Österreich-Konvent
9. Sitzung
Freitag, 5. März 2004
Tagesordnung
1.)
Beratung über den vom Präsidium
vorgelegten Bericht des Ausschusses 3 (Staatliche Institutionen) (2/AUB-K)
2.)
Beratung über den vom Präsidium
vorgelegten Bericht des Ausschusses 7 (Strukturen besonderer
Verwaltungseinrichtungen) (3/AUB-K)
3.)
Beratung über den vom Präsidium
vorgelegten Bericht des Ausschusses 1 (Staatsaufgaben und Staatsziele)
(5/AUB-K)
Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler.............................. 3
Dr. Gerhart Holzinger........................................................................................... 3
Herwig Hösele....................................................................................................... 6
Dr. Heinz Fischer................................................................................................... 8
Dr. Reinhard Rack................................................................................................. 9
MMag. Dr. Madeleine
Petrovic.......................................................................... 10
Johann Hatzl........................................................................................................ 12
Dr. Christoph Leitl............................................................................................... 13
Dr. Johannes Schnizer....................................................................................... 14
Dr. Clemens Jabloner......................................................................................... 15
Dr. Josef Pühringer............................................................................................. 16
Dr. Theodor Öhlinger......................................................................................... 17
Dr. Günter Voith................................................................................................... 19
Dr. Klaus Poier..................................................................................................... 20
Dr. Peter Bußjäger.............................................................................................. 21
Angela Orthner.................................................................................................... 23
DDr. Karl Lengheimer......................................................................................... 24
Dr. Kurt Stürzenbecher...................................................................................... 25
MMag. Dr. Willi
Brauneder................................................................................. 26
Dr. Ewald Wiederin.............................................................................................. 28
Stellvertretender
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer
(übernimmt den Vorsitz)....................................................................................
28
Dkfm. Erich Pramböck......................................................................................... 29
Mag. Ulrike
Schebach-Huemer.......................................................................... 30
Dr. Peter Kostelka............................................................................................... 32
Dr. Robert Hink.................................................................................................... 33
Mag. Werner Wutscher....................................................................................... 34
Mag. Terezija Stoisits......................................................................................... 35
Dr. Manfred Matzka............................................................................................. 36
Dr. Karl Korinek................................................................................................... 40
Hans Niessl.......................................................................................................... 40
MMag. Dr. Madeleine Petrovic.......................................................................... 42
Dr. Peter Bußjäger.............................................................................................. 43
Mag. Johanna Ettl................................................................................................ 43
Dr. Johannes Schnizer....................................................................................... 45
Dr. Bernhard Raschauer.................................................................................. 46
Stellvertretende
Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner......
(übernimmt den Vorsitz)..................................................................................... 47
Mag. Werner Wutscher....................................................................................... 47
Dr. Ewald Wiederin.............................................................................................. 48
Herwig Hösele..................................................................................................... 49
Dr. Leopold Specht............................................................................................. 50
Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie zur heutigen Sitzung des Konvents
begrüßen und kurz auf die Tagesordnung, die Ihnen zugegangen ist, eingehen.
Wir
nehmen heute die Berichte der Ausschüsse 3, 7 und 1 - und zwar in
dieser Reihenfolge - in Beratung.
Wir
beginnen mit dem Bericht des Ausschusses 3 betreffend staatliche
Institutionen, und zwar in der Weise, dass der Vorsitzende dieses Ausschusses,
Herr Univ.-Prof. Dr. Holzinger, zuerst eine 15-minütige Einführung
über den Ausschussbericht gibt und im Anschluss daran Wortmeldungen von Seiten
der Mitglieder des Konvents erfolgen können. - Ich darf in diesem
Zusammenhang wieder einmal darauf aufmerksam machen, dass die Redezeit für jede
dieser Wortmeldungen 5 Minuten beträgt.
Im
Anschluss an die Beratungen zum Bericht des Ausschusses 3 wird der Bericht
des Ausschusses 7 in Behandlung genommen, wobei eingangs auch
diesbezüglich der Vorsitzende dieses Ausschusses, Herr Sektionschef
Dr. Matzka, eine 15-minütige Einführung geben wird.
Im
Anschluss daran gibt es wiederum die Wortmeldungen aus dem Konvent mit einer
jeweiligen Redezeitbeschränkung von 5 Minuten.
Die
Tagesordnung schließt mit den Beratungen über den Bericht des
Ausschusses 1 betreffend Staatsaufgaben und Staatsziele. Es handelt sich
dabei der Sache nach um eine Fortsetzung der Konventsberatungen, die in der
letzten Sitzung des Konvents abgehalten wurden. - Ich darf in Erinnerung
bringen, dass beim letzten Mal der erste Teilbericht des Ausschusses 1
bereits vom Konvent diskutiert wurde und nunmehr der vollständige Bericht des
Ausschusses 1 vorliegt, der in Beratung genommen wird.
Herr
Univ.-Prof. Dr. Mayer, der Vorsitzende des Ausschusses 1, hat
darauf verzichtet, nochmals eine Einführung zum Bericht des Ausschusses zu
geben - er hat bereits in der letzten Sitzung diesbezüglich dem Konvent
seine Ausführungen vorgetragen. Aber es steht Ihnen, Herr Professor, natürlich
frei, sich jederzeit im Zusammenhang mit den Verhandlungen zum Bericht dieses
Ausschusses zu Wort zu melden.
Ich
darf sohin mit dem Tagesordnungspunkt 1 beginnen und Herrn Prof. Dr. Holzinger als Vorsitzenden
des Ausschusses 3 ersuchen, uns kurz - zumindest nicht länger als
15 Minuten - den Bericht des von ihm geleiteten Ausschusses
darzulegen. - Bitte, Herr Professor.
Dr. Gerhart Holzinger: Danke, Herr Präsident. Meine sehr geehrten
Damen und Herren!
Dem
Ausschuss 3 des Österreich-Konvents wurden im Wesentlichen die folgenden Themen
zur Vorberatung zugewiesen: Aufbau des Staates, Wahlen, Verfassungsautonomie
und Verhältnis zwischen Gesetzgebung und -vollziehung.
Der
Ausschuss hat diese Themen in der Zeit zwischen September des vergangenen
Jahres und Jänner dieses Jahres in sieben Sitzungen, von denen fünf ganztägig
durchgeführt wurden, beraten und Anfang Februar seinen Bericht erstattet.
Wir
haben die genannten Themen darauf hin geprüft, ob ein
bundesverfassungsgesetzlicher Änderungsbedarf gegeben ist und, bejahendenfalls,
welche Reformoptionen dafür bestehen. Soweit das möglich war, haben wir auch
konkrete Formulierungsvorschläge zur Änderung der Bundesverfassung erstattet.
Soweit
wir in den Vorberatungen keinen Konsens erzielen konnten, haben wir im
Aus-schussbericht die unterschiedlichen Positionen dargestellt und die
Argumente dargelegt, die jeweils für diese Positionen sprechen und hoffen auf
diese Weise auch in jenen Fällen, in denen kein Einvernehmen erzielt werden
konnte, doch einen Beitrag zur künftigen Konsensfindung im Österreichkonvent
geleistet zu haben.
Meine
Damen und Herren! Ich möchte einige wenige Punkte, die mir persönlich wichtig
erscheinen, aus dem Ausschussbericht hervorheben und mit zwei Themen beginnen,
zu denen der Ausschuss Konsens erzielen konnte. Zum Einen: Der Ausschuss hält
eine Reihe von Regelungen in den Artikeln 27 bis 33 des
Bundes-Verfassungsgesetzes, die den Nationalrat betreffen, für entbehrlich. Vor
allem geht es dabei um die sehr detailliert geregelten Befugnisse des
Bundespräsidenten, den Nationalrat zu Tagungen einzuberufen und die Tagungen
des Nationalrates für beendet zu erklären. Wir meinen, dass diese Befugnisse im
Geschäftsordnungsgesetz geregelt werden könnten und dem Präsidenten des
Nationalrates übertragen werden sollten.
Zum
Zweiten meint der Ausschuss, dass die Verfassungsautonomie der Länder gestärkt
werden sollte. Das gilt im Besonderen für die bundesverfassungsgesetzlichen
Regelungen über die Organisation der Landesverwaltung. Wir meinen, dass die
grundsätzlichen Bestimmungen dazu in das B-VG selbst inkorporiert werden
sollten. Dazu hat der Ausschuss einen Textvorschlag erstattet. Für den Fall, dass
man diesem Vorschlag folgt, würde das bedeuten, dass das
Bundesverfassungsgesetz über die Ämter der Landesregierungen und § 8 Absatz 5
des Übergangsgesetzes 1920, soweit er noch in Geltung steht, entbehrlich wären.
Meine
Damen und Herren! Darüber hinaus möchte ich auf Folgendes hinweisen: Der
Ausschuss spricht sich in seinem Bericht für eine Änderung des Artikel 26 des
B-VG aus, der die Wahlen zum Nationalrat regelt. Dabei besteht Konsens darüber,
dass sämtliche Wahlrechtsgrundsätze im B-VG kodifiziert werden sollten. Das
gilt im Besonderen auch für den Grundsatz der freien Wahl, der derzeit
außerhalb des Bundes-Verfassungsgesetzes geregelt ist.
Zu den
weiteren Änderungen betreffend den Artikel 26 B-VG bestehen im Ausschuss im
Wesentlichen die folgenden beiden Positionen: Nach der einen Position soll der
Grundsatz der Verhältniswahl nicht mehr bundesverfassungsgesetzlich normiert
werden. Vielmehr soll, so meinen die Vertreterinnen und Vertreter dieser
Auffassung, die Festlegung des Wahlsystems dem Wahlrechtsgesetzgeber zukommen,
und zwar mit einfacher Mehrheit. Des Weiteren soll nach dieser Position die
Briefwahl als eine gleichwertige Form der Stimmabgabe neben der Stimmabgabe vor
einer Wahlbehörde vorgesehen werden und zudem bundesverfassungsgesetzlich das E-Voting
ermöglicht werden.
Die
andere Position besteht darin, den Artikel 26 B-VG insbesondere in folgende
Richtung zu ändern: Das Wahlrecht zum Nationalrat soll auch in Österreich
ansässigen Ausländern eingeräumt werden. Der Grundsatz der Verhältniswahl soll
durch eine verfassungsrechtliche Mindestprozentklausel von 4 beziehungsweise 5
Prozent näher determiniert werden. Das Wahlalter soll gesenkt werden, und zwar
für das aktive Wahlrecht auf das 16. Lebensjahr und für das passive Wahlrecht
auf das 18. Lebensjahr. Die Zahl der Abgeordneten je Wahlkreis soll anstelle
des Bürgerzahlprinzips, wie es die geltende Verfassung vorsieht, im Verhältnis
zur Zahl der Wahlberechtigten beziehungsweise der Wohnbevölkerung in den
einzelnen Wahlkreisen festgelegt werden.
Ein
weiteres Thema, das der Ausschuss zu beraten hat, ist der Bundesrat. Im
Ausschuss besteht Einvernehmen darüber, dass gerade in dieser Hinsicht ein
besonderer verfassungsrechtlicher Reformbedarf besteht. Und zwar deshalb, weil
der Ausschuss der Meinung ist, dass der Bundesrat seine primäre Aufgabe,
nämlich die Interessen der Länder in der Bundesgesetzgebung zu wahren, derzeit
nicht effektiv wahrnehmen kann, was freilich, das ist an dieser Stelle
anzumerken, nicht allein an den bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen liegt.
Konsens
besteht in diesem Zusammenhang im Ausschuss auch dahingehend, dass es zur
Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung im Wege des Bundesrates keine
zweckmäßige Alternative gibt und dass insbesondere auch die unmittelbare Mitwirkung
der Länder an der Bundesgesetzgebung keine solche Alternative darstellt. Im
Übrigen ist der Ausschuss der Meinung, dass die Frage der zweckmäßigen
Regelungen über die Bestellung und Zusammensetzung des Bundesrates und seine
Aufgaben sinnvoll erst dann beraten werden kann, wenn das Ergebnis der
Vorberatungen insbesondere des Ausschusses 5, der sich mit der
Kompetenzverteilung auf dem Gebiet der Gesetzgebung beschäftigt, vorliegt. Der
Ausschuss 3 hat daher in Aussicht genommen, nach dem Vorliegen dieses Berichtes
sich erneut mit der Frage des Bundesrates zu beschäftigen und dazu einen
Vorschlag zu erstatten.
Ein
weiteres Thema, das ich kurz ansprechen möchte, sind die verfassungsrechtlichen
Regelungen betreffend die Aufgaben des Bundespräsidenten. In dieser Hinsicht
wurden im Ausschuss die folgenden beiden Positionen vertreten: Eine Reihe von
Mitgliedern des Ausschusses meint, dass dem Bundespräsidenten als einem
monokratischen Organ keine Aufgaben zukommen sollten, die ihm einen
dominierenden Einfluss gegenüber kollegialen Staatsorganen einräumen, die
direkt oder indirekt demokratisch legitimiert sind. Demgemäß sollten die
Befugnisse des Bundespräsidenten zur Auflösung des Nationalrates
beziehungsweise eines Landtages und zur Ernennung und Entlassung der Mitglieder
der Bundesregierung entfallen - mit der Konsequenz, dass die Bestellung der
Mitglieder der Bundesregierung dann durch Wahl seitens des Nationalrates zu
erfolgen hätte.
Andere
Mitglieder des Ausschusses treten dem gegenüber dafür ein, die genannten
Befugnisse des Bundespräsidenten beizubehalten und meinen, dass diese
Befugnisse ein wichtiges Element der Gewaltenteilung bilden, die den
Bundespräsidenten befähigen, gegenüber den genannten Organen - Nationalrat und
Bundesregierung -eine kontrollierende Funktion auszuüben.
Zu den
bundesverfassungsrechtlichen Regelungen betreffend die Gemeinden bestehen im
Ausschuss unterschiedliche Positionen dahingehend, ob es im Verhältnis zwischen
der Gemeindeebene und der Bezirksebene zu Änderungen kommen soll oder ob die
derzeitige Struktur beibehalten werden soll.
Diejenigen,
die für eine Änderung des Verhältnisses zwischen Bezirksebene und Gemeindeebene
eintreten, schlagen im Besonderen eine Aufgabenverlagerung von den
Bezirkshauptmannschaften auf die kommunale beziehungsweise (inter)kommunale
Ebene vor - und zwar dadurch, dass das Institut der Stadt mit eigenem Statut
gegenüber der derzeitigen Regelung ausgebaut wird, so zwar, dass die Verleihung
eines eigenen Statuts schon für Gemeinden in Betracht kommt, die mindestens
10.000 Einwohner haben, und für Gemeinden über 20.000 Einwohnern ein
diesbezüglicher Anspruch geschaffen werden soll. Darüber hinaus wird von dieser
Seite auch das Modell einer Region oder eines Gemeindeverbandes mit eigenem
Statut ventiliert.
Demgegenüber
sprechen sich andere Mitglieder dafür aus, die bestehende Behördenstruktur, im
Besonderen der Bezirkshauptmannschaften, beizubehalten und meinen, dass schon
der Ausbau der Stadt mit eigenem Statut, noch mehr aber die Schaffung einer
Region oder eines Gemeindeverbandes mit eigenem Statut zu einer komplizierten
und für die Bevölkerung schwer durchschaubaren Behördenstruktur führen würde.
Ein
letzter Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist eine allfällige Reform des
Legalitätsprinzips. Dazu besteht seitens der Mitglieder des Ausschusses
Einvernehmen darüber, dass in Österreich, verglichen mit anderen Staaten, die
Gesetze tendenziell zu kasuistisch formuliert sind, dass sie viele
Detailregelungen enthalten, die eigentlich nicht in Gesetzen normiert sein
müssten, und dass insgesamt die Gesetze zu umfangreich sind.
Kontroversiell
wird jedoch die Frage beurteilt, was die Ursachen dafür sind. Sind das allein
Gründe, die in rechtssetzungstechnischer Natur liegen - denen daher nur
begegnet werden könnte, wenn man die Gesetzgebungspraxis ändert - oder liegen
die Ursachen für das genannte Phänomen auch in der Formulierung des Artikel 18
B-VG betreffend das Legalitätsprinzip?
Eine
Reihe von Mitgliedern des Ausschusses vertritt dazu die Ansicht, dass eine Neuformulierung
des Artikel 18 B-VG im Sinne einer Lockerung des Legalitätsprinzips zur Lösung
dieses Problems beitragen könnte. Darüber hinaus sollte der Handlingsspielraum
der Verwaltung auch deshalb erweitert werden, um die Effizienz des
Verwaltungshandelns zu erhöhen.
Textvorschläge
zu einer derartigen Neugestaltung des Artikel 18, die Teil des
Ausschussberichtes sind, gehen vor allem in die Richtung, den Gesetzgeber zu
ermächtigen, sich auf die Vorgabe von Zielen zu beschränken, beziehungsweise
den Determinierungsgrad einer gesetzlichen Regelung nach der Eingriffsnähe des
Gesetzes zu bestimmen. Demgegenüber spricht sich eine Reihe von
Ausschussmitgliedern gegen eine Änderung des Artikel 18 aus. Von dieser Seite
wird vor allem ins Treffen geführt, dass schon die geltende Regelung des
Artikel 18 B-VG dem Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, sich auf das zu
beschränken, was rechtspolitisch als wesentlich erachtet wird und außerdem wird
zu bedenken gegeben, dass eine Lockerung der Gesetzesbindung das Problem der
Normenflut lediglich von der Ebene des Gesetzes auf die der Verordnung
verlagern würde.
So
weit, meine Damen und Herren, einige Hinweise auf wichtige Punkte, die im
Ausschussbericht behandelt worden sind. Ich möchte abschließend die Gelegenheit
nutzen, um den Mitgliedern des Ausschusses für die sehr konstruktive und vor
allem engagierte Mitarbeit zu danken, ohne die es nicht möglich gewesen wäre,
die gestellte Aufgabe in der vorgesehenen Zeit zu bewältigen. Last but not
least möchte ich mich auch noch beim Büro des Konvents, und im Besonderen beim
Ausschussbetreuer Herrn Dr. Mayr für seine Mithilfe bedanken. Ich danke Ihnen
für Ihre Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Herr Professor! Ich danke auch für Ihre Ausführungen, die sehr
fundiert waren und uns die Arbeit des Ausschusses 3, die im Bericht ihren
Niederschlag gefunden hat, näher gebracht haben. Ich danke darüber hinaus auch
ebenso, wie Sie es bereits getan haben, den Mitgliedern dieses Ausschusses, die
meiner Ansicht nach sehr gute Arbeit geleistet haben, und ich danke auch dem
Mitarbeiter des Büros des Konvents, der den Ausschuss während dieser
vergangenen vier Monate betreut hat.
Wir
gelangen nunmehr zur Diskussion über den Bericht des Ausschusses 3 und als
Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herwig Hösele. - Bitte sehr.
Herwig Hösele: Herr
Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich
darf mich auch als Mitglied des Ausschusses 3 als allererstes mit einem
Dank an unseren Vorsitzenden Professor Holzinger für seine große Sachkunde und
seine Geduld wenden. Es ist ja logisch, dass in einer solchen Phase der
Konventsberatungen und des Konventsprozesses, wo man weiß, dass ohnehin erst in
der zweiten Jahreshälfte die breiten Konsense, wenn man ein Ergebnis erzielen
will, erzielbar sein werden, in der ersten Phase des Konvents eine Auflistung
von vielen Positionen, die es gibt, und die auch einen weiterführenden Prozess
einleiten sollen und können, nicht sehr viel großen Konsens geben kann. Und in
diesem Zusammenhang bin ich ihm sehr dankbar, dass hier eine sehr ausgewogene
Darstellung der verschiedensten Positionen und gleichzeitig auch eine
Darstellung dessen, wo man weiterarbeiten kann, gegeben wurde.
Zweitens
darf ich sagen, das wird Sie nicht verwundern, der Konvent tagt hier im
Bundesratssitzungssaal, wir haben hier einen der Hauptanstöße für diesen
Konvent - auch die ungenügende Positionierung zwischen Bund und Ländern -
sowohl in der Ländermitwirkung an der Bundesgesetzgebung als auch in der Frage
der Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Es handelt sich ja
hier um ein Thema, das uns seit Beginn der österreichischen Bundesverfassung
beschäftigt. Und es ist ja in dem Bericht eindeutig festgehalten worden, dass
hier ein großer Veränderungsbedarf besteht. Ich habe gerade dieser Tage noch
einmal das stenographische
Protokoll der 100. Sitzung der konstitutionierenden Nationalversammlung
der Republik Österreich, 20. September 1920, nachgelesen. Dr. Robert
Danneberg, der sozialdemokratische Hauptsprecher und Verfassungsexperte, hat
dort gesagt zum Bundesrat:
„Und
wenn wir auch den Bundesrat überhaupt für eine überflüssige Einrichtung halten,
da er nicht zu vermeiden war, ist er hier in seiner Kompetenz doch auf ein
Minimum beschränkt und wird die Gesetzgebung nicht zu verhindern vermögen.“
Wenn
wir heute in einem modernen Verständnis eines Bundesstaates, eines kooperativen
Bundesstaates sind, geht es ja nicht darum, Gesetzgebungen zu verhindern,
sondern geht es darum, ein Optimum der Mitwirkung der Länder und auch
möglicherweise in einem anderen oder im selben Prozess der Gemeinden an der
Gestaltung eines modernen Staatswesens mitzuwirken. Und deswegen wird hier im
Bundesrat ein großer Veränderungsbedarf gesehen, eines der Hauptprobleme. Das
haben wir im Ausschuss sogar übereinstimmend auch feststellen können, dass der
Bundesrat mit einem so genannten Einspruchsrecht, also einem suspensiven Veto,
ganz am Schluss des Gesetzwerdungsverfahrens, ausgestattet ist und nur mehr Ja
oder Nein sagen kann und nicht eingebunden ist in einem Vorverfahren, sozusagen
im gesamten Gesetzwerdungs- und Gesetzgebungsverfahren, möglicherweise durch
ein Stellungsnahmerecht, durch ein Begutachtungsrecht.
Zweiter
Fall, auch das ist eine wichtige Frage, und sie wird sich ja dadurch besonders
aktualisieren, wenn wir die Ergebnisse des Ausschusses 5 und der wichtigen
Abgrenzung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern und Gemeinden sehen werden:
Wie soll dort von wem mitgewirkt werden? Also auch die Zusammensetzungsfrage
des Bundesrates ist offen. Und ich darf hier ganz offen auch eine persönliche
Präferenz zum Ausdruck bringen. Ich glaube, dass ein Dualismus zwischen der
Landeshauptleutekonferenz und dem Bundesrat so, wie es jetzt ohne Verschränkung
ist, nicht ganz sinnvoll ist, sondern ich persönlich würde sehr dafür eintreten
- wenn das eine echte Ländermitwirkung sein soll -, dass eine wesentlich
stärkere Rückkopplung zu den wirklichen Verantwortungsträgern in den Ländern
erfolgen sollte, durchaus mit der vollen Einbindung aller Landeshauptleute in
den Bundesrat.
Zweiter
Punkt, wenn ich das nur ganz kurz ansprechen möchte, Verfassungsautonomie der
Länder. Ich bin der Meinung, dass hier eine wesentlich größere
Verfassungsautonomie möglich sein sollte. Bis hin zu Möglichkeiten auch eines
mehrheitsbildenden Wahlrechtes, die möglich sein sollten, wobei ich hier
durchaus für eine minderheitenfreundliche Variante, wie sie auch unter dem
steirischen Politologen und Konventsmitglied Poier eingebracht wurde, votieren
würde, weil mir die Vielfalt vor allem der in den letzten zwei Jahrzehnten
aufgetretenen Bewegungen in der österreichischen politischen Kultur als sehr
wichtig erscheint. Jetzt sind die fünf Minuten um, wenn ich das richtig sehe.
Damit plädiere ich am Schluss für eine fünfjährige Gesetzgebungsperiode im
Nationalrat. Wir wissen jetzt aus der bisherigen Statistik, dass ziemlich zwei
Drittel der Legislaturperioden von der jetzigen vierjährigen verkürzt worden
sind, und im Sinne einer längeren Arbeitsperiode wäre es sinnvoll - wenn es
schon Verkürzungen gibt -, dass wir insgesamt von einem längeren Zeitraum
ausgehen, weil das im Sinne der Arbeitsperioden sinnvoll wäre.
Ich
möchte mich noch einmal beim Vorsitzenden bedanken und danke für die Geduld des
Präsidenten.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke, Herr Bundesrat, für die Ausführungen und darf als
Nächsten Herrn Präsident Dr. Heinz Fischer zu Wort bitten.
Dr. Heinz Fischer: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen
und Herren!
Ich habe
mir den Bericht sehr genau durchgelesen und ich schließe mich den Worten der
Anerkennung, die für diese gründliche und gewissenhafte und umfassende Arbeit
geleistet wurden, an. Diese Arbeit ist umso mehr zu würdigen, als das Terrain
alles andere als leicht ist.
Ich
habe mir die Zusammenfassung der Ergebnisse der Vorberatungen angesehen. Die
sind in 73 Einzelthemen oder Einzelergebnisse gegliedert und von denen ist bei
40 angemerkt „ohne Konsens“, bei 24 „mit Konsens“ und bei neun Themen mit
„überwiegend vertretenen Positionen“, also wo nicht ein Konsens erzielt wurde,
wo aber sich eine Art vorherrschende, wenn auch nicht unbestrittene Meinung
herausgebildet hat.
Das
sind die nackten Zahlen. Wenn es nun so wäre, dass bei den 24 Konsensthemen
alle wichtigen Punkte dabei wären, dann würden mich die 40 Nicht-Konsens Themen
nicht stören. Aber so schaut die Sache nicht aus. Wir müssen davon ausgehen,
dass trotz der Gründlichkeit der Arbeit viele wichtige Probleme im jetzigen
Stadium der Beratungen noch ungelöst sind. Das ist nicht jetzt resignativ
formuliert, sondern das muss eben ein Ansporn sein, sich noch um Konsens zu
bemühen und manche Bereiche, wo derzeit noch steht „kein Konsens“, halte ich ja
für konsensfähig.
Also
wenn ich im Sinne des Berichtes mir die Ergebnisse anschaue. Bundespräsident:
steht kein Konsens, aber wir wissen am Schluss wird voraussichtlich das
Ergebnis sein, dass es im Wesentlichen bei der heutigen verfassungsrechtlichen
Struktur einschließlich Volkswahl bleiben wird und dass dort, wo es sinnvoll
erscheint, kleine Adaptierungen - ich denke an die Einberufung der Sessionen
des Nationalrates, etc. - möglich sind.
Was
die Bundesregierung betrifft, haben wir nicht sehr viel Beratungsbedarf gehabt.
Der Gedanke einer Geschäftsordnung für die Bundesregierung ist nützlich. Am
Bestellungsmodus wird sich voraussichtlich nichts ändern.
Was
das Nationalratswahlrecht betrifft, ist es eine sehr schwierige Materie. Ich
bekenne mich zum Grundsatz der Verhältniswahl. Ich würde das auch in der
Bundesverfassung verankern, weil das eine wichtige Sache ist. Ich glaube, dass
die Klausel eines Mindestprozentsatzes nicht höher als 4 % sein sollte. Wir
haben das vor ein paar Jahren sehr sorgfältig überlegt - zwischen 3 %, 4 %, 5 %
-, haben die 3 %-Variante ausgeschlossen, die 5 %-Variante ausgeschlossen. Ich
glaube, die besten Argumente gibt es für die 4 %-Variante, das sollten wir
machen.
Ich
trete auch, wenn wir hier kühne Sachen in Angriff nehmen wollen, für eine
Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre ein. Ich glaube, dass man Menschen zwischen
16 und 18 in den politischen Prozess einbinden soll. Ich gebe zu, es gibt viele
Staaten in Europa, wo das so nicht geregelt ist, aber wir können ja
Pionierarbeit leisten und ich glaube, es ist ein Ansporn für junge Menschen,
sich mit politischen Fragen verstärkt zu beschäftigen.
Der
Bundesrat, da fällt mir immer der Essay von Leszek Kolakowski ein: „Der Mensch
ohne Alternative“. Ein sehr kluger Essay und er schließt mit den Worten: „Das
Problem ist nicht nur ungelöst, sondern unlösbar“. Also manchmal habe ich das
Gefühl, Probleme des Bundesrates sind in dieser ganzen Kontroversität sehr,
sehr schwierig. Ich sehe noch kein grünes Licht.
Volksbegehren:
Ich plädiere entschieden für den Gedanken, dass ein Volksbegehren am Ende einer
Legislaturperiode nicht verfallen soll. Das sind wir den Bürgern schuldig. Es
gibt einen Unterschied zwischen Initiativantrag, Regierungsvorlagen einerseits,
Volksbegehren andererseits.
Ich
möchte auch noch sagen, dass das Begutachtungsverfahren etwas ist, was im Zuge
der Gesetzgebung immer mehr Bedeutung erlangen wird und wo die technischen
Möglichkeiten, Bürger/Innen wirklich in das Begutachtungsverfahren
einzubeziehen, sich als immer praktikabler erweisen und ich würde wirklich
dafür plädieren, das Begutachtungsverfahren verstärkt und umfassender und
gesicherter in unsere Rechts- und Verfassungsordnung aufzunehmen. Vor 20, 30
Jahren war das einfach eine freiwillige Übung. Manchmal ist es gemacht worden,
manchmal ist es nicht gemacht worden. Wir sollten hier stärkere Regelungen
schaffen.
Mein
Diskussionsbeitrag zum Artikel 18 Legalitätsprinzip fällt der 5-Minutengrenze
zum Opfer. Danke vielmals.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Herr Präsident, aber ich bin überzeugt davon, Sie werden uns
auch noch Ihre Gedanken zum Artikel 18 einmal nachtragen.
Die
nächste Wortmeldung steht bei Herrn Prof. Dr. Rack. - Bitte sehr, Herr
Professor.
Dr. Reinhard Rack‡: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Ich möchte die Liste, die Präsident Fischer angesprochen hat im
Hinblick auf Dissenspunkte, um zwei weitere ergänzen und mich zu zwei Themen
äußern, die im Bericht des Ausschusses zum Teil angesprochen werden, zum Teil
dort nicht enthalten sind.
Ich möchte mit dem zweiten Thema beginnen. Weder
in der Übersicht der Fragen noch im Text wird angesprochen ein Thema, das
derzeit in der Bundesverfassung geregelt ist und das meines Erachtens auch zum
Dissens Anlass geben könnte, nämlich die Frage des Sitzes der obersten Organe.
Meine Frage geht in die Richtung, warum wird diese
Frage im Ausschuss nicht diskutiert? Gibt es hier keinen Änderungsbedarf? Gibt
es hier keine anderen Vorstellungen?
Ich meine, es gibt hier sehr wohl einen Reformbedarf und man sollte ihn
ansprechen.
Wir
sind es gewohnt, dass seit vielen Jahrzehnten, um nicht zu sagen
Jahrhunderten, Wien der Sitz der obersten Organe ist, der Republik oder
jedenfalls des Bundes. Wir sind mit dieser Situation nicht schlecht gefahren,
aber wir sollten sie angesichts einer Entwicklung in Frage stellen, die
durchaus Anlass zu Bedenken gibt.
Wir haben in einer Reihe von anderen
Arbeitsausschüssen diskutiert, im Sinne einer Rationalisierung bestimmte
Einheiten auf den unteren Organisationsstufen zu vergrößern, hier für mehr
Geschwindigkeit, für mehr Effizienz zu sorgen. Das ist ein vernünftiger
Denkansatz, und wir werden hier auch zu vernünftigen Ergebnissen kommen - hoffe
ich.
Das führt allerdings dazu, dass überall dort, wo
wir auf der Ebene von Bezirken, Bezirksgerichten und ähnlichen Einheiten
rationalisieren, wir Arbeitsplätze aus den Regionen abziehen, und zwar höchst
qualifizierte Arbeitsplätze, und in weiterer Folge führt das dazu, dass nicht
nur der Richter oder sonst qualifizierte Beamte diesen Raum verlassen, sondern
das geht weiter über die Anwälte, die Notare, die dort angesiedelt sind, und,
und, und. Und dann kommt es zu einer Situation, wie hier und heute zunehmend,
dass wir an der Universität - ich lehre die Fächer Verfassungsrecht und
Europarecht - unseren jungen, guten Absolventen sagen müssen: Freunde,
verabschiedet euch von der Alma
Mater und geht nach Wien. Nur dort gibt es noch Möglichkeiten für junge
hungrige Leute, Karriere zu machen.
Parallel zu dem, was wir hier für die Frage der
Staatsorganisation diskutieren, findet genau dieselbe Entwicklung im Bereich
der Wirtschaft statt. Das führt zu einem Brain Drain im wahrsten Sinne des
Wortes und dem sollten wir hier gegensteuern. Ich würde mir durchaus vorstellen
können, dass beispielsweise das deutsche Modell jedenfalls überlegenswert sein
sollte, einige oberste Organe, im Besonderen jene, die der Kontrolle gewidmet
sind, aus dem unmittelbaren Umfeld der Bundeshauptstadt Wien zu lösen.
Ein zweites Thema, das ich ganz kurz ansprechen
möchte - ich habe es schon einmal angesprochen in meiner ersten Wortmeldung -,
ist im Bericht erwähnt, allerdings mit dem Hinweis: Es kann alles so bleiben
wie es ist, nämlich die Frage der Zahl der Mitglieder des österreichischen
Nationalrates. Hier gehe ich davon aus, dass es zwar durchaus hinreichend
Funktion und Arbeit für die 183 Mitglieder des Hauses gibt, die wir derzeit
haben, ich glaube aber, wir sollten die Symbolik unseres Reformprozesses nicht
außer Acht lassen und ich hätte daher einen Vorschlag zu wiederholen, den ich
bereits einmal erwähnt habe.
Wir haben seit der Mitgliedschaft Österreichs in
der Europäischen Union Mitglieder im Europäischen Parlament. Sie werden bei der
ins Haus stehenden Wahl zum Europäischen Parlament auf 18 reduziert und da gibt
sich nun eine sehr symbolische Mathematik. Wenn wir diese 18 Abgeordneten von
den 183 abziehen würden, dann kämen wir - welch Zufall - auf 165 Abgeordnete
des Nationalrates. Ich meine, eine solche Einsparung müsste sich machen lassen,
und wir sollten auch darüber diskutieren. Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Herr Professor. Als nächste Rednerin hat sich Frau
Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. -Bitte, Frau Abgeordnete.
MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Herr
Präsident des Konvents, sehr geehrte Damen und Herren!
Wenn
ich gleich anschließe bei meinem Vorredner: Also, im Zusammenhang mit
staatlichen Institutionen, Wahlen, fällt mir Dringlicheres ein als die Zahl der
Abgeordneten, insbesondere - ja natürlich ist alles irgendwo willkürlich, aber
ich glaube, wenn man sich das international anschaut, hat Österreich ein
Parlament, das mit sehr viel Augenmaß gewählt ist, auch, was die Zahl der
Abgeordneten betrifft. Und, die Erwartungen, auch die Interessen eines
Wahlkreises wahrzunehmen, die haben diese Zahl als einigermaßen in der Praxis
bewährt erscheinen lassen. Also hier sehen die Grünen keinen Änderungsbedarf.
Ganz
wichtig ist uns eine Verankerung der tragenden Prinzipien des Wahlrechtes in
der Bundesverfassung. Es ist derzeit so, dass einerseits die Prozenthürden
unterschiedlich sind - und da danke ich Präsident Fischer für diese
Klarstellung aus seiner Sicht, ich hoffe auch, dass das eine Position der SPÖ
insgesamt ist - ich glaube auch, dass die Prozentlatte mit 4 Prozent eine
vernünftig gewählte ist, die einerseits Zersplitterungen verhindert,
andererseits es ermöglicht, dass neue Kräfte zum Zug kommen und eine Chance
haben, sich zu bewähren. Und ich gebe zu bedenken, was die Konsequenz wäre,
wenn man es ermöglicht, dass insbesondere in den Ländern eine Art
Mehrheitswahlrecht eingeführt wird, dass dann andere legitime Interessen,
insbesondere Umweltinteressen, nur noch die Chance hätten, sich auf der Straße
kundzutun. Und ich glaube, dass das ein Zustand ist, der auch im Interesse der
Wirtschaft und im Sinne einer geordneten Verwaltung, die verschiedene Aspekte
einbeziehen kann, nicht tunlich und nicht zweckmäßig wäre. Und das Argument des
demokratischen Wettbewerbs zwischen Bundesländern, das lasse ich wirklich nicht
gelten. Ich glaube, es ist ja völlig unrealistisch und völlig absurd geradezu,
anzunehmen, dass Leute deswegen, weil irgendwo eine andere Prozenthürde wäre,
jetzt ihren Wohnsitz verlegen sollen, sagen, Super, in dem Bundesland gibt es
eine 4-Prozent-Hürde, jetzt muss ich sofort mein Haus verkaufen und meinen
Wohnsitz verlegen. Also, ich glaube, die Prinzipien des Wahlrechts und wer eine
Chance auf Vertretung in den Landesparlamenten, im Bundesparlament haben
sollte, das ist generell zu regeln und es sollte einheitlich sein.
Ein
Thema, das gerade jetzt - hier und heute - besondere Aktualität hat: Der
Bundespräsident - es ist immer eine schlechte Zeit, das zu diskutieren, weil
entweder ist es kurz nach Wahlen, dann heißt es, ja man sagt das, weil der oder
die gewonnen hat, oder es ist wieder kurz vor Wahlen; also die Grünen haben
durchaus auch diskutiert die Abschaffung dieses Amtes, plädieren heute und ohne
eigene Kandidatin/Kandidaten nicht für die Abschaffung dieses Amtes und
zwischen den beiden Modellen - so ein relativ stark ausgeprägtes
Bundespräsidenten/-präsidentinnen-Amt quasi als Fortsetzung eines monarchischen
Elementes und das andere Modell, so eine Art Position eines Volkstribuns oder
einer Volkstribunin mit der Möglichkeit, überharte Behördenentscheidungen im
Einzelfall zu korrigieren, wird es wohl irgendwo auf so ein Mittelding
herauslaufen, wobei wir der Meinung sind, man sollte mit einer Funktion keine
Rechte verknüpfen, die in der Praxis dann schwerlich durchzuführen sind. Also
dem Bundespräsidenten/der Bundespräsidentin das Pouvoir zu geben, auf die
Regierungsbildung einzuwirken, das führt dazu, dass - wenn es zum Beispiel
politische andere Auffassungen gibt - unter Umständen Schwierigkeiten
entstehen, die unserer Meinung nach absolut entbehrlich sind, wenn man eben
sagt: Es gibt Wahlen und die stärkste Fraktion soll und wird da ein vorrangiges
Recht haben, in Regierungsverhandlungen einzusteigen.
Ein
allerletztes und wirklich nur gestreift: Der Bundesrat. Also, dieses vielfache
Lamento „der Bundesrat muss aufgewertet werden“. Ja, sagen wir auch. Aber es
wird vor allem an den handelnden Personen liegen. Und es wird auch an der Rolle
der politischen Parteien liegen, ob der Bundesrat mehr oder minder so ein
nachgeschalteter Ableger des Nationalrates ist oder eine eigenständige Rolle
hat. Und da plädieren wir sehr stark dafür - also ganz krass und ganz stark
schließen wir aus ein gebundenes Mandat, das kann nicht mit einem Parlament
konform gehen. Wir plädieren dafür, Landtagsabgeordnete in diese Funktion zu
entsenden, weil die Kraft ihres Amtes stärker und vorrangig den
Landesinteressen verpflichtet sind. Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke auch, Frau Abgeordnete. Als nächster hat sich Herr
Präsident Hatzl zu Wort gemeldet. - Bitte, Herr Präsident.
Johann Hatzl: Meine Damen und Herren!
Lassen
Sie mich trotz der kurzen Zeit mit einem fremden Beispiel beginnen.
Normalerweise kaufe ich mir Gewand und Kleider, wenn etwas kaputt, zerschlissen
ist, oder wenn ich etwas ergänzen möchte. Bei der Verfassung ist es ähnlich.
Wir beraten darüber, aber wir wissen, dass die jetzige Verfassung nicht kaputt
und zerschlissen ist und daher brauchbar ist. Und es geht eher um Ergänzung,
und daher aber auch um die Vorsicht, wenn man etwas austauscht, ob das, was man
sich sucht, tatsächlich besser ist. Man wird daher erst am Ende des Konvents
natürlich darüber nachdenken und beurteilen, welchen Weg man gegangen ist, ob
der richtig war oder nicht. Für mich ist es unbestritten und eigentlich klar:
Ich neige bei einer so heiklen Materie sehr zur Vorsicht bei all dem, was man
tauschen oder verzichten möchte. Weil es zumindestens - selbst, wenn es
manchmal nicht unbestritten ist, wenigstens rechtlich ausjudiziert und klar
ist, und daher auch eine Verlässlichkeit für den Staatsbürger oder die
Staatsbürgerin, aber auch für die politischen Bewegungen und die Parteien und
die Gesellschaftsgruppierungen unseres Landes gibt. Und da bin ich bei einigen
Punkten, wo ich mich auch ganz gerne heute deklarieren möchte, die angesprochen
wurden im Bericht.
Ich
verstehe, dass man manchmal auch aus verständlichen tagespolitischen Gründen verärgert
ist über die Rechte des Bundespräsidenten. Trotzdem sehe ich keinen Anlass, sie
wesentlich zu verändern. Ich verstehe nicht, dass wir uns noch nicht in der
Anfangsphase - ich hoffe in der Fortsetzungsphase, dass es möglich ist -
entscheiden konnten, dass doch ab 16 gewählt wird. Ich habe nicht die Hoffnung
aufgegeben, dass jene, die schon sehr lange in unserem Land leben und
mitgestalten und mitwirken und Steuer zahlen, nur weil sie nicht
österreichische Staatsbürger sind, nicht wählen dürfen, trotzdem das Wahlrecht
bekommen. Und nicht nur auf „niederster“ Ebene bei Kommunalwahlen, sondern auch
auf „höchster“ Ebene.
Ich
gehe davon aus, dass wir uns entschließen könnten, die Vertretungen in den
Körperschaften tatsächlich nach der Bewohneranzahl und nicht nach der
Staatsbürgerzahl zu berechnen. Es ist hoch an der Zeit, nicht nur diesen
eingegrenzten Blickwinkel „Staatsbürgerschaft“ weiter aufrecht zu erhalten,
sondern zu beseitigen und zu verändern.
Ich
gehe davon aus, dass wir uns entschließen können, dass für Gemeinde- und
Landtagswahlen die gleichen Rechtsstrukturen der Stimmabgabe möglich sind, wie
wir sie derzeit bei Bundeswahlen haben, dass der Bürger künftig daran
teilnehmen kann, nicht nur auf Bundesebene, auch bei Landtags- oder bei
Kommunalwahlen. Wenn er sich nicht an seinem Gemeindeort befindet, besitzt er
dann diese Chance nicht.
Und
ich bin sehr dafür, dass die Bürger das Recht bekommen und wissen, dass ihre
Gesetzesinitiativen nicht beendet sind, nur weil gerade zufällig das Parlament
aufgelöst wird.
Und so
gibt es auch für mich noch eine andere Frage, die ich ganz besonders auch als
Landespolitiker sehe: Ich plädiere dafür, dass in einer Verfassung sehr klare
und ordentliche Fristen für Begutachtungsverfahren vorhanden sind, weil gerade
- gestatten Sie mir diese Bemerkung - die letzten Jahre deutlich machen, dass
man das Begutachtungsverfahren offensichtlich ad absurdum führt.
Und
ich bin der Meinung, dass es auch ein Gesetzesinitiativrecht im Parlament durch
Einbringung von zum Beispiel Gemeindebund und Städtebund geben sollte und dass
das nicht nur ausschließlich begrenzt sein soll auf die Anzahl der Abgeordneten
und ich meine, dass, auch wenn mehrere Länder einen gemeinsamen Antrag für das
Parlament haben, man auch diesen einbringen sollte und verhandeln sollte. Und
ich bin auch der Meinung, wir sollten Vorsorge treffen, dass zu dem Zeitpunkt,
wo jemand als Mitglied der Bundesregierung das Misstrauen bekommt, er nicht
weiterhin das Recht auf Fortführung der Amtsgeschäfte besitzen kann. Und ich
hoffe, und das ist schon der Abschluss, dass wir uns noch etwas mehr bewegen,
dass zum Beispiel etwas, weil es Verfassung auch für die Zukunft bedeutet,
nicht so ist, wie es momentan aussieht, dass die Positionen zum Beispiel der
Bundesjugendvertretung zum Österreich-Konvent nahezu in keiner wie immer
gearteten Art und Weise in jetzigen Berichtsvorschlägen für die Zukunft
aufscheinen; hier steckt vieles drin, dass man ver-wirklichen könnte. Wir haben
einiges zu tun, wir müssen uns nur nicht fürchten.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke, Herr Präsident. Die nächste Wortmeldung steht bei Herrn
Präsidenten Dr. Leitl. - Bitte Herr Präsident.
Dr. Christoph Leitl: Herr
Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Aus
Effizienzgründen werde ich meine Wortmeldungen zu den drei Ausschüssen
zusammenfassen in eine und darf zuerst sagen, dass die Wirtschaft die
Fünf-Jahres-Gesetzgebungsperiode unterstützt und dass der Vorschlag des
Abgeordneten Rack auf Reduzierung der Zahl der Abgeordneten zum Nationalrat auf
165 Abgeordnete durchaus eine symbolische Geste sein könnte, die überlegenswert
ist. Auch die Wirtschaftskammer hat die Anzahl der Delegierten zum
Wirtschaftsparlament reduziert.
Zu der Kritik an der zu kasuistischen,
zu detaillierten und zu umfangreichen Gesetzgebung meine ich, bietet der
Artikel 18 B-VG keinen Anlass zur Änderung, sondern der einfache Gesetzgeber
ist aufgerufen, qualitative Verbesserungen wahrzunehmen, die Folgekosten
stärker und professioneller zu beurteilen, zu analysieren, und zwar nicht nur
die Folgekosten im staatlichen, sondern auch im Folgenbereich für die
Normpartner, die Verständlichkeit zu verbessern und vor allem die
Vollziehbarkeit immer im Auge zu behalten.
Meine
Damen und Herren! Bezüglich der nicht territorialen Selbstverwaltung meine ich,
dass die Selbstverwaltung eine wichtige Form der Selbstorganisation gesellschaftlicher
Gruppen ist, die das Zusammenwirken bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, das
Ermöglichen des Erreichens gemeinsamer Ziele zum Inhalt hat. Es ist eine Form
der Zivilgesellschaft, die für das 21. Jahrhundert durchaus angepasst ist und
sie sollte daher verfassungsrechtlich abgesichert werden. Ich empfehle daher,
den diesbezüglichen Vorschlag des Ausschusses 7 anzunehmen. Ich würde aber
weitergehen und auch die soziale Selbstverwaltung, gerade angesichts der
Diskussion um die Entwicklung des Gesundheits- und Altersvorsorgesystems, hier
integrieren. Eigenverantwortung und Solidarität sollten im Rahmen der
Selbstverwaltung institutionell verankert werden.
Was
die Staatszielbestimmungen betrifft, danke ich Präsident Korinek, der gesagt
hat, klare Spielregeln für die Verfassung, Grundrechtskatalog und
Gewährleistungsverantwortung des Staates zu verankern. Das können wir von
Seiten der Wirtschaft nur unterstützen, eine nach Spielregeln geordnete
Verfassung soll den politischen
Prozess ermöglichen und nicht vorgeben. Die Sicherung gewisser Grundbedürfnisse
trifft auf das Verständnis seitens der Wirtschaft. Ich ersuche allerdings, hier
auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Landes als Grundlage vieler
sozialer, ökologischer und sonstiger Wünsche miteinzubeziehen.
Schließlich
möchte ich auf die Sozialpartnerschaft hinweisen. Die Tätigkeit der
Sozialpartnerschaft ist im Europäischen Verfassungsentwurf verankert, sie
sollte auch in einer österreichischen Verfassung verankert sein. Der Ausschuss
7 hat dazu einen konsensualen Vorschlag erstellt und ich trete dafür ein, dass
dieser Vorschlag von Seiten des Konvents angenommen wird. Ich möchte damit
erreichen, dass mit Sozialpartnerschaft und Selbstverwaltung, die
österreichische Realverfassung tatsächlich auch in der Verfassung ihre Deckung
findet und dass damit eine klare Einordnung von sozialpartnerschaftlichen und
Sozialversicherungsinstitutionen in die demokratischen Spielregeln erfolgt. Das
wird immer wieder gefordert, dazu bekenne ich mich und ich glaube, dazu sind
wir bereit.
Schließlich
meine ich, dass wir einen EU-Verfassungsentwurf vorliegen haben und wir sollten
auf die Kompatibilität der österreichischen Vorstellungen mit den europäischen
Vorstellungen achten. Die österreichischen Vertreter haben dem
Verfassungsentwurf auf europäischer Ebene ihre Zustimmung gegeben, sie haben
damit Leitlinien definiert, die für uns nicht nur interessant, nicht eine
unverbindliche Richtlinie sind, sondern die Leitschnur auch für unseren
Verfassungskonvent sein sollten. Besten Dank.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Dankeschön, Herr Präsident. Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr
Dr. Schnizer. - Bitte sehr.
Dr. Johannes Schnizer: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren!
Im Ausschuss 3 wurden auch Fragen des Wahlrechts
diskutiert und dabei ist auch ein Vorschlag sehr intensiv beraten worden, der
allen Konventsmitgliedern zugegangen ist und der auch in der Öffentlichkeit
bereits viel Beachtung gefunden hat, nämlich die Forderung nach einem
Kinderwahlrecht. Ich finde das Kinderwahlrecht als Vorschlag sehr sympathisch,
es geht offenbar darum, dass man Interessen von Kindern wahrt, und ich möchte
mich deswegen nur auf dieses Thema beschränken. Insbesondere auch deswegen,
weil gleichzeitig die Bundesjugendvertretung für die Senkung des Wahlalters auf
16 Jahre eintritt und weil man beim Durchdenken des Prinzips des
Kinderwahlrechtes auf ganz elementare Fragen der Demokratie und des
repräsentativen Systems eingehen kann.
Der Vorschlag für ein Kinderwahlrecht besagt, dass das
allgemeine Wahlrecht nicht völlig verwirklicht ist, es haben im Wesentlichen
nämlich nur Personen über 18 Jahren das Wahlrecht, eine gesamte, sehr große und
wichtige Personengruppe ist ausgeschlossen, nämlich die Kinder. Deswegen
fordert man, dass auch Kinder ein Wahlrecht haben sollten; doch betrachtet man
den Vorschlag genau, geht’s nicht darum, dass die Kinder ein Wahlrecht haben
sollen, sondern dass Eltern eine Stimme für ihre Kinder abgeben können.
Insofern ist der Begriff täuschend, es geht um ein Elternwahlrecht, und
offenkundig geht man davon aus, dass Eltern von sich aus dafür eintreten, dass
die Gesellschaft besser wird im Interesse ihrer Kinder.
Insofern konsequenterweise schlägt dieser Vorschlag
vor, dass deswegen Eltern eine weitere Stimme haben, die sie für ihre Kinder
abgeben, sie haben nicht einfach um 50% oder 100% mehr Gewicht in ihrer Stimme,
sie haben eine weitere Stimme, die sie für ihre Kinder abgeben. Damit stellt
sich die Frage, wie sie dieses Stimmrecht wohl ausüben. Zunächst einmal die
eigene Stimme für die eigenen Interessen, die geben sie ab, damit jene Partei
gewählt wird, die ihre Interessen maximal nützt. Dann die zweite Stimme, bei
der müssen sie sich die Frage stellen, ja welche Partei, welche von den
antretenden Wählergruppierungen vertritt denn die Interessen ihrer Kinder am
besten. Gehen wir einmal davon aus, es ist eine andere Partei, als diejenige,
die sie für die eigenen Interessen gewählt haben. Dann haben wir ein
gespaltenes Wahlverhalten, wobei ich mir die Frage stelle, ob das wirklich
verantwortungsbewusst ist von Eltern, eine Partei selbst zu wählen, die nicht
die Interessen ihrer Kinder vertritt. Gehen wir deswegen davon aus, dass ein
Elternteil die zwei Stimmen der gleichen Partei gibt, dann wird aber evident,
dass ein solches Wahlrecht mit dem gleichen Wahlrecht - jede Stimme, jede
Person hat ein gleiches Stimmengewicht - in diametralem Widerspruch steht.
Aber gleichzeitig müssen wir zugestehen, dass dieser
Vorschlag davon ausgeht, dass offenkundig Eltern eine besondere Sachkunde
haben, was für ihre Kinder gut ist, wie eine Gesellschaft aussieht, die ihren
Kindern bestmöglich nützt. Wie diese Gesellschaft hinsichtlich des
Steuersystems gestaltet sein soll, ob diese Gesellschaft Abfangjäger braucht
oder nicht, wie stark das System der sozialen Sicherheit ausgestaltet sein
soll, wie viel Pensionen die Eltern einmal von ihren Kindern erhalten sollen
usw.
Gehen wir von dieser allgemeinen Sachkunde von Eltern
aus, dann stellt sich aber die Frage, warum diese Sachkunde ausgerechnet dann
endet, wenn das Kind volljährig wird. Dann kann das Kind diese Sachkunde noch
nicht haben, schließlich hat es im Normalfall selbst noch keine Kinder. Auch
danach wissen Eltern aber vermutlich, was Kindern nützt und wissen, wie in
einer Gesellschaft, die aus mehreren Generationen aussieht, der
Generationenvertrag am besten eingelöst wird. Dies folgt konsequent dazu, dass
man allen Personen, die Kinder in die Welt gesetzt haben, bis zu ihrem
Lebensende auch das Wahlrecht mit einem höheren Stimmgewicht geben sollte, denn
sie wissen aufgrund ihrer familiären Erfahrung, wie eine Gesellschaft aussehen
soll, die einer solchen Mehrgenerationengesellschaft bestmöglich entspricht.
Es bleibt dann nur eine Gruppe übrig, die kein
Wahlrecht hat, nämlich jene, die keine Kinder bekommen haben oder bekommen
haben können. Dann stellt sich aber die Frage: Warum gerade diese? Vielleicht
haben sie deshalb keine Kinder bekommen, weil die Gesellschaft nicht
entsprechend kindergerecht ist? Man müsste dann denen ein zusätzliches
Stimmgewicht verleihen, damit die Gesellschaft so verändert wird, dass ihnen
ermöglicht wird, Kinder in diese Welt zu setzen.
Wir sehen, wir kommen mit einigen grundsätzlichen
Problemen, die hinter dem allgemeinen Wahlrecht stehen, in Konflikt. Dem
allgemeinen Wahlrecht steht nämlich gegenüber, dass ein allgemeiner
Vertretungskörper gewählt wird, der insgesamt die Interessen in einer
Gesellschaft zu beurteilen hat und zum Ausgleich bringen soll. Dafür glaube
ich, ist es am besten, wenn jeder ein gleiches Wahlrecht hat, und damit auch
für Kinder und Jugendliche jede Stimme gleich viel zählt wie jede andere. Die
Gesellschaft insgesamt ist damit auch nicht aus der Verantwortung zu entlassen,
für eine kindergerechte Welt zu sorgen und deshalb sollten wir das allgemeine
Wahlrecht ernst nehmen und sagen: ja, wenn wir ein verbessertes allgemeines
Wahlrecht haben wollen, dann sollen wir, so wie im 19. Jahrhundert, weitere
Personengruppen in das Wahlrecht einbeziehen, und deswegen sollte man
16-Jährigen bereits das Wahlrecht geben, damit sie ihre Interessen selbst
vertreten können und das nicht anderen Personen übertragen müssen. Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Herr Kollege Schnitzer. Als nächster zu Wort hat sich
Herr Präsident Jabloner gemeldet. -Bitte sehr.
Dr. Clemens Jabloner: Herr
Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Ich
möchte mich ganz kurz zum Legalitätsprinzip äußern, und man soll mich im Kreise
jener wissen, die gegen eine Lockerung des Legalitätsprinzips sind, oder
genauer gesagt, gegen eine Änderung des Textes, Artikel 18, Abs. 1 und 2. ich
bin sehr froh darüber, dass der Herr Präsident der Bundeswirtschaftskammer
ebenfalls gegen eine Änderung des Textes ist. Darin kommt zum Ausdruck, dass
die Gesetzesbindung der Verwaltung für viele kleine Gewerbetreibende von großer
Bedeutung ist, man darf eben die Sache nicht nur immer aus der Perspektive der
großen Akteure auf dem wirtschaftlichen Parkett sehen. Das Legalitätsprinzip
steht an einer entscheidenden Schnittstelle zwischen demokratischen und
rechtsstaatlichen Strukturen, und die Argumente, die für die Abschaffung
vorgebracht werden, vermögen alle nicht zu überzeugen. Zunächst einmal bekämpft
man etwas, was es so gar nicht gibt, ein kulthaft überhobenes
Legalitätsprinzip. Der Verfassungsgerichtshof legt in etwa das Muster eines
differenzierten Legalitätsprinzips zu Grunde. Geht man davon aus, ist ein ganz
großer Problembereich bereits beseitigt. Zweitens darf man sich nicht der
Illusion hingeben, dass man bei einer Lockerung große Ermessensräume der
Verwaltung eröffnet. Wenn man den rechtssoziologischen Trend richtig versteht,
so erhöht man damit nur letztlich die gerichtliche Kontrolldichte, wie das auch
in anderen Staaten deutlich wird.
Das
oft vorgebrachte Argument, das Legalitätsprinzip habe etwas zu tun mit
Überregulierung und Normenflut, ist nicht mehr als ein Gerücht; oft gesagt,
aber grundfalsch. Das Legalitätsprinzip regelt nur die Verteilung der
Normenmenge. Wenn man sich einmal entschlossen hat, etwas zu regeln, und das
ist die entscheidende Frage, und verzichtet man auf die Ebene des Gesetzes,
dann hat man es mit internen Weisungen und Judikaturketten zu tun, in denen
sich der Einzelne dann noch viel schwerer zurechtfinden kann. Ich bin auch
nicht der Meinung, dass die Gesetzbindung über die Eingriffsintensität geregelt
werden kann. Das gilt nur für die Grundrechte. Aber ansonsten sind subjektive
Rechte die Folge einer verdichteten gesetzlichen Regelung und stehen dieser
nicht voran. Und überhaupt stehen einander der Staat und der Einzelne
gegenüber, in der Regel, und der Staat hat die öffentlichen Interessen zu
wahren und das sind die Interessen vieler anonymer Menschen daran, dass die vom
Nationalrat beschlossenen Ziele auch umgesetzt werden, und das kann nicht über
Intensitäten geregelt werden.
Auch
unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten sehe ich keinen Anlass, etwas zu
ändern. Es ist zwar richtig, dass das Gemeinschaftsrecht zu sehr komplizierten
Rechtslagen führt, es wird immer schwieriger für die Verwaltung und natürlich
auch für den Einzelnen, die maßgebliche Fallnorm überhaupt zu erkennen. Es ist
eine patchworkartige Situation. Aber in dieser Situation einen der wenigen
Regulatoren, nämlich das Legalitätsprinzip, über Bord zu werfen, hielte ich für
eine ganz falsche Reaktion. Ich habe mich auf diesen Punkt konzentriert, weil
ich auch eine gewisse Gefahr sehe. Man könnte sich im Österreich-Konvent nicht
einigen über die Kompetenzverteilung, nicht einigen über die Grundrechte und
andere zentrale Themen und dann läge die Versuchung nahe, sich am
Legalitätsprinzip zu schaffen zu machen, weil das relative einfach ist, weil
man damit einen leichten Erfolg einheimsen kann und davor möchte ich die
geschätzten Mitglieder des Konventes warnen! Ich danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke ihnen, Herr Präsident, für die sehr konturierten
Ausführungen zum Legalitätsprinzip, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen
übrig haben lassen. Die nächste Wortmeldung steht bei Herrn Landeshauptmann Dr.
Pühringer. - Bitte, Herr Landeshauptmann!
Dr. Josef Pühringer: Sehr geehrter
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Als
Landeshauptmann melde ich mich natürlich zum Arbeitskreis 3, zum Thema
Länderkammer, Bundesrat. Länderkammer ist wahrscheinlich übertrieben, in der
derzeitigen Fassung. Ich schließe mich in wesentlichen Punkten den Aussagen des
Herr Bundesrates Hösele aus der Steiermark an. Die derzeitige Konzeption des
Bundesrates ist unbefriedigend. Auch, wenn wir im Saal des Bundesrates tagen,
wäre der Ausdruck „suboptimal“ stark untertrieben. Bis jetzt ist der Bundesrat
keine Länderkammer, er ist bestenfalls ein Anhängsel des Nationalrates.
Meine
Damen und Herren, die entscheidende Frage lautet: Was will man? Will man eine
wirksame, aber sehr vernünftig konzipierte Mitsprache und Mitwirkung der Länder
in der Bundesgesetzgebung oder will man das nicht? Ich halte es im kooperativen
Bundesstaat für notwendig und auch für höchst sinnvoll. Will man sich das
seitens des Bundes von den Ländern, will man, dass die Länder dieses Recht
haben, oder will man das nicht? Meine Damen und Herren, die derzeitige
Bundesgesetzgebung nimmt Länder und auch Gemeinden in die Pflicht, ohne, dass
sich die Betroffenen wirksam wehren können, insbesondere dort, wo es um
finanzielle Auswirkungen geht.
Ich
meine das Beispiel des Arbeitszeitgesetzes für Ärzte, ohne zu sagen, ob das
sinnvoll oder nicht sinnvoll ist. Faktisch ist nur, dass hier der Bund, der
seine Kosten bei den Spitälern gedeckelt hat und auch die Sozialversicherung
den Ländern und Gemeinden Kosten in hohem Ausmaß aufdrückt, ohne, dass die
Länder die Chance hatten, und auch die Gemeinden, sich dagegen zu wehren. Und
das finde ich nicht richtig, nicht fair. Ich erinnere auch historisch daran,
dass es die Länder waren, die zweimal die Republik gegründet haben. Heute hat
man manchmal den Eindruck, dass die Länder, die Existenz der Länder, ein
Gnadenakt des Bundes sei.
Daher
mein Vorschlag, und gleich vorweg: weder Landeshauptleute, noch die Länder
wollen Geschaftelhuber oder Wichtigtuer dieser Republik sein. Ich plädiere für
eine Konzentration der Aufgaben und der Zuständigkeiten des Bundesrates auf
jene Themen, die wirklich für Länder und Gemeinden von Bedeutung sind, die für
uns wichtig sind. Wir haben kein Interesse, dass unsere, vom Landtag
entsendeten Bundesräte irgendwelchen Kulturabkommen mit Uruguay oder sonstigen
nebensächlichen, aus unserer Sicht -
ich betone aus unserer Sicht! -
nebensächlichen Agenden die Zustimmung geben müssen, oder die Zustimmung
verweigern.
Meine
Damen und Herren, die Mitwirkung ist nur dann etwas wert, wenn sie auch etwas
bewirkt. Das heißt, es muss Folgen geben, und ich plädiere nicht direkt für das deutsche Modell, weil das
Mitwirkungsrechte in Form von Zustimmungsrechten bei 50 Prozent der Materien
vorsieht, nein, es genügen, 10, 15 Prozent der Materien, die wirklich wichtig
sind, wo der Bundesrat ein Zustimmungsrecht und nicht nur ein kleines
Verzögerungsrecht benötigt, dass dann dieses Haus wirklich den Namen
Länderkammer verdient. Zweitens: will der Bundesrat wirklich Länderkammer sein,
dann müssen auch die im Bundesrat vertreten sein, die die Länder wirklich
repräsentieren. Ich plädiere für die Integration der Landeshauptleutekonferenz,
der Landtagspräsidentenkonferenz in die Länderkammer, das kann ein Mischsystem
sein aus Abgeordneten, aus Bundesräten wie jetzt und aus den tatsächlichen
ersten Entscheidungsträgern eines Landes.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke sehr, Herr Landeshauptmann. Als nächster hat sich Herr Prof.
Öhlinger zu Wort gemeldet. - Bitte, Herr Professor.
Dr. Theodor Öhlinger: Herr
Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Ich
habe dem Ausschuss 3 nicht angehört und habe daher zwei Fragen zu dem Bericht,
zwei Fragen, die sich im Themenkreis Legalitätsprinzip und europäisches
Gemeinschaftsrecht halten.
Die
erste Frage: hier habe ich eine Aussage im Bericht vermisst, sie ist aber jetzt
von Präsident Jabloner angesprochen worden. Mir ist aufgefallen, dass der
Aspekt des Gemeinschaftsrechts in diesem Zusammenhang nicht erwähnt ist. Nun
teile ich nicht ganz die Auffassung meines Vorvorredners, dass im
Gemeinschaftsrecht die Sache ohnehin mehr oder minder identisch wie in
Österreich ist. Ich glaube, dass es auch im Gemeinschaftsrecht so etwas wie
einen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit gibt - er ist durch die Judikatur
ausgebildet worden -, dass aber dieser Grundsatz doch anders akzentuiert wird,
als es die österreichische Rechtsprechung tut. Es gibt Fälle, in denen
wahrscheinlich unter dem Gesichtspunkt des Gemeinschaftsrechts sogar eine
genauere, präzisere Regelung erforderlich wäre, als wir sie im österreichischen
Recht haben. Es gibt aber sicher mehr Fälle, in denen das Gemeinschaftsrecht
den Verwaltungsorganen, den Vollzugsorganen, einen größeren
Entscheidungsspielraum vorgibt, nur gibt das Gemeinschaftsrecht oder die
Judikatur des EuGH Regeln vor, nach denen dieses Ermessen auszuüben ist, die
man auf die Formel des Verhältnismäßigkeitsprinzips bringen kann. Mir fällt
auf, dass im Bericht dieses Spannungsverhältnis zwischen Legalitätsprinzip auf
europäischer Ebene und auf innerstaatlicher Ebene nicht angesprochen wird,
obwohl wir ja vor der Situation stehen, dass österreichische Verwaltungsorgane
sehr oft Gemeinschaftsrecht unmittelbar anzuwenden haben, aber dabei nach den
Regeln des Gemeinschaftsrechts und nicht nach denen des staatlichen Rechts
vorzugehen haben. Diese Diskrepanz verdient meines Erachtens zumindest noch
näherer Überlegung.
Und
ein zweiter Punkt: Ich finde in dem Bericht auf Seite 29 den Satz: „Der Verfassungsgerichtshof
ist nicht befugt, innerstaatliche Rechtsnormen am Maßstab des
Gemeinschaftsrechts zu prüfen“. Das ist in dieser Pauschalität nicht richtig
und kann so nicht gemeint sein, und meine Frage ist: Was ist gemeint? Es hat ja
jedes österreichische Gericht innerstaatliche Normen am Maßstab des
Gemeinschaftsrechts zu prüfen und natürlich ist der Verfassungsgerichtshof von
dieser gemeinschaftsrechtlichen Pflicht nicht ausgenommen. Er muss die
Konformität des von ihm angewendeten staatlichen Rechts mit dem
Gemeinschaftsrecht prüfen. Vielleicht ist gemeint, dass die spezielle
Verordnungsprüfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofs nach Artikel 139 B-VG
nicht am Maßstab des Gemeinschaftsrechts ausgeübt werden kann. Das heißt, es
gibt nach dem Gemeinschaftsrecht, weil jedes Gericht innerstaatliches Recht am
Maßstab des Gemeinschaftsrechts prüfen muss, kein Monopol der
Verordnungsprüfung, und eine solche Monopolisierung wäre sicher problematisch.
Was
aber der Verfassungsgerichtshof jedenfalls prüfen könnte, ist die
verfassungsrechtliche Ermächtigung, Gemeinschaftsrecht allenfalls durch
Verordnungen auszuführen, denn das ist eine verfassungsrechtliche Frage und
diesbezüglich bleibt die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofs natürlich
aufrecht. Und wenn man dies mit dem Legalitätsprinzip als Maßstab der
Möglichkeit, Gemeinschaftsrecht durch Verordnungen auszuführen, in Verbindung
bringt, dann ist klar, dass man das nicht einfach nur formal prüfen kann,
sondern dass man auch auf den Inhalt - Was steht in der Verordnung? Was steht
in der Richtlinie? und Wie passt das zusammen? - eingehen muss. Insofern kann
dieser Satz, so wie er dasteht, nicht wörtlich genommen werden. Und vor allem
nicht in dem Zusammenhang, in dem er steht, in dem es um die Frage geht: Soll Gemeinschaftsrecht
durch Verordnungen ausgeführt werden können? Wenn hier steht - nein, weil
Verordnungen nicht am Maßstab des Gemeinschaftsrechts überprüft werden können -
so kann ich dem nur entgegenhalten: auch Gesetze können nicht am Maßstab des
Gemeinschaftsrechts überprüft werden. Das kann kein Argument für die Rechtsform
Gesetz oder Verordnung sein, weil hier aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht eine
völlig idente Rechtslage gilt.
Tatsächlich
wird auch heute schon die Mehrzahl von Richtlinien durch Verordnung umgesetzt.
Die Grundlage bilden formale Delegationen im Lebensmittelgesetz und so weiter,
wo etwa steht: Wenn es zum Schutz der Verbraucher erforderlich ist, dann kann
der Bundesminister eine Verordnung erlassen. Dann findet man unter Berufung auf
einen solchen Paragraphen eine Verordnung im Bundesgesetzblatt: gemäß § 27
Lebensmittelgesetz wird das und das verordnet. Wenn Sie sich diese Verordnung
anschauen, dann wird zum Teil wörtlich Gemeinschaftsrecht bis hin zu
Beistrichfehlern - wenn es solche nach der neuen Rechtschreibung überhaupt noch
gibt, jedenfalls nach der alten Rechtschreibung - abgeschrieben. Es ist dann
unehrlich zu sagen: Das erfolgt auf Grund einer Verordnungsermächtigung im
Lebensmittelgesetz. Es erfolgt natürlich auf Grund der Richtlinie der
Gemeinschaft.
Ich
schließe damit. Ich meine nur, dass dies Themen sind, die noch einer näheren
Prüfung würdig wären. Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke schön, Herr Professor. Ich kann aber alle Mitglieder des
Konvents beruhigen, der Konvent wird sich nicht mit der neuen Rechtschreibung
und einer allfälligen Reform dieser neuen Rechtschreibung zu befassen haben.
Ich glaube, wir haben Probleme genug.
Als
nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Voith. - Bitte sehr!
Dr. Günter Voith: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren!
Ich
will nicht auf einzelne Punkte eingehen in den Berichten, die ja sehr
gewissenhaft und fachmännisch auch schon behandelt wurden. Ich will eigentlich
eingehen auf ein Thema, das sich durchziehen muss durch alle Arbeiten. Sie
werden nicht erstaunt sein, wenn ich sage, nämlich: die wirtschaftliche Frage.
Der Konvent hat bei den Vorgaben ja hier auch sehr viel schon bekommen.
Natürlich weiß ich auch, Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne eine
funktionierende Wirtschaft ist alles nichts, kann man da sagen. Da gibt es
keine Umverteilung und keine Politik. Natürlich macht es uns in der Wirtschaft
Sorgen, dass wir etwa folgende Entwicklung immer noch haben. Wir hatten im Jahr
1962 auf drei Industriebeschäftigte einen Beschäftigten im öffentlichen Dienst.
Im Jahr 85 war das Verhältnis eins zu eins. Heute muss ein - ich sage -
produktiver Industriebeschäftigter fast zwei Öffentliche erhalten.
Das
System kann nicht so weitergehen. Das ist klar, „erhalten“ ist hart. Aber,
warum - frage ich - ist es notwendig, dass zum Beispiel die Steiermark doppelt
so viel Landesbeamte hat wie Oberösterreich, bei etwa gleicher
Bevölkerungszahl? Warum hat die Stadt St. Pölten - bei halber Einwohnerzahl wie
Innsbruck - doppelt so viel Gemeindebeamte? In absoluten Ziffern: wir hatten
1970 - 426 000 öffentlich Beschäftigte, wir haben 2001 767 000 trotz
Ausgliederungen. Es kommen heute auf einen öffentlich Beschäftigten vier
Gesamtbeschäftigte oder auf 11 Personen der Gesamtbevölkerung, eins zu elf. Wir
hatten vor 100 Jahren in der Monarchie - ich weiß schon - andere Aufgaben, aber
die ach so bürokratische Monarchie, da kam ein Öffentlicher auf 90 Personen
Gesamtbevölkerung. Das sind ungern gehörte und vielfach auch nicht bekannte
Sachverhalte.
Ausschussergebnisse:
Die bisherigen Ausschussergebnisse meine ich, sind dort ohne Konsens geblieben,
wo eigentlich mit einer Fülle von Wünschen wegen parteipolitischer und
ideologischer Differenzen klar war, dass auch die Verfassungsdiskussionen keine
Übereinstimmung bringen konnten. Man hat damit nichts erreicht als
Angriffsfläche in der Öffentlichkeit, es geht nichts weiter.
Es ist
daher notwendig, dass, glaube ich, man an die Vorgaben, die wir für den
Verfassungskonvent bekommen haben, erinnert wird. Dies ist, was ich alles
durchsieben muss: Aufgaben des Konvents in den Gründungsgrundsätzen, Vorschläge
für grundlegende Staats- und Verwaltungsreform, Voraussetzungen für
effizientere Verwaltung schaffen, zukunftsorientierte, kostengünstige,
transparente, bürgernahe Erfüllung der Staatsaufgaben. Dann heißt es: Bereiche,
Struktur der staatlichen Institutionen mit effizientem Mitteleinsatz,
Bürgernähe, e-Government, Zusammenführung von Einnahmen- und
Ausgabenverantwortung - da habe ich noch nicht viel gehört -, Vorschläge für
Straffung des Verfassungstextes, der Baugesetze usw. Der Herr Präsident hat in
der Eröffnungsrede beim Konvent noch klar auf die formalen Erfordernisse
hingewiesen: Verfassung straffen, Inkorporationsgebot usw.
Dort
geschieht ja, Gott sei Dank, im Konvent auch einiges, aber ich empfehle, dass
man die total umstrittenen Themen nicht immer wiederkäut. Der Erfolg des
Konvents wird gemessen werden daran, ob diese Grundprinzipien eingehalten
werden. Und zwar wird nicht nur die Wirtschaft darauf hinweisen, ob der Konvent
ein Erfolg oder ein Misserfolg wird, sondern machen wir uns nichts vor: bei der
viel zitierten Politikverdrossenheit der Bevölkerung wird das auch daran
gemessen werden. Bei diesen - und nur bei diesen - Reformen ist der Konsens ja
leicht möglich, und auf das sollte auch in der Öffentlichkeit hingewiesen
werden. Ein bisschen muss natürlich über den Schatten gesprungen werden, und
nicht nur in politischen Machtverhältnissen gedacht werden. Aber der wohl sehr
oft behauptete Reformwille müsste ja dazu reichen. Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke für die Wortmeldung. Als nächster zu Wort gemeldet hat sich
Herr Dr. Poier. - Bitte schön.
Dr. Klaus Poier: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich auf den Bereich des
Wahlrechts konzentrieren.
Viele
Länder beschränken sich in ihrer Verfassung bei den Wahlrechtsbestimmungen auf
wenige Sätze, in Österreich hingegen ist die Wahlrechtsverfassung von einem
Detailreichtum gekennzeichnet, der international gesehen fast einzigartig ist.
Das betrifft vor allem den Artikel 26 B-VG. Insbesondere seit der
Wahlrechtsreform 1992 ist es dem einfachen Gesetzgeber fast unmöglich gemacht,
mehr als bloß marginale Wahlrechtsänderungen ohne eine Änderung der
Bundesverfassung durchzuführen. Eine Wahlrechtsreform wie etwa die von 1970
wäre heute einfachgesetzlich nicht mehr möglich.
Ich
habe mir die Mühe gemacht, den Artikel 26 von 1920 und den von heute zu
vergleichen. Der Artikel 26 von 1920 - auch nicht ganz kurz - hatte fünf
Absätze, darin sieben Sätze und 145 Wörter. Heute umfasst der Artikel 26 sieben
Absätze, darin 16 Sätze und 422 Wörter. Ich glaube - auch wenn die Länge nicht
allein entscheidend ist -, dies zeigt eindrucksvoll, dass hier Handlungsbedarf
besteht. Deswegen bin ich auch sehr froh, dass im Ausschuss Konsens herrscht,
dass man den Artikel 26 ändert.
Für
diese Aufblähung des Artikel 26 sehe ich zwei Gründe: Der eine Grund ist eine
enge Judikatur des Verfassungsgerichtshofs, viele Jahre lang, jahrzehntelang,
die dazu geführt hat, dass der Gesetzgeber Reformen kasuistisch getätigt hat
und nicht in Form einer generellen Ermächtigung für den einfachen Gesetzgeber.
Und
der zweite, wahrscheinlich wichtigere Grund ist darin zu sehen, dass das
Wahlrecht eine politisch hoch brisante, hoch sensible Angelegenheit ist und
dass deshalb insbesondere jede Großpartei darauf geschaut hat, dass das
Wahlrecht verfassungsrechtlich abgesichert ist und nicht bei geänderten
Mehrheitsverhältnissen die Bedrohung bestand, dass die jeweils andere
Großpartei hier etwas ändert.
Aus
diesem letzten Grund würde ich es auch für durchaus zweckmäßig ansehen, wenn
man das Wahlrecht generell zur Zweidrittelmaterie macht, in der Form, dass man
in der Verfassung nur die Grundsätze regelt und alles Übrige in einem
verfassungsausführenden Gesetz auf einfachgesetzlicher Ebene, zu dessen
Beschlussfassung es allerdings einer Zweidrittelmehrheit bedarf. Das würde drei
Vorteile bringen: Erstens eine schlanke Verfassung; zweitens einen breiten
politischen Konsens in dieser Spielregelmaterie - wie etwa bei der
Geschäftsordnung des Nationalrates -
und drittens würde dieses verfassungsausführende Gesetz auch der
Überprüfung des Verfassungsgerichtshofs unterliegen.
Wenn
man sich darauf nicht einigen kann, dann muss man jedenfalls akzeptieren, dass
wir im Wahlrechtsbereich keine schlanke Verfassung bekommen werden, maximal
eine halbschlanke Verfassung. Abgesehen von dieser Entschlackung des Artikel 26
spreche ich mich für eine Modernisierung des österreichischen Wahlrechts aus,
insbesondere was die Briefwahl und das E-Voting betrifft. Es ist nicht
einzusehen, dass in annähernd oder mehr als 100 Ländern der Welt Briefwahl
möglich ist, dieses Service dem österreichischen Bürger aber bisher
vorenthalten ist. Und auch das E-Voting - auch wenn wir heute sicher noch nicht
so weit sind - muss für die Zukunft möglich sein. Wenn die Technik garantiert,
dass die Sicherheit gewährleistet ist, muss dieses Service auch dem
österreichischen Bürger zukommen.
Natürlich
stellt sich hier auch wieder die Frage, wie man das rechtstechnisch löst. Ich
würde es vorziehen, dass man in der Verfassung nur die Wahlrechtsgrundsätze
vorsieht und in den Erläuterungen genau ausführt, dass wir das Prinzip der
geheimen und der persönlichen Wahl nun anders sehen, als der
Verfassungsgerichtshof das bisher getan hat. Wenn man dies in Hinblick auf die
Judikatur als unzureichend ansieht, dann bleibt der Wermutstropfen, dass man
neuerlich kasuistisch regeln muss, aber das wäre ein notwendiger
Wermutstropfen.
Ein
letzter Punkt: Ich plädiere für eine Ausweitung der Verfassungsautonomie der
Länder auch im Wahlrechtsbereich. Die Bundesverfassung sollte für das Wahlrecht
der Bundesländer nur die Wahlrechtsgrundsätze vorgeben, alles Übrige sollten
diese selbst regeln können, also Wahlsystem, Wahlkreise, die Möglichkeiten der
Stimmabgabe und das Wahlalter.
Aber natürlich könnte man auch hier - und ich würde das für durchaus
sinnvoll halten - die Notwendigkeit einer Zweidrittelregelung vorsehen. Das
würde bedeuten, dass in den Bundesländern jeweils eine breite Mehrheit
notwendig wäre, wenn man derartige Reformen in Bereichen durchführt, die eben
Spielregelcharakter haben. Danke schön!
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke, Herr Dr.
Poier. Die nächste Wortmeldung: Herr Dozent Dr. Bußjäger. - Bitte sehr.
Dr. Peter Bußjäger: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und
Herren!
Ich
möchte zu zwei Punkten des Ausschussberichtes Stellung nehmen, und zwar zum
Bundesrat und zur Verfassungsautonomie.
Zum
Bundesrat: Es besteht offenbar Einvernehmen darüber, dass Änderungsbedarf
besteht. Nun, Konsens besteht auch offenbar darüber, dass es zur Mitwirkung der
Länder an der Bundesgesetzgebung im Wege des Bundesrates, wie es heißt, keine
zweckmäßige Alternative geben soll. Insbesondere nicht - wie es heißt - in
einer unmittelbaren Mitwirkung der einzelnen Länder selbst. Ich möchte diese
Aussage hinterfragen; sie scheint mir in dieser Pauschalität nicht haltbar.
Natürlich, der Konsens besteht, aber ich möchte hier Kritik äußern. Vermutlich
ist diese Auffassung dadurch bedingt, dass die Mitglieder des Ausschusses das
Konzept der bestehenden Zustimmungsrechte der Länder - wie wir es im Artikel
102, 129a und im Grund auch 14b haben - vor Augen haben.
Ich
habe ein gewisses Verständnis dafür, wenn man der großflächigen Anwendung
dieses Konzepts, das auf eine absolute Vetoposition jedes einzelnen Akteurs
nach Durchlaufen des vollen parlamentarischen Prozesses hinausläuft, kritisch
gegenüber steht, weil es nicht nur Blockade ermöglicht, sondern in gewisser
Hinsicht auch provoziert. Das bedeutet aber nicht, dass es dazu nicht eine
zweckmäßige Alternative gäbe! Gerade dann, wenn man - wie dies ja der Ausschuss
tut - eine frühzeitige Einbindung des Bundesrates für sinnvoll erachtet, stellt
sich die Frage, ob eine frühzeitige Einbindung der Länder selbst - die ja eine
Vielzahl der Bundesgesetze entweder selbst zu vollziehen haben, sei es im
Rahmen der selbständigen Verwaltung, sei es im Rahmen der mittelbaren
Bundesverwaltung, oder in sonst irgendeiner Weise betroffen sind - nicht sogar
zweckmäßiger wäre als eben die frühzeitige Einbindung des Bundesrates. Immerhin
könnten die Länder bei frühzeitiger Einbindung ihre Vollzugserfahrungen direkt
einfließen lassen und nicht erst über den Bundesrat, dessen Mitgliedern die
spezifische Kenntnis der Vollzugspraxis doch häufig fehlen dürfte.
Es
spräche aus meiner Sicht auch nichts dagegen, ein im Einvernehmen mit den
Ländern - über das Ausmaß dieses Einvernehmens, wie weit sich das erstrecken
soll, über wie viele Länder, darüber kann man natürlich reden -, wenn man also
ein solches im Einvernehmen mit den Ländern erlassenes Gesetz in der Weise
privilegieren würde, dass der Bundesrat nachher anschließend keine weiteren
Mitwirkungsrechte hätte. Oder anders herum gesagt: Sucht der Bundesgesetzgeber
dieses Einvernehmen eben nicht, dann wäre die Zustimmung des Bundesrates
erforderlich. Dieses Modell würde
die Einbeziehung des Sachverstandes ermöglichen, der aus den Länder-Exekutiven
kommt, andererseits dann auch trotzdem eine Ländermitwirkung über ein
parlamentarisches Organ ermöglichen. Ich glaube daher, dass es schon
zweckmäßige Alternativen zu einer Monopolisierung der Ländermitwirkung über den
Bundesrat geben könnte.
Im
Übrigen ist klar, dass einer der Hauptangelpunkte der Reform des föderalen
Systems eben die Ländermitwirkung an der Bundesgesetzgebung ist. Wenn sich
daran nichts ändert, wird die Reformfähigkeit des System äußerst begrenzt sein,
ganz abgesehen davon, dass es auch nicht leicht fallen wird, einen Bundesrat,
an dem sich nichts ändert, gegenüber der Öffentlichkeit in irgendeiner Weise
kommunizieren zu wollen.
Noch
ein Wort zur Verfassungsautonomie: Es ist erfreulich, dass im Ausschuss Konsens
bestand, in der Formulierung des Artikels 99 B-VG auf die seinerzeitige Vorlage
zur Bundesstaats-Reform zurückzugreifen, erfreulich auch, dass Konsens darüber
besteht, die Regelungen des B-VG betreffend die Exekutive der Länder zu
reduzieren. Was ich entgegentreten möchte, sind aber Bestrebungen, die
Verfassungsautonomie der Länder - zu der man sich vollinhaltlich bekennt - über
den Umweg dann wieder auszuhöhlen, sei es auch dadurch, dass man etwa
Mindest-Prozentklauseln im Verhältniswahlrecht für Landtagswahlen einführt.
Hier sollte man sich, wie mein Vorredner gesagt hat, vollinhaltlich zur
Verfassungsautonomie bekennen.
Ein
letztes Wort noch zur Frage der Selbstkoordination der Länder. Hier fällt auf,
dass man dieser Frage sehr kritisch gegenübersteht - also gemeinsame
Einrichtungen kritisch betrachtet und so weiter. Erstaunlicherweise wurde das
sogar als Indiz gesehen, dass es sinnvoll wäre, diese Aufgabe dem Bund zu
übertragen! Also hier möchte ich dem schon scharf entgegentreten und die
Auffassung vertreten, dass Selbstkoordination der Länder im Regelfall
zweckmäßiger ist, als eine von oben herab angeordnete Vollzugspraxis. - Ich
danke Ihnen.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke, Herr Dozent.
Als
Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Präsidentin Orthner. - Bitte, Frau
Präsidentin.
Angela Orthner: Danke. Meine
sehr geehrten Damen und Herren!
Zunächst
einmal sage ich danke - danke Herrn Prof. Dr. Holzinger und allen, die mit ihm
an der Arbeitsunterlage für den Ausschuss 3 gearbeitet haben. Und ich sage
diesen Dank nicht aus Höflichkeit, sondern weil ich sehe, dass sein Bericht,
aber auch alle anderen Berichte, die wir im Konvent, im Plenum und im Präsidium
erhalten haben, von großer Qualität sind. Sie sind von großer Qualität und
bieten auch eine hervorragende Entscheidungsgrundlage.
Und
wenn wir die Ausschüsse darum bitten, auch quasi über die Themen, die Konsens
gefunden haben, aber auch die Bereiche, die noch im Dissens sind, Auflistungen
zu machen, dann, denke ich, dass das noch einmal eine Grundlage ist, in welchen
Bereichen wir rascher vorankommen, aber auch, welche Bereiche wir noch
verstärkt zu bearbeiten haben. Und ich sehe aus diesen Auflistungen heraus,
selbst in vielen Bereichen, wo wir „Dissens“ darüber stehen haben oder nur
vereinzelte oder überwiegende Übereinstimmung, aber keinen Konsens, dass wir
eine Reihe von Themenfeldern hier ganz sicherlich für den Konsens vorbereiten
können.
Eines
dieser Konsensfelder sehe ich ganz sicher in all dem, was mit Wahlen
zusammenhängt. Mein Wiener Amtskollege Hatzl hat die Verfassung mit dem nicht
uninteressanten Vergleich der Kleidung und des Gewandes in Zusammenhang
gebracht, und er meinte, man kauft sich etwas Neues, wenn das Alte zerschlissen
oder verschlissen ist. Von dem abgesehen, dass wir die Wirtschaft nicht
erfreuen würden, würden wir uns immer nur etwas Neues kaufen, wenn das Alte
wirklich unbrauchbar ist, denke ich mir, geht es in der Mode vielleicht um den
Begriff des „Unmodernen“. Wenn man ihn in die Politik oder in das
gesellschaftliche Leben hinüberträgt, könnte man es mit einem nicht mehr
zeitgemäßen Begriff umschreiben, oder auch - und das passt durchaus für beide
Bereiche - mit einem Begriff, den ich als „Man fühlt sich nicht mehr wohl“
beschreiben könnte.
Und
tatsächlich ist es so, dass in den Lebensentwürfen der Menschen sich heute
andere Dinge auftun also vor 80 Jahren. Und ich glaube, dass gerade im Bereich
der Briefwahl Möglichkeiten, im Bereich des E-Votings, im Bereich, dass - und
da sind wir ja auch einer Meinung -, dass Länder und Gemeinden nicht hinter
Bundesregelungen im Nationalrats-Wahlrecht zurückstehen können, dass wir hier
vieles auf neue Lebensumstände der Menschen einfach einzurichten haben.
In
diesen Wochen und Monaten finden Arbeiterkammerwahlen statt, und es ist uns
selbstverständlich, dass es ein Briefwahlrecht zu den Arbeiterkammerwahlen
gibt, und ungefähr 30 Prozent der wahlberechtigten Frauen und Männer geben ja
auch ihre Stimme mittels Briefwahl ab. Und ich glaube, es gibt auf Dauer
gesehen und nach gründlicher Betrachtung und nach durchaus auch Sehen der
Problemfelder, die sich durchaus auch ergeben können, keinen Grund, ein
Briefwahlrecht in Österreich für die Landes- und Gemeindeebene abzulehnen. Wir
sehen in vielen anderen europäischen Ländern, bei unserem Nachbarn, der
Bundesrepublik Deutschland, dass es diese Möglichkeiten gibt - dass es diese
Möglichkeiten gibt im Zusammenhang selbstverständlich mit einem freien und
persönlichen und geheimen Wahlrecht.
Und
ich schließe mich dem an, was Dr. Poier gesagt hat: E-Voting! - Wir machen eine
Verfassung ja nicht für die nächsten zehn, sondern vielleicht wieder für die
nächsten 80 Jahre oder für das 21. Jahrhundert. Und wir sollen diese Dinge
einfach mitdenken und auch mit entscheiden, weil sie den Bürgerinnen und
Bürgern in unserem Lande nützen und sie sicherlich auch dazu bringen, sich
stärker an gesellschaftspolitischen Richtungen, Linien und Visionen zu
beteiligen: Das ist es letztendlich ja auch, was wir alle miteinander möchten.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Frau Präsidentin.
Als
Nächster zu Wort hat sich Herr Dr. Lengheimer gemeldet. - Bitte sehr.
DDr. Karl Lengheimer: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen
und Herren!
Als
Mitglied des Ausschusses 3 möchte ich zunächst einmal dem Vorsitzenden unseres
Arbeitskreises, Herrn Prof. Holzinger, auch von dieser Stelle meinen herzlichen
Dank für seine Arbeit sagen. Er hat durch eine wirklich exzellente Vorbereitung
der sehr umfangreichen Themen, die wir zu behandeln gehabt haben, ermöglicht,
dass wir unser Pensum auch bewältigen konnten. Er hat darüber hinaus mit seiner
klugen Vorsitzführung dafür gesorgt, dass mögliche Kompromisse dort, wo sie
möglich waren, nicht an Missverständnissen scheitern, sondern zum Durchbruch
kommen. Andererseits aber dort, wo eben kein Kompromiss zu finden war, die
Teilnehmer oder die Mitglieder nicht abqualifiziert wurden, sondern dafür
gesorgt, dass auch widersprüchliche Stellungnahmen verzeichnet wurden.
Eine
solch unaufgeregte und tolerante Einstellung werden wir überhaupt benötigen,
wenn das Ergebnis des Österreich-Konvents nicht nur eine
rechtswissenschaftliche Festschrift, sondern wirklich eine neue Verfassung
werden soll. Ich denke hier insbesondere an die Fragen des Wahlrechtes, wo das
von Bedeutung ist. Hier gibt es sehr unterschiedliche Ansatzpunkte, hier gibt
es den Wunsch nach Herabsetzung des Wahlalters auf 16, - warum nicht auf 14? - , auch die Idee
des Elternstimmrechtes für die Kinder - Kollege Schnitzer hat heute hier
ausgeführt, dass dann die Eltern gleich bis zum Lebensende für die Kinder
wählen. Warum er das glaubt, wird er uns noch im Ausschuss erklären. Ich habe das
nicht ganz mitgekriegt, denn wir haben ja im Zivilrecht das Recht der Eltern,
für die Kinder zu handeln, und das endet natürlich mit der Volljährigkeit.
Aber
das sind halt die Auffassungsunterschiede. Wir haben Auffassungsunterschiede
bei der Frage des allgemeinen Wahlrechtes. Wenn man für eine Ausdehnung des
allgemeinen Wahlrechtes eintritt, muss man doch wohl auch dafür eintreten, dass
jeder auch das Wahlrecht ausüben kann und
nicht nur das Recht hat. Dazu gehören Fragen wie etwa die der Briefwahl.
Zu diesem Thema ganz allgemein: Es macht wenig Sinn, bei diesen Dingen die
eigenen Anschauung als unabdingbare demokratiepolitische Notwendigkeit
hinzustellen und Gegenmeinungen als unnötige oder gar abstruse Ideen
abzuqualifizieren. Wenn wir nicht bereit sind, uns ernsthaft mit den
Gegenargumenten auch auseinander zu setzen, wird es nichts werden beim
Wahlrecht.
Ein
Thema, bei dem der Ausschuss seinem Programm nicht oder, richtiger gesagt, noch
nicht erschöpfend nachgekommen ist, war die Reform des Bundesrates. Zunächst
einmal deshalb, weil die Reformbestrebungen mit den im Ausschuss 5 angestellten
Überlegungen zur Kompetenz zu koordinieren sind. Das ist klar. Der Präsident
des Niederösterreichischen Landtages Mag. Freibauer, den ich im Konvent
vertrete, hat in dieser Frage ein Diskussionsmodell erstellt. Es gibt natürlich
auch andere Vorschläge, aber wie immer man in der Frage der gesetzlichen
Vertretung der Länder auch entscheidet, Eines, denke ich, muss wohl klar sein:
Wenn die Institution des Bundesrates auch nicht die wichtigste des Konvents
sein mag, wenn wir hier nicht eine
zeitgemäße Reform zustande bringen, die sich an den Grundsätzen der Sparsamkeit
und der Zweckmäßigkeit orientiert, dann werden wir einen ganz entscheidenden
Punkt, den die Öffentlichkeit bei der Reform in diesem Konvent erwar-tet, nicht
erfüllt haben. Wir würden daran gemessen werden.Ich habe mich, das ist im
Bericht des Vorsitzenden angesprochen worden, auch für ein konkretes Modell für
eine Reform der Funktion des Staatsoberhauptes, des Bundespräsidenten,
ausgesprochen. Ich möchte darauf nicht näher eingehen, weil ich gleichzeitig im Ausschuss zu jenen
gehört habe , die der Meinung waren, dass in einem Wahlkampf jeder noch so
ernst gemeinte Reformvorschlag Gefahr läuft, unter dem Aspekt der Wahlchancen
für den einen Kandidaten oder die andere Kandidatin beurteilt zu werden. Ich
meine, dass dafür auch nach dieser Bundespräsidentenwahl noch Zeit sein wird.
Zum
Legalitätsprinzip nur ganz kurz: Wenn wir der Meinung sind, der Gesetzgeber sollte
anders handeln, dann frage ich mich, warum wir den Gesetzgeber nicht in der
Verfassung dazu auch bestimmen. Wir machen Präambeln, Staatsziele, um den
Gesetzgeber zu einem gewissen Verhalten zu bestimmen - warum wollen wir ihn
nicht auch hier dazu führen, dass er die Verwaltung leitet und nicht selbst den
Oberverwalter spielt? Das Führungsprinzip der Delegierung gilt auch in anderen
Bereichen. Es sollte wohl auch hier gelten.
Erfreulich
sind die Ergebnisse - als Bundesländervertreter sage ich das - bezüglich der Abschaffung des
Bundesverfassungsgesetzes über die Ämter der Landesregierung: Hier besteht
wirklich die Möglichkeit, dass die Länder und auch der Bund in Konkurrenz
treten und auch im verwaltungsreformatorischen Bereich neue Wege gehen.
Abschließend
sei gesagt: Es ist vielleicht ein Vorteil dieses Arbeitsausschusses gewesen,
dass wir zum größten Teil handfeste organisatorische und konkrete Probleme zu
beraten hatten. Ich glaube aber, dass das Ergebnis dieses Ausschusses Hoffnung
für eine erfolgreiche Arbeit des Konvents im Allgemeinen gibt.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke, Herr Landtagsdirektor. Als Nächster hat sich Herr
Gemeinderat Stürzenbecher gemeldet.- Bitte sehr!
Dr. Kurt Stürzenbecher: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Ich
war selbst nicht in die Beratungen über den Ausschuss 3 einbezogen, aber ich
kann feststellen, dass es ein sehr interessanter Bericht geworden ist, der hier
herausgekommen ist, der ein sehr hohes inhaltliches Niveau hat.
Es ist
allerdings eine Frage im Ausschussbericht nur sehr kurz angerissen, das ist das
Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger, die seit längerem in Österreich ansässig sind.
Der Einzige, der bisher dankenswerterweise dieses Thema angesprochen hat, ist
Herr Präsident Hatzl. Ich möchte einige Worte als Erstes zu diesem wichtigen
Thema sagen.
Sehr
geehrte Damen und Herren! Wir müssen uns bewusst sein, dass Migration, dass
Zuwanderung ein Phänomen ist, das auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten
in der Europäischen Union und auch in Österreich präsent sein wird, ob man es
jetzt will oder nicht. Es geht darum, möglichst intelligent mit diesem
Phänomen, diesem Prozess umzugehen und sachlich einen Dialog zu führen, wie
bestmöglich Integration möglich ist. Ich glaube, das ist ein allgemeines,
wichtiges politisches Ziel. Dazu gehört eben auch eine geeignete Partizipation
der Zuwanderer am politischen Prozess, zumindest auf kommunaler Ebene, aber
nicht nur. Ich meine, dass das einfach demokratie- und integrationspolitisch
sehr wichtig ist.
Derzeit
ist ja ein Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger nur auf der Ebene der
Bezirksvertretungen in Wien möglich. Der Wiener Landtag hat bekanntlich ein
neues Wahlrecht beschlossen, nach dem Zuwanderer, die mindestens 5 Jahre in
Wien wohnhaft sind, ein aktives und beschränkt passives Wahlrecht haben, wobei
die Beschränkungen beim passiven Wahlrecht ihre Gründe in der geltenden
Bundesverfassung haben. Wie künftig eine Bundesverfassung mit diesem Thema
umgehen könnte, möchte ich jetzt auf Grund der Zeitnot auf den
Diskussionsentwurf des sozialdemokratischen Grundrechtsforums verweisen.
Demnach sollte der einfache Gesetzgeber grundsätzlich die Möglichkeit haben,
festzulegen, ob und inwieweit Zuwanderer das Wahlrecht haben. Der
Landesgesetzgeber könnte dann beispielsweise festlegen, ob es auf Gemeindeebene
oder auch auf Landesebene ein derartiges Wahlrecht gibt. Nur nebenbei sei
erwähnt, dass in gut der Hälfte der EU-Staaten zumindest auf kommunaler Ebene
bereits ein Zuwandererwahlrecht existiert und dass man durchwegs gute
Erfahrungen damit gemacht hat.
Ein
weiteres wichtiges Thema wurde schon angesprochen, auch im Ausschussbericht
angesprochen: Die Senkung des Wahlalters für das aktive Wahlrecht auf das
vollendete 16. Lebensjahr. Mir scheint, das ist ein bedeutendes Projekt, das mit dazu beitragen soll, dass
sich junge Menschen verstärkt in unserem politischen System artikulieren
können. Auch hier hat Präsident Hatzl schon darauf hingewiesen, dass leider die
Forderungen der Bundesjugendvertreter nicht im ausreichenden Maß bisher im
Konvent behandelt und auch zu Papier gebracht wurden. Die bisherigen
Erfahrungen mit diesem herabgesetzten Wahlalter auf kommunaler Ebene im
Burgenland, in Kärnten, aber auch in Oberwölz in der Steiermark -
beispielsweise - sind durchaus positiv. Es hat relativ hohe Wahlbeteiligungen
gegeben. Es wurde das Vorurteil, die Jungen wollen das selber ja gar nicht,
eindeutig widerlegt und es scheint mir, dass es durchaus sinnvoll wäre, das
auch auf Ebene der Nationalratswahlordnung festzulegen. Nur nebenbei sei
erwähnt, der Wiener Landtag hat es für seinen Zuständigkeitsbereich auch schon
beschlossen.
Ein
dritter Punkt sei noch kurz angerissen, auch mein Freund und Kollege Dr.
Schnitzer hat ja schon sehr treffend und ironisch dazu Stellung genommen. Es
steht im Ausschussbericht, „von einigen Ausschussmitgliedern wird die
Einführung des Familienwahlrechts zur Diskussion gestellt“. Diese Idee sollte
man meiner Ansicht nach ablehnen. Es würde dadurch das gleiche Wahlrecht
abgeschafft werden. Es würden Menschen mit Kindern unsachlich privilegiert
gegenüber Menschen ohne Kinder beziehungsweise, es würden Menschen ohne Kinder
diskriminiert. Es wäre vom Prinzip her ein Rückschritt ins ausgehende 19.
Jahrhundert, wo es eben kein gleiches Wahlrecht, sondern ein extrem ungerechtes
Wahlrecht gegeben hat. Eine neue Bundesverfassung sollte uns ja mehr Demokratie
bringen. Eine neue Verfassung sollte eine noch bessere Demokratie bringen. Dazu
passt ein geeignetes Zuwandererwahlrecht, dazu passt es, der Jugend mehr Rechte
zu geben. Dazu passt es sicher nicht, ein so genanntes Familienwahlrecht
einzuführen. - Danke schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Herr Dr. Stürzenbacher. Nun ist als Nächster Herr
Univ. Prof. Dr. Brauneder zu Wort gemeldet. - Bitte, Herr Professor.
MMag. Dr. Willi Brauneder: Sehr geehrter
Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Bei
allen devoten Verneigungen vor dem Föderalismus selbst österreichischer Prägung
möchte ich doch einen Punkt ein bisschen zurecht rücken. Es sind nicht nur die
Länder gewesen, die unseren Staat begründet haben. Wir sollten gerade in diesem
Haus auch an das gesamtstaatliche Organ der Provisorischen Nationalversammlung
denken. Und dies deswegen, weil - ich möchte es jetzt konkret zum Bundesrat
sagen - es vielleicht auch daraus verständlich ist, dass der Bundesrat in
seiner allerersten Sitzung festgestellt hat, und dies zweimal, er werde dem
Nationalrat in der Gesetzgebung nie im Wege stehen. Und dieses Erbe scheint ja
der Bundesrat bis heute treulich bewahrt zu haben.
Aber
wohl nicht aus diesem historischen Grund, sondern aus einem anderen. Wenn heute
mehrfach beklagt worden ist, dass der Bundesrat in seiner derzeitigen
Zusammensetzung der Aufgabe der Ländervertretung nicht so recht nachkommt, so
liegt es wohl daran, dass der Bundesrat von seiner Konzeption ja ebenso eine
Parteienkammer ist wie der Nationalrat. Wenn daher an eine Reform des
Bundesrates gedacht wird, muss eben ein Modell gefunden werden, das diesen
Charakter ihm nicht mehr zukommen lassen kann.
Ich
glaube, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber hier selbst einen Weg gewiesen
hat, schon seit längerer Zeit, und damit auch eine Kritik am Bundesrat
angebracht hat, nämlich durch die Integrationskonferenz der Länder. Die ist
eigens geschaffen worden mit Kompetenzen, die Sie kennen, jedenfalls mit
Kompetenzen, die der deutsche Namensvetter Bundesrat selbst wahrnimmt. Offenbar
hat man das unserem Bundesrat nicht zugetraut.
Daher
meine ich, dass eine Reform des Bundesrates anknüpfen sollte an diesen
Grundgedanken der Integrationskonferenz, wo Landeshauptmann und
Landtagspräsident vertreten sind. Das würde also bedeuten, dass man sowohl die
Landesexekutive wie die Landesgesetzgebung in den neuen Bundesrat aufnimmt. Ich
könnte mir vorstellen, dass sozusagen die demokratisch Legitimierten, der
demokratisch legitimierte Teil direkt gewählt wird im Zusammenhang mit einer
Landtagswahl. Ich würde mich dagegen aussprechen, dass einige
Landtagsabgeordnete gleichzeitig Bundesratsmitglieder sind. Man kann sich
vielleicht noch erinnern, dass es Terminschwierigkeiten gegeben hat, als die
EU-Abgeordneten hierorts gleichzeitig Nationalratsabgeordnete waren.
Zu den
Kompetenzen dieses Bundesrates neu will ich mich im Detail jetzt nicht äußern,
möchte aber nur einen Gedanken festhalten. Wenn man davon ausgeht, man werde in
Hinkunft die Bundeskompetenzen wie auch die Landeskompetenzen taxativ aufzählen
und einen dritten Bereich schaffen, dann wäre es doch vorstellbar, dass in
diesem dritten Bereich der Bundesrat, ich will jetzt nicht auf die Details
eingehen, eine Entscheidung treffen könnte dahingehend, ob Angelegenheiten aus
diesem dritten Bereich besorgt werden durch ländereinheitliche paktierte
Gesetze oder dem Nationalrat auf Grund eines Initiativantrags des Bundesrates
angeboten werden, und im Falle beides nicht eintritt, die
Landesgesetzgebungskompetenz zum Tragen käme. Es scheint mir dieser Gedanke
paktierter Gesetze für neun Länder gemeinsam weiter übertragbar zu sein derart,
dass auch zumindest zwei Länder ein Instrumentarium besitzen, von der
Bundesverfassung vorgegeben, um paktierte Gesetze zu verabschieden. Es gäbe
genug historische Beispiele, die ich hier nicht ausbreiten möchte. Ich will
aber hinzufügen, dass wir auf der Länderebene die eher völkerrechtliche Lösung
der 15a-Verträge haben, es gäbe aber eben auch die sozusagen staatsrechtliche
Lösung des gemeinsamen Gesetzes, u. a. auf Grund eines gemeinsamen
Landtagsausschusses.
Zum
Schluss noch ein Wort zum Wahlrecht. Ich würde sagen, der Begriff der
Demokratie und daher Begriff des Volkes, des Demos, ist unteilbar auf jeder
Ebene, wo es Repräsentativkörperschaften gibt. Mir wäre es daher sehr
sympathisch, etwa im Anschluss an den Artikel 1 oder in einem neuen Artikel 1
der Bundesverfassung die Wahlrechtsgrundsätze gemeinsam für alle Ebenen des
Föderalismus festzulegen. Und ich glaube auch, dass nicht das Wahlrecht ein
Mittel der Integration von Zuwanderern ist, sondern der Erwerb der
Staatsbürgerschaft. Danke schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke, Herr Professor. Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr
Professor Wiederin. - Bitte schön.
Dr. Ewald Wiederin: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Auch
ich habe dem Ausschuss nicht als Mitglied angehört, und ich möchte, wenn es die
Zeit erlaubt, zu vier Punkten Stellung nehmen.
1.
Beim Legalitätsprinzip habe ich den Eindruck, dass die Übereinstimmung breiter
ist, als der Bericht suggeriert. Es gibt Konsens, dass die Verfassung weiterhin
ein Legalitätsprinzip enthalten soll. Diese Festlegung ist bemerkenswert, weil
ein Legalitätsprinzip in der Verfassung im internationalen Vergleich alles
andere als selbstverständlich ist. Der Dissens reduziert sich letztlich auf die
Frage, ob man symbolische Gesten setzen und den Text des Artikels 18 adaptieren
soll. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, es bei der jetzigen Formulierung
zumindest des Artikel 18 Absatz 1 zu belassen. Ich halte wenig davon, von der
Judikatur entwickelte Kriterien wie finale Determinierung, Partizipation oder
Eingriffsnähe zu kodifizieren. Und ich halte es für gefährlich, die äußere
Organisation der Verwaltung vom Legalitätsprinzip freizustellen. Das wäre ein
Rückfall in die Organisationsgewalt der Verwaltung des 19. Jahrhunderts.
Vorstellen
kann ich mir hingegen eine Lockerung beziehungsweise auch eine Ausnahme im
Hinblick auf die Selbstverwaltung. Dazu müsste man den Text des Artikel 18
Absatz 1 gar nicht ändern. Wenn es dort heißt, dass die staatliche Verwaltung
nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf, so bedeutet das bei
unbefangener Lektüre, dass die Selbstverwaltung freigestellt ist, weil sie im
historischen Konzept nicht als staatliche Verwaltung verstanden wurde. Weiters
vorstellen kann ich mir eine Modifikation des Artikel 18 Absatz 2, die ihn
sowohl erweitert als auch einengt: einengend dahingehend, dass es künftig einer
ausdrücklichen spezialgesetzlichen Ermächtigung bedarf und nicht mehr wie
bisher unmittelbar aufgrund der Verfassung Verordnungen zur
Gesetzeskonkretisierung erlassen werden dürfen; erweiternd dahingehend, dass
der Nationalrat die Möglichkeit haben soll, im weiteren Umfang als bisher seine
Gesetzgebungsbefugnis an die Verwaltung zu delegieren.
2.
Beim Bundesrat suchen wir alle nach einem neuen Profil, das bis jetzt erst im
Umrissen erkennbar ist. Ich möchte mich dagegen aussprechen, just in einem
Moment, in dem sich in der Bundesrepublik die Föderalismusreformkommission vom
Bundesratsmodell zu verabschieden und sich das österreichische Modell näher
anzusehen beginnt, das deutsche
Modell zu adoptieren. Große Sympathie habe ich hingegen für den Vorschlag im
Ausschussbericht - und es handelt sich um einen Konsenspunkt -, die
Zustimmungsrechte der Länder zur Kundmachung von Bundesgesetzen im Bundesrat zu
bündeln. In diesem Zusammenhang eine Anregung: Ich plädiere dafür, die
Zustimmungsrechte des Bundes und jene der Länder bzw des Bundesrates
symmetrisch zu konzipieren. Mit anderen Worten: Wenn es für den Bund Fristen
gibt, muss es auch für die Länder Fristen geben, und wenn es für die Länder
Kriterien gibt, muss es auch für den Bund Kriterien geben.
3.
Beim Bundespräsidenten besteht Konsens, an der Volkswahl nicht zu rütteln, und
Dissens im Hinblick auf die drei wesentlichen Kompetenzen Regierungsbildung,
Nationalratsauflösung und Notverordnungsrecht. Ich muss gestehen, dass mir
diese drei Befugnisse in ihrer Kombination zu weit gehen. Ich unterstütze daher
jene Strömung im Ausschuss, die hier Änderungen vornehmen will. Es ist schon
richtig, dass - wie zu bedenken gegeben worden ist - ein Feuerlöscher auch dann
eine nützliche Sache ist, wenn man ihn nicht verwendet. Es ist andererseits
aber auch richtig, dass Gewehre gefährlich bleiben, auch wenn man sie 70 Jahre
in einem Schrank belässt. Das gilt umso mehr, als der Schrank in diesem Fall
unversperrt ist. Ich sehe aber die Schwierigkeit, dass es nach
einer Beseitigung der drei zentralen Rechte letztlich wenig Grund gibt, den
Bundespräsidenten noch vom Volk wählen zu lassen. Eine Rückkehr zum Konzept des
B-VG 1920 erscheint mir darum bei Festhalten an der Direktwahl als ausgeschlossen.
4. Meine letzte Bemerkung ist eher eine
Gesamtbeobachtung. Sowohl formal als auch inhaltlich bewegen sich alle
Ausschussberichte weitgehend in den Bahnen des B‑VG. Die Textvorschläge
präsentieren sich als Novellen zu B‑VG-Bestimmungen, und die Strukturen der
Institutionen orientieren sich an den Strukturen des B‑VG. Neue große Würfe,
die es rechtfertigen würden, das B‑VG 1920 zu verabschieden und zu einer neuen
Verfassung überzugehen, sind derzeit noch nicht in Sicht. Das muss man
allerdings nicht negativ sehen. Vielleicht führt die Arbeit des Konvents zur
Einsicht, dass unser B‑VG weit besser ist als sein Ruf. Vielen Dank.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz
Fischer (übernimmt den Vorsitz): Danke schön.
Nächster Redner Kollege Pramböck. - Bitte.
Dkfm. Erich Pramböck: Geschätzter
Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Mitglieder des Präsidiums! Meine Damen und
Herren!
Ich
möchte mich für die Beratungen im Ausschuss 3 bedanken und das deshalb
ausdrücklich erwähnen, weil ja die Vorsitzenden der Ausschüsse 6 und 3
übereingekommen sind, dass kommunale Angelegenheiten ausschließlich im
Ausschuss 3 beraten werden. Die Frage der Stellung der Städte und Gemeinden in
der künftigen Bundesverfassung wurde daher in diesem Ausschuss zentral
behandelt, und ich möchte deshalb einige grundsätzliche Bemerkungen dazu
abgeben.
Ich
glaube, dass uns vom Konvent eine Reihe von Zielen vorgegeben wurden und wir
dadurch eine extrem schwierige Aufgabe hatten, eine Modernisierung der
Verfassungsstruktur und des Rahmens für Städte und Gemeinden zu beraten, weil
wir doch eine sehr breit gefächerte Kommunallandschaft in Österreich haben mit
Gemeinden mit wenigen hundert Einwohnern und daneben Städten mit
hunderttausenden Einwohnern und alle erbringen Leistungen für die Bürger. Alle
diese Leistungen sind ausgesprochen wichtig und auch sehr geschätzt. Ich darf
noch einmal in Erinnerung rufen, dass die Bürgernähe erstes Ziel des Konvents
ist und auf der Gemeindeebene von 61 % der Bevölkerung bejaht wird, auf der
Landesebene sind es noch 42 % und auf der Bundesebene nur noch 18 %.
Ebenfalls
positiv wird von der Bevölkerung die Effizienz der Aufgabenerfüllung gesehen.
Bei den Gemeinden sind 46 % der erwachsenen Österreicher der Ansicht, dass sie
sehr gut beziehungsweise gut arbeiten, auf der Landesebene immerhin noch 32%
und auf der Bundesebene 19 %. Ähnlich sind die Ergebnisse, was den Umgang mit
den Finanzmitteln betrifft. Das heißt, die vom Konvent vorgegebenen Kriterien -
Bürgernähe, Transparenz, Wirtschaftlichkeit - werden bereits heute in den
Städten und Gemeinden in einem ganz hohen Ausmaß bei ihrer Tätigkeit erfüllt.
Die
Bürger erwarten sich, dass die Kommunen Leistungen vor Ort erbringen, dass sie
Leistungen der Daseinsvorsorge, aber auch der Hoheitsverwaltung vor Ort haben
und dass im hohen Maße diese Leistungen durch die Gemeinden selbst erbracht
werden. Bis zu 90 %, zumindest aber 50 % der Bevölkerung wollen, dass die
Leistungen im Bereich der technischen und sozialen Infrastruktur durch die
Gemeinden erbracht werden und es ist auch klar, dass dies ein wichtiger Auftrag
für uns ist, effizient vorzugehen. Das heißt ja nicht immer, dass die Gemeinden
alle Aufgaben selbst mit eigenem Personal und dergleichen erfüllen, ganz im
Gegenteil, wir arbeiten sehr, sehr effizient und es gibt die Zusammenarbeit mit
dem Privaten genauso wie auch die Frage der kommunalen Zusammenarbeit.
Und
diese neue Form, die in der künftigen Bundesverfassung verstärkt berücksichtigt
werden sollte, möchte ich nur kurz erwähnen. 91 % der Bevölkerung treten für
eine verstärkte Zusammenarbeit von Gemeinden in bestimmten Fragen ein und
ähnlich oder genau gleich hoch ist der Prozentsatz der Bevölkerung, was eine
verstärkte Stadt-Umland-Kooperation betrifft. Das bedeutet Kooperation, nicht
Eingemeindung, nicht Fusionierung.
Berücksichtigt
man nun, dass wir eine Verfassung schaffen, die einen Rahmen setzt für starke
Städte und Gemeinden in einem künftigen Europa, das heißt, leistungsfähige
Akteure braucht, dann müssen wir unter dem Aspekt der Bürgernähe und der
Demokratie hervorheben, dass wir neue Instrumente ermöglichen sollen. Und diese
Instrumente haben wir im Rahmen des Städtebundpapiers vorgeschlagen. Ich möchte
sie nur ganz kurz erwähnen und darauf eingehen.
Wir
halten an der Einheitsgemeinde fest, wollen sie aber flexibler machen, das
heißt, entweder Aufgaben an Bezirkshauptmannschaften abgeben können, aber auch
stärker Aufgaben von den Bezirkshauptmannschaften im Sinne der Bürgernähe und
der Standortqualifikation zu erhalten. Das bedeutet auch unter Umständen eine
Aufwertung der Städte und Gemeinden in Richtung Statutarstadt, und ich würde
bitten, dem Prinzip zu folgen: Der, der Leistungen erbringen will, soll dazu in
die Lage versetzt werden und es soll ihm ermöglicht werden und dabei nicht
behindert werden.
Auch
die interkommunale Zusammenarbeit spielt in unserem Papier eine ganz große
Rolle. Wir erwarten, dass es hier zu einem besseren Rahmen kommt für lockere
Verwaltungsgemeinschaften, Zusammenarbeiten bis zur Bildung von Gemeinverbänden
über Bezirks- und Landesgrenzen hinweg, weil wir sicher dadurch besser die
Aufgaben erfüllen können.
Ich
möchte in diesem Zusammenhang erwähnen, dass wir im Rahmen des Städtebundes
auch ein diesbezügliches Pilotprojekt in Österreich durchführen. Es gibt eine
Fülle von weiteren Vorschlägen, die das Know-how, das in den Städten und
Gemeinden vorhanden ist, in den Gesetzgebungsprozess und überhaupt einbringen
soll.
Ich
denke hier insbesondere an die verstärkte Mitwirkung von Städtebund und
Gemeindebund in der Gesetzgebung, etwa Begutachtungs- und
Gesetzesinitiativrechte, die Einbindung kommunaler Interessen bei der
Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene und in diesem Zusammenhang glaube
ich, dass bei Berücksichtigung dieser Prinzipien und Vorschläge wir eine
Verfassung bekommen, die effizient ist, aber auch sehr bürgernah, wie ich mit
meinen Ausführungen zur Bevölkerungsbefragung aufgezeigt habe. Vielen
herzlichen Dank.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz
Fischer: Zu Wort
gelangt Frau Mag. Ulrike Schebach-Huemer. - Bitte sehr.
Mag. Ulrike Schebach-Huemer: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Ich
denke, die Beratungen im Ausschuss 3 beziehungsweise der Ausschussbericht geben
uns ein sehr gutes Spiegelbild, wie derzeit die Beratungen im Konvent sind. Wir
führen sehr konstruktive Gespräche, wir legen Positionen auf den Tisch, aber
leider ist es uns derzeit noch nicht möglich, in wichtigen Fragen Konsens zu
schaffen. Im Ausschuss 3 war es uns nicht möglich, über eine Neuausrichtung des
Bundesrates, über das Wahlrecht oder auch über den gesamten Gemeindebereich
einen Konsens zu erzielen.
Aber
ich würde das nicht als grundsätzlich negativ bezeichnen, sondern ich sehe es
vielmehr als eine Chance, dass wir nun im Plenum durch intensive Beratungen
doch noch das Ziel erreichen, eine neue, eine einfachere, eine bürgernähere und
auch eine transparentere Verfassung zu erarbeiten.
Als
Vertreterin der österreichischen Städte möchte ich mich vor allem deren Anliegen
widmen. Jeder von uns lebt in einer Stadt, jeder von uns nimmt tagtäglich
Leistungen der Städte und Gemeinden in Anspruch. Wenn wir zu einer Behörde
gehen, dann gehen wir primär einmal zu den Stadtmagistraten oder zu den
Gemeindeämtern, oft sogar dann, wenn wir wissen, dass die Gemeinden gar nicht
zuständig sind. Darüber hinaus muss uns bewusst sein, dass 60 % der
Investitionen für die Wirtschaft von den Kommunen aus gehen, und eines darf
auch nicht vergessen werden - die Gemeinden sind die dritte demokratisch
legitimierte Ebene in Österreich.
Aber
trotz all dieser Punkte bläst den Gemeinden und den Städten ein ziemlich rauer
Wind in den letzten Jahren entgegen. Einerseits natürlich der finanzielle
Aspekt, aber andererseits werden die Gemeinden nicht als dieser dritte
gleichwertige Partner angesehen. Die Gemeinde und Städte sind eigentlich immer
so „der kleine Partner“, der eben mitgetragen wird. Und teilweise hat man da
den Eindruck, dass die Bedeutung der Städte und Gemeinden völlig verkannt
beziehungsweise auch unterschätzt wird.
Dabei
muss man aber auch – wie es der Vorredner schon gesagt hat – einfach sehen,
dass die Bevölkerung von ihren Gemeinden, von ihren Städten, eine sehr hohe
Meinung hat. Aufgabenerfüllung, Effizienz und Bürgernähe werden als sehr gut
betrachtet.
Zur
Bundesverfassung: Der gesamte Gemeindebereich ist vom Grundsatz der abstrakten
Einheitsgemeinde geprägt. Sprich, jede Gemeinde, ob sie jetzt hundert Einwohner
oder hunderttausende Einwohner hat, sie dürfen und müssen die gleichen Aufgaben
erfüllen. Es stellt sich daher die Frage, ob diese abstrakte Einheitsgemeinde
wirklich noch der Realität entspricht. Wobei ich sofort sagen möchte, dass ich
an der abstrakten Einheitsgemeinde gar nicht rütteln will.
Ich
denke, man soll den kleinen Kommunen keine Aufgaben wegnehmen. Aber man muss
darauf hinweisen, dass die Finanzkraft besonders von kleinen Gemeinden einfach
eingeschränkt ist und dass die sich vor allem durch interkommunale
Zusammenarbeit besser organisieren sollen.
Unser
Ansatz ist ein anderer. Die Realität ist derzeit so, dass größere Städte und
Gemeinden mehr Leistungen erbringen können. Das liegt auf der Hand: Größere
Gemeinden haben eine bessere Infrastruktur, sie haben mehr Personal, sie haben
fachkundigeres Personal. Und daher verlangt auch die Bevölkerung in diesen
Gemeinden und Städten, dass diese Gemeinden ein höheres Leistungsangebot zur
Verfügung stellen. Sei es in der Hoheitsverwaltung, sei es auch in der
Privatwirtschaftsverwaltung. Es gibt nun meiner Ansicht nach zwei
Möglichkeiten, diese Städte und Gemeinden zu stärken. Einerseits der Ansatz,
die interkommunale Zusammenarbeit zu fördern und andererseits aber gerade
größere Städte zu stärken.
Wie
kann das geschehen? Unsere Forderung ist das, dass wir größere – wir denken an
Städte ab etwa 10.000 Einwohnern – größere und leistungsfähigere Städte
stärken, dass sie mehr Aufgaben übertragen könnten oder mehr Aufgaben
übernehmen könnten. Es stehen zwei Varianten im Raum: Die eine Variante ist das
Modell der so genannten flexiblen Einheitsgemeinde, Städte ab 10.000 Einwohnern
können von den Bezirksverwaltungsbehörden Aufgaben übernehmen. Folgende
Bereiche könnten in Betracht gezogen werden: das gesamte Personenstandswesen,
die Ausstellung von Pässen und Führerscheinen. Und die zweite Variante wäre,
Städten ab 10.000 Einwohnern schon ein Recht auf ein eigenes Statut
einzuräumen, und somit können diese automatisch die Agenden der
Bezirksverwaltungsbehörden erledigen.
Ich
denke, unsere Forderungen sind gewiss neu und vielleicht in einigen Bereichen
auch sehr mutig. Aber Ziel des Konvents ist es auch, auf neue Gegebenheiten zu
reagieren, und in der kommunalen Landschaft hat sich in den letzten Jahren sehr
viel getan.
Städte
sind ein wesentlicher Investitionsfaktor und sie sind dafür verantwortlich,
dass die Bürgerinnen und Bürger Lebensqualität und auch Sicherheit erhalten und
in diesem Sinne hoffe ich, dass die Forderungen des Städtebundes in den
Beratungen des Konvents auch Berücksichtigung finden. Herzlichen Dank.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz
Fischer: Nächster
Redner Herr Volksanwalt Dr. Kostelka. - Bitte sehr.
Dr. Peter Kostelka: Danke
vielmals, Herr Präsident.
Meine
sehr geehrten Damen und Herren, vorerst möchte ich in jene Posaune blasen, die
auch Kollege Lengheimer schon zur Hand genommen hat, nämlich die Frage der
Reform des Bundesrates. Ich glaube, wir sollten uns in diesem Zusammenhang
nicht nur auf die Notwendigkeit von protokollarischen Reformen und Signalen
verstehen, sondern uns ganz konkret die Frage vorlegen, was wir mit einer
entsprechenden Änderung wollen oder nicht wollen.
Ich
tue das deswegen so dezidiert, weil es ein unausgesprochener, aber immer wieder
durchaus zitierter Grundsatz ist, dass ausschließlich die Mitwirkung an der
Gesetzgebung des Bundes durch den Bundesrat vorgenommen werden kann und dass es
dazu keine Alternative gibt.
Ich
stelle daher in diesem Kreis ganz bewusst die Frage: Was ist, wenn eine
gesetzgebende Körperschaft von diesem Recht konsequent 80 Jahre lang nicht
Gebrauch gemacht hat? Gibt es dann eine solche Mitwirkung? Denn, meine Damen
und Herren, die Situation ist ja schlicht und einfach so, dass es im Grunde
genommen eine der Nationalratsmehrheit widersprechende Mehrheit in diesem Hause
nur dann gibt, wenn die politischen Mehrheiten hüben und drüben unterschiedlich
sind. Und mit Ausnahme von zwei Fällen ist es auch stets zu einem
Beharrungsbeschluss des Nationalrates gekommen. In einem Fall ist die Einigung
in der Koalition in der Zwischenzeit zerbrochen. Im anderen Fall ist ein
anderer Finanzminister berufen worden und daher erscheinen Änderungen am Gesetz
notwendig. Einmal eine in-haltliche Änderung erreichen und einmal eine
Nichtbeschlussfassung ist eigentlich in 80 Jahren keine berauschende Leistung
und daher sollten wir uns diese Frage stellen.
Und
den Ansatz von Herrn Landeshauptmann Pühringer aufgreifend, nämlich dass Landeshauptmänner
sich auch durchaus in diesen Kreis setzen sollten und könnten, möchte ich gerne
die Frage hinzu gesellen: Herr Landeshauptmann, sind Sie sicher, dass dann die
Entscheidungen in diesem Haus und hier getroffen werden? Dass dann die Repräsentanten
der neun Bundesländer hier verhandeln, um entsprechende Änderungen
herbeizuführen? Sie nicken. Ich nehme das zur Kenntnis. Aber ich hege, in
Kenntnis der österreichischen politischen Landschaft, meine leichten
persönlichen Zweifel.
Punkt
Nummer 2: Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frage des Bundespräsidenten
ist weder im Ausschuss noch hier sonderlich detailliert diskutiert worden.
Persönlich bedauere ich das. Und zwar, weil die Argumente, die dagegen ins
Treffen geführt werden, schlicht und einfach immer gültig sind. In einer
Demokratie - und das ist eine Binsenweisheit - gibt es Wahlen letztendlich
immer irgendwo. Und zweitens ist es zwar richtig, dass die Funktion des
Bundespräsidenten - im Übrigen gibt es nur eine einzige, die noch länger währt,
und auch die geht irgendwann einmal, wie Figura beweist, zu Ende - dass zwar
die Periode des Bundespräsidenten im Augenblick dabei ist, zu enden, dass es
aber gerade das - in meinen Augen - ein Argument ist, über die Änderungen, die
gegebenenfalls vorgenommen werden, zu diskutieren. Erstens einmal gibt es die
Möglichkeit, dem Bürger mehr Klarheit zu schaffen. Die Kandidaten könnten
entsprechend dazu Stellung nehmen und darüber hinaus wäre natürlich auch die
Möglichkeit, dass der Wähler sich besser orientieren kann.
Für
mich - das möchte ich ganz deutlich sagen - ist aber eines klar: Dieses
Dreiecksverhältnis - Gesetzgebung, Regierung und Bundespräsident - ist ein wohl
ausgewogenes und durchaus sinnvolles. Und man kann, wenn man die Funktion
tatsächlich in Frage stellt, diese Aufgaben nicht so reduzieren, dass
letztendlich nur mehr eine protokollarische Funktion übrig bleibt. Daher
entweder so oder gar nicht. Und da bin ich aus den genannten Gründen dezidiert
für eine Regelung, wie sie derzeit besteht.
Letzte
Bemerkung: Ich bin dezidiert für eine gesetzliche Verankerung eines
gesetzlichen Begutachtungsverfahrens. Speed kills ist ein Spruch, der sich
nicht wirklich in diesem Zusammenhang erfolgreich erwiesen hat. Und daher wäre
für Regierungsvorlagen, nicht für Initiativanträge im Nationalrat, eine
gesetzliche Verankerung eines Begutachtungsverfahrens sinnvoll. Faktisch haben
wir eine solche Verpflichtung ja und wir sollten sie daher auch entsprechend
legistisch umsetzen.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz
Fischer: Kollege Dr.
Hink ist der nächste Redner, bitte sehr.
Dr. Robert Hink: Sehr geehrter
Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Der Ausschuss 3 - Institutionen -
hat sich mit den verschiedenen Ebenen der Gebietskörperschaften
auseinandergesetzt, und als Interessensvertreter der kleinen und mittleren
Gemeinden gestatten Sie mir dazu eine kurze Anmerkung.
Frau
Präsidentin Orthner hat gesagt, wir beschäftigen uns oder wünschen uns eine
neue zukunftsweisende Verfassung für Österreich. Was die staatlichen
Institutionen und die Gebietskörperschaften betrifft, ist unsere Verfassung
nach wie vor in einem sehr hierarchischen System verankert - unterhalb Länder,
unterhalb Gemeinden. In der
täglichen Debatte und auch auf Europaebene aber haben wir ganz andere
Grundsätze mitzubeachten, nämlich das System der Bürgernähe, System der
Subsidiarität und wir wünschen uns alle die Zufriedenheit der Bürger mit den
Politiken. Ich glaube daher, wenn Sie jetzt meine Ausführungen zuhören, dass
wir hier ein neues System im Verhältnis der Gebietskörperschaften zueinander
wollen, nicht ein hierarchisches, sondern ein partnerschaftliches, vernetztes
System, wo alle drei Gebietskörperschaftsebenen gleichberechtigt nebeneinander
stehen.
Im
Ausschuss 3 glaube ich, möchte ich hier darauf hinweisen, haben wir uns mit dem
System der Gemeinde beschäftigt. Unsere derzeitige Bundesverfassung garantiert
nur der Institution Gemeinde, aber nicht der derzeit bestehenden Gemeinde,
ihren Bestand. Aus der Sicht des Österreichischen Gemeindebundes wünschen wir
uns eine Bestandsgarantie in dem Sinn, den Gemeinden mit den derzeitigen
Flächen, dass eine Zwangsfusionierung, eine Zusammenführung der Gemeinde gegen
deren Willen nicht möglich ist. Diese Zwangsbeglückungen der Gemeinden haben in
der Vergangenheit nur zu Unzufriedenheit, zu Unruhe geführt, und daher glaube
ich, muss der Wille der Bevölkerung respektiert und akzeptiert werden: Dass es
keine Zwangsfunktionierungen geben darf, sondern, eine Zusammenlegung und eine
Trennung von Gemeinden zwingend einer Volksabstimmung der betroffenen
Bevölkerung zuzuführen ist.
Ein
weiterer Punkt, vom Generalsekretär des Städtebundes angesprochen, ist der
Begriff der Einheitsgemeinde. Die Einheitsgemeinde, glaube ich, ist ein
unverzichtbarer Bestandteil in unserer Bundesverfassung, denn jeder Bürger hat
von seiner Gemeinde einen Anspruch darauf, bestes Service in gleicher Qualität
zu bekommen. Es kann nicht so sein, dass es Gemeinden unterschiedlicher
Qualität gibt, dass ein Bürger in den ländlichen Gebieten, weil es kleine
Gemeinden sind, weniger Leistungen von seiner Gemeinde erhalten kann, als die
Bürger in einer großen Stadt. Den Bürger interessiert dabei überhaupt nicht, wo
die Arbeit gemacht wird. Der Bürger braucht als Ansprechperson seine Gemeinde,
die sich ja seit Jahrhunderten bewährt hat. Ich glaube daher, wir sollten die
Einheitsgemeinde in Österreich garantieren, verfestigen und gleichzeitig den
Weg der interkommunalen Zusammenarbeit gehen. Wer im Backoffice arbeitet, wer
die Bescheide macht, wer die Administration intern macht, interessiert den
Bürger überhaupt nicht. Er möchte beste Leistung haben und die vor Ort. Der
Österreichische Gemeindebund hat sich daher erlaubt, Sie alle, die hier sind,
zu einer Veranstaltung nächste Woche, die wir mit dem Föderalismusinstitut
durchführen - Dr. Bußjäger ist hier - einzuladen, wo wir die neuen Wege der
Gemeindezusammenarbeit nicht nur theoretisch diskutieren, sondern bereits auch
anhand einiger Beispiele darstellen.
Meine
sehr geehrten Damen und Herren, Landeshauptmann Pühringer hat von der
Umwandlung des Bundesrates in eine Länderkammer gesprochen. Und ich glaube, das
ist wirklich ein zukunftsweisender Weg, dem Bundesrat verstärkte Aufgaben in
wesentlichen Punkten zu geben. Nicht überall im Nachhinein zu kontrollieren,
sondern mitzuwirken. Ich glaube aber, dass die Gemeinden ebenso betroffen sind
von jedem Gesetz, und daher glaube ich auch, dass man dem Modell Freibauer, das
von einer Länder- und Gemeindekammer spricht, das man dem näher treten soll und
hier auch wirklich, natürlich nicht paritätisch, aber in einem gewissen Ausmaß,
die Gemeindeninteressen mit einzubeziehen sollte, und nicht nur die
Landeshauptleute, sondern auch die Spitzengremien des Gemeindebundes und
Städtebundes mit involvieren sollte.
Abschließend
möchte ich noch darauf hinweisen, dass vor allem der Bereich des Wahlrechtes einer
Durchforstung und einer wegweisenden Erneuerung zugeführt werden soll. Gerade
auf kommunaler Ebene, wo wir die Wahlen durchführen, stehen wir vor großen
Problemen und gerade auf kommunaler Ebene werden auch sehr viele vom Wahlrecht
durch die derzeitigen Gesetze ausgeschlossen. Dieses Wochenende finden in
Finnland Schirennen statt, hat jemand von Ihnen bedacht, dass Maier, Eberharter
usw., wir wählen in Salzburg und Tirol, vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Ich
plädiere daher auch hier noch einmal, darüber nachzudenken, neue flexible Wege
zu gehen.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz
Fischer: Nächster und
vorläufig vorletzter Redner ist der Kollege Mag. Wutscher. Bitte, Herr Kollege.
Mag. Werner Wutscher: Danke, Herr
Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich
möchte mich auf drei Punkte beschränken, der erste Punkt ist das
Gesetzgebungsverfahren. Ich glaube, dass es Ziel dieses Konvents sein sollte,
ein möglichst effizientes und auch rasches Gesetzgebungsverfahren zu
gewährleisten. Ich stimme durchaus mit überein mit Kollegen Bußjäger, dass es
notwendig und sinnvoll ist, die Mitwirkung der Länder in jedem Fall
sicherzustellen und auch unter bestimmten Kriterien auszubauen. Und auf diese
Kriterien möchte ich ganz kurz eingehen.
Der
erste Punkt ist sicherlich das Einbringen der Sachkunde der Länder im Bereich
des Vollzugs. Durch das Verwaltungsreformgesetz 2002 ist in einer Vielzahl von
Gesetzen, die derzeit in mittelbarer Bundesverwaltung vollzogen werden, die
Ebene der Ministerien weggefallen, und damit auch sehr viel
Verwaltungserfahrung. Im Grunde genommen ist notwendig, hier die Länder entsprechend
einzubinden. Ich glaube auch, dass die derzeitigen Verfahren, auch der neue 14b
Bundesverfassung, keine abschließende Antwort auf dieses Problem gestellt hat.
Jedenfalls muss aber sichergestellt sein - und ich glaube, das ist vor allem im
Hinblick auf die Notwendigkeiten der Europäischen Union notwendig -, dass es
ein rasches Verfahren ist, das nicht mittel- und langfristig blockiert werden
kann.
Der
zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist die Frage des Legalitätsprinzips
und ich möchte hier ausdrücklich mich auch bei der Wortmeldung von Professor
Öhlinger sehr herzlich bedanken, denn es war nicht umsonst so, dass sich im
Mandat des Ausschusses 6 die Frage des europäischen Legalitätsprinzips gefunden
hat, wir aber mit Holzinger übereingekommen sind, sie im Ausschuss 3 zu
diskutieren. In der Tat ist heute in der Verwaltung gerade mit dem Beitritt zur
Europäischen Union eine Vielzahl und Fülle an Normen umzusetzen und ich glaube
- ich bekenne mich auch völlig zum Konsens im Ausschuss 3 -, dass hier eine
entsprechende verfassungsgesetzliche Verankerung stattzufinden oder vorzunehmen
ist. Ich glaube aber dennoch, dass die Probleme, die heute schon angesprochen
worden sind, einer weiteren Diskussion bedürfen, und auch eines weiteren
Auseinandersetzens.
Der
letzte Punkt ganz kurz, die Frage des Begutachtungsverfahrens. Ich bin durchaus
der Meinung von Volksanwalt Kostelka, das gesetzlich zu verankern, glaube aber
nicht, dass es notwendig ist, im Zeitalter der Internetkonsultation und wo in
vielen Bereichen auch bei der Einbindung von Stake Holdern eigene Prozesse von
einzelnen Ministerien im Begutachtungsverfahren vorgesehen sind, dies
verfassungsgesetzlich zu normieren, sondern ich glaube, dass hier eine flexible
Regelung notwendig ist. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz
Fischer: Frau Kollegin
Stoisits bitte, Frau Magistra!
Mag. Terezija Stoisits:
Danke Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren!
Ich möchte noch zwei Anfügungen machen, weil die
Zeit der Frau Dr. Petrovic, die die Grünen in dem Ausschuss vertreten hat,
davongelaufen ist. Fünf Minuten sind wahrlich kurz, wenn man bedenkt, dass es
eine Erörterung über eine mögliche künftige Bundesverfassung sein soll.
Meine Anmerkung gilt dem Wahlrecht, in dem Fall
der Frage, wie viele Menschen gibt es, die vom Wahlrecht ausgeschlossen sind.
Lieber Herr Doktor, also mein Mitleid mit Maier und Eberharter ist da, ich
bedaure es sehr, dass Maier und Eberharter am Sonntag ihre Stimme nicht abgeben
können, aber sie sind, wiewohl nicht das Hauptproblem, das wir haben, wenn es
um die Partizipation von Menschen an dem politischen Prozess in Österreich
geht. Es gibt nämlich tausende und abertausende von Menschen, die seit Jahren
und Jahrzehnten hier leben, und gerade auf jener Ebene, der, für die Sie
gesprochen haben, nämlich auf der der Gemeindeebene, vom Wahlrecht
ausgeschlossen sind, weil sie nicht die österreichische Staatsbürgerschaft
haben. Und auf der Ebene der Gemeinden ist es für mich sozusagen überhaupt das
völlig am wenigsten Nachvollziehbare, weil es dort um die elementaren
Interessen des Einzelnen und der Einzelnen geht, die sie gerne einbringen
möchten.
Und deshalb ist es ein erklärtes Anliegen der
Grünen hier im Konvent, diesem Gesichtspunkt besonders deutliches Augenmerk zu
schenken und deshalb freue ich mich, dass heute mehrere Redner, die Mitglieder
sind oder die mitgearbeitet haben im Ausschuss, darauf eingegangen sind. Also -
weil ich nämlich im Bericht gelesen habe, das Wort „vereinzelt.“ Also mir
erschienen der Bericht und die Stellungnahmen heute nicht als vereinzelt, denn
es haben sowohl Vertreter der Städte als auch der SPÖ, als auch der Gemeinde,
hier eindeutig heute Stellung genommen und ich bitte Sie, jetzt im Sinne von
Eberharter und Maier, jetzt in Bezug auf Briefwahl, da sind wir auch offen,
aber auch in der Frage der möglichst großen Übereinstimmung zwischen
Wohnbevölkerung - da kann man reden sozusagen, wie lang jemand hier seinen
Wohnsitz zu haben hat -und Wählerinnenbevölkerung zu einer möglichst großen
Übereinstimmung auf allen Ebenen zu kommen. Danke vielmals.
Stellvertretender
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer‡: Danke vielmals. Habe ich Wortmeldungen übersehen, zu diesem Teil der
Debatte, zum ersten Tagesordnungspunkt? Wenn das nicht der Fall ist, dann
schließe ich diesen Teil unserer Beratungen ab, über den weiteren Fortgang
werden wir ja dann im Präsidium sprechen, und ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 2 auf.
Der wird eingeleitet durch einen Bericht von Dr. Matzka. Eine Redezeit von
maximal 15 Minuten vorgesehen. Bitte, Herr Kollege Dr. Matzka.
Dr. Manfred Matzka: Sehr
geehrter Herr Präsident! Liebe Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen!
Ich
darf zum Ergebnis des Ausschusses 7 meinen Bericht erstatten, und Sie erlauben
mir vor Eingang in den Gerichtstext drei Vorbemerkungen.
Erstens.
Der Bericht zeigt, denke ich, dass es möglich ist, auch im Konvent Konsense zu
erzielen. Und wenn anlässlich anderer Berichte beklagt wurde, dass nur
Auflistungen kontroversieller Positionen das Ergebnis dominieren, dann ist das
in unserem Bericht zum Glück nicht der Fall und ich finde das auch sehr gut: Wir
haben gezeigt, dass wir hier die Chancen haben, zu konstruktiven Ergebnissen
gemeinsam zu kommen.
Zweitens.
Die Zahl der Konsenspunkte wäre mit Sicherheit noch größer, wenn an den
Ausschussberatungen diejenigen teilgenommen hätten, die eigentlich dem Konvent
angehören. Wir hatten ganz ausgezeichnete Vertreter in diesem Ausschuss, ganz
hervorragende, aber die kommen natürlich an irgendeinem Punkt an das Ende des
Pouvoirs, und dann ist ein Konsens in Sichtweite und man schafft ihn nicht,
weil das Pouvoir nicht weiter reicht. Schlussfolgerung klar.
Drittens.
Wenn ich unser Ergebnis unter legistischen Aspekten zusammenfasse, dann wird
deutlich, dass ein beträchtlicher Effekt für den Verfassungsrechtsbestand
erreicht werden könnte. Im Vergleich zum geltenden Recht werden rund 100
Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen entfallen, nämlich die
Sonderregelung für die weisungsfreien Behörden. Es werden darüber hinaus drei
Artikel über die Kontrolle ausgegliederter Einrichtungen durch den Rechnungshof
auf einen einzigen zusammengefasst werden können, und die sind jeder eine
Druckseite lang. Es werden drei Bestimmungen über die
Privatwirtschaftsverwaltung, die sich an verschiedener Stelle im
Verfassungstext finden und die eine verwirrend unterschiedliche Wortwahl
zeigen, zu einer Norm zusammenfallen, und auf der Ebene des einfachen Gesetzes
könnten im Optimalfall die derzeit mindestens 63 Ausgliederungsgesetze des
Bundes, von denen der Länder rede ich nicht, auf 4 oder 5 reduziert werden. Im
schlechtesten Fall könnte man jedenfalls vermeiden, dass hier im
Ausgliederungsrecht der Nachwuchs so anhält wie in den letzten Dekaden.
Nun
zum Inhalt des Berichts. Der Ausschuss hatte sich im weitesten Sinne mit den
staatlichen Einrichtungen auseinanderzusetzen, die weder dem Typus nach, noch
in ihrer konkreten Ausprägung zurzeit der Entstehung des B-VG 1920 bestanden
haben. Es ist neben dem B-VG eine Fülle von weisungsfreien Einrichtungen
entstanden, die heute so zahlreich sind, dass sie geradezu nach einer
generellen Regelung schreien.
In den
letzten beiden Jahrzehnten wurde eine Reihe staatlicher Tätigkeiten auf neu
geschaffene Rechtsträger ausgelagert, für die eine exakte Position im Gefüge
der staatlichen Organisation bisher nicht recht klar - aber jedenfalls nicht
einheitlich - fixiert ist. Es stellt sich die Frage, wie diesem Phänomen
verfassungsrechtlich zu begegnen ist.
Darüber
hinaus ist das heutige Staatshandeln, gegenüber der Situation von vor 80 Jahren
dadurch geprägt, dass heute viele Aktivitäten privatrechtlich - formal
gesehen privatrechtlich -
sind, und sich unsere Institutionen der Verfassung auf die
öffentlich-rechtlichen Handlungsformen konzentrieren. Und auch die
nicht-territoriale Selbstverwaltung und die Sozialpartnerschaft findet
praktisch überhaupt keine Spiegelung im geltenden Verfassungsrecht. Der
Ausschuss schlägt nun vor, alle
diese neuen Phänomene verfassungsrechtlich durchaus zu erfassen; sie aber nur
in den Grundsätzen, aber nicht im Detail zu regeln; mit dem einfachen Gesetz
einen Gestaltungsspielraum zu lassen, der nicht unbegrenzt sein soll. Aber er
soll dadurch gekennzeichnet sein, dass der Gesetzgeber nicht für jede einzelne
Neuerfindung eine spezielle neue und besonders originelle Lösung trifft,
sondern sich so weit wie möglich an Standards hält. Ausgehend von diesem
Grundverständnis gibt der Ausschuss eine Reihe von Anregungen gegenüber anderen
Ausschüssen ab. Sie finden diese aufgelistet auf Seite vier.
Der
erste Block der konkreten Vorschläge des Ausschusses beschäftigt sich nun mit
Regulatoren und sonstigen unabhängigen Behörden. Und hier haben wir im
Gegensatz zum eigentlichen Ansatz des Mandats die Möglichkeit gesehen, einen
gemeinsame Vorschlag für beide Behördentypen vorzulegen. Also umgekehrt: Wir
konnten es vermeiden, zwei getrennte verfassungsrechtliche Regelungen für
Regulatoren und unabhängige weisungsfreie Behörden vorzulegen.
Der
Ausschuss legt eine Grundbestimmung zur weisungsfreien Verwaltung vor, in der
eine generelle, abstrakte Ermächtigung an den einfachen Gesetzgeber gegeben
wird. Er soll weisungsfreie Behörden zwar ermöglich, da diese aber die gesamte
Konstruktion unseres Verwaltungsaufbaus auflösen würde, soll er es nur auf
bestimmte Verwaltungsfelder beschränkt tun können. Diese Felder werden mit
allgemeinen Termini beschrieben und sie finden auf der Seite 24 einen
Textvorschlag, der im Prinzip konsentiert ist, aber in den Nuancen der
Definition dieser Tatbestände unterscheidet, in zwei Varianten.
Mit
dem Ergebnis ist es jedenfalls künftig nicht mehr notwendig, für jede weisungsfreie
Einrichtung eine eigene Verfassungsbestimmung zu schaffen. Damit löst sich in
der Konsequenz aber auch das Konzept der heutigen Artikel 133 Ziffer 4 auf.
Diese sollen nach Vorschlag möglichst weitgehend in eine
Verwaltungsgerichtsstruktur aufgehen, und nur dort, wo das nicht sinnvoll
erscheint, können ausnahmsweise weisungsfreie Behörden weiterhin geschaffen
werden. Für diese scheint es uns da nicht mehr notwendig, ein richterliches
Mitglied vorzusehen, und der Instanzenzug soll dann direkt zum
Verwaltungsgericht gehen. Wir kennen die Konzeption, wie sie im zuständigen
Ausschuss hierfür entwickelt wurde, und billigen sie.
Bei
näherem Hinsehen passen die Regulatoren, die in letztem Jahrzehnt geschaffen
wurden, durchaus auch in dieses Konzept. Nach einer Anhörung haben wir für die
Regulatoren noch eine Fülle weiterer Anregungen aufgenommen, die sich
allerdings nicht auf Verfassungsebene, sondern auf das einfache Gesetz
beziehen. Sie finden auf Seite 8
und folgende den Hinweis, dass Regulatoren dort, wo sie zu politischen
Entscheidungen in der Infrastrukturpolitik berufen sind, auch den obersten
Organen nachgeordnet sein sollen, eine politische Verantwortung gegenüber dem
Parlament haben sollen. Dort, wo sie Einzelfallentscheidungen treffen, soll Unabhängigkeit
gegeben sein. Verbesserungen sind notwendig, weil die Verfahrensdauer bei
Regulatoren ganz durchgehend als zu lang empfunden wird. Auch ein Instanzenzug
innerhalb eines Regulators wurde nicht als sehr sinnvoll angesehen, und es gab
auch eine Kritik an unbegrenzten Kosten, die bei den Regulatoren entstehen und
von den Regulierten zu tragen sind.
Jedenfalls
werden Standardisierungen in diesem Bereich gewünscht. Wir empfehlen für die
einfachgesetzliche Schaffung von Regulatoren daher Kollegialbehörden, aber nur
eine Schicht, mit Einbeziehung sachverständiger Mitglieder, einer hohen
Transparenz des Verfahrens, Verfahrenskonzentrationen, Kostendeckelung und
Konzentrationen aller Führungs- und Managementzuständigkeiten beim Leiter des
jeweiligen Regulators.
Der
zweite Block des Berichts bezieht sich auf die ausgegliederten Rechtsträger. Es
geht also nicht um die Brechung des Weisungszusammenhangs, sondern es geht
darum, dass der Zurechnungszusammenhang durch ein eigenes Rechtssubjekt
durchschnitten wird. Hier schlagen wir vor, im Verfassungsrecht
sicherzustellen, dass bestimmte staatliche Hoheitsaufgaben nicht ausgegliedert
werden dürfen. Als ausgliederungsfeste Aufgaben haben wir durchaus über jenen
Bereich diskutiert, der sich aus der derzeitigen VfGH-Judikatur ergibt. Wir
empfehlen allerdings keinen taxativen Katalog dafür im B-VG, sondern wir
meinen, dass mit einer adäquaten Formulierung der Grundrechte oder der
Staatsziele dieses Ergebnis sichergestellt werden kann und soll.
Für
den Verfassungstext empfehlen wir dem Bund und den Ländern die absolut gleichen
Möglichkeiten bei der Ausgliederung zu Verfügung zu stellen. Die derzeitige
Kompetenzlage benachteiligt der Länder. Den Vorschlag, der daraus resultiert,
sehen Sie auf der Seite 29. Weitere verfassungsrechtliche Regelungen für
Ausgliederungen schlagen wir nicht vor. Wir meinen aber, dass es dringend
notwendig ist, den derzeitigen Bestand an Ausgliederungsnormen zu durchforsten,
zu vereinheitlichen, zu standardisieren. Als geeignetstes Instrument dafür
empfehlen wir ein Weißbuch,
das von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam erarbeitet und getragen wird, und
in dem solche Standards entwickelt werden.
Die
Probleme, die sich aus der derzeitigen bunten Vielfalt ergeben sind ja nicht nur
theoretischer Natur, sie haben auch praktische Konsequenzen. Manchmal ist es
nicht einmal möglich, eine Eröffnungsbilanz bei einem Ausgegliederten zu
schaffen. Manches Mal sind die Zusammenhänge zwischen Aufsichtsorganen und dort
tätigen Organen unklar, manches Mal gibt es bei den Dienstnehmern der
Ausgegliederten große Probleme in Folge der Uneinheitlichkeit. All das lässt
sich durch Standardisierungen beseitigen und regeln. Wichtig ist aber auch -
und das haben wir mehrfach festgehalten - die Kontrolle in Bezug auf
Ausgliederungen. Und zwar eine Kontrolle - und hier möchte ich ein
Missverständnis im Text vermeiden - eine Kontrolle, die dem jeweiligen
parlamentarischen Organ für die jeweiligen ausgegliederten Einrichtungen
zukommen soll. Also, des Gemeinderats für die Gemeindeausgegliederten, des
Landtags für die im Land Ausgegliederten und auf Bundesebene genauso.
Wir
haben festgehalten auch noch, dass man sich bei den Ausgliederungen eine
intensive Vorbereitung und Nachbereitung wünschen muss. Man braucht für eine
Ausgliederung eine klare Zielsetzung, Effizienzkriterien, Wirkungsanalyse und
im Nachhinein eine Evaluierung. Und dann machen wir in zwei Bereichen noch
konkretere Vorschläge, nämlich zur Personalgestion und zu den
Kontrollnotwendigkeiten bei der Ausgliederung. Wir meinen zur Kontrolle, dass
es bei der politischen und bei der Rechnungshofkontrolle Ausgegliederter
jedenfalls keinen kontrollfreien Raum geben darf. Und dort, wo über das oberste
Verwaltungsorgan eine parlamentarische Kontrolle in Folge der Weisungsfreiheit
oder der Ausgliederung nicht möglich ist, muss man nach Alternativen suchen,
für die es durchaus international auch Beispiele gibt.
Der
nächste Block des Berichts beschäftigt sich mit der Privatwirtschaftsverwaltung
und ich erspare mir hier allgemeine Bemerkungen, gestützt auf eine Diskussion
von 30 Jahren Rechtswissenschaft. Seite 16 folgende, finden Sie ein paar
Andeutungen dazu. Wir sind auch der Versuchung widerstanden, aufwendige
Spezialregelungen zur Lösung jener Probleme vorzuschlagen, die von der
Literatur und Wissenschaft entwickelt wurden. Ich glaube auch, wenn wir den
Artikel 18 aufs Zehnfache aufblasen, wird das die Diskussion nicht erübrigen.
Wir lassen also das Legalitätsprinzip unangetastet im vollen Verständnis dessen,
dass es für den Privatwirtschaftsverwaltungsbereich andere Geltungskraft hat
als für den hoheitlichen Verwaltungsbereich. Wir schlagen keinen neuen Text zum
Artikel 18 vor. Was wir aber schon vorschlagen, ist eine einfache und klare
Bestimmung, dass alle Gebietskörperschaften und sonstigen
Selbstverwaltungskörper privat rechtsfähig sein sollen. Da gibt es Varianten in
der Textformulierung.
Zur
Kompetenzverteilung empfehlen wir die Beibehaltung des derzeitigen Systems in
der Privatwirtschaftverwaltung, also nicht das deutsche System, wonach die
Kompetenzverteilung auch für den privatrechtlichen Vollzug gelten soll, sondern
nehmen nach langer Diskussion sehr positiv und bewusst in Kauf, dass es
parallele und konkurrierende Zuständigkeiten gibt. Dabei soll es bleiben, so
meinen wir das im Ausschuss.
Besonderes
Gewicht legt der Bericht darauf, dass im Grundrechtsbereich jener Rechtsschutz,
der in den letzten Jahren durch die Judikatur auch im Feld der
Privatwirtschaftsverwaltung entwickelt wurde, auch weiterhin aufrecht bleibt
oder womöglich noch verbessert wird. In anderen Worten: Der Staat soll sich
durch die Flucht ins Privatrecht einer Verantwortung nicht entziehen können.
Tendenzen, wie sie in der Rechtssprechung entwickelt wurden, zeigen aber sehr deutlich,
dass die letztinstanzlichen Gerichtshöfe, inklusive des OGH, diese Ansicht
durchaus teilen und stützten.
Zum
speziellen Aspekt privatrechtlicher Förderungen empfehlen wir vor dem
Hintergrund der konkurrierenden Zuständigkeiten jedenfalls eine möglichst
weitgehende gegenseitige Akkordanz zwischen Bund, Ländern und Gemeinden - da
haben wir lang gestritten im Detail, wie man das textieren soll.
Der
letzte Block bezieht sich auf die nicht-territoriale Selbstverwaltung. Hier
schlagen wir eine Verankerung auf verfassungsrechtlicher Ebene vor. Diese soll
aber sehr knapp und sehr kurz sein und sich an den Regelungen für die Gemeinden
orientieren. Die Frage, welche gesellschaftlichen Situationen
Selbstverwaltungskörper haben sollen, das Recht darauf haben, haben wir so
gelöst, dass wir uns an der Realverfassung orientiert haben und die Großen
vorgeschlagen haben als Pflichtprogramm für die Selbstverwaltung. Die
Sozialversicherungsträger haben wir diskutiert. Sie haben große Unterstützung
gefunden als Pflichtprogramm für die Selbstverwaltung. Aber dazu gab es keinen
Konsens. Das ist auch festgehalten.
Ansonsten
sehen Sie, dass wir für diese Selbstverwaltungskörper die innere Organisation
in den Grundprinzipien zu Regeln vorschlagen, wie wir sie für die Gemeinden
finden. Ich möchte schließen mit dem Dank an die Kolleginnen und Kollegen im
Ausschuss. Ich habe selten in meiner Berufslaufbahn in einem so guten und
engagierten Team gearbeitet. Das muss man wirklich sagen. Und, ich möchte mich
bedanken beim Ausschussbetreuer, der sehr phantasievoll und kreativ vieles
beigetragen hat. Ihnen herzlichen Dank, und ich hoffe auf gute Aufnahme des
Berichts.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz
Fischer: So, vielen
Dank für den Bericht, und nachdem der Vorsitzende allen seinen
Ausschussmitgliedern gedankt hat, dürfen wir auch dem Vorsitzenden herzlich
danken.
Wir
gehen in die Debatte ein. Redezeit jeweils 5 Minuten. Als erster Redner Kollege
Dr. Korinek, bitte.
Dr. Karl Korinek: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren!
Die
fünf Minuten ermöglichen es nicht, den Bericht umfassend zu würdigen. Ich
möchte daher auf das mir besonders wichtig erscheinende Problem der
ausgegliederten Rechtsträger in einigen kleinen Punkten eingehen, zuvor aber
zwei Bemerkungen zu anderen Bereichen machen. Ich bin sehr beeindruckt von den
Vorschlägen über die nicht-territoriale Selbstverwaltung in ihrer
Ausgewogenheit, der Intensität der Regelung. Ich halte das für im hohen Maß
gelungen. Zur Privatwirtschaftsverwaltung würde ich bitten, ein bisschen weiter
zu denken. Die Ansätze, die in dem Papier drinnen stehen, zu einer
Differenzierung der Bindung privatrechtlicher Gestaltung durch den Staat an das
Gesetz, je nachdem, um welche Bereiche es inhaltlich geht.
Erwerbswirtschaftliche Tätigkeit wird hier sicher ganz anders zu behandeln
sein, als etwa die Subventionsverwaltung. Das ist angedacht, aber sollte
ausgeführt werden.
Zu den
ausgegliederten Rechtsträgern: zunächst habe ich den Eindruck, dass es sich
auch hier um eine sehr ausgewogene Position handelt, die das Papier vorschlägt.
Ich bin auch als Vorsitzender des Ausschusses 2 ganz begeistert von den
Vereinfachungseffekten, die vor allem von zwei Vorschlägen ausgehen, nämlich
einerseits vom Wunsch zu einer generellen Ermächtigung für Regulatoren und zum
anderen von dem Vorschlag der Einheit des einheitlichen Personalamtes für
Beamte, die hier tätig sein sollen. Diese beiden Dinge führen ja derzeit zu
unglaublich vielen einzelnen Verfassungsbestimmungen.
Eine
Anregung, die wohl eher ans Präsidium zu richten ist, als an den Ausschuss von
der Thematik her: Es fehlt mir eine Behandlung der spezifischen Probleme der
beliehenen Gesellschaften. Wenn Sie etwa an die Zivildienstverwaltung denken -
eine GesmbH, das ist nicht ein Regulator im eigentlichen Sinn. Das ist auch
kein ausgegliederter, das sind beliehene, und dort gibt es eine Reihe von sehr
ähnlichen Problemen, die man überlegen soll. Konkret zu einigen Sätzen auf
Seite 8 des Berichts. Da wird zunächst gesagt, dass bei den Regulatoren die
Unabhängigkeit vom Staat wesentlich erscheint, solange dieser Eigentümer von
Unternehmen des regulierten Bereichs ist. Und dann wird später - allerdings nur
einfachgesetzlich - die Weisungs-, das Weisungsrecht postuliert. Da liegt ein
gewisser Widerspruch drin, Unabhängigkeit vom Staat und Weisungsrecht gegenüber
den obersten staatlichen Organen passen nicht voll zusammen. Meine
Grundposition hier - ich meine, die Idee kommt ja aus dem Gemeinschaftsrecht -
ist die Trennung des Schiedsrichters vom Spieler. Das soll getrennt werden, nur
meine persönliche Meinung ist, dass der Staat geeignet ist, Schiedsrichter zu
spielen und nicht Mitspieler sein soll. Also, wenn man hier trennt, dann glaube
ich, dass es die Aufgabe des Staates ist, sich auf die Regulierung zu
beschränken und nicht auf die Unternehmenseigentümerschaft.
Ich
glaube allerdings auch, dass die Weisungsbindung ganz notwendig ist, und zwar
vor allem im Interesse des demokratisch parlamentarischen Systems. Man muss
sich dieses Zusammenhangs immer wieder bewusst sein, nämlich des Zusammenhangs
Ingerenzmöglichkeit der Obersten Organe und Kontrolle der Obersten Organe durch
das Parlament, vom Fragerecht hin bis zu den anderen Möglichkeiten. Dort, wo
ich Oberste Organe von der Ingerenz ausschalte, schalte ich letztlich das
Parlament von der Kontrolle aus - und das ist keine gute Entwicklung. Danke
schön.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz
Fischer: Danke
vielmals. Nächster Redner Herr Landeshauptmann Niessl. - Bitte. Und dann Frau
Dr. Petrovic.
Hans Niessl: Herr
Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Unsere
Bundesverfassung ist seit ihrem Bestehen starken Veränderungen unterworfen. Im
Bericht des Ausschusses VII wurden sehr wichtige Bereiche angeführt. Das
betrifft die Ausgliederung, die weisungsfreie Besorgung von
Verwaltungsangelegenheiten, die Einführung unabhängiger Verwaltungsorgane, das
Handeln in nicht-hoheitlichen Formen und die Selbstverwaltung. Den
Entwicklungen in diesen Bereichen ist in einer modernen Verfassung Rechnung zu
tragen.
Was
die Regulatoren betrifft, sind im Bericht Rahmenbedingungen vorgesehen, die ich
auf jeden Fall für erforderlich halte. Damit ist gewährleistet, dass in wesentlichen
Fragen die politische Verantwortung weiterhin von den obersten Organen
wahrgenommen werden muss.
Zu
diesen wesentlichen Fragen zählt die Infrastruktur. Eine allfällige
Verordnungsermächtigung an den Regulator ist mit einer einfachgesetzlichen Regelung
ausdrücklich zu bestimmen. Der Aufgabenbereich ist zu umschreiben. Weiters
sollte auch ein Zustimmungsrecht der politisch Verantwortlichen - zum Beispiel
der Minister - verankert werden. Darüber hinaus unterstütze ich den Standpunkt,
diese Form der staatlichen Verwaltungsorganisation auch zu befristen. Zu
befristen auf jenen Zeitraum, in
dem der Staat Eigentümer von Unternehmen des regulierten Bereiches ist.
Die
Diskussionen im Ausschuss VII brachten mich auch zu der Überzeugung, dass eine
neue Staatszielbestimmung aufgenommen werden sollte. Das betrifft die im
Ausschuss I diskutierte Formulierung der Daseinsvorsorge. Diese Formulierung
umfasst Leistungen im öffentlichen Interesse. Konkret geht es dabei um die
Versorgungssicherheit, um den Verbraucherschutz, um die soziale Erreichbarkeit,
um die Gesundheit und die Bildung, die Nachhaltigkeit und den territorialen und
sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft.
In
punkto Ausgliederung teile ich grundsätzlich die Bedenken hinsichtlich der
Schaffung von Sonderprivatrecht. Falls derartige Sonderrechte dennoch
geschaffen werden, sollten sie nicht nur für den Bund, sondern auch für die
anderen Gebietskörperschaften gelten.
Zur
Frage der Privatwirtschaftsverwaltung einige kurze Feststellungen:
Ich
halte es für problematisch, wenn der Staat die Rechtsstellung des Bürgers durch
den Wechsel der Rechtsform vom hoheitlichen in den privatwirtschaftlichen
Bereich verschlechtert, damit subjektive öffentliche Rechte beseitigt und keine
äquivalenten zivilrechtlichen Ansprüche gewährt. Dies würde bei der
Durchsetzung von Interessen vor allem zu Lasten der Schwächeren in unserer
Gesellschaft gehen.
Weiters
trete ich für die Beibehaltung der derzeitigen Kompetenzlage ein. Bund und
Länder sollen wie bisher die Möglichkeit der Förderung haben. Das andiskutierte
Zusammenwirken der Gebietskörperschaften bei Förderungen muss jedenfalls auch
in Relation zur gewährten Förderung stehen, um allzu hohen Verwaltungsaufwand
zu vermeiden.
Im
Hinblick auf die Bedeutung der Selbstverwaltungskörper beim Aufbau unseres
Staates trete ich für eine Verankerung in der Verfassung ein; ausdrücklich auch
unter Einbeziehung der Sozialversicherungsträger.
Grundsätzlich
wurde allgemein begrüßt, dass die Verankerung der Sozialpartner im Artikel 47 des
Entwurfs des Vertrages über eine Verfassung für Europa enthalten ist, womit die
Europäische Union die Rolle der Sozialpartner anerkennt und auf Ebene der Union
fördert. Daher sollten auch die Sozialpartner bei den Staatszielbestimmungen
berücksichtigt werden. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz
Fischer: Frau Doktor
Petrovic, bitte. Und dann Kollege Dr. Bußjäger.
MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Herr
Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Die
Grünen konnten aus Gründen der personellen Restriktionen im Konvent nicht am
Ausschuss VII teilnehmen - möglicherweise ein Grund dafür, warum hier das Maß
des Konsenses als höher eingeschätzt wird als in anderen Ausschüssen -, aber
ich will insofern unsere zentralen Positionen zu den wesentlichen Punkten des
Ausschussberichtes skizzieren; wir werden uns dann auch natürlich erlauben, das
schriftlich zu deponieren.
Wir
haben eine grundsätzliche Skepsis bei der Ausweitung weisungsfreier Organe,
weil natürlich die Weisung die eine Seite der Medaille ist, und die politische
Verantwortung der Ressortleiterin die andere Seite der Medaille. Und das ist
uns sehr wichtig, dass es hier eine klare Zuordnung gibt, noch dazu, wo uns im
Ausschussbericht die Struktur dieser weisungsfreien Behörden in vielen Punkten
nicht befriedigt, insbesondere, wenn man schon solche Einrichtungen braucht
bzw. in manchen Bereichen für erforderlich hält, dann ist es ein zentrales
Kriterium, dass gerade derartige Organe eine strikte Gesetzesbindung haben,
dass der Bestellungsmodus klar ist, und dass es eine politische Verantwortung -
unserer Meinung nach - gegenüber dem Parlament gibt.
Ich
erlaube mir, in dem Zusammenhang darauf aufmerksam zu machen - es wird ja hier
teilweise der ganze Komplex der Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament
verwiesen an den Ausschuss VIII -, ich erlaube mir einmal mehr festzuhalten:
Wir haben heute schon einen gewaltigen Bereich von Verwaltungshandlungen, die
keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegen, und zwar im Bereich der
mittelbaren Bundesverwaltung. Hier haben wir zwar nach Länderpraxis
unterschiedlich, aber jedenfalls kann ich für mein Bundesland, für
Niederösterreich, sagen, einen riesigen Bereich, in dem wir weder vom
zuständigen Landesrat, der zuständigen Landesrätin noch vom Bundesminister
irgendeine Auskunft bekommen. Das sind praktisch alle umweltrelevanten
Materien. Man kann anfragen zum Ozongesetz oder ähnliche Stellen, die Antwort
ist immer dieselbe: Land antwortet nur zur Vollziehung von Landesgesetzen durch
Landesorgane, Bund nur beim entsprechenden bundesrechtlichen Pendant. Dieser
große Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung ist schon heute de facto
außerhalb der parlamentarischen Kontrolle, und daher haben wir natürlich große
Angst, jetzt hier einen Bereich zu sehen, wo es möglicherweise eine Ausweitung
dieser nicht kontrollierten Bereiche gibt, ohne dass ich schon eine sehr klare
Absicht habe, wie hier das Kontrolldefizit zu beheben ist.
Das
heißt: Wir stimmen sicher keinen Modellen zu, wenn nicht die Art der Kontrolle
ganz transparent und klar skizziert ist. Dasselbe gilt natürlich
spiegelbildlich für die Regulatoren. Auch hier ist uns die Frage der
Transparenz und das Bestellungsverfahren zu zentral, um uns mit diesem Modell
hier anfreunden zu können.
Im
Zusammenhang mit den Ausgliederungen haben wir vielfach schon in der
Vergangenheit bedauert, und gerade, wenn immer dieses für mich schon fast nicht
mehr hörbare Gebot der Effizienz im Raume steht, dann habe ich immer gesagt:
Bitte, bei den Ausgliederungen, rechnet doch vor, was bringt es, was kostet es?
Ich mache da überhaupt kein kategorisches Prinzip daraus, aber ich habe
manchmal den Eindruck, dass es in Summe bei manchen Ausgliederungen nicht
billiger gekommen ist, weil ich brauche eine Grundstruktur auch im Bereich der
Verwaltung. Und ich brauche dann die Schnittstellen, die definierten, und da
ist dann schon sehr fraglich, was die Ausgliederung wirklich bringt. Also hier
möchten wir auch eine sehr viel konkretere Definition, was ist ausgliederbar,
was nicht, und wie schaut das dann im Detail aus.
Ein
Allerletztes - ich sehe schon das rote Licht -: Bei den
Selbstverwaltungskörpern wäre es uns ganz wichtig, dass sich das hier nicht auf
die reine Sozialpartnerschaft beschränkt, sondern wenn Selbstverwaltung, dann
muss das verschiedene Lebensbereiche umfassen können. - Danke.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz
Fischer: Herr
Dr. Bußjäger und dann Frau Mag. Ettl.
Dr. Peter Bußjäger: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren!
Nur
zwei kurze Bemerkungen.
Ich
begrüße die Entscheidung des Ausschusses, keine ausgliederungsfesten
Staatsaufgaben zu definieren und damit die VfGH-Judikatur zu kodifizieren, ich
begrüße auch die Feststellung des Ausschusses, dass die Privilegierung des
Bundes bei der Schaffung von Sondergesellschaftsrecht beseitigt werden soll.
Diese Differenzierung ist nicht nur nicht einzusehen, ich halte die
Auswirkungen der bestehenden Verfassungsrechtslage auch nicht für besonders
effizient.
Kritisch
scheint mir allerdings, dass es offenbar Meinungen gibt, dem Gesetzgeber
überhaupt keinen Spielraum zur Schaffung von Ausgliederungs-Organisationsrecht
in privatrechtlichen Formen oder von anderen Sonderregelungen zu gewähren oder
zumindest einen möglichst engen Spielraum zu ziehen. Mit welchen Gründen soll
es dem Staat eigentlich verwehrt sein, für ausgegliederte Rechtsträger, die
öffentliche Aufgaben erfüllen, spezifische, auf die besonderen Verhältnisse
abgestimmte Regelungen zu erlassen?
Ich würde hier davor warnen, die Verfassung wieder als Knebelungsinstrument
des einfachen Gesetzgebers einzusetzen.
Meines Erachtens müsste das allgemeine Sachlichkeitsgebot eine
ausreichende Schranke gegen willkürliche Privilegierungen, die es natürlich
geben kann, sein.
Zweite
Bemerkung: In der Privatwirtschafts-Verwaltung soll es nach dem Bericht des
Ausschusses - was ebenfalls zu unterstützen ist - bei der bisherigen
Kompetenzlage bleiben. Mich würde aber interessieren, wie man sich ein
Koordinationsinstrumentarium zur besseren Abstimmung der Förderungsverwaltung,
das dort angedacht wurde, genau vorzustellen hätte - zumindest auf der
verfassungsrechtlichen Ebene. Das Anliegen einer besseren Koordination in der
Subventionsverwaltung als Sache der Verwaltungsreform ist natürlich
unbestritten, wie man das aber auf der Verfassungsebene bewerkstelligen soll
ohne die Schaffung neuer Kontrollinstanzen, das würde mich schon interessieren.
- Danke.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz
Fischer: Kollegin Ettl,
dann Dr. Schnizer. - Bitte.
Mag. Johanna Ettl‡: Sehr
geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Zunächst einmal auch von unserer Seite Lob und Anerkennung
für die Arbeit des Ausschusses 7, sowohl für seinen Vorsitzenden als auch für
die Mitglieder dieses Ausschusses. Es ist diesem Ausschuss nicht nur geglückt,
einen wirklich kompakten Bericht zu verfassen, es ist ihm auch geglückt, nach
bald einem Jahrhundert von veritablen Lehr- und Schulenstreitigkeiten,
begleitet von zahlreichen Judikaten des Verfassungsgerichtshofes, eine Lösung
zu finden, die die Rolle und Bedeutung der so genannten nicht-territorialen
Selbstverwaltung in einer neu kodifizierten österreichischen Bundesverfassung
entsprechend würdigt.
Es gibt leider auch einen Wermutstropfen: Im
Gegensatz zur wirtschaftlichen, beruflichen und studentischen Selbstverwaltung
konnte die Verankerung der sozialen Selbstverwaltung trotz ihres
jahrzehntelangen erfolgreichen Wirkens keine einhellige Unterstützung bekommen.
Aber ich denke, dass zu diesem Thema doch letztlich ein Konsens möglich sein
wird, wenn ich an das Eintreten des Herrn Bundeskanzlers für die soziale
Selbstverwaltung anlässlich des Bundeskongresses des Österreichischen
Gewerkschaftsbundes im letzten Herbst erinnere.
Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist kein
zufälliges oder willkürlich gewähltes Strukturmerkmal der gesetzlichen
Kranken-, Unfall- oder Pensionsversicherung, im Rahmen der Selbstverwaltung von
Arbeitnehmern und Arbeitgebern organisiert zu werden. Es handelt sich dabei
nicht um einen Ausfluss sozialpartnerschaftlicher Ästhetik, sondern um hart
errungenes Gestaltungsrecht der österreichischen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer. Ich erinnere daran,
wie sehr die österreichische Arbeiterbewegung seit Ende des 19. Jahrhunderts
darum kämpfte, neben den Arbeitgebern als gleichberechtigter Partner in der
Verwaltung ihrer sozialen Anliegen respektiert zu werden. Was aber hier und
heute noch wichtiger ist: Die Selbstverwaltung entspricht dem absolut wichtigen
staatspolitischen Prinzip der Subsidiarität.
Ich plädiere daher an dieser Stelle
uneingeschränkt dafür, im Rahmen der weiteren Arbeiten zum künftigen Verfassungstext
jene Textpassage zu integrieren, die da lautet: „Zur Sicherung einer wirksamen
und umfassenden Vertretung der gesundheitlichen und sozialen Interessen der
Versicherten wird die Sozialversicherung im Bereich der Kranken-, Unfall- und
Pensionsversicherung durch Selbstverwaltungskörper verwaltet.“ - O-Ton
Ausschuss 7.
Einen weiteren Punkt, auf den ich noch kurz
eingehen möchte, das betrifft die Verankerung eines Staatszieles zu
Dienstleistungen im allgemeinen Interesse, gemeinhin als „öffentliche Daseinsvorsorge“
bezeichnet. Es ist ja nicht nur für die Bundes-Arbeitskammer ein wesentliches
Anliegen, dass im Rahmen der Staatsziele, daneben aber auch im Rahmen der
sozialen Grundrechte, die Verantwortung des Staates für funktionierende
öffentliche Dienstleistungen festgeschrieben wird. Ich erwähne das im
vorliegenden Zusammenhang deshalb, da gerade Regulatoren, deren
Strukturprinzipien vom Ausschuss 7 behandelt worden sind, in geöffneten
Wirtschaftsbereichen mit der Verpflichtung ausgestattet werden müssen, auf die
Grundbedingungen und Voraussetzungen öffentlicher Dienstleistungen Rücksicht zu
nehmen.
Da dieser Aspekt nicht als Legitimationsgrundlage
für Regulatoren durchsetzbar war, ist es umso wichtiger, ihn zumindest mittels
eines entsprechenden Staatsziels zu verankern - ich erinnere in diesem
Zusammenhang auch an die vielen Plädoyers aus der Zivilgesellschaft, die nicht
ungehört verhallen mögen.
Andererseits kann ich es nur vorbehaltlos
begrüßen, dass sich der Ausschuss dafür ausgesprochen hat, infrastrukturpolitische
Fragen nicht von der Politik an Regulatoren delegieren zu lassen und dass er
zudem Ansätze einer Verbesserung der parlamentarischen Einbindung in die Arbeit
der Regulatoren in diesem Ausschussbericht findet.
Nochmals der Dank unserer Organisation an die
engagierte Arbeit des Ausschussvorsitzenden und des Ausschusses. - Danke schön.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals. Herr
Dr. Schnizer, dann Herr Dr. Raschauer.
Dr. Johannes Schnizer: Dr.
Johannes Schnizer : Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren!
Ich möchte mich wieder auf
ein einziges Thema konzentrieren. Es ist dies, wie Sektionschef Matzka schon in
seinem Bericht erwähnt hat, ein altes Thema, nämlich das Thema der
Privatwirtschaftsverwaltung, das spätestens seit den sechziger Jahren die
Dogmatik und die Rechtswissenschaft ausführlich beschäftigt.
Gleichwohl ist dieses Thema
nach wie vor aktuell – die Privatwirtschaftsverwaltung ist in ihrer Masse
heute von weit größerer Wichtigkeit für den Einzelnen und für den Staat
insgesamt als die Hoheitsverwaltung –, und auch die Eingriffe, um die es
für den einzelnen Menschen im Zusammenhang mit der Privatwirtschaftsverwaltung
geht, sind mindestens ebenso bedeutsam wie viele Eingriffe, die im hoheitlichen
Weg vorgenommen werden. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Entscheidung
über eine Sozialhilfe mindestens von der gleichen existenziellen Bedeutung ist
wie etwa eine Entscheidung über die gerechte Zumessung einer Parkraumstrafe.
Der Ausschussbericht enthält dazu keine abschließende
Empfehlung. Das ist auch gar nicht möglich, denn es handelt sich um ein
strukturelles Problem unserer Verfassung und deswegen sind nicht zufällig auch
die Ausschüsse 3, 5, 6 und 9 damit befasst. Gleichwohl meine ich, dass es Zeit
ist, hier zu einem neuen Ansatz zu gelangen.
Die zugrunde liegende Teilung ist älter als das B-VG,
sie ist 2.000 Jahre alt und geht auf das römische Recht zurück. Im Hintergrund
steht die Trennung zwischen privatem Recht und öffentlichem Recht. Es steht die
Vorstellung dahinter, dass es einerseits einen Bereich gibt, wo sich die
einzelnen Menschen als Gleiche gegenüberstehen, auf der anderen Seite ein
Bereich, in dem der Staat einseitig eingreift und für sich selbst und mit
bindender Wirkung für die Unterworfenen die Rechtsverhältnisse regelt.
Diese Bilder stimmen schon seit langem nicht mehr. Der
Staat ist nie gleich wie ein Privater, es besteht immer ein strukturelles
Übergewicht – auch dann, wenn er sich der Formen bedient, die auch dem
Einzelnen zur Verfügung stehen. Die Problematik der Privatwirtschaftsverwaltung
reicht vor allem in drei Bereiche hinein: In die Kompetenzverteilung, in das
Legalitätsprinzip und in den Rechtsschutz.
Gerade beim Rechtsschutz zeigt sich die grundsätzliche
Problematik, wenn man sich vor Augen hält, wie der Gesetzgeber eine
Angelegenheit entweder in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung oder in
den Bereich der Hoheitsverwaltung verweist. Er tut dies, indem er dem einzelnen
Menschen einen Rechtsanspruch nicht verleiht, einen möglichen Rechtsanspruch
nimmt. Er schreibt z.B. in ein Gesetz hinein „für diese Leistung besteht kein
Rechtsanspruch“. Damit ist die Verwaltung entsprechend der Dogmatik vom
Selbstbindungsrecht nicht gehalten, hierüber einen Bescheid zu erlassen. Die
Konsequenz ist, dass diese Angelegenheit in die ordentliche Gerichtsbarkeit
fällt, die aber letzten Endes auch nicht entscheiden kann, weil eine
Entscheidung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit setzte voraus, dass diese
Angelegenheit vom Gesetzgeber auch mit Wirkung für den Bürger geregelt wird.
Ich schildere dies deswegen so aufwändig, weil diese
Dogmatik fest gefügt ist, aber unlängst in die Luft gesprengt wurde. Die
inhaltlich von mir sehr begrüßte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zum
Bundesbetreuungsgesetz, die allerdings einige Vorläuferentscheidungen etwa im Bereich
der Presseförderung gehabt hat, hat hier klargestellt, dass auch in diesem
Bereich der Mensch nicht der Willkür ausgeliefert ist, sondern dass hier
gewisse elementare Grundsätze gelten. Alle sonstigen Fragen konnte diese
Entscheidung nicht beantworten und hat sie auch nicht beantwortet,
beispielsweise, welcher Gesetzgeber zuständig wäre, dies zu regeln; da die
Gerichte zuständig sind, nur der Bundesgesetzgeber wegen des Privatrechts? Die
Länder nur dann, wenn es erforderlich wäre im Sinne der Lex Starzynski und
ähnliche Fragen mehr.
Ich glaube deswegen, dass es hoch an der Zeit ist,
dieses Problem einer Regelung zuzuführen. Ich möchte dafür vier Elemente
vorschlagen: Ich glaube nicht, und das findet sich auch im Ausschussbericht,
dass man die Privatwirtschaftsverwaltung an die Kompetenzverteilung knüpfen
sollte. Es hat seinen guten Grund, dass jede Gebietskörperschaft hier tätig
werden kann. Allerdings ist es erforderlich, dass eine ausdrückliche Kompetenz
für jeden Gesetzgeber jeder Gebietskörperschaft geschaffen wird, derartige
Angelegenheiten zu regeln, und zwar auch mit Wirkung nach außen, nicht nur als
Selbstbindungsgesetz. Damit sollte auch eine Verpflichtung verbunden sein,
immer dann, wenn es nicht bloß um das Einkaufen von Kugelschreibern oder die
Anschaffung von PCs geht, eine gesetzliche Grundlage vorzusehen, die dann – wie
es auch Präsident Korinek gesagt hat – natürlich differenzieren muss etwa
zwischen Subventionsverwaltung und Erwerbswirtschaft.
Hand in Hand damit müsste eine flexible Gestaltung des
Rechtsschutzes gehen, die dem Gesetzgeber ermöglicht, ohne Bindung an die
Grenzen zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht im Einzelfall adäquat eine
Rechtskontrolle auszugestalten, wenn nicht ein individueller Rechtsanspruch als
auslösendes Element besteht.
Abschließend setzt das voraus, dass der Typenzwang der
Verwaltungsgerichtsbarkeit aufgehoben wird und dass es dem Gesetzgeber
freigestellt wird, auch die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts zur Kontrolle
dieser Privatwirtschaftsverwaltung zu berufen.
Ich komme zum Schlusssatz: Ich glaube, dass dies
deswegen ein für den Konvent besonders geeignetes Thema ist, weil alles dies
nicht parteipolitisch umstritten ist, aber von umso größerer rechtspolitischer
Relevanz. Ich glaube, dass der Konvent sich schon dann unter juristischen
Gesichtspunkten gelohnt hat, wenn dieses Problem gelöst wird.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz
Fischer: Herr
Dr. Raschauer! Und dann Mag. Wutscher.
Dr. Bernhard Raschauer: Herr
Vorsitzender! Hoher Konvent!
Die
freien Berufe erbringen wichtige Leistungen in unserer staatlichen
Gemeinschaft. Die Kammern der freien Berufe sind wichtige Institutionen in
unserer staatlichen Gemeinschaft und sie wirken in zunehmendem Maße
staatsentlastend, wie zuletzt Verwaltungsreformgesetz und Deregulierungsgesetz
2001 gezeigt haben. Die Kammern der freien Berufe sind daher dankbar, dass man
auch im Konvent, in diesem Ausschuss 7, ihrer gedacht hat, um eine
verfassungsrechtliche Absicherung vorzuschlagen. Denn solange Ungewissheit über
die Zukunft der Kompetenzverteilung, die ja heute die verfassungsrechtliche
Grundlage der Autonomie bildet, besteht, solange herrscht eine gewisse
Situation der Unsicherheit. Insoweit Dank an den Ausschuss 7, in dem ich nicht
Mitglied war. Allerdings, der erwähnte Wermutstropfen ist auch hier
hervorgekommen: Wenn Sie sich den Vorschlag auf Seite 35 des Berichtes vor Augen
führen, hat er für einige Unruhe gesorgt. Es sollen dort vorgesehen werden:
Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Landwirtschaftskammer, Kammern der
Studierenden - und „erforderlichenfalls der freien Berufe“.
Das
ist natürlich eine Reihenfolge, die zumindest diskriminierend empfunden wird.
Vielleicht kann man da noch einmal über eine Textierung nachdenken. Ich habe
versucht klar zu machen, dass das natürlich einen Hintergrund hat, denn es soll
jetzt etwa nicht - ein fiktives Beispiel - die Gruppe der Wirtschaftsanwälte
eine eigene Kammer unter Ausgliederung von den Rechtsanwaltskammern schaffen
können unter Berufung auf diese Bestimmung. Nur: Das Problem gilt auch für jede
beliebige Innung der Wirtschaftskammer, auch die könnte auf die Idee kommen -
denken wir nur an die Gasversorger - und sich unter Berufung darauf sagen
können: Wir haben auch einen Verfassungsanspruch. Also bitte ich den Konvent, das in diesem Lichte vielleicht
noch einmal - bei aller Anerkennung dieses Vorschlags - überdenken zu wollen.
Und
dann gestatten Sie mir noch ein kurzes Wort in Replik - nämlich gerade im
Kontext dieses Ausschussberichts - auf den sehr defensiven Extremstandpunkt,
den heute wieder Präsident Jabloner zum Legalitätsprinzip vertreten hat. Der
Bericht bestätigt es mir: Wir brauchen ein differenziertes Verständnis. Nur:
Differenziertes Verständnis gibt es, wenn der Verfassungsgerichtshof dazu Lust
hat. Wenn er keine Lust hat, gibt es kein differenziertes Legalitätsprinzip im
österreichischen Recht. Europäisches Legalitätsprinzip - der Unterschied, den
Jabloner nicht wahrhaben will: Es hat noch nie der EuGH einen europäischen
Rechtsakt wegen mangelnder Bestimmtheit für nichtig erklärt. Wenn der
Verfassungsgerichtshof dagegen sagt, in die Frequenzverteilung will ich mich nicht
hineindenken, dann hebt er das Gesetz wegen unzureichender Bestimmtheit auf.
Das
ist, glaube ich, etwas, das man überdenken muss, denn es führt, was Jabloner
nicht wahrhaben will, dazu, dass sich neben dem Gesetz eine zweite, dritte,
vierte Steuerungsebene entwickelt, die Treu- und Glaubenrichtlinien im
Datenschutzgesetz, denn das wollen wir uns nicht anfangen, solche Regeln im
Datenschutzgesetz zu regeln, die Marktregeln in der Elektrizitätswirtschaft -
nur auf der Homepage der Regulierungsbehörde kundgemacht - haben riesige
Bedeutung für die Energieunternehmen, aber wir wollen uns das nicht anfangen,
derartiges im Gesetz zu regeln.
Also
das heißt: Wir flüchten längst aus dem Gesetz, weil wir es dort kasuistisch
regeln müssten. Gerade die Regulierungsbehörden. Und der Verwaltungsgerichtshof
anerkennt das. Der dritte Senat beruft sich mittlerweile im Telekombereich auf
nicht-kundgemachte reine Empfehlungen der Europäischen Kommission. Ich glaube,
es ist angebracht, wenn der Konvent sich Folgendes überlegt: Das
Legalitätsprinzip ist Teil des Demokratieprinzips. Der Nationalrat entscheidet
über die Grundsätze der politischen Willensbildung. In welchem Maß an Kasuistik
er regeln will, sollte doch dem Ermessen des Nationalrats überlassen bleiben.
Wenn er meint, in Details gehen zu müssen, dann soll er das. Wenn nicht, muss
das auch Recht sein. Ich glaube, dafür ist beim heutigen Stand der Judikatur
eine Ergänzung des Artikel 18 Absatz 1 erforderlich. Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner (übernimmt den Vorsitz) : Danke. Nächster Redner ist Herr
Mag. Werner Wutscher. Bitte.
Mag. Werner Wutscher: Danke, Frau
Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es ist
heute schon mehrmals betont worden, dass die Ausschüsse 5, 6 und 7 eine Reihe
von Themen behandeln, die sehr ineinander greifen. Und ich möchte mich daher
auch beim Ausschuss 7 sehr herzlich für die Vorlage dieses Berichtes
bedanken, weil damit ein wichtiger Beitrag für die Lösung einiger Fragen gelegt
worden ist.
Ganz
kurz anfänglich zur Frage der Ausgliederung generell. Ich glaube, wir sind uns
einig, dass vor der Ausgliederung jedenfalls die Frage der Aufgabenkritik
stehen sollte, und ich begrüße auch außerordentlich, dass es hier keine
Definition der Kernaufgaben oder auch der ausgliederungsfesten Datenbestände
gegeben hat, da ich glaube, dass wir hier nicht vorgreifen sollten. Eines ist
unzweifelhaft, und die Kritik, aufgreifend von Frau Abgeordneter Petrovic,
viele Ausgliederungen in der Vergangenheit waren sicher auch die Flucht aus dem
Dienst- und Haushaltsrecht, und das wird dann gerade auch der Ausschuss 6
zu behandeln haben, inwieweit es uns gelingt, hier die entsprechenden Antworten
zu geben.
Die
Frage der Weisungsfreistellung beschäftigt auch uns intensiv aus einem etwas
anderen Blickpunkt. Faktum ist, dass rund 130 Verfassungsbestimmungen nur
dazu erlassen wurden, um die Weisungsbindung entsprechend zu durchbrechen. Und
die Frage, die sich hier stellt, ist, inwieweit es möglich ist, unter Wahrung,
und ich glaube, dazu muss man sich ausdrücklich bekennen, der politischen
Verantwortlichkeit, entsprechende Flexibilisierungen auch im ordentlichen
Verwaltungsbereich durchzusetzen.
Zum
Punkt der mittelbaren Bundesverwaltung, das muss ich aufgreifen, weil ich mich
einfach angesprochen fühle, ich glaube, dass gerade das Instrument der
mittelbaren Bundesverwaltung eines jener Steuerungsinstrumente ist und auch den
Verantwortungszusammenhang schließt. Und daher war ich auch überrascht über
Ihre Kritik, dass hier sozusagen weiße Flecken bestehen, wenn ich mich erinnere
an die Debatten zum Vollzug des Wasserrechtsgesetzes oder Forstgesetzes, so
sind wir hier intensiv auch natürlich im Dialog und haben auch die
entsprechenden Möglichkeiten, derzeit die entsprechenden Informationen zu
beschaffen.
Der
letzte Punkt ganz kurz, und ich schicke voraus, dass das jetzt auch kein
ausgereiftes Statement ist, aber nur zur Frage der Privatwirtschaftsverwaltung.
Ich bekenne mich dazu, dass es hier jedenfalls ein faires Auftreten geben kann,
jedenfalls keine Willkür des Staates, verweise aber doch auch gerade aus dem
Vollzugsbereich der Agrarförderung darauf, dass es durchaus sinnhaft ist, hier
den Typenzwang entsprechend vorzubinden oder gebunden zu sein, und hier auch
damit dann die entsprechenden Rechtsfolgen einerseits an die hoheitliche
Verwaltung, andererseits an die Privatwirtschaftsverwaltung gezwungen
vorzufinden.
Ich
danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächster Redner ist der Herr Dr. Ewald Wiederin. - Bitte
Dr. Ewald Wiederin: Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich kann in den Chor des Lobes
einstimmen: Es ist ein wirklich guter Bericht. Er ist in einem Maße kompakt und
konzis, dass wir ihn uns nur zum Vorbild nehmen können. Es gibt einen einzigen
Bereich, in dem ich weniger Kritik anzubringen habe als vielmehr ein Unbehagen
artikulieren will - und das ist
der Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung.
Die
Dogmatik der Privatwirtschaftsverwaltung war in den 60-er Jahren heiß umkämpft
und ist später befriedet worden. Momentan habe ich den Eindruck, dass sie in
den letzten Jahren wegzubröckeln begonnen hat. Erstens hat die Lehre starke
Zweifel artikuliert, ob Artikel 17 B-VG wirklich als Grundlage für
Selbstbindungsgesetze taugt. Zweitens sind seit der Rechtssprechung des
Obersten Gerichtshofes zur Bundesbetreuung Selbstbindungsgesetze längst nicht
mehr das, was sie einmal waren. Man kann diese Entwicklung auch positiv sehen,
und es ist anzuerkennen, dass sie für Rechtsschutz und Grundrechtsbindung in
der Privatwirtschaftsverwaltung gesorgt hat. Dennoch bleiben Probleme. Beim
Rechtsschutz ist es einfach ein Faktum, dass die ordentlichen Gerichte
komplizierter sind, dass sie teurer sind; und wenn und weil es hier auch um
Grundrechtsfragen geht, haben wir es in der momentanen Situation mit zwei
Grenzorganen zu tun, sodass es zu unterschiedlichen Rechtssprechungen kommen
kann.
Ein
zweites Problem liegt in der Kompetenzverteilung. Wenn wir ernsthaft daran
denken, in die Verfassung Leistungsansprüche und soziale Grundrechte
aufzunehmen, dann kann Transkompetenz in der Privatwirtschaftsverwaltung nicht
mehr das letzte Wort sein. In dem Moment, in dem ich Träger eines sozialen
Grundrechts bin, das besagt, dass der Staat ein bestimmtes Schutzgut
gewährleistet, und ich dieses Grundrecht einklagen will, stellt sich die Frage,
welche Gebietskörperschaft ich klagen soll: Bund, Länder oder Gemeinden? So
weit mein Unbehagen. Ich habe keine durchdachte Lösung für die angerissenen
Punkte. Ich glaube aber, dass hier ein Problem liegt, dem wir letztlich noch
nicht gerecht geworden sind. Das gilt für alle Ausschüsse in gleichem Maße.
Ein
möglicher Lösungsansatz könnte - und hierin kann ich an Johannes Schnitzer
anknüpfen und seine Wortmeldung unterstützen - im Versuch liegen, dem
öffentlichen Recht wieder eine breitere Bresche zu schlagen. Wir könnten
versuchen, Hoheitsverwaltung anders als bisher von der
Privatwirtschaftsverwaltung abzugrenzen, indem wir nicht mehr an den
Rechtsformen kleben, die sich ja letztlich auch in Zusammenhang mit dem Zugang
zu den Verwaltungsgerichten als höchst problematisch erweisen. Wir könnten die
Abgrenzung danach vornehmen, ob es um Erwerbswirtschaft geht oder um die
Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Mit anderen Worten: überall dort, wo es sich
um Subventionen oder um Daseinsvorsorge handelt und nicht um unmittelbare
Bedarfsdeckung oder Erwerbswirtschaft, sollten wir die Verwaltung
öffentlich-rechtlich einzufangen versuchen und sie als schlicht-hoheitliche
Verwaltung begreifen. Damit hätten wir den Rechtsschutz vereinfacht: Der
Rechtszug ginge zu den Verwaltungsgerichten, wo die Probleme auch hingehören. Die
Grundrechtsbindung könnte sodann der Verfassungsgerichtshof einlösen. Das
Legalitätsprinzip muss man in diesem Bereich sicherlich differenziert sehen.
Es
bleibt das Kompetenzproblem. Der Grundsatz der Transkompetenz kann, wie gesagt,
nicht der Weisheit letzter Schluss sein, aber eine gewisse Kompetenzkonkurrenz
ist sicherlich unvermeidlich. Wenn es uns allerdings gelingt, die
Kompetenzverteilung flexibler zu machen, indem wir über weite Strecken zu
konkurrierenden Kompetenzen übergehen, könnten wir zu einem Regime gelangen,
das auch auf die Privatwirtschaftsverwaltung passt. Sofern dieses Projekt
scheitert, kann man sich immer noch Sonderregelungen überlegen. Vielen Dank.
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke. Das war die letzte Wortmeldung zum Bericht des
Ausschusses 2. Gibt es noch einen Bedarf an Wortmeldungen dazu? Sieben -
Entschuldigung, ja. Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich diese Diskussion
zum Ausschuss 7 ab und eröffne die über den zweiten Bericht des
Ausschusses 1. Da habe ich zwei Wortmeldungen, die Herren Hösele und
Specht. Herr Professor Hösele, bitte, zu beginnen. Da er offensichtlich nicht
im Saal ist, oder? Ist er schon da. Jawohl. - Bitte
Herwig Hösele: Frau
Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Es ist
ja im Ausschuss 1 kein Konsens darüber erzielt worden, ob es eine Präambel
geben soll, und wenn es eine geben sollte, was in dieser Präambel drinnen
stehen sollte.
Ich
wurde angeregt durch diverse verschiedene Stellungnahmen öffentlicher Natur und
dann noch verstärkt durch den Diskussionsbeitrag des steirischen
Diözesanbischof Egon Capellari am letzten Sonntag in der ORF-Pressestunde, in
der er präzisierend zu seiner Position zu einer möglichen Präambel gemeint hat:
Präambel ja, wenn der Corpus stimmt, sozusagen wenn der Inhalt der Verfassung
stimmt, dann ist auch aus der Sicht des Bischofs Kapellari, und ich glaube, er
hat doch einen weiten Kreis christlicher Gruppen auch angesprochen, dann
natürlich eine Präambel, und dann auch einen Gottesbezug in der Präambel. Ich
halte das für eine sehr gute Position und darf in diesem Zusammenhang darauf
hinweisen, dass in der niedersächsischen Verfassung sich ein Text befindet, der
folgendermaßen heißt: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den
Menschen hat sich das Volk von Niedersachsen durch seinen Landtag diese
Verfassung gegeben.“ Diese Verfassung ist im Jahr 1997 erarbeitet worden. Der
damalige Ministerpräsident heißt Dr. Gerhard Schröder und er hat in der Argumentation, wieso dieser
Gottesbezug dort möglich sein sollte, ausgeführt: Für diejenigen, und das
scheint mit ein sehr bedenkenswertes Argument, für diejenigen, denen es aus
ihrem christlichen Glaubensverständnis ein wirklich fundamentales Anliegen ist,
ist es ganz schwer, darauf zu verzichten. Diejenigen dagegen, die diesen Bezug
nicht wollen, können leichter damit umgehen.
Das
ist eine Position, die ich für eine sehr bedenkenswerte halte. Ich würde dann
aber persönlich auch noch eine etwas relativierendere Position sehen. In der
polnischen Verfassung, wie wir wissen, heißt es: „Diejenigen, die an Gott als
Quelle der Wahrheit, Gerechtigkeit des Guten und des Schönen glauben, als auch
diejenigen, die diesen Glauben nicht teilen, diese universellen Werte aus
anderen Quellen ableiten“, ist eine Formulierung, die sozusagen offen ist für,
glaube ich, alle Gruppen der jeweiligen Bevölkerung, und ich könnte mir
vorstellen, dass wir doch, falls wir schlussendlich nach Abschluss der
Beratungen zu einer Präambelformulierung kommen könnten, eine etwas weniger
pathetische Formulierung als in Polen, aber auch hier finden könnten, nämlich
etwa in der Form, und das wollte ich hier zur Kenntnis bringen als meine
vorläufige Überlegung, sowohl diejenigen, die an Gott als Quelle der Schöpfung,
der Würde und Rechte des Menschen, der Gerechtigkeit und der Freiheit,
Nächstenliebe und Toleranz glauben, als auch jene, die diesen Glauben nicht
teilen, sondern diese universellen Werte aus anderen Quellen ableiten, haben
uns in freier Selbstbestimmung kraft unserer verfassungsgebenden Gewalt diese
Bundesverfassung gegeben.
Und
dann könnte man eine ganze Reihe anderer Präambelgrundformulierungen, wie sie
ja in dem eingebrachten Text vom 10. Dezember zur Kenntnis gebracht wurden,
nahtlos anschließen. Diese Position wollte ich heute hier kurz dargestellt
haben. Danke für die Aufmerksamkeit.
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Als Nächsten bitte ich Herrn Dr. Leopold Specht um seine
Ausführungen.
Dr. Leopold Specht: Ich möchte
mich in meinen Ausführungen auf zwei Punkte beziehen. Der erste Punkt sind die
Annexe 2 und 3 zum Bericht des Ausschusses 1 und insbesondere möchte ich mich
auf den Annex 2 beziehen. Mir scheint nämlich, dass sich hier etwas auftut, das
über den konkreten Anlassfall der Diskussion der möglichen Eliminierung der
Absätze eins und zwei des Artikel 9a Bundesverfassungsgesetz hinausgeht, und
eine Methode der Diskussion angibt, gegen die ich mich verwehren möchte.
Es
heißt im Annex 2, unterzeichnet von fünf Mitgliedern des Ausschusses 1, dass
die Diskussion dahingehend zusammenzufassen ist, dass die Staatsaufgaben der
umfassenden Landesverteidigung nicht bloß gestrichen und so weiter werden. Es
ist dies eine unrichtige Wiedergabe der Diskussion im Ausschuss. Das Protokoll
nachlesend kann man sich davon überzeugen, dass es zum Artikel 9A Absatz 1 und
2 Übereinstimmung, Einhelligkeit gab, diese beiden Bestimmungen gegebenenfalls
zu eliminieren beziehungsweise einen derartigen Vorschlag zu unterbreiten.
Nun
mag man überlegen, warum es zu einem derartigen Annex kommt, und ich stehe
nicht an, die zwei Überlegungen, die ich anstellte hier, in das Plenum
einzubringen. Es mag sein, dass die Diskutanten des Ausschusses 1, die diesen
Annex 2 dann unterfertigten oder zum Bericht gaben, irgendwann einmal vor ihrer
eigenen Courage Angst gehabt haben. Das ist quasi die
„Bene-volente-Interpretation“. Die weniger bene volente Interpretation ist die,
dass man versucht, nachdem ein derartiger Bericht zustande gekommen ist und
konsensual zustande gekommen ist, versucht, aus politischen Gründen, aber in
einer derartigen, wie mir scheint, irreführenden Weise, ein Ergebnis in Frage
zu stellen. Ich glaube, wenn man sich vom Bericht des Ausschusses 1
distanzieren möchte in einem Punkt, sollte man das klar tun und sollte es im
Plenum so vortragen. Das hat etwa ein Mitglied des Ausschusses in Form des
Annexes 3 getan.
Der
zweite Punkt, zu dem ich Stellung nehmen möchte, ist die Anregung meines
Vorredners, und ich darf das vielleicht so versuchen. Der Verweis in der
Landesverfassung eines deutschen Bundeslandes auf Gott hat einen systematischen
Bezug etwa in der Präambel des Grundgesetzes. Der Verweis auf Gott in der
Verfassung der nunmehrigen Republik Polen hat einen historischen Sinn. Diese
Verfassung ist ein normatives Dokument des Bruches. Sie stellt ein inhaltliches
Abkehren von Regelungen, von normativen Anforderungen dar, die zu Zeiten der
Volksrepublik Polen in Geltung gestanden sind. Diese Bezugnahmen sind also im
Kontext nachvollziehbar.
Wenn
ich mir diese Beispiele aber mit Bezug auf die österreichische Verfassung
überlege, dann komme ich zur Feststellung, dass das Dokument der Diskontinuität
des Jahres 1918 das Bundesverfassungsgesetz 1920 ist, welches ganz bewusst eine
derartige Formulierung nicht wählte. Und nach der Katastrophe, die 1945
zumindest ein erstes Ende fand, hat der Verfassungsgesetzgeber keinen Grund
gesehen, selbst in Ansehung dieser Katastrophe einen Verweis auf Gott in die
Bundesverfassung aufzunehmen. Ich meine daher, dass es zwar systematisch
interessant ist, derartige Überlegungen hier anzustellen, dass die Verweise
aber nicht unmittelbar auf unser Bundesverfassungsgesetz Anwendung finden
können, weil ich der Meinung bin, dass wir nicht in einer Situation der
Diskontinuität stehen, wie etwa im Übergang von der Volksrepublik Polen zur
Republik Polen, sondern dass wir hier eigentlich aufgerufen sind, in
Kontinuität diese Verfassung zu diskutieren. Danke vielmals.
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke. Mir liegt keine Wortmeldung mehr vor.
Ich
darf allen herzlich danken, die sich an der Diskussion beteiligt haben, allen
Vorsitzenden der Ausschüsse, allen Damen und Herren, die in den Ausschüssen
ihre Arbeit so qualitätsvoll tun.
Die
nächste Sitzung des Plenums findet voraussichtlich am 29. März statt. Eine
Einladung dazu wird Ihnen rechtzeitig zugehen. Danke für Ihre Teilnahme. Die
Sitzung ist geschlossen.