Österreich-Konvent

TONBANDABSCHRIFT

 

 

14. Sitzung,

Montag, 18. Oktober 2004

 

 

 

 

 

 

 


Inhalt

 

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler................................... 4

DDr. Heinz Mayer........................................................................................................ 5

Dr. Andreas Khol......................................................................................................... 8

Dr. Peter Kostelka...................................................................................................... 9

Dr. Eva Glawischnig................................................................................................. 10

Herbert Scheibner.................................................................................................... 11

Dr. Peter Wittmann................................................................................................... 13

Dr. Günter Voith........................................................................................................ 14

Dr. Christoph Leitl.................................................................................................... 15

MMag. Dr. Willi Brauneder...................................................................................... 16

Dr. Ewald Wiederin................................................................................................... 18

Dr. Klaus Poier.......................................................................................................... 22

Dr. Johannes Schnizer............................................................................................ 23

Dr. Eva Glawischnig................................................................................................. 25

Dr. Theodor Öhlinger............................................................................................... 26

Dr. Gerhart Holzinger.............................................................................................. 28

Herwig Hösele........................................................................................................... 31

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner

(übernimmt den Vorsitz).......................................................................................... 32

Albrecht Konecny..................................................................................................... 32

MMag. Michael Neureiter........................................................................................ 33

Dipl.-Kfm. Erich Pramböck....................................................................................... 34

Dr. Kurt Stürzenbecher........................................................................................... 35

Dr. Ernst Strasser..................................................................................................... 36

Dipl.-Kfm. Erich Pramböck....................................................................................... 36

Herwig Hösele........................................................................................................... 37

Dr. Bernd-Christian Funk........................................................................................ 38

Mag. Anna-Maria Hochhauser................................................................................. 40

Friedrich Verzetnitsch............................................................................................. 41

Mag. Terezija Stoisits.............................................................................................. 42

Mag. Johanna Ettl..................................................................................................... 44

Christine Gleixner.................................................................................................... 44

Dr. Michael Holoubek............................................................................................... 45

Dr. Ewald Wiederin................................................................................................... 46

Dr. Peter Bußjäger................................................................................................... 47

Dr. Johannes Schnizer............................................................................................ 50

Dr. Hans-Peter Hanreich......................................................................................... 51

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler

(übernimmt den Vorsitz).......................................................................................... 52

Dr. Kurt Stürzenbecher........................................................................................... 52

Dr. Nikolaus Bachler................................................................................................ 54

Angela Orthner.......................................................................................................... 54

MMag. Dr. Willi Brauneder...................................................................................... 56

Dr. Johannes Abentung........................................................................................... 56

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka

(übernimmt den Vorsitz).......................................................................................... 59

Dr. Theodor Öhlinger............................................................................................... 59

Dr. Hans-Peter Hanreich......................................................................................... 61

Dr. Peter Bußjäger................................................................................................... 61

Dr. Manfred Matzka.................................................................................................. 62

Dr. Eva Glawischnig................................................................................................. 63

Dr. Manfred Matzka.................................................................................................. 65

Dr. Hans-Peter Hanreich......................................................................................... 67

Mag. Johanna Ettl..................................................................................................... 68

Herwig Hösele........................................................................................................... 69

Albrecht Konecny..................................................................................................... 71

Dr. Klaus Poier.......................................................................................................... 73

Dr. Herbert Haller..................................................................................................... 74

Dr. Kurt Stürzenbecher........................................................................................... 77

Mag. Terezija Stoisits.............................................................................................. 78

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler

(übernimmt den Vorsitz).......................................................................................... 79

Dr. Johannes Schnizer............................................................................................ 79

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler................................. 80

 

 

 

 

 

Tagesordnung

 

 

1)      Referate der Vorsitzenden der Ausschüsse 1 bis 10

des Konvents

 

 

 


 

 

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf die heutige Sitzung eröffnen und Sie alle recht herzlich begrüßen.

Meine Damen und Herren! Der Konvent gelangt in seine Endphase, und ich darf in Erinnerung bringen, dass wir bis Jahresende den Entwurf für eine neue Verfassung erarbeiten sollen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit die bisher hervorragende Arbeit, vor allem in den Ausschüssen, loben, ich möchte auf diesem Wege auch ganz entschieden irgend welchen Stimmen, die sich immer wieder melden entgegentreten, der Konvent arbeite nichts beziehungsweise es würde nichts an Ergebnissen erarbeitet werden. Wir haben in den Ausschüssen eine ausgezeichnete Aufbereitung der Grundlagen für die in der nunmehr zur Verfügung stehenden Zeit vorzunehmenden Entscheidungen. Und wir haben auch zu einem nicht geringen Teil bereits Texte von den Ausschüssen erarbeitet bekommen.

Natürlich soll nicht übersehen werden, dass es noch vielfach unterschiedliche Meinungen zu nicht wenigen Problemen gibt, und es muss daher unser Anliegen sein, in der zur Verfügung stehenden Zeit zu einer möglichst einvernehmlichen Willensbildung zu kommen. Es sind daher alle Mitglieder des Konvents aufgerufen, im Konsens die Arbeit in dieser Endphase fortzusetzen.

Die heutige Sitzung soll dazu dienen, für den Konvent und für die einzelnen Mitglieder des Konvents eine gewisse Standortbestimmung vorzunehmen. Wir haben noch nicht alle ergänzenden Berichte der Ausschüsse bekommen, und wir sollten auch nicht auf alle noch zu erstellenden ergänzenden Berichte warten, sondern zu Beginn dieser Phase uns auch mündlich von den Vorsitzenden der jeweiligen Ausschüsse darüber informieren lassen, wie der derzeitige Stand in jedem Ausschuss ist. Auf diese Art und Weise gelangen alle Mitglieder des Konvents, ganz gleich welchem Ausschuss sie angehören, zu einer umfassenden Information über die Tätigkeit aller Ausschüsse.

Es wurden daher die Vorsitzenden der Ausschüsse gebeten, ein Referat darüber zu halten, was bisher im jeweiligen Ausschuss erreicht wurde, und zweitens, und das halte ich für besonders wichtig, woran in der noch zur Verfügung stehenden Zeit besonders gearbeitet werden muss, wo also besondere Problemfelder noch einer Lösung harren.

Die heutige Sitzung soll natürlich auch dazu dienen, die Meinungen der übrigen Konventsmitglieder zu dem derzeitigen Stand der Beratungen in den Ausschüssen einzuholen und es sollen natürlich auch Lösungen von jedem Konventsmitglied angeboten werden können, und es ist der Konvent insgesamt für jeden Lösungsansatz dankbar.

Die Tagesordnung wird derart ablaufen, dass beginnend mit dem Ausschuss I der jeweilige Vorsitzende ein 15 Minuten nicht überschreitendes Referat halten wird, und im Anschluss daran die Möglichkeit besteht, sich zu Wort zu melden. Es liegen bereits zahlreiche Wortmeldungen vor.

Nach dem Ausschuss 1 wird der Ausschuss 2 beziehungsweise das Referat des Vorsitzenden des Ausschusses 2 in Behandlung genommen werden, und dementsprechend wird die weitere Reihenfolge einzuhalten sein. Mit einer einzigen Ausnahme - das darf ich jetzt bereits ankündigen - Minister Straßer hat ersucht, da er zeitliche Schwierigkeiten hat, ungefähr um 12 oder 12.15 Uhr mit seinem Referat eingeschoben zu werden. Ich gehe davon aus, dass das Ihre Zustimmung findet, und man wird sich diesbezüglich dann nicht so streng an die Reihenfolge halten. Sie wird aber daraufhin wieder fortgesetzt werden. Also, nach Bundesminister Straßer wird die Reihenfolge der Ausschüsse, so wie sie nun beginnen wird, dann wieder fortgesetzt werden.

Zwei Vorsitzende sind bedauerlicher Weise heute verhindert, ihre Referate zu halten. Es ist dies Präsident Korinek für den Ausschuss 2; sein Referat wird von Prof. Wiederin übernommen, dem ich dafür danke. Und es ist die Vorsitzende des Ausschusses 8, Frau Präsidentin Prammer, verhindert; sie wird durch Herrn Bundesrat Hösele vertreten.

So weit der geplante Ablauf der Tagesordnung.

Ich darf nun als Ersten den Vorsitzenden des Ausschusses 1, Herrn Univ.-Prof. Dr. Mayer bitten, zu uns zu sprechen.

DDr. Heinz Mayer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Ich möchte meinen Bericht zweiteilen. Zunächst mache ich einige allgemeine Vorbemerkungen und dann einige Bemerkungen zu einzelnen Staatsaufgaben und Staatszielen.

Der Ausschuss hat sich vorerst mit der Frage beschäftigt, welche Staatsaufgaben in sein Mandat fallen, und ist dabei davon auszugehen, dass es nur darum gehen kann, zu prüfen, welche Staatsaufgaben verfassungsrechtlich festzuschreiben sind und nicht, welche Staatsaufgaben überhaupt besorgt werden sollen.

Ausgehend davon stellte sich dem Ausschuss eine grundsätzliche Frage, nämlich zunächst einmal die bestehenden Staatsaufgaben zu analysieren und auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen. In der Folge hatte der Ausschuss die wesentlich schwierigere Frage zu beantworten, ob empfohlen werden soll, in eine neue Verfassung auch neue Staatsziele und Staatsaufgaben aufzunehmen. Hier gab es eine Divergenz im Ausschuss, die bis zum Schluss der Beratungen unverändert bestehen blieb. Während die einen eine sehr schlanke Verfassung, die die politischen Entscheidungsträger möglichst wenig bindet, befürwortet haben, gab es starke Strömungen, die das nicht wollten und sich stattdessen für eine Verfassung mit bestimmten inhaltlichen Festlegungen eingesetzt haben.

Man muss dazu sagen, dass der Unterschied zwischen dem, was man so herkömmlicher Weise als Spielregelverfassung bezeichnet, und einer Verfassung mit Staatszielen und Staatsaufgaben ein relativer ist. Insbesondere ist auch unsere geltende Verfassung keine reine Spielregelverfassung, weil sie sowohl Staatsziele wie auch Grundrechte enthält und damit gewisse inhaltliche Festlegungen aufweist. Dennoch, diese Divergenz - auf der einen Seite schlanke Verfassung mit wenig Festlegungen, auf der anderen Seite eine Verfassung, die angereichert ist mit Staatsaufgaben - begleitete den Ausschuss vom Anfang bis zum Ende.

Wir sind daher so vorgegangen, dass wir zunächst die bestehenden Staatsziele auf ihre Sinnhaftigkeit und allenfalls daraufhin geprüft haben, ob sie einer Abänderung unterzogen werden sollen. Danach haben wir es unternommen, zirka 50 neue Vorschläge für Staatsziele zu diskutieren. Diese neuen Vorschläge sind zum Teil von Mitgliedern des Ausschusses gekommen, zum Teil wurden sie in den Hearings, die das Plenum des Österreich-Konvents  vor einem knappen Jahr durchgeführt hat, an uns herangetragen.

Wir haben bei den neuen Staatszielen die Vorgangsweise gewählt, dass wir gesagt haben, wenn es überhaupt eine politische Einigung geben sollte, in eine neue Verfassung auch neue Staatsziele aufzunehmen, dann schlagen wir „Kandidaten“ vor, von denen wir glauben, die sollten dabei sein. Wir haben keine Festlegung getroffen, dass diese Staatsziele in die Verfassung kommen sollen, sondern wir haben uns nur geeinigt, zunächst diejenigen Staatsziele auszuarbeiten und vorzuschlagen, die, sollte es zu einem Katalog von Staatsaufgaben und Staatszielen kommen, unserer Meinung nach darin enthalten sein sollen.

Noch einige allgemeine Bemerkungen. Überwiegend wurde die Auffassung vertreten, dass allfällige Staatsziele und Staatsaufgaben in einem Verfassungstext normativ sein sollen. Ein bloßes Dekorum wollten wir nicht vorschlagen. Überwiegend waren wir der Meinung, dass, wenn Staatsaufgaben und Staatsziele verfassungsrechtlich festgeschrieben werden, man eher zurückhaltend sein sollte. Selbst die, die an sich für neue Staatsziele eingetreten sind, haben sich dieser Auffassung angeschlossen, weil die Gefahr, dass man den politischen Spielraum allzu sehr einengt, doch von allen gesehen wurde.

Überwiegend wurde die Auffassung vertreten, dass diejenigen Werte, die als schützenswert betrachtet werden, wenn möglich als Grundrechte festgelegt werden sollen, das heißt, es sollen überall dort, wo es möglich ist, subjektive Rechte, die vom Einzelnen durchsetzbar sind, geschaffen werden. Staatsziele eher nur dann, wenn die Schaffung eines Grundrechts nicht möglich ist.

Der Ausschuss hat sich auch mit der Frage beschäftigt, ob es sinnvoll wäre, die Kernaufgaben des Staates zu definieren und verfassungsrechtlich festzuschreiben. Ich erinnere an die diesbezügliche Judikatur des Verfassungsgerichtshofes. Wir sind zum Ergebnis gelangt, dass man dem nicht näher treten soll.

Noch eine letzte allgemeine Bemerkung: Wir waren überwiegend der Meinung, dass ein allfälliger neuer Staatszielkatalog nur demonstrativen Charakter haben sollte; die Verfassung soll nicht die Aufgaben des Staates abschließend definieren, sondern wenn, dann nur demonstrativ.

Ich komme nun zu den bestehenden Staatszielen.

1. Zunächst Artikel 13, Absatz 2 der Bundesverfassung, Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht. Überwiegend wurde die Auffassung vertreten, dass diese Bestimmung durch die Entwicklung auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts überholt ist und keine eigenständige Bedeutung mehr hat. Gleichwohl konnte sich die Mehrheit des Ausschusses nicht dazu durchringen, eine ersatzlose Streichung dieser Bestimmung zu empfehlen. Wir haben einen Experten des Finanzministeriums gehört. Ich habe es dann übernommen, dessen Ausführungen in einen Vorschlag zu gießen. Es gab weitere Vorschläge. Ergebnis: Keiner der vorgelegten Vorschläge fand einen Konsens. Im Wesentlichen haben die Mitglieder, die die Interessen der Bundesländer besonders betont haben, darauf hingewiesen, dass Koordinationsinstrumente in Bezug auf Haushalte der Gebietskörperschaften eine Einengung des politischen Handlungsspielraumes der Bundesländer bewirken könnten.

2.  Gleichbehandlung von Mann und Frau, Artikel 7, Absatz 2 und Absatz 3 B-VG. Hier war man überwiegend der Meinung, dass die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau derzeit nicht erreicht ist, dass dies aber für die künftige Politik ein Ziel sein muss. Gleichwohl wurden Zweifel geäußert, ob die Verfassung das richtige Instrument ist, dieses Ziel zu erreichen. Mehrheitlich war die Meinung des Ausschusses, dass es eine Pflicht der Gebietskörperschaften sein soll, geeignete Maßnahmen zur Herbeiführung dieser tatsächlichen Gleichstellung von Männer und Frauen zu ergreifen. Wir haben einen Kompromissvorschlag erarbeitet, der überwiegend akzeptiert wurde.

3.  Schutz und Gleichstellung von Behinderten. Alle Mitglieder des Ausschusses waren der Meinung, dass es sich dabei um ein ernstes Anliegen handelt. Ähnlich wie bei der Gleichstellung von Mann und Frau wurden Zweifel geäußert, ob die Verfassung das geeignete Instrument ist, das gewünschte Ziel zu erreichen.

4. Umweltschutz. Überwiegend war die Meinung, dass das geltende BVG Umweltschutz allzu sehr den Stempel seiner Entstehungszeit trägt, dass dieses Umweltschutz-BVG nur die Bewahrung der Umwelt zum Ziel hat und durch eine modernere Formulierung ersetzt werden sollte. Wir haben einen Textvorschlag im Konsens erarbeitet. Im Prinzip geht es darum, stärker das Element der Nachhaltigkeit und das Verursacherprinzip zu betonen. Wir haben in diesem Bereich Konsens erzielt.

5.  Umfassende Landesverteidigung. Hier gab es zunächst einen Konsens, dass die Absätze 1 und 2 des Artikel 9 a ersatzlos zu streichen sind. Dieser Konsens ist nachträglich weggefallen. Wir bekamen den Auftrag, uns nochmals mit dieser Frage zu beschäftigen. Ich verhehle nicht, dass einzelne Mitglieder des Ausschusses etwas irritiert waren, warum sich der Ausschuss noch einmal mit einer Frage beschäftigen muss, in der er schon Konsens erzielt hatte. Das Ergebnis wird im Bericht über diese Mandatsergänzung, die Ihnen, Herr Präsident, in den nächsten Tagen übergeben wird, nachzulesen sein. Wir haben, ich darf es vorwegnehmen, als Beratungsgrundlage vier Textvorschläge gehabt. Kein Textvorschlag hat Konsens erzielt.

6.  Neutralität. Hier war die überwiegende Meinung, dass das geltende Neutralitäts-Bundesverfassungsgesetz durch nachfolgende Verfassungsänderungen materiell zum Teil derogiert ist. Es hat Versuche gegeben, einen Text zu formulieren, der die gegenwärtige Rechtslage, so wie sie sich nach eingetretener Derogation darstellt, zum Ausdruck bringt. Es gab mehrere Textvorschläge, keiner hat Konsens erzielt.

7.  Konsens haben wir erzielt bei der Beibehaltung des Verbots der Wiederbetätigung. Hier war im Ausschuss Konsens, dass keine Änderung erfolgen soll.

8.  Überwiegend wurde die Auffassung vertreten, dass auch im Bereich des Rundfunk-BVG keine Änderung erfolgen soll. Die Festlegung des Rundfunks als öffentliche Aufgabe sollte nach überwiegender Meinung des Ausschusses weiterhin verfassungsrechtlich festgelegt bleiben.

9.  Bildung. Hier gab es einen Konsens zu einer Neuformulierung einer Regelung, die im Prinzip schon den Artikel 17 Staatsgrundgesetz prägt. Der Ausschuss hat diese Frage beraten und einen Vorschlag erstattet.

10. Volksgruppen. Hier wurde die Erweiterung der Schutzwirkung über die autochthonen Minderheiten hinaus diskutiert, auf andere Gruppen, wie zum Beispiel auf Zuwanderer. Es gab keinen Konsens, weder über die Frage der Erweiterung, noch über die Frage der Neuformulierung des geltenden Rechts.

Wir hatten schließlich rund 50 Vorschläge für neue Staatsziele zu diskutieren. Wir haben uns dieser Aufgabe unterzogen, haben in wenigen Fällen Konsens erzielt und das nur unter der Voraussetzung, dass man sich politisch dafür entscheidet, überhaupt neue Staatsziele in die Verfassung aufzunehmen. Wenn es eine solche Entscheidung gibt, dann haben wir vorgeschlagen, die Daseinsvorsorge und die neu formulierte Bildung in die Verfassung aufzunehmen.

Ich darf noch ganz kurz auf weitere Ergänzungsmandate Bezug nehmen, die wir bereits bearbeitet haben. Der Bericht wird in den nächsten Tagen fertig gestellt sein. Wir wurden beauftragt, die Südtirol-Frage als Staatsaufgabe in die Verfassung aufzunehmen. Es gab keinen Konsens.

Wir haben auch die Frage, ob die Altösterreicher besonders in der Verfassung erwähnt werden sollen, diskutiert. Auch hier gab es keinen Konsens. In beiden Fällen war der Ausschuss überwiegend der Auffassung, dass man diesen Staatszielen nicht näher treten sollte.

Meine Damen und Herren! Trotz meiner grundsätzlichen Skepsis gegen eine Anreicherung der Verfassung mit Staatszielen und Staatsaufgaben glaube ich, dass das Ergebnis dort, wo wir Konsens erzielt haben, einen guten Kompromiss darstellt, zwischen denen, die überhaupt keine Staatsaufgaben und Staatsziele in der Verfassung wollen und denen, die mehr wollen.

Ich möchte allerdings der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass sich der Verfassungsgesetzgeber die Erfüllung weiterer Wünsche versagen möchte. Ich möchte schließen, meine Damen und Herren, und meinen Ausschussmitgliedern sehr herzlich für ihre Mühe danken. Wir haben in einer sehr sachlichen und korrekten Atmosphäre sehr, sehr schwierige Fragen diskutiert. In der Sache hart und engagiert, aber im persönlichen Umgang verbindlich; mehr glaube ich, kann man sich nicht erwarten. Danke schön.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke auch, Herr Professor, für die Ausführungen und auch natürlich für die geleistete Arbeit; der Dank gilt in gleicher Weise natürlich auch den übrigen Mitgliedern des Ausschusses.

Wir treten nun in die Diskussion über das Referat von Herrn Professor Mayer ein, und ich darf als Erstem Herrn Präsident Dr. Khol das Wort erteilen. - Bitte, Herr Präsident!

Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Zuerst möchte einmal allen Mitgliedern des Konventes, vor allem aber auch den Ausschussvorsitzenden und ihren Stellvertretern, sehr, sehr herzlich für die geleistete Arbeit danken.

Ich bin überzeugt, dass das, was bis jetzt erreicht wurde, allein schon genügen würde, um das ganze Experiment Österreich-Konvent zu rechtfertigen - wir werden mehr erreichen.

Wenn man sich die Ausschussberichte durchsieht, und gestatten Sie mir, dass ich da eine Grosso-modo-Evaluierung gebe, so ist es im Ausschuss 1 gelungen, die Problemlage sehr deutlich darzustellen. Ich glaube, dass es schon wichtig ist, dass wir hier verschiedene Standpunkte miteinander konfrontieren und zum Ausgangspunkt weiterer Beratungen machen.

Wir haben im Ausschuss Nr. 2 die Frage der Entrümpelung der Bundesverfassung, glaube ich, in einer exemplarischen Weise bereits gelöst, das heißt, 1300 Verfassungsbestimmungen werden obsolet erklärt. Wir haben im Ausschuss 2 über die Systematik und den Aufbau einer Bundesverfassung einen hervorragenden Vorschlag erhalten, an dem sich das Präsidium orientiert.

Wir haben des Weiteren in anderen Ausschüssen, und ich möchte da vor allem den sehr arbeitsreichen, arbeitsintensiven Grundrechtsausschuss nennen, bereits wesentliche Konturen eines einheitlichen, alle anderen Grundrechtsquellen ersetzenden Grundrechtskatalogs erzielt, und ich bin an sich sehr befriedigt darüber und möchte mich auch bei den Sozialpartnern dafür bedanken, dass ein von den Sozialpartnern, die im Konvent vertreten sind, eine Regelung für die sozialen Grundrechte erarbeitet wurde. Denn es ist auch mein Verfassungsverständnis, dass an der Spitze einer neuen Verfassung ein umfassender Grundrechtskatalog stehen muss und dieser sollte soziale Grundrechte in einer gewährleisteten und leistbaren Form enthalten.

Daher bedanke ich mich bei Präsident Leitl und bei Präsident Verzetnitsch, die hier im Konvent die Verhandlungen geführt und gestaltet haben.

Wir haben Konsens erzielt über eine Neuorganisation der Gerichtsbarkeit. Wir haben Konsens erzielt über die Einrichtung von Verwaltungsgerichten und in den Ländern, mit voller Kognition. Das heißt, dass sind alles Dinge, und ich sitze jetzt schon sehr lange an den Ufern der Verfassungsreform in diesem Land - die Bundesstaatsreform verbindet mich mit Kollegen Kostelka -  wo wir nichts weitergebracht haben. Das, was hier jetzt schon Konsens ist, ist im Wesentlichen in der Bundesstaatsreform nie erzielt worden. Was haben wir uns gestritten über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern. Was haben wir uns gestritten über die mittelbare Bundesverwaltung und ähnliche Dinge!

Das heißt also, glaube ich, dass wir auf gutem Wege sind, das Ziel zu erreichen. Es wird jetzt natürlich gewarnt vor der Eile. Es wird gewarnt vor dem Scheitern. Ich glaube, wir sollten uns klar bewusst sein, es gibt den Auftrag, den das Gründungskomitee dem Konvent gegeben hat. Ich werde alles tun, um den Herrn Vorsitzenden, dem ich für seine Arbeit herzlich danke, zu unterstützen in seiner Zielsetzung und das ganze Präsidium des Konventes möchte ihn da unterstützen, einen Verfassungstext bis Mitte Dezember vorzulegen. Zu diesem Zweck wird es eine Klausur des Präsidiums geben, am 22. und 23. November, und wir treten jetzt in die Endphase der Beratungen ein. Das wird natürlich bedeuten, dass wir uns alle intensiv beschäftigen müssen, dass wir auch versuchen müssen, über eigene Standpunkte hinauszugehen und Konsens zu erzielen.

Ich bin aber überzeugt, dass der Geist, in dem bisher beraten wurde in den Ausschüssen, auch zeigen wird, dass wir dazu in der Lage sind. Ich bedanke mich für Ihre Arbeit und hoffe, dass wir sie auch gut abschließen werden.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Besten Dank, Herr Präsident! Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Volksanwalt Dr. Kostelka. Bitte sehr, Herr Volksanwalt!

Dr. Peter Kostelka: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Konvent!

Ich kann den euphorischen Worten von Herrn Präsidenten Khol auch einen Schuss an Skepsis hinzufügen, was in diesem Stadium der Diskussion sich durchaus am Vorbild anderer Konvente und am Vorbild der Tätigkeit der Europäischen Union orientiert. Auch dort gibt es, wenn dann der gesetzte Zeitpunkt langsam naht und das Ende der Tätigkeiten bereits absehbar wird, jeweils eine Diskussion, ob das, was unmittelbar vor dem Konvent liegt, denn überhaupt schaffbar ist, ob nicht der Zeitpunkt verlängert werden sollte, und ob vielleicht das Programm nicht zu weit gespannt worden ist.

In diesem Zusammenhang aus meiner Sicht ein klares Wort: Ich glaube nicht, dass es bei einem Zeitraum von 18 Monaten sinnvoll ist, zu sagen, starten wir die nächste Phase, die nächste Raketenstufe, weil dann, um bei diesem Beispiel zu bleiben, durchaus Gefahr besteht, dass man sich in den Orbit schießt und aus diesem nie mehr herunterkommt. Wir haben uns 18 Monate vorgenommen, dabei soll es im Wesentlichen auch bleiben, denn was am 21. Dezember nicht konsensfähig ist, das wird am 15. Jänner nicht wesentlich leichter konsensfähig sein. Was nicht heißt, dass man sich nicht noch zwei oder drei Wochen Zeit nehmen kann, um die Dinge zu Papier zu bringen - und darauf lege ich wesentlich Wert -, sie abschließend im Konvent zu beraten. Eine Verlängerung der Tätigkeit des Konvents würde aber die Probleme nicht lösen. Unsere Rahmenbedingungen sind eher kontroversieller Natur, was mich nicht sonderlich irritiert, war es doch auch 1920 nicht anders. Auch 1920 hat man ja - und das war der Grund, warum im Präsidium immer wieder um zusätzliche Gesetzesformulierungen gebeten wurde - in der Schlussphase über einen Bereich letztendlich entscheiden können, weil jeweils mehrere Formulierungen vorlagen. Allein zum Bundesrat hat es, glaube ich, insgesamt drei oder vier Modelle gegeben und die Arbeit in den letzten Wochen des September 1920 war nur leistbar, weil diese Formulierungen bereits existiert haben. Ich danke in diesem Zusammenhang den Ausschüssen des Konvents für ihren Langmut, dass diese Formulierungen, die sich einander natürlich ausschließen, auch tatsächlich vorgelegt worden sind.

Ich muss aber auch aus meiner Sicht hinzufügen, dass die Rahmenbedingungen besser sein könnten für einen Abschluss der Tätigkeit. Denn was im Ausschuss Nummer 4, dem Ausschuss für Grundrechte, am vergangenen Freitag passiert ist, hat mich doch ziemlich schockiert. Über die sozialen Grundrechte, für die ein gemeinsamer Vorschlag der Sozialpartner vorliegt, konnte ein Konsens nicht erzielt werden. Soziale Grundrechte sind ein Bereich, in dem ein offensichtliches Manko in der österreichischen Bundesverfassung besteht. Sie wären daher ein wesentlicher Bestandteil einer neuen Verfassung. Ich sage Ihnen ganz offen: Ich kann mir schwer vorstellen, dass es eine neue Verfassung gibt und im Bereich der sozialen Grundrechte einmal mehr ein weißer Fleck bestehen bleibt.

Bei den Kompetenzen ist es nicht anders. Auch hier ist nicht wirklich absehbar, wie erstens einmal eine neue Ordnung der Kompetenzen stattfinden soll, wobei jedem in diesem Land klar ist, dass eine solche bitter notwendig wäre, weil schon sprachlich, wirtschaftlich, technisch die Entwicklung in den letzten 80 Jahren über das, was 1925 festgeschrieben worden ist, hinweggegangen ist.

Ich darf auch sagen - und nicht ohne Pikanterie als Volksanwalt -, dass die Probleme im Bereiche der demokratischen Kontrolle nicht wirklich gelöst werden, wenn man lediglich die Zahl der Volksanwälte von drei auf einen reduziert. Ich bin bereit, darüber zu diskutieren. Das ist ein international durchaus übliches Modell, eines von den möglichen Modellen, aber es löst unsere Probleme nicht. Und in diesem Zusammenhang daher: Nützen wir die Zeit! Reden wir nicht von der Nacht der langen Messer, aber die notwendigen Grundsatzentscheidungen müssen fallen!

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Herr Volksanwalt. Die nächste Rednerin ist die Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. - Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

Dr. Eva Glawischnig: Danke, Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren Mitglieder des Konventes!

Ich möchte auch jetzt diese erste Runde nutzen, um so eine kurze allgemeine Betrachtung zum Stand der Konventsverhandlungen machen, und vielleicht auch aus dem Präsidium berichten, was sich seit Frühsommer dort getan hat, und aus meiner Sicht auch bewerten. Es sind jetzt doch 16 Monate von 18 schon vollbracht. Ich teile die positive Einschätzung vom Präsidenten Khol nicht, offen gesprochen, und ich möchte es auch begründen.

Es hat im Frühsommer so eine Phase gegeben, nachdem alle Ausschüsse ihre Berichte abgeliefert haben, wo ein entscheidender Punkt hätte sein können, nämlich, dass man beginnt auch mit einer politischen Annäherung, mit einem Verhandlungsprozess. Tatsächlich haben wir das bis jetzt noch nicht geschafft, auch im Präsidium noch nicht geschafft, sondern es geht im Wesentlichen jetzt darum, immer noch, unterschiedliche Standpunkte zu fixieren, festzuschreiben und Textvorschläge, die unterschiedlich sind zu einem und demselben Problem, vorzulegen. Das war jetzt die Arbeitsweise der letzten Wochen und Monate. Und es gibt jetzt zu sehr vielen Problemen  zwar Textvorschläge, aber die immer noch die Bruchlinien, die politischen Bruchlinien zwischen den politischen Familien zum Ausdruck bringen, aber auch immer noch sehr starke Bruchlinien zwischen Bund und Ländern. Also, dieser Verhandlungsprozess, diese politische Annäherung, die ist noch zu tun. Und ich hab etwas Sorge, dass sich das in zwei Monaten tatsächlich so ausgehen kann, dass ein absolut neuer Verfassungsentwurf am Ende herauskommt.

Und möchte auch anregen darüber nachzudenken, ob nicht eine Teilnovelle, eine gut durchdachte, schlüssige Teilnovelle vielleicht eher schaffbar ist und ob man sich nicht vernünftigere kleiner Ziele setzen soll, als tatsächlich bis zum 21. diesen großen Sprung zu schaffen. Aber wir werden sehen, unser Optimismus, beziehungsweise unser konstruktiver Anteil ist jedenfalls noch da.

Es wird also jetzt dann am Ende, also Mitte Dezember, einen Textvorschlag vom Präsidenten Fiedler geben. Ich möchte dazu anregen, dass wir gerne bei diesem großen Textvorschlag eine Zuschreibung auch der Vorschläge hätten, also, dass das nicht ein großer Text ist, wo man jetzt nicht genau weiß welcher Vorschlag von wem kommt, sondern um genau diesen politischen Verhandlungsprozess zu erleichtern, den wir brauchen, wäre es, glaube ich sinnvoll, auch ungefähr zu beschreiben, wo eine Position herkommt. Es stellen sich in vielen Fragen immer noch große Konfliktfelder gegenüber. Also, ich möchte als das für mich dramatischste Beispiel immer noch die Kompetenzsituation, die Bereinigung der Kompetenzen nennen. Auch der Ausschuss 10 mit der ganzen Finanzverfassung hängt da noch mit dran. Also, seit dem letzten Plenum gibt es ja da wenig Neues zu berichten. Das ist für mich, beziehungsweise für die Grünen, einer der Kernpunkte und Knackpunkte, und ich denke auch für die Öffentlichkeit.

Im Grundrecht hat der Ausschuss jetzt die Diskussion der sozialen Grundrechte begonnen. Da sind wir sehr, sehr gespannt und neugierig, ob man hier tatsächlich über Staatszielcharakter hinauskommt und über wirklich stark verankerte soziale Grundrechte auch einen Konsens wird finden können. Ich denke, beide Punkte gehören zu den zentralen Voraussetzungen, wenn man tatsächlich eine neue Verfassung machen möchte.

Zum Ausschuss 1, hier steht sicher immer noch das Präambelkonzept einerseits der ÖVP gegenüber einem Staatszielkatalog, einem abgeschlankten Staatszielkatalog, wie man starke Grundrechte hat, gegenüber. Auch hier haben wir versucht mit unseren Prioritäten, vor allem Staatsziel Umwelt und Tierschutz, auch Staatsziel, was Minderheiten betrifft, konstruktive Vorschläge zu machen. Auch hier sind die politischen Verhandlungen nach wie vor noch ausständig.

Also, ich denke, wir haben jetzt sehr, sehr viel Zeit in den Ausschüssen und auch hier im Plenum miteinander verbracht. Und der Schritt, über den wir jetzt hinausmüssen, ist jetzt, die unterschiedlichen Positionen einfach nur darzulegen und zum Ausdruck zu bringen, es muss jetzt auch so was wie eine Verhandlungsphase beginnen. Und eine Verhandlungsphase, wo man sich auch etwas davon verabschiedet von den
sozusagen Richtungen, wo man kommt, und versucht, möglichst kompromissorientiert und möglichst offen auch Verhandlungen anzugehen. Also, wir sind dazu bereit.

Ich möchte aber trotzdem die Idee am Ende noch einmal darlegen, dass man tatsächlich, wenn es nicht gelingt, einen großen Verfassungsentwurf zu machen, dass man sich zumindest zu einer schlüssigen, gut gemachten und gut durchdachten Teilnovelle durchdringen kann, denn der Konvent kann sich nur durch ein Einziges rechtfertigen, nämlich durch einen inhaltlichen Erfolg. Danke.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Frau Abgeordnete. Nächster Redner ist Herr Klubobmann Scheibner .- Bitte sehr!

Herbert Scheibner:  Danke Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

Ich glaube, dass zu diesem Zeitpunkt jetzt - und der ist ein entscheidender Zeitpunkt - , weder Gesundbeten noch Krankjammern der Ergebnisse angesagt ist, sondern es geht jetzt letztlich darum, sich von ein in den vergangenen Monaten bisschen lieb gewordenen Strategien und Gewohnheiten zu verabschieden. Es ist überhaupt keine Frage, dass der Konvent sehr, sehr wertvolle Arbeit geleistet hat, in allen Ausschüssen, mit mehr oder weniger konkreten Ergebnissen.

Es geht aber jetzt um dieses gegenseitige Jonglieren: Man einigt sich nicht im Ausschuss, dann gehen die Detailergebnisse oder die Teilergebnisse an das Präsidium, das Präsidium einigt sich auch nicht und gibt es wieder zurück an den Ausschuss, um noch weitere Beratungen zu treffen. Dort einigt man sich wieder nicht und es geht dann wieder ans Präsidium. Das heißt, jetzt geht es wirklich sozusagen ans „Eingemachte“ und jeder ist jetzt aufgefordert, ein bisschen auch zu vergessen oder in die zweite Reihe zu stellen, wer ihn entsandt hat, woher er kommt und das man möglichst in Richtung Zielorientierung, Ergebnisorientierung arbeitet, denn wir haben auch in vielen Ausschüssen gesehen, vor allem dort, wo es etwa im Ausschuss 5 um die Kompetenzverteilung geht, dass wenig Interesse besteht oder bestanden hat, aber auch in anderen Ausschüssen, die Aufträge, die man selbst mitbekommen hat, von der Interessensvertretung, von der politischen Gruppierung, von der Gebietskörperschaft, dass man wirklich sagt: Ja, wir wissen, dort gibt es das Motto: „Wir geben nichts her“, aber in Wahrheit wäre es vernünftig, das eine oder andere neu zu regeln oder anders zu regeln und deshalb stehen wir dazu.

Ein bisschen der Mut zur Ehrlichkeit wäre jetzt in dieser Phase gefordert und würde vielleicht auch dazu führen, dass wir mehr Ergebnisse bekommen, als es vielleicht jetzt aussieht. Ich glaube auch, dass wir jetzt in dieser entscheidenden Phase dazu kommen müssen, ein bisschen auch zukunftsorientiert zu denken. Wir haben in manchen Bereichen gesehen, dass man sehr konservative Ansätze noch immer bringt, in Richtung dieser Verfassungsnovelle. Ich glaube, dass das Ziel, eine neue Verfassung zu schreiben, sollte man erst dann aufgeben, wenn man sieht, dass es wirklich nicht mehr möglich sein wird, und dann kann man sich noch immer überlegen, ob man es bei einer Novellierung belässt, aber jetzt sollten wir in den vielen Bereichen  - etwa im Grundrechtebereich sehe ich eine Chance -, etwas ganz Neues auch auf die Beine zu bringen.

Gar so innovativ, wie etwa bei Vorschlägen über die Volksanwaltschaft, muss man auch wieder nicht sein; auch ich glaube, dass in diesem Sinne der Bürgerbeteiligung und der Bürgernähe dieser Institution es durchaus interessant wäre, eher auszuweiten als zu reduzieren, denn der Bürger hat weniger das Interesse, wenn er sich an die Volksanwaltschaft wendet mit irgendwelchen Beamten, so wichtig sie sind, den Kontakt zu haben, sondern der will halt mit seinem Volksanwalt in Kontakt treten.

Zum Ausschuss 1 noch einige Worte: Ich bin sehr, sehr froh, dass man das Staatsziel der Aufrechterhaltung der inneren und äußeren Sicherheit hier wieder aufgenommen hat. Ich habe das nicht verstanden, warum man noch dazu einstimmig davon abgegangen ist, denn ich glaube, wenn es Staatsziele gibt, und ich bekenne mich dazu, dann muss sowohl die Sicherheit des Landes und seiner Staatsbürger eines der wichtigsten Staatsziele darstellen, wiewohl ich weiß, dass dann die Formulierung von Vorschlägen - auch im Präsidium ist uns das bis jetzt noch nicht gelungen - durchaus schwierig ist.

Der Vorsitzende Prof. Mayer hat das Neutralitätsgesetz angesprochen. Auch hier wäre ja Mut durchaus im Ausschuss vorhanden. Ich bin gespannt, ob er dann auch in den politischen Gremien vorhanden ist, auch hier die Ehrlichkeit, denn Sie haben ja von materieller Derogation in einigen Bereichen gesprochen, die ich auch teile, ob sich das dann auch wieder spiegelt, zumindest in einer Interpretation des derzeitigen Neutralitätsgesetzes, und ob sich das dann auch im Verfassungstext wieder findet.

Bei der Frage „Südtirol und Verantwortung für die Altösterreicher“ teile ich nicht die Mehrheit des Ausschusses, ich wäre der Meinung, dass man das auch als Verantwortung, als Staatsziel aufnehmen sollte. Ich erinnere daran, dass wir Ende der Achtzigerjahre, als die Länder des ehemaligen Ostblockes demokratisiert worden sind, hier viel versäumt haben, als altösterreichische Minderheiten an Österreich herangetreten sind und um Unterstützung gebeten haben, etwa wenn es um die Schulerziehung gegangen ist, in deutscher Sprache, als es um die Kulturvereine gegangen ist. Hier hat sich Österreich relativ nobel zurückgehalten und gesagt: Dass ist eigentlich keine Tradition und keine Verantwortung für uns. Ich glaube, dass das auch spät, aber doch in die Verfassungsurkunde mit eingebracht werden sollte, dass wir hier eine Verantwortung auch für die Zukunft und die Entwicklung dieser Minderheiten in unseren Nachbarländern haben.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Herr Klubobmann. Die nächste Rednerin ist Frau Gleixner. - Bitte sehr.

[Frau Gleixner erklärt, zum Bericht des Ausschusses 4 sprechen zu wollen.]
Mir ist zugegangen, Sie hätten sich zu Ausschuss 1 gemeldet, nehme aber gerne zur Kenntnis, dass Sie zu Ausschuss 4 sprechen wollen. Somit ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann an der Reihe. - Bitte sehr.

Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Zum Ausschuss 1 einige Worte zu finden, ist deswegen schwierig, weil ja der Grundkonsens im Ausschuss 1 fehlt, nachdem ja ein Teil des Ausschusses eine Präambel bevorzugt und keine neuen Staatsziele will, sind wir ja eigentlich von der Aufgabe des Ausschusses noch sehr, sehr weit entfernt. Trotzdem haben wir aber auch inhaltlich einige Staatsziele sehr genau besprochen für den Fall, dass Sie kommen.

Eine persönliche Anmerkung wäre, es wäre schade, wenn man alte Staatsziele zwar in der Verfassung belässt, nicht aber den Mut aufbringt, auch neue Staatsziele zu formulieren, die ganz einfach durch die gesellschaftspolitische Entwicklung aufgetreten sind, nämlich die Daseinsvorsorge oder andere soziale Staatsziele oder viele der von Prof. Mayer genannten Staatsziele, die intensiv diskutiert wurden. Sich dann sozusagen gänzlich von neuen Staatszielen dadurch zu verabschieden, dass man eine Präambel voranstellt ohne jede Bedeutung, das ist, glaube ich, der falsche Weg, das falsche Signal, wenn man sozusagen der Verfassung überhaupt keine Kraft mehr gibt und auch den Zielen der Verfassung keine Kraft mehr gibt, indem man sie von Staatszielen zu Vorwörtern degradiert. Ich glaube. hier ist ein weiter Weg bis zu einem Grundkonsens und das ist schade.

Hoffnungsfroh stimmt mich, dass eine Einigung dahingehend erzielt wurde, dass man das Neutralitätsgesetzt belässt und eine große Mehrheit sich in dieser Richtung abzeichnet. Es gibt auch noch einen gravierenden Unterschied in der Definition der Friedenspolitik oder der aktiven Friedenspolitik, so glaube ich, dass man sich bei Kampfeinsätzen im Ausland nicht von einem zugrunde liegenden Beschluss des UN-Sicherheitsrates verabschieden darf. Das sollte eine Grundlage jedes Kampfeinsatzes sein und auch hier besteht noch ein weitgehender Dissens. Ich glaube, es wird auch wichtig sein, oder es ist auch angeklungen im Ausschuss und man sollte es sich nicht so einfach machen, dass man viele Staatsziele auf die Ebene des Ausschusses 4 gehoben hat und hier versucht hat, das den Grundrechten zugrunde legen. Da spricht eigentlich nichts dagegen; aber dasselbe ist dann passiert im Ausschuss 4, dass man gesagt hat, man macht dann wieder Staatsziele daraus und das ist eigentlich ein Pingpong-Spiel, das nicht notwendig ist und das die Arbeit der Ausschüsse in ihrer Ernsthaftigkeit etwas bedroht.

Ich sehe daher, wenn man in den grundlegenden Staatszielen keine Einigung finden kann, ist durchaus große Skepsis angebracht, dass man sich dann auch in den wichtigsten Details einigt. Man sollte die übergeordneten Ziele eines Staates sehr wohl definieren und das ist wohl die Aufgabe einer Verfassung und nichts anderes. Und da habe ich also große Skepsis bis jetzt auf Grund der Ergebnisse der Diskussionen im Ausschuss 1, ob wir zu diesen grundlegenden Richtungsweisungen kommen. Und ich würde dringend ersuchen, diese Delegation zwischen den Ausschüssen 4 und 1 hintanzustellen, um sich einmal grundlegend dahingehend zu äußern, ob man Staatsziele will oder nicht, weil sonst ist jede Diskussion, die sich hier im Ausschuss I stellt, sinnlos.

Ich glaube nicht, dass es so geht, jetzt gibt man eine Präambel, und letztendlich diskutiert man in irgendwelchen Gremien dann über ein Staatsding, das nie kommt, weil ja ohnehin nur eine Präambel kommen soll. Ich glaube, das sollte man sich in dieser Phase jetzt überlegen, ob man ein Bekenntnis zu neuen Staatszielen abgibt oder ob man die Präambel will oder ob man einen Grundrechtskatalog will, der letztendlich auch Teile der Staatsziele mit umfasst. Aber diese grundlegende Entscheidung sollte endlich einmal fallen, weil sonst sich die Diskussion im Kreis dreht.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke, Herr Abgeordneter. Der nächste Redner ist Herr Dr. Voith. - Bitte sehr.

Dr. Günter Voith: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Gestatten Sie mir einige Bemerkungen zur Endphase des großen Projekts. Bemerkungen, wo ich meine - ich möchte sagen, persönliche - Lebenserfahrung auch einbringen möchte: 40 Jahre Unternehmer- eigenes Unternehmen -, auch an der Universität Lehrauftrag für Controlling und so weiter.

Jedes Projekt wird daran gemessen, ob seine Ziele erreicht werden. Ich bin der Meinung, dass die Ziele auch dazu dienen müssen laufend zu überprüfen die einzelnen Schritte, die erfolgt sind, die einzelnen Vorschläge. Es sind für den Konvent sehr klare Ziele - zugegebenermaßen sehr hohe, aber doch hoffentlich ernst gemeinte - gesetzt worden.

Die Ziele sind - ich darf das durchaus wiederholen, weil ich bin der Meinung, gerade in der Endphase, jetzt muss man sich auf diese Ziele konzentrieren -:

Erstens Vorschläge für die grundlegende Staats- und Verfassungsreform ausarbeiten, die auch eine Voraussetzung für eine effizientere Verwaltung schaffen sollen.

Zweitens: Zukunftsorientierte, kostengünstige, transparente und bürgernahe Erfüllung der Staatsaufgaben sollen ermöglicht werden. Da heißt es dann insbesondere Beratung über Staatsaufgabenanalyse, Kompetenzkatalog, Legalitätsprinzip, Struktur, Restitutionen, Finanzverfassung, E-Government, Bürgernähe, Rechtsschutz, und so weiter, insbesondere Beratung darüber.

Und drittes Ziel: Neuer Verfassungstext in knapper aber umfassender Form unter Beibehaltung der Baugesetze des Staates.

Es ist wie bei einer, ich möchte einfacherweise sagen, Reise. Das Erste ist: wohin will man. Hausnummer: nach Rom. Dann nimmt man den Bus, nimmt die Fahrgäste und den Fahrer und macht sich über die Strecke Kopfzerbrechen.

In den Konvent sind viele Fahrgäste aufgenommen mit sehr verschiedenen Wünschen; ich denke nur an die 58 Staatsziele, wo man natürlich sie auch messen muss, wie alle anderen Fragen, ist das zielführend? Es sind nicht nur Staatsziele aufgenommen worden, es sind also die Wünsche gekommen für vielerlei mehr Rechte für den oder jenen oder diese oder jene Gruppe. Es ist aber nicht zielführend - um beim Autobusbeispiel zu bleiben -, wenn der eine über Moskau und der andere über Paris nach Rom fahren will. Und es ist dann auch nicht Ziel führend, wenn Konsens darüber erzielt wird, fahren wir halt über Moskau und über Rom. Das Ziel kommt nicht gut zurecht. Ich bin sogar der Meinung, dass selbst ein Konsens, ein allgemeiner, nicht unbedingt zielführend ist. Wenn alle im Autobus beim Tanken nicht mitzahlen wollen, oder alle wollen eine Pause machen, bitte, dann kommt man auch nicht zum Ziel.

Es sind wahnsinnig viele Ideen - und das ist ja sicherlich ein großer Wert - gekommen. Es ist schon wiederholt erwähnt worden, noch nie ist das zustande gekommen, aber es sind halt doch nicht alle Ideen, die gekommen sind, zielführend. Und gerade in der Endphase ist es sicher die einzige Möglichkeit, möchte ich sagen, für das entscheidende Präsidium, sich zu konzentrieren darauf, was sind denn die Ziele? Werden die erreicht, dann hat der Konvent Erfolg.

Es wird in der Öffentlichkeit nicht gemessen werden an der Zielerreichung einzelner Interessen, sondern des Konvents überhaupt. Und ich möchte also warnen davor, die groß beschworene Jahrhundertchance wird vertan, wenn wir uns nicht auf die Ziele zurück besinnen. Das wird auch wesentlich die Entscheidungen erleichtern. Die Entscheidungen, die natürlich von der politischen Seite her hin und her gezogen werden. Aber bitte, wir haben eine relativ klare, große Zielvorgabe, und da kann man eben in der Endphase nicht mehr so viel rechts und links schauen.

Und die Politiker, darf ich sagen, mögen bedenken, dass die Politikverdrossenheit, die zweifellos da ist in der Bevölkerung, und auch verstärkt ist, dass die sicherlich auch wieder mit auf dem Spiel steht, wenn es um einen Erfolg des Konvents geht. Und die Ziele muss man sehen, das ist der Erfolg. Danke.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Herr Dr. Voith. Der nächste Redner ist Herr Präsident Dr. Christoph Leitl. - Bitte, Herr Präsident.

Dr. Christoph Leitl: Herr Präsident Fiedler! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Heute war eine seltsame Mischung zwischen Optimismus und Skepsis bezüglich eines Konventerfolges zu spüren. Und in den letzten Tagen war ja oft von der Gefahr des Scheiterns die Rede. Warum reden wir von der Gefahr des Scheiterns? Warum reden wir nicht von der Chance des Gelingens? Natürlich, mit allen Projekten ist immer auch die Gefahr des Scheiterns verbunden. Das ist, glaube ich, natürlich im Leben. Aber das Leben kann man meistern und das gilt auch für unsere Verfassung.

Ich glaube, wir sind gut unterwegs, es ist eine gute Stimmung, inneres Engagement vorhanden, und ich glaube, dass eine Lösung durchaus in Greifweite ist. Und da ersuche ich - wenn schon dieser Vergleich des Busses, der Richtung Rom unterwegs ist, angesprochen worden ist - unsere Chauffeure und Reiseplanungsverantwortlichen Präsident Fiedler, die beiden K’s, K+K, Khol und Kostelka, aber natürlich auch die anderen Mitglieder des Präsidiums, und auch wir alle sind gefordert, dass wir diese Reise erfolgreich zum Ziel bringen.

Alle müssen einen Beitrag leisten. Der Beitrag der Sozialpartner ist angesprochen worden. Alle Sozialpartner unterstützen die sozialen Grundrechte in der Arbeitswelt. Arbeitsfrieden, soziale Sicherheit, ganz wesentliche Dinge, die bis vor wenigen Wochen noch als großer Konfliktpunkt erschienen sind, sind im Konsens gelöst worden. Das heißt: Es ist möglich,  auch Knackpunkt, auch Konfliktpunkte in einer sehr, sehr ordentlichen, in einer sehr substanziellen Weise, und ich glaube auch in einer guten österreichischen Art und Weise, zu lösen.

Ich möchte mich daher hier bei den Sozialpartnern, meinen Kollegen, nicht nur bei Präsident Verzetnitsch, sondern genauso bei Präsident Tumpel, Präsident Schwarzböck und auch bei der Industriellenvereinigung bedanken. Ich glaube, das ist schon ein gutes Zeichen, wenn man einen so entscheidenden Punkt außer Streit stellt. Und vielleicht gelingt es, damit zusätzliche Motivation für die Lösung auch anderer Konfliktpunkte zu gewinnen.

Ich möchte mich bei Herrn Professor Mayer sehr herzlich bedanken. Seine Aufgabe ist nicht einfach, daher möchte ich ihn unterstützen. Er ist etwas skeptisch, was die 50 Staatsziele betrifft - es widerspricht das einer schlanken Verwaltung. Daher würde ich eine Präambel vorziehen. Ich widerspreche dem Kollegen Wittmann - eine Präambel ist für mich nichts Saft- und Kraftloses, im Gegenteil: Eine Präambel bringt den Willen, die Absicht, die Philosophie des Verfassungsgesetzgebers zum Ausdruck. Das ist in der Bedeutung vielleicht sogar höherrangig als eine einzelne Bestimmung. Denn aus dieser Philosophie kann man Dinge ableiten und zum Ausdruck bringen, die aus einem Buchstaben oder aus einem Paragraphen in dieser Form möglicherweise in ihrem Umfang nicht ablesbar und ableitbar ist. Daher glaube ich, dass eine Präambel durchaus eine Chance ist und wir diese Chance nützen sollten. Wir können nicht alles normativ regeln, wir sollten aber doch den inneren Willen in dieser Verfassung zum Ausdruck bringen, um das, was generell unsere Absicht ist, auch klar zu machen.

Einige Punkte sind es, die von großer Bedeutung erscheinen: Einmal die 150 Kompetenztatbestände. Ich glaube, wir sollten sie zu größeren Kompetenzblöcken zusammenführen. Das wäre einer angestrebten schlanken Verfassung dienlich. Wir sollten zweitens die Subsidiarität richtig sehen. Einheitliches Wirtschaftsgebiet ist erforderlich, dies ist auch parallel zum Binnenmarktkonzept der Europäischen Union zu sehen. Zehnmal Datenschutzregelungen, zehnmal Vergabegesetze - sicherlich nicht der zielführende Weg bei allem Verständnis für Föderalismus und bei aller Notwendigkeit für Subsidiarität, die ich völlig außer Streit stelle.

Ja, und schließlich drittens: Die Schnittstellenbeseitigung als Basis für eine effiziente Verwaltung, und hier möchte ich mich bedanken, meine Damen und Herren. Als ich am Anfang des Konvents das Stichwort effiziente Verwaltung  eingebracht habe, die ja auf einer Einfachgesetzgebung und die wiederum auf der Verfassung basieren muss, wurde mir manchmal Unverständnis signalisiert. Ich sehe heute, dass dieses Unverständnis gewichen ist und doch weitestgehendes Verständnis für die Überlegung herrscht: Verfassung - Grundlage für den Einfachgesetzgeber und diese wiederum Basis für eine effiziente Verwaltung. Dem haben wir uns alle verpflichtet zu fühlen. Das liegt im Sinne des Staatsinteresses und daher auch der Mitglieder des Verfassungskonvents.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke, Herr Präsident  Leitl, nicht nur für Ihre Wortspende, sondern vor allem für Ihren Optimismus, den Sie ausgestrahlt haben, und für die Betonung der effektiven Verwaltung, die uns wirklich allen ein Anliegen sein sollte und zu sein hat, und möchte auch noch auf die Wortmeldung von Herrn Dr. Voith zu sprechen kommen. Ich teile voll und ganz Ihre Gedanken, dass alle Ziele, die dem Konvent vorgegeben wurden, anzusprechen und auch zu erfüllen sind, und dass es sich der Konvent nicht aussuchen kann, welche Teilziele er nur zu erfüllen gedenkt. Danke schön.

Der nächste Redner ist Herr Prof. Brauneder. - Bitte sehr, Herr Professor.

MMag. Dr. Willi Brauneder: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

Ich habe noch in Erinnerung, dass ein Berichterstatter hier in diesem Raum vor längerer Zeit gesagt hat, sein Ausschuss stünde mit leeren Händen dar. Dem ist dann von Präsidenten Khol widersprochen worden: Kein Ausschuss stünde mit leeren Händen da. Ich glaube, beides ist auch bis heute richtig. Wenn ein Ausschuss kein akkordiertes Ergebnis hat, dann steht er in einer gewissen Weise mit leeren Händen da, aber man kann auch sagen: Er steht mit vollsten Händen dar, weil er eben mehrere Ergebnisse auf den Tisch legt.

Ich bin nun neugierig, wie mit diesen Ergebnissen weiter verfahren wird, und zwar im Hinblick darauf, dass Herr Präsident Khol sich eben zuvor gewünscht hat, dass der Geist der Ausschüsse auch das Präsidium beflügeln möge. Wenn es also der Geist der Ausschüsse ist, mit so übervollen oder leeren Händen dazustehen, so wird man mit Spannung darauf blicken können, was das Präsidium macht und ob es auch mit sozusagen leeren Händen oder mit übervollen Händen da steht, und dazu stellt sich natürlich die Frage nach dem Souverän hierorts, nach dem Verfassungsgesetzgeber.

Wie wird es eigentlich sein, wie groß wird der Spielraum des Parlaments sein, wenn das Präsidium einen kompletten Vorschlag vorlegt, der ja politisch akkordiert ist, wie wird dann noch die Rolle des Parlamentsplenums aussehen? Man kann also mit einer gewissen Spannung in die Zukunft blicken und man braucht allerdings doch einigen Optimismus.

Ich möchte noch zu drei Punkten Stellung nehmen. Es ist gesagt worden - ich glaube von Herrn Kollegen Mayer -, dass das Bundesverfassungsgesetz betreffend Umweltschutz den Geist seiner Zeit widerspiegelt. Das ist natürlich, meine Damen und Herren, mit jedem Gesetz in mehr oder weniger starker Weise der Fall. Ich glaube, es ist in keinem Ausschuss diskutiert worden, dass ein Grundrecht bezüglich der Bauernbefreiung beibehalten werden soll. Das ist eben abgehakt und der Geist einer vergangenen Zeit.

Damit möchte ich eines andeuten, dass vielleicht man doch überlegen soll, ob es nicht Bestimmungen gibt, auch heute, die so den Geist der Zeit atmen, dass sie vielleicht besser, besondern, wenn sie in Staatszielen formuliert sind, nicht in die Verfassung kommen sollen.

Damit komme ich zu meinem zweiten Punkt: Ganz kurz erwähnt ist die Präambel worden. Nun, ich stehe einer Präambel skeptisch gegenüber. Ich meine, sie ist vielleicht dann von einer gewissen Sinnhaftigkeit, wenn ein Staat neu gegründet worden ist, wenn es in der Entwicklung eines Staates einen ganz wesentlichen Umbruch gibt, und tatsächlich zeigt ja die österreichische Verfassungsgeschichte, dass die einzige Präambel auf Bundesebene wegen eines Umbruchs in die Verfassung 1934 kam und ich würde doch nicht meinen, dass wir in so einer Umbruchszeit oder in irgendeiner Umbruchszeit heutzutage leben.

Dritter Punkt: Es geistert immer so hie und da durch manche Vorschläge das Wort der Altösterreicher, der altösterreichischen Minderheit. Ich möchte jene, die das Wort gebrauchen, darauf hinweisen, dass dann auf jeden Fall eine Schutzfunktion gegenüber was immer für Minderheitensprachige in Ungarn oder in Nachfolgestaaten Ungarns nicht in Frage kommt, denn die österreichische Staatsbürgerschaft hat sich nur auf Zisleithanien erstreckt. Beispielsweise Bacska und Banat hatten die ungarische Staatsbürgerschaft, und ich frage mich, ob dann auch Österreich eine Schutzfunktion über die polnische Minderheit im ehemaligen tschechoslowakischen Staatsgebiet übernehmen soll, denn es sind dies alles Altösterreicher.

Es liegt noch etliches an Detailformulieren vor uns, worüber man sich den Kopf zerbrechen muss. Aber meine Sorge geht eher dahin - Sorge nicht im Sinne eines negativen Verständnisses -, wie denn im Endeffekt das Verhältnis, um es noch einmal zu betonen, zwischen den Arbeiten des Präsidiums und aller Ausschüsse und des Verfassungsgebers sein wird.  Danke schön.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Herr Professor.

Wir haben damit die Diskussion zum Bericht des Ausschussvorsitzenden des Ausschusses  1 abgeschlossen und kommen nunmehr zum Ausschuss 2, und ich darf Herrn Prof. Wiederin in Vertretung für Herrn Präsident Korinek ersuchen, uns sein Referat vorzutragen.  -  Bitte sehr.

Dr. Ewald Wiederin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Das Mandat hat dem Ausschuss 2 über legistische Strukturfragen die Aufgabe zugewiesen, über die juristische Vorgangsweise im Zusammenhang mit der Inkorporierung von Verfassungsgesetzen und Verfassungsbestimmungen außerhalb der Urkunde in die neue Bundesverfassung zu beraten.

Diese Aufgabe zerfällt in vier Teilbereiche: Erstens in die Darstellung und Strukturierung des Namenbestandes, zweitens in die Analyse der Gründe, die zum Verfassungsrecht außerhalb der Urkunde geführt haben, drittens in Überlegungen zur Binnenstruktur einer neuen Verfassung sowie schließlich viertens in die Bewältigung der Übergangsproblematik.

Als Zwischenresümee kann heute festgehalten werden, dass der Ausschuss die ersten beiden Teilaufgaben bewältigt hat und dass die Arbeiten zur Binnenstruktur der neuen Verfassung weit gediehen sind. Die vierte Aufgabe konnte noch nicht einmal ansatzweise in Angriff genommen werden, weil hiefür zunächst ein Konventsergebnis feststehen muss.

Ich möchte in meinen Überblick über die Ergebnisse des Ausschusses, der in 16 Sitzungen getagt hat, der vom Präsidium vorgegebenen Gliederung folgen lassen und zunächst über gelöste Probleme informieren, sodann über offene Fragen.

Basis unserer Arbeit und Grundlage für die Lösung von Problemen, wenngleich sie für sich allein noch nicht als Erfolg zu verbuchen ist, war die sehr zeitaufwändige Bestandsaufnahme über das geltende Verfassungsrecht. Wir haben fast 200 Verfassungsgesetze, fast 500 Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen und nahezu 600 Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen gesichtet und analysiert.

Diese Durchforstungsarbeit war nicht Selbstzweck, sondern erfolgte zur Identifikation von Problemen. Die entscheidende Frage war stets die nach dem Grund für den Verfassungsrang einer Bestimmung. Bei einem nicht unbeträchtlichen Teil von Vorschriften haben wir keine Gründe gefunden und sind so zum Ergebnis gelangt, dass der Verfassungsrang entbehrlich ist. Für die übrigen Bestimmungen haben wir geklärt, weshalb die Bestimmung im Verfassungsrang steht, und sie in einem weiteren Schritt dem thematisch zuständigen Fachausschuss zur weiteren Beratung zugewiesen. Die Antwort der Fachausschüsse steht noch überwiegend aus.

Hier liegt ein ganz zentraler Punkt für den Erfolg unserer Arbeit. Es muss gelingen, in der Stammurkunde generell-abstrakte Lösungen zu entwickeln, die ad-hoc-Lösungen in der Zukunft entbehrlich machen.

Teilweise hat sich aber der Ausschuss 2 auch selbst als Fachausschuss betätigt: zum Einen deswegen, weil im Zusammenhang mit der Problemanalyse auch Problemlösungen aufgetaucht sind, zum anderen deshalb, weil Ergänzungsmandate des Präsidiums den Ausschuss entsprechend verpflichtet haben. In diesem Bereich kann ich von einer Reihe von Problemen berichten, für die der Ausschuss eine Lösung gefunden hat.

Ein erster Punkt betrifft die Staats- und Landesgrenzen. Hier hat sich der Ausschuss auf eine Regelung geeinigt, die ohne paktierte Verfassungsgesetze auskommt. Für Bestandsänderungen wird es künftig einer Änderung der Bundesverfassung und verfassungsrechtlicher Regelungen der Länder bedürfen. Bloße Grenzänderungen beziehungsweise Grenzbereinigungen sollen keiner Verfassungsbestimmung mehr bedürfen.

Ein zweiter Problembereich, den wir strukturell in den Griff bekommen haben, sind die Staatsverträge. Einerseits schlägt der Ausschuss eine Ergänzung der Ermächtigung des Artikel 9 Absatz 2 B-VG in dreifacher Hinsicht vor. Es sollen erstens auch Hoheitsrechte der Länder übertragen werden können; es soll zweitens auch die Möglichkeit geben, Hoheitsrechte auf fremde Staaten zu übertragen, und es soll drittens die Möglichkeit geben, dass auch Organe zwischenstaatlicher Organisationen im Inland tätig werden können. Andererseits ist eine Ergänzung des Artikel 50 um einen Absatz in Aussicht genommen, die Vertragsänderungen im vereinfachten Verfahren ermöglicht, ohne dass der Nationalrat solche Änderungen genehmigen muss, was aus zeitlichen Gründen mitunter gar nicht möglich ist. Noch in Diskussion ist in diesem Zusammenhang, ob dem Nationalrat die Option verbleiben soll, sich die Genehmigung solcher vereinfachten Vertragsänderungen durch Beschluss vorzubehalten.

Ein dritter Punkt betrifft die Gliedstaatsverträge. Hier haben wir ebenso bei den Staatsverträgen Konsens erzielt, dass es künftig nicht mehr möglich sein soll, einzelne Bestimmungen oder den gesamten Gliedstaatsvertrag mit Verfassungsrang auszustatten. Der Ausschuss lehnt es außerdem aus verfassungsstrukturellen Gründen ab, Gliedstaatsverträge mit unmittelbarer Anwendbarkeit auszustatten.

Ein vierter Konsenspunkt betrifft die Mitgliedschaft zur Europäischen Union. Hier hat sich der Ausschuss auf eine kurze allgemeine Regelung über die Mitgliedschaft verständigt und eine Bestimmung formuliert, die die Änderung des Primärrechts betrifft. Diese Bestimmung enthält durch einen Hinweis auf Artikel 44/3 auch Integrationsschranken.

Ein fünfter Punkt, in dem Konsens gelungen ist, betrifft die Staatssymbole. Hier soll Artikel 8a B-VG abgeschlankt werden: Die Farben der Republik sollen weiter in der Verfassung geregelt werden, das Nähere über Flagge, Wappen, Siegel, Hymne soll hingegen einem verfassungsausführenden Gesetz vorbehalten bleiben. Hinsichtlich der bestehenden Regelungen über Flagge, Wappen, Siegel und Hymne ist die unveränderte Überleitung im Verfassungsbegleitgesetz in Aussicht genommen.

Der sechste Punkt betrifft das Universitätsrecht. In diesem Bereich, der dem Ausschuss im Wege eines Ergänzungsmandats zugewiesen worden ist, ist es gelungen, die derzeit 35 Verfassungsbestimmungen in einen Artikel mit fünf Absätzen zusammenzufassen. Außerdem besteht die berechtigte Hoffnung, dass es gelingen könnte, noch weitere Absätze einzusparen, weil sich in Koordination mit den anderen Fachausschüssen allgemeine Lösungen ergebenen könnten: etwa bei der Weisungsfreiheit der Mitglieder universitärer Kollegialorgane, beim Instanzenzug in Dienstrechtsangelegenheiten für die verbliebenen Beamten und bei der Mitwirkung von Ausländern in Universitätsorganen beziehungsweise in der Studierendenvertretung.

Die siebente Erfolgsmeldung betrifft die Bezügebegrenzung. Hier schlägt der Ausschuss eine Ermächtigung vor, durch verfassungsausführendes Gesetz Obergrenzen hinsichtlich der Höhe und der Anzahl der Bezüge festzulegen, dabei dem Rechnungshof Aufgaben zu übertragen und unter einem auch Regelungen über die Bezüge öffentlicher Bediensteter zu treffen, die zu Mitgliedern des Nationalrates, des Bundesrates oder des Europäischen Parlaments gewählt wurden.

Damit komme ich zur dritten Teilaufgabe des Mandats, zur Festlegung der Binnenstruktur einer künftigen Verfassung. Hier sind wir uns über die Strukturen ebenfalls weitgehend einig. Der Ausschuss schlägt ein relatives Inkorporationsgebot vor. Das bedeutet, dass es künftig keine Verfassungsbestimmungen in einfachen Bundesgesetzen mehr geben soll. Nachdem wir uns aber gegen ein absolutes Inkorporationsgebot entschieden haben, soll es neben der Stammurkunde auch einige wenige Verfassungsgesetze geben können, die die Stammurkunde gleichsam als Trabanten umkreisen. Diese Trabanten allerdings in der Urkunde taxativ aufgezählt werden. Der Ausschuss hat Konsens erzielt, das Adelsaufhebungsgesetz und das Habsburgergesetz als historische Grundlagen der Republik unverändert zu übernehmen, und auch das Verbotsgesetz sowie das Neutralitätsgesetz sind als Kandidaten für Trabantengesetze genannt worden. Daneben soll es ein Verfassungsbegleitgesetz geben, dass das Übergangsrecht aufnehmen soll. Innerhalb des Gesamtsystems der Verfassung soll die bisherige Differenzierung zwischen Gesamt- und Teiländerungen beibehalten werden.

Die endgültige Entscheidung über das Inkorporationsgebot und über seine Formulierung steht heute noch aus. Das Mandat des Ausschusses verweist sie mit gutem Grunde in die zweite Phase der Ausschussarbeiten, weil sie vom inhaltlichem Ergebnis des Konvents abhängt. Die Form der Verfassung muss ihrem Inhalt folgen und nicht umgekehrt die Inhalte der Form.

Überdies besteht im Ausschuss Konsens, dass Verfassungsänderungen künftig nicht mehr in Sammelgesetze verpackt werden dürfen: Jede Änderung der Verfassung soll eines eigenen Gesetzes bedürfen. Auf diese Art und Weise ist gleichzeitig gesichert, dass jede Verfassungsänderung im Verfassungsausschuss des Nationalrates beraten werden muss.

Im Zusammenhang mit der Binnenstruktur verdient ein letzter Punkt Erwähnung, der über sie schon hinausführt. Es ist im Ausschuss einhellige Auffassung, in einer künftigen Verfassung als neue Rechtsform zwischen Verfassungsgesetz und einfachen Gesetz so genannte Verfassungsausführungsgesetze einzuführen. Diese Rechtsform soll im Bereich materiellen Verfassungsrechts zum Einsatz kommen; das Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates ist beispielsweise als Kandidat für ein Verfassungsausführungsgesetz von allen Seiten genannt worden. Zweck dieser neuen Rechtsform ist die Entlastung der Stammurkunde. Die Quoren für solche Verfassungsausführungsgesetze sollen, was im Begriff „Zweidrittelgesetz“ anklingt, den Quoren für Verfassungsgesetze nachgebildet sein. Solche Verfassungsausführungsgesetze sollen in der Promulgationsklausel als verfassungsausführende Gesetze kenntlich gemacht werden.

Damit kann ich zu jenen Fragen übergehen, die im Ausschuss derzeit noch offen sind. Eine erste Frage ist die Einheit des Währungs-, Wirtschafts- und Zollgebietes. Hier gibt es sowohl Konsens, auf die Verankerung der Einheit des Währungs- und Zollgebietes in der neuen Verfassung zu verzichten, weil sie durch Europarecht hinreichend gesichert ist, als auch einen überwiegenden Konsens, die Einheit des Wirtschaftsgebiets in der neuen Verfassung beizubehalten, weil sie als Kompetenzausübungsschranke fungieren kann und soll.

Ein zweites Thema, in dem die Diskussionen erst begonnen haben,  ist die Sicherung der staatlichen Vermögenssubstanz. Anlass dafür boten Regelungen im Bundesforstegesetz und im BVG über die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft. Hier steht der Ausschuss vor der Alternative, entweder die Bestimmungen in mehr oder weniger geraffter Form zu übernehmen oder aber eine allgemeine Regelung zu schaffen, die den Staat ganz allgemein zur Wahrung seiner Vermögenssubstanz verpflichtet. Die Präferenz geht eher in die zweite Richtung. Es haben sich allerdings Schwierigkeiten bei der Umsetzung gezeigt. Der Begriff Vermögenssubstanzsicherung kann, je nachdem ob man den Akzent auf das Vermögen oder auf die Substanz legt, die Erhaltung von wirtschaftlichen Werten oder die Erhaltung öffentlichen Eigentums von kulturellen, künstlerischen bzw. ökologischen Wert bedeuten.

Ein dritter Bereich, der ebenfalls noch in Beratung ist, betrifft Bestimmungen über die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen. Die UN-Mitgliedschaft ist deshalb kein Thema des Verfassungsrechts, weil sie zeitlich zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, in dem jene Theorien, die einen Verfassungsrang von Staatsverträgen erst notwendig gemacht haben, noch nicht entwickelt waren. Wenn wir heute der UNO beitreten würden, ginge es wohl nicht ohne ein Dutzend Verfassungsbestimmungen ab. Regelungen in der Stammurkunde über die Mitgliedschaft sind im Ausschuss für sinnvoll erachtet worden, nicht zuletzt deshalb, um das derzeit bestehende verfassungsrechtliche Spannungsverhältnis zwischen der Mitgliedschaft und den Neutralitätspflichten aufzulösen.

Der letzte offene Punkt ist die Gliederung der neuen Verfassung. Hier sind wir über Vorarbeiten noch nicht hinausgelangt. Es gibt Konsens, diese Frage erst nach Vorliegen der inhaltlichen Ergebnisse in Angriff zu nehmen, weil zunächst der Inhalt feststehen muss, bevor man ihn gliedern kann. Gleiches gilt für die Übergangsproblematik. Welche Bestimmungen entfallen können und welche Bestimmungen in das Übergangsrecht übernommen werden müssen, kann der Ausschuss erst auf Basis des Konventsergebnisses klären.

Am Ende meines Überblicks über erzielte Lösungen und unbeantwortete Fragen möchte ich nicht verhehlen, dass der Ausschuss auch eine große Sorge hat: die Sorge nämlich, dass auf Grund des immensen Termindrucks - bis Ende des Jahres soll ein Textentwurf vorliegen -  die Legistik auf der Strecke bleiben wird. Schon heute steht fest, dass die Arbeiten des Ausschusses 2 bis Ende des Jahres unmöglich abgeschlossen werden können:  Die Rückmeldung der anderen Ausschüsse gibt es zum großen Teil noch nicht, die Ergebnisse der Sachausschüsse müssen zusammengeführt werden, und sie müssen harmonisiert werden. Es ist sinnvoll und zweckmäßig, dass diese Arbeit im Ausschuss 2 erfolgt. Dafür wird bis 31.12. keine Zeit sein.

Hier liegt nach Überzeugung des Ausschusses eine große Gefahr. Das B-VG mag in seiner Stammfassung ein Torso gewesen sein; in seiner legistischen Qualität ist es ein Monolith. Aus diesem Grund liegt die Latte für das Konventsergebnis hoch: In sprachlicher und legistischer Hinsicht wird der Konvent an der Stammfassung des B-VG gemessen werden, und sein Verfassungsentwurf muss einem Vergleich standhalten. Zeitdruck hat seine Vorteile; er setzt unter anderem produktive Energien frei. In der Legistik ist er hingegen fehl am Platz. Was der Grundsatz „speed kills“ bei der Formulierung von Rechtstexten anrichtet, können wir am Beispiel jener 1 300 Verfassungsbestimmungen ersehen, von denen sich der Konvent gerade verabschieden will. Wir sollten uns diese Methode also nicht zum Vorbild nehmen. - Vielen Dank.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke Herrn Prof. Wiederin für seine Ausführungen. Ich danke selbstverständlich auch den übrigen Mitgliedern des Ausschusses, die so hervorragende Arbeit geleistet haben, und darf noch auf Ihre letzte Bemerkung, Herr Professor, zu sprechen kommen.

Der Konvent wird das Unmögliche anstreben, um das Mögliche zu erreichen, und ich glaube, das sollte uns gerade in den letzten Wochen jetzt wirklich ein Leitmotiv sein. Dann sollte es gelingen, was wir uns vorgenommen haben und was auch von uns in dem Zeitraum vom 18 Monaten, der nicht so gering ist, auch verlangt wurde.

Besten Dank nochmals, Herr Professor. Ich darf nunmehr in die Diskussion zum Referat des Vorsitzenden des Ausschusses 2 eintreten und als erstem Redner Herrn Dr. Poier das Wort erteilen. - Bitte sehr.

Dr. Klaus Poier: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Ich möchte ebenso Herrn Prof. Wiederin für diesen sehr konzisen und umfassenden Überblick danken und ihm und den übrigen Ausschussmitgliedern für die wirklich sehr angenehme und konstruktive, geradezu seminarhafte Arbeitsatmosphäre im Ausschuss danken. Man muss auch betonen, dass der Ausschuss 2 wohl der einzige Ausschuss ist, in dem es praktisch keinen Dissens über irgendeinen Punkt gibt. Es herrscht fast überall einstimmiger Konsens, nur in ganz wenigen Punkten gibt es überwiegende Entscheidungen. Das betrifft sowohl die Struktur einer neuen Verfassung - da hat es zwar anfangs durchaus heftige, intensive Diskussionen gegeben, aber eben am Ende einen Konsens. Das betrifft das relative Inkorporationsgebot, das betrifft die Verfassungstrabanten, das betrifft die verfassungsausführenden Gesetze, die anfangs überhaupt im Konvent sehr umstritten waren und die gerade durch die klare Position des Ausschusses 2 an Gewicht gewonnen und sich mittlerweile als Idee durchgesetzt haben. Und es betrifft auch das Schicksal einzelner Verfassungsbestimmungen, über die es durchwegs Konsens gibt.

Man muss immer wieder betonen, dass das Ergebnis des Ausschusses 2, was die Inkorporierung der Verfassungsbestimmungen, die bisher in großer Zahl außerhalb des B-VG anzutreffen sind, betrifft, ein geradezu sensationeller Erfolg ist. Eintausenddreihundert Verfassungsbestimmungen zu inkorporieren oder als obsolet zu erklären, das hätte man im Vorfeld des Konvents wahrscheinlich nicht für möglich gehalten.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Konsenslösung für die Zukunft, dass Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen, Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen in Zukunft verfassungsrechtlich unzulässig sein sollen. Das allein rechtfertigt wohl auch dieses Projekt des Österreich-Konvents, auch wenn es dabei natürlich nicht bleiben soll und auch andere Ergebnisse zu erzielen sind. Aber das allein rechtfertigt sicherlich den Konvent.

Natürlich gibt es einige Sorgen. Eine große Sorge ist, dass, wie schon angesprochen wurde, sehr viele dieser 1 300 Verfassungsbestimmungen den anderen Ausschüssen überwiesen wurden, wobei diese Ausschüsse jeweils eine generelle Lösung zu finden haben, damit diese Verfassungsbestimmungen tatsächlich obsolet werden. Hier sind fast alle Ausschüsse säumig, es gibt bisher kaum abschließende Rückmeldungen, was mit den jeweils zugewiesenen Verfassungsbestimmungen geschehen soll. Das ist in den meisten Fällen auch verständlich, da die zugrunde liegenden generellen Lösungen eines zumeist noch nicht geglückten politischen Konsenses bedürfen.

Aber es gibt auch Erfreuliches: Ich habe im Bericht des Ausschusses 5, den wir erst hören werden, gelesen, dass von den 60 Kompetenzbestimmungen, die wir dem Ausschuss 5 überwiesen haben, 59 wegfallen sollen und eine einzige Übergangsbestimmung bleiben soll. Es wäre sehr zu wünschen, wenn das auch in den anderen Ausschüssen so glücken könnte, denn es wäre ein furchtbarer Rückschlag, wenn von einigen Ausschüssen die Botschaft zurückkäme, man wolle hundert oder mehr Verfassungsbestimmungen beibehalten. Die könnte man dann freilich in das Verfassungsbegleitgesetz integrieren, aber das wäre dann mit Sicherheit der Müllkübel, von dem ich schon vor wenigen Wochen, als wir über den Bericht des Ausschusses 2 diskutiert haben, gesprochen habe.

Eine weitere Sorge, da möchte ich die Argumentation Prof. Wiederins teilen, ist die Schluss-Legistik eines Entwurfes des Österreich-Konvents. Der Zeitdruck ist sicherlich notwendig, bis Dezember inhaltliche Lösungen zu finden. Da darf ich auch als einfaches Konventsmitglied das Präsidium mahnen, das hier meines Erachtens bisher säumig geworden ist.

Der Zeitdruck ist auch notwendig, um einen Verfassungstext einmal vorliegen zu haben - aber eine abschließende Legistik ist bis 21. Dezember nicht möglich. Da muss man sich einen Mechanismus überlegen, wie man dann zu einem konzisen, zu einem widerspruchsfreien Text kommt.

Und eine dritte Sorge möchte ich noch einmal wiederholen. Es ist die Sorge, ob sich wohl auch die rechtspolitische Kultur in Österreich ändern wird, ob der bisher selbstverständliche Ruf nach Sonderverfassungsrecht in Zukunft nicht mehr so laut zu hören sein wird. Denn Möglichkeiten, die Verfassung in diesem Sinne zu überfrachten, wird es in Zukunft natürlich sowohl im B-VG als auch in den Verfassungstrabanten und auch im Verfassungsbegleitgesetz geben, und diese Möglichkeiten sollten natürlich nur sehr sparsam wahrgenommen werden. - Danke sehr.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke für diese Wortmeldung und darf als Nächstem Herrn Dr. Schnizer das Wort erteilen. - Bitte sehr.

Dr. Johannes Schnizer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich möchte mich zunächst vollinhaltlich dem Bericht vom Kollegen Wiederin über den Beratungsstand des Ausschusses 2 anschließen. Er war bestens und ist auch völlig zutreffend dargestellt. Ich melde mich deswegen zu Wort, weil ich auf die noch bevorstehenden inhaltlichen Aufgaben kurz eingehen möchte.

Wie Kollege Poier gesagt hat, sind hier zwei Bereiche zu unterscheiden. Der eine Teil sind jene inhaltlichen Fragen, die den anderen Ausschüssen zugewiesen worden sind. Hier kann der Ausschuss nicht weiterarbeiten, solange er nicht Ergebnisse zurück bekommt, und ich möchte hier auch den anderen Ausschüssen nicht vorgreifen.

Allerdings gibt es einen zweiten Teil, wo das Präsidium dem Ausschuss 2 die Aufgabe gestellt hat, selbst Textvorschläge für zwei Bereiche vorzulegen. Zu diesen beiden Punkten möchte ich nun gern sprechen.

Der este dieser Bereiche sind die Universitäten. Dort ist die Verfassungsrechtslage zurzeit eine beklagenswerte. Bekannterweise wurde die Rechtsstellung der Universitäten im Universitätsorganisationsgesetz 1993 mit zahlreichen Verfassungsbestimmungen geregelt. Mittlerweile haben wir ein neues Universitätsgesetz, das hinsichtlich der Verfassungsrechtslage auf diese verstreuten Verfassungsbestimmungen aufbaut. Der Verfassungsgerichtshof hat das weitgehend für zulässig erachtet, womit sich jetzt aber die Frage stellt, wie man in einem zusammenfassenden Gesetz die Universitäten neu regeln soll.

Ich möchte hier nachdrücklich auf drei Punkten bestehen. Der erste ist: Es ist erforderlich, dass der Aufgabenkreis und der Bestand der Universitäten einschließlich einer Definition dessen, was Universitäten eigentlich sein sollen, in die Verfassung aufgenommen werden sollen. Wir haben hier einen Vorschlag gemacht, wonach die Universitäten Stätten freier Wissenschaft, Lehre und Bildung mit dem Recht auf Selbstverwaltung sind. Im Ausschuss ist das auf sehr viel Zustimmung gestoßen, eine derartige Formulierung aufzunehmen.

Wenn ich vom Recht auf Selbstverwaltung spreche, dann ist klar, dass man hier auch etwas sagen muss über die Mitwirkung der hier sich Selbstverwaltenden. Ich glaube, dass in der Verfassung auch ausdrücklich die Mitwirkung aller Universitätsangehörigen einschließlich der Studenten in den obersten Organen der Universitäten festgehalten werden sollte.

Das Dritte, und ich fürchte, hier wird es keinen Konsens geben. Ich glaube, man sollte auch die Gebührenfreiheit der öffentlichen Universitäten in der Verfassung festschreiben. Dass dies notwendig ist, hat die Vergangenheit gezeigt. Allerdings stellt sich dann natürlich die Frage der Finanzierung der Universitäten. Da ist es, glaube ich, klar, wenn es öffentliche Universitäten sind und sie in der Verfassung so verankert werden, dass dies eine ganz eminente öffentliche Aufgabe ist, und dass deswegen die öffentliche Hand auch für eine ausreichende Finanzierung der Universitäten sorgen muss.

Nun zum zweiten Bereich, wo der Ausschuss selbst einen inhaltlichen Vorschlag machen soll. Es ist dies mit dem etwas sperrigen Titel Vermögenssubstanzsicherung zu bezeichnen. Worum geht es im Kern? Im Kern geht es darum, dass es bis jetzt in einfachen Bundesgesetzen Verfassungsbestimmungen gibt, die den Vermögensbestand der öffentlichen Hand in einer gewissen Form festschreiben. Dies sind zunächst die Bundesforste. Ich glaube, man könnte da den besten Weg gehen, dass man ein eigenes knappes Bundesverfassungsgesetz schafft, in dem der bisherige Bestand festgeschrieben wird, wobei er bis jetzt legistisch sehr unzureichend festgeschrieben ist, so dass die Reichweite unklar ist.

Ich meine, aus dieser Verfassungsbestimmung sollte klar hervorgehen, dass sowohl der Wald und damit auch die Schutzfunktion, die Wohlfahrtsfunktion des Waldes im Eigentum des Bundes bleiben müssen und dass gleichzeitig aber auch die Verwaltung des Waldes, die momentan von der Bundesforste-AG besorgt wird, auch im Eigentum des Bundes bleiben muss, dass es nicht möglich ist - da gibt es divergente Ausfassungen -  die Anteile an der Bundesforste-AG an Private zu veräußern.

Im Zusammenhang damit wäre die Schutz- und Wohlfahrtsfunktion des Waldes zu verankern, weil dies ein über die wirtschaftliche Führung der Bundesforste hinausgehendes Ziel ist und das ist der Sinn dessen, warum hier öffentliches Eigentum bestehen muss, damit nicht die wirtschaftliche Maximierung des Nutzens allein im Vordergrund steht, sondern hier auch die öffentliche Funktion.

Der zweite dieser Bereiche sind die Elektrizitätsunternehmen. Die Verfassungslage geht hier zurück bis auf das zweite Verstaatlichungsgesetz. Was davon jetzt noch übrig ist, besteht darin, dass in Verfassungsbestimmungen und in Anlagen zu Verfassungsbestimmungen bestimmte Unternehmen zu 50 Prozent im Eigentum der öffentlichen Hand, sei es des Bundes, sei es der Länder, stehen müssen. Ich glaube auch hier, dass es der richtige Weg ist, ein kurzes Verfassungsgesetz, auf das im Anhang verwiesen wird, zu schaffen, in dem die Substanz dieser Gesetze festgeschrieben ist. Ich glaube, dass es nicht ausreicht, einfach die Namen der Elektrizitätsunternehmen festzuschreiben, sondern dass es erforderlich ist, auch den Unternehmenszweck festzuschreiben, damit klar ist, dass diese Elektrizitätsunternehmen, insbesondere die Wasserkraftwerke, zu 50 Prozent im Eigentum der öffentlichen Hand stehen müssen und dass es etwa nicht sein kann, dass die Verbundgesellschaft als bloßer Mantel bestehen bleibt, aber nur mehr der Verwaltung von irgendwelchen Anteilen von Atomkraftwerksunternehmen aus dem Ausland dienen.

Gleichzeitig wäre damit zu verbinden, dass diese Anteilsbeschränkungen auch jeweils für Töchter- und Enkel-Gesellschaften gelten, damit klargestellt ist, dass hier zwar Umgliederungen erfolgen können, aber die Sperrfunktion des 50 Prozentanteils weiter aufrecht erhalten bleiben muss.

Ich glaube, wenn weiterhin so intensiv gearbeitet wird wie bisher, dass es möglich ist, bis zum Ende des Jahres einen konzisen Text vorzulegen. Er darf keinesfalls ein Konglomerat von unterschiedlichen Vorschlägen von den einzelnen Ausschüssen bestehen, sondern solle gut durchdacht sein. Vielleicht ist es nicht möglich alle Punkte auszuformulieren, dann sollte man wenigstens ein komplettes Verzeichnis machen und dann in einem kleinen Reaktionskomitee eine möglichst klare und verständliche Verfassung. Es muss weiterhin das Ziel sein, dass es keine Verfassung ist, die nur Juristen verstehen, sondern eine, die lesbar und auch für den einfachen Bürger verständlich ist. Danke.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke für Ihre Ausführungen, Herr Dr. Schnizer. Als Nächste zu Wort hat sich Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig gemeldet. - Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

Dr. Eva Glawischnig: Danke, Herr Präsident! Hoher Konvent!

Die Grünen sind im Zweierausschuss nicht vertreten. Ich möchte aber ein paar inhaltliche Anmerkungen zum derzeitigen Stand der Diskussion machen und auch aus dem Präsidium kurz berichten. Im Präsidium besteht Konsens, dass dieses Inkorporierungsgebot durchbrochen werden soll durch Trabentengesetze. Die Liste dürfte jetzt doch nicht ganz kurz ausfallen. Es sind mittlerweile Neutralitätsgesetz, Menschenrechtskonvention, Adelsaufhebungsgesetz, Verbotsgesetz, Habsburgergesetz, aber es ist, denke ich, da keine andere Lösung möglich, als dieses Konzept zu verfolgen.

Grundsätzlich: Um nun diese Strukturbereinigungen zu schaffen, die man sich vorgenommen hat, den Weg, den man hier aufgezeigt hat, sind natürlich ein neuer Kompetenzkatalog und der Grundrechtekatalog wichtig, um vor allem auch die Frage der Weisungsfreiheit der Organe zu lösen und die Grenzänderungen zu lösen. Das sind Dinge, die noch zu tun sind. Die Lösung ist aber noch zu erarbeiten.

Zur Frage der übrigen Verfassungsbestimmungen, wo vorgeschlagen worden ist, sie weitgehend den Verfassungsrang zu entkleiden: Wir haben das mit großer Sorgfalt uns angesehen - diese umfassende Liste - , haben dazu auch einige Zeit benötigt und bei einigen Bestimmungen sehen wir aber inhaltlich im Bestand etwas gefährdet und wir haben zu sieben Bestimmungen auch einen Einwand erhoben, auch im Präsidium.

Dabei handelt es sich um die Urherberrechtsgesetznovelle, das Elektrizitätsorganisationsgesetz, das Volksgruppengesetz, das Gleichbehandlungsgesetz. Nur damit Sie sich etwas darunter vorstellen können: Beim Gleichbehandlungsgesetz handelt es sich um den Schutz der Gleichbehandlungsbeauftragten und wir fürchten, dass hier inhaltlich etwas verloren geht, wenn man das nicht an anderer Stelle in der Verfassung verankert. Das wird sehr stark vom Ausschuss 4 abhängen, ob das möglich ist.

Auch Wehrgesetz, Ökostromgesetz, Staatsbürgerschaftsgesetz, Studienförderungsgesetz: Da geht es zum Beispiel um die Gebührenbefreiung von Südtiroler Studierenden. Hier bei diesen Bestimmungen haben wir Sorge, wenn die generell des Verfassungsranges entkleidet werden, dass damit auch inhaltlich etwas verloren geht. Da würden wir dafür appellieren, dass hier Lösungen gesucht werden, um den inhaltlichen Weiterbestand dieser Regelung zu sichern.

Dann gibt es noch ein Sonderproblem, wo wir auch einen Textvorschlag noch vorgelegt haben. Den möchte ich kurz vorstellen. Da geht es um die Frage des außenpolitischen Spielraumes der Regierung im Zusammenspiel mit dem Parlament. Das ist der Artikel 50 B-VG und der wird überschrieben mit „Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates an der Vollziehung des Bundes.“ Es geht im Wesentlichen um die „Genehmigung“. Genehmigung ist in dem Zusammenhang auch sehr korrekt bei völkerrechtlichen Verträgen.

Hier gibt es ein Sonderproblem, nämlich, dass es einige multilaterale Verträge gibt, die neben einem ordentlichen Vertragsänderungsverfahren auch ein so genanntes einfaches Vertragsänderungsverfahren haben. Das bedeutet, dass durch einen Mehrheitsbeschluss in einem Gremium oder Organ dieser Organisation der Vertrag selber verändert werden kann. Es sieht der Vorschlag des Ausschusses 2 eben vor: So weit eine solche Änderung vorliegt, bedarf es keiner verfassungsabgestimmten Zustimmung mehr, sondern nur mehr noch einer einfachen Genehmigung. Da haben wir Sorge und wir sehen das als weitere Entdemokratisierung der Außenpolitik, die traditionell schon sehr stark immer auch - historisch gesehen - Aufgabe des Monarchen war und in vielen Parlamenten eigentlich unzureichend geregelt ist. Auch vor dem Hintergrund wird die Diskussion sehr, sehr weitreichende Entscheidungen betreffen.

Ich möchte ein Beispiel nennen, was das dann tatsächlich bedeuten könnte, so eine künftige Vertragsänderung im vereinfachten Verfahren. Das betrifft zum Beispiel den Vertrag der Europäischen Union. Würde der künftige Verfassungsvertrag beschlossen werden, wären im vereinfachten Vertragsgenehmigungsverfahren sehr viele Eingriffe in interne Politikbereiche der Europäischen Union über dieses vereinfachte Vertragsgenehmigungsverfahren möglich. Zum Beispiel jetzt schon. Auch der Übergang der Europäischen Union zu einem Verteidigungsbündnis wäre in einem einfachen Vertragsänderungsverfahren zu beschließen. Hier haben wir einen Vorbehalt und haben dazu auch einen Textvorschlag eingebracht, ausgearbeitet, der im Wesentlichen die Möglichkeit dem Nationalrat gibt, diese Kompetenz wieder an sich zu ziehen und zweitens, in einem zweiten Absatz auch eine Vorinformation der Regierung vorsieht, dass über solche Vorhaben auch im Vorhinein dem Nationalrat zu berichten ist, um das auch richtig einschätzten zu können, ob dieses einfache Verfahren zulässig sein soll oder nicht.

Ich bitte den Ausschuss, diesen Vorschlag auch entsprechend zu würdigen und zu diskutieren; uns wäre das ein großes Anliegen. Danke schön.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Frau Abgeordnete! Es hat sich noch als nächster Redner zu diesem Tagesordnungspunkt Herr Professor Öhlinger gemeldet. Bitte sehr.

Dr. Theodor Öhlinger: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Ich habe mich spontan gemeldet, um zu dem Diskussionsbeitrag der Frau Abgeordneten Glawischnig etwas zu sagen.

Zunächst einmal ist es ein Missverständnis, das man aber vielleicht durch Änderung des vorgeschlagenen Textes aufklären sollte, dass sich ein vereinfachtes Vertragsänderungsverfahren ohne Beteiligung des Parlaments auch auf das Primärrecht der EG erstrecken soll. Das war nie die Absicht des Ausschusses 2. Im Gegenteil, es ist heute schon im Ausschussbericht gesagt worden, dass wir eine generelle Regelung über künftige Änderungen des EG-Primärrechts - wir hoffen alle, dass dies der Verfassungsvertrag sein wird - vorgeschlagen haben, und dabei auch für eine Zwei-Drittel-Mehrheit offen sind. Primärrecht der EG ohne Mitwirkung des Parlaments zu ändern, ist eine Vorstellung, die dem Ausschuss - da bin ich überzeugt, für alle Mitglieder zu reden - absolut fern liegt.

Aber worum geht es überhaupt bei diesem Problem? Es gibt in völkerrechtlichen Verträgen, selten in bilateralen, öfters, aber auch nicht allzu oft, in multilateralen Verträgen, Bestimmungen, die besagen, dass gewisse Teile, Annexe, Anhänge, technische Bestimmungen et cetera in vereinfachter Weise geändert werden können. Nur ganz vereinzelt sind dabei Mehrheitsbeschlüsse vorgesehen. Wenn ein Mehrheitsbeschluss möglich ist, dann haben wir allerdings derzeit die paradoxe Rechtslage, dass das eine Übertragung von Hoheitsrechten darstellt, und wenn es sich nicht gerade um Hoheitsrechte der Länder handelt, so kann eine solche Vertragsbestimmung schon heute mit einfacher Mehrheit genehmigt werden.

Dagegen sind die Mehrzahl dieser Bestimmungen so genannte opting in- oder opting- out-Klauseln. Das heißt, dass Teile des Vertrages so geändert werden können, dass die Staaten die Möglichkeit haben, innerhalb einer bestimmten Frist zu sagen: Mit uns nicht, dann sind sie draußen, oder mit uns auch, dann sind sie drinnen. Das verfassungsrechtliche Problem in Österreich besteht darin, dass dabei Fristen vorgesehen sind, in der Regel 90 Tage, manchmal sogar nur 60 Tage, und dass diese Fristen ein normales parlamentarisches Verfahren in Österreich nicht ermöglichen. Man denke nur an die acht Wochen, die der Bundesrat Zeit hat. Daher macht man eine Verfassungsbestimmung daraus, die in Wahrheit nicht das Änderungsverfahren selbst betrifft - im Text des Vertrages steht darüber überhaupt nichts -, die es aber erlauben soll, so die übliche Deutung, dass Österreich diese opting in- oder opting out-Erklärung auf Regierungsebene abgibt, weil der Nationalrat gar nicht in der Lage wäre, dies in der zur Verfügung stehenden Zeit zu tun. Das Problem kann man aber nicht dadurch lösen, dass man einen Vorbehalt des Nationalrates macht. Er behält sich dann etwas vor und muss gleichzeitig wissen, dass er das in der vorgesehenen Frist gar nicht erledigen kann.

Man müsste vielmehr ein Verfahren, etwa in der Geschäftsordnung des Nationalrates, einführen, dass ein Ausschuss, etwa der Hauptausschuss, über solche beabsichtigte Erklärungen informiert werden muss. Das wäre eine zielführende Lösung. Eine Verfassungsbestimmung löst dagegen in Wahrheit gar nichts. Es hat auch meines Wissens noch nie einen Fall gegeben, in dem einer solchen Verfassungsbestimmung die Zwei-Drittel-Mehrheit verweigert wurde. Es geht dabei meist um Detailfragen. Wenn man etwa in einem Artenschutzübereinkommen die Liste der gefährdeten Tiere erweitert, können dem die Staaten auf diese Weise vereinfacht zustimmen. Das ist aber nicht der Kern des Abkommens. Niemand könnte einem solchen Abkommen seine Zustimmung mit der Begründung verweigern, dass er zwar für den Schutz von Tieren ist, die vom Aussterben bedroht sind, aber dass man diese Liste nicht in einem vereinfachten Verfahren erweitern können soll, wenn man dabei den Nationalrat ausschließt.

Das Problem lässt sich auch nicht durch eine allgemeine Verfassungsbestimmung lösen, auf Grund derer sich der Nationalrat die Genehmigung vorbehält. Das Problem liegt vielmehr in der mangelnden Information des Nationalrats. Dort müsste man daher ansetzen. Aber eine Entdemokratisierung, die Sie darin sehen, dass man für solche vereinfachten Änderungsverfahren Verfassungsbestimmungen in Zukunft nicht mehr für nötig hält, ist, glaube ich, eine Fehleinschätzung dieser Problematik.

Wir werden aber selbstverständlich alle Vorschläge, die in Richtung stärkerer Berücksichtigung des Parlamentes bei außenpolitischen Angelegenheiten gehen, sehr ernsthaft prüfen und auch selbst Vorschläge dazu machen. Danke, Herr Präsident!

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke auch, Herr Professor! Ich glaube, ich kann Sie, Frau Abgeordnete Glawischnig, beruhigen: Sie werden Ihre Vorschläge gut geprüft im Ausschuss 2 vorfinden. Ich gehe davon aus, dass wir auch insoweit zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen werden.

Damit sind die Beratungen zum Referat über den Ausschuss 2 abgeschlossen. Wir kommen nun zum Referat des Vorsitzenden des Ausschusses 3. Ich darf Herrn Professor Holzinger das Wort erteilen. - Bitte!

Dr. Gerhart Holzinger: Danke sehr, Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Dem Ausschuss 3 des Österreich-Konvents wurden im Wesentlichen folgende Themen zur Vorberatung zugewiesen: Aufbau des Staates - das heißt, die verfassungsrechtlichen Regelungen betreffend die Organisation von Exekutive und Legislative des Bundes und der Länder sowie das Gemeindeverfassungsrecht -, Wahlen, Verfassungsautonomie der Länder und das Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Vollziehung. Der Ausschuss hat die wichtigsten damit zusammenhängenden Fragen in insgesamt neun Sitzungen, die meisten davon ganztägig, vorberaten und hat zwei Berichte erstattet. Ein Bericht wurde im Februar dieses Jahres vorgelegt und der zweite, eingehend auf ein ergänzendes Ersuchen des Präsidiums vom Juli dieses Jahres, dann Anfang Oktober. In diesem zweiten Bericht sind auch die Fragen, die uns seitens des Ausschusses 2 gestellt wurden, beantwortet worden. Insofern sind wir gegenüber dem Ausschuss 2 nicht mehr säumig, das möchte ich hier feststellen.

Meine Damen und Herren! Die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit des Ausschusses 3 lassen sich, kurz zusammengefasst, wie folgt darstellen:

Im Ausschuss besteht Konsens darüber, dass eine Reihe der uns vom Präsidium zur Behandlung übertragenen verfassungsrechtlichen Regelungen entweder überhaupt entbehrlich erscheinen, oder dass diese Regelungen doch deutlich reduziert werden könnten, gegenüber dem derzeitigen verfassungsrechtlichen Status quo. Ich möchte das an drei Beispielen kurz erläutern:

Zum einen hat sich im Zuge der Ausschussberatungen gezeigt, dass eine Reihe jener Bestimmungen in den Artikeln 27 bis 33 des Bundes-Verfassungsgesetzes, die den Nationalrat betreffen, entbehrlich erscheinen. Auch hiezu ein Beispiel: Etwa die zum Teil sehr detaillierten und kasuistischen Regelungen betreffend die Befugnis des Bundespräsidenten zur Einberufung der Tagungen des Nationalrates oder betreffend die Schließung dieser Tagungen. Wir meinen, dass diese Regelungen entfallen könnten und diese Befugnis im Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates geregelt werden und dem Präsidenten des Nationalrates zukommen sollte.

Deutlich reduzieren ließen sich, unserer Auffassung nach, auch die derzeit in den Artikeln 69 folgende getroffenen, zum Teil sehr kasuistischen Regelungen betreffend die Bundesregierung. Diese insbesondere dann, wenn man eine vom Ausschuss vorgeschlagene bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung zur Erlassung einer Geschäftsordnung der Bundesregierung vorsähe.

Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch noch auf die bundesverfassungsgesetzlichen Vorschriften betreffend die Organisation der Landesverwaltung zu verweisen, die gleichfalls sehr detailliert sind. Dazu hat der Ausschuss einen Textvorschlag für eine Neufassung des Artikels 106 der Bundesverfassung erstattet. Eine derartige Neuregelung würde insbesondere das B-VG betreffend die Ämter der Landesregierungen aber auch Bestimmungen im Übergangsgesetz 1920, die nach wie vor in Geltung stehen, entbehrlich machen, und im Übrigen auch die Verfassungsautonomie der Länder in einem nicht unmaßgeblichen Bereich stärken, nämlich dort, wo es um die Organisation der Landesverwaltung geht.

Abgesehen von diesen Vorschlägen, die auf eine Bereinigung der Bundesverfassung hinauslaufen, möchte ich zu den verfassungspolitisch wichtigsten Fragen, die der Ausschuss zu behandeln hatte, auf Folgendes hinweisen: Ein wesentlicher Punkt, der von uns zu behandeln war, betrifft den Artikel 26 der Bundesverfassung, also die Regelung über die Wahlen zum Nationalrat, die gewissermaßen die zentrale Wahlrechtsregelung der Bundesverfassung darstellt. Zu dieser Frage besteht im Ausschuss Konsens darüber, dass sämtliche Wahlrechtsgrundsätze in der Verfassung geregelt werden sollten, also insbesondere auch jener des freien Wahlrechts, der derzeit außerhalb des B-VG geregelt ist.

Was die weiteren Änderungen des Artikel 26 B-VG anlangt, so bestehen im Ausschuss allerdings unterschiedliche Positionen. Die eine Position geht in die Richtung, dass sich die Verfassung im Wesentlichen auf die Regelung der Wahlrechtsgrundsätze beschränken sollte, wobei zudem die Auffassung vertreten wird, dass der Grundsatz der Verhältniswahlen nicht verfassungsgesetzlich geregelt werden sollte, sondern dass die Festlegung des Wahlsystems dem Wahlrechtsgesetzgeber zukommen soll. Darüber hinaus wird von den Vertreterinnen und Vertretern dieser Position die Auffassung vertreten, dass die Briefwahl als eine gleichwertige Form der Stimmabgabe neben der Stimmabgabe vor der Wahlbehörde vorgesehen werden sollte und auch die Einführung von E-voting verfassungsgesetzlich ermöglicht werden soll. Dem steht eine andere Position gegenüber, der zufolge die Regelungsdichte des Artikel 26 B-VG im Wesentlichen so erhalten bleiben soll, allerdings mit bestimmten Änderungen: Das Wahlrecht zum Nationalrat soll auch in Österreich ansässigen Ausländern eingeräumt werden, der Grundsatz der Verhältniswahl soll durch eine Mindestprozentklausel in der Verfassung näher determiniert werden, das Wahlalter soll auf das 16. beziehungsweise 18. Lebensjahr gesenkt werden, die Zahl der Abgeordneten je Wahlkreis soll anstelle des derzeit geltenden Bürgerzahlprinzips in Zukunft an der Zahl der Wahlberechtigten beziehungsweise an der Wohnbevölkerung orientiert werden, und schließlich die Stimmabgabe vor einer Wahlbehörde soll den Regelfall bilden, die Briefwahl nur ausnahmsweise zulässig sein.

Einvernehmen besteht - das sei an dieser Stelle erwähnt  - im Ausschuss dahingehend, dass bundesverfassungsgesetzlich Vorkehrung dafür getroffen werden sollte, dass bei Landtagswahlen und bei Gemeinderatswahlen dieselben Möglichkeiten zur Stimmabgabe außerhalb des Wahlgebietes bestehen sollten wie das derzeit auf Grund des § 60 der Nationalratswahlordnung bei Nationalratswahlen der Fall ist.

Was den Bundespräsidenten betrifft, so werden im Ausschuss im Wesentlichen die folgenden beiden unterschiedlichen Positionen vertreten: Die eine Meinung geht dahin, dass die Befugnisse des Bundespräsidenten zur Auflösung des Nationalrates und eines Landtages sowie zur Ernennung und Entlassung der Mitglieder der Bundesregierung entfallen sollte, während andere Mitglieder des Ausschusses dafür eintreten, dass diese Befugnisse beibehalten werden sollten. Konsens besteht hingegen darüber, dass einzelne der Befugnisse des Bundespräsidenten, die antiquiert erscheinen, entfallen sollten. Als Beispiel dafür wird immer das Recht des Bundespräsidenten zur Legitimation unehelich geborener Kinder angeführt.

Zu den bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen betreffend die Gemeinden bestehen im Ausschuss unterschiedliche Auffassungen im Wesentlichen darüber, ob im Verhältnis zwischen der Gemeinde und der Bezirksebene die derzeitige Struktur beibehalten werden soll oder vermehrt Aufgaben, die bisher von den Bezirkshauptmannschaften wahrgenommen werden, auf die kommunale oder interkommunale Ebene verlagert werden sollten. Die Befürworterinnen und Befürworter dieser Aufgabenverlagerung schlagen insbesondere auch einen Ausbau des Instituts der Stadt mit eigenem Statut, beziehungsweise die Schaffung eines Modells einer Region oder eines Gemeindeverbandes mit eigenem Statut vor. Weitgehender Konsens besteht im Ausschuss hingegen darüber, dass die Instrumente der interkommunalen Kooperation, also der Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden ausgebaut werden sollten, und zwar sowohl was die Gemeindeverbände anlangt, als auch was Vereinbarungen zwischen den Gemeinden betrifft, sei es, dass die Gemeinden in das Regime des Artikel 15a B-VG einbezogen werden, sei es, dass ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, sonstige öffentlich rechtliche Verträge abzuschließen. Hinweisen möchte ich an dieser Stelle auch darauf, dass mit dem von mir erwähnten Ergänzungsbericht, der Anfang Oktober dem Präsidium des Österreich-Konvents vorgelegt wurde, zwei Textvorschläge für eine Neufassung der Bestimmungen der Verfassung über die Gemeinden vorgelegt wurden, zwei Textvorschläge, die insbesondere eine Reduktion und eine systematische Verbesserung der die Gemeinden betreffenden Bestimmungen der Verfassung bedeuten würden.

Abschließend noch ein paar Hinweise zu Fragen, die sich mit dem Verhältnis von Exekutive und Legislative beschäftigen. Zum Legalitätsprinzip besteht Einvernehmen im Ausschuss darüber, dass in Österreich, verglichen mit anderen Staaten, die Gesetze tendenziell zu kasuistisch formuliert sind, zu viele Detailregelungen enthalten und daher umfangreicher sind, als sie eigentlich sein müssten. Kontroversiell  wird allerdings im Ausschuss die Frage beurteilt, worin die Ursachen für dieses Phänomen liegen. Manche Ausschussmitglieder sind der Meinung, dass eine Änderung des Artikels 18 Absatz 1 B-VG, betreffend das Legalitätsprinzip, eine Lösung für diese Probleme bedeuten könnte. Unterschiedlich sind auch die Meinungen im Ausschuss zur Frage, ob die innerstaatliche Umsetzung von EU-Richtlinien durch Verordnung ermöglicht werden soll. Eine Reihe von Mitgliedern lehnt eine derartige Änderung des B-VG ab. Sie sprechen sich aus grundsätzlichen demokratiepolitischen Erwägungen für die Beibehaltung des Parlamentsvorbehalts aus, der das derzeitige verfassungsrechtliche Regime bestimmt. Andere Ausschussmitglieder treten dagegen für eine vereinfachte Übernahme von EU-Richtlinien durch Verordnung ein. Sie argumentieren im Besonderen damit, dass die Zahl dieser Regelungen in Österreich weitaus höher ist als in anderen Ländern.

Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend noch darauf hinweisen, dass der Ausschuss in den beiden von mir genannten Berichten sämtliche der an ihn herangetragenen Fragen behandelt hat. Auch wenn in einer Reihe von Punkten kein Konsens im Ausschuss erzielt werden konnte, so mindert das meines Erachtens nicht den Wert der Ausschussarbeit, und zwar deshalb nicht, weil der Ausschuss damit das getan hat, was von ihm erwartet werden konnte, nämlich "das Terrain zu sondieren", also herauszuarbeiten, in welchen Punkten Reformbedarf besteht und welche Reformoptionen für eine derartige Neuregelung bestehen. Das alles könnte die Basis für einen verfassungspolitischen Kompromiss legen, der freilich nicht in den Ausschussberatungen gefunden werden kann. Dazu bedarf es vielmehr einer Gesamtschau der Ergebnisse in allen Ausschüssen, das kann daher nur insgesamt im Konvent geleistet werden.

Erlauben Sie mir abschließend noch, mich bei den Mitgliedern des Ausschusses für die Mitarbeit zu bedanken, für das Engagement und für die Bereitschaft zur sachlichen Diskussion. Dieses Engagement hat es ermöglicht, die an uns herangetragenen Fragen rasch zu behandeln und einen Bericht darüber zu erstatten. Ebenso möchte ich mich nochmals bei der tatkräftigen Unterstützung seitens des Büros des Österreich-Konvents bedanken.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke auch, Herr Professor, für die Ausführungen und darf Sie ersuchen, diesen Dank einerseits persönlich in Ihrer Funktion als Vorsitzender entgegenzunehmen und darüber hinaus auch den Mitgliedern des Ausschusses weiterzuleiten.

Wir kommen nun zur Diskussion über das Referat des Vorsitzenden des Ausschusses 3, und ich darf als Erstem Herrn Bundesrat Hösele dazu das Wort erteilen. Bitte sehr, Herr Bundesrat.

Herwig Hösele: Herr Vorsitzender, werte Frau Präsidentin, Damen und Herren!

An die Spitze möchte ich auch den Dank an unseren Ausschussvorsitzenden, den Professor Holzinger, und seiner tatkräftigen und kompetenten Crew mit dem Dr. Mayr an der Spitze stellen. Es hat eine außerordentlich konziliante Atmosphäre der Beratungen geherrscht, die aber gleichzeitig sehr ergebnisorientiert und effizient war, und das war sehr angenehmen.

Ich möchte mich auf einige wenige Punkte beschränken, die im Ergänzungsmandat des Präsidiums sozusagen im Herbst zu behandeln waren. Das ist erstens die Frage gewesen, besteht hinsichtlich der Regelung über die Bundeshauptstadt, so über den Sitz der Obersten Organe Änderungsbedarf? Wir waren natürlich in dieser Meinung nicht einhellig. Es ist aber im Bericht festgehalten, dass, auch wenn es außer Streit steht, dass alle Obersten Organe mit Ausnahme des Bundesrates, dem ich angehöre, selbstverständlich in der Bundeshauptstadt beheimatet sein sollen, beim Bundesrat eventuell eine flexiblere Möglichkeit angesehen werden sollte, dass bei all dieser Richtigkeit und Feststellung die ausdrückliche bundesverfassungsgesetzliche Festlegung des Sitzes der Obersten Organe auch dazu beitragen kann, dass neu geschaffene weisungsfreie Sonderbehörden in aller Regel in Wien angesiedelt werden. Das ist eine Sache, die natürlich aus der Sicht verschiedener Bundesländer, wahrscheinlich aller Bundesländer, nicht befriedigend ist, noch dazu, wenn wir uns vor Augen halten, dass in der Schweiz, in der Bundesrepublik Deutschland und in den USA, um drei Bundesstaaten zu nennen, die durchaus unterschiedlicher Größenordnung, aber teilweise - so wie die Schweiz - flächenmäßig und einwohnermäßig mit uns vergleichbar sind, es durchaus einen Polyzentrismus gibt und nicht unbedingt alles in der Bundeshauptstadt angesiedelt werden muss, was, wie ich glaube, auch deswegen sehr wichtig ist, weil eine gesamtösterreichische Perspektive eine weitere sein sollte und oft der Standort den Standpunkt bestimmt, und da würden wir, glaube ich, eine weitere Perspektive für sehr positiv halten können.

Zweiter Fall: es ist uns aufgetragen worden, einen Textvorschlag für eine mögliche Briefwahl vorzulegen, es gibt auch hier natürlich logischerweise jenen Dissens, den der Herr Vorsitzende angesprochen hat, ein wenig hab’ ich es bedauert, dass nicht die neuen technischen Mittel, die möglicherweise in den nächsten Jahren verstärkt, wenn es sozusagen im Sinne der anderen Wahlrechtsgrundsätze möglich ist, nicht miteinbezogen wurden. Ich möchte dafür noch einmal plädieren, dass man neben der Briefwahlmöglichkeit auch die Möglichkeit eines ausgereiften E-Voting zumindest als Möglichkeit ins Auge fassen sollte, damit man nicht in den nächsten Jahren in einem so zentralen Grundsatz möglicherweise wieder zu einer Novellierung kommen sollte oder müsste. Ich glaube, dass man mit der Distanzwahl unter die ich dieses Ganze stellen möchte, einerseits der zunehmenden Mobilität der jüngeren, aber auch den Bedürfnissen weniger mobiler älterer Mitbürger nahe kommen könnte, näher kommen könnte. Und ich meine, dass gerade auch die - es ist kein Patentrezept und schon gar kein Allheilmittel gegen sinkende Wahlbeteiligungen, aber es ist ein Angebot an den Bürger und an Wählerin und Wähler, dass man dem nachkommen sollte, ich glaub’ es sollten uns auch die entsprechenden Wahlbeteiligungen der letzten Landtagswahlen und der EU-Wahl einen Punkt zu denken geben.

Dritter Punkt: Im Sinne der Kontinuität der Arbeit an staatspolitisch notwendigen Reformwerken, ohne Rücksicht auf allzu kurzfristige Wahltermine, eine Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre ist auch ein Auftrag der Überlegungen seitens des Präsidiums gewesen, wofür ich sehr eintreten würde.

Als Allerletztes möchte ich ganz kurz auch noch ansprechen, was der Herr Vorsitzende gesagt hat, in den Arbeitskreisen kann man natürlich nur die einzelnen Themen abhandeln, es geht um eine verfassungspolitische Gesamtschau, das ist die Aufgabe des Konvents, des Präsidiums und des Plenums und ich würde sehr dafür plädieren und bitten - und das ist ja auch weitgehend zum Ausdruck gebracht worden -, dass man den Zeitdruck und Erwartungsdruck wirklich auch gut erfüllt, indem man bis Ende des Jahres eine Gesamtschau hat. Und es alles in der Politik und insgesamt im Leben ein Kompromiss in einer Demokratie. Und ich hoffe auf einen guten und tragfähigen Kompromiss.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner (übernimmt den Vorsitz): Danke. Nächster Redner ist der Herr Abgeordnete Konecny. -  Bitte.

Albrecht Konecny: Ich weiß nicht, ob ich das jetzt als Aufwertung betrachten soll im Sinn der Eigenständigkeit des Bundesrates?  Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren!

Auch ich möchte mich primär mit den Aspekten, die im Zusammenhang mit dem Wahlrecht hier diskutiert und referiert wurden, auseinander setzen und dabei drei Gesichtspunkte in den Mittelpunkt stellen.

Das eine ist, dass die gegenwärtige Regelung eben auf die Bürgerzahl abstellt. Eine klare Willenskundgebung, wenn man will, dass stellvertretend in einem entsprechenden Verhältnis, jene unter den Bürgern, die nicht wahlberechtigt sind, nicht bei der Stimme, aber bei der Mandatszuordnung die Möglichkeit haben, mit zu wählen. Es gibt die andere Auffassung zu sagen, wir gehen von der Bevölkerungszahl aus, das ist natürlich der weiter genommene Begriff, der auch jene Menschen, in dieser sehr sehr um viele Ecken indirekten Vertretung mit einbeziehen würde, die nicht über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügen. Aber wenn wir das nicht wollen, dann ist es eine logische Konsequenz zu sagen, wenn wir Wähler haben, dann soll die Zahl dieser Wähler auch dafür ausschlaggebend sein, wie Mandate zugeordnet werden. Und ich glaube, das ist in Wirklichkeit ein Kompromiss in sich, der logische und konsequente Ansatz, vor allem auch deshalb, weil hier dem Element der Unmittelbarkeit, also der Eigenvertretung durch die Stimmabgabe am konsequentesten zum Durchbruch verholfen wird.

Das Zweite ist: Da wir natürlich in einer dynamischen Gesellschaft leben, sowohl was den Kreis der Wahlberechtigten anlagt, als auch, was die Form der Wahlrechtsausübung anlangt, ist durchaus über den Ist-Zustand und die bisher gemachten Erfahrungen hinaus zu denken. Wir kennen die Diskussionen - und ich will da gar nicht ins Detail gehen - über die Senkung des Wahlalters. Wir kennen die Diskussionen über ein vielleicht am Anfang limitiertes Ausländerwahlrecht. Diskussionen darüber, in welcher Form Menschen, die in unserem Land leben, aber nicht über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügen, am demokratischen Entscheidungsprozess teilnehmen. Und wenn man, und auch das kam ja in dem Bericht zum Ausdruck, sich im Verfassungstext selbst auf Grundsätze beschränken will und jene vielfältigen Detailregelungen, die beispielsweise zum „Wahlrecht heute“ im Verfassungstext enthalten sind, auslagern will, und nur Wahlrechtsgrundsätze dort festschreibt, dann sollten diese Wahlrechtsgrundsätze, sei es auch in einzelnen Bundesländern, solche weiter reichenden Entwicklungen nicht unmöglich machen.

Das gilt sicherlich auch für die Ausübung des Wahlrechtes. Die Diskussion um die Briefwahl ist alt, und sie ist lange geführt, und es gibt viele Pros und es gibt viele Kontras. Aber es ist natürlich eines richtig, dass wir im Bereich der Nationalratswahl - und auch natürlich der Bundespräsidentenwahl - für Auslandsösterreicher eine Möglichkeit der Stimmabgabe gefunden haben, die de facto eine Briefwahl ist und die allerdings auf einen besonderen Tatbestand abstellt, nämlich auf die Nichtanwesenheit im Bundesgebiet.

Es ist ein berechtigtes und verständliches Anliegen der Länder, das nun unter dem selben Gesichtspunkt für ihre Wahlen zu betrachten. Was ist mit jenen Wahlberechtigten - nehmen wir das zuletzt wählende Bundesland Vorarlberg -, die zum Zeitpunkt des Wahlganges nicht im Landesgebiet anwesend sind? Ich würde mich sehr dezidiert dafür aussprechen, zumindest in diesem Fall, der dem Auslandswahlrecht der Österreicher sehr ähnlich ist, das ernsthaft zu überlegen.

Zuletzt: Ich meine, es ist gut, diese Dinge sehr, sehr gründlich zu überlegen und gegeneinander abzuwägen, und ich halte es für wenig hilfreich, die Diskussion in der Öffentlichkeit auf Kurzformeln zu reduzieren. Die Frage der Legislaturperiode des Nationalrates ist am Kontext dieser demokratiepolitischen Fragen sicherlich die, die im Ausschuss am wenigsten diskutiert wurde und die sich Schlagzeilen nicht wirklich verdient hat.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke. Der nächste Redner ist der Zweite Landtagspräsident Mag. Neureiter.

MMag. Michael Neureiter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Der heutige Tag ist ein guter Beweis dafür, dass nicht nur die Ausschüsse, sondern auch der Konvent insgesamt intensiv und gut gearbeitet haben und Klärungen gebracht haben oder zumindest geklärt haben, wo es Differenzen und Dissense gibt, das gilt auch für die Ergänzungsmandate. Ich habe im Ausschuss 3 die Ergänzungsmandatsbesprechungen und Zusammenkünfte miterleben dürfen und wenn wir gerade bei der Bewegung sind, die im Konvent nach wie vor vorhanden ist: Die Bewegung, die Sie heute hinter sich gebracht haben, indem Sie in dieses Haus gekommen sind, ist wichtig. Gerade deswegen, weil heute die Beteiligung besonders schlecht ist, wenn ich das als jemand, der aus der Provinz angereist ist, sagen darf.

Ich möchte auf drei Dinge des Ausschussberichtes 3 von Professor Holzinger zu reden kommen, die zum Teil schon angesprochen sind. Noch nicht angesprochen ist das eine Anliegen der - von vielen betriebenen - reinen Verhältniswahl. Ich möchte darauf hinweisen, dass die reine Verhältniswahl in einer extremen Ausformung auch dazu führen kann, dass die Wahlkreise insgesamt verloren gehen, und wir haben schon die Gefahr und die Angst, dass sich eine noch stärkere Wien-Zentrierung unserer Bundespolitik einstellen könnte, dass die Länderbindung beim Verlust von Wahlkreisen verloren ginge, dass auch der Verlust der Verortung des Wahl- und Auszählungsgeschehens in den Gemeinden und in den Bezirken und in den Ländern gegeben wäre: Also, ein deutliches „Nein“ zu einer extremen Durchsetzung eines radikalen Proporzwahlmodells!

Das Zweite, was ich ansprechen möchte, ist die Briefwahl. Ich habe auch vom Kollegen Konecny jetzt gehört, dass die Bewegung, die ich schon angesprochen habe, offensichtlich auch der Fall ist. Wir haben bei der Briefwahl erfreulicherweise in den letzten Monaten ein Stück Entwicklung auch erleben dürfen. Dass wenigstens der Ausnahmefall geregelt wird, ist schon ein Hoffnungsschimmer für die, die die Briefwahl auch auf Grund der Erfahrungen in den Arbeiterkammern und so weiter für zweckmäßig und zeitgemäß halten.

Drittes Element: Hösele hat darauf hingewiesen, dass ihm das Fehlen des E-Votings und seiner Grundlagen und seiner Perspektive aufgefallen ist. Ich möchte dazu sagen, dass ich den Eindruck habe, dass es in den wenigen Monaten seit dem Ergänzungsmandat des Präsidiums an den Ausschuss 3 auch hier schon eine Entwicklung gegeben hat, und dass es hoffentlich noch gelingen wird, die elektronische Stimmabgabe und neue Möglichkeiten der demokratischen Beteiligung auch umzusetzen. Das muss in Zeiten wie diesen und in dieser technischen Entwicklung heute möglich sein.

Ich komme zum Schluss. „Endphase“ ist das Lieblingswort oder ist das Wort des Tages heute, „Scheitern“ war das Lieblingswort vieler Medien in den letzten Wochen. Präsident Leitl hat die Chance des Gelingens angesprochen, ich möchte zur Chance des Gelingens schon auch orten, dass es inzwischen erfreulicherweise mehr zum Gelingen kommen dürfte, wenn man daran denkt, dass diejenigen gewichtigen Stimmen verstummt sind, die noch vor zwei Jahren beispielsweise die Abschaffung der Gesetzgebungskompetenz der Landtage gefordert haben.

Frau Präsidentin! Ich habe noch ein Zitat zum Schluss. Es stammt aus dem Buch der Sprichwörter, ist aus dem 3. Jahrhundert von Christus, und lautet - und ist ein Rezept für den Österreich-Konvent-: „Wo es an Beratung fehlt, da scheitern die Pläne. Wo viele Ratgeber sind, gibt es Erfolg.“ Dem Konvent fehlt es nicht an Beratung, der Konvent hat viele Ratgeber, der Erfolg ist zu erhoffen und absehbar.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke für diese Einschätzung. Herr Dipl.-Kfm. Pramböck, Sie sprechen zu diesem Arbeitskreis. - Bitte, ich darf Ihnen das Wort erteilen.

Dipl.-Kfm. Erich Pramböck: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Geschätzte Damen und Herren!

Ich darf seitens der Städte und der Gemeinden ganz herzlich danken dem Vorsitzenden und den Mitgliedern in diesem Ausschuss 3, es war eine hervorragende Diskussion und ich glaube, dass wir einige sehr wichtige Entscheidungen und Vorbereitungen treffen konnten. Bezüglich der Gemeinden möchte ich sagen, ich glaube, der Neuerungsbedarf ist nicht ganz so groß wie in dem einen oder anderen Fall, immerhin ist das Gemeindeverfassungsrecht erst 42 Jahre alt. Wir haben vor zwei Jahren hier in diesem Haus 40 Jahre Gemeindeverfassungsnovelle gefeiert, im wahrsten Sinn des Wortes, weil nämlich diese Gemeindeverfassungsnovelle den Städten und Gemeinden bereits eine Fülle von Rechten und von organisatorischen und sonstigen Freiheiten eingeräumt hat. Es sind deshalb die österreichischen Städte und Gemeinden relativ flexibel. Ich glaube, man kann es nicht oft genug betonen, wie wichtig das ist, in einem größeren Europa, in dem wir uns dem Wettbewerb stellen, in dem Effizienz ein ganz wichtiges Prinzip sein wird, aber auch Bürgernähe gleichzeitig, dass diese Gebietskörperschaften, die dem Bürger doch am nächsten sind, die eine Fülle von Leistungen für den Bürger erbringen oder organisieren, auch über die entsprechenden Instrumente verfügen.

Alle unsere Umfragen zeigen, dass wir bezüglich Effizienz und Bürgernähe und auch als Entwicklungsmotoren die Städte, nämlich durch die Bereitstellung von Infrastruktur und Dienstleistungen, dem Bürger ausgesprochen wertvoll sind. Und unter diesem Gesichtspunkt haben der Städtebund und die Gemeinden Vorschläge eingebracht, die ich Sie bitte, auch entsprechend zu würdigen, und die hier schon dargestellt wurden.

Ich glaube, es sind vier Hauptpunkte, um die sich unsere Vorschläge gruppieren. Das ist mehr Effizienz für die Gemeinden durch die Ermöglichung und Erleichterung der interkommunalen Zusammenarbeit über das bestehende Instrument - etwa der Gemeindeverbände - hinausgehend, auch über die Bezirksgrenzen hinausgehend und auch über die Landesgrenzen hinausgehend. Ein größeres Europa verlangt nun einmal größere und aktive Einheiten.

Der zweite Punkt ist auch die Durchlässigkeit, wer Leistungen erbringt. Wir brauchen nicht immer eine starre Kompetenzabgrenzung, sondern es genügt sehr häufig, wenn wir eine vertikale Flexibilisierung ebenfalls erlauben. Von Kleingemeinden existieren sie zu Bezirksverwaltungsbehörden; warum kann auch dieser Prozess nicht umgedreht werden, dass Städte für bestimmte Leistungen optieren, von der Bezirksverwaltungsebene herunter, um dem Bürger näher zu sein.

Dazu zählen eben auch die Gemeindeverbände, auch eine Demokratisierung der Gemeindeverbände, um hier möglichst bürgernahe Entscheidungen zu treffen, bis hin allenfalls auch zu den bereits erwähnten Regionen mit eigenem Statut.

Und letztlich erscheint es uns auch sinnvoll, dass das Instrument der Statutarstadt überdacht wird, ein Rechtsanspruch auf die Statutarstädte über 20 000 Einwohner. Derzeit besteht die Möglichkeit - beziehungsweise die Möglichkeit für Statutarstädte -, ab 10 000 Einwohnern bereits also diesen Status zu erhalten.

Wenn wir betrachten jene Zeit, in der die Statutarstädte eingeführt wurden, gab es eine gewisse Qualität der Ausstattung an Personal und Finanzen. Die letzten 40, 50 Jahre haben wesentliche Zugewinne in qualitativer Hinsicht in Personal und in der finanziellen Qualifikation gebracht. Ich glaube, es wäre denkbar und durchaus sinnvoll, diese Einwohnergrenze auf 10 000 abzusenken.

Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas sagen, was uns sehr am Herzen liegt: Es ist die Frage der Daseinsvorsorge.

Die Bürger rechnen damit, dass Leistungen der Daseinsvorsorge, beginnend von den Kindergärten über Schulen bis zu Altenpflege und Betreuungseinrichtungen vorhanden sind, und zwar verlässlich vorhanden sind. Und gerade um diese Verlässlichkeit geht es. Das heißt: Die klare Zuordnung der Daseinsvorsorge auch als Staatsziel, damit dieses Staatsziel und die Daseinsvorsorge auch eine normative Kraft erhält. Deshalb unser Votum: Nicht nur in einer Präambel, sondern als klares Staatsziel. Vielen herzlichen Dank.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächster Redner ist Herr Dr. Stürzenbecher. - Bitte, Herr Abgeordneter.

Dr. Kurt Stürzenbecher: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Vorsitzende!

Ich habe mich spontan zu einem kurzen Punkt zu Wort gemeldet, weil beim Kollegen Konecny schon das Licht geleuchtet hat, und er fairerweise aufgehört hat und diesen nicht im Zentrum unserer Diskussion stehenden Punkt nicht mehr erörtern konnte, und zwar war das die vom Kollegen Hösele geforderte Verlagerung von obersten Bundesstellen in andere Bundesländer, weg von Wien. Und damit nicht das Prinzip „Quis tacet consentire videtur“ Platz greift - was ja an sich nicht im Konvent festgelegt ist - also „wer schweigt, stimmt zu“ sage ich einige Worte ganz kurz dazu.

Also, erstens würde das natürlich eine Kostenvermehrung bedeuten. Und wenn wir schon in einer neuen Verfassung ja an sich dort, wo es geht und sachlich gerechtfertigt ist, einsparen wollen, dann wäre das in die gegenteilige Richtung.

Zweitens: In Deutschland sieht man, dass das logistische Schwierigkeiten in hohem Ausmaß mit sich bringt: Teilweise haben sie die Organe in Bonn, teilweise in Berlin. Das ist dort historisch verständlich. Um überhaupt eine Mehrheit für Berlin zu bekommen, hat man quasi diesen Kompromiss gemacht, und es war ja schließlich vorher Bonn die Hauptstadt. Aber jetzt leidet man sehr darunter und versucht es teilweise mit Videokonferenzen und sonstigen neuen technischen Möglichkeiten. Aber trotzdem bringt es große logistische Schwierigkeiten.

Drittens meine ich, Österreich ist nicht so groß, dass hier ein großes Bedürfnis besteht, und ich weiß auch nicht, ob der Verfassungsgerichtshof so glücklich wäre, wenn er nach Gramatneusiedl übersiedeln müsste - ohne dass ich  gegen Gramatneusiedl etwas sage, das ist ein wunderbarer Ort.

Also, ich finde, hier haben wir keinen Änderungsbedarf. Danke schön.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke sehr. Ich schließe dazu die Diskussion zum Arbeitsausschuss 3.

Dr. Fiedler hat in der Früh angekündigt, dass wir den Arbeitsausschuss 10 einschieben. Und ich darf jetzt den Vorsitzenden, Herrn Bundesminister Dr. Straßer, um seinen Bericht bitten.

Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zuerst möchte ich mich bedanken für Ihr Verständnis, dass ich jetzt kurz Bericht erstatten darf. Ich werde mich bemühen, das in gebotener Kürze zu machen, um etwas Zeit für Sie zu sparen. Am 27. August hat Kollege Vögele, der Vizevorsitzende, hier im Plenum berichtet. Wir wurden ja als der zehnte Arbeitskreis - ich glaube, mit gutem Grund - vom Präsidium beauftragt, später zu beginnen. Wir haben das in acht Sitzungen gemacht, und die Ergebnisse haben Sie in dem Bericht, den wir am 21. Juli veröffentlicht haben, gesehen.

In Kurzform noch einmal zusammengefasst: Die Vereinfachung der Finanzverfassung, die Inkorporierung in die Bundesverfassung, eine einheitliche Abgabenordnung, die Globalbudgetierung und die Steuerhoheit - zumindest die Möglichkeit, dass Länder hoheitlich über ihre Steuern oder über Steuern verfügen - das ist ein erstes Ergebnis. Es gibt eine ganze Reihe von offenen Punkten, wie insbesondere die rechtlichen Instrumentarien für den Finanzausgleich, den Stabilitätspakt und den Konsultationsmechanismus, wobei wir als ein ganz entscheidendes Ziel die Zusammenführung der Aufgaben und Ausgabenverantwortung auch aus anderen Arbeitskreisen mitgenommen haben.

Wie wollen wir weiter vorgehen? Übermorgen, am 20. Oktober, findet die nächste Sitzung des Ausschusses 10 statt. Wir haben insgesamt vier Termine bis inklusive 30. November voravisiert. In diesen vier Terminen wollen wir abarbeiten die Neugestaltung des Haushaltswesens, die Textierung des Grundsatzes der Parität und des Verhandlungsgebotes. Wir wollen Einigung über die Inhalte und Textierung des Prinzips des ausgeglichenen Haushalts und des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bringen. Die Gestaltung der Rahmenbedingungen des Finanzausgleichs und die Gestaltung der Rahmenbedingungen für den Stabilitätspakt und den Konsultationsmechanismus sind weitere Punkte, wo wir hoffen, im Großen gemeinsame Vorgangsweisen zu erzielen.

Ich möchte abschließend danken - nicht nur dem stellvertretenden Vorsitzenden, auch den Mitgliedern des Ausschusses, dem Konventsbüro und den Experten, die wir beigezogen haben und die zu einem sehr, sehr großen Teil unbezahlte, gute Arbeit für den Ausschuss geliefert haben. Danke schön.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke sehr. Erster Redner zum Ausschuss 10 ist Herr Diplomkaufmann Pramböck. - Bitte.

Dipl.-Kfm. Erich Pramböck: Nochmals: Geschätzte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich möchte mich auch für die gute Kooperation bedanken. Der Ausschuss 10 war bei aller Schwierigkeit der Materie ein hervorragendes Beratungsgremium. Ich danke Herrn Bundesminister und seinem Stellvertreter Vögele sehr aufrichtig für diese gute Kooperation und für die offene Aussprache, die wir geführt haben.

Ich möchte also sagen, dass die Städte und Gemeinden die gesamtwirtschaftlichen Ziele des Staates bisher unterstützt haben und auch unterstützen: Wachstum, Standortqualität für die Infrastruktur, Lebensqualität der Bevölkerung, aber auch die Stabilität der öffentlichen Haushalte.

Wir stellen aber fest, dass der Bund derzeit ein absolutes Übergewicht hat, wenn es darum geht, die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu regeln. Er hat ein solches Übergewicht, dass wir unter manchen dieser Regelungen ausgesprochen leiden.

Das Ziel der Vorschläge war deshalb aus der Sicht der Städte und Gemeinden, dass wir mehr Parität in die Festlegung der finanziellen Beziehungen hineinbringen, damit jede Ebene der Gebietskörperschaft ihre Aufgaben auch erfüllen kann, von denen es die Bevölkerung erwartet, aber auch die Wirtschaft, um entsprechende Infrastruktur zu bieten.

Und wir haben deshalb also auch Vorschläge eingebracht und wir werden sie ja noch weiter diskutieren, Alternativen für die Festlegung des Finanzausgleiches, wenn es zu keiner Einigung in den Finanzausgleichsverhandlungen kommt, eine stärkere Verankerung der Verpflichtung des Bundes, solche Verhandlungen zu führen. Ich gehe auch davon aus, dass es durchaus im Sinne des Hohen Hauses ist, dass dann auch das Parlament unter Umständen eine stärke Rolle zugeordnet bekommt, wenn es zu keiner solchen Einigung kommen sollte.

Wir sind auch der Auffassung, dass der Konsultationsmechanismus durchaus in die Finanzverfassung integriert werden kann, glauben aber, dass er derzeit noch Lücken hat, weil nämlich sehr kostspielige EU-Regelungen, denen die Bundesregierung in der EU-Ebene im Rat zustimmt, dann vom Konsultationsmechanismus ausgenommen sind, und wir als Ausführende auf der Städte- und Gemeindeebene darunter leiden, dass wir die Kosten tragen müssen, aber keinerlei Mitgestaltung beim europäischen Recht haben. Das heißt, europäisches Recht entsteht, die Kosten sind auf der ausführenden Ebene sehr oft von den Gemeinden und Städten zu tragen, aber wir haben im Konsultationsmechanismus beim Bund keinerlei Möglichkeit, keinerlei Transmissionsriemen zwischen Gesetzgebung einerseits, Neuregelungen andererseits, um Finanzen eine Beziehung herzustellen.

Das wirkt sich dann aus im so genannten Stabilitätspakt, und ich möchte also darauf hinweisen, dass wir vor einigen Jahren einen solchen Stabilitätspakt durchaus geschlossen haben auf freiwilliger Basis, weil wir uns zum stabilitätspolitischen Ziel bekannt haben. Es wird nicht notwendig sein, dass etwa die Grundzüge des Stabilitätspakts in der Verfassung enthalten sind und auf der anderen Seite die Detailregelung, die der Bund allein erlässt. Das bisherige Prozedere, gemeinsame Festlegung der Regelungen im Stabilitätspakt, erscheint uns ausreichend und sehr, sehr zielführend und ist ein Hinweis auf die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.

Ein letzter Punkt ist noch, dass die Gemeinden und Städte durch die Transferbeziehungen, durch die Möglichkeit der Länder, Umlagenzahlungen von den Gemeinden einzuheben, sehr große Gestaltungskraft besitzen - im Hinblick also auf die Budgets, auf die Budgets der Gemeinden einerseits als Zahler solcher Transferzahlungen und auch auf ihre eigenen Budgets. Und im Sinne der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der Städte und Gemeinden erscheint es wohl zweckmäßig, auch diese Transferbeziehungen zwischen Ländern und Gemeinden einer Neuregelung zuzuführen und zu diskutieren. Vielen herzlichen Dank.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächster Redner ist der Herr Bundesrat Hösele. - Bitte.

Herwig Hösele: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren!

Nur eine ganz kurz Anmerkung. Es war außerordentlich wichtig, die Darstellung der Grundsätze durch den Herrn Bundesminister im Sinne größerer Transparenz und der Partnerschaftlichkeit der Finanzausgleichspartner, und da kann ich durchaus anschließen an den Herrn Generalsekretär Pramböck, dass natürlich aus der Sicht der Länder auch eine ganz ähnliche Problemlage im Zusammenhang, im Zusammenwirken, mit dem Bund, mit den Gemeinden und Ländern beim Finanzausgleich besteht.

Ein Desiderat, das ich ganz allgemein anführen wollte, ist - und das wahrscheinlich auch nicht ganz leicht und vor allem nicht jetzt sofort erreichbar sein wird -  aber längerfristig, ich habe den Eindruck, und das ist ja mehrfach auch in die Diskussionen der letzten Monate gebracht worden, dass der Finanzausgleich insgesamt eine für den Bürger nicht sehr transparente geheimwissenschaftliche Methode sein könnte. Die Überlegung einheitlicher Sätze, womit dann auch nicht die Diskussion darüber herrscht, wer von welcher Steuersenkung oder Steuererhöhung der Hauptprofiteur sein könnte, würde in diesem Zusammenhang ‑ ich habe, ich glaube, auch der Landesrat Sobotka hat ähnliche Vorschläge geäußert - würde in diesem Zusammenhang, glaube ich, eine sehr nützliche Diskussionsgrundlage anbieten wollen, weil das, glaube ich, auch im Sinne der Partnerschaft und der Fairness und möglicher Schuldzuweisungen, die man ja eigentlich nicht geben sollte, eine echte Transparenz bringen würde.

Als Letztes möchte ich noch anmerken, dass die Länder und natürlich auch die Gemeinden - wir bekennen uns zum Stabilitätspakt - einen sehr großen Beitrag geleistet haben zur innerstaatlichen Stabilität in den letzten Jahren mit dem Überschuss von 0,75 Prozent, der sicher in den nächsten Jahren in der Form nicht erreichbar sein wird, und da würde ich auch zu bedenken geben, dass es unterschiedliche strukturelle Voraussetzungen für die Länder auch untereinander gibt.

Und da komme ich zum allerletzten Punkt: Es ist die theoretische Möglichkeit der Steuerhoheit. Das klingt auch so verlockend und so schön, dass das also die anderen Gebiete, dass nicht nur Bund, sondern auch die Länder und die Gemeinden verstärkt Steuern einheben sollen. Ich bin mir nicht sicher, das könnte vielleicht im Schlussbaustein einer großen Föderalismusdiskussion interessant sein, aber insgesamt würde ich meinen: Das klingt sehr schön, hat aber im Zusammenhang, wenn ich einen einheitlichen Wirtschaftsraum haben möchte, einen großen Pferdefuß, und ich darf aus einer gemeinsamen Studie Felderer, Frisch und Kramer, also Staatsschuldenausschuss, WIFO und IHS-Studien zitieren. Natürlich kann nach Möglichkeiten gesucht werden, den Ländern mehr Steuergestaltungsmöglichkeiten zu verschaffen, aber der Preis dürfte ein Zunehmen der regionalen Disparitäten sein.

In diesem Sinne, glaube ich, ist wichtig, eine Ausgaben- und Aufgabenverantwortung zu haben und einen Wettbewerb in vielen anderen Bereichen, aber das wäre an sich, glaube ich, im Sinne auch einer Harmonisierung, die sonst überall angestrebt wird, der falsche Weg bei den Steuern. - Danke.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke sehr. Damit ist der Ausschuss 10 auch schon wieder geschlossen. Ich bedanke mich beim Herrn Bundesminister und den beiden Herren für ihre Berichte beziehungsweise Wortmeldungen dazu.

Wir diskutieren und hören nun die Ergebnisse des Ausschusses 4. Ich darf Herrn Prof. Dr. Funk um seinen Bericht bitten.

Dr. Bernd-Christian Funk: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Ausschuss 4 hat vor der Sommerpause einen Zwischenbericht zum Stand der Beratungen über Vorschläge für einen neuen Grundrechtskatalog vorgelegt. Aus diesem Bericht geht hervor, dass der größte Teil der Eingriffsabwehrrechte bis zum Stand vor dem Sommer abgehandelt war. Weiters hat der Ausschuss eine generelle Strategie für leistungsstaatliche Gewährleistungen ausgearbeitet: Solche Garantien sollen nach Möglichkeit in Form von subjektiven Rechten – Stichwort: soziale Grundrechte als subjektive verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte – formuliert und nach Bedarf mit Ziel- und Aufgabenbestimmungen, Gewährleistungsaufträgen, gesetzlich vermittelten Rechten und institutionellen Garantien kombiniert werden.

Damit war der Fahrplan für den Herbst festgelegt. Offen waren einige wenige Eingriffsabwehrrechte, weiters die allgemeinen und speziellen Gleichbehandlungsgarantien, Verfahrensgrundrechte, leistungsstaatliche Gewährleistungen, politische Rechte, Fragen der Rechtsdurchsetzung und des Rechtsschutzes, die Frage des Umganges mit materiell grundrechtlichen Gewährleistungen, die entweder nicht in formellem Verfassungsrang stehen und/oder nicht unmittelbar anwendbar sind – hauptsächlich handelt es sich um Rechtsquellen völkerrechtlicher Herkunft – und zu guter Letzt eine Behandlung des Kataloges als Ganzes. Mengenmäßig war vor dem Sommer der größere Teil des Pensums noch offen.

Im Spätsommer haben wir im Ausschuss 4 mit den Gleichbehandlungsgarantien und Diskriminierungsverboten fortgesetzt. Behandelt wurden der allgemeine Gleichheitssatz, die Rechte von Volksgruppen, von behinderten und von älteren Menschen und die Rechte von Kindern. Über einige Vorschläge konnte Konsens erzielt werden.

Themenbedingt ist die Arbeit nach der Sommerpause zunehmend schwieriger und die Konsensbasis sukzessive dünner geworden. Die kognitiven und kommunikativen Probleme sind größer geworden. Das beginnt bei der Analyse der geltenden Verfassungsrechtslage und setzt sich bei den Entwicklungsperspektiven fort. Immer wieder waren Auffassungsunterschiede bei der Einschätzung des verfassungsrechtlichen status quo und seiner Probleme und erst recht bei der Beurteilung der Folgen allfälliger Änderungen zu verzeichnen. Höchst kontrovers waren schließlich die Positionen dort, wo es darum ging, konkrete Vorschläge zu erstellen. Hier stand und steht der Ausschuss immer wieder vor Differenzen in politisch-ideologischen Fragen und damit vor den Grenzen des Konsentierbaren.

Multipliziert werden die Schwierigkeiten der Konsensfindung durch operative Probleme: Einzelfragen können nicht losgelöst von allgemeinen Prinzipien, über die aber noch keine oder nur eine vorläufige Einigung besteht, analysiert und argumentativ aufgearbeitet werden. In allen Fragen, seien sie konkreter oder allgemeiner Art, spielt das juristische und politische Vorverständnis eine bestimmende Rolle sowohl für die Identifikation der Fragen als auch für Präferenzen zu ihrer Lösung. Schon das Feststellen und Aufarbeiten von Missverständnissen ist zumeist ein zeit- und diskursintensives Verfahren.

Nach den Gleichbehandlungsgarantien hat sich der Ausschuss nunmehr den sozialen Grundrechten zugewandt. Dazu liegen mehrere Gesamtvorschläge sowie Teilvorschläge vor. Gesamtvorschläge für einen kompletten Grundrechtskatalog haben das Sozialdemokratische Grundrechtsforum und Herr Professor Grabenwarter präsentiert. Teilvorschläge zu sozialen Grundrechten gibt es von Seiten der Ökumenischen Arbeitsgruppe, der Grünen und zuletzt der Sozialpartnerverbände Bundesarbeitskammer, Österreichischer Gewerkschaftsbund und Wirtschaftskammer Österreich.

Über die im Sozialpartnervorschlag unter anderem enthaltene Koalitions- und Unternehmensfreiheit sowie über das Verbot der Kinderarbeit wurde im Ausschuss diskutiert und zum Teil auch Einigung erzielt.

Kontrovers blieben die Positionen im Ausschuss bei der von den Sozialpartnern vorgeschlagenen Garantie zur existentiellen Mindestversorgung, die als subjektives Recht konzipiert ist. Verschiedentlich wird die Auffassung vertreten, dass ein solches Recht nur auf dem Umweg über gesetzliche Garantien eingeräumt werden kann oder soll. Dass es verfassungsrechtliche Gewährleistungen zur Sicherung existenzieller Mindestversorgung geben soll, ist im Wesentlichen unbestritten.

Das war der Stand der Beratungen am vergangenen Freitag. Der Dissens in der Frage: unmittelbar gewährleistetes oder gesetzesvermitteltes Recht? ist kartographiert worden. Für mich steht fest, dass es hier um einen zentralen Punkt geht, der für die weitere Behandlung von leistungsstaatlichen Garantien im Ausschuss von elementarer Bedeutung ist – man denke nur an die Bereiche Gesundheit und Umweltschutz oder Konsumentenschutz.

Es ist zu erwarten, dass die Menge und Dichte der Kontroversen in diesen fundamentalen Positionierungen in zunehmendem Maße stärker wird. Auch der Aufwand für die Feststellung von Differenzen und deren Folgen und für das Ausräumen von Missverständnissen wird größer werden. Damit dürfte auch der Zeitaufwand steigen.

Die Aussichten auf eine vollständige Erfüllung des Pensums des Ausschusses 4 haben sich nicht erhöht. Dennoch halte ich es für sinnvoll, wenn der Ausschuss sein Programm weiter verfolgt. Für die Bereitschaft und Fähigkeit, Fragen sinnvoll zu erörtern, die wegen ihrer weltanschaulichen Bezüge kontrovers bleiben, möchte ich mich bei den Mitgliedern des Ausschusses bedanken. Rationalisierter Dissens ist letztlich mehr wert als unausgeloteter und daher brüchiger Konsens.

Damit schließt sich der Kreis, den Kollege Brauneder mit der Metapher von vollen und leeren Händen angesprochen hat. An den Enden treffen sich die Dinge. – Danke schön.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke für den Bericht und für die Tätigkeit. Um Weiterarbeit bitten wir Sie auch.

Die Debatte eröffnet die Frau Mag. Hochhauser. - Bitte.

Mag. Anna-Maria Hochhauser: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es ist heute schon mehrfach angesprochen worden, dass ein zentraler Punkt in diesem Grundrechte-Ausschuss natürlich der Bereich der sozialen Grundrechte ist. Für uns als Wirtschaftskammer-Organisation - wir sind nicht im Ausschuss vertreten - war es aber wichtig, uns hier einzubringen, weil wir uns auch stark betroffen fühlen von diesem Bereich, und wir haben uns daher mit dem Sozialpartner Österreichischer Gewerkschaftsbund / Arbeiterkammer versucht abzustimmen und einen gemeinsamen Vorschlag erarbeitet.

Unsere Zielsetzungen waren, in diesem doch sehr breiten Komplex die Bereiche Arbeitsfrieden und soziale Sicherheit speziell anzusprechen, und wir haben uns daher auch darauf beschränkt. Ich darf ganz kurz unseren Vorschlag, den wir in den Ausschuss 4 jetzt gemeinsam eingebracht haben, skizzieren.

Ziel unseres Vorschlages war, die sozialen Grundrechte so in der Verfassung zu verankern, dass sie einerseits den Bedürfnissen des einzelnen Staatsbürgers gerecht werden und diese berücksichtigen, und andererseits aber auch der volkswirtschaftlichen Vernunft und den zukünftigen wirtschaftlichen Herausforderungen gerecht werden. Mit anderen Worten: Wir wollten die Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich und die Bedürfnisse des Einzelnen nach sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit in der Arbeitswelt im zukünftigen Grundrechtekatalog in Einklang gebracht wissen.

Neben der existenziellen Mindestversorgung für diejenigen, die nicht für sich selbst sorgen können und nicht über ausreichende Mittel verfügen, soll der Staat nach unserem Vorschlag das Recht auf soziale Sicherheit durch Einrichtung einer selbstverwalteten öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherung gewährleisten, die in besonderen Fällen wie beispielsweise Mutterschaft, Krankheit, Arbeitsunfall, geminderter Arbeitsunfähigkeit, im Alter und bei Arbeitslosigkeit eine angemessene Versorgung sicherstellt.

Auch soll der Staat eine angemessene Versorgung im Falle der Pflegebedürftigkeit gewährleisten. Jeder Mensch soll das Recht auf sichere, gesunde, würdige, gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen haben, die der Staat gewährleistet. Ebenfalls vorgesehen ist selbstverständlich ein Verbot der Kinderarbeit und ein Recht auf unentgeltliche Arbeitsvermittlung.

Neben dem derzeit bestehenden Grundrecht auf Erwerbs- und Berufsfreiheit soll nach dem Vorbild der Europäischen Grundrechtecharta auch die unternehmerische Freiheit besonders betont werden. Ein wichtiger Bereich ist für uns, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber das Recht haben sollen, sich freiwillig zur Vertretung ihrer Interessen zusammenzuschließen und Vereinigungen bilden zu können. Und diese Vereinigungen und die gesetzlich beruflichen Interessenvertretungen sollen im Rahmen ihrer Koalitionsfreiheit kollektive Maßnahmen zur Vertretung ihrer Interessen ergreifen können; jeder Unternehmer soll aber auch gegen solche Maßnahmen Abwehrmaßnahmen setzen können.

Zur besseren Durchsetzbarkeit von Grundrechten haben wir ebenfalls Vorschläge vorgelegt, wobei nach Abschluss eines Verfahrens vor einem Gericht zweiter Instanz das Recht bestehen soll, beim Verfassungsgerichtshof einen Subsidiarantrag auf Normprüfung zu stellen. In weiterer Folge soll unserer Meinung nach der Staat für den Fall von grundrechtswidrigem Unterlassen einstehen müssen. Eine Verbandsklage wird jedoch in Grundrechtsangelegenheiten von uns abgelehnt, und dem haben sich auch die Sozialpartner anschließen können.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben - wie heute schon mehrfach angesprochen wurde - versucht, einen geschlossenen Grundrechtekatalog, der im Einklang mit der Grundrechtecharta der künftigen EU-Verfassung steht, einzubringen, und wir haben, so meine ich, einen wesentlichen Beitrag für den Erfolg des Österreich-Konvents erbracht. Wir hoffen, dass wir mit unserem Vorschlag einen Beitrag zur Realisierung beider Ziele leisten können. - Danke.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächster Redner ist der Herr Präsident Verzetnitsch. – Bitte sehr.

Friedrich Verzetnitsch: Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 Ich könnte es mir jetzt leicht machen und einfach nur sagen, ich stimme dem zu, aber ich möchte sehr bewusst einige Ergänzungen dazu anbringen. Lassen Sie mich damit beginnen, dass ich vor allem Herrn Prof. Funk für seine umsichtige Vorsitzführung auch im Ausschuss 4 danke, weil ich glaube, Sie haben das richtigerweise angesprochen, es geht hier nicht nur um die Rechtsetzung, sondern auch um gesellschaftspolitische Vorstellungen, die hier versucht werden sollen, gemeinsam zu einem neuen Verfassungstext zusammenzubringen.

Im Ringen um eine neue Verfassung stand und steht sicherlich die Frage der Durchsetzbarkeit, der Vereinfachung aber auch der Reduzierung der Verfassungsartikel mit auf der Tagesordnung. Das darf aber aus unserer Sicht nicht dazu führen, dass gerade in den Fragen der bereits angesprochenen Grundrechte unterschiedliche Auffassungen und vor allem auch Behandlungen am Ende der Diskussion stehen.

Schon seit längerer Zeit, wie Sie wissen, wird über die Frage der sozialen Grundrechte in der Verfassung diskutiert. Unserer Auffassung nach reicht es nicht, hier grundsätzliche Bemerkungen aufzunehmen und die Ausformung dem Gesetzgeber zu überlassen. Ja, es gibt hier unterschiedliche Auffassungen, wir wollen soziale Grundrechte, die eine echte und vor allem auch subjektive Rechtsgarantie bieten und die den Gesetzgeber auch bindet.

Natürlich hat zu diesem Thema jede Seite ihre unterschiedlichen Auffassungen und Vorstellungen. Ich finde es aber wichtig, dass für die Menschen in unserem Lande hier vor allem zwischen den Sozialpartnern in dieser so wichtigen Frage es zur Schaffung eines gemeinsamen Vorschlages gekommen ist, und ich möchte allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den verschiedensten Institutionen dafür danken. Es ist keine leichte Aufgabe gewesen, aber ich glaube, dass es gelungen ist.

Es wurden die Schwerpunkte schon angesprochen, ob das die Koalitionsfreiheit, die unternehmerische Freiheit, die existenzielle Mindestversorgung, die soziale Sicherheit, die Arbeit im weitesten Sinne des Wortes ist, Kinderarbeit genau so angesprochen, oder die immer wieder wichtiger werdende Frage der Arbeitsvermittlung. Ich glaube, dass es hier im Bereich der sozialen Grundrechte der Arbeitswelt um richtige und wichtige Ansätze geht, und wir entsprechen mit der Aufnahme der sozialen Grundrechte aus meiner Sicht auch einer Entwicklung, die in ganz Europa feststellbar ist. Ich glaube, wir sollten dieses Thema bewusst nicht heraußen lassen, sondern eher bewusst aufnehmen.

Wenn der Herr Professor Funk davon gesprochen hat, dass die Gefahr einer Verdünnung des Konsenses entsteht, so glaube ich, zumindest wenn man veröffentlichte Meinungen, ob das vom Herrn Präsidenten Khol, von Klubobmann Molterer, von den Sozialpartnern im weitesten Sinne des Wortes ist, die sich hier auch klar und deutlich für die Aufnahme aussprechen, dann, glaube ich, steht am Ende eher eine Stärkung des Konsenses und nicht eine Verdünnung. Darum bitte ich vor allem. – Herzlichen Dank.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächste Rednerin ist die Frau Abgeordnete Mag. Stoisits.

Mag. Terezija Stoisits: Dobar dan, poštovane dame i gospodo! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wenn der Herr Vorsitzende Professor Funk davon spricht, dass es eine sukzessive Verdünnung der Konsensbasis im Ausschuss 4 gibt, dann sage ich Ihnen als ein Mitglied des Ausschusses 4, dass das eine sehr noble Umschreibung dessen ist, wie sich die Arbeit des Ausschusses 4 entwickelt hat. Denn er hat ihnen in seinen Ausführungen die Arbeit dargestellt und das Sich-immer-mehr-Entfernen von der konsensual beschlossenen Arbeitsmethode ist ein Indiz dafür.

Ich möchte jetzt die kurze Zeit nicht dafür verwenden, das noch einmal alles zu wiederholen. Aber das erste halbe Jahr ist relativ harmonisch abgelaufen, denn wenn es darum geht, Eingriffsabwehrrechte zu definieren, wenn wir darüber nicht Konsens erzielen, auf das, was schon bestehendes Verfassungsrecht ist, das nach den Gegebenheiten der europäischen Ebene jetzt zu normieren, dann brauchen wir uns nicht zusammensetzen. Aber jetzt, geht es mehr ums Eingemachte. Und ich rede jetzt nicht von den sozialen Grundrechten, sondern ich rede schon vom Vorfeld: Diskriminierungsverbote, Gleichbehandlungsgarantien, Behinderte, Kinderrechte, Volksgruppen, ältere Menschen.

Es gibt in keinem dieser Bereiche einen konsensualen Textvorschlag des Ausschusses 4. Konsensualer Textvorschlag heißt, ein Textvorschlag, dem alle Mitglieder oder Teilnehmer des Ausschusses zustimmen. Es gibt in all diesen Punkten, die eigentlich logisch erschienen, einen Konsens zu finden, unterschiedliche Textvorschläge und ich möchte nicht wiederholen, dass Professor Funk seine Feststellungen über die Gründe dafür, die letztendlich politisch-ideologische Fragen sind, mich hier weiter verbreiten, sondern sagen: Aus meiner Sicht - und das ist eine Vervollständigung meiner Wortmeldungen, die ich immer hatte - ist es völlig unvorstellbar, dass über einen neuen Grundrechtskatalog gesprochen wird. Jetzt immer Betonung auf „neu“ und „Katalog“, denn Grundrechte gibt es schon, aber wenn man einen neuen Grundrechtskatalog so versteht, dass man das modifiziert, was es schon gibt und quasi dann irgendwie in einer neuen Verfassung an einem anderen Platz positioniert: das ist weder innovativ, noch entspricht das dem Anspruch und den Vorgaben, die der Konvent sich selbst und an den Ausschuss 4 damit delegiert hat.

Ich möchte Ihnen jetzt ein Beispiel noch zuletzt dafür geben, wie es in jenen Punkten, mit denen wir uns am Freitag beschäftigt haben, geht und vor allem diesem Sozialpartnervorschlag, den die Mag. Hochhauser und jetzt auch Präsident Verzetnitsch angesprochen haben. Wir haben lange darauf gewartet. Der Ausschuss 4 und soziale Grundrechte sind seit letztem Oktober in aller Munde Diskussion. Und ich glaube, es war der 12. Oktober, dass endlich dieser Vorschlag gekommen ist. Wenn etwas ein Jahr braucht, wenn es sich zwei Partner ausmachen, dann muss ich sagen, das Ergebnis dessen ist aus Grüner Sicht jetzt mehr als mager, wiewohl ich das, was drinnen festgehalten ist, damit nicht kleinreden will. Aber die Frage, dass es neue soziale Grundrechte sind, die in einer neuen österreichischen Verfassung festgeschrieben werden, davon sind wir, und das hat auch Professor Funk sehr genau erläutert, was die Durchsetzbarkeit subjektiver Rechte angeht, weit entfernt. Und damit sind auch die Rechtsschutzinstrumente mehr als dürftig.

Es wurde auch schon hier zumindest, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, gesagt, Verbandsklage wird von beiden vehement abgelehnt. Aus Grüner Sicht kann ich Ihnen sagen, wenn Grundrechte, eben auch die klassischen Grundrechte, unter dem Vorbehalt der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft stehen und Verbandsklagen ausgeschlossen sind und es keine Verfassungsbeschwerde, sondern nur einen Subsidiarantrag gibt, dann ist das weder innovativ noch neu und von den Grünen nicht zu akzeptieren.

Eine letzte Bemerkung, nur damit Sie sehen, wo es dann gar nicht um neue Dinge geht, sondern wo es eigentlich um Sachen geht, wo jeder meint, das ist logischerweise enthalten, das Recht auf ein angemessenes und auf gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit. Gibt es hier jemand, der sagt, das ist etwas Außergewöhnliches, das man nicht festschreiben sollte in einem neuen Grundrechtskatalog? Das wird von den Sozialpartnern nicht vorgeschlagen. Aus frauenpolitischer Sicht sage ich Ihnen, das halte ich für untragbar und da bin ich, was die weitere Arbeit im Ausschuss angeht und diese sukzessive Verdünnung der Konsensbasis, mehr als skeptisch, wiewohl die Arbeit wichtig ist und dokumentiert werden soll und die sechs oder sieben Termine, die es auf Grund des Zeitablaufes noch gibt, werden auch im bewährten Stil verwendet. Aber abgearbeitet wird der Auftrag keinesfalls werden können.

Interpretieren Sie jetzt alle, wie Sie wollen, ob das das Ende der Diskussion sein soll. Aus meiner Sicht, was den neuen Grundrechtskatalog angeht, sind wir in Wahrheit in der Mitte der Diskussion. So würde ich es heute beschreiben. Danke.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächste Rednerin ist Frau Mag. Johanna Ettl.

Mag. Johanna Ettl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Ich denke, trotz der vorangegangenen Bemerkungen wird niemand hier in Abrede stellen, dass die Sozialpartner eine richtungweisende Einigung zu den sozialen Grundrechten erzielt haben. Ich gehe davon aus, dass diese Einigung in jedem Fall und ohne Abstriche Eingang in eine künftige österreichische Bundesverfassung finden muss. Die Sozialpartner haben sich selbstredend bei ihren Beratungen auf die beiderseits fundamentalen Anliegen konzentriert, deshalb möchte ich auch die Gelegenheit nutzen, aus unserer Sicht ein weiteres soziales Grundrecht im Hinblick auf Gleichbehandlung anzusprechen, und zwar das Grundrecht auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Diese Vereinbarkeit ist in Österreich nach wie vor von Zufällen abhängig, nämlich davon, wo lebt man in Österreich, verfügt man über die passende großfamiliäre Infrastruktur, sprich Großeltern und sonstige Betreuungspersonen aus dem familiären Bereich, oder verfügt man über genügend Einkommen, um die private Versorgung der Kinder sicherzustellen. Es gibt wohl Städte, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und Kinderbetreuungseinrichtungen in größerem Ausmaß zur Verfügung stellen. Es gibt allerdings auch ländliche Regionen mit sehr eingeschränkter Versorgung.

Ein Ergebnis dieser Zustände und das ist den wenigsten bewusst, ist die Tatsache, dass geringfügige Beschäftigung erstens einmal ein Frauenthema ist und sich zudem auf den ländlichen Raum konzentriert, mit all den negativen Konsequenzen sowohl kurz- wie langfristig für die betroffenen Frauen. Ich meine negative Konsequenzen sowohl was die soziale Absicherung derzeit, als auch, was künftige Pensionsansprüche betrifft.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es muss zu einem Grundrecht jedes Österreichers und jeder Österreicherin werden, einen durchsetzbaren Anspruch auf eine adäquate Kinderbetreuung erheben zu können. Dabei geht es in erster Linie natürlich darum, die soziale und berufliche Chancengleichheit von Männern und Frauen in diesem Land sicherzustellen. Aber es geht auch um unser aller gesamtgesellschaftliches Interesse. Wir können es uns ganz einfach nicht leisten, über Jahre auf das „Know how“ und die Kompetenz von Frauen zu verzichten, nur weil wir nach wie vor nicht bereit sind, uns von lange überholten Ideologien zu trennen. Danke schön.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächste Rednerin ist Frau Oberin Gleixner.

Christine Gleixner: Im Ausschuss 4 wird zunehmend das Ausmaß von Konsens und Dissens erhoben. Da die „Ökumenische Expertengruppe“ und ich einen guten, erfolgreichen Abschluss der Arbeiten wünschen, möchte ich 2 Punkte hervorheben.

Zunächst begrüssen wir ganz besonders die Vorschläge der Sozialpartner zu den sozialen Grundrechten im Bereich Arbeit. Auch die christlichen Kirchen haben im Lichte der Beratungen des Ausschusses 4 ihren ursprünglichen Entwurf „Soziale Grundrechte“ überarbeitet und neu vorgelegt. Sie unternahmen und unternehmen damit einen Versuch, die zum Teil sehr konträren – auch parteipolitisch bestimmten – Positionen zu überwinden. Der Entwurf der „Ökumenischen Expertengruppe“ stimmt in vielen Punkten mit dem Papier der Sozialpartner überein.

Zu einem weiteren Punkt der Ausschussberatungen ist aus der Sicht der christlichen Kirchen hier im Plenum ausdrücklich Stellung zu nehmen und zwar zu den notwendigen Regelungen der Volksgruppenrechte. Die „Ökumenische Expertengruppe“ hat sich bei ihrem Vorschlag von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Die verfassungsrechtlichen Neuregelungen sollen offen für eine zukünftige Entwicklung sein. Die historischen Regelungen, die noch nicht einmal in allen Punkten umgesetzt sind, genügen dafür nicht.

Die Neuregelungen sollen die tatsächliche Lage, die Wirklichkeit in den einzelnen Gemeinden und in den Kirchengemeinden beachten. Dabei sind auch die Unterschiede in der Situation der Volksgruppen in Ballungszentren insbesondere im Wiener Raum, und in den anderen Landesteilen zu berücksichtigen.

Neuregelungen sollen vor allem die Veränderungen in der Lage der ethnischen Minderheiten seit dem 2. Weltkrieg beachten, nämlich die schrittweise Auflösung der Siedlungsgebiete, selbst die der historischen „autochthonen“ Minderheiten, ferner die Migration, die Flüchtlingswellen, die Auswirkungen der beruflichen Mobilität, die Veränderungen der Rechtslage in Europa durch neue Konventionen und den Prozess der europäischen Einigung.

Zu dieser Materie liegt im Ausschuss 4 noch kein überwiegend konsensfähiger Text vor. Nach der Meinung der „Ökumenischen Expertengruppe“ wäre es dringend nötig, die protokoliierten Vorschläge erneut und im Blick auf eine zukunftsorientierte Neuregelung zu prüfen.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächster Redner ist Herr Dr. Michael Holoubek.

Dr. Michael Holoubek: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte nur kurz etwas zu dem Aspekt der sozialen Grundrechte sagen, der sich ja als ein ganz wesentlicher Knackpunkt in der Diskussion um einen Grundrechtskatalog und der Diskussion im Ausschuss 4 darstellen dürfte.

Frau Abgeordnete Stoisits hat gesagt, wir sind am Beginn der Mitte der Diskussion. Ich frage mich, ob nicht einerseits ein Blick über die Grenze und andererseits der Versuch, ein paar Missverständnisse einmal auszulassen, uns den einen oder anderen Abkürzer ermöglichen könnte, mit dem wir die Mitte etwas schneller überbrücken und etwas schneller zum Endanstieg auf den Gipfel zu kommen.

Wenn man sich überlegt, dass soziale Grundrechte heute zum europäischen Standard in vielen Verfassungen in Europa gehören, wenn man sich überlegt, dass wahrscheinlich dort auch dieselben ideologischen oder politischen Differenz bestehen, wie sie in Österreich bestehen, dann könnte man sich doch auch überlegen, dass erstens dort die Welt ganz offensichtlich auch nicht untergegangen ist, wenn es soziale Grundrechte in der Verfassung gibt. Offenbar funktioniert das staatliche Gemeinwesen auch mit sozialen Grundrechten in der Verfassung weiter. Zum Zweiten dürften diese ideologischen oder politischen Differenzen ganz offensichtlich überbrückbar sein, wenn ich nicht unterstelle, dass in Österreich die Dinge alle viel schärfer als in anderen europäischen Staaten sind, was doch ein ganz unösterreichischer Zugang wäre.

Nichts ist so sehr mit Missverständnissen beladen wie die Diskussion um soziale Grundrechte. Wenn ich es ganz einfach formuliere: es ist doch auch noch niemand auf die Idee gekommen zu sagen, das Recht auf Eigentum heißt, dass ich vom Verfassungsgerichtshof mein Grundstück bekommen muss, wenn ich denn gerne eines hätte und das Recht auf Erwerbsfreiheit heißt auch nicht, dass ich vor dem Verfassungsgerichtshof meine Arbeit oder mein Unternehmen bekommen muss, wenn ich denn gerne eines hätte.

Dasselbe gilt für soziale Grundrechte. Soziale Grundrechte sind Grundrechte wie alle anderen Grundrechte auch und sie binden eben Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung. Und ich denke, diesen wesentlichen Schritt, soziale Grundrechte als echte Grundrechte anzuerkennen, diesen wesentlichen Schritt sollte doch Österreich heute in der Lage sein, zu gehen.

Ich halte den Sozialpartner-Vorschlag deswegen für einen ganz entscheidenden Vorschlag, weil er diesen wesentlichen Schritt jetzt einmal auch tatsächlich geht und auf den Tisch legt. Das müsste aus meiner Sicht eigentlich der entscheidende Fortschritt sein, um das Eis zu brechen.

Einen zweiten Punkt noch. Die Sozialpartner haben ganz bewusst vor allem den Bereich der Arbeitswelt geregelt und andere Bereiche sozialer Grundrechte ausgespart. Es ist schon erwähnt worden. Das heißt nicht, dass damit ein sozialer Grundrechtekatalog, wenn er den Namen verdient, erschöpft ist. Ein Recht auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist heute schon angesprochen worden, aber etwa auch ein Recht auf eine angemessene Gesundheitsvorsorge ist wohl etwas, das, wenn man sich die Bedürfnisse der Menschen in diesem Land anschaut und die Bedrohungssituationen, die für diese Bedürfnisse bestehen, wohl heute in einer modernen Verfassung, in einer Verfassung, die zukunftsfähig sein soll, enthalten sein sollte.

Ich bin schon wieder am Ende mit meinem Appell, die sozialen Grundrechte nicht als so ein Sonderwesen darzustellen, sondern als das, was sie sind. Sie sind Grundrechte, die in einen Grundrechtskatalog gehören. Und die Europäische Grundrechtecharta hat nicht ganz umsonst diese sozialen Grundrechte systematisch in die Mitte zwischen Freiheitsrechte und Justizgrundrechte sowie Verfahrensrechte gestellt, um deutlich zu machen, dass überhaupt kein struktureller Unterschied besteht. Grundrechte sind, und das ist ein altbekannter Satz, in diesem Sinn unteilbar. Das gilt für soziale wie für die so genannten klassischen Freiheitsrechte ganz genau so.

1920 ist bekanntlich ein Grundrechtskatalog schon einmal an den sozialen Grundrechten gescheitert. Ich denke, wir haben seither einige Erfahrungen gemacht und vielleicht auch einiges gelernt. Das Scheitern sollten wir doch heute nicht mehr wiederholen.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke. Nächster Redner ist Herr Dr. Ewald Wiederin.

Dr. Ewald Wiederin: Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren!

Ich habe mich spontan zu Wort gemeldet, weil ich zunächst geglaubt habe, meinen Ohren nicht zu trauen. Ich werde mich nur zum Recht auf Existenzsicherung äußern, weil ich mehr als überrascht war zu erfahren, dass es nicht einmal hierüber Konsens gibt. Ich frage mich: In welchem Konvent sitze ich, und in welchem Jahrhundert tagen wir?

Ich möchte mit allem Nachdruck die Auffassung unterstützen, dass wir ein Grundrecht auf Existenzsicherung schaffen sollten: ein Recht ohne Wenn und Aber, kein Grundrecht zweiter Klasse, das auf eine Einlösung durch den Gesetzgeber angewiesen ist. Wir sollten uns dazu umso mehr durchdringen, als es sich weder um ein großes noch um ein überzogenes Recht handelt. Es geht letztlich um das Recht, nicht verhungern zu müssen.

Ich habe die Thematik unlängst rechtsvergleichend analysiert. Drei Viertel aller Staaten, die Mitglieder der Europäischen Menschenrechtskonvention sind, haben ein Grundrecht auf Existenzsicherung. Nahezu zwei Drittel der EMRK-Mitglieder, das füge ich in Parenthese hinzu, haben einen Katalog sozialer Grundrechte, die die Risken menschlicher Existenz einigermaßen umfassend abdecken.

Jene Staaten, die ein solches Recht nicht kennen, haben überwiegend ältere Verfassungen. Zudem trügt der Textbefund des Öfteren. In der BRD beispielsweise wird ein Recht auf Existenzsicherung aus dem Recht auf Menschenwürde in Verbindung mit der Sozialstaatsgarantie abgeleitet. Es gibt sogar Stimmen, die dafür plädieren, dass dieses Recht auf Existenzsicherung zu den Kerngehalten gehört, die auch der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht aus der Verfassung eliminieren darf.

Ein anderes Beispiel. Die Schweiz hat sich 1999, obwohl sie sich gegenüber sozialen Grundrechten ansonsten sehr, sehr zurückhaltend verhält, dazu durchgerungen, in ihre neue Verfassung ein Recht auf Hilfe in Notlagen aufzunehmen. Die Welt ist deshalb nicht untergegangen. Das Bundesgericht hat bewiesen, dass man mit einem solchen sozialen Grundrecht judizieren kann wie mit Freiheitsrechten auch. Es funktioniert und widerlegt das Vorurteil, dass soziale Grundrechte nicht justiziabel sind. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb man hier und dort ein wenig Angst hat.

Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und versteige mich zur Behauptung, dass es dieses kontroverse Recht auf Existenzsicherung hier und heute in Österreich in nuce bereits gibt. Der Verwaltungsgerichtshof leitet aus Artikel 3 EMRK ein Verbot ab, Ausländer in Regionen abzuschieben, in denen sie keine Unterkunft haben, wo es kein Trinkwasser gibt, wo die adäquate medizinische Versorgung nicht gewährleistet ist, wo sie keine Nahrung haben. Die Konsequenzen aus dieser Rechtsprechung liegen auf der Hand: Wenn Österreich Personen nicht in Gebiete abschieben darf, in denen ihre Existenz nicht gewährleistet ist, dann können solche Personen wohl auch im Inland nicht ohne Existenzsicherung gelassen werden. Und wenn Ausländer ein Recht auf Existenzsicherung haben, gibt es keinen Grund, dieses Recht Inländern vorzuenthalten, zumal Artikel 3 EMRK nach dem Pass nicht differenziert.

Ich gestehe zu: Es geht in erster Linie um Symbole. Auch ohne Grundrecht wird Österreich niemanden verhungern lassen. Aber weil eine Verfassung auch symbolische Bedeutung hat, ist die Frage wichtig: Können wir uns dazu durchringen, allen Menschen, die sich in Österreich aufhalten, dieses Recht auf Existenzsicherung einzuräumen? Ich glaube, dass dieser Schritt überfällig ist. Wir sollten uns endlich von der absolutistischen Wohlfahrtspflege verabschieden.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, dass war zuletzt auch die letzte Wortmeldung zu diesem Arbeitsausschuss.

Ich eröffne Bericht und Diskussion über den Arbeitsausschuss 5, Herr  Dozent Dr. Peter Bußjäger. - Bitte.

Dr. Peter Bußjäger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Der Ausschuss 5 hat seit seiner Konstituierung im September 2003 insgesamt 18 Sitzungen abgehalten. Er hat am 4. März einen ersten Bericht erstattet. Er hat einen Teilbericht zum Ergänzungsmandat am 23. Juli 2004 erstattet und er wird, denke ich, in den nächsten Tagen seinen Endbericht zum Ergänzungsmandat vorlegen. Ich möchte bereits an dieser Stelle sämtlichen Ausschussmitgliedern für die engagierte Mitarbeit, für die stets sachliche Diskussion danken und insbesondere auch der Ausschussbetreuung vielen herzlichen Dank für die wertvolle Arbeit aussprechen.

Die Ausschussarbeit hatte insgesamt zum Ziel, die Kleinteiligkeit der bestehenden Kompetenzverteilung, über die man hier in diesem Rahmen ja nun kein Wort mehr verlieren muss, zu überwinden und durch größere Kompetenzfelder zu einer letztlich sachgerechteren Kompetenzausübung und Interpretation zu führen. Weiters sollen auch Vorschläge für eine sachgerechte Zuordnung der Kompetenzfelder, dieser neu gewonnenen Kompetenzfelder, zu den Trägern der Gesetzgebungskompetenzen, das sind Bund und Länder, gemacht werden. Das Präsidium wünschte dazu Vorschläge nach einem Drei-Säulen-Modell, das ja mittlerweile auch in seinen Grundzügen hinlänglich bekannt ist und nach einem Zwei-Säulen-Modell, also sprich: eine Zuordnung der Kompetenzfelder zu Bund, Länder, und in eine dritte Säule auf der einen Seite und eine ausschließliche Zuordnung auf Bund und Länder. Ich werde nachher noch kurz darauf zu sprechen kommen.

Zunächst die Ergebnisse. Formulierung abgerundeter Kompetenzfelder: Ich denke, dass es gelingen wird, zu einer deutlich reduzierten Zahl von Kompetenztatbeständen zu gelangen. Die Ausschussarbeit weist den Weg, die nach Schätzungen gegen 200 tendierende Vielzahl der einzelnen Kompetenztatbestände auf, denke ich, 50 bis 60 Kompetenzfelder zu reduzieren und dabei auch zu einer Systematisierung dieser Kompetenzfelder zu führen. Es werden also nicht wahllos bestehende Kompetenzen zusammengeworfen, sondern das Ganze einigermaßen in ein System gebracht.

Weitaus schwieriger als diese Aufgabe, die bereits als solche nicht zu unterschätzen ist, erweist sich dann natürlich die Zuordnung dieser neuen, der bisherigen Kompetenztatbestände zu den neuen Kompetenzfeldern und dann vor allem die Aufteilung auf Bund und Länder. Wir konnten viele der neuen Kompetenzfelder konsensual Bund oder Ländern zuordnen. Ich denke, dass wir eine grundsätzliche Übereinstimmung über die Formulierung von genau 23 Kompetenzfeldern auf Seite des Bundes und 16 auf Seiten der Länder haben, dass zumindest ein Grundkonsens besteht, hinsichtlich der Zuordnung der bisherigen Kompetenztatbestände, zu diesen Kompetenzfeldern gibt es bereits auch hier teilweise Dissense. Das darf nicht verschwiegen werden.

Die weitaus größeren Dissense - auch das darf nicht verschwiegen werden - bleiben bei bestimmten, sehr wichtigen Angelegenheiten bestehen, ich denke etwa an das Schulwesen, an den Umweltschutz, an das Energiewesen und das Gesundheitswesen. Wobei, wenn man hier die Dissense im Einzelnen hinterfragt, gelangt man und stößt man doch wiederum auf Punkte - und das wird aus dem Schlussbericht selbstverständlich dann hervorgehen - die durchaus Konsens finden. Also, zum Beispiel im Bereich des Schulwesens ist es völlig unbestritten, dass, soweit ich das gegenwärtig sehe,  das Universitätsrecht, die höheren Schulen weiterhin bundesgesetzlich geregelt werden. Der Dissensbereich ist die Frage der Gesetzgebungsbefugnisse letztlich im Bereich der Pflichtschulen.

Ähnlich ist es auch im Gesundheitswesen. Auch hier geht es letztlich um Formulierungsfragen,  beispielsweise sind es die Krankenanstalten,  über die hier durchaus Dissens herrscht, wie man hier eine Aufteilung vornehmen soll.

Wir haben in der Ausschussarbeit aber danach getrachtet, die Vielzahl der Vorschläge auf möglichst wenige Varianten zurecht zu stutzen, sodass zumindest auch dort, wo kein Konsens erzielt werden konnte, das Dickicht der Variantenvorschläge etwas gelichtet wird,   das Ganze auf wenige Varianten reduziert wird.

Eine weitere Aufgabe, die uns gestellt war, war die Rechtsbereinigung, wenn man das so sagen will. Wir haben vom Ausschuss 2 den Auftrag bekommen, uns zu äußern zu etwa 60 derzeit außerhalb des B-VGs angesiedelten Kompetenztatbeständen, und die haben wir dann versucht, den nun neuen, neu gewonnenen Kompetenzfeldern zuzuordnen. Dabei konnten ungefähr die Hälfte konsensual erledigt werden. Bei anderen besteht ein Dissens, zu welchen Kompetenzfeldern sie dazugehören sollen. Aber auch hier gibt es letztlich nur wenige Varianten, und was mich doch freut ist, dass wir eigentlich keine Kompetenz haben, die letztlich übrig geblieben ist, also die irgendwo in der Luft hängt. Es wird, denke ich, eine Übergangsbestimmung für das Operfürsorgegesetz benötigt, aber sonst sollte das aufgehen.

In gleicher Weise konnten wir für die einzelnen Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen, die kompetenzrechtlichen Charakter haben, ebenfalls eine verfassungsrechtliche Heimat finden. Es sind im Wesentlichen hier Katastrophenhilfe-Angelegenheiten.

Ja, nun einige Bemerkungen zur Frage Zwei-Säulen- oder Drei-Säulenmodell. Der Ausschuss hat sich nach eingehenden Beratungen letztlich für ein Drei-Säulenmodell ausgesprochen. Was aber nicht eine Absage eigentlich an das Zwei-Säulenmodell betrifft, sondern eher eine Absage daran, sich an bestimmten Terminologien festzuklammern. Letztlich geht es darum, in die neue Kompetenzverteilung ein Ausmaß, ein ordentliches Ausmaß, an Flexibilität hineinzubringen, und in unserem Modell, für das sich letztlich der Ausschuss ausgesprochen hat, ist es eben ein Drei-Säulenmodell, das diese Flexibilität herstellen soll, also diese mittlere Säule.

Man kann natürlich auch einen anderen Weg gehen, man nimmt zwei Säulen und versucht auf den jeweiligen Säulen Tatbestände zu finden, bei denen man besondere Flexibilitätsmechanismen anwendet. Im Ergebnis, so war zumindest die Meinung des Ausschusses, kommt das auf dasselbe raus und es geht letztlich darum, zu klären, welche Flexibilitätsmechanismen man anwenden will und weniger dann darum, wie man das Modell bezeichnet. Und diese Flexibilitätsmechanismen, die müssen dazu beitragen, die derzeit negativen Auswirkungen einer unelastischen statischen Trennungsordnung, wie wir sie jetzt haben, zu überwinden.

Ich möchte nun noch einige Worte verlieren zu diesem Mechanismus der Flexibilität oder der Vorgangsweise in der dritten Säule, wie immer man das bezeichnen möchte. Nun, hier hat sich leider bisher noch kein Konsens ergebe und ich glaube, da werden wir letztlich im Schlussbericht Varianten stehen haben und die Varianten sind im Wesentlichen diejenigen, soll über den Bundesrat diese Flexibilität hergestellt werden, mit einem starken Mitwirkungsrecht des Bundesrates, soll, was man ja als Variante dazu sehen kann oder als eigenständige Variante sehen kann, soll die Mitwirkung über Bundesrat und beteiligte Länder erfolgen oder soll die Flexibilität dadurch hergestellt werden, dass es Kompetenzfelder gibt, wo der Bund bei Vorliegen bestimmter objektiver und justitiabler Kriterien mit seiner Gesetzgebung starten kann und die Frage, ob er seine Gesetzgebungskompetenz zu Recht oder Unrecht in Anspruch genommen hat, auch letztlich vor dem Verfassungsgerichtshof geklärt wird. Das sind grundlegend verschiedene Varianten, in der einen Variante wird diese Entscheidung auf die Politik verlagert, in der anderen Variante wird die Entscheidung letztlich zu einer rechtlichen Entscheidung gemacht und wäre dann letztlich auch vom Verfassungsgerichtshof zu klären. Diesbezüglich haben wir, wie schon gesagt, allerdings keinen Konsens erzielt.

Zusammenfassend möchte ich doch sagen, dass es dem Ausschuss gelungen ist, wesentliche Grundlagen für eine Neukonzeption der Kompetenzverteilung zu liefern, ich denke auch, dass wir in einigen durchaus wesentlichen Punkten konsensuale Vorschläge vorlegen können, bei den Dissenspunkten, die es doch auch in großer Zahl gibt und in wichtigen Angelegenheiten gibt, glaube ich, dass es immerhin gelungen ist, die Zahl der möglichen Regelungsalternativen zu beschränken und damit der Entscheidungsfindung, die dann wohl auf politischer Ebene zu treffen sein wird, etwas der Weg bereitet wird. Ich danke Ihnen.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Vielen Dank, Herr Dr. Bußjäger. Die Debatte eröffnet Herr Prof. Dr. Schnizer. - Bitte.

Dr. Johannes Schnizer: Vielen Dank, Frau Vorsitzende, Professor bin ich nicht, aber der Bundespräsident kann’s ja mal machen.

Ja, sehr geehrte Damen und Herren, ich habe das Vergnügen, dass ich hier in meiner Wortmeldung einen Vorschlag für die Verteilung der Gesetzeskompetenzen machen kann und zwar einen komplett ausformulierten Vorschlag für alle Kompetenzen. Die SPÖ hat bereits einen Grundrechtsvorschlag vorgelegt, damit liegt auch für das zweite Herzstück einer neuen Verfassung ein vollständiger Vorschlag vor, nämlich für die Kompetenzverteilung. Dieser Vorschlag, der ist sehr kurz. Er besteht aus zwei knappen Maschinschreibseiten, im Vergleich zu den acht eng bedruckten Druckseiten, die zurzeit, die Kompetenzverteilung ausmachen. Dieser Vorschlag beruht auf den bisherigen Beratungen des Ausschusses, insbesondere auf dem von uns schon eingangs vorgeschlagenen Dreisäulenmodell, das inzwischen fast Gemeingut des Ausschusses ist, wie der Vorsitzende schon dargestellt hat und verarbeitet auch den sehr weit reichenden Vorschlag der Wirtschaftskammer von Bußjäger und von Wiederin. Er beinhaltet in 37 Tatbeständen, das ist, glaube ich, die knappeste Aufzählung von Kompetenzfeldern, die bis jetzt vorgestellt wurde, sämtliche bis jetzt über 200 Kompetenztatbestände. Dass das Papier ein bisschen dicker ist, liegt daran, dass auch jeder Einzelne der bisherigen Kompetenztatbestände einem dieser Kompetenzfelder zugeordnet wird.

Das ist jene Aufgabe, wie der Vorsitzende des Ausschusses eingangs dargestellt hat, wo bis jetzt noch weitestgehend Dissens besteht, wir haben versucht, hier einen Vorschlag zu machen, der eine sehr einleuchtende Aufteilung der Einzeltatbestände auf diese 37 Kompetenzfelder bringt. Die drei Säulen bestehen einerseits aus ausschließlichen Bundeskompetenzen, das ist hier in dem Vorschlag Artikel K1 auf der einen Seite, ausschließlichen Landeskompetenzen als zweite Säule K2, und eine flexible mittlere Säule, die hier aus legistischen Gründen auf zwei Artikel aufgeteilt ist: K3 und K4. Das Verhältnis der Tatbestände zueinander ergibt sich, wenn man das zu interpretieren versucht, so, dass klarerweise, wenn in der einen Säule ein sehr umfassender Kompetenztatbestand besteht und in einer anderen Säule ein eindeutig nach der schon nach der natürlichsprachigen Bedeutung der Worte engerer, dass da der engere Tatbestand eine Ausnahme des breiteren ist.

Anders als im Bußjäger-Vorschlag gibt es eben dann keine Vorbehalte, ein Musterbeispiel wäre etwa der Umweltschutz, der bei uns als Tatbestand 8 Umweltschutz Nutzung natürlicher Ressourcen und Genehmigung von Anlagen umfasst. Klarerweise ist der Naturschutz, der sich nach wie vor in der Landeskompetenz befindet, hier eine engere und nimmt deswegen nur einen kleinen Teilbereich, nämlich den Schutz wild wachsender Pflanzen von diesem umfassenden Umweltschutz aus, und weist ihn den Ländern zu.

In der flexiblen mittleren Säule haben wir zwei Kategorien, das ist ein neuer Vorschlag und zwar deswegen, weil ausgehend von den Beratungen zu dem Zweisäulenmodell und bei einer näheren Betrachtung der Kandidaten, die für eine dritte Säule in Betracht kommen, sich herausgestellt hat, das es hier zwei unterschiedliche Kategorien gibt. Es gibt einerseits Kategorien, wo grundsätzlich jede Gebietskörperschaft von vorne mal für sich regelt, regelungsberechtigt wäre, weil es einen engen Konnex zur Organisation der jeweiligen Gebietskörperschaft gibt. Das wäre gegenwärtig schon etwa das Vergabewesen, das Recht der öffentlichen Aufträge, das bis zu einer Kompetenzänderung, die erst kürzlich erfolgt ist, wobei grundsätzlich der Bund für sich die Auftragsvergabe geregelt hat und es dann 9 Ländergesetze gegeben hat.

Eine völlig gleichartige Situation gibt es etwa beim Dienstrecht, beim elektronischen Rechtsverkehr und bei der Statistik. Für diesen Bereich der dritten Säule schlagen wir daher vor, dass grundsätzlich jede Gebietskörperschaft für sich selbst regelungsberechtigt ist, es sei denn, der Bund einigt sich mit allen Ländern darauf, dass lieber eine bundeseinheitliche Regelung für alle gelten soll. Das ist das System, das bis jetzt schon im Vergaberecht nach Artikel 14b gilt, und dieses System wird hier ausgeweitet auf das Dienstrecht, den elektronischen Rechtsverkehr und die Statistik.

Entscheidender ist der restliche Bereich der dritten Säule, dort ist es so, dass nicht eine Gebietskörperschaft allein bisher jeweils für ihren Bereich das regeln kann, sondern wo bestimmte Funktionen von der einen und bestimmte Funktionen von den anderen zu regeln ist. Hier wird nun neu vorgeschlagen ein Mechanismus und zwar, dass grundsätzlich in dieser gemischten Säule zunächst das Land regelungsbefugt ist, allerdings kann diese Regelungsbefugnis auf den Bund übertragen werden. Diese Übertragung geschieht durch einen Beschluss des Bundesrates, der - ähnlich wie in der EU-Verfassung - mit einer doppelten Mehrheit gefasst wird: Einerseits eine Mehrheit der Bundesräte, andererseits eine Mehrheit von Bundesländern, die zusammen eine Bevölkerungsmehrheit repräsentieren. Es ist dies ein Schutz der Länder, weil dadurch die Beschlussfassung schwieriger wird, sodass eine qualifizierte Anzahl von Ländern hinter einem Vorschlag stehen muss und nicht von einer Mehrheit der Bundesräte überrumpelt werden kann, indem hier dann eine Materie dem Bund überlassen wird. Dieser Beschluss soll ein Teilschritt im Gesetzgebungsverfahren sein, sodass er als solcher keine endgültige Kompetenzübertragung bringt, sondern ein Maßstab für den Verfassungsgerichtshof ist, ob ein darauf folgendes Bundesgesetz im Rahmen dieser Beschlussfassung bleibt.

Es soll deswegen keine eindeutige Kompetenzübertragung sein oder keine mit einem engen Tatbestand gefasste Kompetenzübertragung, weil auf diese Weise es ermöglicht wird, dass hier der Bundesrat sehr detailliert umschreibt, welche Regelung der Bund treffen soll, beispielsweise Koordinationsregelungen im Gesundheitsbereich. Ich glaube, dass damit der Weg offen ist für eine sehr gute Lösung im Ausschuss und ich darf abschließend, Frau Vorsitzende, stellvertretend Ihnen den Kompetenzvorschlag der SPÖ überreichen.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Dr. Schnitzer. Nächste Wortmeldung ist von Herrn Prof. Dr. Öhlinger. Sie verzichten. Dann darf ich Herrn Doz. Dr. Hanreich um seine Wortmeldung bitten.

Dr. Hans-Peter Hanreich: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte in der Diskussion um die Ergebnisse des Ausschusses 5 einen Punkt herausgreifen, den Präsident Leitl in seinem Statement bereits angesprochen hat, nämlich das Verhältnis zwischen dem Europäischen Binnenmarkt und einem anzustrebenden, umfassenden Kompetenztatbestand „Wirtschaft.“

Schon im ersten Mandat für den Ausschuss 5 wurde dem Ausschuss die Berücksichtigung der Rechtslage der Europäischen Union aufgetragen und wir haben in den Beratungen immer darauf Wert gelegt, dass die Rechtslage, die durch eine künftige Europäische Verfassung eintreten wird, berücksichtigt wird. Nach Meinung der Wirtschaft würde es zu kurz greifen, bei der Erarbeitung einer neuen Verfassung nur die innerösterreichischen Verhältnisse zu berücksichtigen und nicht mit zu bedenken, dass Österreich ein Teil des Europäischen Binnenmarktes ist. Der Europäische Binnenmarkt bedingt die Zuordnung eines großen Kompetenzfeldes „Wirtschaft“ in die Zuständigkeit des Bundes, um ein einheitliches Wirtschaftsgebiet in Österreich schaffen zu können. Keinem Unternehmer, aber auch keinem Kunden, wäre es zu erklären, warum zwar die Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten im gesamten Europäischen Binnenmarkt ungehindert möglich sein soll, in Österreich aber regionale Besonderheiten weiterhin bestehen sollten. Dieses Ziel sollte in den letzten Sitzungen des Ausschusses erreicht werden.

Ein wichtiges Anliegen in diesem Zusammenhang ist selbstverständlich auch die umfassende Vertretung der Interessen der österreichischen Wirtschaft durch eine Interessenvertretungsorganisation. Das ist ein Thema, das in den Beratungen des Ausschusses schon wiederholt angesprochen wurde und das wahrscheinlich auf zumindest zwei Weisen erreicht werden kann. Entweder es gelingt, die selbständige Ausübung von Tätigkeiten in einem großen Bereich zusammenzufassen; dann würde es möglich sein, die Organisation der Interessenvertretungen als Annex-Materie zu regeln. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann muss eine andere Methode gefunden werden, um dieses Ziel zu erreichen. Eine Kompetenz des Bundes für die Gesetzgebung auf dem Gebiet der Organisation der wirtschaftlichen Selbstverwaltung würde das beschriebene Ziel auch erreichen lassen.

Meines Erachtens wäre diese Methode auch deswegen besser geeignet für eine Regelung des angesprochenen Problems, weil dann auch selbständige Tätigkeiten, die in Bereichen durchgeführt werden, die nach der bisherigen Diskussion im Ausschuss in Landeszuständigkeiten liegen soll, wie zum Beispiel Tourismus oder Sport, zweifellos auch durch Bundesgesetz geregelt werden könnten.

Zuletzt noch ein Satz zu dem von Dr. Schnitzer eingebrachten Vorschlag einer neuen Kompetenzverteilung. Selbstverständlich kann ich jetzt noch keine Stellungnahme zu diesem Papier abgeben, eine gewisse Nähe zu den Vorschlägen der WKÖ zur Kompetenzverteilung ist aber nicht zu leugnen.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler (übernimmt den Vorsitz): Ich danke auch für die Wortmeldung und möchte als Nächstem Herrn Abgeordneten Dr. Stürzenbecher das Wort erteilen. - Bitte sehr.

Dr. Kurt Stürzenbecher: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Im Ausschuss 5 hat man sich wirklich intensiv mit der Schaffung von breiten Kompetenzfeldern und gegen die Kompetenzzersplitterung befasst und es ist unter Vorsitz von Dr. Bußjäger, dem wir sicher hier alle für seine Vorsitzführung danken sollten, eine echte Knochenarbeit geleistet worden. Ich glaube, auch eine wichtige Knochenarbeit, falls es zu einer erneuerten Verfassung kommt, weil so wie im Ausschuss 2 kann der Ausschuss 5 eine wichtige Grundlage auch dafür bieten, den Zugang zum Recht für die Bürgerinnen und Bürger zu erleichtern. Das ist ja schließlich auch eine der Zielvorstellungen des Österreich-Konvents, und wenn ich sage Knochenarbeit, dann meine ich, dass man sich wirklich viele, viele, viele Stunden mit dieser Materie auseinandersetzen muss und dass es einen Sinn hat, dass das im Rahmen des Österreich-Konvents in dieser Form geschieht, was man von anderen, in den Medien in jüngster Zeit vorgebrachten Punkten ja nicht in dem Ausmaß behaupten kann.

 Wenn ich jetzt ein bisschen abschweife zu diesen jüngsten Vorschlägen: das Wesentliche an Forderungen im Österreich-Konvent sei, die Neutralität in die Verfassung hineinzuschreiben, dann kann man sagen, das ist inhaltlich richtig, aber wir haben die Neutralität seit 1955 drinnen. Und als weitere Forderungen habe ich gelesen: 5-jährige Legislaturperiode, Reduzierung der Volksanwälte und die Rechnungshofstellvertretung einzuführen. Also, das sind Punkte, wo man eigentlich keinen Österreich-Konvent bräuchte und wo man sich nicht viele, viele Stunden unter so vielen Experten zusammensetzen muss, weil das kann man sozusagen aus dem Ärmel herausschütteln, vor allem die drei letztgenannten Punkte.

Deshalb bin ich froh, dass in den Ausschüssen in Wirklichkeit - vielleicht von der Öffentlichkeit noch nicht so sehr bemerkt - hier sollte man die Öffentlichkeitsarbeit von allen Seiten noch verbessern - wirklich harte und grundlegende Arbeit geleistet wird. Das wollte ich nur auch einmal sagen. Jetzt zu den konkreten Inhalten: Das Papier, das Dr. Schnizer vorgestellt hat, ist, glaube ich, ein sehr gutes Papier, es hat die richtige Stossrichtung. Ich habe auch sehr viel Verständnis dafür, dass im Detail natürlich darüber noch im Ausschuss und im Konvent geredet werden muss, weil es erst heute offiziell hier präsentiert worden ist, obwohl es der Dr. Schnizer schon in der letzten Ausschusssitzung angekündigt hat. Ich kann nur noch einmal, auch im Hinblick auf Sie, Herr Dr. Hanreich, unterstreichen, dass dieses Papier im Interesse der Wirtschaft eine Kompetenzabrundung auf sehr gelungene Weise vornimmt, wobei, wie gesagt, mit dem gesamten Papier müssen wir uns im Ausschuss natürlich noch im Detail befassen.

Ich will jetzt nicht zu allen Kompetenztatbeständen im Einzelnen Stellung nehmen, das kann man nicht in fünf Minuten, könnte man auch nicht in fünfzig Minuten, sondern möchte nur sagen, dass an sich im Ausschuss schon im Sinn eines modernen Föderalismus man darum ringt - und von unserer Seite besonders darum ringt -, dass eine Arbeitsverteilung im Rahmen unseres Bundesstaates geschieht, die im Interesse der Bürger ist. Es ist nicht so, wie Kollege Scheibner am Vormittag gesagt hat, dass jede Gebietskörperschaft einfach Besitzstände mit Zähnen und Klauen verteidigen würde. Das ist einfach nicht wahr und spiegelt nicht die wirkliche Realität im Ausschuss wieder, sondern es geht um echte Arbeitsverteilung. Zum Beispiel ist es meine Auffassung und auch jene vom Land Wien, dass der Jugendschutz, nur um ein kleines Beispiel zu nennen, durchaus beim Bund sein sollte, obwohl er jetzt beim Land ist. Weil auch beispielsweise wir hier bei einem Hearing mit Jugendlichen, mit Jugendorganisationen - und wir haben ja Hearings, mehrere dieser Art, durchgeführt -, gehört haben von diesen Jugendlichen, dass die das haben wollen und dass die Jugend der Auffassung ist, dass der Jugendschutz beim Bund sein sollte. Das ist aber nur ein Beispiel.

Darüber hinaus glaube ich eben, dass die relativ autonome Landesverfassungsgesetzgebung zumindest im bisherigen Umfang aufrecht bleiben soll, dass wir die Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung in einem grundsätzlich erneuerten Bundesrat sicherstellen sollten; dass natürlich die Länder, wenn sie neue Aufgaben bekommen, auch die finanzielle Absicherung dieser Aufgaben bekommen müssen. Und wenn ich die Autonomie der Länder noch kurz ansprechen darf, dann ist es für das Land Wien besonders wichtig, dass hier auch bei den landesgesetzlichen Wahlrechtsregelungen mehr Spielraum geschaffen wird.

Und hier darf ich berichten, dass der Landtag in Wien mit deutlicher Mehrheit Folgendes beschlossen hat: „Der Bundesverfassungsgesetzgeber wird seitens des Wiener Landtags ersucht, die Bundesverfassung in der Form zu ergänzen beziehungsweise zu ändern, dass den Ländern die verfassungsrechtliche Möglichkeit eingeräumt wird, nicht EU-Bürgerinnen ein kommunales Wahlrecht, in Wien bei den Wahlen zu den Bezirksvertretungen, einzuräumen“. Das, glaube ich, ist auch ein wichtiges Anliegen, das der Konvent aufnehmen sollte.

Zur grundlegenden Reform des Bundesrates wollte ich noch einiges sagen, aber dazu komme ich jetzt schon wieder - aus zeitlichen Gründen - nicht, aber ich meine, in dieser dritten Säule hat der Bundesrat eine wichtige Funktion. Er sollte auch beim Finanzausgleich eine wichtige Funktion bekommen. Die derzeitige Kompetenz-Kompetenz des Bundes, sollte in dieser Form nicht aufrecht erhalten werden, und es sollte eine echte Parität in der Finanzverfassung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geben. In diesem Sinn hoffe ich, kommen die Ausschüsse 5 - und 10 ist ja auch betroffen - wirklich dazu, dass im Endergebnis eine klarere, übersichtlichere und sachlich vernünftige Zuständigkeit bei den Gesetzgebungskompetenzen geschaffen wird. Danke schön.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Herr Dr. Stürzenbecher. Nächster Redner ist Herr Dr. Nikolaus Bachler. - Bitte sehr.

Dr. Nikolaus Bachler: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit noch einmal auf einen für uns aus Bundessicht sehr wesentlichen Bereich bei der Kompetenzverteilung lenken, nämlich jenen der EU. Er wurde von einem meiner Vorredner, Doz. Dr. Hanreich, schon angesprochen. Den ursprünglichen Auftrag der sektoralen Integration der Wirtschaft hat die EU längst hinter sich gelassen. Heute hat sie den Auftrag, sich beinahe aller Angelegenheiten des europäischen Gemeinwesens ordnend anzunehmen.

Die Erarbeitung eines Kompetenzverteilungskataloges ist im engen Zusammenhang mit den Bemühungen um eine Verfassung für Europa zu sehen. Der Entwurf eines Vertrages für eine Verfassung für Europa sieht Bereiche geteilter Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten vor. Unter die geteilten Zuständigkeiten fallen unter anderem so bedeutende Bereiche wie Binnenmarkt, Landwirtschaft, Verkehr, Energie, Umwelt und Verbraucherschutz. Im Bereich der geteilten Zuständigkeiten wird die Union gemäß dem Entwurf über eine Verfassung für Europa nach dem Subsidiaritätsprinzip tätig. Der nach dem Protokoll über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union vorgesehene Subsidiaritätsmechanismus im Bereich der geteilten Zuständigkeiten erfordert zum einen ein – angesichts kurzer Fristen (Frühwarnsystem) – zeitgerechtes und effektives Agieren der Republik Österreich. Die Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft (Umsetzung von Richtlinien etc.) erfordern zum anderen eine effiziente Umsetzung der einzelnen Rechtsmaterien.

Ganz wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass sich durch den Beitritt zur Europäischen Union das gesamte Selbstverständnis und der Aufgabenbereich unseres Ministeriums sehr stark geändert haben – und ich glaube, das gilt auch für andere Ministerien –; dies beinhaltet auch die Sichtweise für einzelne Rechtsmaterien, wie zum Beispiel das Wasserrecht.

Also: Die Zielsetzung des Wasserrechts hat durch die europarechtlichen Vorgaben einen wirklich tief greifenden Wandel durchgemacht. Und ich meine, es ist von ganz besonderer Bedeutung, dass im Rahmen dieser neu zu schaffenden Kompetenzverteilung genau diese Aspekte einer Dynamik berücksichtigt werden. Das heißt: Es muss möglich sein, im Rahmen breit angelegter Kompetenzbegriffe auf europarechtliche Vorgaben reagieren zu können. Und daher ist es für uns jetzt nicht nur für den Bereich der Wirtschaft, sondern eben für den Bereich der Umwelt, für den Bereich des Verbraucherschutzes, aber auch für den Bereich der Landwirtschaft, von ganz großer Bedeutung, eben durch die Vorgaben, die die Verfassung dann an den Gesetzgeber gibt, nicht zu sehr gehemmt zu sein und gleichsam diesen dynamischen Prozess, den die EU vorgibt, auch in uns aufnehmen und entsprechend flexibel reagieren zu können. Danke.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön. Die nächste Rednerin ist Frau Präsidentin Orthner. - Bitte sehr, Frau Präsidentin.

Angela Orthner: Herr Dr. Fiedler! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Dass es nicht leicht sein wird, haben wir schon alle gewusst. Seit so vielen Jahren bemühen sich die Länder, die Gemeinden und der Bund darum, die Kompetenzen neu zu ordnen, zu entflechten, von Überflüssigem zu befreien und klare und abgerundete Kompetenztatbestände neu zu formulieren.

Leicht wird es nicht sein, haben wir gewusst, weil es darum ja auch geht, zu Kompetenzen Finanzen zuzuordnen. Und wenn ich mir so die Diskussion der vergangenen und auch der heutigen Plenumssitzung des Österreich-Konvents vergegenwärtige, dann habe ich am allermeisten gehört: Schwierig wird es werden im Fünfer und im Zehner. Und wie die beiden Dinge zusammenbringen und wie sie überhaupt ändern? Denn der Föderalismus muss in unserem Land für sehr, sehr vieles herhalten. Wenn immer man meint, es gehe etwas zu langsam oder sei nicht besonders gut geregelt, dann sagt man, ja, da pflegt jeder sein - wie wir in Oberösterreich sagen würden - Hoamatl, also, jeder pflegt seinen Schrebergarten und will nichts hergeben und verschließt sich anderen.

Ich glaube eher, das Gegenteil ist der Fall. Denn ich bin geraume Zeit Präsidentin des Oberösterreichischen Landtags und in dieser Funktion immer Mitglied der Landtagspräsidentenkonferenz. Und es vergeht ja keine Präsidentenkonferenz - und heute sind ja auch sehr, sehr viele Kollegen anwesend -, wo wir nicht ganz im Gegenteil darauf drängen, dass im Rahmen des Österreich-Konvents die Fragen einer Neuverteilung der Aufgaben und die Bereitschaft, durchaus neue Aufgaben dazu zu übernehmen, artikuliert wird.

Und ich sage dazu, immer mit einer großen Übereinstimmung auch der verschiedenen Herkünfte in unserer Landtagspräsidentenkonferenz: Ich glaube auch, dass es möglich ist, und im Laufe der vielen Beratungen wird es ja auch immer wahrscheinlicher, und wenn schon ausgeteilte Konzepte auch auf den Tisch kommen, wird das durchaus noch einmal günstig sein, dass es möglich ist, nicht nur sich zu einigen - das wäre ein zu geringer Konsens -, sondern dass es möglich ist, im 21. Jahrhundert auf die Bedürfnisse der Menschen und auch auf die Bedürfnisse von Verwaltungen, Regierungen, Ländern, Gemeinden entsprechend einzugehen und Kompetenzen in einer zeitgemäßen Form mit Effizienz, mit Nachhaltigkeit, auch zu verankern.

Und so bestechend ursprünglich tatsächlich einmal ein Zwei-Säulen-Modell gewesen ist - natürlich wäre es einfacher, ausschließlich Landes-, ausschließlich Bundeskompetenzen zu haben und so quasi kein Blatt geht dazwischen -, so einfach ist die Welt leider nicht, und wir werden eine dritte Säule - wie immer sie letztendlich ausschauen wird, und wie immer man die Dinge auch regeln wird - brauchen.

Die gemeinschaftliche Zuständigkeit wird es höchstwahrscheinlich auch in Zukunft geben. Fragen muss man sich dabei, wie es möglich ist, den Bund und die Länder partnerschaftlich in Form auf der Wortwurzel des Föderalismus, also ein Bündnis zu schließen auf einer großen Vertrauensbasis, wie weit hier alle Gebietskörperschaften entsprechend eingebunden sind, und natürlich wird es da auch darauf ankommen, wie der Bundesrat sich neu gestaltet. Selbstverständlich wird er in einer anderen Funktion als bisher tätig sein müssen. Ich glaube, in einer wichtigeren Funktion, in einer Funktion, die nicht verhindert, sondern in einer Funktion, die entsprechend auch dem Wollen und Können der Länder einen Widerhall auch auf Bundesebene gibt.

Ich bedanke mich auch heute daher sehr herzlich bei Herrn Dozent Dr. Bußjäger, der wahrlich keine leichte Aufgabe hat, aber der es so wie alle anderen Damen und Herren im Ausschuss ganz sicherlich zu einem guten Ende bringen wird, weil wir das wollen und weil wir es auch brauchen, dass wir hier eine neue Ordnung bekommen.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Frau Präsidentin! Als Nächster hat sich Herr Prof. Brauneder zu Wort gemeldet. - Bitte sehr, Herr Professor.

MMag. Dr. Willi Brauneder: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

Kompetenzbestimmung verteilen Teilsstaatsaufgaben auf Gebietskörperschaften. Verzeihen Sie diese banale Feststellung, aber daraus ergibt sich, dass Staatsaufgaben in den Kompetenzbestimmungen formuliert sind. Man kann daher Verständnis dafür haben, dass in einem Einheitsstaat, der eine solche Aufteilung nicht vornimmt, Staatsaufgaben eigens in einem Katalog formuliert sind, muss aber daraus die Schlussfolgerung ziehen: Ist es in einem Bundesstaat überhaupt sinnvoll, angesichts Kompetenztatbeständen noch Staatsaufgaben festzulegen?

Ich bin zu dieser Feststellung dadurch ermuntert, da ich höre, dass im zuständigen Ausschuss die Kompetenzzersplitterung, die wir zurzeit haben, auf ein Viertel, wenn ich das so richtig sehe, zurückformuliert wird. Das heißt: Es werden globale Staatsaufgaben im Kompetenzkatalog formuliert. Daher die Frage, ob nicht durch eine Formulierung des Kompetenzkatalogs an sich oder durch eine entsprechend modifizierte Formulierung die Festlegung von Staatszielen - angesichts eben der Kompetenzbestimmungen - überflüssig ist. Ich würde diesem Gedanken einmal sehr nahe treten. Es ist die Schweizer Verfassung 2000 erwähnt worden. Es gab einen sehr langen Weg in dieser Totalreform der Schweizer Verfassung, und am Anfang standen, wenn ich das richtig verfolgt habe, eine ganze Liste von Staatszielbestimmungen, Bestimmungen von Staatsaufgaben, und übrig geblieben ist ganz wenig.

Also, man sieht daran eigentlich, dass in einem Bundesstaat die Festlegung von Staatsaufgaben, ich würde sagen, nicht notwendig ist, weil es den Kompetenzkatalog gibt. - Danke schön.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke,  Herr Professor, für diese sehr interessante Wortmeldung. Wir haben damit den Bereich des Ausschusses 5 abgeschlossen und kommen nunmehr zum Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses 6, Herrn Sektionschef Abentung. Herr Sektionschef! Ich darf Ihnen das Wort erteilen.

Dr. Johannes Abentung: Ja, danke - Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Wenn bei einem Fußballspiel fünf Minuten vor Schluss ein Spieler ausgetauscht wird, dann erwartet man zwei Dinge von ihm. Erstens: Er hat sich reibungslos in die Gruppe einzuordnen, damit er zweitens natürlich noch ein Tor schießt. Ich sage nicht dazu, dass er die Veranstaltung rettet. Das wäre hier fehl am Platz! Aber damit ich erstere beiden Punkte erfüllen kann, erlauben Sie mir zwei Vorbemerkungen:

Zum Ersten: Als Vorsitzender bin ich natürlich zu größtmöglicher Objektivität in prozessualen Fragen verpflichtet. Das war bisher in den wenigen Sitzungen, die ich leiten durfte, kein Problem, weil der Großteil der Arbeit vorher schon erledigt war durch meinen Vorgänger als Vorsitzender, Herrn Generalsekretär Mag. Werner Wutscher. Ich bin angewiesen auf schriftliche Unterlagen und auf Mitteilungen durch meine Kollegen über den Stand der Diskussion im Ausschuss und Sie wissen, es ist das eine, selber dabei gewesen zu sein und das andere, von Dritten darüber zu hören. Ich bitte Sie also, das zu berücksichtigen.

Zweitens ist mir die Aufgabe gestellt worden, die wesentlichen gelösten Probleme beziehungsweise die wesentlichen oder bedeutendsten nicht gelösten Probleme hier darzustellen. Da stellt sich gleich die erste Frage: Was ist hier als Problem zu betrachten? Das hängt, glaube ich, vom Standpunkt ab. Für den Einen mag es ein Problem sein, wenn kein Konsens in einer Frage erzielt worden ist, für den Anderen mag das die Lösung sein, weil - und das wäre meine Schlussfolgerung - würde kein Konsens erzielt werden in einer Frage, müsste doch wohl in diesem Punkt die derzeitige verfassungsrechtliche Vorschrift weiter Bestand haben. Ob das so ist oder nicht, das wird wohl das Präsidium entscheiden. Für mich war es nicht ganz einfach, aus den Unterlagen, insbesondere auch deswegen, weil ich über Verwaltung rede, klar heraus zu sehen, ob wir hier Probleme gelöst haben oder nicht, auch deswegen, weil wir in den meisten Fragen zu keinem Konsens gekommen sind.

Warum erwähne ich hier die Verwaltung? Die Verwaltung deswegen, weil die Verwaltung irgendwie ein „Zwischending“ ist. Zum einen gibt es Vorgaben aus der Legislative heraus, zum anderen wird die Verwaltung von der Gerichtsbarkeit kontrolliert. Nur sehr wenige Vorschriften des Verfassungsrechtes beschäftigen sich genuin mit der Verwaltung selbst, wenngleich die meisten anderen Bestimmungen die Verwaltung direkt und indirekt beeinflussen.

Und hier kommen wir zur nächsten Frage, die sich stellt. Es ist gelegentlich, insbesondere von der Wirtschaftsseite her, die Frage gestellt worden: Was könnte man denn jetzt ändern, damit man letztlich zu geringeren Kosten des gesamten Staats, oder beziehungsweise hier des Verwaltungsapparates, kommt? Diese Frage resultiert jedoch, wenn man sich die Verfassungsbestimmungen anschaut, nur zu einem geringen Teil aus den Bestimmungen, die die Verwaltung direkt betreffen und meines Erachtens nach aber zu einem großen Teil aus den Bestimmungen, die indirekt auf die Verwaltung einwirken.

Sie sollten sich vor Augen halten, dass es die österreichische Verwaltung, ob das jetzt auf Bundes-, Landes- oder Gemeindeebene ist, letztlich mit drei legistischen Ebenen zu tun hat. Heute hätte man ja fast bei der Diskussion, jedenfalls am Vormittag, bis zu Herrn Doz. Hahnreich, der dann umgeschwenkt ist, meinen können, man hätte die EU komplett vergessen. Faktum ist jedoch, dass wir heute, insbesondere in unserem Ministerium - ich bin aus dem Lebensministerium -, zu einem großen Teil EU-Recht direkt vollziehen. Wir haben das, um das konkret auszuführen, sehr direkt gemerkt 1995, als sich die gesamte Verwaltungspraxis komplett geändert hat. Wir sind heute nur mehr sehr selten hier in diesem Hause. Wir sind wesentlich öfter in Brüssel. Wir vollziehen wesentlich mehr Verordnungen, die aus Brüssel vorgegeben werden. Wir haben auch in unserem Bereich Richtlinien umzusetzen.

Wenn ich mir also die Diskussion, die bisher gelaufen ist, auch im Ausschuss und in den Medien in Bezug auf den Konvent, vorstelle, dann fehlt mir einfach dieser gewisse Aspekt der Einfluss, der Umsetzung des EU-Rechtes auf die Verwaltungsbehörden. Hier hat man es mit einer gewissen Europäisierung des Verwaltungsrechtes zu tun, die einen tief greifenden Wandel der nationalen Verwaltungsbehörden nach sich zieht, auch in den Ordnungsstrukturen. Ich denke da in etwa an das Beispiel, das auch mein Vorredner, Dr. Bachler, erwähnt hat: Wasserrahmenrichtlinie. Wir haben hier eine Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen, die sich an Flusseinzugsgebieten orientiert und bekannterweise ist 90 Prozent von Österreich hier der Donau zuzuordnen. Das schlägt sich mit dem föderalen Aufbau des Staates. Ich möchte diesen hier nicht in Frage stellen. Da gibt es entsprechende Vorgaben des Konvents, aber es macht insgesamt die Arbeit nicht leichter und es macht vor allem auch die Arbeit nicht billiger, wenn man hier solch komplexe Systeme hat.

Die tief greifende Europäisierung der nationalen Rechtsordnung gleichsam von oben durch Richtlinie und Verordnungen wird ergänzt durch eine horizontale Verwaltungskooperation zwischen den Mitgliedsstaaten. Ich möchte in diesem Zusammenhang etwa im Bereich des Umweltrechts an den Aufbau europaweiter Verbundgebiete nach den FFH-Richtlinien und im Bereich des Infrastrukturrechts an die Planungsanforderungen für die Schaffung transnationaler Netze erinnern. Europäisches Recht wird überwiegend dezentral durch die Mitgliedsstaaten vollzogen. Damit kommt der Verwaltungskooperation zwischen den Mitgliedstaaten eine nicht zu unterschätzende Bedeutung im Rahmen europäischer Integration zu. Nettesheim, ein deutscher Staatsrechtler, spricht in diesem Zusammenhang von einer, ich zitiere, horizontalen Verschränkung der „weiterhin institutionell der nationalen Ordnung zuzurechnenden“ Verwaltungsapparate. Weiter ist mit Nettesheim zu betonen, dass im Zusammenhang mit der im Rahmen der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung zu diskutierenden, ich zitiere, „Öffnung nach oben“ eine Aussicht des Verwaltungsvollzuges zunehmende „mitgliedsstaatliche Öffnung“ zur Seite tritt. Die vertikale Integration durch die Umsetzung von EU-Recht, den Anwendungsvorrang und die unmittelbare Geltung von EU-Recht wird im Rahmen des Verwaltungsvollzuges durch eine immer stärker werdende horizontale Integration der Mitgliedstaaten ergänzt. Nettesheim bezeichnet dieses Phänomen als, ich zitiere, „zweites Strukturelement des europäischen Integrationsprozesses“. Solches hat für den Verfassungsverbund, den Österreich in und mit der EU bildet, zu gelten.

In diesem Lichte muss sich der Österreichkonvent, und er wird es wohl getan haben, in anderen Ausschüssen getan haben, will er seinem Postulat der Schaffung effizienter institutioneller Strukturen gerecht werden, mit dem Einfluss des faktischen Verfassungsverbundes Österreich-EU entsprechend auseinander setzen. Und ich gebe meiner Hoffnung Ausdruck, dass dieser Aspekt bei allen Dissensen, die wir heute noch haben, entsprechend berücksichtigt wird, weil es nur dann möglich ist, dass wir hier zu einer effizienten und kostengünstigeren effektiveren und leichter praktikabilisierbaren Verwaltung kommen.

Aber jetzt kurz noch zum Ausschuss sechs. Der Gegenstand der zentralen Überlegung war eine Analyse der in der Verfassung vorzufindenden organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen für die Verwaltung und zwar zu dem Zweck, dass in Hinkunft der einfache Gesetzgeber die Verwaltung modernisieren und effizienter gestalten kann. Es ist nicht Aufgabe des Ausschusses gewesen, hier Lösungen vorzulegen. Der Ausschuss hat sich im Zusammenhang mit dem Österreichkonvent logischerweise und sinnvollerweise nur mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Verwaltung zu beschäftigen. Für genau definierte Verwaltungsbereiche soll nun in der Verfassung eine ausdrückliche Ermächtigung vorgesehen werden, eine einfach gesetzliche Weisungsfreistellung vorzunehmen. Das war ein wesentlicher Punkt, der im Zusammenhang mit dem Ausschuss sieben behandelt worden ist. Die Normierung verfassungsrechtlicher Determinanten für Ausgliederung ist ein weiteres zentrales Anliegen des Konvents. Auch hier gibt es entsprechende Textvorschläge.

Es wurde auch ein Textvorschlag erarbeitet, der gebietskörperschaftsübergreifende Behörden ermöglichen soll. Das wurde zwar von einem Teil der Mitglieder des Ausschusses als Innovation begrüßt. Andere meinten, man würde hier klare Verantwortlichkeiten unterbinden. Hier gibt es also keinen Konsens. Derzeit gibt es verschiedene verfassungsrechtliche Vorschriften, die die Ausgestaltung der Verwaltungsorganisation determinieren beziehungsweise an die Zuständigkeit einer anderen Gebietskörperschaft binden. In den Ausschussberatungen gab es breite Zustimmung, die angeführten wechselseitigen Bindungen aufzuheben. Das verfassungsrechtliche Organisationskonzept eines einheitlichen Amtes der Landesregierung soll aber weiter existieren.

Das Modell der mittelbaren Bundesverwaltung schließt in formaler Hinsicht den Kreis von Demokratie, Bundesstaat und Rechtsstaat, da der Landeshauptmann dem Bundesminister weisungsverpflichtet und letzterer dem Nationalrat verantwortlich ist. Insoweit besteht ein lückenloser Legitimationszusammenhang. Der Ausschuss sprach sich überwiegend für die Beibehaltung des Systems der mittelbaren Bundesverwaltung aus, wenngleich es auch Vorschläge gibt, wie man die mittelbare Bundesverwaltung modifizieren kann. Es besteht also hier kein Konsens, wenngleich man bei den verschiedenen Ausgestaltungen nicht weit voneinander entfernt ist.

Was gänzlich offen ist, sind die Sonderverwaltungsbereiche: Sicherheitsverwaltung, Schulverwaltung und die Militärverwaltung. Dieses Tor werden wir hoffentlich bei unserer nächsten oder bei unseren nächsten Sitzungen schießen können. Keine Übereinstimmung besteht auch, dass die öffentlich-rechtliche Vorprägung für das Dienstverhältnis der öffentlich Bediensteten entfallen könne. Vielmehr wurde zuletzt auch für einen öffentlich-rechtlichen Kollektivvertrag plädiert. Der Ausschuss befasste sich auch mit der dienstrechtlichen Homogenität im Bundesstaat. Diesbezügliche Textvorschläge wurden nur unter der Bedienung akzeptiert, dass auch weiterhin genügend Freiheiten für den jeweiligen Dienstgeber bestehen, um den einzelnen Anforderungen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene gerecht zu werden. Dann gibt es Vorschläge zum öffentlichen Haushaltswesen. Hier soll im Besonderen die Umsetzung des Globalbudgets ermöglicht werden. Es gibt dazu aber keinen Konsens. Einen Konsens gibt es, dass man für das E-Government einen einheitlichen Ansatz unter Wahrung der organisatorischen Einheit der Länder schaffen kann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Insgesamt verstehe ich den Österreichkonvent als eine wünschenswerte notwendige Maßnahme. Sie gestatten, dass ich hier noch einmal kurz darauf eingehe, weil ich das erste Mal zu Ihnen sprechen darf. Ich würde Sie aber wirklich ersuchen, dass Sie im Lichte der Mitgliedschaft zur Europäischen Union und hier auch der Osterweiterung ein besonderes Augenmerk darauf legen, dass die Verwaltung, die sehr flexibel sein muss, um entsprechende Aufgaben bewältigen zu können, hier nicht unnötige verfassungsrechtliche Fesseln angelegt bekommt. In diesem Zusammenhang darf ich auf einen Satz aus dem Volk verweisen und dieses sollte man im Zusammenhang mit einer neuen Verfassung nicht vergessen: Weniger ist oft mehr. Danke.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka (übernimmt den Vorsitz): Danke vielmals, Herr Sektionschef! Wir sind uns auch des Umstandes bewusst, dass dieser Bericht unter erschwerten Bedingungen zustande gekommen ist, weil Sie diese Funktion erst in jüngster Zeit übernommen haben, daher umso mehr. Es ist schön, dass Sie nicht alle Zitate aus dem Volke hier gebracht haben, sondern nur eines und dem können wir sicherlich zustimmen, obwohl es wahrscheinlich eine Illusion sein wird, dass es eine Bundesverfassung gibt, auf der zwar alles, was dieser Staat erfordert, geregelt ist, die aber Platz auf einem Straßenbahnfahrschein findet.

Wir kommen nun zur Diskussion ihres Berichtes und da habe ich als nächste Wortmeldung Professor Öllinger. Ich bitte ihn, die Wörter zu ergreifen.

Dr. Theodor Öhlinger: Herr Sektionschef Abentung hat kurz berichtet, dass im Ausschuss 6 weitgehender Konsens über die Beibehaltung der mittelbaren Bundesverwaltung erzielt wurde, und wir haben das auch schon im ersten Zwischenbericht des Ausschusses gehört. Auch wenn bislang in diesem Konvent noch nicht so viel Konsens erzielt wurde, dass man tatsächlich erzielte Konsense in Frage stellen sollte - man soll sich vielmehr darüber freuen -, so möchte ich trotzdem speziell diesen Konsens noch einmal zur Debatte stellen. Ich glaube nicht, dass die mittelbare Bundesverwaltung der Weisheit letzter Schluss ist.

Wir haben im Ausschuss 5, dem ich angehöre, nur über die Gesetzgebungskompetenzen gesprochen. Ob das wirklich eine sehr glückliche Arbeitsteilung war, weiß ich nicht, weil man natürlich bei der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Hinterkopf auch immer wieder daran denkt, wer zuständig sein soll, diese Gesetze zu vollziehen.

Im Ausschuss 5 ist klar geworden, dass im Bereich der Gesetzgebung der Trend zu einer Konzentration beim Bund irgendwie unaufhaltsam ist. Wir haben in diesem kleinen Land einen hohen gesellschaftlichen Bedarf nach einheitlichen generellen Regelungen. Alle Wortmeldungen in den Anhörungen der gesellschaftlichen Organisationen, die sich zu dieser Frage geäußert haben, waren Forderungen nach einheitlicher Gesetzgebung. Das ist ein gesellschaftlicher Trend, dem wir uns einfach nicht ganz entziehen können.

Wo aber Spielraum für die Länder, und zwar nicht nur reiner Vollzugsspielraum - man muss sich von diesem Konzept eben lösen -, sondern wo auch Gestaltungsspielraum für die Länder bestehen könnte, das ist meiner Meinung nach die Ebene der Vollziehung. Und auch das Kompetenzverteilungsmodell des Ausschusses 5 tendiert mit der Kategorie der so genannten dritten Säule - das ist eine Bezeichnung für konkurrierende oder gemeinschaftliche Gesetzgebung, um in der EU-Terminologie zu sprechen - in die Richtung einheitlicher Regeln zumindest in grundsätzlicher Weise; aber Ausführung dieser einheitlichen Regelungen durch die Länder, und zwar durchaus mit jenem Spielraum, der es den Ländern ermöglicht, dort, wo lokale Besonderheiten bestehen und wo es um die unmittelbare Gestaltung der Lebensqualität der Menschen in einer Region geht, dem Rechnung zu tragen. Ich meine, dass dies ein zukunftsweisenderes Modell des österreichischen Föderalismus wäre, als jener Streit um Kompetenzsplitter in der Gesetzgebung, wie er die derzeitige Situation des Bundesstaates Österreich kennzeichnet.

Man bezeichnet ein solches Modell als Vollzugsföderalismus, und das ist ein Terminus, der negativ besetzt ist. Mir hat allerdings noch niemand den Widerspruch erklären können, dass das Modell des Vollzugsföderalismus in Österreich ein schlechtes Modell ist, aber dass ein Modell, das nicht föderalistisch ist, und das ist die mittelbare Bundesverwaltung, aus föderalistischen Gesichtspunkten ein besseres sein soll. Das ist ein Widerspruch, den ich nie ganz verstanden habe. Ich bekenne mich als Anhänger eines prinzipiellen Vollzugsföderalismus.

Ich will jetzt nicht näher auf die demokratiepolitischen Probleme der mittelbaren Bundesverwaltung eingehen. Sie sind zumindest jenen, die aus den Landtagen kommen und dort vielleicht sogar einer Oppositionspartei angehören, bestens bekannt. Man kann natürlich in diesem Punkt das eine oder andere korrigieren, aber die Problematik ist prinzipiell unlösbar, weil in der mittelbaren Bundesverwaltung etwas erfolgt, was der Konvent auch als generelles Ziel abschaffen möchte: er verflechtet Bund und Länder in einer Weise, die letztlich die Zurechnung von Verantwortung problematisch macht.

Die mittelbare Bundesverwaltung ist ferner auch ein schönes Beispiel für die Diskrepanz zwischen geschriebener normativer Verfassung und Verfassungsrealität in Österreich. Und es ist auch eine Aufgabe des Konvents, diese in sehr vielen Bereichen bestehenden Divergenzen etwas zu vermindern. Ich bin nicht so naiv, um zu verkennen, dass die mittelbare Bundesverwaltung ein ganz zentrales Element der österreichischen Verfassungsrealität ist. Die Macht der Landeshauptleute beruht in Wahrheit überwiegend auf der mittelbaren Bundesverwaltung. Aber damit steht eben die Verfassungsrealität in einem Spannungsverhältnis zur geschriebenen Verfassung, und auch darüber sollte man sich Gedanken machen.

Und ein letzter Punkt. Ich bin kein Fetischist von Einsparungen. Ich glaube nicht, dass es primäre Aufgabe des Konvents ist, Einsparungen zu ermitteln, aber wenn es wo ein Einsparungspotential gibt, dann jedenfalls in der Reduzierung von Doppelverwaltungen, und die mittelbare Bundesverwaltung ist eine Doppelverwaltung.

Zusammengefasst: Ich wollte einen Kontrapunkt zum überwiegenden Konsens, dass man an der mittelbaren Bundesverwaltung festhalten soll, setzen. Danke.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals. Der Kontrapunkt ist Ihnen durchaus gelungen, und zwar in unüberhörbarer Weise. - Als Nächster Dr. Hanreich.

Dr. Hans-Peter Hanreich: In den bisherigen Ausschussberatungen des Ausschusses 6 wurden vor allem zwei große Bereiche diskutiert. Einmal grundlegende verwaltungsrechtliche Fragen wie Weisungen, weisungsfreie Bereiche, Ausgliederungen, Oberste Organe, allgemeine dienstrechtliche Fragen und so weiter, zum anderen wurde begonnen, manche Bereiche der Sonderformen der Verwaltung zu diskutieren.

Unser Ausschussvorsitzender Abentung hat, wie es einem „Austauschspieler“ geziemt, das Spiel jetzt auf ein anderes Terrain, auf einen anderen Bereich des Feldes verlagert, und hat sehr zurecht auf die Einflüsse der EU-Vollziehung auf die österreichische Verwaltung hingewiesen.

Alle drei diskutierten Fragenbereiche hängen mit dem im Ausschuss 6 diskutierten Effizienzprinzip zusammen. Es ist gelungen, in diesem Ausschuss ein Effizienzprinzip zu definieren, das alle Organe des Bundes der Länder und Gemeinden verpflichten soll, ein hohes Maß an Wirksamkeit anzustreben und im Sinne der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu handeln.

Klar ist, dass der Konvent allein mit einer Änderung der Verfassung in manchen oder vielen Punkten, je nachdem wie erfolgreich die Verhandlungen sein werden, nicht die Verwaltung effizienter machen kann; aber, und das wurde auch schon wiederholt im Zusammenhang der jetzigen Diskussion gesagt und zuletzt hat Prof. Öhlinger darauf hingewiesen, er kann und muss die Voraussetzungen für eine effiziente Verwaltung schaffen. Dass solche Effizienz- und Einsparpotentiale vorhanden sind, ist in den letzten Monaten durch Prüfberichte des Rechnungshofes, Studien von IHS, KDZ und des Staatsschuldenausschusses z.B. für das Gesundheitswesen, Schulwesen, Abwasserwesen et cetera, nachgewiesen worden.

Die Aufnahme eines solches Effizienzprinzipes in die Verfassung hätte nach unserer Meinung wesentliche Konsequenzen. Ein solches Prinzip würde als ständiger Mahner fungieren, der die staatlichen Organe zu rationellem Mitteleinsatz anhält. Es würde sie dazu verhalten, sich Gedanken darüber zu machen, ob die angestrebten Ziele mit den beabsichtigten Maßnahmen auch wirklich erreicht werden können. Es würde damit auch eine starke Sensibilität für wirtschaftliches und nachfrageorientiertes Handeln bewirkt werden können.

Der Vorschlag, ein Effizienzprinzip in die Verfassung aufzunehmen, könnte somit ein wesentlicher Auslöser und die Grundlage für eine weitergehende Verwaltungsreform sein. - Danke.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Herzlichen Dank. Als Nächster Dr. Bußjäger. -  Bitte, Sie haben das Wort.

Dr. Peter Bußjäger: Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz auf die Argumente von Öhlinger replizieren.

Im Grunde hat er Recht, der Vollzugsföderalismus ist immer noch besser als die mittelbare Bundesverwaltung. Noch besser ist der wirkliche Föderalismus, aus der föderalistischen Sicht. Nun, die Argumente, die für die mittelbare Bundesverwaltung sprechen, sind aus meiner Sicht ausschließlich pragmatisch bedingt. Wir haben in Österreich keine Kultur der Differenzierung, das wäre aber die Folge eines Vollzugsföderalismus, nämlich dass auch die Vollziehung von Rechtsvorschriften uneinheitlich sein kann. Diese mangelnde Kultur der Differenzierung würde dann in irgend einer Form kompensiert. Durch die Erlassung von Durchführungsverordnungen, die die Verwaltung binden würden.

Ich glaube, im Ergebnis hätten wir ein beachtliches Ansteigen des Rechtsstoffes zu erwarten. Sie würde kompensiert durch Aufsichtsmittel in diesen vormals Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung, Aufsichtsmittel des Bundes, wie wir sie aus den Entwürfen der Bundesstaatsreform her kannten. Und die Übertragung der parlamentarischen Kontrollrechte auf die Landtage würde mit einem gewissen Misstrauen begegnet werden, dem wahrscheinlich auch auf der verfassungsrechtlichen Ebene die Forderung nach gleichartigen Kontrollstandards in allen Ländern folgen würde, so dass man durchaus der Meinung sein kann, das in der Verwaltungspraxis schon bewährte System der mittelbaren Bundesverwaltung nicht zu verlassen und das Risiko des Vollzugsföderalismus mit seinen Nebenwirkungen und Nebenerscheinungen nicht in Kauf zu nehmen.

Lassen wir es wie es ist, das ist eine pragmatische Vorgangsweise, die nicht ganz unösterreichisch ist und daher zu diesem Konvent passt.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals, Herr Professor. Ich stelle mir nach Ihren letzten Bemerkungen nur persönlich die Frage, wie österreichisch ist eigentlich der Österreich-Konvent. Aber die Frage wird wahrscheinlich erst am Ende der 18 Monate beantwortet werden können.

Als Nächster Dr. Matzka am Wort. Wir bitten, die Worte zu ergreifen, wobei ich darauf hinweisen möchte, hier spricht Dr. Matzka als Mitglied des Ausschusses 6 und nicht als Vorsitzender des Ausschusses 7. - Bitte.

Dr. Manfred Matzka: Danke, Herr Vorsitzender. Liebe Kolleginnen und Kollegen!

An sich wäre es verlockend, auf die Frage der mittelbaren Bundesverwaltung einzugehen. Ich werde es in ein paar Sätzen tun.

Ein wesentlicher Punkt der Arbeit des Ausschusses 6 ist die Frage, kann man - und wenn ja, wie - Verwaltung effektiver und effizienter machen? Ich glaube, dass der Ausschuss hier eine Reihe von Arbeiten geleistet hat, die zu sehr konkreten und guten Ergebnissen geführt haben. Etwa im Bereich der Budgetierung, aber auch bei einigen Organisationsvorschlägen. Ich glaube aber, dass er in der Deklaration eines Effizienzgebotes zu kurz greift.

Wir schreiben im Ausschussbericht einen Auftrag an alle staatlichen Verwaltungen und wahrscheinlich auch an die Gesetzgebungsorgane nieder, effektiv zu sein, effizient zu sein, lösen aber selber bei unseren Vorschlägen für staatliche Strukturen dieses Gebot nur unzulänglich ein. In welchem Punkt sehe ich das im Besonderen? Ich sehe es insbesondere in der dreifachen Ebene unserer Verwaltung: Gemeinde, Bezirksverwaltung und Amt der Landesregierung. Das ist ein Problem, das im Ausschuss 6 kaum angesprochen wurde und im Ausschuss 3 ebenfalls nicht. Es ist irgendwie dazwischen in einen Spalt gefallen, wo es notwendig wäre, die Frage noch einmal herauszunehmen und sich anzusehen. Man muss da noch die Frage stellen, ob hier wirklich mit dieser dreifachen Schichtung auf regionaler Ebene der Weisheit letzter Schluss erfunden ist. Da sind Effizienzpotentiale drinnen, die man sich noch einmal anschauen sollte.

Nun meine zweite Bemerkung zur mittelbaren Bundesverwaltung. Es muss wohl so sein:  Wenn der vorgesetzte Professor dem untergeordneten Assistenten Argumente vorhält, dann haben die eine sehr große Überzeugungskraft. So war es auch diesmal bei den Worten meines ehemaligen Chefs, Prof. Öhlinger. Ich möchte zwei Überlegungen zur mittelbaren Bundesverwaltung anführen. Es ist richtig, dass wir im Ausschuss gesagt haben, sie kann dabei bleiben, denn viel Besseres findet man nicht. Aber man sollte schon auch ehrlich sein - warum hat man das gesagt? Im Grund hat man es deswegen gesagt, weil man mit dieser Lösung den wenigsten Leuten am wenigsten wehtut.

Die starke Stellung des Landeshauptmannes als Organ in der mittelbaren Bundesverwaltung ist das wichtigste Argument dafür, dass es gar so leicht war, sich darauf zu einigen. Aber gerade da sollte man ansetzen und sich die Frage stellen: Wenn man sich in der Vollziehung der Länderstruktur bedient (und niemand will Bundesgesetze durch Bundesbehörden vollziehen, sondern sich der Länderstruktur bedienen) dann ist man schon bei der Frage angelangt, ob es gescheit ist, das alles durch ein einziges Nadelöhr laufen zu lassen, das Landeshauptmann heißt. Oder ob es dann nicht sinnvoller wäre, die Vollziehung über jene Organe laufen zu lassen, die in der Landesverwaltung den Vollzug beherrschen, nämlich über die jeweils sachzuständigen Mitglieder der Landesregierung.

Das zweite Argument ist auch ein bisschen scheinheilig: Mittelbare Bundesverwaltung deshalb, weil es notwendig ist, den Vollzug von Bundesgesetzen durch Landesorgane auch kontrollieren zu können durch die Organe der Bundesgesetzgebung. Aber ist da die jetzige Realität der mittelbaren Bundesverwaltung wirklich so, dass eine Kontrolle des Nationalrates über den Vollzug in der mittelbaren Form in den Ländern effektiv und effizient funktioniert? Ich kann also den Argumenten von Prof. Öhlinger durchaus etwas abgewinnen, sie sind nicht ganz unüberzeugend.

Zu den konkreten Vollzugsbereichen, die wir nur ansatzweise abgearbeitet haben, nämlich Sicherheitsverwaltung, Gesundheitsverwaltung und Schulverwaltung ein letztes Wort: Hier liegt natürlich die Schwierigkeit in jedem dieser Bereiche im Detail. Da gibt es jeweils eine vorgefundene Verwaltungsstruktur, die gar nicht so einfach zu durchschauen und durch Alternativen zu ersetzen ist.

Es zieht sich aber durch diese Diskussion ein Gedanke durch und den unterstreiche ich noch einmal, weil für die weitere Arbeit auf Gesamtkonventebene daraus etwas zu gewinnen ist: Wenn wir sehen, dass wir in konkreten Vollzugsbereichen jeweils zu viele Ebenen übereinander haben, dass die Zuständigkeitsgebiete vielleicht zu kleinräumig sind, dass man Bezirk, Land und Bundesebene übereinander stellt, dann liegt es nahe, in allen diesen Kontexten über ein Modell nachzudenken, wie man hier besser regional zusammenfassen kann. Die Regionalisierung bestimmter Vollzugstätigkeiten ist ein europäischer, sehr moderner Gedanke, dem wäre durchaus auch in unserem Lande etwas abzugewinnen. Das ist ein Gedanke, der sich sowohl im Bereich der Sicherheitsverwaltung als auch im Bereich der Schulverwaltung als auch im Bereich der Gesundheitsverwaltung anbietet, um manches schlanker zu machen, als dies mit dem derzeit geltenden Baukastensystem des Bezirks, der Länder und des Bundes möglich ist. - Danke schön.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke auch für diesen Diskussionsbeitrag. Als Letzte zum Bericht des Ausschusses 6 Frau Dr. Glawischnig. Bitte um Ihre Wortmeldung.

Dr. Eva Glawischnig: Danke, Herr Präsident. Letzte verbleibende Mitglieder des Konventes!

Zuerst bin ich dafür, dass wir eine Geschäftsordnungsfrage vielleicht noch einmal diskutieren sollten. Diejenigen Mitglieder, die überhaupt nie bei einer einzigen Konventsitzung, weder bei einer Ausschusssitzung noch bei einer Plenarsitzung dabei sind, da bin ich eigentlich der Meinung, dass man ihnen zum Schluss das Stimmrecht entziehen sollte. Vielleicht sollte man das noch diskutieren.

Jetzt zu den anderen Fragen im Sinne Ihrer Zeitökonomie. Ich möchte zum letzten Ausschuss - zum Fünferausschuss - eine kurze Bemerkung noch machen als Präsidiumsmitglied und ich möchte zum vorliegenden Sechserausschuss und auch zum Achterausschuss zwei Bemerkungen machen und alles zusammenfassen in eine Wortmeldung.

Zu den Kompetenzen noch. Wir haben im Präsidium an und für sich eine sehr leidenschaftliche Diskussion mit dem Vorsitzenden des Ausschusses 5, mit Herrn Dr. Bußjäger geführt, dass man, um die historische Wahrheit auch noch richtig zu stellen, sagen muss, dass es im Präsidium einen durchgehend sehr viel bundesfreundlicheren Zugang zu der Kompetenzfrage gibt als im Ausschuss selber. Überraschend war nur, dass einzelne Präsidiumsmitglieder in der Öffentlichkeit eine andere Position vertreten. Aber im Präsidium selber war der Wunsch, dass diese Vorschläge, die es in dieser Richtung gibt, dass die mehr Beachtung finden. Das ist meiner Meinung nach bis jetzt ins Leere gelaufen im Ausschuss 5. Besonders umstritten sind nach wie vor Konfliktfelder wie eben Schulwesen, Umweltschutzwesen, diese Idee am Wasserrecht, Forstrecht und Bergrecht, in die dritte Säule zu verlagern. Ich halte das sachlich einfach für falsch. Ich würde bitten, dass dieser Wunsch des Präsidiums auch dementsprechend noch einmal ernster genommen wird, dass man sich in dieser Hinsicht noch einmal bemüht.

Auf die Frage, wie die dritte Säule irgendwie funktionieren soll, da gibt es im Moment auch noch keinen Konsens. Allerdings, die reine Ablehnung von einem Zwei-Säulen-Modell ist meiner Meinung nach nicht sachlich begründet, sondern ist im Ausschuss so begründet worden, dass das realpolitisch einfach keine Chance hat. Und das finde ich auch nicht ganz fair, also, man möge es zumindest sachlich so begründen. Ich glaube, dass es durchaus möglich ist, ein reines Zwei-Säulen-Modell auch zu machen und ich sehe mich da durchaus auch mit anderen Konventsmitgliedern auf einer Linie.

Zum Sechser-Ausschuss. Verwaltungsreform. Uns ist da ein besonderer Themenbereich ein Anliegen, nämlich Partizipation. Und wir haben das im Zusammenhang mit dem von der ÖVP vorgeschlagenen Textvorschlag, zum Effizienzgebot immer gesehen, immer gekoppelt gesehen. Wir haben auch einen Textvorschlag gemacht, der diese beiden Anliegen auch miteinander verknüpft, der da lautet, dass die Organe Bund, Länder und Gemeinden Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit, aber auch transparentes Handeln und grundsätzlich auch die Öffentlichkeit zu beteiligen, haben.

Damit sind wir durchaus auch in einer Tradition, die in vielerlei Dokumenten und Richtlinien, Vorschlägen, auch der Europäischen Union, auch international, mit Arhus Konvention, eigentlich schon vorgegeben ist, einen Weg der verstärkten Transparenz und Partizipation, den man in Österreich durchaus auch noch weiter gehen könnte, uns ein sehr wichtiges Anliegen. Wir sind in dem Ausschuss nicht vertreten, deswegen bringe ich es auch hier noch einmal als Präsidiumsmitglied deutlich vor.

Ich möchte auch gleich noch zum Achterausschuss ein paar Bemerkungen machen. Der Achterausschuss war uns auch immer sehr wichtig, aufgrund des gesamten Themenkomplexes, parlamentarische Kontrolle, allerdings auf allen Ebenen. Das betrifft nicht nur den Nationalrat in seiner Gesamtheit, sondern vor allem auch Kontrollrechte auf Gemeindeebene und auf Landesebene.

Ich hoffe, dass es hier noch auf politischer Ebene ein paar Annäherungen geben mag, weil ich glaube, dass das auch eine wichtige Messlatte für den Konvent insgesamt sein wird, inwieweit man durch Kontrolle die Qualität von demokratischen Entscheidungen einfach verbessert. - Danke schön.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals für die Wortmeldung zum Bericht des Ausschusses 6 und auch zu dem noch nicht gehaltenen Bericht des Ausschusses 8. Wir sind damit am Ende der Diskussion zu dem vorliegenden Bericht und kommen nun zum nächsten Ausschuss. Das ist der Ausschuss Nummer 7 des Herrn Vorsitzenden Dr. Matzka. Ich bitte um die Berichterstattung, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass die vorgesehene Redezeit keine Mindest-, sondern eine Höchstredezeit ist.

Dr. Manfred Matzka: Danke, Herr Vorsitzender!

Zum Bericht des Ausschusses 7 wiederhole ich nicht, was hier ohnedies schon einmal gesagt wurde. Es wurde ein Bericht abgegeben, er wurde schriftlich vorgelegt und ausführlich diskutiert. Er wurde in gewisser Weise noch ergänzt durch die Arbeiten, die wir im gemeinsamen Arbeitskreis 6, 7 und in einer Sitzung aufgrund eines Nachtragsmandates im Ausschuss 7 gemacht haben. Ich möchte daher nur ganz kurz in Stichworten zusammenfassen.

Wo haben wir Konsens erreicht und gefunden? Im Bereich der weisungsfreien Organe, der Regulatoren und der Ausgliederung in folgenden Punkten: Eine Ermächtigung des einfachen Bundes- und Landesgesetzgebers zur Einrichtung weisungsfreier Verwaltungsorgane in definierten Materienbereichen. Das liegt im Text vor.

Zweiter Punkt. Die Materienbereiche hiefür wurden ebenfalls definiert. Es gibt zwar hier keinen Konsens bis ins letzte Detail jedes einzelnen Wortes, aber doch einen Konsens über mehr als die Grundzüge. Und im Licht der Ergänzungsdiskussion im Arbeitskreis 6 und 7 ist das fast vollständig abgeschlossen, da sind wir ganz nah an einem vollständigen Konsens über einen Text. Man braucht sich ja hier auch nicht auf jedes Wort bei dieser Umschreibung der Ermächtigung einigen, um ein vernünftiges und tragfähiges Konventergebnis abzuliefern. Ein Text mit zwei, drei kleineren Varianten, ist, glaube ich, auch ein guter Text und ein gutes Ergebnis.

Dritter Punkt. Die Integration eines Großteils der Art. 133 Z. 4 - Behörden und überhaupt der weisungsfreien Behörden in eine künftige, verwaltungsgerichtliche Struktur liegen im Text vor.

Vierter Punkt. Eine Einbeziehung der Regelung über Regulatoren in die allgemeine Regelung weisungsfreier Verwaltungseinrichtungen ist vorgeschlagen.

Auch zur Einrichtung der parlamentarischen Kontrolle über das Handeln weisungsfreier Organe gibt es einen Vorschlag im Konsens. Der Vorschlag verfolgt das Ziel, jeden kontrollfreien Raum, jede Flucht aus der Kontrolle, durch Weisungsfreistellung und Ausgliederung zu vermeiden.

Ein sechster Punkt liegt vor, nämlich ein Bündel von Vorschlägen für die einfachgesetzliche Ausgestaltung von Regulatoren und anderen weisungsfreien Einrichtungen. Das ist auch verbunden mit einem prozessualen Vorschlag, den ich für besonders wichtig halte: Nach dem Konvent geht die Welt weiter und es wird Konventsergebnisse geben, an denen man dranbleiben soll, auch wenn sie nicht unmittelbar für die Arbeit des Verfassungsausschusses im Nationalrat relevant sind. Dies gilt etwa für den Vorschlag, zu den ausgegliederten Einrichtungen ein Weißbuch zu erarbeiten, für Bund, Länder und Gemeinden eine Grundstruktur einer besonderen GesmbH-Form für die ausgegliederten Töchter der Gebietskörperschaften zu erarbeiten, ein Baukastensystem zu entwickeln, mit dem der Gesetzgeber dann sehr viel leichter basteln kann, als in der Vergangenheit.

 Eines der wichtigsten Ergebnisse der Arbeit ist neben den Textvorschlägen auch der Umstand, dass wir dieses Feld von Ausgliederung, Ausprivatisierung, Weisungsfreistellung, Unabhängigkeit, Selbstverwaltung durchforstet haben und hier eine gewisse Systematik finden konnten, auf der sich, glaube ich, legistisch leichter aufbauen lässt.

Zweiter Bereich, Privatwirtschaftsverwaltung. Was haben wir hier konsentieren können? 

Beibehaltung der derzeitigen Kompetenzlage. Beibehaltung der derzeitigen Legalitätsbindung des Artikel 18 B-VG für die Privatwirtschaftsverwaltung. Ja zu einer Grundrechtsbindung der Privatwirtschaftsverwaltung. Und da haben wir auch dazu gesagt, was das heißen kann, wie weit sie gehen kann, wo das derzeitige System sinnvoll reformierbar ist und wo man sich nicht zu viel zu erwarten haben wird.

Der vierte Punkt hier betrifft die Intensivierung des Zusammenwirkens und der Koordination der Gebietskörperschaften in der Privatwirtschaftsverwaltung und der fünfte Punkt ist die Effektuierung der Kontrolle in diesem Feld. Das ist vielleicht ein etwas konservatives Ergebnis, da geht es nicht in neue Welten hinein, aber auch dazu den Konsens gefunden zu haben, ist ein Wert.

Dritter Bereich, die Selbstverwaltung. Die Verankerung der nicht territorialen Selbstverwaltung in der Verfassung liegt im Text vor. Die wesentlichen Elemente für diese Selbstverwaltungskörper liegen im Text vor, ein Katalog der Einrichtungen, die man jedenfalls als Selbstverwaltungskörper gestaltet haben will, liegt vor und die Verankerung der Sozialpartnerschaft im Rahmen des Staatszielekataloges ist ebenfalls empfohlen. Vielleicht kann man hier noch aus dem Ausschuss 3 einen Gedanken zu den Universitäten gewinnen und sie einbeziehen in den Katalog der Selbstverwaltungseinrichtungen. Das wäre nicht so unvernünftig.

Als Fleißaufgabe hat der Ausschuss dann noch einen Textvorschlag für eine radikale, textliche Vereinfachung der Regelung der Zuständigkeiten des Rechnungshofes bei der Kontrolle Ausgegliederter und bei der Kontrolle Privatwirtschaftsverwaltung abgeliefert.

Es gibt auch Dissenspunkte: Die Verpflichtung der Regulatoren zur Bedachtnahme auf die allgemeinen Grundsätze der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und eine Leistungsgarantie des Staates ist nicht im Konsens erarbeitbar gewesen.

Eine ausdrückliche Ermächtigung von Rechtsträgern, unbegrenzt außerhalb der Verwaltung Verwaltungsaufgaben wahrnehmen zu können, ist nicht durchzubringen und hat keinen Konsens gefunden. Eine deutliche Erweiterung der Zuständigkeit der Volksanwaltschaft fand ebenfalls keinen Konsens. Die Verankerung staatlicher Leistungspflichten und die Verankerung der Sozialversicherungsträger als Selbstverwaltungskörper in der Verfassung sah ebenfalls keinen Konsens. Aber da ist vielleicht einiges enthalten, was man gegeneinander abtauschen kann.

Ich komme damit zum letzten Teil meiner Wortmeldung, nämlich zur Einschätzung dessen, wie es weitergehen kann, aufbauend auf dem, was wir im Arbeitsausschuss erreicht haben. Es gibt, so glaube ich, eine im Ausschuss sehr klar herausgekommene neoliberale Position, die sagt, wir wollen dem einfachen Gesetzgeber jedwede Freiheit geben, auszugliedern, auszulagern, weisungsfrei zu stellen, sich außerhalb der staatlichen, traditionellen Organisationsstruktur zu bewegen. Diese Position ist sehr klar, sie ist nachvollziehbar, sie findet aber keine Mehrheit, und wird sie nie finden. Wer immer diese Position vertritt, muss wahrscheinlich versuchen, mit einem Kompromiss zu leben, zurückzugehen und zu schauen, wo er eine Ebene findet, die für alle akzeptabel ist.

 Es gibt eine zweite, sehr grundsätzliche Position, die von sozialdemokratischer Seite kommt, und sagt: Man muss das Recht der Menschen auf staatliche Versorgungsleistungen klar und deutlich positivieren und fixieren. Auch diese Position ist in 100-prozentiger Klarheit offenbar nicht durchzubringen. Auch hier wird es Kompromissmöglichkeiten geben, vielleicht kann man die beiden Dinge auf der nächsten Ebene aufeinander zu bewegen. Eine gewisse Verankerung staatlicher Leistungspflichten ist mit Sicherheit ebenso drin, wie eine gewisse Freiheit des einfachen Gesetzgebers auszugliedern und auszulagern. Und in derselben Weise kann man sich wahrscheinlich durch Kompromisse und gegenseitigen Abtausch bei den Grenzen der Weisungsfreistellung und bei den Grenzen der ausgliederungsfesten Bereiche auf ein Ergebnis zubewegen.

 Schlussendlich könnte man auch noch auf der Basis der Arbeiten des Ausschusses 7 daran denken, im Abschlussbericht des Konvents neben dem Abliefern eines Verfassungstextes, neben dem Abliefern eines Erläuterungsteils, auch noch zu tun, was ich vorher angedeutet habe, nämlich eine Liste konkreter Projektaufträge für die weiterführende Arbeit abzuliefern, in der man sagt: auf der untergesetzlichen Ebene könnte man das machen, auf der politischen Ebene dieses, auf der Planungsebene das. Es gibt da wohl viele Arbeiten, die man im Konsens als notwendig angesehen hat, die aber nicht auf der Ebene der Verfassungslegistik liegen.

Letzte kurze Bemerkung in Richtung der Sparmeister, in Richtung des Effizienzprinzips und in Richtung Medien. Es wird immer gefragt: Was bringt denn das, was wir hier ausgedacht haben und vorschlagen, in Geld umgerechnet. Wenn man die Vorschläge des Ausschusses 7 ungeschickt umsetzt, bringt das überhaupt nichts. Das ist aber zumeist so bei Reformvorschlägen. Wenn man die Vorschläge des  Ausschusses 7 aber geschickt umsetzt, kostenbewusst umsetzt, mit Mut umsetzt und zum Beispiel auf viele lieb gewordene Kollegialbehörden wirklich verzichtet, ist ein namhafter Betrag an Einsparungen möglich. Ich erspare es mir, auf Größenordnungen einzugehen, aber es wird ein namhafter Betrag sein.

Wenn man es schafft, einen unkontrollierten Wildwuchs bei den Strukturen und damit auch bei den Ausgaben ausgegliederter Einrichtungen dadurch zu stoppen, dass man hier vereinheitlicht, dass man die Kontrolle verbessert, sind ebenfalls namhafte Einsparungsbeträge drin. Und wenn man Effizienzkriterien vor allem in den Bereichen einer sehr gut selbst verwalteten Sozialversicherung, in Bereichen der Gesundheitseinrichtungen, im Bereich der Regulatoren und im Bereich der Fördervergaben angeht, sind ebenfalls namhafte Beträge drin. Das wird den Staat insgesamt nicht sanieren, aber ist jedenfalls ein Vielfaches dessen, was die Arbeit im Ausschuss 7 gekostet hat. - Ich danke.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals. Ich bedanke mich auch für das Zeitbewusstsein. Wir haben zwei Redner zu diesem Tagesordnungspunkt. Als ersten Dr. Hanreich.

Dr. Hans-Peter Hanreich: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren!

Vergleichbar zum kurzen und gerafften Bericht des Ausschutzvorsitzenden Sektionschef Matzka auch nur eine kurze Bemerkung von mir. Der Ausschuss 7 - und das haben wir gerade gehört - hat zu vielen Themen Konsens erzielt. Dazu gehört auch die Ausarbeitung eines überzeugenden Vorschlages zur verfassungsrechtlichen Verankerung der nicht-territorialen Selbstverwaltung. Der Ausschuss hat damit der Bedeutung dieser Selbstverwaltungskörper der Wirtschaft, der Arbeitnehmer, der Land- und Forstwirtschaft, der Studierenden und der freien Berufe Rechnung getragen. Diese Selbstverwaltungskörperschaften sorgen, wie Sie alle wissen, für einen Ausgleich innerhalb der von Ihnen zu vertretenden Interessen, fokussieren diese, sind kompetente Ansprechpartner und tragen gerade dadurch ganz wesentlich zum Funktionieren des politischen Prozesses in Österreich bei. Ich glaube, dass gerade heute, wenn vielfach gewürdigt wurde, dass die Sozialpartner einen Vorschlag zu den sozialen Grundrechten gemacht haben, dies eine Gelegenheit ist, auf Selbstverwaltungskörperschaften positiv hinzuweisen.

Die Wirtschaftskammer Österreich meint daher, dass auf Grund der Bedeutung der nicht-territorialen Selbstverwaltung der im Ausschusses 7 erzielte Konsens unbedingt beizuhalten ist. Wir meinen auch, dass die Verankerung der sozialen Selbstverwaltung in der Verfassung notwendig ist. Die selbstverwaltete öffentlich-rechtliche Sozialversicherung hat sich bewährt. Auch deshalb haben sich die Sozialpartner bei ihren Verhandlungen um soziale Grundrechte darauf verständigt, dass in diese Grundrechte eine Bestimmung aufgenommen werden soll, dass der Staat das Recht auf soziale Sicherheit zu gewährleisten hat. Zu verwirklichen ist dies nach unseren Vorstellungen durch die Einrichtung einer selbstverwalteten öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherung, die in Fällen wie insbesondere denen der Krankheit und des Alters eine angemessene Versorgung sicherstellt. So bildet sich für uns ein Bogen zwischen den Verhandlungen des Ausschusses 4 zum Ausschuss 7, der von einem weitgehenden Konsens getragen werden sollte. - Danke.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals. Als Nächste und gleichzeitig Letzte zu diesem Bericht  Frau Mag. Ettl.

Mag. Johanna Ettl: Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass im Hinblick auf eine verfassungsrechtliche Regelung der so genannten nicht-territorialen Selbstverwaltung schon zu Beginn dieses Jahres nicht zuletzt im Hinblick auch auf die positiven Reaktionen im Konvent vom 5. März dieses Jahres weitgehend Konsens erzielen werden konnte. Der nochmalige Auftrag des Präsidiums in Hinblick auf weitere Optionen nach Maßgabe des ergänzenden Mandats waren daher für uns nicht ganz nachvollziehbar. Es wird daher auch niemanden überrascht haben, dass der wohl überlegte Konsens durch die Mitglieder des Ausschusses 7 nochmals einhellig bekräftigt wurde. Nach unserem Dafürhalten wäre es für die Arbeitsweise des Konvents höchst abträglich in seiner mittlerweile erreichten Endphase, alles wieder von Neuem diskutieren zu wollen.

Daher möchte ich mich vornehmlich auf einen entscheidenden Punkt im Rahmen der nicht-territorialen Selbstverwaltung beziehen, der unserem Vernehmen nach noch immer Gegenstand spürbarer Auffassungsunterschiede ist. Ich spreche von der verfassungsrechtlichen Verankerung der sozialen Selbstverwaltung. Warum treten wir so entschieden für die soziale Selbstverwaltung ein? Die Selbstverwaltung verbindet mehrere Prinzipien, welche die sozialstaatliche Verfasstheit unserer Republik kennzeichnen. Hervorzuheben sind hier insbesondere die Prinzipien der Solidarität und der Subsidiarität. So integriert sie den Gedanken des Schutzes für sozial Schwächere mit einer sinnvollen Aufgabenverteilung zwischen privater und staatlicher Atmosphäre. Sie versinnbildlicht nicht nur ein Anliegen des Konvents, effiziente und bürgernahe Entscheidungsstrukturen zu bewirken, sondern überdies - und korrigieren Sie mich, wenn ich mich täuschen sollte - den sozialstaatlichen Grundkonsens der Zweiten Republik.

Eine verfassungsrechtlich abgesicherte soziale Selbstverwaltung ist schließlich nicht nur Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land. Dies sollte und müsste auch Anliegen der weit überwiegenden Mehrheit des Konvents sein. In diesem Zusammenhang möchte ich auch insbesondere an das klare Bekenntnis des Herrn Bundeskanzlers zur Selbstverwaltung in der Sozialversicherung erinnern, das er anlässlich des letzten ÖGB-Kongresses zum Ausdruck gebracht hat. „Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gehe nach wie vor davon aus, dass in dieser wichtigen Frage der österreichischen Sozialverfassung ein Konsens zu finden sein wird. Es handelt sich jedenfalls für uns um eine Frage von großer Wichtigkeit.“

Gestatten Sie mir noch eine ergänzende Bemerkung zu den Worten des Ausschussvorsitzenden Matzka, dass  Sparmöglichkeiten überall bestehen. Ich möchte nur eines in diesem Kreise anführen. Das amerikanische System der Sozialversicherung - und ich nehme einen wichtigen Teil dieses Systems heraus, nämlich die Kosten des Systems der Krankenversicherung in den Vereinigten Staaten: diese betragen mehr als 13 Prozent des dortigen Bruttonationalproduktes. Allerdings mit dem Problem, dass jeder sechste US-Amerikaner nicht krankenversichert ist, die Ausgaben für das österreichische System der Krankenversicherung belaufen sich auf etwas mehr als  8% des Brutto-Inlandsproduktes und das sollten wir bei allen Effizienzüberlegungen immer im Hinterkopf behalten. Ich danke Ihnen.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals. Das war die Berichterstattung und die Diskussion zum Ausschuss Nummer 7. Wir kommen nun zum Ausschuss Nummer 8 - Demokratische Kontrolle -  und da darf ich den stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn Prof. Herwig Hösele, um seinen Bericht ersuchen.

Herwig Hösele: Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es liegt Ihnen in schriftlicher Form der mündliche Bericht der Vorsitzenden vor, deswegen werde ich Ihnen den nicht en detail geben, weil ich mich nicht für die Queen halte, die Thronreden an sich verlesen soll und das soll aber auch im Sinne der Zeiteffizienz - bitte - aber das würde ich doch nicht für mich in Anspruch nehmen wollen.

Aber er ist sehr gut gestaltet und wir sind das auch am Donnerstag durchgegangen, nur wollte ich das Ihnen und uns ersparen. Wir haben insgesamt 11 Sitzungen gehabt, 8 unter dem Vorsitz des Herrn Volksanwaltes, damals ist am 25. Juni ein umfassender Bericht hier im Plenum diskutiert worden, der in weiterer Hinsicht zu unterstreichen ist. Ich werde dann einige Petitessen dazu sagen, drei Sitzungen auf Grund des Ergänzungsmandates haben im Herbst bereits stattgefunden; wir hoffen, dass unter Vorsitz der Frau Präsidentin Prammer wir am Donnerstag, trotz der Nationalratssondersitzung am Nachmittag, zu einer finalen Diskussion kommen werden. Es hat sowohl in den acht Sitzungen unter Vorsitz des Herrn Volksanwaltes als auch in den drei Sitzungen unter Vorsitz der Frau Präsidentin ein sehr konstruktives Klima geherrscht, trotz des geringen Konsenses, der insgesamt erzielt werden konnte. Wir haben in vielen Dingen consent-dissent gehabt, in vielen Kontrollfragen, auf die ich im Detail noch eingehen werde.

Einige wichtige Grundsätze konnten allerdings wirklich außer Streit gestellt werden, das hat damals auch der Herr Volksanwalt hier berichtet im Grundsatz, wobei auch da in der verfassungsmäßigen Formulierung das eine oder andere auch alternativ zu überlegen ist. Als ein wichtiges Signal für Transparenz und Bürgerorientierung ist die angestrebte Priorität der Auskunftspflicht vor der Amtsverschwiegenheit zu sehen und eine neue Normierung im Artikel 20 B-VG.

Zweiter wichtiger Konsens, der besteht, ist, dass im Interesse der politisch aktiven Bürgerinnen und Bürger unserer Republik Volksbegehren mit dem Ende einer Legislaturperiode im Gegensatz zu bisher in Hinkunft nicht mehr verfallen sollen, sondern auch von einem neu gewählten Nationalrat weiter beraten werden müssen. Der Ausschuss 3 unter Vorsitz von Prof. Holzinger hat dazu auch einen Formulierungsvorschlag erstellt, über den wir auch in unserem Ausschuss debattieren und, wie ich hoffe, Konsens erzielen werden. Wir haben im Ergänzungsmandat und das ist auch aufgeführt, erstens Rechte der Parlamente aufgetragen bekommen. Unter diesem Ergänzungsmandat nicht enthalten war, die in den letzten Tagen wieder verständlicherweise verstärkt in öffentlicher Diskussion stehende Frage der Untersuchungsausschüsse und der Frage, mit welchen Quoren Untersuchungsausschüsse eingesetzt werden können. Das ist schon im ersten Bericht dargestellt worden, dass es hier Dissens gibt, hier ist, wir debattieren die Frage der Informationspflicht des Regierungsmitgliedes, das so weit zu reichen hat, wie seine Informationsrechte, auch hier ist die konkrete verfassungsrechtliche Ausformung offen.

Die Frage der besonderen Kontrolle von Ministerentscheidungen in eigener Sache, wir haben hiezu eine international rechtsvergleichende Studie beim Europäischen Zentrum für parlamentarische Wissenschaft und Dokumentation und am Max Planck Institut Heidelberg angefordert, die Studien sind allerdings noch nicht eingelangt. Weitere Frage ist die Frage der Kontrollrechte der Landtage, ob Mindestkontrollstandards im Bundesverfassungsgesetz normiert werden sollen. Auch hier gibt es bedauerlicherweise nur über Dissens zu berichten. Bei der Amtsverschwiegenheit oberster Vollzugsorgane gegenüber ihrem allgemeinen Vertretungskörper allerdings besteht insofern Konsens, dass das Redaktionsversehen der Verfassung 29 selbstverständlich geändert werden sollte.

Leider auch ein Dissens über die Immunität, nicht in der generellen Immunitätsfrage, sondern in der speziellen Frage, ob das den Landtagen vorbehalten sein soll, im Sinne der Verfassungsautonomie der Länder oder nicht, hier hat eine Umfrage der Verbindungsstelle unter den Bundesländer ergeben, dass es hier keine einheitliche Meinung der Bundesländer gibt, also auch hier wollten wir einen Textvorschlag der akkordierten Textvorschlag der Bundesländer, was leider nicht gelungen ist.

Langer Diskussionsbereich war in der ersten Beratungsrunde die Frage der Immunität, damals des Bundespräsidenten/der Bundespräsidentin. Nach der Wahl des Herrn Bundespräsidenten haben wir uns neuerdings mit dieser Frage beschäftigt. Wir haben bezugnehmend aber auf seinen Brief vom 12.8. an das Konventspräsidium und bezugnehmend darauf, dass uns die öffentlichen Aussagen auch des Herrn Nationalratspräsidenten sehr bewusst sind, dass dort Veränderungen nur im Einvernehmen mit dem Herrn Bundespräsidenten vorgenommen werden sollen, eigentlich, nachdem der Herr Bundespräsident in diesem Brief in dieser Hinsicht keinen Wunsch geäußert hat. Ganz im Gegenteil: Zu der Frage der Einberufung von Nationalratstagungen wurde vorläufig die Meinung geäußert, dass kein Handlungsbedarf besteht; wir werden aber dem Präsidiumsauftrag nachkommen, einen Textvorschlag vorzulegen.

Wir haben nochmals beraten in Anwesenheit des Herrn Konventspräsidenten und Rechnungshofpräsidenten außer Dienst und in Anwesenheit unseres Ausschussmitgliedes und neuen Rechnungshofpräsidenten die Fragen des gesamten fünften Hauptstückes, wo der neue Herr Rechnungshofpräsident ein sehr interessantes Textdokument auch vorgelegt hat, im Sinne einer wesentlichen Vereinfachung. Wir sind dort leider auch noch zu keinem Konsens gekommen, aber da sind sehr viele Fragestellungen gewesen, die sehr plausibel erschienen sind, wo ich hoffe, dass wir in der Endredaktion zu einem Ergebnis kommen werden, zu einem konsensualen Ergebnis kommen werden.

Nicht unser Thema war jetzt im Ergänzungsmandat die Frage des Bestellungsmodus des Rechnungshofpräsidenten und/oder die Frage der Wiedereinführung des Vizepräsidenten. Das haben wir schon im ersten Durchgang gehabt, wobei dort die überwiegende Meinung war, dass auf Grund der Zuständigkeit des Rechnungshofes auch für die Länder und für Gemeinden über 20.000 Einwohner, auch hier - zu dem Thema komme ich dann noch - durchaus eine Mitwirkungsmöglichkeit des Bundesrates entweder im Wege der Bundesversammlung oder in einem geteilten Wahlvorgang möglich sein sollte.

Keinen Konsens konnten wir allerdings erzielen, auch nach langer Diskussion, ob Gemeinden unter 20.000 Einwohnern auch einer obligatorischen Rechnungshofprüfung unterzogen werden sollten, trotz vieler sehr plausibel erscheinender Pro-Argumente ist die Meinung einer beachtlichen Gruppe innerhalb des Ausschusses, dass das in der Frage der Problematik durch Doppelprüfungen und zweitens in der Frage der Gemeindeautonomie sozusagen eine contradictio wäre. Ein sehr schmerzhaftes Problem aus der Sicht des Ausschusses stellt das Spannungsverhältnis Einkommensbericht und VfGH-Judikatur dar, weil wir prinzipiell der Meinung konsensual waren, dass ein Einkommensbericht sehr sinnvoll wäre, dass aber die verfassungsrechtlichen Grundlagen dafür aufgrund der diversen Sprüche sehr schwierig zu schaffen seien.

Weiteres Thema: Volksanwaltschaft. Uns war aufgetragen die Frage, wie eine Nachwahlregelung aussehen sollte, für den Fall, dass in laufender Zeit ein Volksanwalt ausscheidet und möglicherweise die politische Gruppierung, die in diesem Augenblick im Ursprung nominierungsberechtigt gewesen wäre, in diesem Augenblick nicht mehr nominierungsberechtigt ist. Auch hier konnten wir bedauerlicherweise keinen Konsens erzielen, so wie in der uns im Ergänzungsmandat nicht mehr aufgetragenen Frage, wie insgesamt eine Abberufung mit welcher Mehrheit, und ob eine Abberufung und mit welcher Mehrheit erfolgen werden sollte, und welche Zahl die Volksanwaltschaft insgesamt an stellvertretenden Volksanwälten beinhalten sollte. Es werden aber, dem Mandat entsprechend, verschiedene Textvorschläge ausgearbeitet.

Die Frage der Amtsverschwiegenheit habe ich schon angesprochen: Priorität für die Auskunftspflicht, auch hier wird es unterschiedliche Verfassungstextvorschläge geben.

Instrumente der direkten Demokratie  - auch schon angesprochen. Selbstverständlich nicht hier Unterbrechung der Diskontinuität und selbstverständlich Nichtverfallbarkeit von nicht fertig beratenen Volksbegehren.

Zwei Themen, die auch noch offen sind, die Frage der Abwahlmöglichkeit für direkt gewählte Bürgermeister, stellt sich als sehr schwierig zu behandelndes Thema dar, weil ja ein vom Volk gewählter direkter Bürgermeister nicht mit einer Gemeinderatsmehrheit, noch dazu einfacher Natur, abgewählt werden sollte. Das ist eine Position. Eine andere Position ist: Auch mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit sollte er nicht abgewählt werden. In dieser Frage wird es Textvorschläge geben, aber auch hier werden sie unterschiedlicher Natur sein.

Offen ist auch noch die Frage des Rechts der Bundesregierung, eine Vorabentscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu beantragen, ob ein konkretes Gesetzesvorhaben einer obligatorischen Volksabstimmung zuzuführen wäre, und gleichzeitig die Frage, ob auch dem Bundespräsidenten ein solches Recht der Vorabentscheidung vor Beurkundung des Gesetzes durch ihn ermöglicht werden sollte. Auch hier ist der Diskussionspunkt offen. Ich glaube aber, dass wir insgesamt für den Endspurt der Beratungen im Präsidium und Plenum brauchbare Entscheidungsalternativen vorlegen konnten.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals, Herr Vorsitzender, für diesen Bericht der Arbeit des Ausschusses Nummer acht. Ich habe insgesamt zwei Wortmeldungen hiezu. Das ist Bundesrat Konecny und Dr. Poier. - Bitte, Herr Bundesrat.

Albrecht Konecny: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

Ich darf mich zunächst für den sehr umfassenden und sehr detailliert die schwierige Meinungsbildung im Ausschuss wiedergebende Berichterstattung durch den Kollegen Hösele bedanken. Es ist, glaube ich, sehr deutlich geworden, wie schwer wir uns tun, Standpunkte hinter denen - das soll man überhaupt nicht verheimlichen - auch ein gutes Stück politisches Interesse steht, auf einen verfassungsrechtlich tragbaren Nenner zu bringen. Das ist ja nichts Illegitimes.

Ich will zwei dieser Themen hier kurz herausgreifen und dazu etwas inhaltlich sagen.

Das eine ist das Thema der parlamentarischen, also in dem Fall Nationalratsuntersuchungsausschüsse. Wenn dieses Instrument jenen Sinn entfalten soll - und ich bekenne mich dazu -, dann ist das natürlich ein Instrument der Kritik an einer Regierung, und zwar an jedweder Regierung, und nicht ein Instrument des Absingens von Lobeshymnen. Wenn dem so ist, dann handelt es sich ganz offensichtlich um ein Primärrecht, das eine Opposition haben muss. Dass dabei jede Menge an Behinderung überschießender Oppositionsinitiative eingebaut werden kann und muss, ist klar. Über die Zahl der Untersuchungsausschüsse, die gleichzeitig laufen, solche Bestimmungen haben wir ja derzeit auch. Aber es handelt sich, wenn dieses Instrument seinen eigentlichen Zweck erfüllen soll, um etwas, was primäres Interesse und wohl auch Recht der Opposition - und ich sage leicht schmunzelnd dazu, keineswegs nur der heutigen Opposition - sein muss und sein soll. Ich halte es nicht für richtig, dass man, das ist heute in der öffentlichen Debatte gesagt worden, das ausschließlich in der Geschäftsordnung des Nationalrates zu fixieren hat. Wenn ich Grundsätze der Kontrolle in der Bundesverfassung verankert haben will, dann muss ich wohl auch dieses Recht verankern.

Das Zweite, worauf ich kurz eingehen will, ist die schwierige Diskussion über die Zusammensetzung der Leitung des Rechnungshofes einerseits und der Volksanwaltschaft andererseits. Ich habe ein gewisses Problem damit, ein seit einigen Jahren bewährtes Prinzip, dass die Volksanwaltschaft, die sich aus den Mitgliedern der größten politischen Gruppen des Parlaments aus ihren Reihen gewählten Vertretern zusammensetzt, so infrage zu stellen, wie das jetzt geschieht. Dieses Rednerpult, das mir vertrauter ist als den meisten, Sie ausgenommen natürlich, Herr Kollege, verleitet mich zu einer leicht polemischen Bemerkung: Also, wenn ich eine Verfassungsreform unter dem Gesichtspunkt vorschlagen soll, dass jede Funktion, deren derzeitiger Amtsinhaber mir nicht gefällt, abgeschafft wird, wird das eine sehr kurze Verfassung.

Aber ich glaube, dass dieser Grundsatz auch bei der Volksanwaltschaft nicht Platz greifen sollte. Ich glaube, dass diese Institution, die sich bewährt hat, von der kollegialen Führung mit wechselndem Vorsitz durchaus profitiert hat, und das in einer Art und Weise, wo ich eher dazu geneigt bin, dieses Modell als Vorbild für andere Bereiche zu sehen, denn es im Sinn einer monokratischen Einrichtung wieder abzuschaffen.

Ich halte diesen, nicht bei uns diskutierten, aber durch öffentlichen Zuruf in die Debatte geworfenen Vorschlag nicht wirklich für zielführend. Erwägenswert ist es, Abberufungen in jedweder Funktion zu ermöglichen, wobei der Grundsatz klar sein muss, dass die abberufende Mehrheit nicht mit der wählenden Mehrheit identisch sein kann. Damit wäre der Beseitigung von Kontrolle natürlich Tür und Tor geöffnet. Wenn eine einfache Mehrheit jemanden wählen kann, dann kann nicht die Nächste in der Zwischenzeit wechselnde einfache Mehrheit, den auch wieder widerspruchslos abberufen können. Das muss schwer wiegende Gründe haben, die auch ein höheres Quorum in den betreffenden Gremien nach sich ziehen. Ich halte mich an das Licht und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals. Wir sind damit fertig geworden mit der Diskussion zum Bericht des Ausschusses... Verzeihen Sie, ich habe auf die falsche Liste geschaut  ... die ich, ich habe Ihnen weder im Ausschuss das Wort vorenthalten, noch will ich das im Plenum Herr Doktor. Ich bitte um Verzeihung und bitte Sie um die Wortmeldung.

Dr. Klaus Poier: Danke Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

Es wurde schon angesprochen, der Ausschuss 8 ist ein sehr schwieriger Ausschuss. Nicht atmosphärisch, sondern eben inhaltlich-politisch. Es gibt sehr große Gräben zwischen den inhaltlichen Standpunkten. Man kann vielleicht sagen: die einen sehen die Dinge deutlich aus der Regierungsbrille; betonen Effektivität und Effizienz; überbetonen diese vielleicht; und erwecken auch immer wieder den Anschein, davon auszugehen, dass sie nie mehr in Opposition sein werden.

Die anderen wiederum sehen die Dinge drastisch aus der Oppositionsbrille; betonen Kontrolle und Mitbestimmung; überbetonen diese vielleicht; und erwecken immer wieder den Anschein, davon auszugehen, immer in Opposition zu bleiben.

Diesen Gordischen Knoten können wir im Ausschuss nicht lösen; da ist wiederum das Präsidium gefordert, und ich hoffe sehr, dass es durch Kompromisse und sicherlich auch Tauschgeschäfte auch in den Fragen des Ausschusses 8 zu Lösungen kommen wird.

Als jemand, der im Rahmen des Länderkontingents in den Österreich-Konvent nominiert wurde, möchte ich zwei Punkte ansprechen, die die Rechte der Länder betreffen.

Einerseits bin ich nicht glücklich mit den immer wieder im Ausschuss flächendeckend geforderten so genannten Mindeststandards für die Regelungen der Landesverfassung in der Bundesverfassung. Denn solche würden zu einer sehr weitgehenden Einschränkung der Landesverfassungsautonomie führen, und diese sollte ja gerade in Fragen der Organisationsgestaltung weitgehend groß sein. Auch im Vergleich zu anderen Bundesstaaten ist die Autonomie ja bisher schon sehr eingeschränkt.

Andererseits sind aber die Kontroll- und Mitbestimmungsrechte in den Ländern ohnedies weit stärker ausgebaut als in der Bundesverfassung. Ich denke etwa an den Untersuchungsausschuss, der in einigen Bundesländern - etwa auch in der Steiermark - ein Minderheitenrecht ist. Und deshalb sind Formulierungen für die Bundesverfassung wie etwa „die Landesverfassungen haben Kontrollrechte des Landtages gegenüber der Landesregierung vorzusehen“ zwar keine Einschränkung der Landesverfassungsautonomie, aber letztlich eine Demütigung für die Länder, die diese Rechte ohnedies in großer Zahl vorsehen.

Und ein zweiter Punkt zu Rechnungshof und Volksanwaltschaft. Beide Institutionen werden auch funktionell als Länderorgane tätig; der Rechnungshof auf jeden Fall und die Volksanwaltschaft in den meisten Ländern. Deshalb sollte man auch vorsehen, dass die Länder in irgendeiner Form bei der Bestellung der Organe dieser Institutionen mitwirken. Und da wäre es ein gangbarer Weg, dass jeweils die Vorsitzenden oder Präsidenten vom Nationalrat und deren Stellvertreter vom Bundesrat bestimmt werden.

Freilich kann man sich auch andere Organisationsmodelle vorstellen, aber man sollte dann immer auch im Auge behalten, wie eine effektive Mitwirkung der Länder bei der Bestellung dieser Organe verwirklicht werden kann. - Danke sehr.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals. Aber damit sind wir am Ende der Diskussion zu dem Ausschuss 8 angelangt, das ich verfrüht enunziert habe und komme nun als Letztes zum Bericht des Ausschusses 9. Ich darf daran erinnern, dass der Ausschuss 10 schon vorab erledigt worden ist.

Ich bitte Herrn Professor Haller, den Bericht seines Ausschusses zu erstatten.

Dr. Herbert Haller: Danke, Herr Vorsitzender. Meine Damen und Herren! Wenn man in Gefahr kommt, zu lange zu reden, würde dann der Dank nicht mehr abgestattet werden können. Deshalb darf ich all denen danken, die im Ausschuss die Knochenarbeit der Textformulierung geleistet haben. Ich darf nur die Namen nennen: Grabenwarter, Holzinger, Jabloner, Schnitzer, Stoisits und unser Mitarbeiter Doktor Schernthaner.

Ich darf danken für die internen Koordinationen, die stattgefunden haben, etwa wenn die drei Höchstgerichtspräsidenten sich zusammengefunden haben oder wenn zwischen den Ländervertretern - Direktor Lengheimer aus Niederösterreich und Gemeinderat Stürzenbecher aus Wien - Koordinationen zum Wohle des Ergebnisses stattgefunden haben.

Wir haben eine Arbeitsweise gepflogen, die von zwei „Fraktionen“ gekennzeichnet war: Den Realisten, die fürchten, durch aus ihrer Sicht utopische Forderungen die Fortschritte zu gefährden und den Utopisten, die meinen, ohne Utopien würde man das Realistische nie erreichen können.

Wir haben also in dieselbe Richtung der Rechtsstaatlichkeit gearbeitet, nur haben wir gemeint, es eben unterschiedlich machen zu sollen.

Es ist uns die Ehre widerfahren, dass Herr Dozent Rechtsanwalt Doktor Noll  sogar ein Buch über unseren Zwischenbericht geschrieben hat und nicht einmal so negativ, sondern etliche Partien sehr positiv beurteilt hat. Er hat aber immer ein „Mehr“ gefordert, also noch „Mehr“.

Jetzt ist das von der Zeit her begrenzt, ein wenig auch dadruch, dass ich heute erst Dinge gehört habe, die wir noch besprechen müssen oder dass wir uns ab und zu geärgert haben, wenn die Politik gesagt hat, was sein muss, ohne auf unseren natürlich wohl erwogenen Rat und unsere Argumente zu warten. Aber so ist es nun einmal.

Ich komme zu unserem Konsens. Wir haben uns geeinigt: Konsens auf eine Revolution. Ich glaube, dass die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz in Österreich revolutionär ist. Eine Verwaltungsinstanz, eine verwaltungsgerichtliche Instanz und dann Verfassungs-, Verwaltungsgerichtshof. Ein Bundesverwaltungsgericht, neun Landesverwaltungsgerichte. Der UBAS, die UVS und eine Vielzahl von Sonderbehörden würden hier aufgehen. Ein einheitliches Verfahren, eine Besetzung ähnlich der, wie sie bei den Richtern der Fall ist; ein Vorschlagsrecht des Verwaltungsgerichts nicht bindend für die Landesregierung.

Es ist eine Vielzahl von Problemen dabei noch zu lösen - Sie finden das im Text. Auch Sonderverwaltungsgerichte, etwa ein Bundesfinanzgericht beim Bund, oder etwa die Überführung der Bauoberbehörde in Wien als eine Möglichkeit neben dem Verwaltungsgericht im Lande Wien. Das ist konsentiert, ein Schritt in Richtung Rechtsstaatlichkeit, ein Schritt in Richtung Anteil der Länder an der Gerichtsbarkeit und auch ein wichtiger Schritt zur Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs durch mögliche Verkürzungen oder Begrenzungen seiner Anrufbarkeit und damit wiederum Schnelligkeit, aber mit höherer Qualität als heute.

Ich darf kurz sagen, was Noll zu diesem Projekt meint. Er sagt: „Der Idee des Rechtsschutzes sei zwar kein innovatives Element beigefügt, aber auf der Ebene der Pragmatik des Rechtsschutzes  werde ein seit Jahrzehnten geforderter, allseits herbeigewünschter und kaum zu überschätzender Schritt endlich gesetzt. Das ist nicht das schlechteste Ergebnis“.

Wir haben uns mit der Gerichtsbarkeit oder besser: Justiz befasst. Wir haben auf unterverfassungsrechtlicher Ebene ein paar Ideen auch in den Bericht hineingeschrieben - oder er wird in künftigen stehen. Wir schlagen eine dreistufige ordentliche Gerichtsbarkeit statt der derzeit viergliedrigen vor. Wir bedauern sehr stark, dass der Oberste Gerichtshof - anders als die anderen beiden Höchstgerichte - vollkommen unzulänglich ausgerüstet ist. Wir bedauern die Ausstattung der Gerichte. Wir rügen, dass das Verfahren zur Übernahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst rechtsstaatlich transparenten Kriterien nicht entspricht. Wir meinen, dass Fristsetzungsanträge verbessert werden könnten. Also, wir haben über die Verfassungsebene hinaus eine Reihe von Überlegungen angestellt.

Zur Verfassungsebene zwei Punkte.

Der gestiegenen Bedeutung der Staatsanwälte entsprechend, wollen wir sie als Justizorgane in der Verfassung verankert haben mit einer Institutsgarantie - Garantie also ihres Aufgabenbereichs.

Und bei den Bezirksgerichten meint der Ausschuss im Konsens, dass nicht die Landesverwaltung, sondern der Bundesrat mitwirken sollte bei allfälligen Zusammenlegungen.

An diesem Punkt kann ich mir eine eine mir wichtige Bemerkung nicht versagen: Jemand, der einen Herzinfarkt hat, findet eher ein Bezirksgericht als ein Spital. Ich glaube, dass die Gewichte hier falsch gesetzt sind. Einmal im Leben braucht man im Durchschnitt ein Bezirksgericht, ein Spital wesentlich öfter, und sicher dringender.

Als letzten Punkt eines Konsenses darf ich vielleicht erwähnen: Eine Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes steht außer Streit. Staatshaftung bei gesetzgeberischem Fehlverhalten: Das soll beim Verfassungsgerichtshof lokalisiert sein.

Nun zu den Dissenspunkten, von denen ich drei nennen will, wo aber ein Konsens meiner Ansicht nach nicht sehr ferne im Hintergrund lauert.

Zuerst einmal ein Vorschlag, der von der Richtervereinigung im Wesentlichen kam, ein Richterrat, dann ein zweiter Vorschlag ein Justizsenat, dass statt des Bundesministers für Justiz in Fragen der Richterernennung und in Budgetverhandlungen ein Gremium, an der Spitze der Bundespräsident, einmal Abgeordnete, bei einem anderen Vorschlag Präsident der Rechtsanwälte und Notare und Richter agieren sollen. Hier ist kein Konsens erzielt worden. Man hat gesagt: Ein neues Organ, zu zentralistisch, Verpolitisierung. Soll der Bundespräsident wirklich über Richteramtsanwärter in ganz Österreich in einem Gremium mitreden und dann die Ernennung vornehmen? Und es hat Altpräsident Adamovich in einem Symposium der Richtervereinigung selbst gesagt, dass die von der Vereinigung vorgeschlagene Lösung die drittbeste ist, nämlich schlechter als der Zustand, wie er derzeit besteht.

Es gab aber in der letzten Sitzung ‑ und in der nächsten wird das noch einmal behandelt ‑ einen Vorschlag von Präsident Korinek, der meint, dass in Budgetsachen dem Justizminister ein Gremium, zusammengesetzt: Präsident des Obersten Gerichtshofs plus die vier Oberlandesgerichtspräsidenten, die die Justizverwaltung führen, zur Seite gestellt werden sollte gleichsam zur Unterstützung. Dr. Schnitzer hat einen Vorschlag versprochen, wo mehr Richter noch drinnen seien, aber er hat lächelnd gesagt: Wenn man politisch will, kann man die ja wegstreichen. Das veranlasst mich dazu zu sagen: Es gibt vielleicht im Hintergrund einen Konsens in diesem Punkt oder vielleicht lässt er sich erreichen.

Keinen Konsens hat man ebenfalls in der Frage der Weisung des Justizministers im Bereich des Strafrechts gefunden. Es schien sich ein Konsens abzuzeichnen, ein parlamentarischer Ausschuss solle vom Minister jede Weisung werden. Lautet sie auf Einstellung, ist gleich zu kontrollieren. Lautet sie auf Anklage, ist nach dem Ende des Prozesses vielleicht festzustellen, dass hier der Justizminister ohne entsprechende Unterlagen - es ist ja nichts herausgekommen - eine Weisung gegeben hat. Also stärkere parlamentarische ex post Kontrolle der Ministerweisungen.

Dann aber wurde doch noch ein „Mehr“ gefordert, eine Bundesstaatsanwaltschaft. Das heißt, das Weisungsrecht innerhalb der Staatsanwaltschaft zu lokalisieren. Dagegen gab es Einwände: Es sei der Minister stärker unter Kontrolle. Er würde öfter wechseln. Er sei von den Medien, aber auch vom Parlament stärker herannehmbar und es ist auch ein demokratiepolitisches Argument gefallen. Ich darf aus „Noll“ vorlesen: „Eine Autonomie der Justiz würde zu einer beträchtlichen Legitimationslücke zwischen Volk und Justiz führen. Aus dem Demokratieprinzip ergibt sich die Verpflichtung, die Lücke gar nicht entstehen zu lassen. Daraus ergibt sich auch, dass eine generelle Abschaffung des ministeriellen Weisungsrechts nicht in Frage kommt.“

Hier gibt es also Dissens. Ob nicht ein parlamentarischer Kontrollausschuss als ein Weniger des zum Teil Gewünschten möglich wäre, lasse ich dahingestellt. Ich könnte mir vorstellen, dass, bevor man nicht Alles bekommt, einen Teil  akzeptiert.

Dritte Dissensgruppe, muss ich schon sagen: Es geht um die Kompetenzen des Verfassungsgerichtshofes. Es wurde diskutiert und dafür gibt es auch einen ausgearbeiteten Text, eine Normenbeschwerde. Das heißt, dass nach letztinstanzlichen Gerichtsentscheidungen, auch solchen des Verwaltungsgerichtshofes, wenn die Gerichte nicht selbst eine Verordnung, ein Gesetz als verfassungs- oder gesetzwidrig angefochten haben, die Parteien noch einen derartigen Versuch unternehmen können. Da schien Konsens sich abzuzeichnen, aber dann kam doch der Wunsch nach einer Urteilsbeschwerde, dass man diese Entscheidungen auch wegen Verletzung von Grundrechten vor dem Verfassungsgerichtshof anfechten könnte, was mit entsprechenden Umorganisationen auch im Bereich des Artikel 144 wohl verbunden ist. Hier gibt es Dissens.

Es gibt Dissens auch in Bezug auf die Einführung von Organstreitigkeiten. Hier gibt es einen maßvollen Vorschlag, wie ich meine, von der Abgeordneten Stoisits, und es gibt auch einen Vorschlag zu einer Staatshaftungsregelung, wo der Verfassungsgerichtshof nicht nur gesetzgeberisches Unrecht, sondern auch in Fragen, wenn Staatshaftung aus höchstrichterlichem Handeln entsteht, zu entscheiden hat. Andere wollen einen Austrägalsenat, der wechselnd aus unterschiedlichen Mitgliedern der drei Höchstgerichte, also des jeweils betroffenen nicht, gebildet wird, und es gibt ein sehr starkes Votum, nichts zu regeln, weil wir international ganz voran wären und die internationale Judikatur noch nicht genau zeigt, was alles notwendig ist. Also, es sei dabei zu belassen, wie die Judikatur es derzeit sieht.

In all diesen Punkten sehe ich Möglichkeiten, sich auf einem geringeren Nenner zu einigen, das Optimum aus der Sicht mancher nicht zu erreichen, aber doch deutliche Schritte in Verbesserung unseres Rechtsstaates zu tun. Ich bin also eher positiv gestimmt. Wir haben noch zwei Sitzungen und ich glaube, dass eine Reihe von Positionen durchaus Wert wäre, realisiert zu werden.  -  Danke.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke für diesen Bericht. Auch er steht nun zur Diskussion. Ich habe drei Wortmeldungen und erteile als Erstem Dr. Stürzenbecher das Wort zu seiner Diskussion.

Dr. Kurt Stürzenbecher: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich danke dem Vorsitzenden, Prof. Haller, für seine objektive Darlegung der Ergebnisse des Ausschusses 9 und auch für seine objektive Vorsitzführung während der Ausschüsse. Da wir heute den Konvent irgendwie ein bisserl wie die Abschiedssymphonie gestalten, werde ich mich auf nur drei Problemkreise konzentrieren.

Als Erstes: Die große Errungenschaft dieses Ausschusses - das kann man, glaube ich, schon sagen - sind die Landesverwaltungsgerichte: Neun Landesverwaltungsgerichte und ein Bundesverwaltungsgericht. So wie es dargelegt wurde, ist es vernünftig organisiert und wird doch dazu beitragen, dass die großen Wartezeiten auf Entscheidungen, die wir jetzt aus personellen Gründen und nicht, weil die Leute dort schlecht arbeiten würden, beim Verwaltungsgerichtshof haben, in Zukunft hoffentlich nicht mehr sein werden. So wird im Sinne der Bürgerinnen und Bürger etwas Wesentliches verbessert werden.

Auch die Eckpunkte, die genannt worden sind, scheinen mir plausibel, dass im Endeffekt die Landesregierung an Personalvorschläge nicht zwingend gebunden ist, sondern so wie der Bundesminister für Justiz die Ernennung der Mitglieder vornimmt. Aber wenn die Landesregierung von den Vorschlägen der Personalsenate abweicht, dann muss sie das selbstverständlich begründen.

Es scheint mir auch sinnvoll, dass gerade für Wien die bewährten Sonderbehörden, wie Bauoberbehörde, Landesvergabekontrollsenat oder Dienstrechtssenat aufrecht bleiben werden und dass auch darüber Konsens erzielt werden konnte. Weil es hätte keinen Sinn, eine künstliche Vereinheitlichung dort herbeizuführen, wo sich ganz bewährte, im Sinne der Wirtschaft und der Bürger organisierte Organe befinden. Aber im Großen und Ganzen soll natürlich in den meisten sonstigen Bereichen eine einheitliche Landesverwaltungsgerichtsbarkeit geschaffen werden. Das zu den Landesverwaltungsgerichten.

Nun zum Zweiten: Der Herr Vorsitzende hat gesagt, dass unter der verfassungsgesetzlichen Ebene auch die Struktur der ordentlichen Gerichtsbarkeit diskutiert wurde. Meiner Ansicht nach ist es nicht sinnvoll, dass wir in der Verfassung festschreiben, dass es künftig statt vier Ebenen in der Gerichtsbarkeit nur mehr drei Ebenen geben soll. Es soll aber festgehalten werden, dass grundsätzlich Konsens darüber herrscht, dass der Justizgesetzgeber, der einfache Justizgesetzgeber, künftig in diese Richtung vorgehen soll. Das als Empfehlung sozusagen auf den Weg bekommt.

Es sind auch jetzt die vier Ebenen nicht in der Bundesverfassung festgeschrieben und deshalb muss man auch die drei nicht festschreiben. Aber das ungefähre Modell, so ist es diskutiert worden - Eingangsgerichte, Oberlandesgerichte, Oberster Gerichtshof   - scheint doch eine grundsätzliche Diskussionsbasis zu sein. Wobei das mit den Bezirksgerichten und deren Zusammenlegung, glaube ich, noch diskutiert werden kann, wie das geschehen soll.

Dann als drittes besonders Wichtiges möchte ich doch noch die Frage der Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltschaftlichen Behörden ansprechen. Es ist derzeit so, dass der Bundesminister die Weisungsspitze ist, und ich glaube, dass es ein besseres Modell gibt. Wir haben gerade jetzt in Vorbereitung dieser Sitzung wieder in den Akten geblättert.

Im Jänner 2001 hat die sozialdemokratische Parlamentsfraktion eine große Enquete hier im Parlament veranstaltet, wo sehr, sehr viele höchst renommierte Juristen, Praktiker, Experten, Expertinnen mitdiskutiert haben und wo die überwiegende Meinung war, dass das Weisungsrecht übergehen sollte vom Bundesminister für Justiz auf ein anderes Organ. Wir nennen es, und das haben wir auch eingebracht, den Bundesstaatsanwalt. Der Bundesstaatsanwalt sollte vom Parlament, vom Nationalrat mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden, nachdem der Hauptausschuss einen Vorschlag gemacht hat. Im Hauptausschuss des Nationalrates sollen die Standesvertreter der Richter und Staatsanwälte mit eingebunden sein. Dieser mit Zweidrittelmehrheit gewählte Bundesstaatsanwalt würde die Weisungsspitze bilden. Der Bundesstaatsanwalt hätte natürlich der parlamentarischen Kontrolle zu unterliegen, wie jedes andere oberste Organ, mit Ausnahme des Misstrauensantrages. Er sollte sechs Jahre bleiben und einmal verlängert werden können.

Das ist ein Modell, das wirklich von sehr vielen kompetenten Leuten befürwortet wird und wo wir gehört haben, dass dem deshalb nicht beigetreten wird, weil es von der SPÖ kommt. Das wurde mir von einem Vertreter der Justiz erzählt, dass von der ÖVP gesagt worden sei, „ja, wir können dem nicht zustimmen, weil das kommt von der SPÖ“. An sich wäre es recht vernünftig. Das glaube ich, hat keinen Platz in einem Konvent, solche tagespolitischen Streitereien. Ich glaube auch, der Justizminister würde aufgewertet werden, wenn er sich voll auf Justizpolitik konzentrieren kann und wenn er eben nicht immer wieder in diesen Strudel der öffentlichen Diskussion reinkommen würde, wenn dann Fälle da sind, wie wir sie in der Vergangenheit gehabt haben. Und selbst wenn der Justizminister sich bemüht, bestmöglich zu agieren, wird es immer eine politische Diskussion geben. Und hier glaube ich, könnte der Bundesverfassungsgesetzgeber eine neue Vorgabe geben, nämlich einen Bundesstaatsanwalt, wie es derzeit auch schon als Vorschlag im Verfassungsausschuss des Nationalrates liegt. Und in diesem Sinne danke ich für die Aufmerksamkeit.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals für diese Wortmeldung. Als Nächstes liegt mir die Wortmeldung von Frau Mag. Stoisits vor. Ich erteile ihr als Vorletzter das Wort.

Mag. Terezija Stoisits: Herzlichen Dank! Herr Vorsitzender!

Ich möchte mich wirklich allerherzlichst, auch noch im Namen aller anderen Ausschussmitglieder vom Ausschuss neun, bei Herrn Professor Haller bedanken. Nicht nur für die Arbeit als Ausschussvorsitzender, sondern vor allem für den heutigen Bericht, den er Ihnen gegeben hat, die Sie Nicht-Mitglied des Ausschusses sind. Der wirklich - und Stürzenbecher hat es auch schon gesagt - sozusagen mehr als objektiv versucht, alles einzubringen und alle Positionen auch aufzuzeigen. Aber wie es halt so ein wirklich „ehrlicher Bericht“ in sich hat, hat er gezeigt, wie wenig wirklichen Konsens es gibt, nämlich eigentlich nur im Fall der Landesverwaltungsgerichtshöfe.

Aber, Herr Professor, und auch Kurt Stürzenbecher, das als Revolution zu bezeichnen, wäre dann gerechtfertigt, gäbe es nicht die offenen Punkte. Und da hat Kurt Stürzenbecher jetzt zum Teil als Ländervertreter schon darauf hingewiesen, denn so zentrale Fragen wie die Eingliederung bestehender unabhängiger Behörden, also jetzt 133-Ziffer-4-Behörden, die ist offen, weil es hier schon vehementen Widerstand der Länder gibt. Kollege Stürzenbecher hat es schon angedeutet, zum Teil, und vor allem weil es, würde der Ausschuss neun sämtliche Sonderwünsche, die es gibt, von Landesseite - aber nicht nur Landesseite -, sondern auch die der freien Berufe und diverser Lobbyies berücksichtigen, dann blieb von dieser Revolution schon gar nichts Revolutionäres über, sondern dann wäre es bloß eine Ausweitung der bestehenden UVS und das ist nicht im Sinne des Ausschusses neun, absolut nicht.

Und Sie haben es auch in ihrer heutigen Wortmeldung gesagt oder beziehungsweise von Noll sozusagen übernommen und zitiert. Diese Modelle oder das Modell, das jetzt auch sozusagen finalisiert oder final bearbeitet wird, ist ein Modell aus den 80ziger Jahren und weiß nichts von den Perchtoldsdorfer Beschlüssen. Also, so oft gab es schon die prinzipielle Einigung über Landesverwaltungsgerichte und so oft gab es nicht die Umsetzung. Also, ich meine, dass ein innovatives Rechtsschutzsystem hier mehr als angebracht ist und hoffe tatsächlich, dass es dieses konkrete Ergebnis der Arbeit gibt.

Herr Professor! Und jetzt möchte ich nur, weil Sie das wirklich vorbildhaft getan haben und auch alle in Minderheit gebliebenen Vorschläge aufgezählt haben, nur einen Bereich noch anfügen, beziehungsweise zwei komplexe.

Der eine Bereich sind die Höchstgerichte und die Einführung einer dissenting opinion, die auch schon viele Jahre diskutiert wird und wo es hier nicht den politischen, ich sag’s jetzt einmal so, Willen gibt, das tatsächlich jetzt auch umzusetzen und dann die Frage der Bestellung von Verfassungsrichterin, auch im Ausschuss andiskutiert, von einem Konsens weit entfernt. Und der letzte Punkt, ohne die anderen jetzt gering schätzen zu wollen, weil sie vor allem auch von den Grünen eingebracht wurden, also Organstreitverfahren, Verfassungsbeschwerde, aber Sie haben das alles schon erwähnt, ist die Frage der Verbandsklage, die uns als eine ganz zentrale erscheint.

Also, Ausweitung der Verfassungsbeschwerde auf Organisationen. Vor allem jetzt spreche ich als Grüne aus dem Blickwinkel des Umweltbereichs und der zahlreichen Problemstellungen, die es hier gibt und mit dem Hinweis, dass dieses Instrument kein unbekanntes ist, sondern auch wieder in einem einer grünen Abgeordneten sozusagen sehr nahe liegenden Bereiche, nämlich dem des Konsumentinnenschutzbereiches, vorkommt. Aber es ist noch nicht aller Tage Ende, also das sowieso nicht, aber auch nicht in diesem Konvent. Möglicherweise ist das Präsidium hier weiser als der Ausschuss neun bei einer Konsensbildung. - Herzlichen Dank.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler (übernimmt den Vorsitz): Danke, Frau Abgeordnete! Als letzter Redner zu diesem Ausschussbericht beziehungsweise am heutigen Tag überhaupt hat sich Herr Dr. Schnizer gemeldet. - Bitte sehr, Herr Doktor!

Dr. Johannes Schnizer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich kann es ganz kurz machen. Es wurde bereits hingewiesen auf die Landesverwaltungsgerichtsbarkeit, dass es hier eine Einigung gibt, wie ein solches Modell aussehen könnte. Ich teile die Einschätzung von Frau Abgeordneter Stoisits, dass das allein ein Schritt zu wenig ist. Die Einführung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit nach diesem Modell zieht zwingend nach sich eine Veränderung der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit beim Verfassungsgerichtshof. Tut man nichts, würde folgendes System bestehen. Zuerst hat man ein kontradiktorisches Verfahren beim Landesverwaltungsgericht erster Instanz. Dagegen können dann beide Parteien, also Behörde und Partei den Verwaltungsgerichtshof anrufen. Es hätte dann der Verwaltungsgerichtshof wieder zu entscheiden. Da stehen sich beide wieder gegenüber. Tut man nichts, hätte das zu Folge, dass dazwischen ein Verfahren für den Verfassungsgerichtshof geschaltet ist, wo dann die belangte Behörde mit Partei über die Verfassungskonformität streitet. Ein Verfahren, wo es weniger Aussicht auf Erfolg gibt als im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof. Erst wenn der Verfassungsgerichtshof entschieden hat - in 95 oder 99 Prozent der Fälle mit Ablehnung -, was aber trotzdem ein halbes bis ein Dreivierteljahr dauert, kann der Verwaltungsgerichtshof seine Tätigkeit fortsetzen.

Dieses System hat ausschließlich historische Gründe. Es liegt daran, dass als erste Form von Verwaltungsgerichtsbarkeit diejenige der Grundrechtskontrolle beim Reichsgericht eingerichtet worden ist. Erst danach wurde eingerichtet eine echte Verwaltungsgerichtsbarkeit für die einfachgesetzliche Rechtskontrolle. Es gibt heute keinen Grund mehr, der dafür spricht, ein logisches System wäre das, und deswegen haben wir es im Ausschuss auch vorgeschlagen: Zuerst wird jeweils sowohl in der ordentlichen Gerichtsbarkeit als auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Instanzenzug erschöpft. Anschließend kann man noch Verfassungsfragen mit der Hilfe einer Verfassungsbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof herantragen. Durch diese Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit wird auch der Verfassungsgerichtshof massiv entlastet, der bis jetzt zu 90 Prozent mit diesen Bescheidbeschwerden parallel zum Verwaltungsgerichtshof befasst ist und diese Kapazität könnte er dann nutzen, um für den gesamten Rechtsbereich vor eine gleichmäßige Rechtssprechung im Grundrechtsbereich zu sorgen. Dies ist deswegen so wichtig, weil damit auch die sozialen Grundrechte einen geeigneten Rechtsschutzmechanismus haben. Das ist etwas, worauf sich auch die Sozialpartner verständigt haben.

Ein zweiter Punkt, die Staatshaftung. Hier glaube ich, sieht man zu sehr im Vordergrund die Frage der Haftung für höchstgerichtliche Fehlurteile. Ich glaube, dass dieses Problem ohnedies der EuGH lösen wird und es ist extrem unwahrscheinlich, dass es höchstgerichtliche Urteile gibt, die in dem Sinne Amtshaftungsansprüche auslösen. Und ich halte deswegen die Frage, welches Gericht darüber dann entscheiden soll, für eher sekundär. Ich weiß, dass Präsident Korinek selber bei einer Veranstaltung einmal den Vorschlag gemacht hat, es soll der Verfassungsgerichtshof entscheiden. Aber wenn der Verfassungsgerichtshof selbst betroffen ist, der Oberste Gerichtshof. Das zeigt, dass hier kein Raum ist für irgendwelche Sensibilitäten der Gerichtshöfe untereinander.

Abschließend, weil ich darauf angesprochen worden bin, habe ich darauf hingewiesen, dass eine Disparität zwischen der hoheitlichen Gerichtsbarkeit auf der einen Seite und der Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts auf der anderen Seite besteht, was die Unabhängigkeit der Justizverwaltung betrifft. Es ist so, dass auf Grund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof eine unabhängige Justizverwaltung haben, die nicht von der Politik kontrolliert wird, und es wäre dann eine Logik, dass man es auch für die hoheitliche Gerichtsbarkeit einführt, wobei sich dann eben dieses Kollegialorgan, bestehend aus Oberstem Gerichtshof, Präsidenten des Obersten Gerichtshofes und der drei Oberlandesgerichte, die bis jetzt schon die Justizverwaltung führen, anbieten würde, ich habe aber darauf hingewiesen, dass dieses Gremium keinesfalls die Besetzungsvorschläge für die Richter machen sollte, die sollten jedenfalls weiterhin beim Justizminister und bei der Bundesregierung liegen. - Danke.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Herr Dr. Schnizer. Ihre letzten Ausführungen werden zumindest zum Teil die Zustimmung der Richterschaft gefunden haben, und Sie haben uns angekündigt, einen diesbezüglichen Textvorschlag vorzulegen. Wir wären alle sehr interessiert, wenn dies auch realisiert werden könnte.

Damit ist der letzte Redner zu Wort gekommen. Die Tagesordnung ist erschöpft. Ich möchte mich bei allen Vorsitzenden und bei allen Diskussionsteilnehmern für die wirklich anregende Diskussion sehr herzlich bedanken. Ich glaube, das Ziel, das wir uns mit der heutigen Sitzung gesetzt haben, eine Information, eine Standortbestimmung des Konvents vorzunehmen, ist uns gelungen, und es ist auch eine Fülle von Ideen von den einzelnen Mitgliedern des Konvents vorgebracht worden, wie man gewisse Hürden, die sich uns entgegengestellt haben, überwinden kann. Auch das war mit ein Ziel dieser heutigen Veranstaltung, und ich glaube insgesamt sagen zu können, wir haben wieder ein Stück mehr bewältigt, und wir haben auch - das möchte ich ganz besonders hervorheben - heute eine sehr gute Atmosphäre und eine sehr optimistische Atmosphäre gehabt, und es wurde von mehreren Rednern der Optimismus auch sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Das wird uns in der Endphase des Konvents sicherlich auch helfen. Wir sollen uns gegenseitig Mut machen und wir sollen nicht in Kleinmütigkeit verfallen; das wäre sicherlich nicht zuträglich. Ihnen allen damit recht, recht herzlichen Dank.

Damit kann ich die heutige Sitzung schließen und Ihnen ankündigen, dass für den 4. November die nächste Sitzung ins Auge gefasst ist. Ob dieser Tag für eine Konventsitzung tatsächlich in Anspruch genommen wird oder nicht, wird Ihnen - wie bisher - rechtzeitig zur Kenntnis gebracht werden. Ich darf Ihnen nochmals für die heutige Teilnahme danken und wünsche Ihnen, uns allen, wünsche dem Konvent insgesamt für die restliche Zeit, die ihm noch offen bleibt, viel Glück und viel Erfolg. - Danke schön.