Österreich-Konvent
12. Sitzung,
Freitag, 25. Juni 2004
1.) |
Beratung über den vom Präsidium
vorgelegten Bericht des Ausschusses 4
(Grundrechtskatalog) (10/AUB-K) |
2.) |
Beratung über den vom Präsidium vorgelegten Bericht des
Ausschusses 8 |
Inhalt
Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler.............................. 3
Dr. Bernd-Christian Funk..................................................................................... 3
DDr. Christoph
Grabenwarter............................................................................. 5
Dr. Maria Berger.................................................................................................... 7
Mag. Anna-Maria Hochhauser.............................................................................. 8
Mag. Johanna Ettl.................................................................................................. 9
Mag. Terezija Stoisits......................................................................................... 10
Dr. Johannes Schnizer....................................................................................... 12
Dr. Ewald Wiederin.............................................................................................. 14
Christine Gleixner............................................................................................... 15
Angela Orthner.................................................................................................... 16
Dr. Johann Rzeszut............................................................................................. 17
Dr. Kurt Stürzenbecher...................................................................................... 18
Dr. Peter Kostelka............................................................................................... 20
Herwig Hösele..................................................................................................... 24
Johann Hatzl........................................................................................................ 25
Dr. Evelin
Lichtenberger.................................................................................... 26
Dr. Günter Voith................................................................................................... 28
Dr. Peter Bußjäger.............................................................................................. 29
Stellvertretende
Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner (übernimmt
den Vorsitz)............................................................................................................................... 30
DDr. Karl Lengheimer......................................................................................... 30
Dr. Klaus Poier..................................................................................................... 31
DDr. Heinz Mayer................................................................................................ 32
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich darf Sie ersuchen, die Plätze einzunehmen, und eröffne die
heutige Sitzung des Österreich-Konvents. Auf der Tagesordnung steht die
Diskussion über die Berichte der Ausschüsse 4 und 8. Ich darf daran erinnern,
dass so, wie wir das auch zuletzt gehalten haben, der Vorsitzende des
betreffenden Ausschusses eine 15-minütige Einführung gibt und im Anschluss
daran die Diskussion folgt, wobei jedem Redner eine Redezeit von fünf Minuten
zur Verfügung steht.
Ich
darf mit dem Bericht des Ausschusses 4 beginnen und Herrn
Universitätsprofessor Dr. Funk ersuchen, uns eine Einführung über den
Bericht des Ausschusses 4 zu geben. - Bitte sehr, Herr Professor
Dr. Bernd-Christian Funk: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte
Mitglieder des Österreich-Konvents! Sehr geehrte Damen und Herren!
Der
Bericht des Ausschusses 4 ist ein Zwischenbericht. Das Pensum konnte bei
aller Vorsicht, die mit einer quantifizierenden Schätzung geboten ist, zu mehr
als einem Drittel erledigt werden. Der heute zu präsentierende Bericht beruht
auf insgesamt 20 Sitzungen des Ausschusses, die beiden letzten Sitzungen waren
der Erstellung des Berichtes gewidmet.
In
fünf Sitzungen hat es Vorträge von zehn Experten und Aussprachen zu den Themen
Grundrechte mit Gesundheits- und Umweltbezug, Grundrechtsfragen der Biomedizin,
Rechte der Volksgruppen und soziale Grundrechte gegeben.
Dem
Ausschuss lagen und liegen Memoranden und Vorschläge von Ausschussmitgliedern,
von staatlichen öffentlichen und privaten Institutionen sowie von
Privatpersonen vor. Strukturierte Grundlagen der Ausschussarbeit bildeten und
bilden synoptische Listen und Textvorschläge geltender und neu vorgeschlagener
Grundrechtsquellen und -texte. All das ist im Bericht des Ausschusses im Detail
belegt.
An
dieser Stelle möchte ich für die vielfältigen Vorschläge, Anregungen und
Hinweise danken, die von den Mitgliedern des Ausschusses von Expertenseite, von
Organisationen und Einzelpersonen an den Konvent und an den Ausschuss 4
herangetragen werden. Danken möchte ich allen, die an den Sitzungen als
Mitglieder des Ausschusses, als Beobachter, Beobachterinnen und
Begleitpersonen, als Experten teilgenommen haben. Vor allem möchte ich der
engagierten sachkundigen und präzisen Ausschussbetreuung durch Frau
Mag. Birgit Caesar und der Unterstützung durch Frau Monika Siller danken.
Sie sind die organisatorische Seele der Ausschussarbeit. Nicht zuletzt möchte
ich den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Bereich der Universität, der ich
angehöre, danken. Sie haben mitgedacht und mitgearbeitet und dadurch zum
Fortgang der Arbeiten beigetragen.
Dem
Ausschuss 4 ist die Aufgabe gestellt, einen neuen Grundrechtskatalog
vorzubereiten und vorzuschlagen - dies vor dem Hintergrund einer zerklüfteten
Landschaft der Texte und Quellen, systematischer und semantischer Probleme und
einer starken Dynamik der Rechtsprechung und der sozio-politischen
Systemumwelt.
Im
Wissen um die Probleme, mit denen die Tätigkeit der Grundrechtsreformkommission
konfrontiert war, hat der Ausschuss eine Strategie der Qualifikation vermieden,
welche der Dynamik der Grundrechtsentwicklung Verengungen und Fesseln durch
Festschreibungen auferlegt hätte. Grundrechtskodifikation kann sinnvoll nur als
Notierung und Erhaltung von Steuerungsdynamik betrieben werden. Dennoch geht es
in der Hauptsache nicht um semantische Fragen, sondern um rechtspolitische
Weichenstellungen. Die bestehende Grundrechtsordnung umfasst neben Texten und
Quellen des formellen Verfassungsrechts, unter denen die Europäische
Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle eine hervorragende Stellung
einnehmen, eine bedeutende Menge an Texten und Quellen, die nicht dem formellen
Verfassungsrecht angehören und/oder völkerrechtlicher Herkunft und nur
teilweise unmittelbar anwendbares Recht bilden.
Die
bisherige Phase und die nunmehr vorliegenden konkreten Ergebnisse der
Ausschussarbeit betreffen im Wesentlichen den Bereich klassischer
Freiheitsrechte, der so genannten liberalen Grundrechte. Hier gibt es eine
Reihe von Textvorschlägen, die von mehr oder weniger starkem Konsens getragen
sind. Die Restarbeit in diesem Bereich ist überschaubar und durchaus Erfolg
versprechend.
Wesentliche
Grund- und Vorarbeiten liegen für den Bereich der sozial- und
leistungsstaatlichen Rechte und Garantien vor. Der Ausschuss kann sich auf
Konzepte stützen, die für Gesamt- und Teilqualifikationen vorgelegt wurden.
Diese konkurrierenden Konzepte bilden eine unverzichtbare Arbeitshilfe. Sie
sind allerdings auch Ausgangspunkt für Dissens und Differenzen. Hervorgehoben
sei in diesem Zusammenhang der Widerspruch zwischen der Logik von
Gesamtlösungen einerseits, die als Einheit angenommen werden wollen, und dem
allein schon durch die Arbeitstechnik bedingten Vorgehen in Einzelbausteinen
und Modulen andererseits. Dieser Widerspruch ist unaufhebbar.
Zurück
zu den sozial- und leistungsstaatlichen Garantien. Im Ausschuss besteht
Übereinstimmung darüber, dass ein neuer Grundrechtskatalog ohne
Gewährleistungen dieser Art nicht auskommen kann. Der Ausschuss ist sich
weiters darin einig, dass dergleichen Gewährleistungen differenziert zu
gestalten sind. Sie sollen neben subjektiven Rechten in Form von sozialen
Grundrechten auch Zielbestimmungen, Gesetzgebungsaufträge und
Einrichtungsgarantien enthalten. Die richtige Kombination wird in weiterer
Arbeit zu suchen sein. Hier besteht Gesprächs- und Koordinierungsbedarf mit dem
Ausschuss 1, dem die Staatsaufgaben und Staatsziele anvertraut sind.
Übereinstimmung
im Grundsätzlichen besteht im Ausschuss 4 des Weiteren darüber, dass der
verfassungsrechtliche Einbau und Fortbau sozial- und leistungsstaatlicher
Garantien weitreichende Fern- und Folgewirkungen in den Bereichen des
Grundrechtsschutzes, der Normenkontrolle und der Staatshaftung hat. Hier
besteht Gesprächs- und Koordinationsbedarf vor allem mit dem Ausschuss 9.
Ein weiteres zu bearbeitendes Paket bilden die
Volksgruppenrechte in Verbindung mit Gleichbehandlungsgeboten und
Diskriminierungsverboten. Dem Ausschuss liegen dazu konkrete
Gestaltungsvorschläge vor. Erste Arbeiten sind in Form von Expertenhearings und
partiellen Generaldebatten geleistet worden. Der Boden für konkrete Einlassung
ist bereitet.
Ein eher technisches und nichtsdestoweniger
wichtiges Problem bilden die allgemeinen Bestimmungen in einem künftigen
Grundrechtskatalog. Auch hier gibt es erste Konsensansätze im Ausschuss. Sie
gehen in die Richtung der Kodifikation allgemeiner Grundrechtsmaximen, etwa in
Form einer einheitlichen Formel des Gesetzesvorbehaltes an Stelle des
bisherigen Systems von speziellen und heterogenen Gesetzesvorbehalten bei
einzelnen Grundrechten.
Erste Überlegungen hat es auch in der Frage einer
allgemeinen Bindungsklausel gegeben, mit der die in Lehre und Rechtsprechung
dem Grunde nach anerkannte Grundrechtspflichtigkeit aller Staatsfunktionen
festgehalten wird.
Bei den noch offenen Fragen der justiziellen
Gewährleistungen und den noch offenen Freiheitsrechten sehe ich die Weichen für
einen zügigen Fortgang und für einen raschen Abschluss der Ausschussarbeit
gestellt. Das Thema der politischen Rechte ist noch nicht behandelt worden.
Bei den Rechtschutzmechanismen besteht
Übereinstimmung, dass neue Gewährleistungen sozialen und leistungsstaatlichen
Inhalts nicht allein mit Hilfe der klassischen Grundrechtsbeschwerde bei den
Unabhängigen Verwaltungssenaten und beim Verfassungsgerichtshof bewältigt werden
können. Hier wird es neue und zusätzliche Formen des Rechtsschutzes geben
müssen.
Die Frage des Verhältnisses eines neuen
Grundrechtskataloges zu bestehenden Grundrechtsgewährleistungen
völkerrechtlicher Herkunft hängt eng mit den Problemen der Herstellung
geschlossener Texte in der Einheit einer Grundrechtscharta als Teil einer
Urkunde des Bundesverfassungsrechts zusammen.
Aufgrund der bisherigen Diskussion im Ausschuss
zeichnet sich ab, dass es Netto-Textreduktionen geben wird. So dürfte das
Staatsgrundgesetz von 1867 als eigener Text künftig verzichtbar sein. Weiters,
dass es neben einem neuen Grundrechtskatalog eine zweite Ebene von assoziierten
Texten und Quellen, vor allem solchen völkerrechtlicher Herkunft, geben wird.
Und dass schließlich die normative Integration der verschiedenen Ebenen durch
allgemeine Verweisungs- und Auslegungsklauseln im Grundrechtskatalog
hergestellt werden kann.
Keine größeren Probleme sehe ich schließlich bei
der Frage der Abstimmung eines künftigen österreichischen Grundrechtskataloges
mit gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsgarantien.
Offen ist allerdings die Frage der Grundrechte von
EU-Ausländern. Ich sehe meine Aufgabe als Berichterstatter, einen
Zwischenbericht zu präsentieren. Ich sehe meine Aufgabe nicht darin, die Arbeit
des Ausschusses selbst einer Beurteilung zu unterziehen. Ganz zu vermeiden ist
eine Selbsteinschätzung jedoch nicht und ich meine, dass der Ausschuss in
seiner bisherigen Tätigkeit jene Stufe an Operationsfähigkeit erreicht und auch
behalten hat, die die Bedingung der Möglichkeit für eine Bewältigung der noch
anstehenden Fragen bildet. Ich danke Ihnen.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr.
Franz Fiedler: Ich danke auch, Herr
Professor, einerseits für die Ausführungen, die Sie uns jetzt gegeben haben,
mehr noch allerdings für die geleistete Arbeit, für die Leitung des Ausschusses
4.
Ich danke darüber hinaus auch den übrigen
Mitgliedern des Ausschusses, die sich sehr tatkräftig in die Arbeit des
Ausschusses eingebracht haben. Und ich danke auch der Ausschussunterstützung
von Seiten des Büros des Konvents, die dazu beigetragen hat, dass alles
reibungslos funktionieren konnte, und die die erforderlichen Zuarbeiten
vorgenommen hat.
Ich wünsche Ihnen, Herr Professor, auch noch für
die weitere Tätigkeit des Ausschusses, die noch einige Zeit in Anspruch nehmen
wird, viel Erfolg, viel Glück. Ich bin davon überzeugt, dass der Ausschuss
unter Ihrer Leitung das Ergebnis bringen wird, das wir uns alle wünschen,
nämlich einen Grundrechtskatalog für eine moderne Verfassung. Recht herzlichen
Dank, Herr Professor.
Ich darf nun die Diskussion über den Bericht des
Ausschusses 4 eröffnen; als erster Redner hat sich Herr Professor Grabenwarter
zu Wort gemeldet. - Bitte, Herr Professor!
DDr. Christoph Grabenwarter: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren!
Sie haben den eben vorgestellten Bericht des
Ausschusses 4 vor sich, eines Ausschusses, der nicht ohne weiteres mit den
Übrigen vergleichbar ist.
Ich möchte zunächst an dieser Stelle meiner Freude
darüber Ausdruck verleihen, dass der Österreich-Konvent eine
Grundrechtsdiskussion auf breiter Front angestoßen hat. Die vorliegenden beiden
Gesamt-Grundrechtsentwürfe gäbe es ohne den Konvent nicht und sie wurden in
einigen Passagen teils wörtlich vom Ausschuss übernommen.
Als weitere Positiva möchte ich verschiedene
Entwürfe der Kirchen sowie aus dem Umfeld der Grünen hervorheben sowie die sehr
wertvolle Mitarbeit der Vertreterin der Kirchen, Frau Oberin Gleixner, den
hohen Sachverstand und die höchst abgewogene, ausgleichende Argumentation von
Präsident Rzeszut und den Beitrag der Parlamentarier verschiedenster Ebenen und
Parteien, die häufig die Brückenköpfe für den Kompromiss eingeschlagen haben.
Der Vorsitzende schließlich hat sich überaus engagiert in die Diskussion
eingebracht, sie nicht nur geleitet, sondern in vielen Fragen auch dezidiert
Stellung bezogen.
Der Ausschuss hat mit bisher 20 nahezu durchwegs
ganztägigen Zusammentreffen von allen Ausschüssen mit Abstand die meisten
Sitzung abgehalten. So gesehen, war er der fleißigste. Dutzende Experten wurden
oder werden noch beigezogen. Auch das Ergebnis kann sich auf den ersten Blick
durchaus sehen lassen. Immerhin hat der Bericht zwei Einleitungen, viele und
lange Anhänge. Weite Teile des Berichtes enthalten Wiedergaben beziehungsweise
Verweise auf Texte, die außerhalb des Ausschuss über Monate ausgearbeitet und
diskutiert, im Ausschuss bisher aber zum Teil noch nicht abgehandelt wurden.
Auch ein Gesamtkonzept für einen Grundrechtskatalog fehlt bis jetzt. Eine
ausführliche Diskussion darüber hat noch nicht stattgefunden.
Es scheint sich nach den bisherigen Ergebnissen,
das hat der Herr Vorsitzende bereits angedeutet, faktisch eine Mischung aus
Europäischer Menschenrechtskonvention, Grundrechte-Charta und österreichischem
Alt- und Neubestand abzuzeichnen.
Unter den Ausschussergebnissen, möchte ich nur
zwei hervorheben, die über eine Übernahme bestehender, europäischer Grundrechte
hinausgehen. Erstens: Das Bekenntnis aller politischen Kräfte und Sozialpartner
zur Aufnahme sozialer Grundrechte, wenigstens dem Grundsatz nach, muss als
Erfolg verbucht werden. Darauf lässt sich in der künftigen Arbeit aufbauen.
Zweitens: In der Endphase seiner Beratungen einigte sich der Ausschuss nach
vergleichsweise sehr kurzer Diskussion auf ein Paket von Fundamentalgarantien.
Dies zeigt einen nicht zu vernachlässigenden Grundkonsens aller im Konvent
vertretenen politischen Kräfte.
Besonders freut mich, dass sich der Ausschuss
darauf verständigt hat, die Schutzpflicht des Staates beim Recht auf Leben
dahingehend zu akzentuieren, dass ein Verbot der aktiven Sterbehilfe, verbunden
mit einem Recht auf Sterben in Würde vorgesehen wird. Dies hat den Konsens fast
aller Mitglieder gefunden.
Wo stehen wir heute, und wie soll es weitergehen?
Das ist die Frage, die an einem Tag einer Zwischenbilanz zu stellen ist. Der
Großteil der Grundrechte aus den Entwürfen der SPÖ und von mir ist noch offen.
Wichtige gesellschaftspolitische Fragen der Gleichheit der Minderheiten, der
sozialen Rechte, aber auch das weite Feld der Justizgarantien sind noch nicht
verhandelt. Der Ausschuss wünscht sich zehn weitere Sitzungen für die
Erledigung des restlichen Programms. Das ist nicht wenig und doch ist die
Bewältigung des Programms in dieser Zeit wenig realistisch.
Hohes Präsidium! Ich wünsche mir, dass Sie, wenn
Sie das Mandat verlängern sollten, dem Ausschuss möglichst genaue und
realistische Vorgaben für eine begrenzte Anzahl von Sitzungen machen. Für
einige Bereiche wäre es überdies sinnvoll, dem Ausschuss politische Vorgaben zu
machen. Die heikelsten Punkte sollten dem Ausschuss möglichst für das Ende
seiner Tätigkeit aufgegeben werden, weil zuvor noch eine Reihe von Grundrechten
gut und rasch im Konsens abgehandelt werden könnte, wie etwa die
Justizgarantien.
Damit würden einerseits, ich sage es vorsichtig
und mit Bezug zu einem laufenden, sportlichen Großereignis, der Zug zum Tor
weiter verstärkt und andererseits die Erwartungen nicht zu hoch geschraubt
werden. Um in der Fußballsprache zu bleiben: Torerfolge sind im Ausschuss am
ehesten aus vorgegebenen Standardsituationen heraus zu erwarten. Ich danke
Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr.
Franz Fiedler: Dankeschön, Herr
Professor! Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, auch ein Fußballspiel
besteht nicht nur aus Standardsituationen und die Meister der „ruhenden Bälle“
allein werden ein Spiel nicht entscheiden, man wird wohl selbst laufen müssen.
Als nächste Rednerin ist Frau Dr. Maria Berger
gemeldet. Ich darf ihr das Wort erteilen. - Bitte sehr.
Dr.
Maria Berger: Dankeschön, Herr
Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ich darf mich zunächst auch bei unserem
Vorsitzenden Herrn Prof. Funk sehr, sehr herzlich bedanken für die
wirklich immens viele Arbeit, die er speziell als Vorsitzender in diesem
Ausschuss mit einer Vielzahl von Sitzungen, mit einer Vielzahl von Positionen,
zu einer Vielzahl von Themen zu leisten hatte und ich denk,e nachdem alle
Kolleginnen und Kollegen sehr engagiert mitgearbeitet haben, hat das natürlich
auch bedeutet, dass wir doch sehr oft seine Geduld sehr strapazieren mussten,
er aber immer wieder Wege gefunden hat, uns zusammen zu führen und nicht wenige
Male ist im Verlauf unseres Ausschusses beim Durchgehen der Arbeit, die noch vor
uns ist, beim Durchsehen des Zeitkalenders, der Ausdruck von der Mission
impossible gefallen, gestärkt und begründet auch durchaus aus den historischen
Erfahrungen mit Grundrechtsreformen in Österreich. Und ich denke, wir sind
einem Ergebnis sehr, sehr nahe, wenn wir jetzt die zusätzlichen Sitzungen
bekommen. Ich bin hier nicht so pessimistisch wie Prof. Grabenwarter -
dann glaube ich, dass wir hier wirklich einen sehr, sehr zentralen und
wertvollen Beitrag zum Gesamtergebnis des Konvents liefern können.
Warum bin ich optimistisch? Zum Einen deshalb,
weil ich glaube, dass die Texte, die wir annehmen konnten und die im Bericht
enthalten sind, wo wir Konsens gefunden haben, dass sich diese Texte durchaus
auch auf sehr schwierige Grundrechte beziehen. Wir haben hier einen Konsens
gefunden. Ich glaube, dass wir auch vom Legistischen her eine gute Qualität
geliefert haben und das ist ja auch unser Anspruch und da ist es sicher auch
sinnvoll, aus verschiedenen Texten und Quellen zu schöpfen und die Synopsen,
die uns das Sekretariat hier erstellt hat, wo ich mich auch sehr herzlich
bedanken möchte, waren da sicher sehr, sehr hilfreich.
Dort, wo wir noch keinen vollkommenen Konsens
haben, haben wir es immerhin geschafft, verhandelbare, diskutierbare, in sich
geschlossene Alternativen, Ergänzungsvorschläge vorzulegen. Auch das sollte
dann doch einen Beitrag leisten in der Schlussphase des Konvents, um in unserem
Ausschuss hier auch noch den Abschluss zu finden.
Zur wohl zentralen Frage, die auch schon
angesprochen worden ist, zur Frage der sozialen Grundrechte, denke ich, dass
eine neue österreichische Verfassung, ein neuer österreichischer
Grundrechtskatalog, hier eine Antwort geben müsste. Ich glaube nicht, dass wir
unseren Auftrag erfüllen, wenn wir uns dieser Frage nicht stellten und ich
möchte insbesondere auf die Seite 52 folgende des Zwischenberichts unseres
Vorsitzenden hinweisen, wo ich denke, dass er uns sehr, sehr viele Brücken
gebaut hat, wo die verschiedenen Gruppierungen, Meinungsblöcke in dieser Frage
sozusagen, sich doch jetzt relativ leicht tun sollten, über diese Brücken auch
zu gehen.
Ich freue mich, dass doch weitgehend Konsens
darüber herrscht, und gerade der Abschluss jetzt der Europäischen Verfassung
sollte uns da ja auch ermutigen, dass die EU-Charta, die ja jetzt in den
Verfassungsrang kommen soll, dass das dann verschieden ausgedrückt der
Mindeststandard ist, etwas, hinter das wir auf österreichischer Ebene nicht
zurückfallen sollen, das auch in einzelnen Grundrechten unser Bezugspunkt ist
und das auch bei den sozialen Grundrechten sein kann. Es ist auch von denen,
die von Herrn Prof. Funk so liebevoll die etwas Zurückhaltenderen in der
Frage der sozialen Grundrechte bezeichnet worden sind, im Bericht zum Ausdruck
gebracht worden. Zum Beispiel eine Kombination von Gesetzgebungsauftrag und
Staatshaftung bei der Frage der sozialen Grundrechte. Ich glaube, da ist es
praktisch kein großer Sprung mehr, ideologisch vielleicht schon, auch zu den
individuell durchsetzbaren Grundrechten überzugehen. Wir haben von unserer
Seite einen Entwurf auch zu sozialen Grundrechten vorgelegt. Wir sehen auch
ein, dass wir sozusagen hier nicht das Paradies versprechen können, sondern
dass es auch darum gehen muss, justiziable Teilansprüche wenigstens zu
verankern, und insgesamt glaube ich, dass uns das zusammen führen soll.
Ich schätze auch sehr, den Entwurf der
ökumenischen Expertengruppe, gerade auch zur Frage der sozialen Grundrechte.
Ich denke, es ist eine gute Investition dieses Konvents, wenn hier noch
zusätzliche Sitzungen kommen, wenn wir unsere Arbeit fertig stellen können,
weil wir damit, glaube ich, ein zentrales und gutes Kernstück einer allfälligen
künftigen neuen österreichischen Verfassung liefern können. Danke schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr.
Franz Fiedler: Ich danke, Frau
Abgeordnete. Die nächste Rednerin ist Frau Generalsekretärin
Mag. Hochhauser. -Bitte sehr.
Mag. Anna-Maria Hochhauser: Herr
Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wenn auch das Fehlen eines geschlossenen
Grundrechtekataloges in der österreichischen Bundesverfassung dank der
gefestigten und strukturierbaren Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu den
einzelnen Grund- und Freiheitsrechten bisher nicht wirklich zu einem Mangel an
Grundrechtsschutz geführt hat, wird dennoch seitens der Wirtschaftskammer
Österreich der notwendige Reformbedarf nicht übersehen.
Klar ist insbesondere nach der vor einer Woche
erfolgten Einigung der Staats- und Regierungschefs über eine EU-Verfassung, die
auch die Grundrechtecharta integriert, dass eine Abstimmung mit der künftigen
Verfassung für Europa und damit eine Vermeidung von Wertungswidersprüchen
jedoch zu erfolgen haben wird.
Die Wirtschaftskammer Österreich ist im Ausschuss
4 nicht vertreten, hat aber die Beratungen naturgemäß mit größtem Interesse
beobachtet, und wenn man die Ergebnisse der jahrzehntelangen Arbeit der
Grundrechtsreformkommission und der politischen Grundrechtekommission
betrachtet, so ist in den bisherigen 20 Sitzungen des Ausschusses 4 bereits ein
beachtlicher Fortschritt erzielt worden. Die wohl schwierigsten Bereiche sind
aber noch offen oder konnten nur andiskutiert werden. Das sind in erster Linie
die sozialen Grundrechte und etwa auch die Gleichheitsrechte oder die allfällig
neuen Rechtsschutzmechanismen im Grundrechtebereich überhaupt.
Vor dem Hintergrund der Einigung über die künftige
EU-Verfassung kann sich eine zeitgemäße Reform der österreichischen
Bundesverfassung einer Stellungnahme eben zum sozialpolitischen Auftrag des
Staates nicht entziehen. Die Wirtschaftskammer Österreich hat dies im Rahmen
der bisherigen Konventsarbeit auch wiederholt zum Ausdruck gebracht und ich
erinnere hier an die Wortmeldung unseres Präsidenten, wo er - unter Bezugnahme
auf Präsident Korinek - eine neue Verfassung mit klaren Spielregeln,
Grundrechtekatalog und Gewährleistungsverantwortung des Staates ansprach und
ausdrücklich betonte, dass die Sicherung gewisser Grundbedürfnisse der Bürger
auf das Verständnis seitens der Wirtschaft trifft. Angesprochen hat er aber
auch - und das möchte ich heute eben betonen und wiederholen - die notwendige
Balance zwischen staatlichen Gewährleistungen im Sozialbereich und den wirtschaftlichen
Möglichkeiten. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Landes wird als
Grundlage für die Erfüllung sozialer Anliegen, für die Umsetzung der
Zielsetzungen in diesem Bereich, mit zu berücksichtigen sein.
Wenn nun die Beratungen der sozialen Grundrechte
fortgesetzt werden, so ist bei jedem einzelnen Thema in diesem Bereich aus
unserer Sicht die jeweils adäquate Form der Umsetzbarkeit zu suchen, und es
kann der in den allgemeinen Erwägungen des Ausschusses 4 zu sozialstaatlichen
Gewährleistungen und sozialen Grundrechten aufgezeigte Weg eines
differenzierten und kombinierten Ansatzes von Staatszielbestimmungen,
Gesetzgebungsaufträgen, institutionellen Garantien und individuellen
Grundrechten als tauglicher Ansatzpunkt angesehen werden.
In jedem Fall wird, wie auch von sämtlichen
Experten in dem zu diesem Thema vom Ausschuss 4 abgehaltenen Hearings
aufgezeigt wurde, nicht zuletzt auch im Bereich der sozialen Grundrechte eine
starke Orientierung am künftigen Teil 2 der Verfassung für Europa, der Charta
der Grundrechte der Union, unumgänglich sein. Aus der Sicht der Wirtschaft ist
hier aber schließlich noch darauf hinzuweisen, dass eben diese neue
Grundrechtecharta in Ihrem Artikel 16 die unternehmerische Freiheit
ausdrücklich und gesondert anerkennt, und es muss daher in einem neuen
österreichischen Grundrechtskatalog nach unserem Verständnis der
unternehmerischen Freiheit ebenso ein prominenter Stellenwert eingeräumt
werden. Der derzeitige Textvorschlag des Ausschusses 4, wo sie offenbar unausgesprochen
in der Berufsfreiheit aufgehen sollte, scheint uns hier noch nicht der
geeignete Ansatz . - Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr.
Franz Fiedler: Danke, Frau
Generalsekretärin. Als Nächste hat sich Frau Mag. Ettl zu Wort gemeldet. -
Ich bitte darum.
Mag.
Johanna Ettl: Sehr geehrter Herr
Präsident! Meine Damen und Herren!
Betrachtet man den vorliegenden Bericht des
Grundrechtsausschusses, so muss man dem Ausschuss im Allgemeinen und dem
Vorsitzenden, Herrn Professor Funk, zu allererst große Anerkennung zukommen
lassen. Was hier auf gesellschaftspolitisch höchst umstrittenem Terrain
geleistet wurde, ist beachtlich! Dies vor allem, wenn man bedenkt, wie lange
die Grundrechtsreform-Diskussion in Österreich bisher weitestgehend ergebnislos
geführt wurde.
Den Arbeitnehmer-Organisationen liegt aber vor
allem der Bereich der sozialen Grundrechte sehr am Herzen, und hier sind die
vorliegenden Ergebnisse des Ausschusses aus unserer Bewertung nicht sehr
erfreulich, aus unserer Sicht möchte ich daher Folgendes anmerken:
Bei dieser Ausschussarbeit, an der sich unsere
Experten tatkräftig und konstruktiv beteiligt haben, hat sich gezeigt, dass für
weite Bereiche der so genannten klassischen liberalen Grundrechte ein breiter
Konsens zu finden ist. So möchte ich die sprachliche Entrümpelung mancher
Bestimmungen positiv hervorheben: Es kann doch tatsächlich nicht mehr angehen,
dass etwa mit der Berufung auf die Moral oder das wirtschaftliche Wohl des
Landes zulässigerweise in die körperliche Unversehrtheit eines Menschen
eingegriffen werden darf. - Hier ist die behutsame Anpassung, die der
Ausschuss vorgeschlagen hat, zu begrüßen.
Auch der einhellige Konsens für die
verfassungsrechtliche Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit
Hospizeinrichtungen und ausreichender Schmerzbehandlung für alle, unabhängig
von der Einkommenssituation, im Rahmen des Rechts auf Leben, ist ein Schritt in
die richtige Richtung. Sollte dieses Recht auf einen möglichst würdevollen Tod
tatsächlich in einem neuen Grundrechtskatalog verankert werden, wird der
einfache Gesetzgeber tätig werden müssen, da wir derzeit in Österreich - sowohl
was die Hospizplätze, als auch was die Schmerzbehandlung betrifft -
Aufholbedarf haben.
Hinsichtlich der sozialen Grundrechte fällt unser
Befund leider weit weniger positiv aus. Die Arbeitnehmer-Organisationen setzen
sich jetzt seit Jahrzehnten dafür ein, dass endlich soziale Grundrechte in der
österreichischen Bundesverfassung aufgenommen werden - es muss sich aber
um echte Rechte und nicht bloß um blumige Absichtserklärungen handeln. Wenn
Teile des Ausschusses glauben, mit unverbindlichen Gesetzgebungsaufträgen das
Auslangen finden zu können, dann wird es mit uns keinen Konsens geben können!
Meint man es nämlich ernst mit der Weiterentwicklung des österreichischen
Grundrechtskatalogs, dann kommt man um individuell durchsetzbare Rechte nicht
herum; dabei sind die Grundrechte, wie sie sich im EU-Verfassungsentwurf
finden, sicher kein Maximal-, sondern - wie üblich dort - ein
Minimal-Standard. Im Kern müssen die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes
klare, verständliche und durchsetzbare Rechte auch im Sozialbereich haben.
Meine Damen und Herren! Ein Recht auf soziale
Sicherheit mit einem angemessenen Schutz - etwa im Fall von Krankheit, Alter
oder Arbeitslosigkeit - sollte nach unserem Verständnis so selbstverständlich
sein, dass man das ohne weiteres in einen Grundrechtskatalog aufnehmen kann.
Auch die Verankerung arbeitsrechtlicher Mindeststandards, wie etwa angemessene
Beschränkungen der Arbeitszeit oder die Garantie eines angemessenen Entgelts
für die arbeitenden Menschen, sollten eigentlich kein Problem darstellen. -
Wer gegen diese Rechte auftritt, soll das den Österreicherinnen und
Österreichern klar sagen und auch erklären, wie ein Alternativ-Konzept aussehen
kann.
Unverständlich ist uns auch, wie man sich gegen
die Verankerung eines Menschenrechtes auf angemessene und finanziell
erschwingliche Versorgung mit notwendigen öffentlichen Leistungen, wie Wasser,
Strom, Telekommunikation, sperren kann. Auch hier sage ich: Wer das nicht will,
soll es laut sagen und ebenso laut begründen!
In diesem Sinne wünsche ich mir eine konstruktive
Weiterarbeit des Ausschusses und des Konvents, denn ohne soziale Rechte kann
und darf es in Österreich am Beginn des 21. Jahrhunderts keinen neuen
Grundrechtskatalog geben. - Ich danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr.
Franz Fiedler: Dankeschön, Frau
Magistra.
Ich darf nunmehr Frau Abgeordnete
Mag. Stoisits aufrufen. - Bitte schön.
Mag. Terezija Stoisits:
Dobre jutro, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr
Vorsitzender! Lieber Herr Professor Funk!
Ich muss mich entschuldigen, dass ich bei deiner
Rede nicht da war, aber noch nie hat der Konvent um 10 Uhr begonnen -
nur heute, wo mein Sohn in der ersten Klasse Buchstabenfest hatte! Und Sie
werden verstehen, dass eine Mutter nach der ersten Klasse beim Buchstabenfest
ist und nicht bei einem Konvent, von dem sie annimmt, dass er um 11 Uhr
beginnt! Entschuldige, jetzt habe ich deine Ausführungen nicht gehört -
aber wir haben ja 22 Sitzungen lang Gelegenheit zum Austausch gehabt, und
ich nehme an, du hast den Kolleginnen und Kollegen hier ja schon berichtet, wie
intensiv - jetzt nicht nur inhaltlich intensiv, sondern auch vom Zeitaufwand
intensiv - die Beratungen des Ausschusses IV waren, und ich möchte
jetzt als Vertreterin der Grünen in diesem Ausschuss dir ganz herzlich danken
für diese Arbeit, die du da geleistet hast, die wahrlich keine einfache Aufgabe
war und immer noch ist - weil sie ist ja noch nicht abgeschlossen -
und die du in deiner dir so eigenen Art hier versucht hast umzusetzen. Und
meiner persönlichen und auch der Ansicht der Grünen nach ist das Ergebnis, das
bisher der Ausschuss IV dem Konvent ja heute zur Diskussion vorgelegt hat,
ein durchaus beachtliches.
Aber es ist nicht allein sozusagen Herrn Professor
Funk als Vorsitzendem zu verdanken, sondern allen Kolleginnen und Kollegen,
Damen und Herren, die im Ausschuss IV mitgewirkt haben. Ich möchte hier
wirklich hier niemanden ausnehmen, aber einige besonders hervorheben,
die - und das lässt sich ja aus dem Bericht auch ganz klar
entnehmen - hier nicht nur die Arbeit ihrer Anwesenheit und ihrer
mündlichen Beiträge in den zahlreichen Ausschussberatungen eingebracht haben,
sondern auch schriftliche Vorschläge vorgelegt haben, und hier insbesondere
Herrn Prof. Grabenwarter, der zu vielen Punkten im Auftrag des Ausschusses
Vorschläge gemacht hat, aber auch Herrn Prof. Rack. Auch die sozialdemokratische
Fraktion und auch wir Grüne konnten im Auftrag des Ausschusses und dann auch in
eigenem Namen konkrete Formulierungsvorschläge einbringen.
Ich möchte, bevor ich mich am Ende meiner ja nur
5-Minuten-Ausführungen dem widme, was die Herzensanliegen sind, und was ich
hier öfter schon gesagt habe, nämlich Volksgruppenrechte, die ja auch im
Ausschuss IV behandelt werden, nur zu einigen Punkten Stellung nehmen, um
hier die Position der Grünen zu klären.
Das ist der Punkt: Ein Verbot der aktiven
Sterbehilfe. Ich nehme an, es wurde so heute sicher schon erwähnt: Alle
jetzt im Ausschuss vertretenen politischen Parteien haben hier Übereinstimmung
gefunden, dass ein Verbot der aktiven Sterbehilfe in Österreich ein Gebot der
Zeit oder der Stunde ist. Es hat durchaus kontroversielle Diskussionen darüber
gegeben, ob das tatsächlich ein Konsens ist oder nicht - und ich weiß
jetzt nicht, wie weit Prof. Funk darauf eingegangen ist -, ich für
die Grünen kann Ihnen nur sagen: Wir sind für ein Verbot der Sterbehilfe, wir
sehen aber hier einen Konsens in dieser Frage gegeben - aber nur dann,
wenn die zweite Sache, nämlich das würdevolle Sterben - und Frau Oberin
Gleixner, als Vertreterin der Ökumene, die sie ja im Ausschuss repräsentiert,
hat ja Formulierungsvorschläge vorgelegt, und nicht nur
Formulierungsvorschläge, ganze Kataloge, der ich hier ganz besonders danken
möchte, wird ja wahrscheinlich noch darauf eingehen -, denn das
würdevoller Sterben und die Absicherung im Alter, die haben hier in diesem
Kontext genauso den Platz, wie dieses von allen Parteien getragene Verlangen an
den Gesetzgeber nach dem Verbot der aktiven Sterbehilfe.
Das ist ein Paar, das zusammengehört, und -
und da möchte ich mich beim Präsidium herzlich bedanken; das Präsidium hat ja
dem Ausschuss 4 den ganz klaren und deutlichen Auftrag zur Weiterarbeit
gegeben - ich sehe diesen Auftrag als einen Auftrag, der die Mitglieder
und den Ausschuss verpflichtet - nämlich ergebnisorientiert und
präzise! -, nach Ende jetzt dieses Mandats - vielleicht ist das auch noch
ein vorläufiges; das ist ja auch eine Frage des Ergebnisses - hier etwas
vorzulegen.
Und ich möchte hier nicht verschweigen, dass neben
den Fundamental-Garantien - und es ist mir wichtig, hier auch
festzustellen, dass die Frage des Rechts auf körperliche, geistige
Unversehrtheit und die Fristenlösung für die Grünen in einem unmittelbaren
Zusammenhang stehen und dass der Vorschlag, der dem Ausschuss vorgelegt wurde
und der von einzelnen Mitgliedern auch formuliert wurde, als eine Erläuterung,
nämlich die Klarstellung, dass die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der
Fristenlösung in der Form, wie sie judiziert wurde, unberührt bleibt, dass das
für uns eine conditio sine qua non ist. Wir haben das von vornherein
festgestellt und das ist mir auch wichtig, hier so deutlich und klar zu sagen.
Danke
für Ihre Aufmerksamkeit und Entschuldigung noch einmal für’s Zuspätkommen.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler:
Ich danke auch, Frau Abgeordnete, ich habe Sie die
Redezeit überziehen lassen, weil ich Sie gerade bei den Volksgruppenrechten,
die ich, wie Sie auch erwähnt haben, selbst für besonders wichtig halte, nicht
unterbrechen wollte. Aber ich möchte bitten, das nicht zur Gewohnheit werden zu
lassen. - Danke.
Als
Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Schnizer. - Bitte sehr.
Dr. Johannes Schnizer: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr
geehrte Damen und Herren!
Ich
möchte mich zunächst auch sehr für die konstruktive Ausschussarbeit und für die
Bemühungen des Herrn Vorsitzenden des Ausschusses bedanken. Der Ausschuss hat
insbesondere auch sehr ausführliche und kontroverse Diskussionen nicht
gescheut. Ich glaub’, dass das der Sache äußerst dienlich ist und ich bin
deswegen froh, dass die Arbeit des Ausschusses bis in den Herbst hinein verlängert
worden ist.
Ich
möchte mich in meiner Wortmeldung auf ein einziges Thema beschränken und zwar
auf das der sozialen Grundrechte und da wiederum auf ein Subthema, nämlich auf
die Frage der rechtlichen Durchsetzbarkeit sozialer Grundrechte. Wie von der
SPÖ schon mehrfach deutlich gemacht, sind soziale Grundrechte ein conditio sine
qua non für einen Grundrechtskatalog und, wie allgemeine Auffassung ist, ich
möchte nur auf die Ausführungen von Korinek in der Pressestunde verweisen, kann
es ohne einen neuen Grundrechtskatalog nicht sinnvollerweise eine neue
Verfassung geben.
Daher
stehen die sozialen Grundrechte im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen des
Ausschusses 4 und hier werden vor allem zwei Punkte gegen soziale Grundrechte
eingewandt: Der erste Punkt ist der, dass sie, anders als bei den Abwehrrechten
gegenüber dem Staat, nicht rechtlich durchsetzbar seien; dass hier kein
geeigneter Rechtsschutzmechanismus vorhanden sei. Der zweite Punkt ist der,
dass soziale Rechte sich vor allem auf das Verhältnis zwischen Privaten bezögen
und sich nicht gegenüber dem Staat richteten. Dass sie insofern auch in einem
staatlichen Grundrechtskatalog nichts verloren hätten, sondern sich allenfalls
auf vage Gesetzgebungsaufträge beschränken könnten.
Ich
glaube, dass beide Einwände nicht zu Recht bestehen. Ich möchte das an ein paar
Beispielen verdeutlichen. Zunächst wird etwa zum Recht auf Gesundheit
eingewandt: Was hilft
ein Recht auf Gesundheit, wenn wir alle krank werden? Ja es
wird sogar behauptet, es wäre zynisch für einen kranken Menschen zu lesen, dass
er ein Recht auf Gesundheit hätte. Zunächst, in unserem
Grundrechtskatalog, haben wir ein Recht auf Schutz der
Gesundheit, was ein kleiner sprachlicher Unterschied ist. In der Sache gilt
aber für das Recht auf Gesundheit nichts anderes, als für das Recht auf Leben, das in
gleicher Weise schon lange in der Verfassung, ich erinnere an Artikel 2 MRK, verankert ist. Das Recht auf
Leben existiert, obwohl wir alle sterben müssen, und gleiches gilt auch für das
Recht auf Gesundheit, ungeachtet dessen, dass wir auch krank werden können.
Die
Aufgabe des Staates ist es eben, hier die Gesundheit zu schützen und darauf zu
achten, dass die Leute möglichst nicht krank werden. Schon gar nicht selbst
dazu beizutragen, dass die Leute krank werden. Und auch für ganz klassische
Grundrechte, die völlig außer Streit stehen, gibt es ganz ähnliche
Formulierungen, ich möchte an das Recht auf Eigentum erinnern, das in keiner
Weise besagt, dass jeder sehr viel Eigentum haben muss oder überhaupt Eigentum,
sondern es aber sehr wohl eine Pflicht für einen Gesetzgeber ist, das Institut
des Eigentums auszugestalten und entsprechend zu achten. Und auch dieses Recht
auf Eigentum spielt sich, so der zweite Einwand, nicht primär zwischen Staat
und Bürger ab, sondern zwischen den Bürgern. Und insoweit ist es völlig mit
ganz klassischen Grundrechten vergleichbar. Ich erinnere etwa an das Verbot der
Sklaverei. Diese hat sich auch ausschließlich zwischen Privaten abgespielt und
ist heute undenkbar geworden. In diesem Sinn enthalten auch die Abwehransprüche
des klassischen Grundrechtskatalogs gleichzeitig Leistungsgarantien, dass der
Gesetzgeber verpflichtet ist, bestimmte Ausgestaltungen zu treffen, der Bürger
aber diese Garantien auch gegenüber dem Staat in einem bestimmten Ausmaß auch
im Verfahren zwischen Privaten durchsetzen kann.
Ich
bin deswegen sehr stolz darauf, dass der sozialdemokratische Grundrechtskatalog
bei der Ausgestaltung der sozialen Grundrechte einen neuen Weg gegangen ist.
Und zwar, indem stets in einem Absatz 1 eine allgemeine Grundrechtsverbürgung
eines sozialen Rechts enthalten ist, und dass in einem zweiten Absatz dies
näher ausgeführt wird, in der Gestalt einer institutionellen Garantie, und das
verbunden häufig mit einer näheren Ausgestaltungsgarantie. Für das
Rechtsschutzsystem stellt sich daher der Befund, dass die Frage umgekehrt zu
stellen ist: Es ist nicht die Frage, ob soziale Grundrechte durchzusetzen sind,
sondern wie der Rechtsschutz gestaltet werden kann, damit soziale Grundrechte
durchsetzbar sind. Ich möchte daran erinnern, dass das auch der Weg der
Geschichte war. Ursprünglich stand im Römischen Recht - und das ist der Beginn
der subjektiven Rechte - die Klagsmöglichkeit, die der Prätor an die Wand des
Gerichtssaals geschrieben hat; daraus ließen sich die Ansprüche ableiten.
Es
wird daher die Aufgabe des Ausschusses 9 sein, hier ein entsprechendes
Rechtsschutzsystem vorzuschlagen. Ich glaube, ein guter Kompromiss wäre ein
Weg, dass nach den Entscheidungen der anderen Höchstgerichte der
Verfassungsgerichtshof angerufen werden kann, im Weg einer
Feststellungsentscheidung zu entscheiden, ob ein Grundrecht verletzt ist oder
nicht. Es wäre das in etwa das Verhältnis zwischen den nationalen
Höchstgerichten und den internationalen Grundrechtsgerichten oder im
Europäischen Gerichtshof. Das ist ein Weg, wo auch niemand behauptet, dass die
nationalen Höchstgerichte keine Höchstgerichte mehr wären. Dies müsste
natürlich verbunden sein mit zwei neuen Instituten in der Verfassung, einerseits
einer Art Staatshaftung, für den Fall, dass der Gesetzgeber untätig bleibt und
mit einer Verbandsklage, damit auch Personenmehrheiten in jenen Bereichen, wo
es zu keiner individuellen Verdichtung von Rechtsverletzungen kommt, für einen
entsprechenden Rechtsschutz sorgen. Ich glaube, dass auf diese Weise dem
Anliegen des Verfassungskonvents bestmöglich Rechnung getragen wird, dass
nämlich hier keine lehrbuchartigen Garantien in die Verfassung geschrieben
werden, sondern dass der mündige Bürger Recht erhält, die er unmittelbar aus
der Verfassung ableiten und auch durchsetzen kann. - Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Dankeschön. Die nächste Wortmeldung steht bei Herrn Dr. Wiederin. -
Bitte sehr.
Dr. Ewald Wiederin: Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Die
Lektüre des Ausschussberichtes hat in mir gemischte Gefühle hervorgerufen. Ein
Grundrechtskatalog ist möglich, aber bis dorthin ist es doch noch ein weiter
Weg. Grund zu Optimismus gibt, dass die politischen Parteien Gesamtentwürfe
vorgelegt haben und dass auch von den Grünen und von der Ökumene sehr ernst zu
nehmende Teilentwürfe vorgelegt worden sind. All diese Entwürfe sind aus einem
Guss, sowohl inhaltlich als auch sprachlich. Pessimistischer bin ich, wenn ich
mir die bisherigen erzielten Konsensformulierungen des Ausschusses ansehe. Zum
einen fällt auf, dass die heißen Eisen bis jetzt nicht angepackt worden sind.
Das hat natürlich seine Gründe. Ich glaube, dass man gut beraten ist, die
heißen Eisen in nächster Zeit anzufassen und die kontroversen Punkte nicht bis
in den Herbst hinauszuzögern. Zum anderen sind die Ergebnisse sehr heterogen.
Der gefundene Konsens ist in der Regel eine Einigung in der Nähe des status
quo: Der Ausschuss ist über weite Strecken bei den überkommenen Formulierungen
geblieben und hat sie geringfügig adaptiert. Ich glaube, dass das
Schwierigkeiten auslöst, und möchte das am Beispiel der Grundrechtsschranken
verdeutlichen.
Bei
den EMRK-Rechten hat man die materiellen Gesetzesvorbehalte der Absätze 2
weitgehend übernommen. Bei den Grundrechten des Staatsgrundgesetzes hat man auf
Gesetzesvorbehalte teilweise verzichtet, teilweise hat man es bei den
überkommenen formellen Gesetzesvorbehalten belassen. Bei der Vereins- und
Versammlungsfreiheit, die sowohl in der EMRK als auch im StGG enthalten ist,
vermittelt die Lektüre des Textes zunächst den Eindruck, dass es sich um ein
unbeschränkbares Grundrecht handelt; der Absatz 2 des vorgeschlagenen
Textes zeigt allerdings wieder, dass Beschränkungen sehr wohl möglich sein
sollen. Mit anderen Worten: Auf der Schrankenebene kennt man sich über weite
Strecken nicht aus. Es handelt sich Textsorten, die aus einem verschiedenen
systematischen Kontext stammen. Ihre Kompilation führt zu allem Möglichen, es
führt aber nicht zu einem geschlossenen Ganzen. Darum würde ich mir wünschen,
dass in der nächsten Phase der Ausschlussarbeiten stärker als bisher ein
stilistisches und auch systematisches Gesamtkonzept überlegt wird.
Zwei
kurze Bemerkungen noch. Die erste betrifft das Grundrecht auf Asyl. Hier bin
ich mit den Vorschlägen des Ausschusses sehr unglücklich. Beide vorgeschlagenen
Formulierungen zielen darauf ab, ein Grundrecht auf Asyl nach Maßgabe der
Genfer Flüchtlingskonvention zu gewährleisten. Das ist bestenfalls gut gemeint,
weil die Genfer Flüchtlingskonvention ein Recht auf Asyl nicht kennt. Nimmt man
die Formulierung ernst, dann bedeutet sie, dass Flüchtlinge in Österreich kein
Recht auf Asyl haben. Das sollte man nicht in die Verfassung hineinschreiben.
Wenn man sich gegen ein Grundrecht auf Asyl entscheidet, dann sollte man das
Asyl unerwähnt lassen, statt Rechte zu versprechen, die es nicht geben soll.
Eine
zweite Bemerkung betrifft den Einführungsartikel. Er kombiniert eine
Formulierung aus dem Kremsierer Entwurf mit dem Menschenwürdeartikel des Bonner
Grundgesetzes. Das ist sicherlich ein gangbarer Weg. Ich gebe allerdings als
Alternative zu bedenken, ob es nicht sinnvoll sein könnte, die alte
Formulierung des § 16 ABGB in den Grundrechtskatalog zu übernehmen,
die im Grunde beides vereinigt. Im Verweis auf den Menschen und seine
angeborenen Rechte, die dazu führen, dass er als Person zu betrachten ist,
bringt sie das, was Menschenwürde im Kern ausmacht - ich erinnere an die
Habilitationsschrift von Christoph Enders, der die Menschenwürde als Recht auf
Rechte charakterisiert -, sehr viel nobler zum Ausdruck als die deutsche Formulierung.
Nachdem es sich außerdem um das Wahrzeichen österreichischer
Grundrechtstradition schlechthin handelt, rege ich an, den § 16 ABGB an
die Spitze des Grundrechtskataloges zu stellen. - Vielen Dank.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Dankeschön. Nächste Rednerin ist Frau Christine Gleixner. Bitte
sehr.
Christine Gleisner: Sehr
geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Der
Österreich-Konvent hat einen Punkt erreicht, bei dem mit Freude festzustellen
ist, dass die Arbeit des Konvents insgesamt erfolgreich sein kann. Die Arbeit
des Ausschusses 4 „Grundrechte“ hat an Tempo und Dichte gewonnen, - und
Ergebnisse erzielt. Die „ökumenische Expertengruppe“ aller christlichen Kirchen
konnte dafür oft zwischen den Fronten vermittelnde Beiträge leisten und
tragfähige Kompromisse einleiten. Hier ist der Platz, dem Vorsitzenden
Professor Funk und den Mitgliedern des Ausschusses für die faire Vorgangsweise
zu danken.
Die
Weiterarbeit des Ausschusses 4 wir sich - nach dem Beschluss der
Regierungschefs, den Entwurf eines Europäischen Verfassungsvertrages anzunehmen
- europäisch orientieren müssen.
Ohne juristische Einzelheiten ist festzuhalten:
Die
europäische Verfassung, die von den Kirchen begrüßt wird, enthält für den
Bereich der Grundrechte und der sozialen Grundrechte gemeinsame europäische
Standards, die eine neue österreichische Bundesverfassung nicht unterbieten
darf, vielmehr zu beachten hat und, wenn möglich, ausbauen soll. Für alle
Menschen in unserem Land ist entscheidend, ob die Sicherheit der Verbürgung
sozialer Grundrechte und der individuelle Rechtschutz gegeben ist, andererseits
ob die Freiheit der künftigen politischen Gestaltung und Weiterentwicklung
besteht. Die bisherigen Positionen werden auf der einen Seite als zu wenig frei
für eine künftige politische Gestaltung, auf der anderen Seite als zu wenig
sicherstellend angesehen. Die Kirchen haben auf der Basis des „Sozialwortes“
einen eigenständigen Text vorgelegt; er übersetzt die sozialen Grundrechte des
Europäischen Verfassungsvertrages ins Österreichische. Ähnliches gilt für die
Gleichheitsrechte, die um die Volksgruppenrechte ergänzt wurden. Die Kirchen
werden mithelfen, eine für alle akzeptable Lösung zu finden.
Der
Ausschuss 4 hat für den Bereich der so genannten „klassischen“ Grundrechte in
vielen Punkten Konsens erzielen könne. Als Beispiel sind vor allem die
Religionsrechte und die Bildungsrechte zu nennen. Für das Recht auf Bildung ist
positiv hervorzuheben, dass „lebenslanges Lernen“ endlich als Teil der
Bildungsrechte verbürgt wird; bedauerlich ist nach Auffassung der Kirchen, dass
bislang weder Prinzipien für die Bildungseinrichtungen, die den Gesetzgeber
leiten sollen, in Aussicht genommen noch dass die erhöhten
Beschlusserfordernisse beibehalten werden. Zwar soll der einfache Gesetzgeber
Schulgesetze durchaus ohne Formalschranken neu gestalten könne, um z.B. die
Wettbewerbsfähigkeit der Absolventen zu sichern, er sollte aber in einigen
Kernbereichen und Grundsatzfragen verfassungswirksame Vorgaben erhalten, wie
z.B. hinsichtlich der Ziele der Bildung und der Schulen, eines nach Begabungen
differenzierten Schulwesens, des Privatschulwesens, der
staatskirchenrechtlichen Zusicherungen des Religionsunterrichts. In diesen
wenigen Grundsatzfragen sollte bei der Beschlussfassung auch ein erhöhtes
Quorum zu beachten sein, um den gesellschaftspolitischen Konsens zu
untermauern.
Noch
vor der Annahme des Europäischen Verfassungsvertrages, der die Menschenwürde
als Grundrecht enthält, hat der Ausschuss 4 darüber schon unter allen
Konventgruppen Einstimmigkeit erreicht; in gleicher Weise über die Ablehnung
der Tötung auf Verlangen, ergänzt durch eine Sicherung eines menschenunwürdigen
Sterbens. Offen ist noch die Form und finanzielle Gestaltung der
Sterbebegleitung.
Die
europäische Verfassung hat - was in der Berichterstattung wohl übersehen wurde
- nicht nur in der neuen Präambel die religiöse Dimension verstärkt. Mit der
Annahme des Art 51 hat sie die Rolle der „freien Kirchen in einem freien Staat“
und in einem „freien Europa“ neu bestimmt und mit der Dialogklausel die
Identität der Kirchen und ihre besonderen gesamtstaatlichen Leistungen
anerkannt. Die Kirchen haben vorgeschlagen, vor allem als Konsequenz aus der
gemeinwohlorientierten Arbeit und aus der Freiheit von parteipolitischen
Bindungen , eine dem Art 51 Abs 3 nachgebildete Dialogklausel in die neue
österreichische Bundesverfassung aufzunehmen. Dieser Vorschlag bleibt aktuell,
die Beratungen konnten noch nicht abgeschlossen werden.
Die
Mitgliedskirchen des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, alle
christlichen Kirchen, begrüßen eine Verlängerung des Ausschussmandates.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Dankeschön. Nächste Rednerin ist Frau Präsidentin Orthner. - Bitte
sehr, Frau Präsidentin.
Angela Orthner: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine
sehr geehrten Damen und Herren!
Wie
wichtig sind Grundrechte für Menschen? Wie wichtig ist ein neuer,
zukunftsorientierter Grundrechtskatalog für Österreich, wie wichtig ist er für
den Österreich-Konvent? Für alle drei Bereiche kann man sagen, sie sind eminent
wichtig. Für uns in der Konventsarbeit sind die Grundrechte fast die Basis
einer neuen, modernen Verfassung. Für Österreich und für die Menschen, die in
unserem Land wohnen, sind Grundrechte so etwas wie ein Vertrag mit dem Staat:
Worauf kann ich mich verlassen im Leben, wie kann ich mein Leben entwickeln,
was kann ich tun und worauf kann ich mich stützen und zurückziehen in dem, was
mir im Leben wichtig ist. Ich glaube, auch unter diesen Aspekten muss man die
Diskussion um Grundrechte der Menschen in unserem Land sehen. Welches Recht haben sie? Wie sind Rechte
durchsetzbar? Und was können wir tun, damit wir auch in einem neuen Katalog
nicht einengen und so quasi für die nächsten Jahre und Jahrzehnte Entwicklungen
damit erschweren?
Zunächst
einmal sage ich ein sehr herzliches Dankeschön. Ein herzliches Dankeschön Ihnen, Herr Univ. Prof. Dr. Funk,
für die Vorsitzführung, und mit Ihnen allen Damen und Herren, die als Mitglied
oder als beigezogene Expertinnen und Experten einen, wie Sie es nennen,
Zwischenbericht geschrieben und abgeliefert haben, einen Zwischenbericht, der
aber sehr, sehr klar erkennen lässt, wo geht die Reise hin. In vielen Bereichen
ist eine Übereinstimmung, ein Konsens durchaus zu erzielen gewesen. Manche
Bereiche sind auch noch zu wenig diskutiert, meine ich, um hier und heute sagen
zu können, das geht in Richtung eines Konsenses. Aber aus dem, was wir bisher
hier im Plenum und auch im Präsidium diskutiert haben, traue ich mir schon zu
sagen, dass es uns gelingen wird, einen gemeinsamen Bericht letztendlich
beschließen zu können, wenn alle es wollen und wenn in dem einen und dem
anderen Bereich man für Diskussionen und Alternativen auch offen ist. Aber, ich
denke nicht, dass es hieran mangelt. 20 Ausschusssitzungen sind schon eine
gewaltige Vorausleistung, die Sie dazu erbracht haben, und Ihnen ist wirklich
allen sehr zu danken.
Natürlich
ist die Frage der sozialen Grundrechte, weil sie doch in manchen Bereichen
etwas sehr Neues für die künftige Verfassung sind, eine schwierige Frage. Wie
formuliere ich Recht auf Bildung, auf soziale Sicherheit, auf Wohnen, auf
Verbraucherschutz, auf Ehe und Familie und wie kann ich trotzdem Spielräume
offen lassen? Ich glaube schon auch, dass es darum geht. Vorausschickend möchte
ich sagen, dass sich die Volkspartei selbstverständlich zur Schaffung sozialer
Grundrechte bekennt. Dass die Frage also, ob ein künftiger Katalog auch soziale
Grundrechte enthalten soll, mit einem klaren und eindeutigen Ja zu beantworten
ist. Die Formulierung der sozialen Grundrechte stellt eine wesentliche
Voraussetzung für die Konventsarbeit, für die Arbeit im Ausschuss und dann natürlich
auch im Präsidium und für die anderen Verhandlungen dar. Ich denke mir aber,
dass wir auch ein sehr gutes Vorbild jetzt haben mit der neuen Europäischen
Verfassung, der Charta der Grundrechte, auf die können wir sehr, sehr gut
aufbauen, und dass wir die unterschiedlichen Diskussionen, die zum einen
meinen: man möge ziemlich viel verfassungsrechtlich verankern und die anderen,
dass man dem einfachen Gesetzgeber hier auch noch Spielräume offen lassen muss
und auch den sozialpolitischen Spielraum für die nächsten Jahre offen halten
muss, eine gemeinsame Schau findet. In diesem Sinne denke ich mir, dass es gute
Lösungsansätze gibt, an denen wir weiter arbeiten. - Vielen Dank für Ihren
Bericht.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke schön, Frau Präsidentin. Der nächste Redner ist Herr
Präsident Dr. Rzeszut. - Bitte sehr.
Dr. Johann Rzeszut: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Als
eines der Mitglieder des Ausschusses ist es mir ebenfalls - wie etlichen meiner
Vorredner - ein echtes Bedürfnis, Dank in verschiedener Richtung auszusprechen.
In erster Linie an Herrn Prof. Funk, der einen sehr schwierigen Ausschuss -
nicht von der personellen Zusammensetzung her, sondern selbstverständlich vom
Sachgebiet her - in einer Weise geleitet hat, die Vorbild in verschiedenster
Richtung war: insbesondere Vorbild für mich persönlich, in dem sehr deutlich
und ehrlich dokumentierten Bestreben, die eigene Überzeugung mit Herz und mit
Kopf und nach ausschließlich sachlichen Kategorien zu verdeutlichen und
„hinüberzubringen“. Und das war Ansporn für uns alle, dass wir auch in Phasen,
die nicht immer ermutigend waren, vorankamen. Das haben Sie persönlich, Herr
Professor, sicherlich auch so empfunden. Wir haben schwere Durststrecken - bei
20 Sitzungen ist das auch quantitativ leicht möglich - durchzumachen gehabt.
Aber das Engagement und die Bereitschaft, sich mit jeder Faser hinter die
Aufgabe zu klemmen, hat uns, glaube ich, da durchgeführt, und dafür
herzlichsten Dank. Herzlichsten Dank auch für die unglaubliche, konzeptive
Leistung, die Sie erbracht haben, außerhalb der Sitzungen. In ähnlicher Weise
ist zu danken sicherlich auch Herrn Prof. Grabenwarter, der unglaublich viele
Vorarbeiten auch außerhalb der Sitzungen geleistet und „geliefert“ und unsere
Arbeit erleichtert hat. Nicht weniger Dank auch für alle anderen schriftlichen
Unterlagen, die von den Parlamentsparteien gekommen sind und von anderen
Interessensvertretungen.
Zur
Sache selbst:
Der
Grundrechtsbereich ist ein Bereich, der in verschiedener Hinsicht eine
Sonderstellung einnimmt. Das hat sich schon gezeigt bei dem Verfassungsbestreben
1919/1920. Das war ein Abschnitt, zu dem sich auch in einer Zeit, wo alles
zusammengebrochen war, und wo man neue Fundamente zimmern musste, kein Konsens
finden ließ. Er war damals nicht zu finden, man hat sich mehr oder weniger auf
die Rezeption des damals gegebenen Rechtsbestandes zurückziehen müssen und eben
dann zu dem Mittel gegriffen, wie es sich heute in Artikel 149 B-VG
niederschlägt. Dies ist zunächst nicht ganz verständlich, wenn man die
Sachmaterie betrachtet, die grundrechtlich von Relevanz ist.
Es
kann keinen vernünftigen Menschen geben, der all dem, was Grundrechte zum
Ausdruck bringen, negativ gegenübersteht. Die Rechte auf Leben, auf
Unverletzlichkeit des Eigentums etc., das sind so grundlegende
Selbstverständlichkeiten, dass es verwundert, warum es immer wieder und in der
Geschichte der Staatenentwicklung - oft sogar im Zentrum der
Auseinandersetzungen - warum es dazu immer wieder, noch dazu so tiefgreifende
Differenzen gibt. Eine geordnete Gesellschaft - entschuldigen Sie, diese nur
ganz kurzen einleitenden, eher philosophischen Betrachtungen (einleitend sollte
ich eigentlich gar nicht sagen, denn es wird bald wieder das rote Licht der
endenden Redezeit leuchten) - ein geordnetes gesellschaftliches Zusammenleben,
das ist meine felsenfeste Überzeugung, bedarf Persönlichkeiten und Bürger,
die Eigenverantwortung zu Recht in
Anspruch nehmen und diese Eigenverantwortung auch zuerkannt erhalten sollen.
Aber diese Eigenverantwortung legt natürlich, wie wir es an etlichen, ja
positivrechtlichen Stellen normiert haben, auch Verpflichtungen auf,
Verpflichtungen, die gewisse Schranken setzen.
Es ist
historisch auch selbstverständlich, dass jemand der schwer arbeitet und seine
Arbeitsleistungen im Leben unter
Startbedingungen zu erbringen hat, die ihn vorweg benachteiligt haben, ein
Gefühl der Ungerechtigkeit und des Schutzbedarfs empfindet, wenn er sieht, dass
jemand, der unter anderen Bedingungen gestartet ist und in der Gegenwart
unverhältnismäßig weniger zum Gemeinwohl beiträgt, eine unvergleichlich bessere
Position hat. Und es ist selbstverständlich, dass man versucht, hier einen
Ausgleich anzustreben. Daraus folgt eben ein Interessenskonflikt. Auf der einen
Seite steht die Befürchtung, dass man als Verantwortlicher für (z.B.
wirtschaftliche) Rahmenbedingungen, die ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen
sollen, diese Rahmenbedingungen gefährdet und unter Umständen der
Missbrauchsgefahr ausgesetzt sieht. Diese Bestrebung steht gegenüber den
anderen, bereits angesprochenen legitimen Intentionen. Und hier den
entsprechenden Ausgleich zu finden, das ist ein historisches Bemühen, an dem
seit jeher viele Generationen arbeiten.
Ich
glaube, dass wir - allgemein gesprochen - auch supranational da gut unterwegs
sind. Aber dieses Tara, das richtige (vor allem) soziale Tara in der jeweiligen
Zeit, in der jeweiligen Situation eben herauszuarbeiten und dann zu
verwirklichen, das ist die große gesellschaftliche Herausforderung. Ich glaube,
mit diesem Bewusstsein ist der Ausschuss an die mandatsspezifischen
Problemstellungen herangegangen und hat versucht, entsprechende Lösungen zu
finden. Was das Allerschlimmste wäre, das wäre das wechselseitige Misstrauen in
solchen Grundpositionen, in selbstverständlichen Grundpositionen des
gesellschaftlichen Zusammenlebens, das der Sache zutiefst abträglich wäre. Dass
ein derartiges Misstrauen im Ausschuss 4 dominieren könnte, davon kann keine
Rede sein und ich darf nochmals herzlich dafür danken, dass ich aus dem
Ausschuss als Vertreter eines Verantwortungsbereiches, der nicht unmittelbar in
den täglichen Anforderungen mit der Formung von gesetzlichen Vorgaben, sondern
nur mit der Umsetzung der dort erarbeiteten Direktiven befasst ist, dass ich
aus dem Ausschuss mehr mitnehmen durfte als ich einbringen konnte. - Herzlichen
Dank.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke, Herr Präsident.
Nächster
Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stürzenbecher. - Bitte sehr.
Dr. Kurt Stürzenbecher:
Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass
das sozialdemokratische Grundrechtsforum wirklich unter breiter Einbindung von
Volksgruppenvertretern, also nicht nur im stillen Kämmerlein, einen
Grundrechtskatalog ausgearbeitet hat. Unter breiter Einbindung von
Volksgruppenvertretern sind Vorschläge ausgearbeitet worden, die zumindest
berücksichtigungswürdig sind, wo in einem ersten Absatz einmal grundsätzlich
festgelegt wird, dass jeder Mensch einen Anspruch auf Achtung seiner Sprache
und Kultur haben soll, dass der Staat den Geist der Offenheit und des
interkulturellen Dialoges fördert und Maßnahmen ergreift zur Förderung der
gegenseitigen Achtung und Zusammenarbeit zwischen allen in seinem Staatsgebiet
lebenden Menschen, ungeachtet ihrer Sprache und Kultur. Also, das ist ein
allgemeiner Grundsatz und dann in den nächsten fünf Absätzen, die ich natürlich
jetzt nicht im Detail darlegen kann, wird ganz spezifisch auf die Volksgruppen
Bezug genommen: auf die Förderung und Entwicklung und Sicherung ihres
Bestandes, ihrer Kultur und Sprache, auf die Kindergärten, auf den
Schulunterricht in öffentlichen Pflichtschulen, auf die Einrichtung einer
Schulaufsicht, auf die Förderung von privaten Kindergärten und Privatschulen,
die der Pflege ihrer Sprache und Kultur dienen. Auf die Möglichkeit im
gemischtsprachigen Gebiet zusätzlich die Volksgruppensprache als Amtssprache im
Verkehr mit Verwaltungsbehörden zu verwenden, und so weiter und so weiter. Und
natürlich ist wichtig, dass die Volksgruppen im gemischtsprachigen Gebiet einen
Anspruch auf mehrsprachige topographische Bezeichnungen und Aufschriften haben,
und dass sie einen angemessenen Anteil an öffentlichen Mitteln und finanzieller
Förderung aus dem Budget des Bundes und dem Budget der Länder und Gemeinden
haben sollen. Und, was ganz wichtig ist und in unserer Zeit vielleicht eine
ganz zentrale Frage, eine besondere Förderung der Medien in ihrer eigenen
Sprache.
Also, wenn das nicht geeignet verwirklicht wird, sehe
ich leider für einige Volksgruppen perspektivisch keine guten Aussichten, und
das hat man bisher nicht festgelegt. Im Jahr 1955 bei Zustandekommen des
Staatsvertrages von Wien hat man sich eben auf die Angelegenheiten
konzentriert, die damals wichtig waren, aber die Medien müssen in einer neuen
Bundesverfassung auch in diesem Zusammenhang unbedingt erwähnt werden. Und ich
glaube, dafür gibt es alle Voraussetzungen.
Da mein Licht schon leuchtet, möchte ich zu den
sozialen Grundrechten, die ich noch kurz ansprechen wollte, jetzt im
Wesentlichen auf das verweisen, was Dr. Schnitzer und Frau Mag. Ettl gesagt
haben. Ich meine dazu, dass 1920 die Zeit noch nicht reif war für die sozialen
Grundrechte, aber dass 2004/2005 die sozialen Grundrechte in der dargelegten
Form unbedingt verwirklicht werden sollten, und dass man sonst wirklich nicht
von einer grundlegend neuen Verfassung sprechen könne.
Als Vertreter Wiens scheint mir auch wesentlich, dass
die Frage der Daseinsvorsorge und der öffentlichen Dienstleistungen in unserer
Verfassung in geeigneter Form festgelegt werden soll. Natürlich ist das auch
eine Aufgabe des Ausschusses I, aber auch im Ausschuss IV bei den Grundrechten
sollten diesbezüglich entsprechende Formulierungen sein. Auch hiefür gibt es
Vorschläge im Papier des sozialdemokratischen Grundrechtsforums. - Danke schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke sehr, Herr
Abgeordneter. Sie waren zugleich der letzte Redner zum Bericht des Ausschusses
4, sodass wir nunmehr zum Bericht des Ausschusses 8 kommen, und ich darf Herrn
Volksanwalt Kostelka bitten, seine Ausführungen - nicht mehr als 15 Minuten -
dem Konvent vorzutragen. - Bitte
sehr.
Dr. Peter Kostelka: Danke
vielmals. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich
lege den Bericht des Ausschusses Nr. 8, demokratische Kontrolle, vor und tue
dies nicht nur, weil es der Courtoisie entspricht, vorerst mit dem Dank an
meine Ausschussmitglieder, insbesondere meinen Stellvertreter Prof. Hösele,
sondern auch, weil es der Tätigkeit in diesem Ausschuss entspringt. Wir sind
relativ konzis, ich hoffe auch entsprechend vorbereitet vorgegangen, sind mit
acht Ausschusssitzungen in der Zeit von November 2003 bis April 2004 zu Rande
gekommen und haben den ganzen Bereich abgearbeitet. Ich darf in diesem
Zusammenhang auch den Fraktionsexperten sehr, sehr herzlich danken, Frau Dr.
Moser namens des Konventbüros und 14 externen Experten, die wir in Anspruch genommen
haben und die eigentlich sehr bereitwillig und vor allem sehr kurzfristig in
einer für die wissenschaftliche Tätigkeit nahezu unschicklich kurzen Frist
entsprechende Papiere vorgelegt haben.
Das
Mandat an den Nr. 8, demokratische Kontrolle, war außerordentlich inhomogen.
Auf der einen Seite ging es natürlich um Kernbereiche der demokratischen
Kontrolle, also insbesondere parlamentarischen Kontrolle, aber auch der
Tätigkeit von klassischen Kontrolleinrichtungen, Hilfsorganen des National- und
Bundesrates und auf der anderen Seite der Landtage, wie auch Rechnungshof und
Volksanwaltschaft. Auf der anderen Seite haben wir uns aber auch zu
beschäftigen gehabt auf ausdrücklichen Auftrag und Wunsch des Präsidiums mit
Themenbereichen, die nur sehr bedingt etwas mit der demokratischen Kontrolle zu
tun gehabt haben, wie beispielsweise die Amtsverschwiegenheit oder
beispielsweise Immunität oder Unvereinbarkeit. Uns wurden also auch übermittelt
akzessorische, parlamentarische und politische Probleme, denen wir uns selbstverständlicherweise
unterzogen haben.
Die
Kompromisse, wenn ich es ähnlich zurückhaltend, wie der Herr Prof. Funk es
getan hat, formulieren darf, die Kompromissbereitschaft war noch nicht in
dieser Phase der Arbeit überschäumend. Wir haben mit einem einzigen Bereich
eigentlich einige Korrekturen vorgenommen, die wirklich neuen Systeme sind noch
nicht absehbar oder sind noch nicht wirklich erreicht worden. In diesem
Zusammenhang sei aber darauf verwiesen, dass dieser eine Bereich, die Amtsverschwiegenheit,
durchaus etwas geworden ist, was zum Synonym der Erfolgsträchtigkeit des
Konvents geworden ist.
In
diesem Zusammenhang muss ich dem Konvent auch berichten, dass wir keine
konsensualen Textvorschläge vorlegen konnten und nicht zuletzt deswegen, weil
wir zu der Auffassung gelangt sind, dass, wenn wir die Arbeit fortgesetzt
hätten, mit der Erarbeitung konsensualer Textvorschläge die Gefahr relativ groß
gewesen wäre, dass die getroffenen verfassungspolitischen Einigungen an den
Konsensvorschlägen wiederum gescheitert wären. Wir wollten daher eher einen
positiven Bericht als einen divergierenden legen und haben hier unsere
Tätigkeit eingestellt. Was auch damit zu tun hat, dass aus dem Ausschuss 2
erkennbar war, dass es eine neue Formulierung der Verfassung bedeutet, wenn man
nicht bei den Einigungen, die wir getroffen haben und daher absehbar sind, sich
damit begnügen kann, Arabesken an den bestehenden Verfassungstext anzubringen,
sondern dass es neue Formulierungen gibt.
In diesem
Zusammenhang ist das, was erreicht worden ist - und damit bin ich schon beim
ersten Bereich „Interpellationen“ - natürlich weitreichender als der Text dies
vielleicht vermitteln mag. Wir haben uns bekannt zu einer Konkretisierung in
einigen Bereichen. Das ist eine Konkretisierung beispielsweise im
Entschlagungsrecht des Bundesministers in Beantwortung von Anfragen. Hier war
es Meinung des Ausschusses, dass es eine klarere Regelung geben soll, wie man
in einem anderen Bereich, beispielsweise bei der Antwortspflicht, Art. 53,
ausgeweitet wird nach dem Grundsatz, das Fragerecht des Abgeordneten sollte so
weit gehen wie auch die Informationsrechte des Ministers es sind. Der Minister
sollte sagen können und müssen, was er weiß. Das ist insbesondere expliziert
worden an dieser Regelung, dass nur über Gesellschaften mit einer Beteiligung,
mit einer Bundesbeteiligung von mehr als 50 %, Antwort zu stehen ist im Plenum
des Nationalrates. Was ist, wenn der Minister auf Grund von Minderheitsrechten,
gesellschaftsrechtlich mehr weiß als das, hat er dann das Recht, zu schweigen?
Dies ist seitens des Ausschusses verneint worden. Auch ist klar, dass es keine
Möglichkeit geben soll, wie in dem so genannten Redaktionsversehen aus 1929,
dass ein Minister die Möglichkeit haben soll, dem Nationalrat gegenüber die
Amtsverschwiegenheit geltend zu machen.
In der Frage der Ministeranklage ist weitgehend überwiegend
Einvernehmen erzielt worden, nicht weiter zu gehen. Weil letztendlich
politische Auseinandersetzungen nicht sinnvollerweise gelöst werden könnten
durch ein Verfassungsgerichtshofverfahren. Hier ist vielmehr die Gefahr, dass
der Verfassungsgerichtshof in die Rolle eines Strafbezirksgerichtes abgleitet
und politische Auseinandersetzungen sind dort nicht lösbar. Warum sollen sie
zwei oder drei Stufen höher lösbar sein.
Mindeststandards
hinsichtlich der Kontrollrechte in den Ländern sind weitgehend abgelehnt
worden. Sehr wohl scheint es aber möglich, darauf hinzuweisen, dass die
Länderverfassungen solche Bestimmungen zu enthalten haben. Inklusive
entsprechender Minderheitsrechte.
Bei
der mittelbaren Bundesverwaltung hat es eine längere Diskussion gegeben. Auch
hier keine einheitliche Position. Man ist aber der Meinung, da sollte es - was
ja nicht absehbar scheint - eine Verländerung der mittelbaren Bundesverwaltung
geben, dass man sich noch einmal zusammensetzen wird. Eine gewisse
unbefriedigende Situation hat aber hinterlassen, dass in manchen Ländern
grundsätzlich in den Landtagen über die mittelbare Bundesverwaltung Antwort
gestanden wird seitens der Mitglieder der Landesregierung, in anderen
grundsätzlich nicht.
Bei
der Immunität ist es so, dass es hier einen Vorschlag zur Ausweitung der
Immunität gibt, der sicherlich noch zu Diskussionen führen wird, nämlich
dahingehend, dass eine Ausweitung stattfinden soll hinsichtlich all jener, die
auf Grund der Geschäftsordnung des Nationalrates aber auch anderer
Geschäftsordnungen von Bundesrat und Landtagen das Recht haben, sich zu Wort zu
melden. Das würde bedeuten, dass beispielsweise Regierungsmitglieder auch eine
solche Immunität in Anspruch nehmen können.
Klarere
Begriffe wurden hinsichtlich der beruflichen wie der außerberuflichen Immunität
verlangt. Wir haben uns hier durchgerungen zum Begriff der parlamentarischen
und außerparlamentarischen Immunität, auch hinsichtlich des Berufes, auch
hinsichtlich der Meldepflichten.
Im
Zusammenhang mit dem Bundesrat wurde eine gewisse Systemänderung vorgeschlagen.
Es ist nämlich außerordentlich unbefriedigend, gerade in diesem Saal sei dies
gesagt, dass Bundesräte die Immunität genießen, die jene Landtage haben oder
wahrnehmen, von denen sie entsandt werden. Nachdem die Immunitätspraxis in den
Landtagen sehr unterschiedlich ist, führt das zu sehr unterschiedlichen
Immunitätsentscheidungen in den Landtagen und damit unterschiedlicher
Behandlungen von Bundesräten, die nebeneinander sitzen. Hier ist Einvernehmen
erzielt worden, dass die Immunitätsentscheidung weitgehend durch den Bundesrat
gefällt werden soll.
Hinsichtlich
des Bundespräsidenten sind wir noch nicht ganz am Ende der Diskussionen. Hier
hat es eine Diskussion gegeben, ob das schicklich ist, vor einer Wahl eine
solche Entscheidung zu treffen. Aber es gibt eine gewisse erkennbare Tendenz,
die Immunität des Bundespräsidenten insofern zu renovieren, als das, was heute
in der Verfassung steht, auch durchaus als Privilegium odiosum verstanden
werden kann, weil eine behördliche Verfolgung nur auf Grund einer vom
Nationalrat einzuberufenden Entscheidung der Bundesversammlung vorgenommen werden
darf. Auch, wenn der Bundespräsident in der jetzigen Situation, sein Auto
versehentlich falsch parkt, hat der Nationalrat zu entscheiden, ob die
Bundesversammlung hinsichtlich eines Organstrafmandates eine Auslieferung
beschließt. Hier ist eher ins Auge gefasst worden, dem Bundespräsidenten, der
ja auch legislative Funktionen hat, die Immunität, die berufliche Immunität,
von Abgeordneten zum Nationalrat zu geben.
Bei
der Unvereinbarkeit ist ein gewisses Einvernehmen erzielt worden, hier
Nebenklärungen vorzunehmen, insbesondere auch einen Rechtsschutz vorzusehen.
Die verstärkte Anrufung des Verfassungsgerichtshofes in Entscheidungen des
Unvereinbarkeitsausschusses, die auch den Betroffenen offen stehen soll.
Grundsätzlich zwei Typen von Entscheidungen: Auf der einen Seite - bei
bestehendem Berufsverbot - ist es klar, dass es vor Aufnahme einer Tätigkeit
eines mit Berufsverbot Behafteten der Zustimmung des
Unvereinbarkeitsausschusses bedarf. Hinsichtlich jener Bereiche, wo kein
Berufsverbot besteht, ist der Vorschlag vorzusehen, dass die Untersagung
jederzeit vorgenommen werden kann. Wobei die Meldepflichten weit über das
hinausgehen sollen, was derzeit der Fall ist. Regelungen, wo beispielsweise
bei Gesellschaften mit
beschränkter Haftung im Grunde genommen nur vier Geschäftsfelder
Mitzuerteilungspflichten nach sich ziehen, sind unbefriedigend.
Heftige
Diskussionen hat natürlich die Wahl und das Organ der Wahl nach sich gezogen.
Hier ist eher eine Tendenz in die Bundesversammlung mit einer Tendenz zu einer
Zweidrittelmehrheit erkennbar. Die Abwahl, da hat sich deutlicher zu erkennen
gegeben, dass eine Zweidrittelmehrheit absehbar ist.
Keinen
Konsens hat es gegeben in diesem Zusammenhang, eine stärkere
Rechnungshofkontrolle bei Gemeinden nach sich zu ziehen, obwohl das so manche
im Ausschuss durchaus bedauert haben, und zwar nicht zuletzt deswegen, weil es
ja bei Gemeinden unter 20 000 Einwohner eine obligatorische Kontrolle von
Gemeinden nicht gibt, weder auf landes- noch auf Bundesebene. Und die Schaffung
dieser Bestimmung im Jahre 1920 hat natürlich mit einer ganz anderen
gesellschaftlichen Realität in diesem Bereich zu tun gehabt.
Hinsichtlich
der Zuständigkeiten hat es keine wesentlichen Änderungen im Vorschlag gegeben,
mit einer Ausnahme, die nicht sonderlich bedeutenden EU-Direktförderungen
sollen auch einer Kontrolle des Rechnungshofes unterzogen werden; sonst haben
wir eher durchgehend Konsens erzielt.
Ähnlich
ist es auch bei der Volksanwaltschaft. Da ist es so, dass es Vorschläge
hinsichtlich bezahlter Mitglieder von 1 bis 4 nahezu alles gegeben hat, auch
hier haben wir die Bundesversammlung als Wahlorgan diskutiert. Kein
wesentlicher Konsens konnte erzielt werden hinsichtlich der Ausweitung der
Zuständigkeiten. Also beispielsweise im Zusammenhang mit der Vorlage von
Sonderberichten, ausgegliederten Rechtsträgern, Justiz, Normprüfungsverfahren
oder Prüfungsaufträge an die Volksanwaltschaft. Das Ergebnis war stets Dissens,
also fünfzig-fünfzig. Ich hoffe, dass sich in dem einen Rahmenbereich doch etwas
tut.
Die
vorletzte Bemerkung der Amtsverschwiegenheit, da wird vorgeschlagen eine
völlige Systemänderung. Derzeit steht ja im Artikel 20 Abs. 3 und 4
die Amtsverschwiegenheit und die Auskunftspflicht parallel und gleichwertig
gegenüber. Das soll dahingehend geändert werden nach Vorschlag des Ausschusses,
dass eine Priorität der Informations- und Auskunftspflicht geschaffen wird und
dass nur dort, wo aus guten Gründen insbesondere in Zusammenarbeit bei
Artikel 8 Abs. 2 MRK das geboten erscheint, die Amtsverschwiegenheit
noch gelten soll. Aber der Grundsatz: Grundsätzlich Auskunftserteilung, und nur
dort, wo dies nicht möglich ist, soll eine Verschwiegenheit bestehen.
Letzte
Bemerkung. Wir haben uns natürlich auch mit den Instrumenten der direkten
Demokratie beschäftigt. In diesem Zusammenhang hat es auch keine sehr
tiefgreifenden umfassenden Neuordnungen gegeben - mit einer einzigen Ausnahme:
Dass es erkennbar ist, dass Verordnungen zum Gegenstand von Volksbefragungen,
Volksabstimmungen, Volksbegehren und Ähnlichem gemacht werden sollen. Der
Hintergedanke war nicht zuletzt, dass es ja legistisch beliebig gestaltet ist,
wo die Grenze des Gesetzes anfangt und wo jene der Verordnung aufhört.
Eine
interessante Entwicklung hat es gegeben hinsichtlich der Teilnahme an solchen
direkten demokratischen Instrumentarien. Diese Teilnahme ist weitgehend
akzeptiert worden, auch wenn es
nicht möglich ist, an der Abstimmung selbst teilzunehmen, also ähnliche
Einrichtungen wie Briefwahl. Die die Briefwahl wird an und für sich selbst
nicht akzeptiert.
Danke
vielmals für diesen Langmut, Herr Präsident. Ich werde Ihnen keine Sorgen mehr
machen. Mit meinem Eintritt ins Präsidium ist es so, dass ich dem Vorbild
anderer Präsidiumsmitglieder folge und um Verständnis bitte, den Ausschussvorsitz
niederlegen zu dürfen und ich hoffe, dass Frau Kollegin Prammer mit Bewilligung
und Zustimmung des Konvents diese Aufgabe übernehmen wird. Und daher werde ich
in Zukunft meine Zeit nicht mehr überziehen.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke, Herr Volksanwalt, für die Ausführungen zum Bericht des
Ausschusses 8. Ich danke für die Leitung des Ausschusses. Ich danke auch
dafür, dass das gesamte Pensum, das dem Ausschuss vom Präsidium und vom Konvent
aufgetragen wurde, abgearbeitet werden konnte. Ich möchte diesen Dank auch an
die übrigen Mitglieder dieses Ausschusses 8 richten und auch an die
Ausschussbetreuung, die wesentlich dazu beigetragen hat, dass dieses Ergebnis
vorliegt, wenngleich ich mir vom Vorsitz aus das Recht herausnehme, zu
bemerken, dass jene Regelungen, die den Rechnungshof betreffen, nicht unbedingt
meine Zustimmung finden, da ich der Meinung bin, dass zu wenig an Änderungen
vorgenommen wurde. Ich glaube, man sollte gerade, was die Prüfungsrechte des
Rechnungshofes anlangt, die Sache nochmals durchgehen. Ich möchte allerdings
auch, und das richtet sich eigentlich direkt an den Vorsitzenden des
Ausschusses, hinzufügen, mir scheinen auch die Rechte der Volksanwaltschaft
nicht ausreichend geregelt zu sein. Und da sollte sich der gesamte Konvent
gerade dieses Komplexes der Kontrolle, sei es nun durch den Rechnungshof, sei
es durch die Volksanwaltschaft, noch einmal intensiv annehmen.
Nochmals
recht herzlichen Dank, Herr Volksanwalt!
Wir
gelangen nun zur Diskussion über den Bericht des Ausschusses 8, und ich
darf als ersten Redner Herrn Bundesrat Hösele das Wort erteilen. Bitte sehr.
Herwig Hösele: Herr
Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf meinen Dank an den
Vorsitzenden, den er an den Ausschuss gegeben hat, nur zurückgeben.
Es war
eine außerordentlich konsensorientierte und professionelle Vorsitzführung, vor
allem im Sinne der Konsensorientierung, auch in dem Sinne, dass wir die Sachen
zwar vertieft diskutiert haben, wo wir Dissens erzielen werden, aber es nicht
sozusagen zu einer Prinzipiendebatte langfristiger Natur geführt hat. Sondern
der Dissens war ein sehr
sympathischer, auch hinsichtlich der Diskussionsführung. Und ich glaube, es hat
uns sehr viel weiter gebracht. Und dafür möchte ich mich auch bedanken.
Insgesamt
glaube ich, dass der Ausschuss der demokratischen Kontrollen im Gegensatz zu
anderen Fragen, die den Konvent beschäftigen, wie die Grundrechtsdiskussion,
die wir gehabt haben, oder die Frage der Bundesstaatlichkeit und Kompetenzen im
Allgemeinen, nicht so viele Defizite aufweist und deswegen hier kein so großer
Änderungsbedarf besteht wie ab und an sonst diskutiert worden wäre.
Ich
darf einige der Konsens- und Dissensfelder noch kurz ansprechen. Der Herr
Vorsitzende hat das ganz richtig berichtet, in der Frage des
Untersuchungsausschusses gibt es unterschiedliche Meinungen, ob das ein
Minderheitenrecht sein soll oder nicht. Ich habe da viele Diskussionsbeiträge
der letzten Jahrzehnte auch gelesen. Einer der jüngeren war der vom Herrn
Verfassungsgerichtshofpräsidenten außer Dienst Adamovic vom 10. November,
der in dem Zusammenhang geäußert hat, zwar sei es verlockend, Ministeranklagen
beziehungsweise Untersuchungsausschüsse als Minderheitenrecht zu installieren,
doch wenn etwa ein Untersuchungsausschuss mit nur einem Drittel der Stimmen
einsetzbar sei, wäre auch dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, gibt Adamovic zu
bedenken. Ich halte das für eine sehr bedenkenswerte Haltung.
Zweiter
Punkt. Der Herr Vorsitzende hat zwar gesagt, es ist für uns eigentlich nicht
das Kernkompetenzthema gewesen, wo wir den, glaube ich, wichtigsten Konsens
erzielt haben, und Sie haben ihn auch angesprochen, und ich glaube, das ist
auch ein wichtiges Signal für Transparenz und Bürgerorientierung in Politik und
Verwaltung, sozusagen die Umkehrung der Pyramide: Auskunftspflicht vor der
Amtsverschwiegenheit. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiges und sehr gutes
Signal, das wir setzen konnten.
Im
Zusammenhang mit der direkten Demokratie eine Kleinigkeit, die aber auch,
glaube ich, vom Symbol und vom Signal her wichtig ist, nämlich, dass gegenüber
aktiven Bürgerinnen und Bürgern die Volksbegehren mit dem Ende einer
Legislaturperiode nicht verfallen sollen, sondern auch auf jeden Fall vom neu
gewählten Nationalrat weiter beraten werden sollen.
Insgesamt
darf ich als Letztes festhalten, dass wir auch ganz kurz, die vielen, vielen
anderen Kontrolleinrichtungen, die es gibt, untersucht haben. Es sind ungefähr
hundert an der Zahl, die alle sehr wichtig sind, aber wahrscheinlich im Sinne
einer wichtigen Ombudsfunktion möglicherweise etwas stärker zentriert werden
sollten.
Ich
danke jedenfalls für die gute Zusammenarbeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke sehr, Herr Bundesrat! Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich
Herr Präsident Hatzl. - Bitte sehr, Herr Präsident!
Johann Hatzl: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte einmal Herrn Volksanwalt Dr.
Kostelka danken und das klingt nicht genant, weil es die eigene Fraktion, oder
von der eigenen Fraktion ist, sondern in der Tat - er hat die Aufgabe in einem
hohen Maß verstanden. Ich hätte es so nicht gekonnt, so ausgleichend in dieser
Form tätig zu sein, wie er es konnte.
Wir
haben natürlich einer ganze Reihe von Sachfragen mit Konsens erreicht und auch
Verschiedenes angesprochen. Ich sehe aber meinen Schwerpunkt heute nicht darin,
das zu dokumentieren, was an Konsens vorliegt und ich halte auch nichts davon,
obwohl man manchmal sagt, schöner reden ist gut, aber es ist nicht immer
richtig. Ich möchte eigentlich, gerade, weil es bei diesem Ausschuss auch sehr
vieles, parlamentarisches, tagespolitisches Zukunftsorientiertes gibt, den
Dissens ansprechen.
Die
vier Parlamentsparteien, die hier im Haus vertreten sind, sprechen immer von
einem Mehr an parlamentarischer Demokratie, von einem Mehr an politischer
Kontrolle, von einem Mehr an politischer Mitbestimmung, von einem Mehr an
parlamentarischer Grundgesinnung. Im Ausschuss 8 hat es daher die Chance
gegeben, sich für dieses zu engagieren und hier die Weichen zu stellen, dass
vieles von dem, was man so sagt, außer Streit gestellt wird, um diese
Zielpunkte zu setzen, das heißt, die parlamentarische Demokratie und Kontrolle
weiter zu entwickeln.
Jetzt
bin ich sehr froh, der Konvent ist ja etwas sehr Schönes. Manches ist am
Prüfstand, einiges wird klarer, Verschiedenes erkennbar und vor allem bei
solchen parlamentarisch wichtigen Themen kann man sich in Zukunft weniger
vorbei-schwindeln, wenn man hier nicht Klarheit bezieht, in positiver oder in
negativer Form. Ich sage, die Chance ist in vielen, wichtigen Bereichen nicht
genützt worden, in der Zwischenzeit, bis zum heutigen Bericht. Ich hoffe, dass
sich das noch ändert und ich nenne es auch beim Namen.
Die
gegenwärtigen beiden Regierungsparteien - persönliche Bemerkung, die noch für
kurze Zeit, wie annehme, Verantwortung tragen - wollen nicht behindert, wollen
nicht mehr kontrolliert werden und wollen zurzeit auch sich nicht für ein Mehr
an Reformen in unserer parlamentarischen Demokratie engagieren. Beispiele gibt
es, ich sage einige.
Zum
Beispiel: keine Einigung, dass es mehr als eine gleichzeitige Prüfung des
ständigen Rechnungshof-Unterausschusses auf Verlangen einer Minderheit gibt.
Wir
haben uns nicht gefunden bei den Aktenvorlagen an den ständigen
Rechnungshof-Unterausschuss. Wir haben uns nicht gefunden bei den
Mindestkontrollstandards für die Landtage. Wir haben uns nicht gefunden, dass,
wenn noch nicht beim Wahlalter, zumindest beim Volksbegehren und
Volksbefragungen, die sechzehn Jahre für das Alter der Teilnahme möglich
werden. Wir haben uns nicht gefunden bei den Verankerungen von Mindeststandards
für die direkte Demokratie in den Ländern und Gemeinden.
Wir
haben uns nicht gefunden über Fragen der verfassungsrechtlichen Pflicht zur
Durchführung von Begutachtungsverfahren zu Regierungsvorlagen, besonders
wichtig, gerade aus den letzten Jahren, ein schreiendes Beispiel, das einer
Lösung bedarf.
Wir haben
uns nicht gefunden, was für die Öffentlichkeit wichtig ist, bei der Schaffung
von Lobbyisten-Listen, die Abgeordnete oder Minister betreffen,
Regierungsmitglieder. Und hier meine ich nicht nur die Bundesregierung, sondern
auch die Länder.
Wir
haben uns nicht gefunden beim
Mindestniveau für politische Kontrollrechte in den Gemeinden. Wir haben uns
nicht gefunden bei der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als
Minderheitsrecht und viele andere Bereichen mehr, was in vielen Staaten der
Europäischen Union Standard ist, um das jetzt in diesem Bereich hier
auszusprechen. Wir wollen offensichtlich eher die Rolle des Sonderfalles bei
solchen demokratischen Elementen.
Daher
in der Zusammenfassung relativ klare Sicht: Wenn es bei diesen Formen bleibt,
wo wir uns nicht gefunden haben, das heißt, wenn die beiden Regierungsparteien
dabei bleiben, dann gibt es kein Mehr an politischer Weiterentwicklung in den
demokratischen Staatsformen. Ich halte das für bedauerlich. Es ist bald
Schulschluss. Zurzeit wäre das für die beiden Regierungsparteien eine Fünf,
aber, wie immer im schulischen Leben, gibt es einen „Nachzipf“, vielleicht
könnte man die nächsten Monate dazu verwenden, dass dann der Aufstieg in die
nächste Klasse geschafft wird, durch ein Bekenntnis für einen Ausbau der
demokratischen Grundrechte in den parlamentarischen Formen.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr.
Franz Fiedler: Ich danke, Herr
Präsident! Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. - Bitte
sehr, Frau Abgeordnete!
Dr. Evelin Lichtenberger: Sehr
geehrte Damen und Herren!
Zunächst möchte ich auch dem Vorsitzenden und
meinen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für die sehr interessante und sehr
intensive Diskussion danken, die wir über ein Grundelement demokratischer
Systeme abgehalten haben und abzuhalten hatten, nämlich der demokratischen
Kontrolle.
Mein Vorgänger hat die Liste der nicht
konsensuellen Felder schon in aller Ausführlichkeit dargestellt. Hier hat sich
dann natürlich auch die Ernsthaftigkeit bestimmte Ansätze gezeigt
beziehungsweise hat sich auch sehr, sehr deutlich dann gezeigt, wie weit man
ein Bekenntnis zur Demokratie, dann auch sehr, sehr konkret, in konkreten
Maßnahmen, konkreten Kontrollmechanismen, verankern und absichern will, weil
das ist der entscheidende Punkt.
Der Ausschuss war ein Ausschuss von Pragmatikern.
Das sage ich jetzt mit der Ambivalenz, die in dieser Frage geboten ist. Man hat
einerseits sehr klar die Erfahrung der Ausschussmitglieder gemerkt, die
sozusagen das Erleben von demokratischen Prozessen bedeutet, aber man hat auch
das jeweilige Durchzählen in Schwarz-, Rot-, Blau-, Grün-Logik, also in
Parteienlogik, bei vielen Fragen, die diskutiert worden sind, deutlich gespürt.
Also die Mathematik, die Parteienmathematik, hat in manchen Bereichen eine
dominierende Rolle gespielt und da hat es dann natürlich auch sehr, sehr
deutlich die Unterschiede gegeben, wie bestimmte Fragen abgehalten worden sind,
auch jenseits der großen demokratischen Bekenntnisse, die uns, glaube ich, alle
einen.
Hier
hätte man weiter herunter gehen müssen, um diese Kontrolle zu ermöglichen, denn
Auslagerung kann in einer Demokratie dann funktionieren, wenn die Kontrollmechanismen
entsprechend funktionieren, denn sonst können wir bestimmte Rechte sozusagen
nicht mehr garantieren, die wir den Menschen versprechen. Halte ich für ein
schwaches Signal, das von unserem Ausschuss hier ausgeht.
Was
ich auch eher negativ empfunden habe, war, dass man nicht bereit war,
Mindestlevels für die Landtage und für die Gemeinden, was demokratische
Kontrollen und Minderheitenrechte betrifft, zu sichern. Ich glaube, das ist
falsch verstandener Föderalismus, wenn man glaubt, dass das Recht eines Landes,
möglichst keine Kontrolle zulassen zu wollen, gesichert werden muss. Das ist
ein falsch verstandener Föderalismus. Meiner wäre eher, dass man Ländern
ermöglicht, viel weiter zu gehen in demokratischen Kontrollmechanismen, als es
ihnen die Bundesregelungen derzeit erlauben.
Was
für mich auch ein kein sehr
positives Erlebnis in diesem Ausschuss war, das war die Diskussion um die
direkte Demokratie. Hier gab es also etwas weniger Schritte in eine positive
Richtung, als ich mir eigentlich erwartet hätte. Wir haben als Grüne hier sehr,
sehr viele Initiativen auch eingebracht und versucht, die Debatte auch in
dieser Hinsicht zu beleben, denn allein hier die Ausweitung der Rechte der
Länder, direktdemokratische Mechanismen einzuführen, wäre ja wirklich kein so
großer Schritt gewesen. Also hier kann ich mir vorstellen, das wir drüber
hinaus gehen müssen, dass wir hier gerade einen Schritt weiter wagen müssen.
Zum
Schluss noch zum Thema der Amtsverschwiegenheit versus einer Auskunftspflicht.
Ich glaube hier ist es unverzichtbar, dass wir das nicht nur in dieser
Willenserklärung belassen, sondern dass das sehr konkret zum Rechtbestand bis
in alle Details hinein umgesetzt wird und zwar aus folgendem Grund. Ich kenne
diese österreichische Tendenz, dass Akten ein Stück Geheimnis sind und
Geheimnis bleiben sollen, eine abgehobene Welt bleiben sollen, und das ist
nicht richtig, das entspricht nicht dem modernen Demokratieverständnis. Wenn es
denn so sein würde, dass man zwar offiziell die Auskunftspflicht verankert,
dann aber mit einer nie endenden Liste von Ausnahmebestimmungen das Ganze
wieder aufhebt, dann hätten wir unser Ziel verfehlt, und diesen Schritt, den
verlange ich von uns allen in aller Deutlichkeit. Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Dankeschön, Frau Abgeordnete. Nächster Redner ist Herr
Dr. Voith. - Bitte sehr.
Dr. Günter Voith: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war nicht Mitglied des Ausschusses und
darf ein bisschen mich als halb Außenstehender fühlen. Ich kann auch sagen, als
nicht Betriebsblinder.
Ich
habe noch sehr gut im Ohr, bevor der Konvent gegründet, zusammengerufen
wurde - Entschuldigung - wie es geheißen hat, ja die Verfassung ist
eine Ruine. Sie ist schrecklich überladen. Der Staat hat ja
Handlungsschwierigkeiten wegen der Überregulierungen, und ich sage dazu, dass
natürlich wir in der Industrie Standortprobleme fühlen im internationalen
Wettbewerb wegen der Schwerfälligkeit der Verwaltung und erlaube mir die
Bemerkung, dass immerhin ein Drittel aller Beschäftigten direkt und ein
weiteres Drittel indirekt von dem Gedeihen der Industrie abhängig ist und
natürlich erst recht die Steuereinnahmen.
Ich
möchte mich daher auf etwas formale Dinge konzentrieren und als Beispiel
herausnehmen den Rechnungshof, die Verfassungsbestimmungen über den
Rechnungshof. Das ist ein Musterbeispiel für unsere Verfassungsüberladung. Wir
haben Rechnungshofbestimmungen über die Verfassung 15 Artikel mit
307 Zeilen. Im deutschen Grundgesetz kommen die gleichen Bestimmungen über
den Rechnungshof aus mit einem halben Artikel mit insgesamt 9 Zeilen.
Natürlich ist dort der Verweis auf einfache Gesetzgebung drinnen, der ist aber
bei uns auch drinnen, und das gibt natürlich zu denken. Wir wissen alle, Grund
dafür ist das unselige, sage ich, gegenseitige Misstrauen der Parteien durch
Jahrzehnte; und das ist etwas, wo wir doch fordern müssen, das soll nach Möglichkeit
aus der Verfassung heraus kommen. Die politischen Streitereien sind ja ohnedies
unvermeidlich.
Nun
rein sachlich ist es grundsätzlich sehr einfach: Unserer Meinung nach soll der
Rechnungshof sehr weite Vollmachten haben, denn wer das Geld hergibt, der soll
über dessen Verwendung informiert werden, und das ist der Steuerzahler und
indirekt natürlich dann das Parlament und indirekt natürlich dann der
Rechnungshof. Wir sind der Meinung, dass hier alle Steuergelder vom
Rechnungshof nachgeprüft werden können ohne Beschränkung durch, ich sage mal,
durch kaum vorhandene Länderkontrollstellen und auch nicht durch
Gemeindegrenzen.
Entscheidend
ist aber sicherlich etwas anderes. Ich sehe es schon so, dass der Konvent
Gefahr läuft, vor lauter Bäumen den Wald nicht zu sehen, sprich vor lauter
Artikeln - Paragraphen haben wir ja nicht in der Verfassung - das
Verfassungsganze zu verlieren, den Sinn und Zweck langsam aus den Augen zu
verlieren, und damit die einmalige Chance einer wirklich großen Reform zu verzetteln.
Es ist
ganz klar, dass viele Verfassungsrechtler und Experten im Konvent und auch
Praktiker sehr genau wissen, wo die bisherigen Normen und Strukturen Mängel
haben, und daher gut über die Verbesserung diskutieren können. Aber eben
ausgehend von der bisherigen Situation, von der bisherigen Verfassung, die auch
schon vor Jahrzehnten sehr stark sich an bisherige Strukturen gehalten hat. Ich
sage sogar, dass die zum Teil, sagen wir, aus der Grundherrschaft kommen, aus
der dann die territorialen Grenzen hervorgegangen sind. Die stammen noch aus
der Feudalzeit, diese Territorialgrenzen, aber ich will mich da nicht
verbreitern.
Wo
bleibt die primär generelle Hauptforderung an den Konvent, die Verfassung in
vielen Punkten auf Grundsätze, Zielvorgaben, Ermächtigungen zu konzentrieren?
Und wesentlich zu, um nicht das Wort verschlanken zu sagen, das von manchen
nicht gern gehört wird, ich sage zu entfetten. Gerade damit der Staat
leistungsfähiger und stärker wird. Entfetten ist besser?
Wo
bleibt, was noch wichtiger ist, die Antwort auf die Frage, nicht wie sieht eine
alte Verfassung mit einigen Korrekturen aus, sondern wie muss die Verfassung
aussehen, um den Anforderungen, die die Zukunft an die Strukturen eines Staates
stellt, besser gerecht zu werden. Die Gesellschaft, wissen wir doch, geht immer
schneller über nationale Grenzen hinaus. Sie ändert sich überhaupt immer
schneller. Und die Bedürfnisse zu befriedigen wird immer schwieriger, das
wissen wir doch alle. Die Antwort heißt, als Schlagwort gesagt, nur schnell
Flexibilität für die Staatsstrukturen schaffen, über bestehende Bedingungen
hinaus denken, nicht zu viel Fesseln für künftige Notwendigkeiten. Juristisch
sehr vereinfacht gesagt: Verfassung - und das steht ja eigentlich oben am
Konvent - Verfassung beschränken, entfetten und natürlich mehr in die laufende,
flexiblere Politik, sprich einfach Gesetze hinein geben. Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke Herrn Dr. Voith für die Ausführungen und habe auch
mit Wohlwollen vernommen, dass Sie für eine Ausweitung der Rechte des
Rechnungshofes eintreten. Auch dafür ganz besonderen Dank. Die nächste Rednerin
ist die Frau Abgeordnete Dr. Berger. Frau Dr. Berger ist nicht im
Saal. Ich darf daher den nächsten Redner aufrufen: Herrn Dr. Bußjäger. -
Bitte schön.
Dr. Peter Bußjäger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren!
Als
einer, der bei den meisten Ausschusssitzungen anwesend war, darf auch ich dem
Herrn Vorsitzenden - er ist, glaube ich, gerade nicht da - mein
volles Kompliment für die umsichtige Vorsitzführung und das teilweise geradezu
amikale Verhältnis in dem Ausschuss danken. Das täuscht nicht über so manchen
tief greifenden Dissens hinweg, und ich möchte diesen Dissens jetzt einmal auch
von der anderen Seite her beleuchten.
Im
Ausschuss 3 war mehr oder weniger Übereinstimmung, dass die
Verfassungsautonomie der Länder gestärkt werden sollte, der Ausschuss 8
ist sozusagen die Nagelprobe für die Verfassungsautonomie, wie ernst man diesen
Gedanken dann tatsächlich nimmt. Und wenn man Verfassungsautonomie ernst nimmt,
dann ergibt sich logischerweise ein hohes Maß an Differenzierung innerhalb der
Rechte in den Parlamenten der Länder, innerhalb der direktdemokratischen
Institutionen in den Ländern und zwischen den Kontrollrechten in den
Ländern. - Das ist kein falsch verstandener Föderalismus, sondern der
einzig richtig verstandene Föderalismus.
Man
kann natürlich über gewisse Standards der Homogenität sprechen - diese
ergeben sich aus den Bauprinzipien der Bundesverfassung, die den Ländern
vorgeben, demokratische Institutionen zu haben, also im Wesentlichen vorgeben,
dass in den Ländern Landtage zu sein haben, die die Landesregierung zu
kontrollieren haben -, ob man darüber hinaus weitere Vorgaben der Bindung
an homogene Standards setzen soll, ist eine Frage, die man diskutieren muss,
aber wenn man, wie gesagt, Verfassungsautonomie ernst nimmt, ergibt sich hier
von Vornherein eine sehr restriktive Position.
Eine
besondere Frage, die sich stellt, ist die mittelbare Bundesverwaltung: Wir
müssen davon ausgehen, dass die mittelbare Bundesverwaltung erhalten bleibt,
die Frage ist jedoch schon, ob diese eher seltsame Verteilung in den
Kontrollinstrumenten, die der Nationalrat hat hinsichtlich der mittelbaren
Bundesverwaltung, die die Länder haben -das Landesparlament kann ja hier
nur im Bereich der Organisation Kontrolle
ausüben -, ob das zeitgemäß ist. Ich würde doch meinen, dass eine
Verlagerung von Kontrollrechten auch in der mittelbaren Bundesverwaltung auf
die Landesparlamente letztlich Sinn machen würde, weil auch die Abgeordneten in
den Ländern viel näher an dem zu kontrollierenden Tatbestand sind.
Zu
guter Letzt möchte ich meine kurze Wortmeldung damit abschließen, dass ich
Zweifel habe, ob dieser gute alte Lenin’sche Grundsatz „Vertrauen ist gut,
Kontrolle ist besser“ in jedem Fall bis zur Vollendung durchgezogen werden
muss. Wir müssen schon davon ausgehen, dass in einem bestimmten Bereich ein
Übermaß an Kontrolle letztlich ineffizient wird, und wenn man auf selbst
relativ kleine Einrichtungen die verschiedensten Kontrollorgane loslässt und
sie ihre wohltätigen Wirkungen der Kontrolle entfalten lässt, muss das nicht
immer gleich effizient sein.
Ich
habe daher im Ausschuss dafür plädiert - und es war auch Konsens im
Ausschuss -, dass es der Verfassungsautonomie der Länder überlassen sein
soll, inwieweit sie beispielsweise im Bereich der Kontrolle der Gemeinden die
Landes-Rechnungshöfe aktiv werden lassen. Ich hielte das für einen sehr
sinnvollen Aspekt einer Stärkung der Verfassungsautonomie der Länder, ohne dass
hier gleich mit, ja, allen Instrumenten des Rechnungshofes und der verpflichtenden
Kontrolle hineingefahren werden müsste. - Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner (übernimmt den Vorsitz): Danke. - Nächster Redner ist Herr Dr. Karl Lengheimer.
DDr. Karl Lengheimer: Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Nicht
nur im Ausschuss 8, sondern im gesamten Konvent wird nur das Miteinander
und nicht das Gegeneinander zu positiven Entscheidungen führen - das
Miteinander der politischen Verantwortungsträger und natürlich auch das
Miteinander von Bund, Ländern und Gemeinden; mit Vorwürfen kommt man nicht
weit.
Und
ich halte auch nichts von oberlehrerhaften Festlegungen in der Verfassung,
welche demokratiepolitischen Mindeststandards die Länder oder Gemeinden
einzuhalten hätten. Es ist schon darauf zu verweisen, dass die
Landesverfassungen - die niederösterreichische, und nicht nur diese -
seit 25 Jahren teilweise - ich betone: teilweise, nicht alle! -
plebiszitäre Einrichtungen erhalten, die es beim Bund nicht gibt. Und ich
glaube, ein Wettbewerb - ein gegenseitiger Wettbewerb -, hier besser
zu werden, muss nicht gesetzlich und schon gar nicht verfassungsgesetzlich
verordnet werden.
Ähnliches
gilt für die Frage Rechnungshof und Volksanwaltschaft hinsichtlich Bund und
Länder: Es ist Effizienz und Effektivität gefragt! Effizienz heißt, dass wir
nicht die Dinge mehrfach kontrollieren, dass wir also nicht Vergeudung von
Ressourcen betreiben. Die Effektivität fordert aber wohl auch hier nach dem
guten alten Grundsatz der Subsidiarität vorzugehen, und diese Überprüfungen dem
zu geben, der sie besser kann - und das wird, auch in Länder- und
Gemeinden-Angelegenheiten, mitunter der Rechnungshof des Bundes sein.
Und
auch für die Volksanwaltschaft gilt Ähnliches, nur - und darauf hat
Bundesrat Hösele bereits hingewiesen - dann muss man auch Strukturen
schaffen, damit die Länder sich in diesen Einrichtungen organisatorisch wieder
finden können. Ich möchte noch auf die Bestellung dieser Organe zu sprechen
kommen - nicht, weil diese beim Rechnungshof derzeit politisches
Tagesgespräch ist -, sondern weil
es hier um Grundsatzfragen geht, mit denen sich, so denke ich, der Konvent
befassen sollte. Die Wahl des Rechnungshof-Präsidenten oder eines Volksanwaltes
durch ein politisches Organ ist auch eine politische Entscheidung - daran
ändert sich auch nichts, wenn man die Entscheidung, wie der Ausschuss 8
vorschlägt, in die Bundesversammlung verlegt, oder, wie vereinzelt
vorgeschlagen wird, der Minderheit oder der Opposition Antragsrechte gibt.
Es ist
und bleibt eine politische Entscheidung, eine, die natürlich auf Grund
sachlicher Kriterien hinsichtlich der Kandidaten zu treffen ist - und
dafür kann auch zum Beispiel ein Hearing einen guten Dienst leisten. Aber es
macht keinen Sinn - vor allem dann nicht, wenn man an der Glaubwürdigkeit
unserer demokratischen Strukturen hängt und es einem an ihnen gelegen ist -,
wenn man die freie Ausübung dieser verfassungsrechtlichen Nominierungs- und
Bestellungsrechte als genant aufzeigt oder bezeichnet, oder aber, wenn man
vorgibt, ohnedies lediglich quasi als sich selbst beauftragender
professioneller Headhunter tätig geworden zu sein. Ich meine, politische
Entscheidungen sind politische Entscheidungen, und der Konvent ist aufgerufen,
klar zu sagen und in der Verfassung festzulegen, inwieweit politische
Entscheidungsträger - und wenn ja, an welche Kriterien- sie gebunden sein sollen.
Und
dazu gehört insbesondere auch die Frage der Zugehörigkeit zu einer politischen
Partei. Natürlich steht es dem Normengeber frei - unter Beachtung
des Sachlichkeitsgebots wohlgemerkt! -, eine Parteimitgliedschaft ebenso
als Hinderungsgrund für ein öffentliches Amt zu erklären, wie das ja auch
andere Dinge sind. Es gibt ja solche Bestimmungen auch hinsichtlich von
Funktionen bei der Bestellung der Verfassungsrichter. Nur muss man es sagen,
und man muss auch klären, inwieweit man damit gehen will, so man nicht
riskiert, der Parteiendemokratie einen schlechten Dienst erweisen zu wollen.
Ich
glaube, diese Grundsatzfragen sind wert im Konvent behandelt zu werden, sind
wert, genauso oder mehr behandelt zu werden, als die eine oder andere
prozessuale Frage, über die wir uns oft allzu lange aufhalten. Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächster Redner ist Herr Dr. Klaus Poier.
Dr. Klaus Poier: Frau
Präsidentin, meine Damen und Herren!
Die
Arbeit des Ausschusses 8 fand in einer sehr konstruktiven Atmosphäre statt,
wofür nochmals sehr herzlich dem Vorsitzenden, Volksanwalt Dr. Kostelka, zu
danken ist. Er hat den Ausschuss nicht nur sehr konsensorientiert, sondern auch
sehr effektiv geleitet, was angesichts der politischen Realitäten eben oft auch
bedeutet hat, dass man sehr rasch einen Konsens darüber erzielt hat, dass es
vorerst einen unüberbrückbaren Dissens gibt.
Aus
inhaltlicher Sicht gibt es freilich einige durchaus wichtige Punkte, in denen
es Dissens gibt. Fragen der Kontrolle, der Ausübung des Mehrheitsrechtes und
der Einschränkung des Mehrheitsrechtes - durch Minderheitenrechte oder durch
qualifizierte Mehrheitsrechte - sind zutiefst auch politische Machtfragen, die
unterschiedliche Positionen sehr leicht verständlich machen. Es zeigt sich für
mich aber auch ganz deutlich, dass diejenigen, die aktuell - nämlich, die
jeweils aktuell - die Mehrheit und damit die Regierung stellen, die wichtigen
Ziele der Effektivität und der Effizienz des Staates im Auge haben, während
diejenigen, die aktuell in der Minderheit sind, vor allem die Ziele der
Kontrolle und Transparenz, Minderheitenrechte und Partizipation in den
Vordergrund stellen. Das sieht man auch daran, dass sehr viele
Kontrolleinrichtungen von ÖVP bzw. SPÖ im Laufe der Geschichte einmal gefordert
und einmal abgelehnt wurden, je nachdem, ob sie jeweils in der Regierung oder
in der Opposition waren, und es zeigt sich sicherlich auch daran, dass die Lust
nach Kontrollrechten in Wien deutlich anders gelagert ist, als hier für die
Bundesebene gefordert wurde.
Alle
vorher genannten Ziele sind sicherlich für sich gerechtfertigt, es gibt aber
leider eine trade-off-Situation, das heißt, sie können nicht alle gleichzeitig
optimal erfüllt werden. Es muss daher ein Mittelweg, ein Kompromiss gefunden
werden. Und hier hat man doch ein wenig das Gefühl, dass diejenigen, die in der
Regierung sitzen, davon ausgehen, dass sie das immer tun werden, und
diejenigen, die in der Opposition sind, davon ausgehen, dass sie nie mehr
regieren werden. Ich bin also durchaus optimistisch, dass man bei einer
realistischeren, längerfristigeren Betrachtung im Laufe der nächsten Monate
durchaus einige offene Punkte lösen wird können.
Im
Bereich der direkten Demokratie bin ich persönlich ein wenig enttäuscht, vor
allem als jemand, der aus der Steiermark kommt, die mit dem Volksrechtegesetz
1986 eine Vorreiterrolle eingenommen hat. Es gibt auf der einen Seite ganz
offensichtlich ideologische Einwände, die eine lange Tradition haben. Karl
Kautsky wandte sich schon 1893 in seiner Schrift „Parlamentarismus und
Demokratie“ scharf gegen die in der Sozialdemokratie damals starken Neigungen
zu plebiszitären Instrumenten. Er setzte sich damit durch und leitete eine -
freilich mit Ausnahmen - bis heute andauernde Skepsis diesen Instrumenten
gegenüber in der Sozialdemokratie ein.
Auf
der anderen Seite sind aber auch viele, die lange Zeit für einen Ausbau der
direkten Demokratie waren, inzwischen skeptischer geworden. In erster Linie
wohl, weil in der Praxis in Österreich Instrumente der direkten Demokratie
seltener Bürgerbegehren als Parteien- oder Medienbegehren sind und damit diese
Instrumente sehr oft parteipolitisch oder anders machtpolitisch für Interessen
von Eliten in einer oligarchisch-plebiszitären Weise missbraucht werden. Zudem
gibt es auch die für manche zum Teil abschreckende Erscheinung
professionalisierter Bürgervertreter, die nicht selten ihre allgemeinen
politischen Interessen vorbei an den tatsächlich konkret betroffenen Bürger
verfolgen.
Diese
Probleme führten daher dazu, dass es gegenwärtig keine sehr günstige Situation
für einen Ausbau der direkten Demokratie gibt, aber es muss ja auch in einer
neuen österreichischen Verfassung einen Bereich geben, der sich bald für
verfassungspolitische Reformvorschläge anbietet. Danke sehr.
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke. Nächster Redner ist der Herr Prof. Dr. Heinz Mayer. - Bitte.
DDr. Heinz Mayer: Frau
Präsidentin, meine Damen und Herren!
Der
Entschluss, mich heute zu Wort zu melden, den habe ich zunächst beim Frühstück
gefasst, als ich nämlich die Salzburger Nachrichten gelesen habe und von Herrn
Kollegen Lengheimer ein wörtliches Zitat gefunden hab’, er will den Sinn der
Parteiendemokratie infrage stellen, wenn parteinahe Personen sich nicht mehr um
öffentliche Ämter bewerben können. Ich hab’ dann den Redakteur Dr. Koller
angerufen, weil ich nicht geglaubt hab’, dass das ganz so stimmt, ob das wahr
ist, ob er das wirklich gesagt hat, hat es mehrmals gesagt, das ist ihm auch
wichtig und Sie haben es dankenswerterweise wieder erwähnt. Ich kenn’ Sie, Herr
Dr. Lengheimer schon lang als hervorragenden Juristen, analytisch, feste
Grundsätze, nicht immer meine, aber immerhin, man kann mit Ihnen hervorragend
juristisch diskutieren. Derzeit allerdings, mit dieser Äußerung, stoßen Sie bei
mir auf blankes Unverständnis. Ich muss sagen, in dieser Situation diese
Äußerung zu tun, das grenzt an Frivolität.
Wir
sollten beide nicht über den Rechnungshof reden, wir haben uns beide beworben,
sind’s beide nicht geworden, die Sache ist erledigt. Wir sollten aber; glaube
ich; über das Allgemeine reden. Und das Allgemeine ist doch so: In kaum einem
anderen Staat gibt’s eine derartige Durchdringung von Parteipolitik und
Ämterpatronage des öffentlichen und des halböffentlichen Bereichs wie in
Österreich. Die schwarz-rote Ämterpatronage wurde stufenlos abgelöst durch die
schwarz-blaue Ämterpatronage, jetzt gibt’s einen ÖBB-Vorstand, der leider nicht
mehr zur Verfügung steht, wer wird als Nachfolger genannt, zufällig zwei
Personen, die der selben Partei angehören, wie der. Also ich frage mich
wirklich, ob das Zynismus oder Naivität ist, wenn Sie in der Situation quasi
einen Schutz für parteinahestehende Persönlichkeiten fordern, vor
Diskriminierung offenbar vor den Parteilosen. Also, das ist ja wirklich
unglaublich. Ich will, Herr Dr. Lengheimer, jetzt nicht naiv sein, ich weiß
schon, dass man in bestimmten Positionen der öffentlichen Verwaltung, auch
dort, wo’s nicht im Gesetz steht, eine gewisse parteipolitische Präferenz
wahrscheinlich - legitimerweise würde ich dazu sagen - walten lassen darf.
Ich
würde also glauben, dass man einen Landesamtsdirektor nicht unbedingt als
Parteifernen oder womöglich von der Gegenpartei stammenden Kandidaten nehmen
muss. Und ich kann das auch im Bundesdienst ohne weiters akzeptieren. Ich kann
das akzeptieren, ja, dass man das macht. Ich glaube auch nicht, dass man sagen
kann, na, das sind halt politische Organe und die entscheiden halt politisch.
Wo steht denn geschrieben bitte, dass politische Organe nach parteipolitischen
Präferenzen Schulwartposten und Lehrerposten und alle sonstigen Posten
vergeben, wo steht denn das geschrieben? Das ist doch - na das ist aber so,
nicht, das ist so.
Ich
wart’ jetzt nur mehr, meinen Damen
und Herren, das war mein nächster Gedanke, als ich die Zeitung gelesen habe, ob
jetzt irgendjemand kommt und vielleicht ein Staatsziel verlangt, Staatsziel
Schutz der parteinahen Personen und Bürger in diesem Staat vor den
parteiunabhängigen gegen Diskriminierung. Herr Dr. Lengheimer, das, was Sie
gesagt haben, und was geschrieben wurde in den Salzburger Nachrichten, mag man
in diesem Haus verstehen, vielleicht finden Sie sehr viele, die viel
Verständnis haben für das, was Sie sagen, vielleicht sogar in diesem Raum; aber
draußen, vor diesem Haus, finden Sie kein Verständnis.
Und da
sehe ich das demokratiepolitische Problem. Denn das, was die Leute wirklich
aufregt, das ist das Erkennen, kaum ist irgendwo ein Posten frei, gibt’s ein
Gerangel und da werden nicht die Parteiunabhängigen plötzlich wie die Rambos in
den Vordergrund geschickt, sondern das sind immer die anderen. Und da sehe ich
wirklich das demokratiepolitische Problem. Über das sollten wir wirklich
nachdenken. Dankeschön.
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Das war die letzte Wortmeldung. Ich bedanke mich bei allen Damen
und Herren, bei den beiden Vorsitzenden der Ausschüsse und bei allen, die zur
Diskussion beigetragen haben. Die nächsten Sitzungen des Konvents finden statt
am 16. Juli und am 30. Juli. Sie bekommen eine Benachrichtigung, auch wenn
einer der beiden Termine nicht stattfinden sollte, werden wir Sie vom Präsidium
her rechtzeitig davon in Kenntnis setzen.
Danke
vielmals. Die Sitzung ist geschlossen.