzung für wissenschaftliche
Spitzenleistungen, wie wir wissen. Und was gehört zu dieser geistigen Freiheit?
Insbesondere, dass man die Vielfalt der Meinungen und Ausdrucksformen als Wert
anerkennt. Ein Teil dieser Vielfalt sind auch die waffenstudentischen
Korporationen. Verbindungen von Studenten und Akademikern, die seit mehr als
150 Jahren mit den Hochschulen auf das engste verbunden sind. Voraussetzung für
die lebenslange Mitgliedschaft ist immerhin der erfolgreiche Abschluss eines
Studiums.
Fächer- und generationsübergreifende Zusammenarbeit ist bei
diesen Korporationen Selbstverständlichkeit. Die Forderungen der Revolution 1848,
die die freiheitlichen Grundrechte überhaupt erst möglich gemacht haben, sind
Grundlage dieser Korporationen. Der Freiheitsbegriff schließt die Verantwortung
für die Gemeinschaft ein. Gemeinsam mit dem Ehrbegriff als dem unbedingten
Eintreten für eine als richtig erkannte Sache führt das dazu, dass diese
Korporationen auch Leistungseliten für die Gesellschaft sind. Wer jedoch im
Gegensatz dazu die Universität als Hort der Verwirklichung eigener
gesellschaftspolitischer Modelle sieht und dies mit allen Mitteln durchsetzen
will, muss die Korporationen als Angriffsziel erkennen. Und so ist es auch.
Immer wieder wurde Gewalt gegen das Auftreten von
Korporierten angedroht und auch ausgeführt. Selbst ein Denkmal an der
Universität Wien für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges wurde beschädigt.
Niemals jedoch – das muss schon erwähnt werden – ist Gewalt von Korporierten
ausgegangen.
Hier setzen nun meine drei konkreten Anliegen für den
Österreich-Konvent an:
Erstens: Die Universitäten müssen ihr freies Meinungsklima
zurückerhalten. Die Universitäten und deren Organisationen dürfen der Gewalt
nicht weichen oder diese durch Nachgiebigkeit sogar indirekt fördern. Nicht die
Veranstaltungen derer dürfen verboten werden, gegen die Gewalt angedroht oder
verübt wird, sondern die Täter müssen in die Schranken gewiesen werden.
Zweitens: Konkret darf die Präsentation der Korporationen,
nämlich das Farbentragen an der Universität und das traditionelle Verhalten,
etwa bei Promotionen, nicht beschränkt werden. Und schließlich
Drittens: muss gewährleistet sein, dass wissenschaftliche
Größen nicht wegen intoleranter Kleingruppen unsere Hochschulen meiden.
All dies im Sinne der Freiheit der Wissenschaft und damit
zum Wohl der Bildungsqualität in Österreich.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön. Wir haben damit den Bereich Wissenschaft
abgeschlossen und kommen nun zum zweiten Bereich, den wir heute Vormittag
behandeln, nämlich den Bereich Bildung.
Erster Redner dazu ist der Vertreter des Europäischen
Forums für Freiheit im Bildungswesen, Herr Mag. Zach. – Bitte sehr, Herr
Magister.
Mag. Ernst Zach: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte
Damen und Herren! Vorerst vielen Dank für die Möglichkeit, die Positionen von
EFFE Österreich dem Europäischen Forum für Freiheit im Bildungswesen, welches
in Österreich die Waldorf-Schulen, Montessori-Schulen und Alternativschulen
vertritt, dem Konvent vorstellen zu dürfen.
Zur Ausgangssituation möchte ich nur schnell auf die
Bildung betreffenden Abschnitte der UNO-Menschenrechtsdeklaration, der
Europäischen Menschenrechtskonvention und des Entwurfs zur Europäischen
Verfassung verweisen, die als grundlegende Dokumente sicher bekannt sind und
die ich auf Grund des knappen Zeitrahmens zu zitieren mir spare.
Zusammengefasst beinhalten alle diese
Menschenrechtskonventionen für uns zweierlei, und dies sind auch die Forderungen,
für die EFFE Österreich einsteht:
Erstens: Alle Eltern haben das Recht, die Art der Bildung
für ihre Kinder selbst zu wählen. Und zweitens: Es ist Aufgabe des Staates,
unabhängig von der Wahl des Bildungsweges, seinen Kindern die Bildung unentgeltlich
zur Verfügung zu stellen.
Die Situation in Österreich entspricht diesen klar
definierten Menschenrechten in der Praxis aktuell nicht. Zum einen ist die Wahl
der Bildung stark eingeschränkt, da das Curriculum der öffentlichen Schulen als
Maßstab für alle anderen Bildungswege festgelegt ist. Entweder muss jedes Kind,
welches anderen Bildungswegen folgt, am Ende eines jeden Jahres eine
Externistenprüfung nach den Kriterien des öffentlichen Schulwesens ablegen,
oder das Kind geht in eine Schule, deren Lehrplan als dem öffentlichen
Curriculum gleichwertig erkannt wurde.
Dies bedeutet folgerichtig, dass Eltern nicht das
Bildungsziel, sondern höchstens einen Bildungsweg, der aber auf das staatlich
vorgeschriebene Bildungsziel hinführt, wählen kann. Das ist nicht die wahre
Freiheit der Wahl.
Aktuell wird die Bewertung der Gleichwertigkeit der
Lehrpläne recht liberal gehandhabt. Ein Danke an dieser Stelle an die
zuständigen Stellen des Bildungsministeriums. Es besteht jedoch, solange der
rechtliche Anspruch auf einen eigenen Bildungsweg nicht verankert ist, die
permanente Gefahr, dass Vorgaben und Vorschriften durch die staatliche
Bildungspolitik – und sei es durch eine falsch verstandene Evaluation am
Kriterium eines staatlichen Curriculums – alle Freiheit der Wahl mit einem
Schlag zunichte machen.
Als zweiter Punkt zur aktuellen Situation ist anzuführen,
dass das Recht auf Kostenfreiheit der Bildung bei freier Wahl des Bildungsweges
in keiner Weise gegeben ist. Vielmehr verhindern oft die Kosten, die bei einer
freien Wahl des Bildungsweges entstehen, die freie Entscheidung. Konkret
bedeutet dies, dass in Schulen in freier Trägerschaft in der Regel 90 und mehr
Prozent der Kosten durch die Eltern selbst bestritten werden. Eine Ausnahme
bilden hier, in Umkehrung der Relation, die Schulen in konfessioneller
Trägerschaft, denen seitens des Staates über Personalsubvention 80 bis 90
Prozent der Aufwände ersetzt werden.
Als Vertreter der nichtkonfessionellen Schulen in
Trägerschaft, also der Waldorf-, der Montessori- und der Alternativ-Schulen
Österreichs, komme ich nicht umhin festzustellen, dass Eltern in unseren
Schulen doppelt belastet sind: Sie müssen einerseits für den Erhalt und Betrieb
ihrer Schulen finanziell und mit Arbeitsleistung aufkommen und gleichzeitig
über die Steuerlast auf das öffentliche und private Schulsystem mit
finanzieren. Das ist eine - für alle einsichtig - zu tiefst ungerechte
Situation, die auch allen – den bereits beschlossenen wie geplanten –
Menschenrechtskonventionen zur Bildung Hohn spricht.
Die Anregungen und Forderungen von EFFE Österreich an den
Österreich-Konvent für die Berücksichtigung in der Österreichischen Verfassung
sind sinngemäß folgende – und ich bitte hier an dieser Stelle gleich um
Verständnis für die Vergröberung in der Ausführung, die in der sehr kurzen
Redezeit begründet ist.
Erste Forderung: Die Bildungsfreiheit, die Wahl eines
eigenen Bildungsweges, muss gesichert werden. Seitens des Staates dürfen keine
einschränkenden, und seien es auch noch so gut gemeinte, pädagogische Vorgaben
gemacht werden, die die freie Wahl des Bildungsweges einschränken. Eine
prinzipielle Normierung an einem staatlich festgelegten Curriculum darf einfach
nicht sein.
Zweitens: Die freie Wahl des Bildungsweges muss nicht nur
theoretisch, sondern muss auch faktisch für alle möglich sein. Hier ist
gleichzeitig auch Fairness für alle Schülerinnen und Schüler an freien Schulen
gefordert: Es darf nicht sein, dass es Eltern mehrere tausend Euro pro Jahr und
viele Stunden unentgeltlicher Arbeit zusätzlich kostet, ihr Kind an einem
Bildungsweg der eigenen Wahl teilnehmen zu lassen. Der Anspruch auf
unentgeltlichen Bildungszugang bei freier Wahl des Bildungsweges muss in der
Verfassung verankert sein.
Es ist unsere feste Überzeugung, dass es sich einerseits
Österreich nicht leisten kann, grundlegende Menschenrechte zu ignorieren und
andererseits, wie sich an den Beispielen, wo unsere Schulen als Impulsgeber
fungieren, zeigt, dass Österreich mit der gesamten Bildungslandschaft und all
seinen Menschen von einem offenen und vielfältigen Zugang zu Bildung und Schule
unendlich profitieren kann.
Wir haben hier den glücklichen Umstand einer klassischen
Win-Win-Ausgangssituation, an der alle nur profitieren könnten. Bitte, helfen
Sie uns, diese Chance zu ergreifen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke, Herr Magister. Die nächste Wortmeldung steht
beim Vertreter der Konferenz der Erwachsenenbildung, Herrn Mag. Petrasch. –
Bitte sehr, Herr Magister.
Mag. Hubert Petrasch: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Ich danke für die Möglichkeit, für die Konferenz der Erwachsenenbildung
in Österreich zu Ihnen sprechen zu dürfen.
Die Konferenz der Erwachsenenbildung in Österreich ist der
Zusammenschluss von 9 Dachverbänden gemeinnütziger Bildungsanbieter und dem
Österreichischen Büchereiverband auf der Basis des EB – Förderungsgesetzes. Die
KEBÖ repräsentiert den größten Teil des gemeinnützigen Bildungsangebotes in
Österreich. Die KEBÖ – Einrichtungen beschäftigen rund 4.200 hauptamtliche und
rund 50.000 nebenberufliche Mitarbeiter/innen (Referierende, Trainer/Innen
etc.). Weiters sind rund 24.000 Personen ehrenamtlich tätig. In rund 180.000
Bildungsveranstaltungen werden knapp 5 Mio. Teilnahmen jährlich gezählt.
2. Begrifflichkeit
In vielen bis heute gültigen Gesetzestexten ist vom
„Volksbildungswesen“ und vom „Volksbüchereiwesen“ die Rede. Diese Begriffe sind
nicht mehr gebräuchlich. Wir sprechen in Österreich von Erwachsenenbildung als
umfassendem Begriff. Teil der Erwachsenenbildung ist die berufliche Aus- und
Weiterbildung. Die Erwachsenenbildung ist eine der drei konstitutiven Säulen
des österreichischen Bildungssystems (Schule, Universität, Erwachsenenbildung).
3. Grundsatzparagraph
Sollte der Konvent Grundsatzparagraphen formulieren, so
schlägt die KEBÖ vor, das Grundrecht auf Bildung wie folgt zu konkretisieren:
Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung, auf Zugang zu Schule, Universität und
Erwachsenenbildung. (Vgl. Grundrechtscharta der EU II-14: Jeder Mensch hat das
Recht auf Bildung sowie auf Zugang zur Beruflichen Ausbildung und
Weiterbildung.)
4. Bildung in Bundesverantwortung
Unsere vielschichtige und komplexe Gesellschaft bedarf
eines umfassenden Bildungssystems, das die Menschen zu Autonomie und
Verantwortung befähigt und sie beruflich qualifiziert. Die Erwachsenenbildung stellt einen
wesentlichen, stark expandierenden Teil des österreichischen Bildungssystems
dar, quantitativ betrachtet den größten. Bildung ist in den wesentlichen
Bereichen Bundeskompetenz. Als eine der drei konstitutiven Säulen des
Bildungssystems fällt daher auch die Erwachsenenbildung in die Kompetenz des
Bundes. Diese Verantwortung muss auch weiterhin – sogar verstärkt –
wahrgenommen werden (Bildungspolitik, Rahmenbedingungen, Grundförderungen).
Damit verbunden ist eine klare Kompetenzverteilung mit den Ländern:
(1) Die starke
Ausweitung und Diversifikation des Weiterbildungsmarktes erzeugt bei den
unterschiedlichen Akteuren einen Bedarf an bundeseinheitlicher Reglementierung
(Transparenz, Qualität, Vergleichbarkeit, Anerkennung, Förderrichtlinien,
etc.).
(2) Das
Ausmaß des sich derzeit in Europa vollziehenden wirtschaftlichen und sozialen
Wandels machen einen völlig neuen Ansatz im Bildungsbereich erforderlich. Das
von der EU propagierte „lifelong learning“ (Lebenslanges Lernen) ist das
umfassende Konzept, das alle Arten des Lehrens und Lernens einschließt. Der
Bund wendet bislang nur sehr bescheidene Mittel für die Förderung der
Erwachsenenbildung auf. Dies wurde u.a. in der OECD-Studie zur Finanzierung des
Lebenslangen Lernens (1999) und im Rechnungshofbericht (2000) kritisiert. Hier
sind in Zukunft verstärkte Anstrengungen des Bundes notwendig, mittelfristig
auch Überlegungen zur Verlagerung
(wo nötig und sinnvoll) von Teilen der Erstausbildung in die
Erwachsenenbildung.
(3) Weiters
ergeben sich im Bereich der Erwachsenenbildung durch die Mitgliedschaft
Österreichs in der Europäischen Union zahlreiche Notwendigkeiten einer
bundweiten Koordination (EU-Bildungsprogramme, Teile des ESF + der
Gemeinschaftsinitiativen, Teile des NAP und des BEST, Initiativen wie
e-Learning und das Europäische Jahr der Sprachen) und Vertretung in Gremien.
Das Engagement der Bundesländer und der Gemeinden für die Erwachsenenbildung
ist auch zukünftig sehr wichtig und notwendig (Regionale Aspekte, Teilzielgruppen,
Arbeitnehmerinnenförderung), wobei Länderregelungen zwischen den einzelnen
Bundesländern möglichst abgestimmt werden sollten.
Danke schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Herzlichen Dank, Herr Magister. Als nächster zu Wort
gemeldet ist der Vertreter der Fachhochschulkonferenz, Herr Mag. Jungwirth. -
Bitte sehr.
Mag. Werner Jungwirth: Sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Damen und Herren des Konvents! Vorerst gestatten Sie mir, dass ich
mich namens der österreichischen Fachhochschulen sehr herzlich dafür bedanke,
dass auch wir Gelegenheit erhalten, vom Konvent gehört zu werden.
Wie sie wissen, ist der
österreichische Fachhochschulsektor als akademisches, dem Hochschulbereich
zugehöriges Bildungsangebot eingerichtet worden. In seinem nunmehr zehnjährigen
Bestehen hat sich der Sektor sehr gut entwickelt und wurde von den Studierenden
gerne angenommen. Diese Positionierung als Teil des Hochschulsektors wurde vor
allem auch durch die Fachhochschulstudiengesetz-Novelle 2003 noch verstärkt.
Auch dass der Gesetzgeber eine wissenschaftsgeleitete Lehre und die dazu
notwendigen qualifizierten Forschungsleistungen verlangt, ist Beweis für die
Zugehörigkeit der Fachhochschulen zum Hochschulsektor. Es muss allerdings
angemerkt werden, dass diese eindeutige Zuordnung formal natürlich besteht,
aber nicht immer so wahrgenommen wird. Wir sehen jedoch besondere positive
Entwicklungschancen für die Zukunft, wenn einige Punkte, die ich hier namens
der Fachhochschulen gerne ansprechen möchte, realisiert werden könnten.
Zuerst zu dem Thema, das bereits
mehrfach genannt wurde. Die Verankerung des Hochschulbereichs in der
österreichischen Bundesverfassung als Bundeskompetenz in Gesetzgebung und
Vollziehung halten wir ebenfalls für besonders wichtig, weil für die
Fachhochschulen diese Zuordnung im Sinne einer österreichweiten einheitlichen
Vorgehensweise und der damit verbundenen notwendigen Vergleichbarkeit und
Durchlässigkeit der Hochschulsysteme unabdingbar ist. Genau im Sinne dieser
Gleichbehandlung von Abschlüssen der gleichen Stufe und der Verbesserung der
Transparenz im Hochschulwesen muss auch für die Fachhochschulen die
Durchlässigkeit und Vergleichbarkeit der Angebote im Hochschulsektor gesichert
sein.
Erhalter von
Fachhochschul-Studiengängen tragen eine hohe Verantwortung für die Kontinuität
und Qualität des Studienangebotes. Es ist daher aus unserer Sicht notwendig,
den autonomen Entscheidungsspielraum der Erhalter - wenn auch durchaus in Form
einer abgestuften Autonomie - so zu definieren, dass die Planungssicherheit für
die Erhalter, wo es ja immer nur die fünfjährigen Anerkennungen einzelner
Studiengänge gibt, auch tatsächlich gewährleistet ist. Dies betrifft auch die
Geschwindigkeit und Transparenz der Entscheidungsprozesse ebenso wie die
langfristige Sicherstellung der Finanzierung bei Einhaltung von definierten
Qualitätskriterien durch die Erhalter und deren Mitarbeiter in Lehre und
angewandter Forschung. Daher bezieht sich die notwendige abgestufte Autonomie
nicht nur auf die Hochschulverwaltung und Entwicklung der Studienangebote,
sondern auch auf die Ausübung der Lehrtätigkeit und, damit verbunden, auf die
Freiheit der Wissenschaften, was ja heute ebenfalls schon mehrfach angesprochen
wurde.
Zusammenfassend ersuchen wir daher
aus unserer Sicht vor allem die Sicherstellung der Durchlässigkeit und
Vergleichbarkeit der Angebote im Hochschulsektor, den Ausbau der Autonomie in
Lehre, Forschung und Verwaltung in den Fachhochschulen zuzulassen. Die
Bundeskompetenz für die Festlegung im Hochschulsektor muss österreichweit
einheitlich und eindeutig gestaltet sein. - Danke schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke, Herr Magister. Als nächster zu Wort gemeldet hat
sich Herr Dr. Wilfred Grätz als Vertreter des Fachhochschulrates. - Bitte sehr.
Dr. Wilfried Grätz: Sehr geehrte Damen und Herren! Für die Einladung des
Österreich – Konvents darf ich mich namens des Fachhochschulrates bedanken.
Der Vorsitzende des Österreich – Konvents hat in seiner
Grundsatzerklärung betont, dass sich der Konvent u.a. der Beantwortung der
Frage stellen müsse, „wie soll sich Österreich in einem Menschenalter, also in
etwa 30 Jahren, in einem größeren Europa positionieren ?“ Dies sind durchaus
Raum- und Zeitdimensionen, die für den Fachhochschul-Bereich von Relevanz sind.
Was den europäischen Bildungs- und Forschungsraum betrifft,
sieht sich der österreichische Fachhochschul-Sektor dem Ziel verpflichtet, die
österreichischen Fachhochschulen zu innovativ - kompetenten, konkurrenzstarken,
und damit attraktiven Akteuren in der europäischen Bildungslandschaft zu
machen. Dies ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass im verstärkten
Ausmaß mündige und hoch qualifizierte Menschen in Österreich aus - und
weitergebildet werden können. Dass sich der Fachhochschul-Sektor in einer
relativ kurzen Zeit eine beachtliche Reputation hat aufbauen können, ist
insbesondere dem zukunftweisenden Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge
aus dem Jahr 1993 zu danken, das wichtige Schritte in Richtung
Dezentralisierung, Deregulierung und Regionalisierung des österreichischen
Hochschulwesens ermöglicht.
Konkretisiert werden die Zielvorgaben dieses Gesetzes
dadurch, dass
- ein neues Steuerungs- und
Kontrollsystem in Form des Fachhochschulrates geschaffen wurde,
- auch privatrechtliche
Trägerorganisationen österreichweit als Anbieter von
Fachhochschul-Studiengängen auftreten können,
- die Finanzierung der Studiengänge
privatrechtlich geregelt ist.
Ad Fachhochschulrat als Steuerungs- und Kontrollinstanz
Der Fachhochschulrat ist ein staatliches Organ, konkret
eine Verwaltungsbehörde des Bundes, die insbesondere für die Akkreditierung,
Re-Akkreditierung und Evaluierung von Fachhochschulstudiengängen zuständig ist.
Durch eine Verfassungsbestimmung (siehe § 7 Abs. 4 FHStG) wurde festgelegt,
dass die Mitglieder des Fachhochschulrates in Ausübung ihres Amtes an keine
Weisungen gebunden sind. Die dem Fachhochschulrat eingeräumte Autonomie soll im
Sinne eines „freien Mandats“ dazu beitragen, die überregionale Sachrationalität
der Entscheidungen zu gewährleisten. Im Sinne des „Neuen Politik - und
Verwaltungsmanagements“ wurde mit dem Fachhochschulrat als Aufsichts- und
Regulierungsbehörde eine
weisungsunabhängige Instanz etabliert, die den „regulierten“ Markt der
privat- oder öffentlichrechtlich organisierten Fachhochschulen als „Regulator“
steuert. Diese - verfassungsgesetzlich festgelegte - Weisungsfreiheit des
Expertengremiums Fachhochschulrat hat sich sehr bewährt und sollte auf jeden
Fall auch künftig garantiert sein.
Ad Fachhochschul-Studiengesetz
Die verfassungsrechtliche Grundlage für das Bundesgesetz
über Fachhochschul-Studiengänge bildet Art 14 Abs. 1 Bundesverfassungsgesetz.
Gemäß dieser Verfassungsbestimmung ist die Gesetzgebung und Vollziehung auf dem
Gebiete des Schulwesens Bundessache. Durch diese Generalklausel zugunsten des
Bundes in Angelegenheiten des Schulwesens
werden auch Universitäten und Hochschulen, und damit auch
Fachhochschulen erfasst. Fachhochschul-Studiengänge haben, wie die Universitäten,
das Prinzip der Freiheit der Lehre, das heißt, die Vielfalt wissenschaftlicher
Lehrmeinungen und wissenschaftlicher Methoden zu beachten (zum Art 17 Abs. 1
StGG, der hier angesprochen ist und zur Frage der Autonomie verweise ich auf
die Ausführungen des Präsidenten der Fachhochschulkonferenz).
Erhalter von Fachhochschul-Studiengängen können der Bund
und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts sein. Auch juristische
Personen des privaten Rechts können FH-Studiengänge anbieten. In großem Ausmaß
ist dies auch der Fall. Von den derzeit 19 Erhaltern von FH-Studiengängen sind
17 juristische Personen des privaten Rechts. In diesen Erhalterorganisationen
privaten Rechts sind vorwiegend Länder und Gemeinden vertreten. Damit haben
Interessensgruppen aus den Regionen (wie Länder und Gemeinden) und aus der
Wirtschaft direkt oder indirekt über bestehende Erhalter ausreichend
Möglichkeit, an der Gestaltung eines innovativen Fachhochschul-Studienangebotes
mitzuwirken.
Die verfassungsrechtliche Zuständigkeit des Bundes für die Gesetzgebung und
Vollziehung im Fachhochschul-Bereich hat sich bewährt und sollte in keinem Fall
geändert werden. Anzuregen wäre jedoch in diesem Zusammenhang, dass
Universitäten und Fachhochschulen explizit in der Verfassung Erwähnung finden.
Danke schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke sehr für die Wortmeldung. Als nächste zu Wort
gemeldet ist Frau Margit Johannik, die Vorsitzende des Bundesverbandes der
Elternvereinigungen an mittleren und höheren Schulen Österreichs.- Bitte, Frau Johannik.
Margit Johannik: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte
Damen und Herren! Der Bundesverband der Elternvereine an Mittleren und Höheren
Schulen vertritt die Interessen von rund 800.000 Eltern bzw.
Obsorgeberechtigten. Ich bedanke mich im Namen aller für die Einladung, diesem
Gremium unsere Überlegungen vorlegen zu dürfen.
Strukturveränderungen im Bildungsbereich werden von den
Schulpartnern immer sehr kritisch beobachtet. In der Elternschaft sind Anhänger
aller politischen Meinungen vertreten. Deshalb ist es uns wichtig, dass die
Grundzüge des österreichischen Schulsystems auf möglichst breiten Konsens
stoßen. Dies bedingt, dass für die wesentlichen Bereiche weiterhin
„Verfassungsrang“ mit der Erfordernis einer Zweidrittel-Mehrheit bestehen
bleiben muss. Schulgesetze aus dem Verfassungsrang zu nehmen, ohne die
Grundstrukturen der Errungenschaften des Schulrechts in der neuen Verfassung zu
sichern, ist sicher keine Lösung, der wir zustimmen werden.
Hier einige Schwerpunkte der Elternschaft:
Bildung muss auch in Zukunft in der Verantwortung des Staates
bleiben. Es ist den Eltern ein Anliegen, dass Schulen und weiterführende
Bildungseinrichtungen nicht nur privaten Institutionen überlassen werden.
Bildungspolitik soll nicht Spekulationsobjekt sein. Hier wird konkret
befürchtet, dass private Trägerinstitutionen ihr Hauptinteresse in der
wirtschaftlichen Nützlichkeit des angebotenen Wissens- und Lernstoffs sehen.
Bildung muss allen zugänglich und kostenfrei sein. Das
Prinzip der Schulgeldfreiheit im Primären und Sekundären Bereich (Stufe I und
II) muss aufrechterhalten bleiben, um eine Chancengleichheit für alle zu
garantieren. Schule ist vorrangig für Bildung und Ausbildung aller Kinder und
Jugendlichen und deren Vorbereitung auf selbständige Lebensführung und
Universitätsreife zuständig und verantwortlich. Diese Möglichkeit hat allen
unabhängig von ihrem sozioökonomischen Status kostenfrei offen zu stehen.
Einen besonderen Wert legen wir auf die freie Schulwahl. Es
ist die Pflicht des Staates, den Ausbildungswünschen der Schüler Rechnung zu
tragen. Flexible Reaktion auf Schülerströme zu neuen Technologien muss durch
Bereitstellung der geeigneten Schulstandorte ermöglich werden.
Kernbereiche bzw. die wesentlichen Bestandteile der
Schulgesetze sollen neu formuliert im Verfassungsrang bleiben, um sie nicht
einer knappen ständig wechselnden Mehrheitsentscheidung zu unterwerfen.
Insbesondere jene Artikel, die das umfassende Bildungsziel, die Schuldemokratie
und Mitbestimmung der Schulpartner betreffen, müssen gemäß Stärkung der
„Beteiligungskultur“ erhalten werden. Das Mitspracherecht der Schulpartner muss
ein verfassungsrechtlich verankertes Grundrecht in der Demokratie sein. Es sind
die wesentlichen Errungenschaften in der Schulpartnerschaft, die Österreich zu
einem Vorbild in der EU machen.
Festigung und Ausbau der Rechte der Obsorgeberechtigten im
Schulbereich. Die heute geltenden Schulrechte sind leider immer noch durch eine
gravierende Dominanz der Schulverwaltung geprägt! Die derzeitigen Elternrechte
reichen nicht aus. Zur Sicherstellung einer gleichberechtigten und
gleichwertigen Mitgestaltung müssen Strukturen vorhanden sein, die
demokratische Entscheidungsprozesse bedingen. Sowohl auf Klassen- bzw.
Jahrgangsebene als auch auf Schul- und Landesebene sind paritätisch besetzte
Gremien mit Entscheidungsbefugnissen vorzusehen. Da Elternvereine als
Informations- und Diskussions-Plattform für die Eltern eine wichtige Rolle
spielen, müssen dieser Interessensvertretung ebenfalls entsprechende Rechte und
Unterstützung durch die Schulleitung und Behörden per Verfassung zuerkannt
sein.
Durch die einschränkende Bezeichnung
„Erziehungsberechtigte“ werden kompetente und engagierte Väter und/oder Mütter
aus manchen Vertretungsfunktionen vom Schulgesetz her ausgeschlossen und
diskriminiert. Dies wurde durch die Senkung des Volljährigkeitsalters noch
verstärkt. Die Bezeichnung „Eltern“, „Erziehungsberechtigte“ muss als Terminus
den neuen Erfordernissen angepasst werden, damit er auch jene einschließt, die
bereits volljährige Kinder an der Schule haben und weiterhin für deren
Ausbildung aufkommen. Sie sollen ebenfalls noch das Recht haben, als
Schulpartner in allen Gremien, Elterninteressen zu vertreten.
Finanzielle Unabhängigkeit. Eltern erledigen
Verwaltungstätigkeit. Im Sinne der Chancengleichheit der Schulpartner, muss die
finanzielle Unabhängigkeit für die Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert sein.
Wenn also, sehr geehrte Damen und Herren, ein kolportierter
Konsens darüber bestehen sollte, die derzeitigen Schulgesetzte aus dem
Verfassungsrang zu nehmen, muss gleichzeitig dafür gesorgt werden, dass
wesentliche Errungenschaften der demokratischen Mitbestimmung der Schulpartner
und Elternvereine in eine neue Verfassung hineingeschrieben werden. Dabei ist
auch darüber nachzudenken, wie die Landesverbände und Bundesverbände der Eltern
Österreichs als legitime Interessensvertretung für die 2,7 Millionen Eltern
ihre Aufgaben mit gesetzlicher Unterstützung wahren können.
Derzeit sind diese Interessensvertretungen nur auf Goodwill
Basis in die Landes- und Bundesebene eingebunden.
Die neue Verfassung wird auch daran gemessen werden,
inwieweit diesen NGO`s ein Platz zur Mitgestaltung in der neuen Verfassung
eingeräumt wird. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Besten Dank für diese Ausführungen. Der nächste Redner ist
der Vorsitzende des Verbandes der Eltervereine an den Pflichtschulen, Herr Kurt
Nekula. - Ich darf um die Wortmeldung bitten.
Kurt Nekula: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und
Herren!
Der Dachverband der Pflichtschulelternvereine vertritt rund
1,2 Millionen Eltern und Erziehungsberechtigte in Österreich und fordert für
das in einer neuen Verfassung zu verankernde Grundrecht auf Bildung vier
wesentliche Bereiche.
Der erste ist das Recht auf unentgeltliche und
qualitätsvolle Bildung sowie Erstausbildung. Dies betrifft den freien Zugang
aller Kinder zur Allgemeinbildung, aber auch zur dualen und universitären
Erstausbildung. Weiters betrifft es die ausreichende Finanzierung dieser
Bildungseinrichtungen und, damit verbunden, als Grundstruktur ein
qualitätsvolles öffentliches Bildungswesen, das von privaten Einrichtungen
ergänzt werden kann. Die Auswahl der Schule für ihr Kind muss den Eltern
freigestellt werden und sollte sich an den Neigungen des Kindes orientieren und
nicht von administrativen Überlegungen diktiert werden.
Diese Punkte sind übrigens im internationalen Pakt über
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im Jahr 1983 von der
österreichischen Bundesregierung ratifiziert worden und wir Eltern sind
überzeugt, dass eine neue
Verfassung in keinem Fall unter diesen Level sinken sollte.
Ein weiterer Punkt, der damit eng verbunden ist, ist die
Entwicklung eines wirkungsvollen Qualitätsmanagements, das sehr rasch, flexibel
und effektiv bestehende Defizite erkennt, analysiert und bearbeitet. Im
europäischen Vergleich erkennt man sehr deutlich, dass die Qualitätskontrolle
als Bundeskompetenz und die Regionalisierung der Maßnahmen zur Behebung von
Defiziten zu sehr positiven Ergebnissen geführt hat.
Der zweite Bereich ist das Recht auf ganztägige Betreuung.
Der derzeitige Abstimmungsmodus – wie im Gesetz verankert – bedeutet für viele
Eltern, einen sehr mühsamen, zeitaufwendigen und oft ergebnislosen Diskurs zu
führen. Wesentlich wäre für uns das Recht auf einen ganztätigen Betreuungsplatz
bei voller Wahlfreiheit der Eltern zu gewähren, was bedeuten würde, dass bei
der Schuleinschreibung der Bedarf angemeldet wird und bei der Einschulung des
Kindes der entsprechende Platz zur Verfügung steht.
Der dritte Bereich ist das Recht auf individuelle Förderung
der Kinder ab der Vorschulstufe. Hier geht es einerseits um die
Individualisierung des Unterrichts und um die Verfügbarkeit der notwendigen
Ressourcen, die für offene Lern- und Lehrformen, Projektunterricht sowie
Interessens- und Begabungsförderung erforderlich sind, etwa für
Kleingruppenunterricht, für die Wahrnehmung von Teilungszahlen und für
Team-Teaching. Steigende Klassenschülerzahlen und immer weniger Zeit für den
einzelnen Schüler stehen einer Individualisierung des Unterrichtes entgegen.
Gleichzeitig muss das Frühwarnsystem zu einem Modell entwickelt werden, das
nicht nur bestehende Defizite analysiert und kommuniziert, sondern auch
wirkungsvolle Gegenmaßnahmen an der Schule anbieten kann, was einen spürbaren
Beitrag zur Reduktion der Nachhilfekosten, die derzeit bei 100 Millionen € pro
Jahr liegen, leisten würde. In dem Zusammenhang muss auch festgestellt werden,
dass das System der sozial gestaffelten Beihilfen langfristig zu sichern ist,
und nicht kontinuierlichen Kürzungen unterworfen werden darf.
Der vierte und letzte Bereich ist das Recht auf Mitwirkung
der Schulpartner. Hier bedeutet die verfassungsmäßige Sicherstellung der
Mitsprache von Eltern und Schülern eine Absicherung einer ganz wichtigen
Errungenschaft des österreichischen Schulwesens, egal wie das Schulsystem der
Zukunft strukturiert ist. Ob es beim derzeitigen System bleibt, ob die
Schulkompetenzen den Landesregierungen direkt unterstellt werden, ob es zur
Entwicklung von regionalen Schulmanagements kommt, wesentlich ist die
Mitspracherechte der Eltern und der Schulpartner sicherzustellen und nicht zu
reduzieren.
Die zuständigen Gremien und Kollegialorgane sollten auch in
Zukunft entsprechend der Ergebnisse der Wahlgänge zusammengesetzt sein, aber in
Zukunft sollten auch die Elternverbände ein Delegierungsrecht erhalten.
Weiters tritt unser Verband schon seit langer Zeit für eine
unabhängige Ombudsstelle für Eltern und Schüler ein, die etwa bei den Kinder-
und Jugendanwaltschaften angesiedelt werden könnte und im Problem- oder
Streitfall eine objektive Bearbeitung der Sachfragen garantieren würde.
Bei grundsätzlichen Bestimmungen des österreichischen
Schulwesens in Fragen der Aufgabe und Gliederung des Österreichischen
Schulwesens, Schulpflicht, Zugang, Schulgeldfreiheit, Organisationsform der
Schularten, Aufnahme- und Prüfungsvorschriften, Schutz von Minderheiten,
Schulpartnerschaft sowie der Schulaufsicht sind wir Eltern der Überzeugung,
dass die erforderliche Zweidrittelmehrheit bei Schulgesetzen auch in Zukunft
eine sinnvolle Einrichtung darstellt. Die Diskussion darüber, ob dieses Instrument
in manchen Bereichen verzichtbar ist, sollte auf einer breiten Ebene geführt
werden. Wir sind überzeugt, dass es hier sinnvolle Weiterentwicklungen geben
könnte. Danke für die Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Besten Dank für die Darlegungen. Ich darf nun als
Vertreter der Bundeslehrer in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst Herrn
Mag. Helmut Skala aufrufen. - Bitte sehr.
Mag. Helmut Skala: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Ich bin der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Lehrer
in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst und übe meinen Beruf als Leiter an der
höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Baden bei Wien aus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
„Gottesklauseln in Präambeln
sind nicht zwingend politisch notwendig, aber doch mögliche und empfehlenswerte
Bestandteile eines Verfassungsgesetzes, sie sind Ausdruck einer religiösen,
ethischen, kulturellen und politischen Entwicklung des Volkes eines Staates,
seiner Bewusstseinsbildung und seiner Verantwortung.“ (Herbert Schambeck)
1. Präambel
„Eine Präambel zur österreichischen Verfassung sollte
besonders die Erklärung der Menschenwürde, der Menschenrechte, der Demokratie
und des Rechts- und Sozialstaates dem übrigen Gesetzestext voranstellen. Als
Pädagogen haben wir den gesetzlichen Auftrag an der Entwicklung der Anlagen der
Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten ... mitzuwirken.“
(Schulorganisationsgesetz 1962 § 2 Abs 1)
Daher ist vor allem die Verankerung eines Gottesbezuges in
der Präambel notwendig. Denn die Menschenrechte finden ihre Begründung in der
Menschenwürde und diese im abendländischen Rechtsdenken mit der christlichen
Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen.
In vorbildlicher Weise drücken dies die Verfassungen
Deutschlands, der Schweiz oder Polens aus, um nur einige Beispiele zu nennen.
(Präambel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland: „Im Bewusstsein
seiner Verwantwortung vor Gott und den Menschen...“; „Im Namen Gottes des
Allmächtigen! Das Schweizervolk und die Kantone, in der Verantwortung gegenüber
der Schöpfung ... geben sich folgende Verfassung.“)
Aus dieser Sicht sollte daher auch das Recht auf Arbeit und
das Recht auf Bildung, die berufliche Bildung und die Fortbildung
eingeschlossen, in der Verfassung verankert sein.
2. Zur Kompetenzordnung im Bereiche der
Bundesschulen:
a. Die österreichischen
Bundesschulen genießen auch auf internationaler Ebene großes Ansehen und hohe
Anerkennung. Die sehr gute Arbeit der Bundeslehrer wird alljährlich von Eltern
und Schülern hervorragend beurteilt. Es ist daher auch im Interesse eines
verwirklichten Föderalismus, dass die Bundesschulen ihren Bildungsauftrag in
allen Regionen der Republik in gleichwertiger Weise nachkommen und mit
einheitlichen Qualitätszielen erfüllen können. Die Kompetenzen für die
Bundesschulen sollen daher finanziell, pädagogisch und organisatorisch
ausschließlich beim Bund verbleiben. Regionale Interessen sollten durch
bundesstaatliche Einrichtungen auf Landesebene koordiniert werden.
b. Im Sinne einer verwirklichten
Subsidiarität sind bereits derzeit Kompetenzen durch autonome Freiräume an die
Bundesschulen delegiert worden. Dadurch können regionale Bedürfnisse rasch und
besser erfüllt werden. Doppelgleisigkeiten zwischen Schulen, Ländern und Bund
sollten vermieden werden; ebenso Zwischenstationen mit lediglich distributiver
Funktion.
c. Um den Mitgestaltungswünschen
der Länder gerecht zu werden, sollten kompetente bundesstaatliche Einrichtungen
auf Landesebene wirken, die eine Koordinierung der Schulen hinsichtlich ihres
Bildungsauftrages sicherstellen. Sie sollten für eine die Landesgrenzen
überschreitenden Raum- und Standortplanung sorgen, sowie pädagogische
Beratungszentren bilden, die gemeinsam mit den Schulen eine bundeseinheitliche
Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung umsetzen und bei der
Personalauswahl mit den Schulen zusammenwirken.
d. Da bereits in den meisten
Bundesländern Ernennungs- und Personalkommissionen unter Mitwirkung von
externen Beratern eingerichtet sind, um ein objektives Vorgehen bei
Personalentscheidungen sicherzustellen, ist auf diesem Gebiet die Funktion von
kollegialen Organen zu hinterfragen.
e. Die bisherige Schulaufsicht
innerhalb der Landesschulbehörden
müsste zu einem beratend
koordinierenden Instrument im Rahmen der in den Ländern agierenden bundesstaatlichen
Einrichtungen umgewandelt werden.
f. Die pädagogische
Autonomie der Bundesschulen ist bereits weitgehend durch moderne Lehrpläne mit
autonomen Freiräumen und weitere autonome Bestimmungen verwirklicht oder im
Entstehen.
g. Eine personelle Autonomie
erfordert allerdings eine enge Mitwirkung der Bundesschulen bei der
Personalauswahl und Personalverwaltung.
h. Eine effiziente
Ressourcenautonomie erfordert eine transparente und für den Bildungsauftrag
ausreichende Bereitstellung von Budgetmitteln, sowie von Lehrerwerteinheiten
durch den Bund an die Bundesschulen.
i. Im Rahmen ihrer
Autonomie sollten die Bundesschulen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen
sparsam und effizient wirtschaften können. Dafür ist die derzeitige
kameralistische Finanzorganisation völlig ungeeignet.
3. Recht auf gewerkschaftliche Aktionen:
Abschließend sei festgestellt, dass mit einer Verankerung
des Versammlungs-, Demonstrations- und Streikrechtes in der Verfassung, dies
auch für die Beschäftigten im Bereiche der Bundesschulen sichergestellt sein
muss. - Ich bedanke mich.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Besten Dank Herr Magister. Wir gelangen nunmehr zum
Bereich Kultur. Als Erste hiezu hat sich Frau Zuzana Brejche von der
kulturpolitischen Kommission gemeldet. - Ich bitte um die Wortmeldung.
Zuzana Brejche: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Ich möchte im Namen der Österreichischen Kulturpolitischen
Kommission und des Dachverbandes der Filmschaffenden unsere Forderungen im
Bezug auf die österreichische Verfassung formulieren.
Unsere erste Forderung lautet also nach Verankerung des
Schutzes des geistigen Eigentums in der Verfassung. Geistige Eigentumsrechte
sind ein Anreiz zu Kreation und Investition im künstlerischen Bereich - Musik,
Film, Publikationen, Theater, Fernsehsendungen, Software und so weiter -, der
zu Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung und Innovation beiträgt. Der Anteil
dieser Aktivitäten am BIP der EU ist erheblich – circa 6 Prozent – und hat eine
steigende Tendenz. Außerdem umfasst dieses Gebiet wichtige kulturelle, soziale
und technologische Aspekte, die zur Ausarbeitung einer kohärenten Politik in
diesem Bereich in Erwägung gezogen werden müssen.
Die geistigen Eigentumsrechte wurden erheblich
harmonisiert, um Handelsschranken zu beseitigen und den rechtlichen Rahmen
neuen Nutzungsformen anzupassen. Spätestens seit der Diskussion über die
Rechtmäßigkeit von Music-Downloads aus dem Internet steht der Begriff
„geistiges Eigentum“ auch im Zentrum vieler öffentlicher Debatten. Vieles hat
sich geändert, seit der größere Mehrwert nicht mehr mit materiellen Leistungen,
sondern mit immateriellen Schöpfungen erzielt wird.
Der Schutz des geistigen Eigentums ist einer der
Voraussetzungen für ein lebendiges kulturelles Leben. Bereits in der
allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. 12. 1948 wurde
formuliert: „Jedermann hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen
Interessen, die sich für ihn als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur
und Kunst ergeben.“ In der Charta der Grundrechte der Union wird der Satz
formuliert: „Geistiges Eigentum wird geschützt.“
Nach unserer Auffassung wird das der Bedeutung, die dem
Schutz des geistigen Eigentums zukommt, nicht gerecht. Durch die unmittelbare
Anknüpfung an das im Absatz 1 behandelte materielle Eigentum umfasst die
Formulierung nur die vermögensrechtliche Seite des geistigen Eigentums. Während
für Umweltschutz und den Verbraucherschutz ein hohes Schutzniveau ausdrücklich
vorgeschrieben wird, fehlt eine entsprechende Bestimmung in Bezug auf den Schutz
des geistigen Eigentums, insbesondere des Urheberrechts.
Es kann nicht angehen, dass das ebenso wichtige
Urheberpersönlichkeitsrecht unberücksichtigt
bleibt. Eine Verankerung des Schutzes geistigen Eigentums in der Verfassung
wird dazu beitragen, mehr Bewusstsein für den Wert der Kreativität zu schaffen.
Zweite Forderung: Die Forderung nach Verankerung des Rechts
auf Kultur. In der Charta der Grundrechte der Union wurde das recht auf Bildung
verankert. Wir fordern, dass dieses Recht und das Recht auf Kultur in der
österreichischen Verfassung festgeschrieben werden. Bildung setzt Kultur
voraus. Ebenso erschließt sich die Kultur erst durch Bildung. Kultur umfasst
dabei die gesamte Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen, die aktive
Rezeption, die Kultureinrichtungen sowie die Einrichtungen der kulturellen
Bildung. Für die weitere Entwicklung der Gesellschaft ist die Kultur ein
unverzichtbarer Humus, Anstoß und Wirtschaftsfaktor.
Drittens: Wir fordern eine Kulturverträglichkeitsprüfung.
Bei den Verhandlungen in Maastricht im Jahr 1992 haben die Mitgliedsstaaten
beschlossen, dass die Europäische Union nicht nur ein Wirtschafts-, sondern
auch eine Wertegemeinschaft sein soll. Mit dem Artikel 151 des Vertrags von
Amsterdam – vormals Artikel 128 – haben sich die Mitgliedsstaaten zu Kultur als
wichtigen Bestandteil der Europäischen Union bekannt. Im Absatz 4 hat sich die
Europäische Union verpflichtet, bei ihrer Tätigkeit auch in den anderen
Politikbereichen die kulturellen Aspekte zu berücksichtigen, sprich Kulturverträglichkeitsklausel.
Das heißt, die EU sollte zum Beispiel in ihren
wirtschaftlichen Entscheidungen die kulturelle Dimension reflektieren. In
Deutschland hat die Regierungskoalition im Koalitionsvertrag von 2002
festgelegt, dass bei allen Gesetzesvorhaben eine Kulturverträglichkeitsprüfung
durchzuführen ist. Damit hat die Kulturstaatsministerin ein Instrumentarium in
der Hand, das es ihr erlaubt, alle Gesetzesvorhaben auf ihre
Kulturverträglichkeit hin zu überprüfen und Aktionen auszulösen, wenn zum
Beispiel in den Bereichen der Steuer- oder der Sozialgesetzgebung unmittelbar
oder mittelbar der Kulturbereich positiv oder negativ berührt ist. Wir erwarten
deshalb, dass die so genannte Kulturverträglichkeitsprüfung aus dem Amsterdamer
Vertrag als kulturelles Schutzprogramm Eingang in die österreichische
Verfassung findet.
Abschließend möchte ich noch der Erwartung Ausdruck geben,
dass entsprechend der Charta der Grundrechte für Europa weibliche und männliche
Formen in der österreichischen Verfassung Verwendung finden werden und nicht
mit Platzmangel oder Kürze argumentiert wird. - Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Besten Dank für die Ausführungen. Die nächste Rednerin ist
Frau Juliane Alton, gleichfalls von der Kulturpolitischen Kommission. - Bitte
sehr!
Juliane Alton: Meine Damen! Meine Herren!
Der Bund hat immer zurückhaltend agiert, wenn es um
Kompetenzen im Kunst- und Kulturbereich ging. Die Bundestheater und bestimmte
Einrichtungen des Bundes, im Großen und Ganzen die Bundesmuseen, hat er zu
seinen Angelegenheiten erklärt. Alles andere wäre nach unserer derzeitigen
Verfassung Sache der Länder.
Das Bundeskunstförderungsgesetz von 1988 abseits der
Verfassung ermöglicht die Förderung von zeitgenössischer Kunst durch den Bund,
wobei traditionell auf die Förderpolitik der Länder und gemeinden Bezug
genommen wird – sei es in positiver, sei es in negativer Hinsicht. Ein gängiger
Schlüssel zur Aufteilung von Finanzierungserfordernissen war, so dachten wir
alle, ein Drittel Bund, ein Drittel Land, ein Drittel Gemeinde, sofern man sich
auf eine gemeinsame Finanzierung etwa von Kulturbauten, Festspielen oder anderen
überregional bedeutsamen Kulturvorhaben einigen konnte.
Nun, die Fakten liegen völlig anders. Die Gemeinden
finanzieren überproportional, nämlich mehr als die Hälfte der kulturellen
Grundversorgung. Die Länder finanzieren weniger als man aus ihrer verfassungsmäßigen
Kompetenz schließen würde, nämlich weniger als ein Drittel. Und der Bund
finanziert am wenigsten - ein Fünftel. Diese Zahlen entstammen einer aktuellen
Untersuchung in Vorarlberg. Auf Wien sind sie nicht übertragbar. Auf die
anderen Bundesländer sehr wohl. Vorarlberg und Oberösterreich finanzieren hier
überdurchschnittlich. Es erhebt sich also die Frage, warum jene Ebene der
öffentlichen Verwaltung, der die Verfassung die Kulturkompetenz gibt, sich
weniger engagiert als die Gemeinden, für die die Kulturförderung nicht Pflicht,
sondern Kür ist.
Nachdem besonders in letzter Zeit die gemeinschaftliche
drittelparitätische Aufteilung der Pflichten so unbefriedigend funktioniert,
muss man hier über andere Modelle und andere Kompetenzaufteilungen nachdenken.
Ich kann hier ein mögliches Modell nur ganz kurz anreißen, das Pflichten in
Einklang mit Eigeninteresse der verschiedenen Ebenen verteilen würde. Die
Gemeindeebenen wären zuständig für die Räumlichkeiten, die Landesebene für die
flächendeckende Versorgung der Bevölkerung auch in abgelegenen Gebieten, die
Bundesebene wäre für die künstlerische Produktion zuständig. Vieles spricht
jedenfalls für eine stärkere Verantwortung des Bundes abseits der deklarierten
Bundeseinrichtungen.
In dem Zusammenhang schwenke ich kurz ab zur Medienpolitik
– Sie werden sehen, das ist kein Abschweifen. Kulturpolitik und Medienpolitik
greifen ineinander und müssen dies tun. Wir vermissen das jetzt, da der
öffentlich-rechtliche Sender sich
als Medienunternehmen geriert, das mit Privatsendern konkurriert. Die aktuelle
Rechtslage reicht nicht einmal aus, den ORF zu verpflichten, auf das
zeitgenössische Kunstschaffen in diesem Land so Bezug zu nehmen, das die
Seherinnen und Hörer die Erfolge zum Beispiel der österreichischen Filmschaffenden
genießen können. Dieses Land hat nicht nur Skiasse!
Eine Karriere wie die des Schriftstellers Michael Köhlmeier
wird künftig nicht mehr möglich sein, weil der ORF als Unternehmen es nicht für
notwendig hält, mit den hier lebenden Kunstschaffenden in Austausch zu treten.
Wozu dann eigentlich noch Landesstudios? Ich halte es für absolut notwendig,
den Medien und insbesondere natürlich dem öffentlich-rechtlichen Sender
Aufgaben zu übertragen, die das in der Erklärung der Menschenrechte garantierte
passive und aktive Informationsrecht konkret realisieren.
In diesem Zusammenhang unterstütze ich die Forderung der
Filmschaffenden nach Schutz des geistigen Eigentums. Der Ausbau des Copyrights
nach US-amerikanischen Vorbild schützt allerdings nicht das geistige Eigentum
der Schöpferinnen und Schöpfer, sondern es schafft Verwertungsmonopole, die
weder den Kunstschaffenden noch den Konsumentinnen nützen – im Gegenteil. Es
ist deshalb unumgänglich, dass geistiges Eigentum geschützt wird – etwa in der
Form, wie Creative Commons das vorschlägt, in einem differenzierten
Lizenzsystem, das die Verbreitung von Informationen entsprechend den Wünschen
der Schöpferinnen unterstützt.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke sehr für die Ausführungen. Nächster Redner ist
Herr Mag. Martin Wassermair, gleichfalls von der kulturpolitischen Kommission.
- Bitte sehr.
Mag. Martin Wassermair: Geschätztes Präsidium! Sehr geehrte Damen und
Herren! Wenn wir, die wir im künstlerischen und kulturellen Feld tätig sind,
heute die kurze Zeit nützen, um einen Beitrag zur Reform der österreichischen
Bundesverfassung leisten, so tun wir das in der Tat mit einem Unbehagen, was
uns zugleich aber auch ein Ansporn ist. Gerade weil uns die nicht besonders
einladende Aufgabenstellung dieses Konvents so vielfach ins Bewusstsein gerufen
wurde, allen voran das postulierte Unwort vom „schlanken Staat“, ist es jetzt
umso mehr an uns, einige Bemerkungen anzufügen, die durchaus als widerborstige
Erwartungshaltung an eine Verfassungsreform zu verstehen sind. Wir sind
jedenfalls nicht hier – und erlauben Sie mir das zu sagen - um den Sparefroh in
einem rot-weiß-roten Schulterschluss zu einer politischen Leitfigur der Zukunft
empor zu heben, sondern wir sind hier, um Gedankenräume zu öffnen, was für
einen Reformprozess eigentlich konstitutiv sein sollte.
Ob in Österreich oder anderswo, der nationalstaatliche
Rahmen – und das wissen wir als Kunst und Kultur Schaffende sehr genau – der
nationalstaatliche Rahmen alleine ist längst nicht mehr geeignet, die
Grundlagen für eine Entwicklung einer demokratischen Kultur in unserer
Gesellschaft zu gewährleisten. Aus diesem Unvermögen lässt sicher allerdings
auch eine Tugend machen, indem in einer zeitgemäßen Festlegung von Staatszielen
und elementaren Grundrechten klar zum Ausdruck gebracht wird, dass die
Herausforderungen unserer Zeit zur Kenntnis genommen wurden und entsprechende
Schlussfolgerungen in eine neue Verfassung Eingang gefunden haben.
Forderungen an eine Verfassungsreform haben sich an den
Realitäten einer global vernetzten Informations- und Wissensgesellschaft zu
orientieren, die das 21. Jahrhundert nachhaltig verändern wird. Der bloße Ruf
nach der Freiheit der Kunst und ihrer Ausübung reicht mittlerweile nicht mehr
aus, um die Gefahrenpotentiale zu beschreiben, deren Eindämmung Aufgabe einer
jeden konstituierten staatlichen Verantwortung sein muss.
1945, als es zuletzt eine demokratisch verfasste Republik
zu etablieren galt, stand dieser Prozess unter dem Eindruck des mörderischen
NS-Regimes sowie der Verfolgung und Vertreibung vieler Künstlerinnen und
Künstler. Heute, fast 60 Jahre später, haben sich die Rahmenbedingungen
grundlegend verändert. Und trotzdem: Politische Versuche, freies kulturelles
Handeln einzuschränken, sind auch in demokratischen Systemen allgegenwärtig.
Kunst- und Kulturschaffende finden heute Grenzen und Barrieren vor, die den
freien Fluss der Information und der Ideen sowie die Interaktion in Netzwerken
nachhaltig beeinträchtigen.
Dazu ein Beispiel: Der weltweite Trend zur
Kontrollgesellschaft bedeutet nicht ein Mehr an Sicherheit, wie man uns
insbesondere seit September 2001 glauben machen will, sondern zählt gegenwärtig
zu den ganz besonders Besorgnis erregenden Entwicklungen, von denen nicht
zuletzt das kritische und non-konforme Kunst- und Kulturschaffen ganz massiv
betroffen ist. Vergessen wir also nicht: Eine Gesellschaft und damit auch ihre
kulturellen Produktionsbedingungen sind nur frei, wenn die Mobilität der
Menschen sowie der Austausch von Wissen und Information keine Beeinträchtigung
erfahren. Gegenwärtig finden wir eine Situation vor, in der das öffentliche
Interesse durch das immer stärkere Ausmaß einer privatisierten Verfügungsgewalt
über das Wegerecht gefährlich übervorteilt wird. Diese Metapher steht hier für
die Macht über die Erteilung von Nutzungsrechten sowie über die Festlegung
technologischer Standards in Medien und Telekommunikationsstrukturen - den
wichtigsten Domänen der Kunst und Kultur der Zukunft.
Von einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kann kaum noch
die Rede sein. Freie, nicht kommerzielle und partizipative Medienprojekte sind
vom Gesetzgeber bislang nicht zur Kenntnis genommen und somit inexistent, und
auch um die Telekommunikationsinfrastruktur ist es aus demokratiepolitischer
Perspektive äußerst schlecht bestellt. Die Politik dieses Landes hat deren
Bedeutung als Harmonisierungsfaktor für gesellschaftliche Ungleichheiten von
Anfang an verkannt und die Geschwindigkeit sowie die Richtung der
Netzwerkgestaltung ausschließlich der Telekom-Industrie überlassen. Die
digitale Kluft, der sich seit September 2003 ein Weltgipfel der Vereinten
Nationen widmet, zieht sich auch deshalb hierzulande immer tiefer. Ein Ende ist
noch lange nicht in Sicht.
Somit steht fest: Der Fetisch von einer Verschlankung des
Staates hat in den vergangenen Jahrzehnten auch in Österreich dazu geführt,
dass das Kultur- und Geistesleben durch den Rückzug der öffentlichen
Verantwortung wesentliche Grundlagen verliert. Wenn dieser Einengung des
Zugangs zu zeitgemäßen Produktions- und Distributionsformen nicht rechtzeitig
Einhalt geboten wird, droht eine dramatische Verarmung, die letztlich die
Menschen auch wichtiger Grundlagen einer Mitgestaltung der Zukunft beraubt.
Und daher auch eine ganz zentrale Forderung: Information,
Kommunikation, Wissen und Bildung und der freie Zugang müssen in einem Katalog
von Grundrechten aufgenommen werden, zu deren Sicherstellung der Staat sich
selbstbewusst zu entschließen hat. Wenn eine Reform der Verfassung diese
Notwendigkeit nicht zur Kenntnis nimmt, ist einmal mehr eine wertvolle Chance
vertan, der Freiheit der Kunst, sowie der kulturellen Partizipation als
Grundrecht zum Durchbruch zu verhelfen. - Herzlichen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke auch für diese Wortmeldung, Herr Magister.
Der guten Ordnung halber scheint mir aber doch eine
Feststellung angebracht. Herr Magister, es steht Ihnen frei, den Begriff
„schlanker Staat“ als politisches Unwort anzusehen, aber ich darf doch in
Erinnerung bringen, dass es eine Vorgabe für den Konvent war, eine schlankere
Staatsstruktur zu entwerfen. Dies ist eine Vorgabe des Gründungskomitees, und
der Konvent hat sich damit auseinander zu setzen, ob ihm das nun passt oder
nicht. Ich möchte das nur zur Klarstellung anbringen, ohne mich jetzt selbst zu
deklarieren, welche Haltung ich dazu einnehme, aber das ist schlicht und
einfach eine Vorgabe seitens des Gründungskomitees für den Konvent.
Die nächste Wortmeldung ist bei Herrn Herbert Ullmann als
Vertreter des Bundes der österreichischen Trachten- und Heimatverbände. Ich
bitte um die Wortmeldung.
Herbert Ullmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte
Mitglieder des Österreich-Konvents!
Zunächst darf ich namens des Bundes der Österreichischen
Trachten- und Heimatverbände herzlich dafür danken, dass uns als
nichtstaatlicher Organisation die Möglichkeit gegeben wird, Vorschläge zur
österreichischen Verfassungszukunft zu unterbreiten. Wenn auch diese
Stellungnahme als stellvertretend für den Kulturbereich und hier insbesondere
für die Volkskultur gilt – und alleine in diesem Bereich sind rund 700.000 Menschen
in ganz Österreich aktiv tätig, wovon aus unserer Organisation 123.000
Mitglieder wirken –, so könnte sie generell für die Bereiche Kulturarbeit,
Sozialarbeit und Bildungsarbeit aufgefasst werden. Speziell in diesen Bereichen
sind sehr viele Menschen freiwillig und ehrenamtlich tätig. Wir halten diese
Tätigkeit als unentbehrliche Voraussetzung für eine funktionierende
Bürgergesellschaft bzw. Zivilgesellschaft, in der hoheitlich verordnete
Vorgaben durch von den Staatsbürgern gewolltes Engagement ersetzt werden.
Gerade unsere bodenständige Kultur, die sich unter anderem mit der
Brauchtumspflege im Jahreskreis befasst, ist ein wesentlicher Teil und
Untergrund der so genannten Hochkultur und trägt zur Erhaltung der Identität
des Volkes bei.
Unser Wunsch an eine künftige Verfassung lautet daher:
Institutionalisierung bzw. verfassungsrechtliche Verankerung einer solchen
Zivilgesellschaft und ihrer Akteure, und zwar einerseits programmatisch, das
heißt also durch ein allgemeines Bekenntnis dazu, dass die in den Institutionen
und Verbänden dieser Zivilgesellschaft zusammengeschlossenen Menschen
wesentliche Träger des Gemeinwesens und damit – in dieser speziellen
Eigenschaft – Rechteinhaber, Verantwortungsträger und als solche anerkannte
Repräsentanten sind, und anderseits durch einen Auftrag an den einfachen
Gesetzgeber, die nichtstaatlichen Organisationen im Bereich der
Privatwirtschaftsverwaltung der Körperschaften rechtlich zu positionieren, also
Normen für die Einbindung der nichtstaatlichen Organisationen in jene Aufgaben,
die in den Bereich gemäß Art. 17 B-VG fallen, zu erlassen, und zwar nach
folgenden allgemeinen Gesichtspunkten: Subsidiaritätsprinzip, Transparenz,
Nachvollziehbarkeit von Entscheidungsprozessen, synergetische Koordination,
Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit.
Das Spannungsfeld von ausufernder Verrechtlichung aller
Lebensbereiche auf der einen Seite und von Mindeststandards, die den
Einrichtungen einer Zivilgesellschaft Akzeptanz, Orientierung und Schutz geben
sollen, auf der anderen Seite, liegt auf der Hand und ist uns bewusst. Die
Forderung nach rechtlicher Positionierung zivilgesellschaftlicher Institutionen
möchte jedoch Mindeststandards umgesetzt wissen. Angesichts der Menge an
unentgeltlichen Ressourcen, die hier generiert, umgesetzt und verwaltet werden,
erscheint allerdings eine längerfristige Orientierung und Sicherung
unabdingbar. Gemäß einem diesem Umstand Rechnung tragenden
verfassungsrechtlichen Grundsatz wären von den jeweils zuständigen
Körperschaften entsprechende Selbstbindungsnormen zu verabschieden, die dann
ganz speziell auf das jeweilige Aufgabengebiet einzugehen hätten. Auch auf
dieser Ebene der Normenbildung durch den einfachen Gesetzgeber wäre eine
Einbindung und Mitwirkung der jeweils angesprochenen Einrichtungen einer
Zivilgesellschaft vorzusehen. Gerade hier kommt es auf das oft sehr
ausdifferenzierte Spezialwissen von nichtstaatlichen Organisationen bzw. deren
Mitgliedern an.
Angesichts der enormen Bedeutung, die die nichtstaatlichen
Organisationen als wesentliche Träger der Zivilgesellschaft in den letzten
Jahrzehnten gewonnen haben, wäre es wünschenswert, auch im Bereich der
Privatwirtschaftsverwaltung der Körperschaften klarere Kompetenzzuteilungen
vorzunehmen. In unserem eigenen Bereich, also in der Volkskultur und
Kulturvermittlung, kennen wir sowohl das Argument bzw. die Behauptung von
Unzuständigkeit, als auch das Wahrnehmen von Zuständigkeit in ein und derselben
Materie durch verschiedene Körperschaften, insbesondere von Bund und Ländern.
Dies mag zwar Chancen für Profis im Förderdschungel bieten, erscheint aber
angesichts der vorherigen Ausführungen über Wertigkeit und Selbstverständnis
einer reifen Zivilgesellschaft als doch sehr fragwürdig. Insofern wären für die
Sicherung von Aufgaben der Träger der Zivilgesellschaft besondere Prinzipien zu
formulieren, die diese nicht als bloße Empfänger für Almosen verstehen, sondern
als unverzichtbare Dienstleister für die Gesellschaft auch rechtlich
positioniert, gekennzeichnet durch eine partnerschaftliche Beziehung zu den
Staatsorganen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön für die Ausführungen. Nächste Rednerin ist
Frau Gabriele Gerbasits als Vertreterin der Interessengemeinschaft Kultur. -
Ich bitte um die Wortmeldung.
Gabriele Gerbasits: Sehr geehrte Damen und Herren! Werte
Volksvertreterinnen!
Die IG Kultur Österreich wird in den ihr zur Verfügung
stehenden fünf Minuten nur vier Forderungen referieren. Ein umfangreicheres
Positionspapier wird dem Konvent schriftlich zugehen.
Wir erwarten natürlich vom zukünftigen Verfassungstext,
dass er neben den weiblichen Formen auch die männlichen Formen enthalten wird.
Und bevor ich zu den Inhalten komme, noch eine Anmerkung zur Form des
Österreich-Konvents. Die Ablieferung von Statements ist noch keine
demokratische Teilnahme. Die Einbindung der Zivilgesellschaft bedeutet, sich
mit ihr in einem diskursiven Verfahren auseinanderzusetzen und nicht, sie auf
Anhörungen zu reduzieren.
Aber nun zu den Inhalten unserer Forderungen:
Punkt 1. Die IG Kultur Österreich vermisst in der
derzeitigen Verfassung verankerte Prinzipien und Grundlagen, aus denen sich
kulturelle Ziele ableiten lassen. Der Bereich der Kultur ist nicht nur in
seiner rechtlichen Verankerung eine Querschnittsmaterie, es sind viele
Teilbereiche des Rechts betroffen, wenn von Kultur die Rede ist. Derzeit finden
sich im kulturellen Zusammenhang in der Verfassung nur die grundrechtlichen
Garantien, wie die der Kunstfreiheit, der Wissenschafts- und Forschungsfreiheit
sowie der Religionsfreiheit. Neben der Garantie der Freiheit der Kunst verdient
aber auch die Achtung, der Schutz und die Förderung der Pluralität des
künstlerischen Schaffens, sowie der Zugang zu den kulturellen Gütern die Aufnahme in den Verfassungsrang.
Punkt 2. In Bezug auf die derzeitigen Kompetenzartikeln,
wie schon mehrfach ausgeführt von meinen Vorrednerinnen, fällt auf, dass es
keine umfassende Zuständigkeit auf Seiten des Bundes für kulturelle
Angelegenheiten gibt. Aus Artikel 10 geht hervor, dass der Bund nur für die
Führung der Bundestheater und Bundesmuseen sowie für den Denkmalschutz zuständig
ist. Für alles Weitere sind durch Artikel 15 die Länder zuständig. Da Kultur
als öffentliches Gut im volkswirtschaftlichen Sinn zu verstehen ist, und daher
vom Staat zur Verfügung zu stellen ist, hat der Staat unter anderem für die
rechtlichen Rahmenbedingungen und die ausreichende Finanzierung zu sorgen.
Durch Auslagerung und Zurückdrängung ins Private darf sich der Bund nicht aus
der Verantwortung ziehen. Eine umfassende Zuständigkeit des Bundes zur
Förderung von Kultur muss daher in den Kompetenzartikeln verankert werden.
Punkt 3. Wie bereits ausgeführt, ist Kultur eine
Querschnittsmaterie. Kulturarbeit bedeutet auch, sich für eine
gleichberechtigte und soziokulturell diversifizierte Gesellschaft einzusetzen.
Es geht um die Herstellung von gleichen gesellschaftlichen Bedingungen, für
diskriminierte, marginalisierte und ausgegrenzte Gruppen und Personen.
Rassismus in der Gesellschaft kann nicht abseits von Diskriminierung gesehen
werden. Diskriminierung bedeutet in politischer Hinsicht Ausschluss von Rechten;
in sozialer Hinsicht die Erfahrung von Vorurteilen und Ausgrenzung. Daher
fordern wir das Wahlrecht für alle in Österreich lebenden Menschen.
Die IG Kultur schließt sich daher der Stellungnahme von
SOS-Mitmensch zum Österreich-Konvent an. Die schlechte Rechtsstellung von
Migrantinnen ist ein gravierendes Hindernis für soziale, kulturelle und
politische Integration in Österreich und trägt direkt oder indirekt zur
sozialen Ausgrenzung bei. Eine Reform der österreichischen Verfassung sollte
rechtliche Intergrationsbarrieren abbauen und, mit einem expliziten
Grundrechtskatalog, den Weg für eine Politik der Gleichstellung ebnen.
Die komplizierten Regelungen für die Erlangung der
Staatsbürgerschaft, schließen einen großen Teil der Bevölkerung vom Stimmrecht
aus. Daher kann durch die Einführung einer Wohnbürgerinnenschaft das Stimmrecht
für alle in Österreich lebenden Menschen verbunden werden. Die IG Kultur
Österreich fordert daher ein Wahlrecht für alle in Österreich lebenden
Menschen, auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene. So kann das Anliegen eines
allgemeinen, freien und gleichen Wahlrechts für alle verwirklicht werden.
Punkt 4. Ebenfalls von uns unterstützt ist die Verankerung
des Sozialstaates als Staatsziel in der österreichischen Verfassung. Wir brauchen
nicht den lieben Gott, wir brauchen soziale Gerechtigkeit in der Verfassung.
Wir schließen uns daher auch hier dem Statement der Initiatoren des
Volksbegehrens Sozialstaat Österreich zum Konvent in allen Punkten an. – Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke für die Ausführungen. Nächster Redner ist Herr
Professor Christian Ludwig Attersee als Vertreter des österreichischen
Kunstsenates. - Bitte, Herr Professor!
Christian Ludwig Attersee: Sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Kurz vorweg die Aufgaben des
Kunstsenats - Artikel 1 der Satzungen aus dem Jahre 1973 -: die Anliegen der
Kunst in der Öffentlichkeit zu vertreten, die öffentlichen Stellen in wichtigen
Fragen der Kunst zu beraten.
In seiner Kompetenz sind das
Vorschlagsrecht für den großen österreichischen Staatspreis und das
Vorschlagsrecht für die Berufung in den Kunstsenat, Begutachtung aller
einschlägigen Gesetzesvorlagen; die Mitglieder des Kunstsenats müssen Träger
des großen österreichischen Staatspreises sein. Das künstlerische Schaffen, die
Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre, sind frei. Kunstförderung muss anders
gesehen werden als Förderung von Industrie, Handel und Sport, insbesondere was
das EU-Recht betrifft.
Es kann in der Kunst keine
Wettbewerbsgleichheit geben. Die Aufgabe des Bundes, betreffend Kunstförderung,
darf nicht nur auf Bundestheater, Bundesmuseen und Bundesdenkmalamt beschränkt
sein. Wir fordern die Kompetenz des Bundes für die Förderung des gesamten
Kunstbereiches.
Das Urheberrecht wird in Österreich in
allen Bereichen der künstlerischen Tätigkeit unterschiedlich bewertet und
geschützt. Das Urheberrecht für Architektur ist in Österreich extrem schlecht
gewahrt, schlechter als in vielen anderen Ländern, wie zum Beispiel in
Deutschland. Wir schlagen vor, dass das Urheberrecht für Architektur in
Deutschland als Vorbild genommen wird. Der Kunstsenat ist der Auffassung, dass
im Unterricht von der Grundschule an nicht nur Musik und Literatur, sondern
auch auf alle Bereiche der bildenden Kunst, so auch auf Architektur, Wert
gelegt wird.
Die Lehre und Forschung auf dem Gebiet
der Geisteswissenschaften, zu denen auch die Kunst gehört, und der
Naturwissenschaften sind integraler Bestandteil unserer Gesellschaft und daher gleich zu behandeln. - Ich danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke, Herr Professor. Die nächste Wortmeldung steht
bei Herrn Dr. Wolfgang Greisenegger als Vertreter des Österreichischen Pen-Clubs.
- Ich bitte um die Wortmeldung.
Dr. Wolfgang Greisenegger‡: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Als letzter Redner einer ganzen Gruppe erlaube ich mir sehr
kurz zu sein. Zur Erklärung: Der Österreichische P.E.N., Teil des
internationalen P.E.N., wurde 1924 gegründet, um ein Ereignis wie den Ersten
Weltkrieg ein für alle Mal durch intellektuelles Verantwortungsbewusstsein und
künstlerisches Engagement zu verhindern. Der Österreichische P.E.N. tritt
kompromisslos für die Freiheit des Wortes und des Denkens ein. Er weiß sich
verpflichtet - national und international - diese Freiheit zu verteidigen und
einzumahnen. Der P.E.N. fühlt sich aber auch verpflichtet und kompetent, die
Förderung der Künste als Aufgabe der öffentlichen Hand bewusst zu halten und zu
urgieren.
Ein Schwerpunkt der Arbeit des internationalen P.E.N. ist
der Schutz der so genannten kleinen Sprachen. Deshalb erlauben wir uns, die
Sprachenfreiheit, wie sie etwa in der neuen Schweizer Verfassung verankert ist,
auch für Österreich zu fordern und hinzuzufügen, dass öffentlich-rechtliche
Institutionen wie der ORF diesem Ziel zu dienen haben.
Erlauben Sie mir, dass ich eine Vorformulierung, wie sie in
die Verhandlungspapiere des Konvents aufgenommen werden könnte, vorschlage: Die
Freiheit der Wissenschaft und der Künste darf in ihrer Ausübung nur
eingeschränkt werden, wenn sie mit einem der in dieser Verfassung
gewährleisteten Grundrecht nicht vereinbar ist. Es gehört zu den grundlegenden
Aufgaben der Gesetzgebung und Vollziehung - im Hinblick auf ein der Zukunft
verpflichtetes Gesamtbild der österreichischen Kultur - für die Bewahrung
charakteristischer Zeugnisse der Vergangenheit zu sorgen und die Entfaltung
aller schöpferischen Kräfte in der Gegenwart durch geeignete Maßnahmen zu
fördern.
Ich glaube, hier gäbe es ein weites Feld der
Förderungsmöglichkeiten und danke sehr, dass Sie mich hierher eingeladen haben.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents
Dr. Heinz Fischer (übernimmt den Vorsitz): Danke vielmals, Kollege Dr. Greisenegger.
Damit haben wir den Themenbereich Kultur abgeschlossen.
Wir kommen zum Themenbereich Medien. Am Wort ist Herr
Wolfgang Hirner, Dachverband der freien Radios. Redezeit fünf Minuten. – Bitte,
Herr Kollege.
Wolfgang Hirner: Herzlichen Dank für die Einladung. Mein Name
ist Wolfgang Hirner, ich bin stellvertretender Obmann des Verbandes freier
Radios.
Wir haben eigentlich nur eine Forderung, deshalb möchte ich
vorweg einmal darauf eingehen, was wir überhaupt machen, weil das den meisten
vielleicht nicht so bewusst ist, was die freien Radios in Österreich machen.
Wer sind wir also? – Wir sind die, die Anfang der Neunzigerjahre
österreichische Gesetze gebrochen haben, indem wir eigene Radiosender gebaut
haben und so genannte Piratenradios betrieben haben. Im Jahr 1993 wurde uns
dann vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt, dass nicht wir
die Gesetzesbrecher waren, sondern dass der österreichische Staat mit dem
Rundfunk-Monopol gegen Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention,
Recht auf freie Meinungsäußerung, verstoßen hat.
Inzwischen ist die Situation so, dass es elf freie
nichtkommerzielle Radios in Österreich gibt, die legal senden, von Radio Orange
in Wien über Radio Fro in Linz bis Proton
in Bludenz. Dabei unterscheiden wir uns grundsätzlich von kommerziellen
Radios und öffentlich-rechtlichen Radios, und zwar dadurch, dass wir einen
offenen Zugang zum Medium Radio bieten. Das heißt, bei uns kann prinzipiell
jeder/ jede, Radiosendungen gestalten. Wir sind also ein Radio der
Zivilgesellschaft, in dem jeder das Recht hat Sendungen zu gestalten und sich
zu artikulieren.
Unsere drei Prinzipien sind eben Nichtkommerzialität,
Werbefreiheit und offener Zugang, den ich gerade angesprochen habe. Die meisten
freien Radios sind als gemeinnützige Vereine organisiert und beim offenen Zugang
liegt natürlich der Schwerpunkt auf dem, dass wir Menschen, die in anderen
Medien marginalisiert sind, die sonst kaum oder nicht zu Wort kommen, bei uns
zu Wort kommen. Das fängt an bei Obdachlosen bis zu Migrantinnen oder
Kulturschaffenden bis auch zu Senioren und Seniorinnen.
Die elf freien Radios gesamt senden in 20 Sprachen. Stark
vertreten sind natürlich die Migrantinnen-Sprachen türkisch und serbokroatisch.
Die freien Radios sind eine wichtige publizistische Ergänzung im lokalen
Bereich. Zirka 2.000 Menschen in Österreich gestalten regelmäßig ehrenamtlich
Sendungen bei freien Radios. Wir sind also ein Radio der Zivilgesellschaft.
Nun zu meinen Erwartungen an den Konvent. Keine Angst, wir
wollen nicht in die Verfassung aufgenommen werden, uns würde es schon reichen,
überhaupt gesetzlich verankert zu werden, denn momentan gibt es uns de jure gar
nicht. Wir sind gesetzlich den kommerziellen Radios gleichgestellt, den
kommerziellen Privatradios. Dazu kommt, dass im Jahr 2000 uns die
Bundesförderung radikal gekürzt wurde und im Jahr 2001 eingestellt wurde vom
Staatssekretär Morak.
Es ist auch nicht so, dass man uns einfach so die
Radiolizenzen gegeben hätte, sondern wir mussten sie erkämpfen, indem wir gegen
das erste Regionalradiogesetz vor den Verfassungsgerichtshof gingen, und so das
Regionalradiogesetz zu Fall brachten, was dann dazu führte, dass eben auch
Lokalradio berücksichtigt wurde im neuen Regionalradiogesetz beziehungsweise
Lokalradiogesetz und dies machte den Weg frei auch für freie nichtkommerzielle
Radios. Insofern hatte die österreichische Bundesverfassung und der
Verfassungsgerichtshof für die freien Radios eine entscheidende Bedeutung.
Nun aber wirklich zu unserem Vorschlag. Nicht nur im
Printbereich, Stichwort Formil, sondern auch im Radiobereich kommt es zu einer
zunehmenden Medienkonzentration. Josef Trappl vom Prognos-Institut spricht von
einer Medienkonzentration, die im Vergleich mit anderen europäischen Ländern
einzigartig ist. Im Radiobereich kommt es zu einer verstärkten Kettenbildung,
Stichwort „Krone Hit-Radio“. Die wirklichen Lokalradios werden mittelfristig
verschwinden. Meine Prognose ist, dass die einzigen Lokalradios, die übrig
bleiben werden, mittelfristig die freien nichtkommerziellen Radios sein werden,
die wirklich dann ein lokales Informationsbedürfnis abdecken.
Diese fortschreitende Medienkonzentration ist eine Gefahr
für die demokratischen Entwicklung eines Landes. Und jetzt komme ich zurück zum
Anfang, zum Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte aus dem
Jahr 1993. Im Urteil gegen die Republik Österreich hebt der Europäische
Gerichtshof die grundlegende Rolle der Meinungsfreiheit für eine demokratische
Gesellschaft hervor und weist darauf hin, dass der Staat ein Garant für die
Meinungs- und Medienvielfalt zu sein hat. Deshalb schlagen wir für die
Verfassung die Formulierung vor: „Der österreichische Staat hat die Meinungs-
und Medienvielfalt zu garantieren.“ – Danke.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer:
Danke vielmals, Herr Kollege. Nächster Redner ist Mag. Franz Bauer von der
Journalistengewerkschaft. Und nach ihm Prof. Dr. Georg Weißmann. - Bitte,
Kollege Bauer, 5 Minuten.
Mag. Franz Bauer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Unsere Forderungen beziehen sich auf die unmittelbaren
Arbeitsbedingungen der Medien, der in Medien Schaffenden und die Auswirkungen,
die das auf die Gesellschaft haben könnte.
Punkt 1: Redaktionsgeheimnis. Wir fordern einen
verfassungsmäßig gesicherten Schutz des Redaktionsgeheimnisses. Es muss auf
Verfassungsebene sichergestellt sein, dass jene Informationen, die Journalisten
in Ausübung ihrer Tätigkeit erlangen, auch entsprechend geschützt sind.
Gleiches gilt natürlich auch für den Kontakt von Informantinnen und Informanten
zu den in Medien Tätigen.
Zweitens: Freier Zugang zu Information. Es gibt in
Skandinavien ein interessantes Modell, das Beamte dazu verpflichtet,
Journalisten und der Öffentlichkeit generell Rechenschaft abzulegen, über das,
was sie tun. Ausnahmen beziehen sich auf die Dinge, die Schutz der
Persönlichkeitsrechte betreffen und natürlich dort, wo öffentliche Interessen
im Spiel sind, staatliche Sicherheit und so. In Österreich ist dagegen eine
Tendenz zu erkennen, die eine freie Berichterstattung immer mehr einschränkt,
und das mit dem Hinweis auf Persönlichkeitsrecht oder öffentliche Interessen,
die nicht immer leicht nachvollziehbar sind. In Skandinavien sind auf Basis
dieser umgekehrten Denkweise die umgekehrten Argumentationen notwendig. Dort
muss man erklären, warum man eine bestimmte Information nicht hergibt.
Drittens: Medienförderung. Die Medienförderung soll nach
klaren Kriterien auf demokratischer Basis und transparent erfolgen. Die
Meinungsvielfalt ist ein hohes demokratisches Gut. Eine Demokratie kann nur
funktionieren, wenn diese Vielfalt gewährleistet ist. Dagegen streben aber
ökonomische Gesetze in eine gegenteilige Richtung, nämlich zu einer stärkeren
Monopolisierung, zu einer stärkeren Fokussierung. Ein hoher
Monopolisierungsgrad im Medienbereich führt aber zu einem schmäleren Angebot an
verschiedenen Meinungen. Es muss daher das Ziel jeder Medienförderung sein,
diese Vielfalt zu begünstigen, auch wenn das möglicherweise nur auf Basis von
Ungleichbehandlung möglich ist. Darüber hinaus ist Medienförderung natürlich
sehr oft Kulturförderung, siehe auch die bereits abgegebenen Beiträge der
freien Radios. Jede Form der Medienförderung sollte zum Ziel haben, die äußere
Pressefreiheit vor den negativen Folgen einer normalen wirtschaftlichen
Entwicklung, siehe Monopolisierung, zu schützen.
Viertens: Sicherung der inneren Meinungsfreiheit. Das
Wirken dieser ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, die, wie gesagt, zu einer
stärkeren Monopolisierung führt, führt im Medienbereich automatisch zu einer
Einengung der Meinungsvielfalt und daher der Meinungsfreiheit. Nach innen
geschieht das dadurch, dass die Unternehmen immer stärker als monopolartige
Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt auftreten und immer häufiger dabei grundlegende
Arbeitnehmerrechte verletzten, insbesondere wird der Arbeitnehmerbegriff
ständig ausgehöhlt. Dadurch entstehen taglöhnerähnliche Verhältnisse, die darauf
beruhen, dass die Journalistinnen und Journalisten den Unternehmen
wirtschaftlich gegenüber völlig ausgeliefert sind und kaum noch die Möglichkeit
haben, Meinungsfreiheit zu konsumieren. Der Zwang der wirtschaftlichen Realität
beseitigt daher für den einzelnen diese Meinungsfreiheit. Genau jene
arbeitsrechtlichen Bestimmungen, gegen die von den Unternehmen in immer
größeren Ausmaß verstoßen wird, sollten aber die innere Meinungsfreiheit und
Meinungsvielfalt gewährleisten. Fazit: In den Medien üben immer weniger
Menschen eine immer größere Macht aus.
Fünftens: Die Unabhängigkeit des ORF und seine
unverzichtbare Stellung als Informationsmedium sowie Kulturträger sind
abzusichern. Gewährleistet muss vor allem die Weisungsfreiheit seiner Organe
sein, abzusichern ist ebenso die wirtschaftliche Basis öffentlichen Rundfunks
und öffentlichen Fernsehens.
Und schließlich, was die Urheberrechte betrifft, ist glaube
ich, wurde das Meiste schon gesagt. Wir schließen uns da den Forderungen nach
einer Stärkung der Urheberrechte an. - Herzlichen Dank.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Kollege Dr. Bauer. Am Wort, wie angekündigt, Prof.
Weißmann. Dann, nach ihm Dr. Klaus Pekarek. - Bitte, Kollege, 5 Minuten.
Dr. Georg Weißmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in
Österreich beweist wohl am besten die tägliche Nutzung. 4,7 Millionen, das sind
mehr als 70 Prozent der Bevölkerung sehen fern. Bürger über 12 Jahren täglich 2
Stunden und 42 Minuten. Kinder zwischen drei und zwölf Jahren 82 Minuten. Den
höchsten Fernsehkonsum weisen unsere älteren Mitbürger auf, über 60, mit fast 4
Stunden täglich. Für 80 Prozent unserer Bevölkerung ist das Fernsehen das
wichtigste Medium, tatsächlich besteht das Fernsehpublikum, wie auch die
Weizsäcker-Kommission festgestellt hat, aus der Gesamtheit der Staatsbürger.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht im dualen
Rundfunksystem in Konkurrenz zu den privaten Rundfunkanbietern. Unbestritten
ist, dass ohne verfassungsrechtliche Verankerung ein öffentlich-rechtlicher
Rundfunk nicht bestehen kann und auch nicht bestehen wird, um seine Aufgaben zu
erfüllen, die da sind: Grundversorgung, organisationsrechtliche Ausgestaltung,
um eben, wie bereits erwähnt wurde, auch die journalistische Unabhängigkeit zu
gewährleisten, und dies vor allem, den Programmauftrag zu erfüllen. Programm
ist ein Gut und keine Ware. Der Qualitätsauftrag, so wie wir ihm verstehen, ist
im wesentlichen Beibehaltung der Österreich-Identität, der Vielfalt unter
Berücksichtigung der sprachlichen Minderheiten, der Meinungsvielfalt und des
Pluralismus und die Ausgewogenheit und Objektivität. Dies zu erfüllen ist heute
schwieriger denn je, in Konkurrenz zu Werbefernsehen, bei dem das Publikum
Tauschobjekt ist, und bei Pay-TV.
Der Publikumsrat, den ich zu vertreten habe, versteht sich
als Vertretungsorgan des Publikums im ORF und damit als Drehscheibe zwischen
Geschäftsführung und Publikum. Der öffentlich-rechtliche Auftrag ist jedoch
nicht nur aus Gebührengeldern, sondern muss zu 50 Prozent auch – wie wir alle
wissen – aus Werbeeinnahmen finanziert werden, ist damit aber auch in
Abhängigkeit von der Quote. Der Publikumsrat hat seinem gesetzlichen Auftrag
entsprechend dafür einzutreten, dass die Vielfalt der Interessen des Publikums
im Programm angemessen zum Ausdruck kommt. Diese Aufgabe ist ein Grundprinzip
einer freien, offenen Gesellschaft. Diese Aufgabe kann jedoch nur dann erfüllt
werden, wenn unser Organ personell und kompetent zusammengesetzt,
organisatorisch entsprechend verankert und dies vor allem, dass an die
Beschlüsse auch die entsprechenden Konsequenzen gekoppelt werden. Reine
Empfehlungen, wie wir sie jetzt als Publikumsrat haben, sind, glaube ich, für
die Zukunft zu wenig. Und deshalb bitte ich, im Hinblick auf die Bedeutung des
Fernsehens, in Zukunft ein Zustimmungsrecht für die Programmgestaltung, für den
technischen Ausbau, für die Jahressendeschemata und ein
Qualitätssicherungssystem dem Publikumsrat einzuräumen.
Der Stiftungsrat soll, so wie es bisher ist, für
wirtschaftliche Belange zuständig sein und könnte gegen derartige Beschlüsse
des Publikumsrates auch einen Beharrungsbeschluss fassen, wenn er diesen
wirtschaftlich begründet. Damit sollte es, wie ich glaube, im Interesse des
Publikums uns auf Dauer gelingen,
dass das Programm im öffentlich-rechtlichen Rundfunk im wahrsten Sinne des
Wortes eine erfüllte Zeit ist und bleibt. - Danke.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer:
Danke vielmals, Herr Professor! Ich bin jetzt informiert worden, dass
Dr. Pekarek von Herrn Universitätsprofessor Dr. März vertreten wird.
Bitte, Herr Kollege, Ich glaube, Sie sind stellvertretender Vorsitzender des
Stiftungsrates. - Bitte, Sie haben das Wort für 5 Minuten.
Dr. Leopold März: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen
und Herren!
Als
stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsrats, also des Aufsichtsrats
ähnlichen Organs des ORF, werde ich mich auf grundsätzliche, die Existenz des
öffentlich- rechtlichen Rundfunks in Österreich und seine wirtschaftliche Basis
betreffende Aspekte konzentrieren.
Wenn auch die Apostrophierung der Medien als vierte
Staatsgewalt zweifelsohne überzogen ist, so zeigt sich an einer solchen
Begriffsbildung doch deutlich, dass eine Verfassung im dritten Jahrtausend
nicht an den Medien vorbeigehen kann. Die Medien reflektieren die Identität
eines Staates und tun dies umso mehr, als Kompetenzen auf supranationale
Einrichtungen übergehen. Wenn der Begriff Nation für uns mehr verkörpern soll
als die Bezeichnung für einen Wirtschaftsstandort, dann ist dieses Mehr, die
Kultur und die nationale Eigenart in diesem Fall Österreichs, die einer Pflege
sowohl im Sinne der Erhaltung als auch der weiteren Entwicklung durch eine
eigene Plattform bedarf. Diese Plattform sind die Medien. Aufgrund ihrer
Wirkungsintensität vor allem die elektronischen Medien, für die deshalb eine
öffentliche Verantwortung besteht. Diese öffentliche Verantwortung bedingt
nicht die Forderung nach öffentlicher Trägerschaft für die Medien, für Radio
und Fernsehen steht das duale System, das Miteinander von öffentlichem und
privatem Rundfunk, ja völlig außer Streit. Eine staatliche Verantwortung und
Gewährleistung besteht aber insgesamt in der Form, dass die
Österreichkomponente in den Medien in ihrer Existenz gesichert wird.
Meine Damen und Herren! Die mediale Versorgung alleine dem
Gesetz von Angebot und Nachfrage zu überlassen, würde angesichts der Tatsache,
dass Österreich nicht ganz ein Zehntel des deutschen Sprachraums darstellt und
global gesehen sehr klein ist, wohl bedeuten, dass ausländische
Medienunternehmen die Dominanz auf dem österreichischen Markt einnehmen. Für
einen eigenständigen österreichischen Rundfunk wäre dann nur mehr in marginalem
Umfang Platz, weil sich eigenständige Angebote, die dann in der Folge wohl
ausschließlich werbefinanziert werden, für kleine Märkte nicht rechnen. Bereits
jetzt haben ausländische Anbieter auf dem österreichischen Fernsehmarkt einen
Anteil von fast 50 Prozent und das trotz eines starken ORF mit zwei
Programmen und öffentlicher Finanzierung. In der Schweiz haben bei einem mit
uns vergleichbaren öffentlichen Rundfunk die ausländischen Anbieter je nach
Sprachregion einen TV-Marktanteil zwischen 65 und 70 Prozent.
Der Vertrag von Amsterdam hat im Protokoll über den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Befugnis der Mitgliedstaaten anerkannt,
dessen Programmauftrag zu formulieren und die dafür nötige Finanzierung zu
sichern. Die Möglichkeit, die Eigenständigkeit österreichischer Medien zu
bewahren, muss auch der Verfassungsgesetzgeber für die staatlichen Organe offen
halten. Die derzeitige programmatische Erklärung im Bundesverfassungsgesetz aus
1974, wonach Rundfunk eine öffentliche Aufgabe darstellt, ist daher auch
angesichts der technologischen Weiterentwicklung, Stichwort Trimedialität,
beizubehalten und auszubauen.
Von der Verfassung ist die Bestandsgarantie für ein
österreichisches Medienangebot zu erwarten, was den Auftrag einschließt, die
Voraussetzungen für die wirtschaftliche Existenz österreichischer Medien
abzusichern. Selbstverständlich kommt dabei dem Rundfunk, vor allem aber dem
Fernsehen als grenzüberschreitendem Medium, eine besondere Rolle zu. Es ist in
diesem Zusammenhang mit Befriedigung festzustellen, dass der ORF demnächst ein
TV-Programm weitgehend unkodiert über Satellit ausstrahlen wird, wodurch
österreichische Informationsprogramme und Kultur europaweit empfangbar werden.
Das ist sichtbares Verständnis des Rundfunks als öffentliche Aufgabe, zu der es
in einem sich einenden Europa auch gehört, für eine Außendarstellung unseres
Landes zu sorgen.
Ich glaube daher, dass die öffentliche Aufgabe der Medien
und speziell des Rundfunks auch weiterhin ein Element unserer Verfassung
bleiben sollte. Ich meine, dass es notwendig ist, österreichische Angebote für
unser Publikum und als Spiegelbild unseres Landes nach außen sicher zu stellen.
Diese Aufgabe ist ohne einen starken öffentlichen Rundfunk nicht zu erfüllen. –
Ich danke Ihnen.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals. Nächster Redner ist der Kollege
Mag.Tritscher. 5 Minuten Redezeit. - Bitte, Herr Kollege.
Mag. René Tritscher: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte
Damen und Herren! Ich möchte mich kurz fassen, weil die Zeit schon
fortgeschritten ist.
Ich möchte mich kurz vorstellen. Mein Name ist René
Tritscher, ich bin Geschäftsführer des Verbandes der Österreichen Privatsender.
Wir vertreten sozusagen in Ergänzung des dualen Rundfunksystems in Österreich
die privaten Radio- und Fernsehveranstalter, also die kommerziellen
Fernsehveranstalter, und ich bin daneben noch Geschäftsführer des Fachverbandes
der Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen in der Wirtschaftskammer
Österreich, wo wir die gesamte Telekommunikations- und Rundfunkbranche
vertreten.
Dieses Statement hier ist als Statement des Verbandes
österreichischer Privatsender zu verstehen. Ich möchte mich kurz fassen und
daher drei konkrete Forderungen an dieses Gremium beziehungsweise Anregungen
für die Diskussion stellen. Der erste Punkt ist die Verankerung des schon
angesprochenen dualen Rundfunksystems in der Verfassung. Wie richtig erwähnt wurde,
gibt es sozusagen seit dem Jahr 1995 einen liberalisierten Radiomarkt, und seit
dem Jahr 2001 auch einen liberalisierten Fernsehmarkt. Diese wirtschaftliche
Veränderung hat sich allerdings nicht in der Verfassung niedergeschlagen. Im
Bundesverfassungsgesetz vom 10. Juli 1974, also aus einer Zeit, wo sozusagen
eine stark monopolistisch geprägte Rundfunklandschaft in Österreich noch
vorherrschend war, ist lediglich eine Definition von Rundfunk allgemein
enthalten. Es sind sehr allgemeine Bestimmungen über die bundesgesetzliche
Ausgestaltung des Rundfunks in Österreich vorhanden, und Rundfunk wird darüber
hinaus lediglich als „öffentliche Aufgabe“ definiert. Wir glauben, dass man
diese wirtschaftliche Veränderung auch in der Verfassung nachvollziehen sollte,
und das Prinzip des dualen Rundfunks explizit in der Verfassung verankern
sollte, um einfach die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen eins zu eins abzubilden. Das wäre der erste Punkt.
Der zweite Punkt betrifft die Strukturen besonderer
Verwaltungseinrichtungen, im Rahmen des Österreich-Konvents gibt es ja eine
eigene Gruppe, die sich damit beschäftigt, hier ist uns vor allem ein Punkt ein
Anliegen. Es ist zurzeit im Österreichischen Rundfunkmarkt nach der
gesetzlichen Situation folgendermaßen, dass es unterschiedliche
Aufsichtsbehörden für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und für die privaten
Rundfunkveranstalter gibt. Wir denken, dass das eine nicht erklärbare
Sondersituation ist, wenn sie sich vergleichbar andere Wirtschaftsbereiche wie
die Telekommunikation, wie den Schienenbereich und den Elektrizitätsbereich ansehen. Hier gibt es eine
unabhängige Regulierungsbehörde für den gesamten Sektor sowohl für jenen
Anbieter, der ehemals das Monopolunternehmen darstellte als auch für die
privaten Veranstalter. Im Rundfunkbereich ist es zurzeit so, dass für die
privaten Rundfunkveranstalter in erster Instanz die unabhängige
Regulierungsbehörde KommAustria zuständig ist, und für den
öffentlich-rechtlichen Veranstalter der Bundeskommunikationssenat. Das halten
wir für eine nicht optimale Lösung. Das Problem ergibt sich hier immer wieder,
dass sozusagen private Rundfunkveranstalter eigentlich de facto für die
Einhaltung der Werberegelungen oder auch für die Einhaltung des
öffentlich-rechtlichen Auftrags Beschwerden an den Bundeskommunikationssenat
einbringen sollten. Das funktioniert zurzeit in der Praxis natürlich nicht,
weil ich denke, Unternehmen haben auch anderes zu tun als permanent andere
Unternehmen in Ausübung oder in der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu
überwachen. Es sollte hier eine einheitliche Marktaufsichtsbehörde, einen
einheitlichen Regulator sowohl für den öffentlich-rechtlichen Anbieter ORF als
auch für die privaten Rundfunkveranstalter geben.
Der dritte Punkt betrifft einen Randbereich, aber es
betrifft insofern auch den Rundfunk, als wir es hier mit einer gesetzlichen
Spezialmaterie zu tun haben und gesetzliche Spezialmaterien immer das Problem
haben, dass oft in der Gerichtsbarkeit oder in Verwaltungsbehörden relativ
wenig Know How, relativ wenig Wissen über diesen technischen Spezialbereich
vorhanden ist. Hier würden wir anregen, im Sinne einer Verhinderung von
Situationen, wie sie zurzeit im Telekommunikationssektor bestehen, wo teilweise
Verfahren über drei, vier, fünf Jahre schon innerhalb des österreichischen
Instanzenzugs dauern, eine Stärkung der Gerichte insoferne vornehmen, als man
beispielsweise bei einer starken Belastung des Verwaltungsgerichtshofes
Sondersenate für bestimmte Spezialthemen einrichten könnte. Hier wäre
beispielsweise an Sonderthemen wie die Telekommunikation oder auch das
Urheberrecht, das heute schön öfter als Säule der Gesellschaft bezeichnet
wurde, zu denken. - Danke schön.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents
Dr. Heinz Fischer:
Danke,
Herr Kollege. Wir haben noch zwei Redner aus der Expertenliste: Mag. Dieter
Henrich, der jetzt am Wort ist, fünf Minuten, und dann als letzter Kollege Dr.
Walter Schaffelhofer, der Generalsekretär des Verbands der Österreichischen
Zeitungen; und dann kommt eine Runde von acht Rednern aus dem Kreise der
Mitglieder des Konvents. - Bitte, Herr Kollege Henrich.
Mag. Dieter Henrich: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte
Mitglieder des Österreich Konvents !
Im Namen des Verbandes der Regionalmedien Österreichs (VRM)
möchte ich mich zuerst dafür bedanken, dass Sie uns die Gelegenheit geben, hier
zu sprechen und unsere Gedanken einzubringen. Ich möchte damit beginnen, dass
Österreich nach unserer Meinung eine grundsätzlich sehr gute Verfassung hat.
Wir vom VRM wollen uns daher nicht anmaßen, dem Österreich Konvent zu sagen,
wie eine Verfassungsreform insgesamt aussehen sollte. Wir möchten nur zwei
Punkte aufzeigen, wo es aus unserer Sicht Handlungsbedarf gibt.
1. Sicherung der regionalen Vielfalt
Als eine Mediengattung, die ganz nahe am Puls der
österreichischen Bevölkerung agiert, wissen wir natürlich besonders gut über
lokale und regionale Verhältnisse und Probleme Bescheid. Wo sehen wir nun
Verbesserungsmöglichkeiten ? Wichtig ist in unseren Augen, dass die Menschen in
ihren angestammten Regionen gut leben können. Dazu brauchen sie Arbeit, eine
gute Verkehrsanbindung, kulturelle Möglichkeiten im weitesten Sinn, die das
Leben interessant und lebenswert machen, eine gute medizinische und
wirtschaftliche Nahversorgung. Ganz wichtig dafür sind lokale Zentren, also der
Erhalt auch kleinerer Städte in ihrer Bedeutung als Zentrum. Natürlich ist
dabei auf Ökonomie und Effizienz von Wirtschaft und Verwaltung Bedacht zu
nehmen, aber: Die Menschen leben
nun einmal in ihrer engeren Umgebung und nicht in globalisierten Räumen. Zum
Leben in den angestammten Regionen gehören aber auch Informationen über das
lokale Geschehen: über das, was in der näheren Umgebung vorgeht, was sich tut,
was die Menschen unmittelbar betrifft. Leider wird diesem Bedürfnis der
Menschen durch den Einfachgesetzgeber oder die Bundesverwaltung zu wenig
Rechnung getragen. Für diese zählen oft nur die große Welt oder das Geschehen
in der Bundeshauptstadt. Daher ersuchen wir um einen klaren Auftrag an
Einfachgesetzgeber und Vollziehung, eine Verankerung, Sicherung und Förderung
der Vielfalt der Regionen einschließlich der dafür notwendigen Medienvielfalt
bereits in der Bundesverfassung.
2. Verstärkte Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes
Gleichheit – nicht als undifferenzierte Gleichmacherei,
aber im Sinne von Gleichberechtigung und Chancengleichheit – ist ein wichtiges
Prinzip unserer Verfassung. Wie wir aus eigener Erfahrung aber nur zu gut
wissen, wird gerade durch die Nichtbeachtung des Gleichheitsgrundsatzes die
Verfassung regelmäßig verletzt: manchmal aus politischem Kalkül, manchmal auch
nur aus alter Gewohnheit.
Beispiele dafür gibt es genug, auch im Bereich der Medien:
Sei es, dass mittels einfacher Gesetze Förderungsmittel so verteilt werden, wie
man sich daraus politische Vorteile erhofft (ich denke hier etwa an die
Bundespresseförderung). Sei es, dass Budgetmittel willkürlich und ohne
Ausschreibung vergeben werden: Wo bleibt da die Chancengleichheit ? An eine
Ausschreibung für eine große Inseratenkampagne der Bundesregierung kann ich
mich jedenfalls nicht erinnern. Oder sei es, dass unbestimmte Gesetze mit
Verordnungen und Erlässen im eigenen Sinne ausgelegt werden. Hinweise von
Experten oder auch bloß Betroffenen werden „nicht einmal ignoriert“. Ein
Beispiel dafür war die ungleiche Besteuerung mittels Werbeabgabe von ein und
demselben Prospekt, je nachdem, ob er per Post oder in einer Zeitung befördert
wurde.
Ein offensichtlicher Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz
durch die Vollziehung, der aber dennoch erst durch den Verfassungsgerichtshof
abgestellt werden musste. Eine verstärkte Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes
durch Einfachgesetzgeber und Vollziehung wäre dringend erforderlich. Denn wie
kann sich der Einzelnen in der Praxis gegen eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung
wehren und seine Rechte schützen? Mit einer Verfassungsgerichtshofs-Beschwerde
nur unzureichend. Da mag er dann Jahre später zwar grundsätzlich Recht
bekommen, aber in der Sache ist es zu spät, der Schaden für ihn ist da. Den
Aufwand für ein solches Verfahren für eine Einzelperson oder ein kleines
Unternehmen möchte ich erst gar nicht erwähnen. Aus diesem Grund bitte ich Sie:
Finden Sie eine Möglichkeit, um der Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes auch
in der Praxis mehr Wirkung zu verschaffen.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen im Namen des VRM,
der österreichischen Regionalzeitungen und ihrer Leser für Ihre Aufmerksamkeit
und dafür, dass ich hier so offen sprechen durfte. Ich wünsche dem
Österreich-Konvent viel Erfolg bei seiner Arbeit – in unser aller Interesse. -
Vielen Dank.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Kollege Heinrich. Am Wort ist Dr. Schaffelhofer,
gleiche Redezeit – fünf Minuten. – Bitte, Herr Kollege.
Dr. Walter Schaffelhofer‡: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Ich spreche für den Verband Österreichischer Zeitungen.
Demokratie setzt Information voraus. Politik ist in modernen Demokratien
deshalb ohne die mediale Vermittlung weder denkbar noch möglich. Pressefreiheit
ist eines der elementaren Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. Das heißt:
jeder Mann/Frau soll und muss die Möglichkeit haben, Informationen zu erhalten
um seinen/ihren Teil zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen.
Einige wesentlichen Punkte:
Erstens: Für die Mediengesetzgebung wie auch die
Medienrechtsprechung hat die Garantie der Meinungsäußerung und Pressefreiheit
in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention eine zentrale
Bedeutung. Der Verband Österreichischer Zeitungen spricht sich daher für eine
sachlich umfassende Garantie der Pressefreiheit im Sinne des Artikels 10 EMRK
aus.
Umfassend heißt, dass diese Garantie für die Herausgabe und
den Vertrieb von Printmedien, den Betrieb von Rundfunkanstalten und sonstige
publizistische Meinungsäußerungen – zum Beispiel über das Internet, also
unabhängig von der Technik gelten muss; dass sie Nachrichten und Ideen
unabhängig von ihrem Inhalt und vermeintlichem sozialen Wert schützt; und dass
sie, um wirksam zu sein, über die reine Freiheit der Bestimmung von
publizistischen Inhalten ohne staatlichen Einfluss jedenfalls hinausreichen und
daher auch den Prozess des Vertriebs über beliebige Absatzwege - zum Beispiel
Verkauf an öffentlichen Orten - und der Vermarktung von Medienprodukten
einschließen muss. Die über Artikel 10 EMRK und den Rechtsweg an den
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegebene Anbindung der
österreichischen Medienrechtsprechung an die europäische Entwicklung ist eine
wesentliche Errungenschaft, die beibehalten werden sollte, auch wenn im Zuge
der Reformbestrebungen ein neuer Grundrechtskatalog in die Verfassung
integriert wird.
Zweitens: Ein wesentlicher Punkt, der nach Ansicht des VÖZ
bei einer Weiterentwicklung der Verfassung berücksichtigt werden sollte, ist
die Freiheit des Informationszuganges zu öffentlich bedeutsamen Informationen
gemäß Artikel 10 EMRK. Der Verband hat bereits vor einem Jahr ein Gesetz über
den freien Zugang zur Information nach internationalem Vorbild vorgeschlagen,
welches an Stelle des Auskunftspflichtgesetzes das Recht auf freien Zugang zu
Informationen der öffentlichen Verwaltung schaffen soll. Da decken wir uns mit
der Forderung der Journalistengewerkschaft. Dieses Recht ist durch das
bisherige APG nur sehr unbefriedigend gelöst. Wir treten für eine Stärkung der
Bürgerrechte und der demokratiepolitisch bedeutsamen Kontrollfunktion der
Medien bei gleichzeitiger Entkriminalisierung – Verletzung des Amtsgeheimnisses
– ein. Das Prinzip der Geheimhaltung soll durch das Prinzip der Öffentlichkeit
ersetzt werden, außer wenn aus eng umgrenzten, zwingend öffentlichen Interessen
oder zum Schutz privater Interessen die Geheimhaltung geboten ist. Ein solch
neues Verständnis der Abwägung von Informationsinteressen der Öffentlichkeit
und Geheimhaltungsinteressen des Staates sollte auch in der Verfassung zum
Ausdruck kommen.
Drittens: Einen wesentlichen Teil der Medienfreiheit stellt
auch der ungehinderte Informationsfluss zu den Medien dar. Dieser ist
gesetzlich in Form des Redaktionsgeheimnisses gewährleistet und auch durch die
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte abgesichert.
Aber angesichts der Gefährdung durch neue sicherheitspolizeiliche
Überwachungsmethoden ist es unserer Meinung nach geboten, das
Redaktionsgeheimnis auch verfassungsrechtlich anzuerkennen.
Abschließend möchte ich noch zwei kurze Anmerkungen zu
Aspekten anfügen, die trotz der knappen Zeit nicht unerwähnt bleiben dürfen.
Anmerkung Nummer eins zum Rundfunkbereich: Nach Ansicht des
VÖZ ist die derzeitige Verankerung
im BVG Rundfunk ausreichend. Eine zusätzliche Festschreibung des öffentlichen
Rundfunkauftrags in der Verfassung könnte als Legitimation für die bestehenden
Wettbewerbsverzerrungen missverstanden werden.
Anmerkung Nummer zwei: Wir sind der Überzeugung, dass es
ein verfassungsrechtlich abgesichertes Verbot einer Sonderbesteuerung der
Medien bzw. der Werbung in Medien geben sollte, gerade auch im Hinblick auf die
Bedeutung der Pressefreiheit.
Für eine eigenständige, unabhängige Meinungs- und
Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger sind vielfältige und im Wettbewerb
zueinander stehende Medien notwendig und unverzichtbar.
Ich ersuche Sie, auch diese Aspekte zu bedenken, und danke
für Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals, Kollege Dr.
Schaffelhofer. Wir kommen nun, wie vereinbart, zu den Wortmeldungen aus dem
Kreise der Konventsmitglieder. Ich habe hier eine Liste vorliegen, die
folgendermaßen aussieht, unter Weglassung von Titeln. Gehrer, Haller, Kohl,
Lichtenberger, Petrovic, Voith, Funk und Konecny. Am Wort ist also die Frau
Bundesministerin Gehrer. Redezeit fünf Minuten. - Bitte, Frau Minister.
Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Der breite Raum, den der Österreichkonvent der
Wissenschaft, Bildung, Forschung, Kultur und Medien einräumt, zeigt, wie
wichtig diese Themen sind und welche Bedeutung sie haben. Es wurden in
zahlreichen Beiträgen Themen angesprochen, die in die Verfassung gehören und
Themen angesprochen, die wahrscheinlich nicht in die Verfassung kommen werden.
Auf alle Fälle ist es für mich als Konventsmitglied wichtig, auch diese Themen,
die nicht in die Verfassung kommen werden, sehr genau mitzunehmen und an ihnen
zu arbeiten. Zum Beispiel an der Qualität in allen Bereichen der Bildung, zum
Beispiel der Weiterentwicklung der Zukunftsdiskussion um unsere
Bildungssysteme.
Mir ist es ein besonderes Anliegen, dass eine Verfassung
für die Menschen in unserem Land verständlich formuliert ist, dass es also ein
normaler Mensch auch versteht, und ich begrüße es auch sehr, dass wir eine
Präambel haben werden oder über eine Präambel diskutiert wird, die die
Leitgedanken der Verfassung für alle besser zugänglich machen soll.
Im Bereich der Universitäten ist es mir ein besonderes
Anliegen, dass auch in Zukunft die Weisungsfreiheit für die selbstständigen
Universitäten, für die unabhängigen oder autonomen Universitäten festgehalten
wird, damit die Universitäten ihre Aufgaben erfüllen können. Das
Universitätsgesetz 2002 erfüllt diese bisherigen Verfassungsbestimmungen, wie
erst kürzlich vom Verfassungsgerichthof festgestellt wurde. Wichtig ist es mir
auch, dass es auch weiterhin unabhängige Qualitätssicherungseinrichtungen gibt,
die weisungsfrei sind, wie zum Beispiel jetzt der Fachhochschulrat oder der
Akkreditierungsrat für die Privatuniversitäten.
Ich bitte Sie,
wir wollen auch gemeinsam ein Augenmerk darauf legen, wie wir das mit
der Verwendung der Fremdsprache in unserer Verfassung, mit der Amtssprache, wie
wir das festhalten wollen: Denn für Universitäten ist es doch wichtig, dass bei
Prüfungen und bei Lehrveranstaltungen auch Fremdsprachen verwendet werden
können. Auf eines möchte ich noch ein Augenmerk legen: Es gibt bisher eine
Bestimmung, dass Nicht-EWR-Staatsbürger an der Vollziehung von Gesetzen nicht
beteiligt sein können, außer in Ausnahmefällen. Und ich glaube, wir brauchen
diese Ausnahmefälle auch weiterhin für die Universitäten. Das betrifft
Professoren aus Ländern, die nicht dem EWR angehören.
Im Bereich der Bildung geht die Diskussion in zwei ganz
wichtige Richtungen. Es geht einmal um eine Vereinfachung und Entpolitisierung
der Verwaltung und es geht zum Zweiten um die Vielfalt, aber auch um die
Gemeinsamkeit in der Vielfalt der Bildungsangebote. Zur Entpolitisierung der
Verwaltung, zur schlankeren Verwaltung, habe ich mir folgende Ziele
vorgenommen: Die Vermeidung noch vorhandener Doppelgleisigkeiten in der
Verwaltung, die Schaffung von klaren Entscheidungsstrukturen durch ein
regionales Bildungsmanagement und auch die Festhaltung der Grundzüge des
österreichischen Schulsystems in der Verfassung halte ich für wichtig. Das
wurde von den Elternvertretern hier angesprochen. Das ist ein weiterer
wichtiger Bereich. Dabei ist die Mitsprache der Schulpartner - wir müssen uns
überlegen, wie wir die sicherstellen können - ein ganz wichtiger Punkt.
Die Frage des Verhältnisses zwischen der Zuständigkeit der
Bundesländer und der Zuständigkeit des Bundes für die Schulbereiche ist
eindeutig abzuklären. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Derzeit haben
wir eine Generalzuständigkeit des Bundes, der verschiedene Bereiche an die
Bundesländer abgibt. Ich frage mich, ob wir nicht in Zukunft eine
Generalzuständigkeit der Bundesländer machen könnten, wo sich der Bund gewisse
Bereiche vorbehält, und ich bin der Meinung, dass gerade für Bundesschulen der
Bund sich die Zuständigkeit behalten müsste, denn das sind überregionale
Angebote, die nicht durch Verhandlungen zwischen einzelnen Bundesländern
irgendwie in ihrer Kompetenz und Wirkungskraft geschmälert werden dürfen.
Wichtig ist es aber dann auch, wenn wir die Zuständigkeit neu regeln, dass wir
über die Ressourcen sprechen, die Ressourcenverteilung, die Bildungsinhalte,
die Bildungsabschlüsse und über die Gesamtheit der Schulorganisation, damit
Österreich ein einheitliches Schulsystem hat, einheitliche Bildungsinhalte hat,
aber sehr wohl regionale Schwerpunkte zum Tragen kommen können. Alle diese
Fragen sind konstruktiv neu zu ordnen.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist
Prof. Haller. Ich bin gefragt worden, ob sich der Familienbereich verschoben
hat. Der hat sich nicht verschoben, aber wir haben diese acht Wortmeldungen
eingefügt, sowie geplant, das heißt, der Familienbereich wird halt in 30, 35
Minuten an die Reihe kommen. -
Bitte, Herr Professor.
Dr. Herbert Haller: Vielen Dank, Herr Vorsitzender! Meine Damen und
Herren!
Vorweg mein Dank für den durch alle Beiträge sehr
interessanten und bereichernden Vormittag. Es ist schön, bestätigt zu werden
und es ist auch sehr schön, Beiträge zu erhalten, wo man die eigene Position
überdenken muss. Ich möchte berufsbedingt drei Beiträge besonders hervorheben.
Die Generalsekretärin des Boltzmanninstituts hat
eindrucksvoll die Rahmenbedingungen genannt, unter denen Forschung und Wissenschaft
gedeihen kann. Sie hat nicht gesagt, dass diese Bedingungen in Österreich zum
Großteil nicht gegeben wären. Und die Boltzmanngesellschaft trägt ja auch
wesentlich dazu bei, dass Wissenschaft und Forschung in Österreich gefördert
werden.
Der Vertreter der Akademie der Wissenschaften hat auf die
besondere Bedeutung der Grundlagenforschung nochmals hingewiesen, sie
hervorgehoben, aber auch den großen Staatsanteil der Finanzierung dieser
Grundlagenforschung hervorgehoben. Und ich glaube, das war auch gut zu hören.
Der Vertreter der Rektorenkonferenz, Professor Berka hat
die verfassungsrechtlichen Regeln, die Wissenschaft und Forschung derzeit
garantieren, schützen, fördern genannt, und hat sehr schön gesagt, was besser
formuliert, um in Schweizer Diktion zu sprechen, eine Nachführung geboten wäre,
wenn der Konvent diesen seinen Vorschlägen folgt, ist er glaube ich, gut
beraten.
Drei Kleinigkeiten der Kritik oder einer anderen Position.
Als Jurist bin ich vollen Herzens für die Rechte der autochthonen sprachlichen
Minderheiten, ohne Abstrich und sofort. Ich bin als Angehöriger der
Wirtschaftsuniversität voller Freude, dass wir dort auf lateinisch spondeo
sagen dürfen, dass wir englischsprachige Vortragende einladen können und dass
wir dabei sind, einen englischsprachigen Lehrgang, um auch ausländische Lehrer
und Studenten anzuwerben, einrichten können. Und ich ärgere mich die ganze
Zeit, dass unsere Museen, auch die staatlichen, schlecht beleuchtet, klein
geschrieben, tief gehängt, in deutscher Sprache nur vieles anpreisen und ich
möchte als Spanier oder Tscheche, als Ungar, einfach hier in Österreich auch in
meiner Sprache unterstützt sein. Aber, wenn der Kollege Brix die Staatssprache
Deutsch abschaffen will, dann sage ich ganz klar Nein. Die Mehrheit dieses
Landes spricht Deutsch, das ist unsere Identität und ich glaube, er sollte sich
informieren, was Übersetzungen in der EU, dort auch vollberechtigt für die
kleinen Sprachen, kosten und welche Schwierigkeiten die Schweizer haben. Ich
freue mich, dass in unserem Land wir etliche Schwierigkeiten nicht haben, weil
- ich glaube - jeder Deutsch spricht, versteht und es auch berechtigt ist, wenn
er einer der genannten Minderheiten angehört, in einer anderen Sprache sich
artikulieren soll, wie es unsere Verfassung und das Völkerrecht gebieten.
Es ist das Bildungsbürgertum heute in einer Bemerkung
schlecht weggekommen. Stellen Sie sich vor, was diese Menschen tun. Sie bringen
vielleicht unter Opfer ihre Kinder zur Matura und lassen sie studieren. Na,
stellen Sie sich das vor. Na, ich gehöre diesem Bildungsbürgertum an. Meine
Familie war nie reich. Nach dem Krieg, mein Vater ist im Krieg geblieben, sind
wir ärmlichst gekleidet, zum Teil zu Fuß, um die Straßenbahn zu sparen, mit
einem Butterbrot für das Mittagessen, studieren gegangen. Das erste Stipendium,
das meine Schwester bekommen hat, haben wir verwendet, um den Ofen, wir haben
nur einen Raum in unserer Wohnung, heizen zu können, nämlich einen besseren
Ofen neu zu kaufen. Also, ich würde, soweit ich diesem Bildungsbürgertum nicht
angehöre, weil wir sind alle auch immer sehr ungebildet, diesem
Bildungsbürgertum für seinen Einsatz und für die Erkenntnis, dass Bildung
Lebensqualität ist, einmal sehr herzlich danken. Wenn andere Gruppen dieses
Bewusstsein auch erwerben, dass man durch eigene Leistung zu höherer
Lebensqualität kommen kann, und ich meine das nicht finanziell, wahrscheinlich
ist es das auch, dann ist es gut und das sollen wir natürlich auch
unterstützen.
Eine letzte Bemerkung zur Autonomie. Wissenschaftliche
Institutionen brauchen Autonomie. Sie sollen ihre Verantwortung eigenständig
wahrnehmen. Sie kommen aber auch aus dieser Gesellschaft, sie arbeiten für
diese Gesellschaft und sie sind zum Grossteil auch finanziell dieser
Gesellschaft verbunden. Ich glaube, dass es um das richtige Ausmaß geht, die
Distanz; und das sagt ja auch das Wort Autonomie. Es kann nicht sein, dass
wissenschaftliche Institutionen sich aus dem demokratischen Rechtsstaat
entfernen. - Danke schön.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner Dr. Khol bitte.
Dr. Andreas Khol: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Es war ein interessantes Hearing und
es hat viele Dinge gegeben, die mich zur kritischen Auseinandersetzung mit
meinen Standpunkten, überhaupt mit Standpunkten herausgefordert haben. Ich
möchte sie im Einzelnen nicht kommentieren, sondern mich nur dafür bedanken,
dass dieses Hearing ein Gewinn ist.
Eine einzige Wortmeldung möchte ich
kommentieren. Herr Prof. Schmidt-Dengler hat sich in außerordentlich kritischer
Weise mit der Universitätsreform des Universitätsgesetzes des Jahres 2002
auseinander gesetzt. Das ist sein gutes Recht. Man kann über jede Reform
unterschiedlicher Meinung sein. Das hängt vom eigenen Standpunkt ab. Ich bin
aus vielen Gründen ein überzeugter Vertreter dieses Universitätsgesetzes 2002.
Prof. Schmidt-Dengler ist an dieses
Rednerpult getreten und hat unter Berufung auf seine philologische und
semantische Qualität das Universitätsgesetz als autoritär bezeichnet und davon
möchte ich mich distanzieren. Ich achte die Freiheit der Meinungsäußerung.
Autoritär heißt undemokratisch. Ein Gesetz, das in diesem Hohen Haus, im
Parlament von National- und Bundesrat mit Mehrheit beschlossen wurde, ist an
sich nicht undemokratisch. Man kann es jederzeit bekritteln, man kann anderer
Meinung sein. Allzumal, da dieses Gesetz gerade am Freitag letzter Woche vom
Verfassungsgerichtshof als ein Gesetz bezeichnet wurde, das gerade in dem von
Prof. Schmidt-Dengler vehement als autoritär bezeichneten Strukturen dem
Grundrechtskatalog und unserer Verfassung entspricht: Gerade das unterstreicht,
dass das keine philologisch und semantisch hoch stehende Meinungsäußerung war.
Stellvertretender Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Dr. Lichtenberger bitte. - Ebenfalls
5 Minuten.
Dr. Evelin Lichtenberger: Sehr geehrte Damen und Herren!
Zuerst einmal mein Dank an alle
Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft, die heute sehr präzise ihre
Forderungen artikuliert haben und eigentlich auch wichtige Anregungen gegeben
haben für unsere Diskussion. Beziehungsweise: Ich konnte in einigen dieser
Wortmeldungen die Spannung, die sich in den Debatten, gerade in den Ausschüssen
immer wieder zwischen verschiedenen Themenkreisen ergeben, deutlich erkennen.
Ich möchte auf eine dieser Spannungen ein bisschen deutlicher eingehen, weil
sie eigentlich in allen diesen Bereichen zum Ausdruck gekommen ist. Das ist die
Spannung zwischen dem reinen und sehr reduzierten Freiheitsbegriff und der
Frage, ob damit schon alles erledigt sei.
Ob die Gewährleistung der Freiheit der
Bildung, der Freiheit des Hochschulzugangs, der Freiheit der Medien in der
Verfassung schon ausreicht, um die Werte, die in anderen Teilen der Verfassung
auch verkörpert werden, wie etwa die Pluralität, auch noch zum Ausdruck bringen
zu können.
Sowohl die Vertreterinnen der Medien,
der Kulturschaffenden, auch im Bereich der Bildung und der Hochschule, haben
immer wieder darauf hingewiesen, wie wesentlich und wichtig es ist, dass man
sich mit einem reinen Rückzug auf einen sehr abstrakten Freiheitsbegriff allein
noch nicht begnügen kann, wenn es darum geht, Vielfalt zu schützen und
herzustellen. Pluralität entsteht nicht von selbst durch Freiheit, durch
Wettbewerb. Gerade, wenn es um strukturell benachteiligte Gruppen geht.
Strukturell benachteiligte Gruppen gibt es sehr viele in der Gesellschaft und
auch hier herinnen gehören wahrscheinlich ein Großteil in irgendeiner Weise einer
dieser Gruppen an. Das heißt also, dass die Frage wie die Pluralität, die erst
eine verwirklichte Freiheit in einem breiten Rahmen auch abbilden kann,
hergestellt werden kann. Das wird eine zentrale Herausforderung für die
Arbeiten im Konvent. Hier gibt es ja eine Riesenspannweite auch von Meinungen.
Einmal von einem sehr dezidierten Förderungsgebot in verschiedensten Bereichen
bis hin zur absoluten Absage an jedes Festschreiben von Förderungen, weil man
ja das politische Handeln nicht einschränken möchte.
Nun lässt sich das aber nicht so
leicht über einen Kamm scheren. Und ich glaube, das war sehr zentral und
wichtig, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft heute sehr
deutlich auch ihre Anliegen und Notwendigkeiten in dem Bereich artikuliert
haben. Wir können uns als Staat, als Repräsentantinnen des Staates nicht darauf
zurück ziehen, dass wir sagen können, wir erlauben euch ja eh, das und jenes
und solches zu machen, wenn es wiederum strukturell unmöglich gemacht wird,
diese Vielfalt auch herzustellen. Ich spreche hier vom freien Zugang zur
Hochschule. Ich kenne sehr, sehr viele – ich war Lehrerin –
Schülerinnen und Schüler, die hoch begabt waren, aber nie eine Möglichkeit
haben werden, aus strukturellen, finanziellen, sozialen Gründen, auf der
Universität ihren Beitrag zum allgemeinen Wissensschatz der Bevölkerung zu
leisten.
Ich spreche davon und hier sage ich im
Unterschied zu meinem Vorredner Herrn Prof. Khol sehr wohl ein Kompliment
auch den Herrn Schmidt-Dengler, dass der Demokratieverlust durch das neue
Universitätsgesetz sehr wohl die Freiheit durch Hierarchisierung einschränkt,
dass hier strukturelle Einschränkungen eine theoretische Freiheit wieder
zunichte zu machen drohen und das halte ich für zentral und ich halte es auch
gerade in der Debatte um die Kultur für ganz wichtig, die Frage des
Urheberrechts und seiner Wertigkeit auch im gesamten Kulturbereich stärker
hervorzuheben, auch zu verankern, denn hier dürfen wir nicht in Richtung eines
amerikanischen Copy Rights gehen, das zwar die Verwerter, nicht aber die
Urheber schützt.
Wir müssen dorthin zurück oder wir
müssen das verwirklichen, dass Urheberrechte zentrale Rechte von
Kulturschaffenden bleiben und unter Schutz gestellt werden, denn hier haben wir
durch die technischen Entwicklungen die größten Probleme in der
Kulturproduktion zu sehen. - Danke.
Stellvertretender Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Frau Dr. Petrovic. Bitte. Danke. - Gleiche Redezeit.
MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
ich möchte auf zwei Dinge eingehen,
nachdem Evelyn Lichtenberger mir im Zusammenhang mit den Universitäten schon
aus der Seele gesprochen hat, ohne dass wir uns vorher abgesprochen haben. Ich
möchte auf zwei Dinge eingehen, nämlich auf die kurze Intervention von
Präsident Fiedler in Sachen so genannter „schlanker Staat“, adressiert an einen
Vertreter der Kulturszene, und zweitens auf die Bedeutung der heutigen Anhörung
beziehungsweise wie wir damit in den Ausschüssen umgehen.
Zur Debatte rund um den schlanken
Staat. Ich leide, seit diese These vom schlanken Staat aufgekommen ist,
einerseits sprachlich unter dieser Wortschöpfung und inhaltlich so und so.
Sprachlich deswegen, weil der schlanke Staat immer wieder so als Gegensatz zum
starken Staat auftaucht und das Gegenteil von schlank ist bekanntlich nicht
stark, sondern dick. Den dicken Staat hat nie jemand verlangt, aber sehr wohl -
und das tue ich auch hier und heute - einen starken Staat gerade im Bereich der
Sozialverwaltung, im Bereich der Bildung, der Universitäten, der Herstellung
von Chancengleichheit, der - hoffentlich - Schaffung der Möglichkeiten einer Grundsicherung,
offener Bildungszugang vom Kindergarten bis zur Universität. Was ja immer
stärker in Frage gestellt wird und in Teilbereichen - freier Universitätszugang
-auch abgeschafft worden ist.
Dieses Begriffspaar stark-schwach und schlank-dick, das
soll man bitte nicht durcheinander bringen. Also, wer den Staat schwächen will,
der soll das hier aussprechen, gerade im Bereich der Sozialverwaltung, der
Bildungsverwaltung und sich nicht hinter irgendwelchen so nicht zutreffenden
Wortgegensätzen verbergen.
Auch verstehe ich den Arbeitsauftrag an diesen Konvent sehr
wohl im Sinne einer Straffung, einer teilweise sprachlich schwer fassbar
gewordenen Verfassung, aber letztlich ist der Arbeitsauftrag konkretisiert in
den Mandaten der zehn Ausschüsse und nicht anders. Man kann mit dieser – wie
gesagt – falschen Begriffspolarität schlank versus stark hier nichts gewinnen.
Insbesondere muss es möglich sein für einen Vertreter der
Kulturszene, sich für einen starken Staat auszusprechen und diesen versuchten
oder auch tatsächlich durchgeführten Kürzungen in diesem Bereich massiv
entgegenzutreten. Ich schließe mich dem vollinhaltlich an beziehungsweise, wenn
es für diese Vorstellungen von starkem Staat hier keinen Raum gibt im Konvent,
dann ist auch meine weitere Teilnahme offenbar fehl am Platz und nicht
gewünscht. Ich ersuche hier um eine Klarstellung und Präzisierung, denn meine
Vorstellungen von starkem Staat sind sehr deutlich und ich artikuliere sie auch
so laut und so gut ich kann.
Zum Zweiten, zur Bedeutung dieser Anhörung. Wir sind in
manchen Ausschüssen – es ist unterschiedlich – schon sehr weit mit der Arbeit.
Es gibt schon teils recht ausgereifte Papiere und ich habe schon das letzte Mal
festgestellt, dass unsere Ansätze von den Grünen, dass wir Forderungen, die
hier kamen und mit denen wir uns inhaltlich identifizieren, wenn wir diese
jetzt einbringen, dann kam schon ein bisschen mehr oder minder ein lauter
Vorwurf, „jetzt kommt ihr daher“.
Natürlich kommen wir jetzt daher, denn ich gehe davon aus,
dass diese Hearings auch einen Sinn haben sollen und dass die Vertreterinnen
und Vertreter der Einrichtungen, die heute hier spät – aber das hat mit der
Ladungspolitik zu tun – hier anwesend sind, auch gebührend berücksichtigt
werden müssen.
Ich gehe davon aus, dass die Ausschüsse alle auch die
Pflicht haben, zu den hier artikulierten Forderungen Ja oder Nein zu sagen. Wir
sind sicher nicht dazu verpflichtet, alles was hier geäußert worden ist,
ungeschaut zu übernehmen. Es geht auch nicht, weil es sich teilweise inhaltlich
widerspricht. Aber ich denke, wir sind es den Vertreten auch der hier bei
diesem letzten Hearing geladenen Vereinen und Einrichtungen schuldig, dass wir
unser Votum dazu abgeben.
Eine allerletzte Anmerkung zur Staatssprache Deutsch. Wenn
die Regierung selber mit Regierungsvorlagen kommt, die zum Beispiel
E-Governmentgesetz heißen und ich mir die Frage stelle, wie geht das mit dem
Artikel 8a, dann muss ich sagen, sind wir doch großzügig. Als Mitglied in einem
großen und hoffentlich noch wachsenden Europa können wir uns leisten, auch das
eine oder andere Wort in einer fremden Sprache in Gesetzen oder auch sogar in
der Verfassung zu haben. Das muss nicht unbedingt Englisch sein, das kann
durchaus auch eine slawische Sprache sein. - Danke.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Herr Dr. Voith. - Bitte.
Dr. Günter Voith: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Ich möchte ein paar Dinge sagen, die wir uns vielleicht
nicht sehr bewusst machen, aber wir dürfen nicht nur an diesen Kreis denken,
sondern, wie wird der Konvent auch außerhalb des Hauses gesehen. Wir haben
heute – so möchte ich hier sagen – einen großen Blumenstrauß bekommen. Es
blühen viele Blumen, Gott sei Dank. Die Blumen blühen nicht nur in den
Hearings, sie blühen auch in den Ausschüssen.
Ich möchte diese Blumen eigentlich in zwei Körbe geben.
Der eine Korb ist schlicht und einfach der, was alles mehr
Mittel erfordert, mehr finanziellen Einsatz zumindest in Form von mehr
Verwaltung. Hier erhebt sich die Frage, was kann der Staat in Zukunft leisten
oder ganz primitiv gesprochen, was können wir uns wirtschaftlich in Zukunft
leisten. Ich möchte darauf hinweisen – es ist heute gesagt worden – wir haben
zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt für Forschung und Entwicklung. Es ist
sehr wenig. Es ist nicht gesagt worden, dass wir das Schlusslicht in der EU
sind. Die Zukunftsaussichten sind nicht groß, wenn wir weiter bestehen wollen.
Der zweite Korb ist derjenige, wo man sagen kann, das sind
andere Akzente, die zu setzen sind, andere Prioritäten. Das fällt bitte fast
alles eigentlich in die Sache der Politik und nicht in die der Verfassung. Ob
wir die Priorität von den Mitteln in die Bildung stecken oder ob wir sie in
Pensionen stecken oder ob wir sie in Betriebe oder andere Dinge stecken, das
sind politische Entscheidungen. Die Erwartungshaltung an den Konvent, von
Anfang an, war eigentlich dementsprechend. Die Kritik war viel weniger an
Inhalten unserer jetzigen Verfassung, sondern an den Formen. Es sollte der
Verfassungskonvent dazu dienen, dass bessere Grundlagen geschaffen werden für
bessere Handlungsfähigkeit und für mehr Flexibilität für die Gesetzgebung, für
die Regierung und für die Verwaltung.
Ein Wort noch zum Schlagwort „Schlanker Staat“. Frau
Dr. Petrovic, ich gebe Ihnen völlig Recht, niemand will einen schwachen
Staat, wir wollen einen starken und schlanken Staat. Der Staat soll nur nicht
stark sein als Selbstzweck, sondern er soll stark sein für die Zukunft des
Landes. Der schlanke Staat heißt nicht ein schwacher, sondern er heißt, dass
der Ablauf und der Aufbau der Verwaltung rationeller, effektiver und moderneren
Methoden entsprechend geht.
Ich würde dem Präsidium, das letzten Endes die Entscheidung
hat, ein bisschen salopp raten, hören Sie auf jeden Rat, und befolgen Sie
keinen. - Danke.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner Dr. Bernd-Christian Funk. Fünf
Minuten.
Dr. Bernd-Christian Funk: Herr Präsident! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Ich bin froh, dass sich die
Schlankheitsforderung nur an den Staat und nicht an die Mitglieder des Konvents
richtet. Die Intervention von Herrn Brix habe ich nicht als Forderung nach
einer Abschaffung des Deutschen als Staatssprache verstanden, sondern als
Hinweis in eine Richtung, die auch
von Herrn Berka angesprochen wurde, nämlich Lehrveranstaltungen und Prüfungen
grundsätzlich dort für Fremdsprachigkeit zu öffnen, wo das sinnvoll und nötig
ist.
Das Universitätsgesetz 2002 hat ohne Zweifel in der Reihe der
vorherigen Universitätsorganisationsgesetze auf die demokratische
Mitbestimmungsformen im Binnenbereich verzichtet und diese durch
Befehlsstrukturen ersetzt. In diesem Sinne kann man das Wort „autoritär“
verwenden und so habe ich den Beitrag von Herrn Schmidt-Dengler verstanden und
so würde ich dem auch beitreten. Eine Schlussfolgerung, die lautet, dass ein
vom Nationalrat beschlossenes Gesetz gar nicht autoritär sein könne, mag eine
bestimmte Art von semantischer Qualität haben. Mit logischer Qualität kann sie
nicht aufwarten.
In der dritten Tranche des Hearings
ist eine Fülle von Anregungen, Wünschen und Forderungen an den Konvent
herangetragen worden. Viele davon betreffen die Arbeit des
Grundrechtsausschusses 4. Es geht einerseits um Wünsche nach speziellen
Gewährleistungen, etwa das Redaktionsgeheimnis als Teil der Meinungs- und
Informationsfreiheit betreffend. Zum Zweiten gibt es einen deutlichen Trend,
der in Richtung Leistungsgewähr in der Fortsetzung und Weiterführung von
Eingriffsschutz geht. Das hat sich auch bei diesem Heraring bestätigt. Dem
Grundrechtsausschuss 4 liegt nunmehr ein abgerundeter Input vor. Er umfasst
mehrere Schichten in Form von bestehenden Rechtsvorschriften, einschlägiger
Rechtssprechung und Lehre und nicht zuletzt Vorschläge und Anregungen,
insbesondere auch solche aus den Hearings.
In all diesen Schichten, die als
Grundlage der Ausschussarbeit gelten müssen, gibt es starke Kontroversen und
Widersprüche. Ich möchte nun in Angelegenheit des Ausschusses 4 sprechen. Der
Ausschuss 4 hat um eine Verlängerung des Mandats um weitere vier Monate
angesucht. Darüber ist noch nicht entschieden worden. Ich möchte in diesem
Zusammenhang dem Präsidium den Auftrag des Ausschusses 4 in Erinnerung bringen.
Er lautet: „konsensgetragene Textvorschläge für einen neuen Grundrechtskatalog
herzustellen“. Auf allen Ebenen bedarf es zunächst einer Verständigung über
Sachprobleme. Dabei geht es noch nicht um rechtspolitische Positionen, sondern
um Fragen der Auslegung und des Zustandes der Grundrechte, ihrer Reichweite und
Verzweigungen – kurz um eine Bestandsaufnahme.
Die bisherige Tätigkeit im Ausschuss
hat gezeigt, dass allein schon auf dieser Ebene, wenn man Gründlichkeit und
Genauigkeit haben will, ein hoher Aufwand an Zeit und Gesprächsbereitschaft
erforderlich ist. Der Ausschuss 4 hat sich bisher mit einzelnen Grundrechten
aus dem konventionellen Bereich der Abwehrrechte befasst. Nunmehr liegen
Vorschläge für einen gesamten Grundrechtskatalog vor. Für die Arbeit des
Ausschusses ergeben sich daraus neue Perspektiven.
Ich gehe davon aus, dass wir in der
zweiten Arbeitshälfte, so sie uns bewilligt wird, mit forcierterem Tempo
weiterarbeiten können. Ich bitte aber zu bedenken, dass man in der Trias von
Menge, Qualität und Zeit nicht alles haben kann. Mit zu geringem Zeitaufwand
kann man nicht auch zugleich Menge und Qualität bekommen. - Danke schön.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Kollege Konecny, bitte! Gleiche Redezeit.
Albrecht Konecny: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Wir haben aus den Bereichen der Kunst, der Kultur und der
Medien eine Reihe von interessanten Anregungen gehört. Wobei ich ein Motiv
aufgreifen möchte, das jetzt in der Debatte der Konventsmitglieder eine Rolle
spielt: Natürlich ist dabei viel von konkreter Politik die Rede. Nicht alles –
es hat einige konkrete Vorschläge gegeben – hat Verfassungsrang.
Aber natürlich ist – und beim Grundrechtskatalog ist das
nicht anders – die Politik mitzudenken, wenn wir über Verfassungsbestimmungen
debattieren. Verfassungsbestimmungen, die das und das Gegenteil gleicherweise
möglich machen, sind von einer Unbestimmtheit, mit der die auch
verfassungsrechtliche Praxis wenig anfangen kann.
Es geht schon auch darum, diesem Staat eine Richtung zu
geben, die klar zum Ausdruck bringt, welche politischen Maßnahmen in einer
breiten Vielfalt konkreter Lösungen als das gesellschaftlich Erwünschte
darzustellen sind. Wozu brauche ich sonst einen Grundrechtskatalog, wenn ich
nicht bestimmte Werthaltungen, bestimmte Förderungswürdigkeiten, bestimmte
Zielsetzungen politischen Handelns in der Verfassung oder in einem Grundrechtskatalog
im konkreten Fall festschreibe?
Es ist mit Recht, wie ich meine, auch und gerade vom
Kollegen Bauer, dem Sprecher der Journalistengewerkschaft, darauf hingewiesen
worden in einem ganz konkreten, aber außerordentlich wichtigem Fall, nämlich
dem der Presseförderung, dass natürlich gezielte Maßnahmen – das gilt nicht nur
für diesen Bereich – die Ungleichbehandlung geradezu naturnotwendig
voraussetzen. Wenn ich gleichmäßig über alle, die in einem Feld agieren – im
konkreten Fall waren die Medien, die Tageszeitungen beispielsweise, oder auch
in der Publizistikförderung, Zeitschriften das Zielobjekt – gleichmäßig ein
Füllhorn ausschütte, dann erreiche ich damit wenig.
Wenn ich jene, die aus welchen Gründen auch immer – und
über die Definition kann man reden – als marktschwächere aber mit einem
besonderen Anliegen versehen förderungswürdig sind, dann muss ich ungleich
behandeln. Und dieser Grundsatz, um Gleichheit zu erzielen ist
Ungleichbehandlung notwendig, ist zweifelsfrei etwas, was in unserem Verfassungskontext
klar ausgesprochen werden sollte.
Wir haben hier ein paar Mal – und das ist eine
Seitenbemerkung für jene, die die Debatte verfolgt haben – von einem dualen
Rundfunksystem sprechen gehört, so, als wäre es selbstverständlich. Ich glaube,
dass wir klar und deutlich davon sprechen müssen, dass es bei aller ungleichen
Gewichtung ein triales System ist, wo neben dem öffentlich-rechtlichen und dem
kommerziellen Programmgestalter eben auch die freien kleinen, vielleicht auch
förderungsbedürftigen Sender oder Veranstalter ihre Rolle übernehmen müssen und
nicht sie bereits – vielleicht sogar auf der Verfassungsebene - als Randfiguren
dadurch, dass wir ein duales System geistig dem zugrunde legen, ausschalten.
Zuletzt noch zwei Bemerkungen zu Debatten, die es am
heutigen Tag gegeben hat: Das mit dem schlanken Staat ist naturgemäß ein
schwieriger Begriff. Zwischen schlank und - könnte man dazu sagen – muskulös
auf der einen Seite, um einen Witz weiter zu spinnen, und anderem besteht
sicher ein Gegensatz. Schlank dort, wo es um klare und knappe
Verwaltungsvorgänge geht – bedingungsloses Ja! Schlank dort, wo sich der Staat
aus der Gestaltung der Gesellschaft zurückzieht – mit Sicherheit Nein!
Das Letzte, das ich sagen möchte – und auch da an den
Kollegen Funk klar und eindeutig anschließend: Ein Gesetz, das im Rahmen
unserer Verfassung zustande kommt, ist sicherlich demokratisch, politisch
legitimiert. Das ändert nichts daran, dass sein Inhalt autoritär sein kann. Das
Mehrheitsprinzip schließt auch das ein – und solange keine
Verfassungsgrundsätze verletzt sind, was der Verfassungsgerichtshof judiziert
hat, ist es naturgemäß gültiges Recht und anzuwenden. Eine autoritäre
Grundhaltung darin kann sehr wohl trotzdem festgestellt und laut ausgesprochen
werden. Wenn wirt vergleichen, in welchem Maß es Demokratie an den
Universitäten – das hat Ihnen nicht schlecht getan – seit den siebziger Jahren
gegeben hat, dann ist das ein autoritärer Rückschritt.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Wir haben jetzt die gewünschten acht Wortmeldungen
angehört und kommen jetzt zum Komplex Familie. Gemeldet sind Frau Edith Haller
– wieder unter Weglassung von Titeln -, Rosa Loger, Johannes Fenz, Gabi Binder,
Otto Gumpinger und Ingrid Piringer. - Bitte, Frau Kollegin Haller!
Edith Haller: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr
Rechnungshofpräsident!
Ich habe in den zwölf Jahren meiner parlamentarischen
Tätigkeit immer den Themenbereich Familie als Sprecherin der FPÖ vertreten und
kann heute, jetzt in meiner Funktion als Obfrau des Freiheitlichen
Familienverbandes, die Forderungen des Freiheitlichen Familienverbandes bekannt
geben.
Meine Damen und Herren! Die gesetzliche Anerkennung des
Menschenrechts auf Ehe und Familie ist nun weit über 100 Jahre alt. Dieses
Menschenrecht sollte eigentlich genügen, um dessen Verwirklichung ohne
Diskriminierung zu ermöglichen. Aber die Realität ist einfach eine andere.
Obwohl die Mehrheit der Österreicher mit Familie, mit Kindern leben wollen –
das ist ja durch etliche Statistiken bewiesen – gibt es eher negative
Tendenzen, es gibt einen eklatanten Geburtenrückgang zum Beispiel. Und obwohl alle
gesellschaftlichen Teilsysteme von den Familien und den von ihr erbrachten
Leistungen profitieren – zum Beispiel in großem Ausmaß die Wirtschaft – wird
Familie nach wie vor in Österreich als Privatsache betrachtet.
Das hat vielleicht darin oder ziemlich sicher darin den
Grund, dass Familien und der Bereich Familie ein sehr sensibler Bereich ist,
dass Familien nur beschränkt organisierbar sind, dass Familien keine
Machtstrukturen haben und deshalb auch nicht in ein Machtsystem, in das
bestehende Machtsystem Österreichs eingebunden sind. Das hat eine
Rücksichtslosigkeit, eine strukturell entstandene Rücksichtslosigkeit zur
Diskriminierung der Familien gebracht, das ist ein Zitat vom Professor
Schattowitz vom Institut für Familienforschung zum internationalen Jahr der
Familie aus dem Jahr 1994. Und eines muss uns doch allen klar sein:
Familienpolitik ist Gesellschaftspolitik, nicht ein Teil, sondern sie ist
Gesellschaftspolitik. Und die Leistungen, die Familien für den Staat, für den
Generationenvertrag, über den jetzt so viel gesprochen wird, erbringen, die
müssen einfach stärker als bisher ins Bewusstsein der österreichischen
Bevölkerung gebracht werden.
Deshalb ist es für den freiheitlichen Familienverband
zwingend notwendig, dass Familie und Ehe in die Verfassung aufgenommen werden
und unserer Vorschläge haben wir auch schriftlich festgehalten. Das lautet so:
„In Familien werden vielfältige
Leistungen erbracht, die für die gesamte gesellschaftliche und staatliche
Ordnung Grundlagen vermitteln, die Politik, Gesetzgebung und staatliche
Organisationen nicht schaffen können. Wie selbstverständlich greifen diese aber
drauf zurück, ohne sich der Quelle dieser Ressourcen ausreichend bewusst zu
sein. Die in Familien erbrachten Leistungen sind eine Basis für die Erhaltung
der Gesellschaft. Ohne die Erziehung zur Leistungsbereitschaft, zur
Rücksichtnahme und Solidarität ist ein gesellschaftliches Miteinander nicht
möglich.“ das ist ein Zitat aus dem österreichischen Familienbericht 1999,
Seite 6.
Der Freiheitliche Familienverband Österreichs fordert
daher, dass diese zentrale Bedeutung der österreichischen Familien auch in der
neuen Verfassung entsprechend berücksichtigt wird, damit die Familien auch in
Zukunft ihre Aufgaben erfüllen können. Wichtig erscheinen uns dabei vor allem
drei Punkte: Erstens, eine generelle Anerkennung der Bedeutung von Ehe in der
Familie, zweitens, ein klares Bekenntnis zu Recht und Pflicht der Eltern, in
erster Linie die Erziehung ihrer Kinder zu gestalten und zur Verpflichtung des
Staates, sie dabei zu unterstützen, drittens, ein klares Bekenntnis zur
Steuergerechtigkeit. Alle diese Punkte sind zum Beispiel schon seit mehr als 50
Jahren fester Bestandteil der Verfassung unseres Nachbarlandes Bayern und die
betreffenden Artikel 123 bis 126, jeweils der Absatz 1 dieser Artikel, der
Verfassung des Freistaates Bayern erscheinen uns, allerdings in modifizierter
Form, sehr gut geeignet, auch in unserer Verfassung die Bedeutung der Familien
zu verankern. - Danke schön.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals, Kollegin Haller vom Freiheitlichen
Familienverband. Am Wort ist Frau Rosa Logar, Geschäftsführerin der
Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Gleich Redezeit – 5 Minuten.
Rosa Logar: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter
Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte mich zuerst für die Einladung bei der Anhörung
des Österreich-Konvents recht herzlich bedanken. Ich vertrete hier eine
Opferschutzeinrichtung, die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der
Familie. Unsere Einrichtung ist, wie gesagt, eine staatlich anerkannte
Opferschutzeinrichtung, sie wurde 1997 als Begleitmaßnahme zum
Gewaltschutzgesetz eingerichtet. Ich selbst bin schon seit über 25 Jahren im
Bereich der Prävention familiärer Gewalt tätig.
Ich möchte Sie also auf eine Schattenseite des Bereiches
Familie hier aufmerksam machen. Österreich hat mit dem Bundesgesetz zum Schutz
bei Gewalt in der Familie ein für Europa beispielhaftes Gesetz geschaffen, das
überall auf große Anerkennung und großes Interesse stößt. Mit dem Gesetz wurde
anerkannt, dass ein demokratischer Rechtsstaat die Grund- und Menschenrechte
achtet, in keinem Bereich, auch nicht im Privatbereich, Gewalt dulden darf, und
dass die Opfer Anspruch auf Schutz und Unterstützung haben. Der
Unrechtszustand, dass Opfer vor Gewalt flüchten und sich verstecken müssen,
wurde beendet, doch Österreich darf mit dieser wichtigen Reform nicht stehen
bleiben. Der Schutz der Grundrechte auf Leben, Gesundheit und Freiheit
erfordert weitere Anstrengungen zur Bekämpfung von Gewalt in der Familie.
Die Familie, die eigentlich der sicherste Ort sein sollte,
ist für zu viele Menschen der gefährlichste Ort. Tag für Tag werden in
Österreich Tausende Personen misshandelt und gequält. Die Opfer sind
überwiegend Kinder und Frauen. Besonders Kinder leiden seelisch und körperlich
schrecklich unter der Gewalt und werden in ihrer Entwicklung enorm behindert.
Es besteht die Gefahr, dass die Ausübung von Gewalt von Generation zu
Generation weiter gegeben wird. Kinder, die Gewalt zwischen den Eltern erleben,
haben ein erhöhtes Risiko, als Erwachsene selber zu Tätern oder Opfern zu
werden. Die Gefahr von Gewalt steigt besonders in Zeiten von Trennung und
Scheidung. Hier kommt es regelmäßig zu schweren Gewalttaten wie Morden und
Mordversuchen.
Die Prävention von Gewalt in der Familie ist daher für die
Gesellschaft ein wichtiges Ziel. Denn um Gewalt erfolgreich verhindern zu
können, ist es notwendig, die Ursachen zu betrachten, und die Entstehung von
Gewalt zu verhindern. Die Vereinten Nationen
haben dazu folgende Definition festgelegt: “Violence against women is a
manifestation of the historically and equal power relations between man and
woman, which have led to domination over in this discrimination against women
per men and to the prevention of women’s full advancement.” – Aus dem
Abschlussdokument der Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen.
Die Ungleichheit von Frauen und
Männern ist also eine der zentralen Wurzeln von Gewalt an Frauen. Armut und
Abhängigkeit von Frauen sind Risikofaktoren für Gewalt. Frauen verdienen noch
immer ein Drittel weniger als Männer und ihre Pensionen betragen
durchschnittlich nur etwa die Hälfte der Männerpensionen. Die Herstellung von
Gleichheit und die Beendigung von Diskriminierung und Benachteiligung von
Frauen sind daher wichtige Maßnahmen zur Bekämpfung familiärer Gewalt.
Österreich hat sich im Rahmen
zahlreicher internationaler Vereinbarungen zur Prävention von Gewalt an Frauen,
zum Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern und zum Gender Mainstream
bekannt. Die Ratifizierung der Frauenkonvention der Vereinten Nationen durch
Österreich bringt die Verpflichtung, auf allen Ebenen gegen Diskriminierung,
Benachteiligung von Frauen tätig zu werden. Der Artikel 3, Abs. 2 des
EG-Vertrags beinhaltet das Prinzip des Gendermainstreaming. Wir ersuchen die
Mitglieder des Konvents, die Gleichstellung von Frauen und Männern und die
Beendigung von Diskriminierungen und Benachteiligung von Frauen zu einem
wichtigen und zentralen Element der Beratungen zu machen. Wir unterstützen die
Vorschläge des österreichischen Frauenrings zum Artikel 7, und ersuchen
den Konvent, diese voll inhaltlich zu berücksichtigen. Diese Maßnahmen wären
ein entscheidender Beitrag zur Prävention zur Gewalt in der Familie. - Danke
für ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretender Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist als Nächster Kollege Johannes Fenz, Präsident des Katholischen
Familienverbandes. - Bitte.
Johannes Fenz: Grüß Gott, Herr Vorsitzender!
Grüß Gott, sehr geehrte Damen und Herren des Konvents.
Familienarbeit anerkennen, Familien
bilden das Human- und Sozialkapital eines Staates. Kinder sichern den
Generationenvertrag und trotzdem sind wir von dem erklärten politischen Ziel,
Österreich zum familienfreundlichsten Land der Welt zu machen, noch weit
entfernt. Denn: Kinder haben wird oft als reine Privatangelegenheit betrachtet,
das ist ein gesellschaftstheoretischer Fundamentalirrtum, den es zu beseitigen
gilt.
Kinder haben ist nicht nur
Privatsache, es besteht auch ein zentrales öffentliches Interesse daran. Dass
Auf - und Erziehen der nachwachsenden Generation ist eine elementare
Zukunftsinvestition, die als solche im öffentlichen und politischen Bewusstsein
verankert werden muss. Familien dürfen sich nicht länger in der Rolle des
"selbstverständlichen" Leistungsträgers wieder finden. Ihre Arbeit
muss daher auch sozial und pensionsrechtliche Maßnahmen abgesichert werden.
Familien werden in der Öffentlichkeit
hauptsächlich als Bitt- und Anspruchssteller wahrgenommen. Das hat nicht
zuletzt damit zu tun, dass die Grenzen zwischen Familienleistungen und
Sozialleistungen verschwimmen. Familienleistungen müssen Kraft ihrer Definition
ohne jede Einkommensgrenze gewährt und jährlich valorisiert werden.
Trotz Steuerreform nimmt das
gegenwärtige System keine Rücksicht darauf, wie viele Personen von einem
Einkommen leben müssen. Familieneinkommen unter dem Existenzminimum pro
Familienmitglied werden besteuert. Alleinverdiener mit Kindern sind steuermäßig
benachteiligt gegenüber Haushalten mit zwei Verdienern, bei gleich hohem
Einkommen.
Familienpolitik darf nicht einzelne
Formen familiären Zusammenlebens ausgrenzen. Das darf sie aber nicht daran
hindern, deutlich zu machen, dass bestimmte Familienstrukturen, nämlich die
Eltern-Kind-Gemeinschaften auf der Grundlage der Ehe anzustreben sind.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter dem Aspekt des Kindeswohls wird das
familienpolitische Thema der Zukunft sein.
Weder das frühere Familienmodell der
strikten geschlechterspezifischen Arbeitsteilung, noch das Familienmodell der
funktionalen Gleichheit von Mann und Frau, können das Leitbild einer
zukunftsorientierten Familienpolitik sein. Notwendig ist Wahlfreiheit, für
unterschiedliche Handlungsoptionen, in der Arbeitsteilung zwischen Mann und
Frau in Familie und Beruf.
Politik wird für jene gemacht, die
wählen dürfen. Die Interessen der Kinder und Jugendlichen bleiben daher oft
unberücksichtigt. Dabei sind Kinder und Jugendliche diejenigen, die von den
politischen Fehlentscheidungen von heute am stärksten betroffen sind. Aus
diesem Grund wäre die Umsetzung eines Stellvertreter-Wahlrechts der Eltern, für
die noch nicht wahlberechtigten Kinder zu schaffen.
Die Grundfrage, ab wann ein Mensch ein
Mensch ist und Personenstatus hat, darf nicht nach wirtschaftlichen Kriterien
entschieden werden. Der umfassende Lebensschutz, das uneingeschränkte Ja zum
Kind und das uneingeschränkte Ja zum Menschen, bis zum natürlichen Tod, dürfen
auch unter dem Deckmantel der Wissenschaft und Forschung nicht zur Diskussion
stehen.
Eine moderne, demokratische
Gesellschaft, braucht selbstbewusste, kritische und mündige Bürger. Sie müssen
fähig sein, eigene Standpunkte einzunehmen und Verantwortung für einander,
sowie in der Gesellschaft einzunehmen.
Bildung und Ausbildung haben
wesentlich mit Menschenwürde, Gerechtigkeit und Freiheit zu tun. Sie sind die
Grundlage für bessere Lebenschancen und müssen daher Allgemeingut bleiben.
Der Österreich-Konvent hat sich die
Aufgabe gestellt, eine Verfassung für das 21. Jahrhundert zu entwerfen. Die
dafür notwendige Revision der zentralen Staatsaufgaben braucht
Zukunftsvisionen, die realitätsnah sind und sich damit befassen, wie wir in
diesem Land miteinander leben wollen und sollen und welcher festgeschriebener
Ziele und Werte es dafür bedarf.
Der katholische Familienverband
Österreichs als größte Familienorganisation Österreichs vertritt die
Auffassung, dass sich Österreich in seiner Verfassung zu einem christlichen
Wertebild, zu einem Leistungsausgleich zwischen Kinder habenden und kinderlosen
Menschen, zu einem Recht auf Bildung und Ausbildung, zu Ehe und Familie als
eine zu fördernde Familienform bekennt und verhindert, dass Kinder zur Armutsfalle
werden.
Zielführend erscheint uns dabei die
Überprüfung sämtlicher Maßnahmen und Gesetze auf Familienverträglichkeit.
Unabdingbare Aufgabe des Staates ist es auch, für die notwendigen
Rahmenbedingungen zu sorgen, damit jeder Mensch seine Lebensplanung und sein
persönliches Familien- und Vereinbarkeitsmodell auch verwirklichen kann. – Ich
danke für die Aufmerksamkeit.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Kollege Fenz. Am Wort ist jetzt Frau Abgeordnete
Gabriele Binder. Sie spricht für die Kinderfreunde. - Bitte, Frau Kollegin!
Gabriele Binder: Herr Präsident! Herr Vorsitzender! Meine Damen
und Herren! Ich bedanke mich im Namen der Österreichischen Kinderfreunde, dass
ich heute vor dem Konvent sprechen kann.
Die Kinderfreunde sind eine Kinder- und Jugend- und
Familienorganisation, mit einer fast hundertjährigen Geschichte, mit rund 600
ehrenamtlichen, organisierten Ortsgruppen und ebenso ein großer
Dienstleistungsbereich, vor allen Dingen in der Kinderbetreuung.
Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit fünf Themen
beschäftigen, die unserer Meinung nach verfassungsrelevant sind. Zum Einen,
eine unserer wesentlichsten Forderungen ist, Kinderrechte in der Verfassung zu
verankern, entsprechend der Kinderrechtskonvention. In Österreich ist die
Kinderrechtskonvention bereits seit 5. September 1992 in Kraft. Konkrete
Maßnahmen zur Gewährleistung der Kinderrechte, die insbesondere zu einem
verbesserten Rechtsschutz für die Kinder geführt hätten, sind bislang
allerdings weitgehend unterblieben. Wir setzen große Hoffnungen in die
Umsetzung des Aktionsplanes, zehn Jahre nach dem internationalen Jahr der
Familie.
Weiters meinen wir, dass es an der Zeit wäre, eine
Kinderverträglichkeitsprüfung bei zukunftsrelevanten Gesetzen einzuführen und
eine weitere Forderung ist, die Modernisierung des Wahlrechtes, im Sinne
erweiterter Partizipationsrechte für unter Achtzehnjährige und mehr Demokratie.
Konkret meinen wir Österreichischen Kinderfreunde, eine
Herabsetzung des Wahlalters auf sechzehn, sowohl auf Gemeinde-, als auch auf
Landes- und Bundes- und europäischer Ebene, denn wir meinen, solange junge
Menschen keine politische Stimme besitzen, müssen ihre Interessen von den
Erwachsenen, vor allen Dingen, von den Eltern wahrgenommen werden. Diese
Altersgrenze soll auch für Volksbefragung, Volksbegehren und Volksabstimmung
gelten. Begleitend dazu, muss es aber zu einer Intensivierung der politischen
Bildung für junge Menschen kommen.
Zum Thema Familien insgesamt. Wir Österreichischen
Kinderfreunde fordern die Anerkennung verschiedenster Familienformen. Familie
ist unserer Meinung nach mehr als Vater, Mutter, Kind. Wir definieren Familie
als eine verantwortungsbewusste, partnerschaftliche und gleichberechtigte
Lebensgemeinschaft von Erwachsenen mit Kindern. Auch hier fordern wir eine
Familienverträglichkeitsprüfung bei Gesetzwerdung und vor allen Dingen, eine Forderung
von uns, vermehrte Väterförderung, die Einführung eines Väterschutz-Monats.
Denn gerade die Umstellung auf ein Leben zu dritt ist eine sehr sensible
Familienphase, die jede Unterstützung braucht. Die ersten Wochen nach der
Geburt sollte der Vater zu Hause sein, seine Frau unterstützen und sie Zeit für
ein neugeborenes Kind nehmen. Damit würden Mütter in der schwierigen
Anfangszeit entlastet werden und Väter könnten von Anfang an in ihre Vaterrolle
hineinwachsen.
Ein wichtiger Punkt zum Thema Familie ist für uns auch die
Verankerung des arbeitsfreien Sonntags in der Verfassung.
Zum Thema Jugend. Wir meinen, dass die
Bundesjugendvertretung aufgewertet gehört, die Jugendgerichtsbarkeit wieder
hergestellt wird und verfassungsrechtlich wieder verankert werden muss. Und
eine weitere Forderung ist die Vereinheitlichung der Jugendschutzgesetze im
Rahmen einer Föderalismusreform. Wir treten für ein bundesweites, einheitliches
Jugendschutzgesetz ein.
Thema Sozialstaat. Wir fordern einheitliche Standards im
Sozialbereich, unter anderem zum Beispiel bundeseinheitliche Rahmengesetzgebung
in der Kinderbetreuung. Wir fordern das Recht des Kindes auf Kinderbetreuung.
Die Armut wird mit dem Recht auf Grundabsicherung und die Verankerung des
Sozialstaates in der Verfassung bekämpft. Und ein deklariertes
Antidiskriminierungsgesetz, um Menschen von struktureller Diskriminierung zu
lösen.
Zum Thema Bildung - die Umsetzung: Und unser großes Ziel
wäre, dass der Kindergarten als Bildungseinrichtung anerkannt wird. Und wir fordern
unter anderem auch den freien und offenen Zugang zur Bildung als verankertes
Verfassungsrecht.
Meine Damen und Herren! Zusammengefasst gibt es acht
Punkte. Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung, Modernisierung des
Wahlrechtes im Sinne erweiterter Partizipationsrechte für unter
Achtzehnjährige, Anerkennung verschiedener Familienformen, Verankerung des
arbeitsfreien Sonntags in der Verfassung, Vereinheitlichung der
Jugendschutzgesetze, Recht des Kindes auf Kinderbetreuung, Verankerung des
Sozialstaates in der Verfassung und den freien Zugang zur Bildung als
verankertes Verfassungsrecht. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Abgeordnete! Zum Wort gelangt Herr
Landtagsabgeordneter, Mag. Otto Gumpinger, für den Österreichischen
Familienbund. - Bitte, Herr Kollege!
Mag. Otto Gumpinger: Geschätztes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Danke, erstens für
die Möglichkeit, dass auch wir als Familienorganisation hier Anliegen
darstellen dürfen.
Ich möchte zwei Anliegen der Familien
artikulieren und auch zum Teil anschließen an die Vorrednerinnen und Vorredner.
Es ist ein Grundrecht in unserem Staate, dass jeder Mann oder jede Frau an der
politischen Willensbildung teilnehmen kann, Kinder und Jugendliche sind aber
bis dato davon ausgeschlossen. Das ist eigentlich unvollständig und nicht
ausreichend umgesetzt, dieses Grundrecht.
Wir halten dieses Wahlrecht ab der Geburt für ein wichtiges
emanzipatorisches Anliegen und das wird auch dadurch dokumentiert, dass
beispielsweise auch in der Bundesrepublik Deutschland der deutsche
Bundestagspräsident Thierse einen derartigen Appell von etlichen
Bundestagsabgeordneten in Deutschland mit unterzeichnet hat. Das wird dort von
verschiedensten politischen Kräften getragen und ich glaube, es wäre wichtig,
dass auch in Österreich eine solche Möglichkeit eröffnet wird.
Das zweite Anliegen ist die angemessene Erwähnung und
Beachtung der Familie in der Verfassung generell. Dem müsste natürlich ein sehr
breit angelegter Familienbegriff zu Grunde liegen. Aus unserer Sicht ist es
zweitrangig, ob das in einer Präambel oder in Staatszielbestimmungen realisiert
wird, aber es ist wichtig, dass die Familie verankert ist. Sie ist nämlich jene
Lebensform, die die Zukunft unserer Gesellschaft durch die Erziehung und
Betreuung der Kinder sichert. Sie wissen auch, dass über 80 Prozent der
Betreuung älterer und hilfsbedürftiger Menschen auch in Familien in Österreich
erfolgt und nicht in Heimen oder staatlichen Einrichtungen. Das heißt, die
Familie erbringt enorme Leistungen zur Zukunftssicherung und deshalb ist es
recht und billig, wenn sie auch gerecht in der Verfassung verankert wird, das
heißt, ihre Förderung, ihr Schutz entsprechend dort zum Ausdruck kommt. Das ist
in vielen Verfassungen, in vielen Ländern in Europa der Fall. Dort hat die
Familie einen hohen Stellenwert und das sollte auch in Österreich der Fall
sein.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Kollege. Es gelangt jetzt die Frau Ingrid
Piringer, Österreichische Plattform für Alleinerziehende zu Wort und ich
schlage vor, dass wir dann die Wortmeldung von Kollegin Romana Brait einfügen,
die vom Vormittag wegen einer Schularbeit auf den Nachmittag verschoben wurde.
Ich wage nicht zu fragen, wie es mit der Schularbeit gegangen ist, aber sie
strahlt ziemlich. - Bitte, Frau Kollegin.
Ingrid Piringer: Sehr geehrter Herr Präsident! sehr geehrter
Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorerst möchte ich mich dafür
bedanken, dass es uns als “Österreichische Plattform für Alleinerziehende”
ermöglicht wurde, Anliegen der allein Erziehenden an Sie heranzutragen.
Die Zahl der Alleinerziehenden ist mit 17 Prozent aller
Familien - das heißt, jede sechste Familie ist eine Alleinerzieherinnenfamilie
- längst keine Randerscheinung mehr, es ist eine Frage der Frauen. 88 Prozent
der Alleinerziehenden sind Frauen. Für ein oder mehrere Kinder vorwiegend
allein zuständig zu sein, heißt, Beruf und Kinderbetreuung in Einklang bringen
zu müssen, und das ist in Zeiten alternativer Arbeitsformen und geringer
Angebote schwieriger denn je. Es wird möglichst große Verfügbarkeit und
Flexibilität erwartet, was durch die Betreuungspflichten aber in der Regel
nicht realisierbar ist. Das ist auch häufig der Grund, weshalb allein
Erziehende Probleme haben, im Arbeitsleben Fuß zu fassen, geschweige denn
Karriere zu machen.
Allein Erziehende ohne Erwerbseinkommen stehen an der
Spitze der am meisten von Armut betroffenen Gruppen in Österreich. Aber auch
erwerbstätige allein Erziehende haben laut Sozialbericht zu einem hohen
Prozentsatz einen niedrigen Lebensstandard. Während sich 19% allein Erziehende
unter den Haushalten mit sehr niedrigem und 11% mit niedrigem Lebensstandard
finden, ist es bei Haushalten mit hohem Lebensstandard gerade noch 1%.
Weil allein Erziehende wegen ihrer Betreuungspflichten
häufig schlecht bezahlte und oft weit unter ihrem Niveau liegende Tätigkeiten
oder Teilzeitarbeit annehmen müssen, um die Familienexistenz zu sichern,
spielen Transferleistungen und der Kindesunterhalt eine besonders wichtige
Rolle.
Ich möchte einige Fragen einer allein erziehenden Mutter
anlässlich einer Veranstaltung zum Thema Kindesunterhalt und
Unterhaltsvorschuss zitieren. Sie hat als Junglehrerin nur einen Jahresvertrag
und muss jedes Jahr darum kämpfen, genügend Stunden zu bekommen, um die
Existenz ihrer Familie sichern zu können: “Wie lange noch, frage ich mich, kann
ich für meine Kinder aufkommen? Werde ich die Kraft haben, den langen Atem?
Werde ich gesund bleiben? Werde ich meine Arbeitsstelle behalten? Wer sorgt für
meine Kinder, wenn ich einmal nicht in der Lage dazu bin? Sind meine Kinder
schlechtere Kinder, bloß weil ihr Vater so krank ist, dass er arbeitsunfähig
ist und sie deshalb keinen Unterhaltsvorschuss mehr bekommen? Was können sie
dafür? Schade, dass unsere Kinder dem Staat nicht mehr wert sind.” Diese
Situation stellt für viele allein Erziehende ein großes Problem dar.
Eine von der ÖPA kürzlich durchgeführte Befragung ergab,
dass 17 % der befragten allein Erziehen, das ist jede 6. Familie, weder
Kindesunterhalt noch Unterhaltsvorschuss erhalten. Grund dafür ist unter
anderem die Zahlungsunfähigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils vor allem
durch Krankheit oder Konkurs, wodurch auch der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss
erlischt oder im Fall von Arbeitslosigkeit auf 29 Euro herabgesetzt wird. Das
heißt, wenn der Vater nicht zahlen kann, zahlt auch Vater Staat nicht. Wäre der
unterhaltspflichtige Elternteil nur zahlungsunwillig, könnte man anspannen und
das Kind könnte Unterhaltsvorschuss bekommen.
Bereits im Mazal-Bericht wird angeregt, den
Unterhaltsvorschuss vom Leistungsprinzip abzukoppeln: “Um diese Härtefälle zu
vermeiden, wäre eine Gewährung von Unterhaltsvorschuss von einer tatsächlichen
Einbringbarkeit von Unterhaltsansprüchen zu entkoppeln.” Dies ist derzeit wegen
Kompetenzproblemen zwischen Bund und Ländern nicht möglich. Um das Armutsrisiko
von Kindern in Allein-Erziehenden-Familien erfolgreich zu bekämpfen, wäre es
daher dringend notwendig, durch eine Änderung in der Verfassung Bedingungen für
eine Unterhaltssicherung zu schaffen, die nicht nur die Kosten für das nackte
Leben abdeckt, sondern vor allem auch eine Ausbildung der Kinder ermöglicht und
deshalb weit über dem normalen Sozialhilfesatz liegen muss.
Armut ist weiblich, Armut ist erblich, Armut macht krank.
Kinderarmut schließt nahtlos an Mütterarmut an. Um diesen Kreislauf zu
durchbrechen, legt auch die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten unter sechs
politischen Prioritäten für die nächsten drei Jahre die Bekämpfung der
Kinderarmut nahe. Kinder aufzuziehen darf nicht zur Armutsfalle werden. Allein
Erziehende verdienen keine Bestrafung für ihr Durchhalten beim Aufziehen ihrer
Kinder.
Eine Unterhaltssicherung für Kinder kann die
“Armutsvererbung” durchbrechen, sie stellt eine Investition in die Zukunft dar.
Es ist nicht nur ein privates, sondern - heute mehr denn je - ein
gesellschaftliches Anliegen, Kinder zur Welt zu bringen und für ihre Erziehung
und Ausbildung zu sorgen, damit sie ihrerseits später als Erwachsene ihren
gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkommen und den Generationenvertrag
erfüllen können.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin Kollegin Romana Brait, bitte.
Romana Brait: Danke schön. Danke schön auch für die
Möglichkeit, jetzt noch zu sprechen.
Die Bundesschülerinnenvertretung hat ihrerseits drei
zentrale Anliegen und das erste wäre, den freien Bildungszugang in der
Verfassung zu verankern, weil die jetzige Bildung bedeutet einen grundlegenden
Faktor für unsere spätere Gesellschaft. Die jetzigen Schülerinnen und Schüler
bilden die spätere Gesellschaft. Das bedeutet, dass Bildung uns zu selbständig
denkenden, kritischen und mündigen Menschen machen kann. Aus dem Grund ist es
für uns essentiell, dass der freie Bildungszugang in der Verfassung verankert
wird, damit die Chancengleichheit und die Chance für jeden Schüler und für jede
Schülerin besteht, Bildung zu bekommen und Bildung zu erhalten, weil es unserer
Meinung nach gerade in Österreich wichtig ist, dass alle Menschen dieselben
Chancen haben und alle Menschen in die Schule gehen können, und die Möglichkeit
haben sich zu bilden.
Und da komme ich auch gleich zum dritten Thema, nämlich das
Grundrecht für Schülerinnen und Schüler auf Mitbestimmung. Schülerinnen und
Schüler stellen die größte Berufsgruppe dar mit 1,2 Millionen und für uns ist
es essentiell, Demokratie zu lernen, die wir später einmal leben sollen. Und,
wo können wir diese Demokratie lernen, in der Schule. Und, das heißt, dass
Demokratie und aktive Demokratie für uns in der Schule beginnt. Aber
Schülerinnen und Schüler werden in der Schule nicht oft gefragt. Das bedeutet,
dass den Unterricht meistens die Lehrerinnen und Lehrer bestimmen, die Schule
und die Schulgestaltung, der Direktor oder die Direktorin.
Und für uns, für uns wäre es aber essentiell, dass das
Recht auf Mitbestimmung für die Schülerinnen und Schüler in der Verfassung
verankert wird, damit es ein Fundament gibt für Schülerinnen und Schüler, in
der Schule mitbestimmen zu können, dass sie nicht mehr übergangen werden, dass
sie nicht mehr überhört werden, und dass sie so auch im späteren Leben aktiv am
demokratischen Leben teilnehmen können.
Das bedeutet konkret, die drei Punkte, den freien
Bildungszugang, Bildung soll befreien, und das Recht auf Mitbestimmung für
Schülerinnen und Schüler. - Danke schön.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke
vielmals! Wir kommen jetzt zu den Vertretern der Friedensorganisationen,
einschließlich Landesverteidigung. Als erster spricht Herr Erwin Lanc,
Präsident des International Institute for Peace. Redezeit 5 Minuten und die
Frau Präsidentin Orthner übernimmt den Vorsitz. - Bitte, Kollegin Lanc.
Erwin Lanc: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Wir
danken für die Einladung.
Gemäß Titel I, Art. 3, Absätze (1) und (4) des
Konvententwurfes für eine „Verfassung für Europa“, die dem Europäischen Rat am
20.6.2003 in Thessaloniki überreicht wurde, ist es das Ziel der Union, den
Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern. In ihren
Beziehungen zur übrigen Welt schützt und fördert die Union ihre Werte und
Interessen. Sie trägt bei zu Frieden, Sicherheit etc. sowie zur strikten
Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der
Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen. Es fehlt eine Definition, wer für
diese Weiterentwicklung und vor allem Wahrung zuständig ist. Den
völkerrechtlich nicht durch den UN-Sicherheitsrat mandatierten Krieg gegen
Jugoslawien hat man im Nachhinein als für die Durchsetzung der Menschenrechte
im Sinne der Charta der Vereinten Nationen notwendig zu legitimieren versucht.
Die völkerrechtswidrige Teilnahme von Mitgliedsstaaten der EU im Krieg der USA
gegen den Irak hat gezeigt, wie sich einige Mitgliedsstaaten in der EU die
Weiterentwicklung des Völkerrechts außerhalb einer konsensionalen Änderung der
Charta der Vereinten Nationen vorstellen.
In Artikel 5 des EU-Verfassungsentwurfes ist die Achtung
der nationalen Identität und der grundlegenden politischen und verfassungsrechtlichen
Struktur der Mitgliedsstaaten festgeschrieben. Somit kann der österreichische
Verfassungsgesetzgeber im Rahmen der künftigen EU-Verfassung den Spielraum
dafür nutzen, was er unter Friedensförderung und Völkerrecht bzw. deren
Weiterentwicklung versteht. Dem stehen die Bestimmungen des Art. 15 über die
gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik nicht entgegen.
Der künftige Außenminister, der jetzige hohe Repräsentant
der Union, trägt durch Vorschläge zu einer Festlegung der gemeinsamen Außen-,
Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Union bei. Die Festlegung selbst
trifft der Europäische Rat, aber gem. Art. 40 (Abs.2) einstimmig.
In Titel V., Kapitel I., Artikel III.-193, Abs. (1) und
Abs. (2) ist festgeschrieben, dass die Union „…insbesondere im Rahmen der
Vereinten Nationen für multilaterale Problemlösungen eintritt.“
Art. III.-198 Abs. (1) regelt das operative Vorgehen der EU
in einer bestimmten internationalen Situation. Art. III.-201 sieht bei
Stimmenenthaltung eines Mitgliedsstaates eine förmliche Erklärung dafür vor und
ist damit nicht zur Durchführung des EU Ministerratsbeschlusses verpflichtet,
akzeptiert jedoch seine Verbindlichkeit für die Union und unterlässt
Behinderungen der Beschlussdurchführung.
Im Wegweiser für den Bürger, herausgegeben von der
EU-Kommission, heißt es interpretierend dazu:
„Die Verteidigungspolitik der Union wird unter Achtung der
verschiedenen kulturellen Traditionen und politischen Verpflichtungen der
Mitgliedsstaaten schrittweise aufgebaut (es ist nicht daran gedacht, die
Neutralität bestimmter Mitgliedsstaaten aufzuheben, und auch nicht daran, der
NATO Konkurrenz zu machen).“
Dennoch glaubte der damalige Verfassungsgesetzgeber in
Durchführung der so genannten Petersberger Aufgaben den §23 f BVG beschließen
zu müssen, der auch völkerrechtlich nicht mandatierte Kampfeinsätze des
Bundesheeres zuließe. Hier sollte sich der Österreichkonvent eine
neutralitätskonforme Novellierung überlegen.
Aus der Sicht der davon betroffenen Österreicher im
Bundesheer, auch wenn es sich um Berufssoldaten oder Freiwillige handelt, wäre
ein Verweigerungsrecht der Dienstleistung im Falle eines Einsatzes in einer
nicht durch den SR der VN mandatierten Mission empfehlenswert; jedenfalls
insolange der §23 f BVG den Bundeskanzler und Außenminister ermächtigt, das
österreichische Bundesheer an einer völkerrechtlich kriegerischen Handlung
teilnehmen zu lassen.
Wenn jemand Wehrdienstleistung aus Gewissensnot verweigern
kann und Zivildienst leisten darf so muss es auch das Recht geben als Soldat
dann den Einsatz zu verweigern, wenn er in einer durch den Sicherheitsrat der
VN nicht mandatierten friedenserzwingenden Mission eingesetzt werden soll. Dies
könnte - dzt. eher theoretisch - auch auf Einsätze im Auftrag der OSZE
Anwendung finden. Wesentlich ist, dass sich in einer neuen, gestrafften
Verfassung das Neutralitätsgesetz 1955 wieder findet. Nur eventuell
zeitgebundene Interpretationen, wie der §23 f BVG, sollten in einen Annex zur
Verfassung aufgenommen werden.
Es gilt die friedenspolitischen Komponenten der Verfassung
Österreichs im Sinne von Kant’s politischem Vermächtnis „Zum ewigen Frieden“
auszubauen. Es gilt, gestützt auf die Neutralität Österreichs, die
EU-Verteidigungspolitik vor den Irrwegen einer Interventionspolitik der EU out
of Area zu bewahren, wie es Solanas Sicherheitspapier vorsieht.
Es gilt ein Zeichen für den Vorrang des Völkerrechts, für
multilaterale Friedensbemühungen zu setzten.
Ich danke für die zusätzlichen Sekunden, Herr
Vorsitzender, und entschuldige
mich.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner (übernimmt den Vorsitz): Der nächste Redner ist Herr Pete Hämmerle von
den österreichischen Friedensdiensten. - Bitte sehr!
Pete Hämmerle: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte
Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Möglichkeit, hier als Vertreter der
österreichischen Friedensdienste unsere Anliegen vorbringen zu können.
Der ÖFD ist eine Plattform zur Förderung der
Friedensarbeit, deren Mitglieder derzeit 14 österreichische
Friedensorganisationen umfassen. Er sieht sich einerseits als Organ zur
Vernetzung der Friedensarbeit in Österreich, andererseits entsendet der ÖFB
seit zehn Jahren freiwillige Friedensdiener und Friedensdienerinnen in die
Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien, um dort den Aufbau einer
demokratischen Zivilgesellschaft und die interethnische Verständigung nach den
Konflikten und Kriegen der Neunzigerjahre zu unterstützen.
Auf diesen beiden Ebenen liegen auch die Anliegen, die wir
heute vorbringen wollen. Ich darf vorausschicken, dass ich kein Jurist bin,
sondern dass ich versuchen möchte, die aus unserer Sicht für eine
österreichische Verfassung in diesem Konvent wichtigen Fragen anzureißen. Was
Sie als Experten und Expertinnen dann daraus machen können, darf ich Ihnen
vertrauensvoll überantworten.
Die erste Ebene betrifft die Ausrichtung der Politik jedes
Staates, also auch Österreichs auf die Bewahrung, Schaffung und Förderung des
Friedens als eines der höchsten menschlichen Güter und eines Menschenrechts.
Ich darf daran erinnern, dass wir uns mitten in der von der UNO einstimmig,
also auch mit der Stimme Österreichs, beschlossenen internationalen Dekade für
eine Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit für die Kinder der Welt 2001
bis 2010 befinden. Das österreichische Netzwerk für Frieden und Gewaltfreiheit
hat dazu einen Anliegen- und Forderungskatalog erarbeitet. In diesem
Zusammenhang möchte ich auf die vielfältigen Verflechtungen der
Friedensthematik mit sozialen, ökonomischen und ökologischen
Konfliktpotentialen hinweisen, die eine umfassende Herangehensweise erfordern.
Unserer Überzeugung nach – und das sage ich als Mitarbeiter
des Internationalen Versöhnungsbundes, einer der ältesten gewaltfreien
Bewegungen weltweit, mit den Worten Gandhis, kann Frieden nur mit friedlichen
Mitteln erreicht werden. Das heißt, die Politik muss in allen Bereichen
zivilen, gewaltfreien Mitteln den Vorrang vor militärischen Mitteln einräumen
und das auch entsprechend auf allen gesetzlichen Ebenen zum Ausdruck bringen.
Drei kurze Punkte dazu:
1. Als Zielvorstellung sollte dienen, die bestmöglichen
Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für eine aktive Friedenspolitik zu
schaffen. Unseres Erachtens sind diese noch immer unter Beibehaltung und
aktiver Gestaltung der Neutralität Österreichs zu erreichen, weil dadurch am
ehesten ein eigener Handlungsspielraum - im Gegensatz zu gewissen Automatismen
militärischer Bündnisse - im Sinne einer aktiven Friedenspolitik ermöglicht
wird. Weiters spielt die Bindung an das internationale Recht und an Maßnahmen
im Rahmen der UNO beziehungsweise der OSCE eine wichtige Rolle.
2. In der Frage der allgemeinen Wehrpflicht sprechen wir
uns für deren Abschaffung aus, ohne dadurch eine verstärkte Konzentration auf
die Schaffung eines teureren Berufsheeres zu unterstützen. Zwangsdienste im
Rahmen der Wehrpflicht entsprechen unserer Meinung nach nicht dem modernen
Verständnis von Menschenrechten. Vielmehr treten wir für die Schaffung von
freiwilligen zivilen Diensten mit entsprechenden finanziellen Anreizen für
unterschiedliche gesellschaftliche und politische Bereiche ein.
3. Wir treten ferner für eine Verpflichtung beziehungsweise
Selbstverpflichtung Österreichs zu eigenständigen aktiven Beiträgen zur zivilen
Konfliktbearbeitung ein, die von staatlichen Stellen finanziert und in
Kooperation mit NGOs durchgeführt werden sollten. Das gilt sowohl für die globale
Ebene wie für die Ebene der EU und die nationale Ebene.
Zum Abschluss noch zwei ganz kurze Punkte zum Bereich
zivile Friedensdienste. Ein ziviler Friedensdienst könnte unter Einbeziehung
beziehungsweise Umwandlung des § 12b Zivildienstgesetz sowie des KSEBVG
Auslandseinsatzrecht als eigenständige Aufgabe etwa analog zum
Entwicklungshelfergesetz in einem eigenen Friedendienstgesetz behandelt werden.
Und zweitens eine grundrechtliche Absicherung von Rahmenbedingungen für
Freiwilligeneinsätze beziehungsweise Freiwilligendienste im Verfassungsrang
könnte einen positiven Anreiz zur Schaffung und Förderung solchen Engagements
bieten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Hämmerle. Danke. – Der nächste Redner ist Herr
Dr. Gerald Mader vom Österreichischen Studienzentrum für Frieden und
Konfliktlösung. - Bitte
Dr. Gerald Mader: Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Ich
spreche für das Österreichische Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung,
das eine Friedensuniversität in Schlaining betreibt, das weltweit
Peace-Building-Kurse durchführt und dessen Schwerpunkt Friedenspolitik,
Friedenserziehung und Konfliktvermittlung ist. Daher ist auch das Anliegen, das
ich hier vortrage, ein friedenspolitisches Anliegen und ich habe mir erlaubt,
einen schriftlichen Beitrag mit neun Punkten einzubringen, schon aus
Zeitgründen kann ich hier nur einige wenige, und ich denke drei Punkte,
besonders hervorheben.
Der eine ist die Frage des neuen Inhaltes der Neutralität,
der zweite Punkt ist die Diskussion und das Problem um den § 23f BVG, und der
dritte Punkt ist die Aufnahme von friedenspolitischen Staatszielen in die
österreichische Verfassung.
Neutralität: Sicher, die österreichische Neutralität hat
sich durch den UNO-Beitritt, durch das Ende des Kalten Krieges, das die
Möglichkeit eröffnet hat, den Inhalt der Neutralität frei zu bestimmen und
natürlich besonders auch durch den Beitritt zur EU verändert. Geblieben ist
aber und nicht obsolet ist zweifellos der militärische Kernbereich, das, was
man als Kernneutralität bezeichnet. Und das hat zumindest aus
friedenspolitischer Sicht eine besondere Bedeutung. Und diese Bedeutung kann
man auch in der Praxis dadurch ersehen, dass ohne dieser Kernneutralität
sicherlich oder möglicherweise Österreich schon der NATO beigetreten wäre. Also
so ganz ohne Sinn, auch so gesehen, ist die österreichische Neutralität sicher
nicht.
Ich möchte aber ein Missverständnis hier gleich ausräumen.
Jeder, der an das Ziel der Vereinigten Staaten von Europa denkt oder auch nur
auf eine integrierte Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik hinzielt,
ist sich natürlich bewusst, dass dann, wenn diese zu Stande kommt, dass dann
die Neutralität ebenso überflüssig wie die NATO ist. Aber der jetzige Zustand
besteht eben darin, dass das noch nicht ist. Und so lange das noch nicht ist, ist
es notwendig, die österreichische Neutralität am gegenwärtigen EU-Recht zu
messen und nicht an noch so wünschenswerten Integrationszielen der EU.
Ich muss mich beeilen. Nun zum § 23 nur ganz kurz. Die
Österreichische Bundesregierung hat das Neutralitätsverfassungsgesetz nicht
geändert und insofern der demokratischen Legitimation der Bevölkerung
entsprochen. Sie hat aber gleichzeitig dann doch im Zusammenhang mit dem
Amsterdamer Vertrag den §23f geändert, und zweifellos ist dadurch eine unklare
Rechtssituation insofern entstanden, also ja sehr viele Verfassungsrechtler und
Völkerrechtler die Auffassung vertreten, dass hierdurch eine inhaltliche
Derogation eingetreten ist. Es ist daher notwendig und wichtig für den Konvent,
den Versuch zu unternehmen, diese unklare Rechtssituation zu beseitigen. Und
das kann in zweierlei Weise geschehen. Entweder, man schafft das
Verfassungsgesetz ab, oder man novelliert den § 23f, und ich würde sagen, dass
das Letztere auch aus friedenspolitischer Sicht vorzuziehen ist. Die
Novellierung könnte darin bestehen - und das wäre ein europapolitisches Signal
-, dass Österreich als erster europäischer Staat sagt: Friedensmissionen, das
heißt, friedensschaffende Missionen dürfen nur unter einem ausdrücklichen
Mandat des UNO-Sicherheitsrates erfolgen. Das wäre eine Art kopernikanische
Wende in der europäischen Politik, und das sollte ein Signal des Konvents sein,
mit der man auch anderen Staaten ein Vorbild gibt - der ganzen Welt letztlich
ein Vorbild gibt, das wirklich etwas Neues ist.
Das Ziel der EU sollte nicht sein, sich an einer
militärischen Politik der USA zu beteiligen, sondern die EU sollte den Versuch
unternehmen, eine neue Art von Politik, also echte Friedenspolitik zu kreieren
und praktizieren, wozu Österreich in seiner Verfassung ein Signal setzen
sollte.
Ich hätte noch gerne über die friedenspolitischen
Staatsziele gesprochen, aber das ist aus Zeitgründen nicht mehr möglich. Ich
meine mit dieser Zielsetzung das Bekenntnis zur Friedenspolitik, also zu einer
Politik mit friedlichen Mitteln und zu einer Sicherheitspolitik, die nicht
primär militärisch definiert ist. Österreich könnte auch hier ein
europapolitisches Signal geben und zeigen, dass man auch anders Politik machen
kann. - Danke schön.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Dr. Mader. Als Nächsten bitte ich Herrn Klaus
Lukaschek vom Verein Plattform für Zivildienst um sein Statement. – Bitte.
Klaus Lukaschek: Danke, Frau Vorsitzende. Sehr geehrte Damen und
Herren! Als abgesandter Vertreter der Zivildiener möchte ich Ihnen unsere
Vorstellungen zum Österreichischen Zivildienst präsentieren.
Ich brauche nicht über die Wichtigkeit des Zivildienstes
streiten mit Ihnen, denn jeder in diesem Saal kennt die unschätzbare Bedeutung
des Zivildienstes für das österreichische soziale Netz. Kommen wir sogleich zur
derzeitigen Situation und unseren Vorstellungen, wie man den Zivildienst
verbessern kann.
Erster Änderungsvorschlag unsererseits betrifft die
Zugehörigkeit zum Ministerium. Derzeit ist das Bundesministerium für Inneres
für den Zivildienst zuständig. Dort hat der Zivildienst aber nichts verloren.
Der Zivildienst geht unter allen sicherheitspolitischen Aufgaben völlig unter.
Wir fordern daher, dass der Zivildienst dem Bundesministerium für Soziale
Sicherheit unterstellt wird. Und ich muss auch jetzt schon – leider – meinen
ersten Kritikpunkt loswerden: Die Politik zeigt dem Zivildienst in letzter Zeit
viel zu wenig Interesse und Aufmerksamkeit. Und die Folgen zeichnen sich auch
schon in der Bevölkerung ab.
Ich habe inzwischen zahlreiche Österreicher, insbesondere
Mädchen und Frauen, kennen gelernt, die nicht wussten, was Zivildienst ist. Sie
hatten keine Vorstellung darüber, dass es sich um einen verpflichtenden
Wehrersatzdienst handelt. Meine Damen und Herren! Das haben sich die
Zivildiener wirklich nicht verdient. Ich ermahne hier sämtliche Politiker, den
Zivildienst wieder mehr zum Thema zu machen und die anstehenden Probleme auf
diesem Gebiet in Form einer Zivildienst-Reformkommission anzugehen.
Der nächste Vorschlag unsererseits betrifft die
Bildungspolitik – die zuständige Ministerin ist leider nicht da -, es geht um
die Schulen. Wenn die Schule auf das Leben vorbereiten soll, dann hat sie die
jungen Männer auch auf die Frage vorzubereiten, ob für sie ein Wehrdienst mit
dem eigenen Gewissen vereinbar ist oder nicht. Unser Vorschlag ist eine Projekt
orientierte Auseinandersetzung der Schüler und Schülerinnen mit den Themen
Wehrdienst, Zivildienst und freiwilligen Hilfsdiensten in allen
österreichischen Schulen. Auch Mädchen sollen nämlich die Bedeutung dieser
Dienste für Österreich kennen lernen. Die männlichen Schüler sollen danach –
also nach Ende des Projektes – eine ungefähre Vorstellung davon haben, was die
Entscheidung zum Wehrdienst oder Zivildienst für sie bedeutet. Wir fordern
daher eine fixe Verankerung im Gesetz, Verordnung oder entsprechenden
Lehrplänen. Das ist der Staat seinen Zwangsverpflichteten schuldig.
Der nächste Kritikpunkt betrifft die in letzter Zeit modern
gewordene Art der Gesetzgebung. Als Beispiel sei hier das Budgetbegleitgesetz
2003 genannt. Hier werden 90 Gesetze über einen Kamm geschoren. Und mit Kamm
meine ich den Budgetausschuss, der absolut nicht das geeignete Organ ist, um
über Materien wie zum Beispiel die Privatisierung der zivilen Verwaltung zu
diskutieren. Andere Materien möchte ich komplett ausschließen.
Wir alle wissen: Die eigentliche Arbeit findet in den
Ausschüssen statt, aber genau das wird mit solchen Methoden ausgehöhlt. Wir
fordern, dass die neue Verfassung dieser Art der Gesetzgebung, nämlich
Massengesetze dem Budgetausschuss zuweisen, einen Riegel vorschiebt. Sei es mit
Hilfe des Bundespräsidenten oder mit Hilfe des Verfassungsgerichtshofes.
Ein weiterer Kritikpunkt unsererseits ist, dass es in der
Vergangenheit auch modern geworden ist, wenn ein Gesetz vom
Verfassungsgerichtshof – ein einfaches Gesetz – aufgehoben worden ist, dieses
dann noch einmal im Verfassungsrang zu erlassen in der selben Art und Weise,
also ohne dass man Strich und Punkt ändert. Das, finde ich, ist die Aushöhlung
der Funktion des Verfassungsgerichtshofes und dem muss die neue Verfassung
genauso einen Riegel vorschieben.
Nun komme ich aber zu den Problemen, mit denen die
Zivildiener täglich konfrontiert sind, und welche seit über drei Jahren die
größte Belastung, nämlich finanzielle Belastung, darstellt.
Der Anspruch auf angemessene Verpflegung – so heißt nämlich
die Neufassung des Paragraphen – ist eine Katastrophe ohnegleichen. Das Gesetz
gibt vor, dass die Einrichtung ihre Zivildiener angemessen verpflegen muss.
Sonst gibt es keine Vorgaben, das Ministerium schweigt sich seitdem darüber
aus, was darunter zu verstehen ist. Das heißt, die Höhe des Verpflegungsgeldes
ist nicht gesetzlich geregelt. Zivildiener erhalten daher, nicht so wie früher,
€ 11,30 täglich an Verpflegungsgeld, sondern nur € 6,--, sogar auf Empfehlung
des Ministers in diversen Rundschreiben. Die Durchsetzung des Anspruches wird
weiter von den Behörden verzögert, sodass es noch zu keiner einzigen
bescheidmäßigen Überprüfung der Verpflegung auf Angemessenheit erfolgt ist.
Wir fordern daher, dass der Bund wieder die Kosten für die
Verpflegung übernimmt und die Verpflegung bundeseinheitlich regelt. Wir fordern
eine ordentliche Regelung des Anspruches auf Verpflegung oder aber dessen
Abschaffung mit gleichzeitiger Anhebung der finanziellen Grundvergütung.
Die Redezeit ist aus – danke schön.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Ich bitte Herrn Dr. Michael Schaffer von der
Bundesvereinigung der Milizverbände um seine Ausführungen.
Dr. Michael Schaffer: Frau Vorsitzende! Meine Herren Präsidenten!
Geschätzte Damen und Herren! Vorerst einmal herzlichen Dank für die Möglichkeit
einer Stellungnahme.
Ich möchte dieser voranstellen, dass unser Verband – im
Gegensatz zu sehr vielen anderen Vereinen und Verbänden – keine
Selbstzwecklichkeit in seinen Statuten hat. Das heißt: Uns geht es nicht um
Eigeninteressen, wir wollen keine Erleichterungen, Vergünstigungen,
Bequemlichkeiten oder sonst was für uns selbst, sondern wir haben uns immer in
den Dienst der Allgemeinheit gestellt. Und so fordern wir hier auch nichts,
sondern wir haben eigentlich bisher immer gegeben.
Der Milizverband repräsentiert die milizartige Struktur des
Bundesheeres nach der geltenden Bundesverfassung. Und das steht für Landwehr,
für Grenzsicherung, für Hilfs- und Katastrophendienste in Österreich; aber auch
mehr als 60 Prozent der Auslandsdienste in den Frieden erhaltenden Missionen
werden aus der Miliz rekrutiert.
Wir stellen weiters außer Streit, dass es im Hinblick auf
die geänderten Rahmenbedingungen zu einer Neuaufstellung des Österreichischen
Bundesheeres, der österreichischen Landesverteidigung kommen muss, weil es eben
andere, neue Bedrohungsbilder gibt. Wir warnen jedoch davor, hier gleich das
Kind mit dem Bade auszuschütten und sämtliche innerstaatliche, nationale
Verteidigungsvorkehrungen aufzugeben. Und es fällt mir da persönlich auf, dass
vor allem jene, die man Jahrzehnte lang schon kennt, dass sie immer das
Bundesheer abschaffen wollten, jetzt wieder mit Engelszungen, mit anderen
Argumenten, mit Europa und so weiter, aber mit dem gleichen Ziel der
Abschaffung unterwegs sind.
Wir glauben daher, dass es eine Mindestnotwendigkeit einer
österreichischen Landesverteidigung auch für nationale Zwecke geben muss in der
Form etwa, dass die Kompetenzen aller einschlägigen Waffengattungen erhalten
bleiben müssen, dann, dass es nach einem bestimmten Flächenschlüssel auch
territoriale Einheiten weiter geben muss. Und dass - was für uns, für meinen
Verband wichtig ist -, dass die milizartige Struktur erhalten bleibt.
Und diese Milizartigkeit ist ja eine grundsätzliche
gesellschaftspolitische Philosophie, wenn man so will, und die ist zu 100
Prozent kompatibel mit den Notwendigkeiten der Verkleinerung des Heeres und
auch mit der Professionalisierung des Heeres. Es hat also die Milizartigkeit
nichts mit der Größe zu tun. Wir glauben, dass die Milizartigkeit die
unmittelbare Mitwirkung des Volkes an der bewaffneten Macht des Staates
ausdrückt.
Was wünschen wir uns vom Verfassungsgesetzgeber?
Wir wollen, dass die allgemeine Wehrpflicht auf eine
solidarische allgemeine Dienstpflicht hin zu modifizieren ist. Es gibt dafür
viele Gründe, ich nenne dafür aber nur zwei.
Einerseits wissen wir aus der demographischen
Bevölkerungsentwicklung, dass wir eine Schieflage haben. Die Alten werden mehr,
die Jungen werden weniger und was daran an Notwendigkeiten, an Bedürfnissen für
Sozialdienste, Altendienste, Krankendienste und so weiter verbunden ist, liegt
auf der Hand. Daher ist es paradox, mit der Wehrpflicht auch die
Zivildienstpflicht zu beseitigen. Zweitens wissen wir, und das ist unser
Hauptargument, wir wissen, dass nicht nur von kleinen Staaten, sondern auch von
mittelgroßen Staaten, die auf ein Berufsheer umstellen, aus welchen Personen
dann das Recruiting für Soldaten erfolgt. Wir wissen, dass es hier die
untersten, letzten Schichten sind, dass sozusagen ausgerechnet die bewaffnete Macht
in Österreich zu einer Verelendung führt, zu einer Gettoisierung kommt.
Bei unserer Bevölkerungszahl von etwa 8 Millionen werden
wir niemals das notwendige Freiwilligenaufkommen haben, daher sollte man auch
aus diesen Gründen an der allgemeinen Wehrpflicht festhalten. Zusammenfassend
ist es unvertretbar und unverantwortlich, die Wehrpflicht abzuschaffen. Es
sollte daher die Wehrpflicht auf einen Solidargemeinschaftsdienst erweitert
werden, in dem die dann Milizpflichtigen je nach Eignung und Neigung zur
Landesverteidigung, zum Sozialdienst oder zum Zivilschutz bzw.
Katastrophendienst gehen.
Meine Zeit ist um. Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Ich danke für ihren Beitrag und bitte Herrn
Generalsekretär Oberst Dr. Walter Feichtinger um seine Worte. Er spricht für
die Offiziersgesellschaft, für die Unteroffiziersgesellschaft und für die
Gesellschaft für Landesverteidigung und Sicherheitspolitik. Und dafür bekommt
er zehn Minuten. - Bitte.
Dr. Walter
Feichtinger : Geschätztes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren!
Zuerst,
wie bei allen anderen, herzlichen Dank für die Gelegenheit, hier sprechen zu
dürfen. Es ist uns eine Auszeichnung, aber auch natürlich ein Bedürfnis, unsere
Anliegen hier darzubringen. Dieser Konvent ist für uns ein Ausdruck einer
Veränderung, einer Notwendigkeit, sich an geänderte Rahmenbedingungen
anzupassen. Der Bereich der Sicherheit ist ebenfalls einer, wo eine enorme
Notwendigkeit besteht, eine entsprechende Veränderung, eine Adaptierung, ein
Fit-machen für die Zukunft durchzuführen. Was sind nun die Lehren der letzten
zwölf, dreizehn Jahre aus dem Bereich der Sicherheits- und
Verteidigungspolitik, die für uns maßgeblich sind, um über die Zukunft auf
dieser Basis nachdenken zu können?
Einer
der wesentlichsten Punkte ist, dass die Entfernung zu Konflikten keinen Schutz
mehr darstellt. Durch die beschleunigte Globalisierung nach Ende des kalten
Krieges ist es einfach so, dass die Welt einen Dorfcharakter erhalten hat und
man sich vor positiven wie negativen Auswirkungen einfach nicht mehr abschotten
kann. Man ist, ob man will oder
nicht, Betroffener. Und damit muss man umgehen. Hier hat man dann einen
entsprechenden Beitrag zu leisten, wenn man auch von den negativen Auswirkungen
von Konflikten entsprechend betroffen ist. Und Konflikte gibt es genug.
Jährlich toben etwa 40 - 45 bewaffnete Konflikte, zumeist innerstaatlicher
Natur, in der Welt. Die Auswirkungen sind mannigfaltig. Von
Flüchtlingsbewegungen, die eine Destabilisierung in der Umgebung hervorrufen,
bis zum Festsetzen der organisierten Kriminalität, darüber hinaus fast
unkontrollierbare Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und
dergleichen mehr. Ich will sie damit nicht strapazieren. Das ist mittlerweile
altbekannt. Es zeigt nur, man kann sich hier nicht abschotten.
Und
der nächste Punkt, der damit verbunden ist: Kein Staat kann heute für sich
alleine die Sicherheit gewährleisten. Es geht nur mehr gemeinsam, es geht nur
im Sinne der Solidarität, im Sinne einer optimierten Zusammenarbeit, und dazu
gehört natürlich auch, dass man sich entsprechend einbringt und sich
entsprechend einbringen kann, mit all den Mitteln und Instrumenten, die hier
zur Verfügung stehen. Es hat sich auch klar gezeigt, dass die Notwendigkeit
besteht, vor Ort Konflikte,
entweder den Ausbruch zu verhindern, oder überhaupt abzuwehren. Und in
diesem Zusammenhang hat sich gezeigt, dass es ohne Streitkräfte in den meisten
Fällen nicht geht. Es hat sich hier ein internationaler, multinationaler
Verbund gebildet, der oftmals die Rahmenbedingungen sicherstellt, damit Hilfskräfte
vor Ort wirksam werden können, damit all das anlaufen kann, was wir alle
wollen, dass eine Stabilisierung eintritt, und dass dieser Zwang, aus dem Land
hinauszugehen, der Verlust der Zukunft, einfach abgewendet wird.
Gestatten
Sie mir einige Aspekte, Anmerkungen, die ich in letzter Zeit so aus den Medien
aufgeschnappt habe - um Ihnen einfach die Bandbreite und Komplexität dieser
Entwicklung darzustellen. So hat unlängst der deutsche Verteidigungsminister
Struck gesagt: Die Verteidigung Deutschlands als Teil Europas beginnt am
Hindukusch. Er hat das gesagt, im Zusammenhang mit dem Einsatz, mit dem
vermehrten Einsatz deutscher Soldaten am Hindukusch in Afghanistan. Der neue
Generalsekretär der NATO meinte unlängst: Wer den Krieg gegen den Terrorismus
gewinnen will, der darf den Krieg in Afghanistan nicht verlieren. Trotz der
gescheiterten - oder besser - bislang erfolglosen EU-Bemühungen um eine
Solidaritätsverpflichtung, um eine entsprechende Sicherheitsstrategie, zeichnet
sich diese Entwicklung für uns vollkommen klar ab. Es geht in Richtung mehr
Zusammenarbeit, es geht in Richtung verbesserte Zusammenarbeit und es geht auch
in Richtung optimiertes gegenseitiges Vertrauen ohne Vorbehalt. Dass dann
natürlich auch jeder seine Mittel einbringen können muss, ist ja dabei
selbstredend.
Vielleicht
noch eine Anmerkung zur Bedeutung von Wasser als Konfliktstoff der Zukunft.
Laut einer Studie der Orgeon-State-University haben Staaten in den vergangenen
50 Jahren 37 mal wegen Wasserstreitigkeiten Gewalt eingesetzt. Sie kennen die
globalen Trends. Sie wissen, die Bevölkerung nimmt zu, der Ressourcenverbrauch
steigt, und es wird natürlich hier Wasser ein Konfliktstoff der Zukunft sein,
ohne hier ein negativer Prophet sein zu wollen.
Eine
andere Meldung, diesmal aus Österreich und zur europäischen Solidarität und
Zusammenarbeit. Gemäß einer Umfrage vom Herbst 2003, die von der
österreichischen Gesellschaft für Europapolitik in Auftrag gegeben wurde, ist
Österreichs Jugend mehrheitlich für eine gemeinsame Europaarmee. Österreich
solle seinen Beitrag zu einer Europaarmee leisten, aber die Neutralität nicht
aufgeben.
Die
Neutralität ist gerade bei meinen Vorrednern schon mehrfach angesprochen
worden. Ich darf dazu noch eine Meldung, eine eher vertrauliche, aus dem sicherheits-
und verteidigungspolitischem Tagesgeschäft bringen. Es ist so, dass Österreich,
und ich sage das jetzt hier als Vertreter der österreichischen
Offiziersgesellschaft, mit einem Glaubwürdigkeitsdefizit in der internationalen
Zusammenarbeit behaftet ist.
Es ist
für unsere Partner letztlich nicht die Gewissheit gegeben, ob Österreich sich
im Fall des Falles an allen Maßnahmen beteiligen kann. Und das hat im
Informationszeitalter sehr, sehr negative Auswirkungen. Es geht nicht mehr um
Einzelinformationen. Es geht um Informationsnetzwerke, und in Netzwerke kommt
man nur hinein, wenn man ein Passwort hat. Und wenn man dieses Passwort nicht
hat, dann fehlen einem nicht nur Einzelinformationen, sondern überhaupt der
Zusammenhang und überhaupt die Möglichkeit, um entsprechend einwirken zu können
und sich einbringen zu können. Und hier kann natürlich genau dieser Aspekt der
Neutralität, vor allem, wenn man bedenkt, dass Österreich wirklich zu
Kerneuropa sich zählen will, ein enormer Stolperstein sein.
Ich
möchte die Entwicklung im Bereich der Sicherheit nicht dramatisieren. Eines ist
allerdings auch klar. Wenn man sie unterschätzt, macht man einen fatalen
Fehler. Und durch die Globalisierung und durch die Vernetztheit der
Gesamtproblematik muss man einfach hier dabei sein.
Wir
weisen daher namens dieser drei Gesellschaften auf folgende Aspekte ganz
besonders hin: Österreichs Sicherheit ist nur in einem internationalen Verbund
zu gewährleisten. Für uns steht daher außer Zweifel, dass im Zweifelsfall diese
internationale Solidarität, diese Solidarität vor allem innerhalb der
europäischen Union und auch gegebenenfalls im Beistand Vorrang haben muss vor
Neutralitäts- Vorbehalten. Ein zweiter Punkt: Die umfassende
Sicherheitsvorsorge ist analog zur jetzigen umfassenden Landesverteidigung
entsprechend zu verankern. Damit verbunden ein dritter Punkt: Es geht um die
Information der Gesellschaft. Es hat hier über 40 Jahre die Gesellschaft für
Landesverteidigung und Sicherheitspolitik wertvolle Informationsarbeit geleistet.
Sie hat es nicht alleine gemacht. Es gibt viele andere, die sich darum sehr
bemüht gemacht haben, und es wird in Zukunft noch viel mehr notwendig sein,
diese Informations- und, lassen Sie mich sagen, Aufklärungsarbeit zu leisten,
weil nur ein informierter Bürger auch ein entscheidungsfähiger Bürger sein
kann. Und es ist nicht leicht heutzutage, diese Komplexität im Bereich der
Sicherheit und die daraus ableitbaren Notwendigkeiten entsprechend der
Gesellschaft nahe zu bringen, um ein Verständnis für erforderliche Maßnahmen zu
erzielen.
Es ist
auch die geistige Landesverteidigung in diesem Zusammenhang angesprochen, die
natürlich auch eine Fortsetzung finden muss, die Terminologie ist veraltet. Ich
glaube, wir müssen von umfassender Sicherheitsvorsorge, von umfassendem
Sicherheitsdenken und dergleichen reden, aber an den Worten soll es ja nicht
scheitern.
Wir
weisen auch ganz besonders darauf hin, dass Österreich ein funktionierendes
Bundesheer braucht. Nicht eines, das sich nur mehr irgendwo Nischen sucht, weil
das Festhalten oder das bewusste Suchen ausschließlich von Nischen ist der Tod
eines funktionierenden Bundesheeres, und das kann nicht in unser aller
Interesse sein, wenn wir wissen, dass
der Bedarf zur Friedensherstellung auch über die Streitkräfte geht.
Ich
darf hier nur noch betonen die Rolle der Miliz, die mein Vorredner schon
angesprochen hat. Wir sind auch ein Verfechter dessen, dass die Miliz auch in
Zukunft einen ganz wesentlichen Beitrag zum österreichischen Bundesheer leisten
kann und wir sehen bis auf weiteres keine Möglichkeit, von der allgemeinen
Wehrpflicht abzurücken. Ich sehe das vor allem in Zusammenhang mit dem
Assistenzeinsatz, der ja nach jetzigen Schätzungen 2007 möglicherweise länger
noch andauern wird. Sollte sich im Rahmen der Bundesheerreformkommission, die
derzeit tagt, eine Adaptierung in gewissen Bereichen ergeben, dann sind wir
selbstverständlich darüber diskussionsbereit, aber an der Wehrpflicht führt für
uns bis auf weiteres kein Weg vorüber.
Dann
noch der letzte Punkt: Es geht um die Entsendung ins Ausland. Die Notwendigkeit
steigt. Österreich, das österreichische Bundesheer, hat zwei Aufgaben zu
bewältigen. Das sind die Inlandsaufgaben, derer es genug gibt, aber wir haben
auch einen adäquaten entsprechenden Beitrag in der entsprechenden Qualität und
Quantität für internationale Maßnahmen zu leisten. Hier ist einerseits die
Balance zu finden und hier ist andererseits auch der Übergang zu diesen neuen
Erfordernissen zu finden und hier muss man, glaube ich, sehr vorsichtig vorgehen.
Wir haben sehr viele Angehörige des Aktivstandes, die unter einem völlig
anderen Verständnis in das Bundesheer eingetreten sind. Es ging ausschließlich
um die Verteidigung Österreichs, das hat sich gewandelt. Ich glaube, das muss
man entsprechend berücksichtigen, wenn man die Leute in Zukunft verpflichtet
ins Ausland schicken will.
Das
waren die Punkte, auf die wir besonders hinweisen möchten. Ich bedanke mich für
Ihre Aufmerksamkeit und wünsche für Ihre weitere Tätigkeit alles Gute. Vielen
Dank.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Dr. Feichtinger.
Wir haben damit die Gruppe der Redner aus den
Friedensorganisationen, aus den Organisationen der Landesverteidigung beendet
und wenden uns den Rettungsorganisationen zu. Hier gibt es vier Wortmeldungen
in der Reihenfolge Frau Dagmar Strauss und die Herren Dr. Dellisch,
Dr. Hahn, Dr. Kopetzky.
Ich darf Frau Dagmar Strauss bitten um ihre Wortmeldung.
Sie spricht für den Arbeiter-Samariter-Bund.
Dagmar Strauss: Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren!
Österreich sollte sich dazu bekennen, ein Sozialstaat zu
sein und sich in der Verfassung die Verpflichtung auferlegen, alles Nötige zur
Wahrung und Förderung der sozialen Grundrechte zu veranlassen. Der Vollzug der
sozialen Gesetzgebung sollte auf Vertragsbasis auch durch private gemeinnützige
Organisationen erfolgen können, wenn sie definierten Qualitätsstandards
entsprechen, keine Gewinnerzielung beabsichtigt ist und
Mitwirkungsmöglichkeiten für Ehrenamtliche gestattet sind. Die wirtschaftliche
Selbsterhaltungsfähigkeit dieser Organisationen muss vom Staat gefördert und
gestützt werden. Im Hinblick auf die Selbsterhaltungsfähigkeit sollen zum
Beispiel unternehmerische Teilbereiche dieser Organisationen und auch
steuerliche Begünstigungen hinsichtlich der Spenden gefördert werden.
Das Handeln einer Organisation wie dem
Arbeiter-Samariter-Bund Österreich fördert das allgemeine Wohl der Bevölkerung,
bekämpft die soziale Ausgrenzung und trägt zur Förderung eines hohen
Gesundheitsschutzniveaus bei.
Dieses sind Faktoren zur Sicherung des sozialen Friedens
und eine Leistung, die für den Staat als Ganzes erbracht wird. Diese Leistung
sollte vom Staat Österreich durch geeignete Rahmenbedingungen anerkannt und
geschätzt werden. Dies dient einerseits dem Gemeinwohl und entlastet
andererseits die staatlichen Behörden, sowohl im Bereich der operativen Verantwortung
wie auch der finanziellen Belastung. Die in Gesetzgebung und Vollziehung längst
verwurzelte Realität des Sozialstaates soll auch in der Bundesverfassung
verankert werden. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke. Ich bitte Herrn Prof. Dr. Kurt
Dellisch - er spricht für den Bergrettungsdienst Österreichs – um
seine Stellungnahme. - Bitte.
Dr. Kurt Dellisch: Verehrte Versammlung!
Wir sind eine kleine Gruppe nur von
7 000 ehrenamtlichen Leuten, die hier ausgehend von einer etwa vor
hundert Jahren gegründeten Selbsthilfegruppe der Alpinisten sich nun allgemein
mit der Bevölkerung befasst und damit öffentliche Arbeit leistet. Wir leisten
für die Sicherheit sowohl beim Abtransport als auch in der Vorsorge immer
unseren Beitrag. Unentgeltlich. Ehrenamtlich.
Der Bergrettungsdienst arbeitet selbstverständlich mit
Berufsmäßigen auch zusammen. Die Alpingendarmerie ist unser Freund und Helfer
im besten Sinne des Wortes und die Flugrettung hat sich der Bergrettungsdienst
noch nie leisten können. Das hat zu viel Geld gekostet, aber wir arbeiten dort
mit, wir stellen die freiwilligen Flugretter, die hier gegen ein kleines
Entgelt allerdings auch hier tätig sind, denn für die ehrenamtliche Arbeit
kommt es darauf an, vom Arbeitsplatz weggeholt zu werden -einfach plötzlich
über Nacht irgendwo zu sein. Bei der Flugrettung ist es doch notwendig, dass
ständig ein Bereitschaftsdienst bei der Maschine ist.
Eigentlich ist daher der österreichische Bergrettungsdienst
ein verfassungsgesetzlicher Wildwuchs. Wir sind entstanden, ohne eine
verfassungsgesetzliche Deckung zu haben. Vielleicht haben wir sogar die
Kompetenzen, dass der Bund nicht zum Rettungswesen gehört und daher dem
Bergrettungsdienst kein Geld geben kann, obwohl das weit überschreitend geht,
oder, dass sich dann das Land und die Gemeinden in den Kompetenzen nicht ganz
klar geworden sind.
Allerdings, eigentliche Probleme sind immer bei der
Finanzierung, und es ist gelungen, hier jetzt eine ausreichende finanzielle
Deckung zu bekommen. Die finanzielle Deckung geht aus öffentlichen
Subventionen, aus Spenden der Bevölkerung, aus Verrechnung von Bergungskosten –
eigentlich, ohne eine ausreichende zivilrechtliche Deckung zu haben. Vor allem aber kommt die
Finanzierung aus der ehrenamtlichen Mitarbeit unserer Leute, denn wenn man
diese auch nur mit angemessenen Beträgen bezahlen würde, könnte sich
wahrscheinlich überhaupt niemand mehr leisten, gerettet zu werden. Das soll –
glaube ich – absolut so bleiben.
Wir haben daher eigentlich keine Wünsche, keine Forderungen
an den Konvent als „werft uns wenigstens keine Prügel vor die Füße“, damit wir
weiterhin im Sinne der Freiwilligkeit für die Menschen arbeiten können.
Natürlich ist es Sache des Konventes, sich hier über Kompetenzen Gedanken zu
machen.
Ich darf sagen, der Bergrettungsdienst ist
bundesländerweise organisiert, nur Wien, Burgenland und Niederösterreich sind
gemeinsam organisiert. Das hat sich absolut bewährt. Selbst in jenen Zeiten, wo
wir eine eigene Landesleitung Osttirol gründen mussten, weil sich die
Besatzungszone nicht an die Bundesländer gehalten haben. Nach unten geht es in
die Ortsstellen hinein, die rechtlich unselbständig sind. Das hat sich auch
bewährt. Dass also konzentriert die Leitung, die Verwaltung, schon die sparsame
Verwaltung da ist, hängt natürlich vom Vertrauen ab, das die Leute hier in die
Landesleitung haben.
Ein Problem noch. Aus der Praxis wissen wir, welche
Kompetenzkonflikte sich bei Katastropheneinsätzen, insbesondere bei
Lawineneinsätzen, ergeben können. Da ist es wichtig, dass der Mensch da ist,
der Mensch, der nicht nur Rechtsanwender ist, sondern auch Rechtsgestalter,
dass dort die richtigen Leute sitzen, die sich unter Umständen über
Verfassungsgesetze hinwegsetzen.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke Herr Professor Dellisch. Ich bitte Herrn
Dr. Martin Hahn vom Österreichischen Bundesfeuerwehrverband um seine
Wortmeldung. - Bitte.
Dr. Martin Hahn: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohe
Versammlung!
Ich darf mich kurz vorstellen. Mein Name ist Dr. Martin
Hahn. Ich bin privat seit meiner frühesten Jugend Feuerwehrmann bei der FF
Seebenstein. Beruflich bin ich Rechtsanwalt in Wiener Neustadt und diese beiden
Schienen haben dazu geführt, dass ich der Rechtsexperte für das österreichische
Feuerwehrwesen geworden bin. Alle Feuerwehren - und zwar nicht nur die
Freiwilligen Feuerwehren, auch die Berufsfeuerwehren und die
Betriebsfeuerwehren - sind zusammengeschlossen im Österreichischen
Bundesfeuerwehrverband. Dieser hat ein Rechtsreferat und ich bin der Leiter des
Rechtsreferates und habe daher von dem, was ich Ihnen jetzt sagen will, sowohl
in Theorie als auch in Praxis eine Ahnung.
Die Redezeit ist kurz, ich habe mir daher gestattet,
bereits eine schriftliche Stellungnahme an den Konvent zu richten. Ich möchte
jetzt nur in kurzen Worten das Anliegen der Feuerwehr vorbringen.
Es geht – auch unter Bezugnahme auf meinen Herrn Vorredner
– um die Schaffung einer eigenen Kompetenz für Feuer-Gefahren und
Katastrophenpolizei. Zur Zeit eines Hans Kelsen war die Vorstellungswelt, die
tatsächlichen Gefahren, auf drei Punkte komprimiert.
Erstens: Brände und Überschwemmungen. Zur Bekämpfung dieser
Gefahren war immer die Gemeinde zuständig. Zur Zeit des Hans Kelsen großteils
noch in Selbsthilfe. Um diese Zeit wurden gerade erst die Feuerwehren - und das als Vereine - gegründet. Der
Sprung in der Vorstellungswelt von der kleinen Gefahr, vom kleinen Brand zur
Überschwemmung geht dann bereits auf :
Zweitens: die Katastrophe, wie Muren und Lawinenabgänge,
Windhosen, großflächige Waldbrände. Für diese Gefahrenbekämpfung hat die
Bundesverfassung das Land vorgesehen.
Drittens: Die Gefahrenbekämpfung für Angelegenheiten des
Bundes wurde in der Bundesverfassung überhaupt nicht geregelt. Es gab damals
keinen Bedarf dafür. Es gab noch keinen Massentransport von gefährlichen
Stoffen, keine Verkehrslawinen. Die heute so extrem sensible Materie der
Umweltgefahren lag außerhalb jeder Vorstellungskraft. Es gab keinen Sondermüll,
keine Sondermülldeponien. Das Wasserrecht – das habe ich mir angeschaut –
beschäftigte sich damals vorwiegend mit Fragen des Brunnenschlagens, der
öffentlichen Benutzbarkeit von Furten und der Viehtränke.
Heute ist es so, dass die Feuerwehren den Großteil ihrer
Einsätze außerhalb dieser Kompetenzen zu fahren haben - ohne jede
Rechtsgrundlage.
Wenn ein Sattelschlepper mit gefährlichen Stoffen in einer
Durchschnittsgemeinde umstürzt, ist der Bekämpfungsaufwand so groß, dass es die
Gemeinde im Rahmen der örtlichen Gefahrenbekämpfung im eigenen Wirkungsbereich
einfach nicht schaffen kann und kompetenzmäßig nicht zuständig ist. Es liegt
aber auch noch keine Katastrophe vor, die den Landeskatastrophenzug zum Einsatz
bringen könnte. Es bedarf daher einer überörtlichen Feuer- und Gefahrenpolizei
für alle diese Fälle.
Was wir derzeit betreiben, ist alles im rechtsleeren Raum.
Wenn eine Ortsgemeinde oder eine Feuerwehr die Feuerwehrschule Tulln anruft,
dann fährt diese ohne jede Kompetenz aus. Oder, wenn eine Kleingemeinde die
Feuerwehr Wiener Neustadt ruft, dann fährt sie in einen fremden Sprengel und
hat keine Kompetenz.
Das Bergwerksunglück in Lassing und die schrecklichen
Ereignisse in Kaprun haben überdies gezeigt, dass die Bundeskompetenz im Rahmen
der Gefahrenbekämpfung versagt. Es werden Vertreter des Innenministeriums im
Konvent sein, die können Legenden aufzählen, was an Fehlern passiert ist, nur weil
die Bundeskompetenz für die Gefahrenbekämpfung nicht gerüstet ist.
Wenn ein Tankschiff – das glauben Sie nicht, aber das ist
so – auf der Donau leck wird, darf die Feuerwehr nicht einschreiten, bevor
nicht über die Bezirkshauptmannschaft ein Einsatzleiter kommt. Die Feuerwehr
muss daher, und ich habe in der Praxis ständige Auseinandersetzungen wegen der
Kostentragung, warten und muss den Dreck Richtung Wien fließen lassen, bis der
Journalbeamte der Bezirkshauptmannschaft eintrifft.
Ich kenne alle diese Schwierigkeiten. Sie sind enorm. Es
gibt kein taugliches Kommunikationssystem zwischen Bundesministerien und den
einzelnen Feuerwehren. Mangels Kompetenz besteht ständiger Streit um die
Kostentragung, um die Einsatzleitung, auch die Haftungsfrage ist nicht geklärt.
Wir wissen nicht, handelt es sich um eine privatrechtliche Haftung oder um eine
Amtshaftung. Und wenn, Amtshaftung von welcher Gebietskörperschaft.
Unabdingbar ist daher die Schaffung eines
Kompetenztatbestandes Feuer-, Gefahren- und Katastrophenpolizei, unabhängig von
der Grundmaterie. Wie diese ausgestaltet sein kann, darüber kann man
diskutieren. Vielleicht genügt die Vollziehung des Landes und kann in
Bundesmaterien die Gesetzgebung beim Bund bleiben, vielleicht ergänzt durch
Landesausführungsgesetze, aber ein eigener Kompetenztatbestand muss her. Wir
schwimmen in einem Chaos und im rechtsleeren Raum.
Danke für die Aufmerksamkeit.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Dr. Hahn. Ich bitte Herrn
Dr. Wolfgang Kopetzky um seine Wortmeldung. Er spricht für das Rote
Kreuz und für die Wasserrettung. -
Zehn Minuten Redezeit.
Dr. Wolfgang Kopetzky: Sehr geehrter Herr Präsident, herzlichen Dank,
dass Sie uns als nicht-staatlichen Organisationen im Rahmen des
Österreich-Konvents die Möglichkeit gegeben, unsere Anliegen vorzubringen, um
die Interessen der Zivilgesellschaft in der Staats- und Verfassungsreform
widerzuspiegeln.
Als größte humanitäre Hilfsorganisation in Österreich mit
mehr als 46.000 Freiwilligen, 4.900 Hauptberuflichen und 3.000 Zivildienern ist
es dem Österreichischen Roten Kreuz ein besonderes Anliegen, auf die möglichen
Auswirkungen der Bundesheerreformkommission hinzuweisen, denn: keine
Wehrpflicht bedeutet auch keine Zivildiener mehr. Österreich betrifft dies
besonders hart, denn Zivildiener sind als wichtige Personalressource in unserem
Sozialsystem stark verankert. Das
ÖRK verlangt deshalb von der Bundesregierung über neue und umfassende Modelle
zur Erhaltung eines gerechten Sozialsystems nachzudenken und eine geeignete und
verfassungskonforme Ersatzregelung aufzustellen, die nicht zu Lasten der
Hilfsorganisationen geht. Die Stärkung der Zivilgesellschaft ist dabei nur eine
Komponente: Freiwillige tragen bereits jetzt zur Aufrechterhaltung des
Rettungs- und Krankentransportes, zur Blutversorgung und zur Versorgung von
Älteren und Kranken in Österreich bei. Es ist dem Österreichischen Roten Kreuz
daher ein besonderes Anliegen, dass die Bedeutung der Freiwilligen in der
Verfassung widergespiegelt wird.
Das Österreichische Rote Kreuz ist aufgrund seines
humanitären Auftrages verpflichtet, seine Leistungen auch dort anzubieten, wo
kein Vorteil für die Organisation besteht, sondern wo die Erbringung der
Leistung im Sinne der Menschlichkeit im Vordergrund steht. Die Gefahr der
Liberalisierung von öffentlichen Dienstleistungen besteht darin, dass private
Anbieter ihre Leistungen nur dort offerieren, wo ein Profit für sie entsteht
und dadurch Personen, die sich nicht im Zielgebiet befinden, bestimmte
Leistungen nicht in Anspruch nehmen können. Für den sozialen und humanitären
Markt ist dies nicht denkbar oder akzeptabel. Ich möchte deshalb hier anmerken,
dass das Österreichische Rote Kreuz dem fairen Wettbewerb positiv gegenüber
steht, jedoch bei der Liberalisierung von öffentlichen Dienstleistungen klare
Rahmenbedingungen fordert, welche einem Anbieter ermöglichen, die
Vollversorgung und den allgemeinen Zugang von sozialen Dienstleistungen für die
gesamte österreichische Bevölkerung unter bestimmten Qualitätskriterien zu
garantieren.
Als föderalistische Organisation ist das Österreichische
Rote Kreuz analog zum Bundesstaat Österreich aufgebaut. Dieser Aufbau ist
historisch gewachsen und erklärt sich vorwiegend durch den Vorteil der
Konzipierung und Erbringung der Leistungen in Kundennähe und durch eine direkte
Zusammenarbeit mit den Organen der föderalistischen Struktur vor Ort. Der
grundsätzlich sehr vorteilhafte föderalistische Aufbau Österreichs und des
Österreichischen Roten Kreuzes führt jedoch in manchen Fällen zu einer
Behinderung der optimalen Erbringung der Leistungen von Hilfsorganisationen.
Beispielsweise sei hier angeführt die Durchführung der Hochwasserhilfe vom
August 2002, deren Abwicklung sich aufgrund der unterschiedlichen
Landeskatastrophengesetze und der daraus resultierenden Abstimmung der
Hilfsorganisationen mit allen beteiligten Landesregierungen verzögerte.
Das Österreichische Rote Kreuz gestattet sich daher, dem
Österreich-Konvent eine Änderung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und
Ländern in den Bereichen Gesundheits- und Soziale Dienste, Katastrophenhilfe
sowie Jugendschutz vorzuschlagen. Künftig sollte in diesen Bereichen die
Kompetenz zur Grundsatzgesetzgebung dem Bund zufallen, die
Ausführungsgesetzgebung sowie Vollziehung aufgrund regionalspezifischer
Besonderheiten weiterhin den Ländern.
Zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass das
Österreichische Rote Kreuz aufgrund der sich ändernden demographischen
Situation der österreichischen Bevölkerung und der damit zusammenhängenden
zunehmenden Bedeutung von humanitären und Rettungsorganisationen die
Anerkennung und Verankerung dieser Organisationen in der Verfassung
befürwortet.
Die Österreichische Wasserrettung schließt sich dem
Statement des Österreichischen Roten Kreuzes an. – Ich danke für Ihre
Aufmerksamkeit.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Auch ich bedanke mich bei der Vertreterin und den
Vertretern der Rettungsorganisationen für ihre Beiträge. So wie bei allen
anderen werden selbstverständlich die schriftlichen Berichte, aber auch die
hier gesagten, den entsprechenden Arbeitsausschüssen zur Verfügung gestellt.
Wir beginnen mit der Diskussion aus den Verkehrsklubs. In
der Reihenfolge Dr. Schachter, Dr. Haupfleisch und Dipl.-Ing Rauh.
Darf ich um die Wortmeldungen bitten? Herr Dr. Herbert Schachter spricht
für den ARBÖ. - Bitte!
Dr. Herbert Schachter: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrter
Präsident des Nationalrates! Meine Damen und Herren! Auch ich habe namens des
ARBÖ Dank zu sagen für die Einladung.
Wir sind eine der Interessenvertretungen der
Verkehrsteilnehmer dieses Landes. Ich möchte mich nur mit einigen wenigen
Aspekten hier zu Wort melden. Wir glauben, dass es grundsätzlich wichtig ist,
die Trennung von Gesetzgebung, Rechtssprechung und Verwaltung beizubehalten.
Ich glaube aber trotzdem, dass wir bei Respekt vor dem
Föderalismus eine Forderung, die viele Organisationen schon seit vielen
Jahrzehnten erheben und die bis heute nicht durchgeführt werden konnte, hier
Ihnen nahe bringen möchte. Das ist aus Gründen der Verkehrssicherheit die
Schaffung einer bundesweiten Polizei mit speziell fachlich geschulten Organen,
weil ein Verkehrsunfall und die Möglichkeiten, in einen Verkehrsunfall zu gelangen,
ist österreichweit gegeben. Unser Land ist nicht so groß, dass wir uns hier
leisten können, dass jedes Bundesland hier in der Vollziehung eigenen Maßnahmen
setzt.
Wenn ich vorhin erwähnt habe: Grundsätzliche Trennung von
Justiz und Verwaltung und Gesetzgebung, so darf nicht übersehen werden, dass ja
gerade die Verwaltung mannigfaltige Aufgaben hat, die sozusagen in den Bereich
jedes Einzelnen sehr entscheidend eintreten. Daher wäre es überlegenswert, dass
man hier – und das war sicherlich schon ein Meilenstein – die Schaffung der
unabhängigen Verwaltungssenate, dass man die eigentlich in
Landesverwaltungsgerichtshöfe nicht nur umbenennen kann, sondern auch mit den
entsprechenden Kompetenzen auszustatten hat. Uns scheint es wesentlich, dass
hier die Kontrollfunktion solcher Körperschaften wirklich eingeführt wird, die
in der Lage sind dann das, was im Einzelfall durch Verwaltungsbehörden
geschieht, hier zur Gänze, also in Fragen der Rechtssprechung, der
Rechtsfragen, des Verfahrens, dass hier keine Mangelhaftigkeit ist, der
Beweiswürdigung und Aktenwidrigkeit hier genau überprüfen.
Als Gegenzug könnte man sich dann vorstellen, dass es
weiterhin zwar den Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof gibt, dass aber
dieser Verwaltungsgerichtshof sich dann nur mit den wesentlichen Rechtsfragen
zu befassen hat, was hier auch eine Entlastung dieses Gerichtshofes mit sich
bringen würde. Daher meine Bitte, dass der Konvent sich auch mit diesen
Argumenten auseinander setzt.
Was ich nicht möchte – das ist der Öffentlichkeit bekannt
-, dass hier über Umwege Einfluss genommen wird, welche Mittel für Straßenbau
zur Verfügung gestellt werden, dass es hierfür Beschränkungen zu geben hat,
dass man hier die Zweckmäßigkeit überprüft. Ich glaube, das sollte sowohl dem
Gesetzgeber vorbehalten werden, wenn hier Budgetverhandlungen sind, das sollte
aber auch in der Verantwortung der monokratischen Verwaltung bleiben.
Für uns – und das sage ich auch -, das muss oft kein
Grundrecht sein, um Gottes Willen, aber es soll wesentlich durchschlagen, ist schon
im Interesse der Mobilität der Verkehrsteilnehmer die freie Wahl des
Verkehrsmittel unverzichtbar. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Ich darf Herrn Dr. Hugo Haupfleisch um seine Ausführungen
bitten. Er spricht für den ÖAMTC.
Dr. Hugo Haupfleisch: Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Ich freue mich, hier Ihnen in diesem Rahmen die
Vorstellungen des ÖAMTC, die auch im Verfassungskonvent eine Rolle spielen
sollten, zur Kenntnis zu bringen. Der ÖAMTC als Vertreter von 1,5 Millionen
Mitgliedern ist jedes Jahr sehr intensiv in Gesetzgebungsprozesse einbezogen,
es sind dies vor allem Gesetze aus dem Verkehrs-, aber auch aus dem Justiz- und
Finanzbereich.
Ich muss ganz offen sagen, ich schließe mich der Meinung
an, die niemand geringerer als die Präsidenten der beiden österreichischen
Höchstgerichte vor einigen Monaten über den Zustand der Gesetzgebung
ausgesprochen haben. Sie waren sehr unzufrieden. Sie haben auch die
Zersplitterung beklagt, vor allem
die Aufteilung von Verfassungsbestimmungen auf zirka 1000 Gesetze - das ist das
Zitat der damaligen Veranstaltung. Ich kann nur sagen, sie haben Recht: Was
Österreich braucht, ist eine Gesetzgebung, die bürgergerechter ist, die
verständlicher ist, die einfacher ist und die vor allem nachvollziehbarer ist und
nicht oft erst Monate später zur Diskussion führt, was könnte der Gesetzgeber
gemeint haben.
In diesem Sinne hat sich der ÖAMTC bereits vor mehr als
zwei Jahren, anlässlich der Beratungen in der Aufgabenreformkommission, der
auch ich angehören durfte, überlegt, wie könnte man hier Regeln für
bürgergerechtere Gesetze aufstellen. Der ÖAMTC hat diese 10 Maximen für
bürgergerechte Gesetze im Juni 2003 dem Herrn Präsidenten des Konventes, Herrn
Dr. Fiedler, übermittelt. Diese Ausarbeitung ist an die Ausschüsse
auch schon weitergeleitet worden, sodass ich diese Kernanliegen des ÖAMTC nur
kurz mit den wichtigsten Punkten darstellen möchte, und zwar: Eine umfassende
Abschätzung der Gesetzesfolgen. Es wird derzeit vielleicht in den erläuternden
Bemerkungen dargestellt, welche Kosten dem Bund entstehen, Länder und Gemeinden
werden tunlichst ignoriert, für den Bürger hat man überhaupt keine Gedanken,
welche Kosten und welche Erschwernisse mit manchen Gesetzen für ihn verbunden
sind.
Was sehr wichtig ist, und wo ich ganz offen sagen muss, es
ist uns ein eminentes demokratiepolitisches Anliegen: Die ausreichende
Berücksichtigung eines Begutachtungsverfahrens, nämlich, ob überhaupt ein
Begutachtungsverfahren stattfindet beziehungsweise ob dieses nicht Alibi halber
durchgeführt wird; wenn am Freitag eine Begutachtungsfrist endet und am Montag
darauf eine Regierungsvorlage für den Ministerrat (am Dienstag) eingebracht
wird, dann fühlt man sich als zur Begutachtung "eingeladene"
Interessensvertretung ganz offen, wienerisch gesprochen, Herr Präsident Khol,
Sie verzeihen den Ausdruck, "gefrotzelt". Und somit fragt man sich
dann, soll ich überhaupt Seite um Seite schreiben, wenn man eigentlich davon
ausgehen kann, dass nichts davon überhaupt nur gelesen werden konnte, wenn die
Regierungsvorlage so kurz nachher "fertig" ist.
Aber auch Aspekte des EU-Gesetzgebungsbereiches spielen
hier eine Rolle, denn der ÖAMTC ist sehr intensiv in den letzten Jahren in
Brüssel tätig, weil wir ja sehr gut wissen, dass vor allem im Konsumentenschutz-Bereich,
aber immer mehr auch im Verkehrsbereich die eigentlichen Gesetze für Österreich
in Brüssel gemacht werden. Dort – das muss ich schon deutlich sagen – werden
die Interessen der Non-Governmental-Organizations (NGO's) wesentlich besser und
intensiver berücksichtigt, man hat die Möglichkeit, wirklich auch
mitzuverhandeln. Allerdings, Gesetze werden im EU-Rahmen nicht vom Parlament
gemacht, sondern eigentlich in den Ratsgruppen und in diesen Arbeitsgruppen
wird Österreich durch Beamte vertreten. Was diese im Prinzip in Brüssel
darlegen, das entscheidet, wenn es gut geht, der Sektionschef, und wenn es
schlecht geht, der Beamte allein. Dass man vorher vielleicht in Österreich ein
Begutachtungsverfahren durchführt, um die Meinung in Österreich abzustimmen,
das kommt leider äußerst selten vor.
Ein zweiter Punkt, meine Damen und Herren, ist die
Kompetenzzersplitterung. Wir glauben, dass diese Aufgliederung: StVO -
Landessache in Vollziehung, Bundessache in Gesetzgebung und Kraftfahrgesetz in
mittelbarer Bundesverwaltung gründlich durchdacht gehört, dass die
Zweigleisigkeit von Straf- bzw. Führerscheinentziehungsverfahren beendet werden
muss und dass bundeseinheitliche Strafkataloge zu schaffen sind, weil ein
Kraftfahrer nicht einsieht, dass er in den einzelnen Bundesländern für das
gleiche Verhalten unterschiedliche Strafen bekommt.
Und ein Drittes: Das ist die Verbesserung des
Rechtsschutzes; insbesondere dadurch, dass man den Zugang zum
Verfassungsgerichtshof mittels Individualbeschwerde nicht so kompliziert, ja
fast unüberspringbar macht; weiters, dass man nicht ein Rowdy oder ein Trinker
sein muss, um in Verwaltungsstrafverfahren beim Verwaltungsgerichtshof Gehör zu
finden, weil die Straf-Bagatell-Grenze immerhin bei 726 € liegt und das
Höchstgericht oft selbst eigenwillig festlegt, was eine "grundsätzliche
Rechtsfrage" ist.
Und schließlich ein viertes Anliegen des ÖAMTC: Die
Entlastung des Verfassungsgerichtshofes zum Beispiel von der Prüfung
straßenpolizeilicher Verordnungen, mit denen die Aufstellung von
Verkehrszeichen angeordnet wird. Meines Erachtens könnten diese Prüfungen ohne
weiteres die Unabhängigen Verwaltungssenate übernehmen, und der
Verfassungsgerichtshof hätte mehr Zeit, um sich um die echten und
rechtsstaatlichen Anliegen der Bürger zu kümmern. - Danke schön.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Ich bitte Herrn Dipl.-Ing. Wolfgang Rauh um seine
Ausführungen. Er spricht für den Österreichischen Verkehrsklub.
Dipl.-Ing. Wolfgang Rauh‡: Guten Tag, meine Damen und Herren! Sehr geehrte
Frau Vorsitzende! Ich danke für die Einladung für den VCÖ, dass ich hier vor
Ihnen sprechen kann.
In unserem Bundesverfassungsgesetz gibt es zweifellos
Nachhol- und Verbesserungsbedarf bezüglich Regelung verkehrsrelevanter
Gesetzesmaterien. Dazu müssen wir uns nur die stürmische Entwicklung des
Verkehrs in den letzten Jahrzehnten ansehen. Noch Anfang der Fünfzigerjahre
mussten Menschen pro Kopf und Tag ganze acht Kilometer zurücklegen und heute
ist dieser Wert bereits auf 38 Kilometer angestiegen, also 38 Kilometer pro
Kopf und Tag, bei weiter steigender Tendenz. Diese wachsenden Distanzen werden
nicht zum Spaß zurück gelegt. Die Zersiedelung und der Verfall der
Nahversorgung macht es für viele Menschen zur bitteren Notwendigkeit und zur
teuren Notwendigkeit, stetig steigenden Verkehrsaufwand zu betreiben. Jeder
vierte Euro muss heute bereits für Kosten ausgegeben werden, die im
Zusammenhang mit dem Transport von Personen oder Gütern entstehen.
Das Verkehrswachstum wird zu einem großen Teil durch
mangelhafte Raumordnung bewirkt. Heute wird die Hälfte aller Neubauten in dünn
besiedelten Streusiedelungen errichtet. Alleine die Bevölkerung der
Umlandbezirke der großen österreichischen Städte ist seit 1970 um 50 Prozent
gestiegen. Unzureichend koordinierte Raumordnung in der Kompetenz der Länder
und der Gemeinden ist eines der Probleme. Hier überdecken sich Entscheidungs-
und Wirkungsbereich nicht.
Eine lokal getroffene Widmungs- oder
Raumordnungsentscheidung kann weit über Gemeinde oder sogar Landesgrenzen
hinaus gehen. Beispielsweise verursacht ein Mensch, der von einer Stadt ins
nahe Umland übersiedelt und von dort täglich per Auto in die Stadt einpendeln
muss, jährliche Kosten für den Wirtschaftsstandort, für den städtischen
Wirtschaftsstandort in der Größenordnung von 1 000 bis 1 500 €. Das
heißt, es sind Zuständigkeiten der Raumordnung hier neu zu regeln. Grundsätze
der Raumordnung auf Landes- und Gemeindeebene wären am Besten auch im
Bundesrahmengesetz zu regeln, dass für die optimale Koordination aller
Beteiligten sorgt.
Ein weiteres Thema, das ich nun vorstellen möchte, ist die
Subventionskontrolle. Verkehr wird heute in einer Großenordnung von 18
Milliarden Euro pro Jahr auf vielfältigste Weise subventioniert und gefördert.
Viele dieser Subventionen und Förderungen sind kontraproduktiv. Sie bewirken
höhere Kosten, als sie an Nutzen bringen. Ein Beispiel, das ich Ihnen nennen
möchte, sind bestimmte Aspekte, Verkehrsaspekte der Wohnbauförderung. Die
Vergabe der Fördermittel liegt ja in Landeskompetenz, sie ist in der Regel
nicht an die Erreichbarkeit der jeweiligen Standorte durch den öffentlichen
Verkehr gebunden. Andererseits wird aus Wohnbaufördermittel der Garagenbau mit
110 Millionen Euro pro Jahr subventioniert. Folge dieser staatlichen
Förderung des Verkehrswachstums ist vor allem die Zersiedelung und meist werden
durch Zersiedelung länger gewordene Arbeitswege auch noch zusätzlich durch das
Pendlerpauschale steuerlich gefördert.
Die Förderung des Verkehrs, die geförderte Verkehrszunahme,
ist nicht nur kostspielig, sie belastet auch die Gesundheit der
Österreicherinnen und Österreicher. Nach Zahlen der WHO sind 2400 vorzeitige
Todesfälle pro Jahr, auf die Dieselruss-Belastung der Atemluft zurückzuführen.
190 Menschen sterben pro Jahr allein an Herz- und Kreislauferkrankungen, die
durch dauernden Verkehrslärm verursacht werden. Insgesamt erreichen die
Gesundheitskosten der Umweltbelastung durch den Verkehr, 1,8 Milliarden € pro
Jahr. Es ist daher dringend geboten, ein Recht auf Schutz vor gesundheitsschädlicher
Umweltbelastung einzuführen. Ein solches Recht sollte in einem künftigen
Grundrechtskatalog keinesfalls fehlen.
Wichtig ist auch die Stärkung subjektiver Rechte
Betroffener. Es sollte zum Beispiel möglich sein, bei Grenzwertüberschreitungen,
Beschwerden gegen eine allfällige Untätigkeit von Behörden einzulegen. Auch
beim Lärmschutz ergibt sich ein Änderungsbedarf im Verfassungsrecht. Derzeit
ist Lärmschutz eine Materie klassischer Verfassungskompetenzen. Das führt zu
einer Kompetenzzersplitterung zwischen Bund und Ländern. Es ist daher
anzustreben, dass die Lärmschutzkompetenz gebündelt wird. Bemühungen in dieser
Richtung gibt es bereits.
Abschließend darf ich hier die Hoffnung ausdrücken, dass
Anpassung und Kompetenzbündelungen, wie sie für den Verkehrsbereich vor allem
dringend notwendig sind, eines der Ergebnisse dieses Österreich-Konvents mit
Ihrer Arbeit sind. – Besten Dank.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke den Vertretern der Verkehrsorganisationen. Ich bitte
jetzt den Block der Bürgerinnen und Bürger beziehungsweise der
Zivilgesellschaft um die Wortmeldungen. In der Reihenfolge habe ich Herrn Dipl.
Ing. Egger, Herrn Dr. Klaus Hoffmann, dann Herrn Rudolf Otto, Frau Direktorin
Christine Gubitzer und Frau Barbara Tramposch auf meiner Rednerliste. Ich rufe
zu Beginn auf Herrn Dipl. Ing. Herbert Egger. Er ist Governor von Kiwanis
International. Bitte, Herr Diplomingenieur!
Dipl.-Ing. Herbert Egger‡: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine Damen
und Herren!
Ich danke Ihnen erst sehr herzlich als einer der Vertreter
der drei größten österreichischen Serviceorganisationen, einige meiner Gedanken
abgeben zu dürfen. Als Governor von Kiwanis International, District Österreich,
vertrete ich eine überparteiliche und ohne Rücksicht auf konfessionelle
Zugehörigkeit tätige Non-Profit-Organisation, mit über 80 Clubs und zirka 2.500
Mitgliedern. Meine Freunde und ich arbeiten national und international,
unbürokratisch, rasch auf Notsituationen reagierend, vor allem auf dem
karitativen Sektor, mit dem Schwerpunkt der Kinder, nach dem Motto, wir bauen
den Kindern eine Brücke in die Welt. Dazu zählen aber auch daneben noch sozial
berechtigte Unterstützungen für unschuldig in Not geratene Familien sowie
finanzielle Beiträge für die Ausbildung von jungen Menschen.
Unsere kulturellen Projekte haben sich auch in den letzten
Jahren immer wieder niedergeschlagen. Um Ihnen ein Bild davon zu geben, unsere
Charity-Ausgaben betragen im Schnitt etwa 1,2 Millionen € im Jahr.
Ich nehme folgende Ausgangssituation als Grundlage für
meinen Beitrag, dem ich, wenn ich meine Vorredner betrachte, nur sehr geringe
Wünsche und Forderungen folgen lassen werde.
In unserer Gesellschaft ist das soziale Miteinander im
Schwinden, wobei Gruppen und Einzelinteressen überwiegen. Damit einhergehend
sinkt das Bürgerengagement im Dienste der Gemeinschaft. Immer mehr Mitmenschen
ziehen sich sozusagen in das Privatleben zurück. Sie sind nicht einmal mehr mit
sich selbst beschäftigt, sie lassen sich passiv vor der Mattscheibe oder vom
Internet berieseln.
Engagement in der Gemeinschaft oder in Vereinen, ist immer
weniger gefragt. Rückläufige Mitgliederzahlen bei vielen Vereinen, gottlob bei
meinem weniger, sind als Zeichen zu sehen. Doch diese Entwicklung hat seinen
Preis. Immer mehr geraten unfreiwillig in die Isolation, der gesellschaftliche
Zusammenhalt schwindet. In dieser gesellschaftlichen Ausnahmesituation haben
Serviceclubs, wie Kiwanis, auch sie sind ein Teil unseres Sozialkapitals, ihre
Daseinsberechtigung. Allerdings, der engagierte Bürger sucht nicht mehr nur die
feste, freiwillige Mitarbeit in einer Organisation, sondern er möchte vielmehr
frei und am Besten spontan, über den zeitlichen Umfang und in die inhaltliche
Gestaltung selbst bestimmen.
Das zeitlich befristete Mitwirken in einem Projekt, gewinnt
vermehrt an Bedeutung. Kiwanis verfolgt zwar langfristig das Ziel, seine
Tätigkeit auf die Hilfe für Kinder auszurichten, die Verwirklichung dieses
Zieles erfolgt jedoch in zeitlich abgegrenzten Projekten. Als Beispiel hiefür
ist das Kinderspital in Madagaskar, oder die Jodierung von Salz in
Entwicklungsländern, einem weltweiten Projekt von Kiwanis International, in
einem Gesamtumfang von zirka 70 Millionen US-Dollar zu nennen.
Um die erwünschten Ziele zu erreichen, haben wir folgende
Erwartungen an eine neue Verfassung. Der Staat soll auf wachsende
Partizipationswünsche, mit dem Ausbau seiner Beteiligungsformen, reagieren. Er
kann Rahmenbedingungen schaffen, die es dem Bürger ermöglichen, sich in die
Gesellschaft einzubringen. Dazu zählt in erster Linie, so widersprüchlich das
auch klingen mag, der Rückzug des Staates von verschiedenen Aufgaben. Die
Kernaufgaben sind nach den Grundsätzen der Subsidiarität und Solidarität
festzulegen. Die Selbstverwaltung und die Selbsthilfe sind mit neuen
Anreizsystemen zu fördern.
Wir erwarten uns, ich nehme das auch für die anderen
Serviceklubs an, dass die Vereinsfreiheit garantiert, und die
selbstverständlich nachzuweisende Gemeinnützigkeit aus steuerlichen Gründen
verankert wird.
Im Speziellen möchten wir die soziale Sicherheit und
Chancengleichheit für alle jungen Menschen im Sinne unseres eigenen Mottos
gesichert wissen. Darüber hinaus wäre die Einbindung der Serviceklubs bei den
Grundsatzdiskussionen für Gesetzesvorhaben im Sozialbereich in Hinkunft unserer
Meinung nach wünschenswert. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Bitte Herrn Dr. Klaus Hoffmann um sein Statement. Er
spricht für die Lions.
Dr. Klaus Hoffmann: Frau Vorsitzende! Herr Präsident! Ich darf heute
hier für Lions sprechen. Was ich sage, ist nicht der Rechtsanwaltschaft
zuzuordnen, das muss ich ausdrücklich sagen, weil ich jahrelang für die
Rechtsanwaltschaft zu sprechen hatte.
Lions ist die größte weltweite Serviceorganisation mit etwa
1,4 Millionen Mitgliedern. Sie ist in Vereinen organisiert. Wir haben in
Österreich 7.000 Mitglieder, 200 Vereine. Sie sehen, dass diese Vereine
verhältnismäßig klein sind und das macht den Reiz der Sache aus. Bei uns kann
sich niemand verbergen, jeder muss mittun im Dienste für den Nächsten, ohne Ansehung
der Person, der Politik oder der Religion, durch persönliche Dienstleistung und
den Einsatz materieller Mittel, die wir auch wieder durch Arbeit erwerben. Wir
sind aber auch dem Gemeinwesen verpflichtet - ein ganz wesentlicher Teil
unseres Selbstverständnisses. Wir haben für das Gemeinwesen, für die Gemeinde,
für die kleinen Einheiten einzutreten. Wenn ich das vorausschicke, muss ich
noch eines sagen. Lions hat mitgewirkt an der Formulierung der Charta der
Vereinten Nationen und ist dort Non-Governmental-Organisation, hat Stimme und
wird gehört.
Wenn ich hier vor dem Verfassungskonvent Anmerkungen machen
darf, dann mache ich die sehr bewusst nicht, um Politik für meinen Verein zu
machen, nicht Politik für dieses Land, nicht zu werben für uns, sondern um
Gedanken zu bringen, die Sie tatsächlich, wenn Sie an eine Neugestaltung der
Bundesverfassung denken, beachten können, wenn Sie wollen.
Und daher komme ich zu den wenigen Punkten, die ich
ansprechen wollte.
Nach unserer Auffassung sollte im Interesse des
Gemeinwesens die direkte Demokratie gegenüber der repräsentativen ausgebaut
werden, mehr Gewicht haben und tatsächlich effizient gestaltet werden. Wir
meinen, dass das Persönlichkeitswahlrecht gestärkt werden sollte, um die
persönliche Verantwortlichkeit und die Transparenz zu erhöhen.
Wie Vorredner schon gesagt, meinen wir, dass die
Kompetenzverteilung der Bundesverfassung zu überdenken sind, dass man durchaus
auf Zweigleisigkeiten verzichten könnte, aber unter Aufrechterhaltung des
strengen Legalitätsprinzipes vor allem in kleineren Einheiten, wie in Ländern
und Gemeinden, den Einfluss der Zivilgesellschaft stärken müsste, um die
Verantwortung dort zu stärken, wo sie bürgernahe und ökonomisch sinnvoll
gebracht werden kann.
Im Interesse eines besseren und rascheren Rechtsschutzes
sollten Landesverwaltungsgerichte eingerichtet werden. Dazu gibt es Arbeiten in
Hülle und Fülle, die kennen Sie, ich muss dazu nichts Näheres ausführen.
Was nun die so genannten NGOs betrifft, sollten sie in der
Verfassung Erwähnung finden. Es sollte auf sie Rücksicht genommen, sie sollten
bedacht werden. Dort, wo in ihre Wirkungsbereiche durch die Gesetzgebung
eingegriffen wird, sollte ein Anhörungsrecht vorgesehen werden. Jedenfalls
sollte eine Gesetzesbegutachtung eingeräumt werden, und zwar im richtigen und
guten Sinn, nicht in wenigen Tagen.
Ich meine, dass die NGOs, die ich anspreche, solche sind,
die eine demokratische Binnenstruktur haben, wo ehrenamtlich gearbeitet wird
und wo Gemeinnützigkeit herrscht. Die Arbeit solcher Organisationen – damit
komme ich zum Schluss - sollte Beachtung finden und ihre Zielsetzung als
Ausdruck der Beteiligung der Zivilgesellschaft an dem Aufbau des Gemeinwesens
entsprechend gewertet werden. Es sollte daher in der Verfassung zum Ausdruck
gebracht werden, dass diese Mitwirkung gewollt ist und unterstützungswürdig
ist. – Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke schön. Ich bitte den Governor von Rotary Österreich,
Herr Rudolf Otto um seine Ausführungen. – Bitte.
Rudolf Otto: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und
Herren!
Ich vertrete hier als Governor 6.000 Rotarier, die in 120
österreichischen Klubs zusammengefasst sind. Diese 120 Klubs gehören nicht zu
den 2.000 Vereinen, die in Österreich von den verschiedensten staatlichen
Landes- und städtischen Institutionen gefördert werden oder sich dort um
Subventionen anstellen, sondern die im Gegenteil solche Subventionen geben und
die Bürgergesellschaft fördern.
Wir sind mit der verfassungsmäßigen Situation der
Serviceklubs in Österreich durchaus glücklich und zufrieden, mit einer einzigen
Ausnahme, und das betrifft die Anerkennung der Mittel, die von diesen
Serviceklubs aufgebracht werden. Es besteht ein krasses Missverhältnis
dazwischen, wenn unser rotarischer Freund Armin Assinger einem glücklichen
Quiz-Kandidaten eine Million € aushändigt und ihm um den Hals fällt, dann kann
der das Geld einstecken und damit nach Hause gehen. Wenn ein Rotarier oder
sonst irgendjemand dem Roten Kreuz 10 000 € spenden will, dann kann er das nur
aus voll versteuertem Einkommen tun. Und da ist ein Missverhältnis, das sich
auch darauf bezieht, wenn ich einem Boxer seinen Namen auf seine Shorts
schreibe und ihm dafür einen großen Geldbetrag zahle, so kann ich das voll
absetzen. Wenn ich den gleichen Betrag für karitative Zwecke einsetze, so geht
das voll aus meinem versteuerten Einkommen und daher meinen wir Rotarier, wie
sicher auch alle anderen Serviceklubs, dass eine Anerkennung des ihm Rahmen der
Tätigkeit in Organisationen der Bürgerzivilgesellschaft erbrachten Sozial- und
Gesundheitssponsorings in irgend einer Form in der Verfassung ihren Niederschlag
finden sollte.
Wir haben eine Rechtstradition in den angelsächsischen
Ländern und auch in Deutschland übrigens, dass solche gemeinnützigen Spenden
steuerlich anerkannt werden, im Gegensatz zu uns in Österreich. Und dann heißt
es immer, das ist zu teuer, das können wir uns nicht leisten. Wenn ich jetzt
demgegenüber stelle, was die Gesamtheit der Rotarier in Österreich an Mitteln
für soziale Zwecke aufbringt, so waren das etwa für die Ausrottung der
Kinderlähmung 700.000 €. Im vorigen Jahr für die Hochwasserhilfe 1,4 Millionen,
für die laufenden Projekte, die von den Klubs unterstützt und gemacht werden,
sind das etwa 1,7 Millionen im Jahr. Wenn wir annehmen, dass die halben Spender
ihre Zuwendungen steuerlich geltend machen würden, so kommen wir da auf einen
Steuerausfall von vielleicht 300.000 bis 400.000 € und ich glaube, das wäre der
Kultur dieses Landes durchaus angemessen, wenn man das auch so berücksichtigen
kann.
Ich weiß schon, eine steuerliche Frage ist keine Frage der
Verfassung, aber die Anerkennung der Tätigkeit der Bürger- und
Zivilgesellschaft, die sollte in irgend einer Form als Grundlage für weitere
Schritte in die Verfassung aufgenommen werden. – Danke sehr.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke schön. – Ich bitte Frau Direktorin Christine
Gubitzer um ihre Ausführungen. Sie ist die Präsidentin von Soroptimist
International. – Bitte.
Christine Gubitzer: Frau Präsidentin! Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Als eine der letzten Rednerinnen dieses sehr
ereignisreichen Tages darf ich Ihnen nun den Frauenserviceklub Soroptimist
International präsentieren.
Wir sind ein Serviceklub, weltweit der größte
Frauenserviceklub, 1921 gegründet worden und die jüngsten Jahre zeigen, dass in
Österreich diese Art Clubs eine besondere Bedeutung gewinnen. Allein in diesem
Jahr haben bereits fünf Gemeinden eine Klubgründung angekündigt. Wir sind
mittlerweile auf 35 an der Zahl angewachsen und wir können erkennen, dass
gerade die Ziele des Soroptimismus für die Österreicherinnen sehr wichtige
Ziele sind. Daher ist es durchaus auch bedeutsam für mich als österreichische
Unionspräsidentin, hier die Wünsche der Soroptimistinnen in dieser wichtigen
Sitzung präsentieren zu dürfen.
Soroptimistinnen, die Lateiner unter Ihnen können leicht
erkennen, dass sich darin versteckt das Wort sorores ad optimum, die
Schwestern, die das Beste wollen. Und wir erhoffen uns natürlich auch von
dieser Verfassung, dass sie das Beste ist für die Frauen. Wir engagieren uns
sehr wohl für soziale Projekte, wenngleich wir aber damit immer das Ziel
verfolgen, die Stellung der Frau in der Gesellschaft zu verbessern. Wenn wir
Bildungsprojekte unterstützen, wenn wir zum Beispiel auch die Hospizbewegung
unterstützen, all das passiert immer unter dem Hinblick, dass die Stellung der
Frau in der Gesellschaft verbessert werden muss im Sinne der Gleichwertigkeit,
der Gleichbehandlung.
Daher ist es uns ein wichtiges Anliegen, dass die neue
österreichische Verfassung einen Schritt in diese Richtung geht, Frauen die
Garantie zu geben, dass sie in diesem Land die Gleichwertigkeit und
Gleichberechtigung leben dürfen. Dass vor allem auch alles getan wird, um die wirtschaftliche Unabhängigkeit der
Frauen zu garantieren. Denn bedenken Sie, dass lediglich ein Prozent des
Weltvermögens in Händen von Frauen ist und der Rest in Händen von Männern. Das
ist ein sehr gewichtiges Merkmal dafür, wo die Macht liegt. Und das, was wir
uns als Soroptimistinnen als wichtiges Ziel gegeben haben, ist eben auch die
Beteiligung an der Macht. Wir wollen Teilnahme gewährleisten in allen wichtigen
Entscheidungsprozessen, auf allen Ebenen der Gesellschaft. Wir haben ein
gesellschaftspolitisches Anliegen und wir glauben, dass gerade Frauenpolitik
ein bisschen aus dem politischen Tagesgeschehen und den parteipolitischen
Zankereien herausgenommen werden muss, weil es viel zu wichtig ist, dass die
Gleichbehandlung der Frauen von allen Frauen gemeinsam betrieben wird, ohne
Ansehen von Partei, Weltanschauung oder was immer hier dahinter stehen mag.
Wir stehen für die Wahrung hoher ethischer Werte, und ich
glaube, mir sicher sein zu können, dass gerade auch diese in der
österreichischen Verfassung verankert sein werden: Sei es nun die
Menschenwürde, und damit die Menschenrechte, sei es die Subsidiarität und damit
auch das Recht auf Eigenentscheidung, sei es die Frage des Gemeinwohls und damit
meine ich all das, was Umwelt, Gesundheit, Erziehung, Kultur betrifft, oder sei
es eben die Frage der Solidarität, die sich auch die Geschlechter für einander
geben werden müssen.
Die Soroptimistinnen sind zwar vom Namen her noch nicht
wirklich gut verankert. Wir hoffen aber doch, dass gerade dieser Auftritt hier
mit dazu beiträgt, uns bekannt zu machen. Uns ist es sehr wichtig, dass den
Status, den wir als NGO bei der UNO haben, den wir beim Europa-Parlament und im
Europarat haben, den wir bei der OSCE haben, wir auch in der österreichischen
Parlamentarismus bekommen, einen Anhörungsstatus, die Chance, unsere Meinung zu
sagen, unser Wissen, unser Können miteinbringen zu können, für eine glückliche,
erfolgreiche Zukunft Österreichs, an der Männer und Frauen gleich beteiligt
wirken wollen. - Herzlichen Dank.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Ich bedanke mich. Die letzte Wortmeldung aus dem Bereich
der Service-Organisationen kommt von Frau Barbara Tramposch. Sie vertritt Zonta
International. - Bitte!
Barbara Tramposch: Sehr verehrtes Präsidium! Mitglieder des
Konvents! Sehr geehrte Damen und Herren!
Als absolut Letzte zu reden ist jetzt gar nicht einfach,
weil es ist eh schon alles gesagt, und zuhören will wahrscheinlich auch keiner
mehr. Also, es ist sehr vermessen zu sagen: Bitte, eine Sekunde noch!
Dem Vertreter der Zivildiener möchte ich sagen, ich kenn’
die Zivildiener schon. Ich befürchte aber, dass Sie Zonta International nicht
kennen, und deshalb erlauben Sie mir kurz, Zonta vorzustellen, zumal auch einer
meiner Vorredner, der Governor von Kiwanis, nur von drei Serviceorganisationen
in Österreich gesprochen hat, was mich sehr traurig gemacht hat, weil wir sind
auch noch da, auch wenn wir Frauen sind.
Zonta wurde, wie alle Service-Organisationen, in den
Vereinigten Staaten gegründet:
1919 in Buffalo im Bundesstaat New York, hat sich ausgedehnt auf Kanada,
und hat seinen Namen Zonta International bekommen mit der Gründung des ersten
Klubs außerhalb des Kontinentes, des amerikanischen Kontinentes, und zwar des
Klubs in Wien im Jahr 1930, wurde dann inkorporiert als Zonta International im
Bundesstaat Illinois in Chicago. Wir haben mittlerweile in 72 Ländern dieser
Welt unsere Vertreter, sind leider nicht so groß wie Soroptimist, haben nur 35
000 Mitglieder, haben aber den Status 1a bei der UNO als
Non-Governmental-Organisation. Unsere Gründerin und ihre Mitstreiterinnen haben
sich zum Ziel gesetzt, die rechtliche, die wirtschaftliche, gesellschaftliche,
politische und familiäre Stellung der Frau zu verbessern, und das 1919. Diese
Ziele gelten auch heute noch in unserer Organisation. Wir sind eine
Organisation berufstätiger Frauen, die aus allen Berufssparten vertreten sind,
Überparteilichkeit hochhalten und natürlich auch den Gedanken der
Religionsfreiheit. Deshalb ist es wahrscheinlich verständlich, dass Zonta
Österreich als sein vordringlichstes Anliegen sieht, die Gleichstellung und die
Gleichbehandlung der Frau, und auch diese verfassungsmäßig garantiert haben
möchte, damit gleiche Bezahlung bei gleicher Leistung in Zukunft kein
Diskussionsthema mehr sein müsste.
Ein weiteres Anliegen von Zonta Österreich ist das
verfassungsmäßig garantierte Recht auf Gewaltfreiheit in der Familie. Ein
weiteres Anliegen, das aus unserer Arbeit bei der UNO kommt, und an dem wir
wesentlich mitgearbeitet haben, ist das Protokoll Anti-Trafficing against human
beings, das Verbot von Menschenhandel, das sich vorwiegend gegen Frauen und
Jugendliche weiblicher Natur richtet. Wenn dahingehende Entscheidungen in der
Verfassung aufgenommen werden könnten, wäre das für uns sehr zufriedenstellend.
Und schließlich würde es Zonta Österreich auch noch begrüßen, wenn in der
Verfassung verankert ist, dass jegliche Art von Verstümmelung an Frauen, wie
sie vermehrt vorkommt, durch die Zuwanderung aus afrikanischen Ländern, auch
gesetzesmäßig verboten wird oder verankert wird. Nur das Strafgesetzbuch mit
dem Paragraphen der Körperverletzung schließt nicht ein, was wir definiert
haben wollen. Und zwar das Verbot von genitaler Verstümmelung von Kindern und
Mädchen. Auch wenn es Brauch ist bei schwarzen Zuwanderern, muss es in
Österreich verboten sein.
Und ganz zum Schluss wäre es schön, wenn die Service-Klubs
generell einen verfassungsmäßigen Status erhielten in diesem Land, und dadurch
offiziell etwas anerkannter wären und auch aufgewertet werden würden. Im Namen
von Zonta International und von Zonta Österreich bedanke ich mich für die
Einladung hierher und hoffe doch, dass der eine oder andere Wunsch in der
Verfassung dann seinen Niederschlag findet. - Danke schön.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Barbara Tramposch. Wir
haben damit alle Anhörungen beendet und kommen jetzt zur Diskussion. Da sind
momentan gemeldet: Herr Dr. Karl Lengheimer, Frau Dr. Evelin Lichtenberger und
Herr Dr. Willi Brauneder. Wortmeldungen können jederzeit noch abgegeben werden.
Herr Dr. Dr. Karl Lengheimer, bitte.
DDr. Karl Lengheimer: Frau Präsidentin! Meine sehr
geehrten Damen und Herren Idealistinnen und Idealisten, welche die ganze Zeit
über hier ausgeharrt haben und den Beiträgen gefolgt sind, und nicht schon nach
Abgabe eines Statements dieses Hohe Haus verlassen haben!
Ich glaube, es hat sich ausgezahlt, da
zu bleiben und alle diese Beiträge zu hören. Es waren sehr wichtige Beiträge,
und es waren Beiträge aus denen sehr klar ein Engagement hervorgegangen ist,
ein Engagement, das in den meisten Fällen und bei den meisten Rednerinnen und
Rednern auch auf einer ehrenamtlichen Tätigkeit beruht.
Gestatten Sie mir zu so später Stunde
nur zwei kurze Bemerkungen. Die eine: Wir hören nicht nur in dieser heutigen
Anhörung, sondern auch in den bisherigen Fällen, wo wir das praktiziert haben, immer sehr viele Wünsche, und
das ist klar so. Die Menschen wünschen sich, dass das, was ihnen wichtig ist,
und in den Organisationen auch verankert wird, möglichst rechtlich verankert
wird. Das hat ja jeder, der einen Vertrag abschließt, auch als Ziel. Und noch
besser als eine rechtliche Verankerung ist natürlich eine verfassungsrechtliche
Verankerung, denn dann kann es einem auch nicht durch ein einfaches Gesetz so
schnell wieder weggenommen werden. Wir sollten uns allerdings der Tatsache
bewusst sein, dass den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auch
verfassungsgesetzliche Pflichten gegenüberstehen müssen. Wir kommen um das
nicht herum.
Wenn wir ein Recht auf Gesundheit in
der Verfassung wollen, dann müssen wir wohl auch überlegen, was der Einzelne
dazu tun muss, um gesund zu sein. Zu dem sehr engagierten Bericht der
Vertreterin der Alleinerzieherinnen, es gibt schon diese schlimmen Fälle, wo
ein Elternteil durch Unfall, schwere Krankheit oder plötzlichen Todesfall
ausfällt. Aber es gibt auch andere, wo sich ein Elternteil, meist sind es die
Väter, einfach davon schleicht. Daher muss man halt in solchen Fällen auch
überlegen, ob dem Recht nicht auch eine verfassungsgesetzliche, nicht nur
zivilrechtliche Pflicht gegenüber stehen müsste. Das ist eine Aufgabe, die den
Konvent wird beschäftigen müssen und die nicht leicht zu lösen ist, das muss
uns klar sein. Aber wir werden sie lösen müssen, sonst ist das einzige
Grundrecht, dass letztlich über bleibt, das Recht auf Selbstbedienung.
Ein zweiter Gedanke noch ganz kurz,
weil das auch wiederum gekommen ist von einer Familienorganisation: Die Frage
des Wahlrechts für Kinder. Es kommt in vielen Varianten, in der
Wahlalterherabsetzung, in dem Recht auf demokratische Strukturen auch in der
Schule. Das wird immer wieder richtig betont und wenn es dann heißt, es soll
doch jedes menschliche Subjekt auch ein Mitbestimmungsrecht am Staat haben,
dann stößt das auf Unverständnis und wird als lächerlich abgetan.
Ich meine, wir sollten auch darüber
nachdenken und die Vertreterin der Bundesschüler, die Vorsitzende der
Bundesschülervertretung Romana Breit hat heute hier sehr schön ausgeführt, wie
wichtig der freie Zugang zur Bildung ist, weil es darum geht, Vorurteile
abzubauen. Vielleicht sollten wir auch in diesem Bereich Vorurteile abbauen und
bei den Fragen des Wahlrechts mehr Bildung wirken lassen, Bildung, indem wir
uns über den Standpunkt des Anderen informieren. Wenn wir das tun, haben wir
vielleicht weniger Vorurteile und können auch in dieser Frage zu einem Konsens
kommen, den wir übrigens nicht nur in dieser, sondern in allen anderen Fragen
brauchen werden, wenn der Verfassungskonvent einen Erfolg haben soll. – Danke.
Stellvertretende
Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Ich erteile der Frau Abgeordneten Dr. Lichtenberger das Wort.
- Bitte
Dr. Evelin Lichtenberger‡: Sehr geehrte Damen und Herren!
Lassen Sie mich zu einigen der angesprochenen Themen kurz
Stellung nehmen. Zur Frage von Frieden und Neutralität, also es war sehr
bestätigend für mich, dass ein hohes Interesse daran herrscht, die
friedenspolitische Komponente in der österreichischen Politik zu stärken, zu
nennen und mit Wert zu versehen, Sicherheitspolitik nicht nur rein von Polizei
und Militär aus zu definieren, sondern auch den präventiven Charakter stärker
in den Mittelpunkt zu rücken. Insofern kann ich Sie informieren, dass wir im Arbeitskreis 1
eine sehr intensive Diskussion gerade über die Bereiche der Neutralität hatten,
wo es auch zum Beispiel um den § 23f ging und um die Frage, ob ein Mandat,
eine UNO-Mandatierung zum Beispiel zwingend vorgesehen werden könnte, um Rechtssicherheit
auch in einem Graubereich zu schaffen. Das ist allerdings nicht auf einen so
breiten Konsens gestoßen, als dass wir es bis jetzt in unsere Zwischenberichte
hätten aufnehmen können. Trotzdem halte ich das für ein wichtiges und zentrales
Anliegen, und meine gerade, die friedenspolitische Orientierung würde für einen
Staat wie Österreich mit seiner Geschichte, das muss man halt einfach immer
dazu sagen, wohl anstehen und könnte hier international eine Vorbildwirkung
entfalten.
Eine Sache, die der Vertreter des Milizverbandes gesagt
hat, die möchte ich allerdings scharf zurückweisen. Seine Äußerung über die
Gefahr, die in einem Berufsheer bestehen würde, denn man weiß, wer sich da
meldet, und dann spricht er noch soziale Unterschichten an, das halte ich schon
für sehr diskriminierend. Ich muss Ihnen ganz offen sagen, Gewaltbereitschaft
oder eine negative Haltung zur Gewalt findet sich nicht nur in sozial
benachteiligten Schichten, meine Damen und Herren, sie findet sich leider
durchgängig in allen Gesellschaftsschichten, und das bitte ich auch die
Herrschaften vom Milizverband zur Kenntnis zu nehmen. Ich bin von solchen
diskriminierenden Aussagen immer wieder sehr negativ überrascht.
Zu den Rettungsorganisationen, wo einige sehr interessante
Fragen angesprochen worden sind, in Bezug auf die Bergrettung, die sehr klar
gesagt hat, man soll ihr nur keine Prügel vor die Füße werfen, müssen wir uns
nicht im Verfassungskonvent, aber sonst irgendwo die Frage stellen, wie wir mit
der – das sage ich jetzt einmal so – Dienstleistung, die die Bergrettung für
den Tourismus erbringt, auch in finanzieller Hinsicht einmal auseinandersetzen.
Zunehmend haben auch gerade Leute aus der Bergrettung, aber auch aus anderen
Rettungsorganisationen, die sozusagen freiwillig arbeiten, Probleme mit ihren
Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, die sozusagen dann kein Einsehen haben, wenn
für einen größeren Rettungseinsatz dann einmal ein Urlaubstag überraschend
beansprucht werden muss. Das setzt auch der Möglichkeit zum Tätig werden
Grenzen, auf die wir in Zukunft sehr genau aufpassen müssen.
Interessant war die Anregung von Seiten der Feuerwehr, eine
Art überörtliche Gefahrenpolizei für größere Katastrophen einzurichten, weil ja
gerade zum Beispiel Tunnelunfälle oder Unfälle mit Gefahrgut, sei es auf Bahn
oder Straße oder aber auch beim Transport von einem Betriebsgelände ins andere
stattfinden können, von einer ganz normalen örtlichen Freiwilligen Feuerwehr
nicht mehr in dem Ausmaß abgefangen werden können. Das müssen wir zur Kenntnis
nehmen. Ich glaube, dass hier einige Nachdenkprozesse gerade in Folge der
rechtlich unklaren Situation für solche, die zu Schaden kommen bei solchen
Einsätzen, dass da Lösungen gefunden werden müssen. Ich weise darauf hin, wir
hatten das Glück, dass bis jetzt noch keine auffälligen Geschichten da passiert
sind, aber das ist eine Frage der Zukunft, die wir uns anschauen müssen.
Zum Herrn vom ÖAMTC: Ja zur freien Verkehrsmittelwahl, ich
wäre sehr begeistert, wenn wir sie endlich hätten. In der Region kann bei uns
in Österreich schon oft niemand mehr wählen. Da ist er aufs Auto als einziges
verfügbares Verkehrsmittel angewiesen, und das ist keine Wahlfreiheit. Wenn wir
also Wahlfreiheit herstellen wollen, dann heißt das auch Förderung und Stärkung
vom öffentlichen Verkehr. Das halte ich für eine sehr zentrale Geschichte, denn
Anregungen um Subventionskontrolle und Prüfungen von möglichen
Gesetzesauswirkungen kann ich mich anschließen. Das halte ich für wichtig und
zentral.
Am Schluss noch eine Anmerkung zu den Serviceklubs: In
aller Kürze, wenn diese Serviceklubs all das auffangen müssten, was durch das
Zurückdrängen des Sozialstaates an neuen Leistungsbereichen offen bleibt, dann
wären diese Serviceklubs enorm überfordert. Ich halte Ihre Leistungen für
extrem wichtig. Aber den Sozialstaat an sich werden sie nicht ersetzen können.
– Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Herr Universitätsprofessor Dr. Brauneder. -Bitte.
MMag. Dr. Willi Brauneder (Vertreter von
Landeshauptmann Dr. Jörg Haider): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren!
Szene aus „Freiheit in Krähwinkl“, wenn ich es richtig im Kopf habe: Dienstmagd
sitzt ein im Dorfkotter, Bürgermeister borgt ihr Bücher, sie liest Bücher, ist
dadurch in die Lage versetzt, Türen, Fenster, Gitter rasch zu öffnen und
entflieht. Nestroy kommentiert dies mit „Freiheit durch Bildung“.
Warum ich darauf zu sprechen komme, hat zwei Gründe. Nummer
eins, Freiheit durch Bildung kann ein Schlagwort sein, hinter dem unter anderem
Nestroy steht oder Nestroy es verwendet, und es ist auf jeden Fall ein Motto,
welches sehr alt ist. Es stammt ganz typischerweise aus der Zeit der
Aufklärung, aus einer Zeit, wo es keine Verfassung gab, und man hat sich das
immer wieder auch ohne Verfassungstext erarbeitet.
Ich will damit zum Ausdruck bringen, dass die hier sehr oft
geäußerten Erwartungen an eine neue Verfassung, wie das von einem Redner
formuliert wurde, denn doch nicht gar zu hoch zu stellen sind. Es sollte aber
vielleicht mit einer neuen Verfassung etwas mehr ins Bewusstsein gerufen werden
oder wieder daran erinnert werden, dass der Staat doch eigentlich nichts
anderes sein soll, als die organisierte Gesellschaft, natürlich nicht die
zwangsorganisierte Gesellschaft wie in einem autoritären Staat, sondern die
freiwillig auf demokratischer Basis organisierte Gesellschaft, denn wir rühmen
uns ja, die Trennung zwischen Staat und Gesellschaft überwunden zu haben, was
vielleicht mit ein paar Fragezeichen zu versehen wäre.
Natürlich eine Gesellschaft, ein Staat, der der
Gesellschaft Freiräume gewährt. Das heißt: Es wäre tatsächlich eine Förderung
von jenen gesellschaftlichen Aufgaben, wie dies der Governor von Rotary erwähnt
hat, sehr erwägenswert, vielleicht aber eher etwas, was das Steuerrecht machen
sollte und nicht die Verfassung. Auch im Bonner Grundgesetz gibt es keine
Bestimmung dahingehend, dass das Steuerrecht diese bestimmte Ausgestaltung
haben sollte. Denn tatsächlich ist es so, dass nicht nur die Serviceclubs – man
könnte einmal darüber nachdenken, ob es nicht sehr wesentlich ältere
Serviceclubs unter anderen Namen gibt, etwa gegründet so im Jahre Null und dann
durch Abspaltungen weitere – dass es tatsächlich so ist, dass hier starke
Leistungen für die Gesellschaft erbracht werden und der Staat entlastet ist.
Ein Serviceclub in einer Stadt südlich von Wien, die ich besonders gut kenne,
hat bei dem Hochwasser vor zwei, drei Jahren wesentlich mehr und wesentlich
rascher gespendet als manche Gemeinde.
Was aber auch noch zu sagen ist, ist der Umstand, dass
diese Freiräume möglicherweise missbraucht werden könnten. Nämlich dahingehend,
ich meine nicht die neuen Serviceclubs oder die Serviceclubs im engeren Sinne,
dass gesellschaftliche Aufgaben durch Private kanalisiert, vielleicht sogar
monopolisiert werden, wie dies die österreichische Entwicklung nicht nur, aber
auch des 19. Jahrhunderts zeigt, und wie dies dann die Verfassung 1867
letztendlich mit dem heute fast zur Gänze noch geltenden Grundrechtskatalog
unterbunden hat.
Ich meine, dass Bildung, um ein Beispiel zu nennen, als
gesamtgesellschaftliche Aufgabe erkannt werden muss, nicht auszugliedern wäre
aus der organisierten Gesellschaft Staat, denn es wäre der Wissenschaft
sicherlich abträglich, wenn plötzlich die Wissenschaftsfinanzierung umstellen,
zur Gänze etwa umstellen würde - was von niemandem geplant ist, es soll also
keine Unterstellung sein - auf die bloße Förderung von Projekten und dadurch
natürlich nur jenen, die das Geld dafür hergeben, nützt. Das wäre also eine
Kanalisierung, die zwar nicht dem Krähwinkler Modell der Freiheit durch Bildung
widerspricht, sondern dem Grundrecht: Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.
Abschließend möchte ich mich bei allen jenen, die heute
gesprochen haben, bedanken: das war eine ganz lange Liste an sehr nützlichen
Anregungen. Vielen Dank.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Frau Klubobfrau Dr. Madeleine Petrovic, bitte. Sie ist die
letzte Rednerin, wenn sich nicht noch jemand zu Wort meldet.
MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Ja, nur ein paar Ausführungen zu den
Anmerkungen, die hier kamen zur Familienpolitik.
Vormittags hatten wir die Debatte um den effizienten,
schlanken, dicken, dünnen Staat. Und mich wundert das immer, dass man im
Bereich der Familienpolitik, hier geht es wirklich offenbar rein ideologisch zu
und es ist keine Bereitschaft, einmal zu schauen, wo gibt es Modelle –
zumindest in Europa, in EU-Europa -, die besser funktionieren als das
österreichische.
Wir haben in Österreich die absolut höchsten Förderungen
für „Familie“ und eine der niedrigsten Kinderquoten überhaupt, wobei es so ist,
dass die Lebensplanungen der Menschen nicht umgesetzt werden können. Die
meisten Leute, Frauen, wollen Kinder. Und ursprünglich, die ganz jungen Frauen
befragt nach ihrem Kinderwunsch, antworten mit zwei bis drei Kindern. Und dann
bleibt es aber im Schnitt bei 1,3 Kindern. Hier passiert etwas. Nämlich, dass
die Unterstützung für das Leben mit Kindern zu gering ist. Und das ist nicht nur
Geld oder Familienleistungen, sondern dass man konkret auf die Lebenssituation
achtet. Das ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das ist die Situation
der Alleinerzieherinnen, denen einfach in vielen Fällen die Decke auf den Kopf
fällt.
Ich möchte gerne die Forderung mitnehmen mit dem gleichen
Unterhaltsrecht für alle Kinder, denn es scheint mir wirklich absurd, dass für
den zahlungsunwilligen Unterhaltspflichtigen der Staat in Vorlage tritt, aber
für den Zahlungsunfähigen niemand gerade steht. Das fällt ja den Kindern auf
den Kopf. Und solche Beispiele – und wir kennen sie alle, ich kenne auch eine
Alleinerzieherin mit fünf Kindern, mit drei Kindern, die wirklich nur mehr
zaubern und wurschteln und bitten und betteln und es ist ein Jammer, und es
geht zu Lasten der Kinder. Und jede junge Frau, die das gesehen hat, die
überlegt sich das doppelt und dreifach.
Und ich sage Ihnen eines: unter dem Schlagwort Familie,
wenn man das so abhandelt, dann kommen wir dem angestrebten Ziel, nämlich, dass
Menschen, Frauen ihre Lebensplanung auch umsetzen können, nicht näher. Das hat
nämlich mit der realen Gleichstellung von Frauen zu tun. Hier tut sich etwas in
den Ausschüssen. Ich hoffe, dass das auch dann tatsächlich vom Plenum so
angenommen wird, aber Österreich hat in Sachen Gleichstellung von Frauen im
europäischen Kontext den unrühmlichen Platz 15, was die ökonomischen
Unterschiede zwischen Männern und Frauen betrifft. Und das ist eine Botschaft,
die letztlich dann natürlich auf die Lebensplanung durchschlägt, und das ist
eine sehr rationale Entscheidung. Das heißt: wer etwas für „die Familien“ tun
will, muss zuerst einmal die Situation des diskriminierten Teiles – und das
sind regelmäßig die Frauen – aufgreifen und sich darum kümmern.
Und da kommt dazu etwas, dass gerade mir – wie Sie sich
vorstellen können – als Ehefrau eines ehemaligen Arbeitsmigranten sehr am
Herzen liegt. Es gibt in Österreich, und ich sage das bei jeder Gelegenheit,
ich habe das schon oft gesagt, mindestens 7.000 Kinder, die kein permanentes
Aufenthaltsrecht haben. Wir haben in den Schulstatistiken mehr Kinder als in
den Aufenthaltsstatistiken, das heißt, das sind Kinder, die immer nur
touristisch da sind. Das sind Familien, die wahrlich nicht zu den begüterten
gehören, die immer mit neuen Visa-Gebühren letztlich zu Lasten der Kinder Geld
ausgeben müssen, und die Kinder – oftmals hier geboren – dürfen nicht da
bleiben, weil sie an eine Kinderquote stoßen.
Also, in so einer Gesellschaft, die ganz klar signalisiert,
es sind uns nicht alle Kinder willkommen, brauchen Sie sich nicht wundern, wenn
das auch als Botschaft ankommt und Vorsicht auslöst. Denn, wenn das auf Grund
der einfachen Gesetzgebung sich ändern kann, welche Kinder erwünscht sind und
welche unerwünscht, dann wird sich so manche denken, na ja, vielleicht gehören
wir auch einmal zu den unerwünschten. Und auch das schlägt durch. Das heißt:
Dringender Appell, bitte, stellt diese Kinder endlich einmal auf eine legale
Grundlage. Sie gehen hier in die Schule, wir brauchen diese Kinder notwendig.
Und auch die Familien, die dürfen nicht länger diskriminiert werden.
Ein Letztes zum Wahlrecht. Diejenigen, die das Wahlrecht
der Eltern oder ein Elternsplitting verlangen für die Kinder, denen kann ich
nur sagen, bitte, geht doch mit den grünen Anträgen, die Situation der Kinder
und Jugendlichen zu verbessern. Wir haben seit langem beantragt die
Wahlaltersenkung auf 16. Wir würden auch anregen ein Schülerinnen- und
Lehrlingsparlament und eine Verpflichtung des Nationalrates, sich mit den Forderungen,
die von den jungen Leuten kommen, auch auseinander zu setzen.
Und ich verlange ferner auch ökonomisch einen freien Zugang
von Kindern zu allen öffentlichen Angeboten auch im Bereich des Verkehrs und
zwar unabhängig davon, ob sie es mit den Eltern konsumieren oder nicht. Es gibt
wieder zahlreiche Familienermäßigungen, aber ich sehe nicht ein, warum nicht
ein Zwölfjähriger, eine Dreizehnjährige selbst sich entschließen soll zum
Beispiel eine Ausstellung im Museum anzuschauen oder mit dem Zug irgendwo hin
zu fahren. Wenn ich mit meinen Kindern etwa nach Gloggnitz fahre, was ich sehr
häufig tue, dann fahren die Kinder kostenlos. Wenn die Kinder allein fahren -
wozu sie durchaus in der Lage sind und auf Grund meiner Berufstätigkeit auch
oft veranlasst sind -, dann zahlen sie. Und das ist etwas, was im Bereich der
sozial Schwachen wirklich dazu führt, dass Kinder von öffentlichen Angeboten
ausgeschlossen sind.
Und wer ernsthaft will, dass hier die Gesellschaft sich
ändert, der sollte hier ansetzen und nicht bei einem Wahlrecht der Eltern für
die Kinder. Denn wer weiß, ob die Kinder wirklich das wählen würden, was die
Eltern immer gewählt haben. - Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Die Rednerliste ist erschöpft; ich sage nochmals sehr
herzlich Danke allen Damen und Herren, die heute zum Hearing gekommen sind, die
ihre Stellungnahmen abgegeben haben, auch schriftlich abgegeben haben. Ich darf
noch einmal darauf hinweisen, dass über alles, was hier gesagt worden ist, ein
Protokoll gemacht wird, das den Ausschüssen zugeteilt wird und
selbstverständlich auch die schriftlichen Stellungnahmen, die Sie mitgebracht
haben in den Ausschüssen, entsprechend bearbeitet werden.
Auch den Konventsmitgliedern danke ich sehr herzlich für
ihr Kommen und für ihre Diskussionsbeiträge. Für sie sage ich, dass am 16.
Februar der nächste Konventstermin ist, zu dem wir sie noch einmal auch
schriftlich einladen werden. Danke herzlich für Ihre Teilnahme. Die Sitzung ist
geschlossen.