Österreich-Konvent
15. Sitzung,
Mittwoch, 1. Dezember 2004
Tagesordnung
1.) Beratung
über den vom Präsidium vorgelegten Bericht des Ausschusses 6, Reform der
Verwaltung zu den drei Mandatsergänzungen
2.) Beratung
über den vom Präsidium vorgelegten Bericht des Ausschusses 5,
Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zum Ergänzungsmandat
3.) Beratung
über den vom Präsidium vorgelegten Bericht zum Ergänzungsmandat des Ausschusses
8 Demokratische Kontrollen
4.) Beratung
über den vom Präsidium vorgelegten ergänzenden Bericht des Ausschusses 7
Strukturen besonderer Verwaltungseinrichtungen
5.) Beratung
über den vom Präsidium vorgelegten Bericht über die gemeinsamen Beratungen der
Ausschüsse 6 und 7
6.) Beratung
über den vom Präsidium vorgelegten Bericht zum Ergänzungsmandat des Ausschusses
3 Staatliche Institutionen
7.) Beratung
über den vom Präsidium vorgelegten Bericht zum Ergänzungsmandat des Ausschusses
9 Rechtsschutz und Gerichtsbarkeit
Inhalt
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler.............................. 2
Dr. Johannes Abentung........................................................................................ 3
Mag. Gabi Burgstaller........................................................................................... 7
Herwig Hösele....................................................................................................... 9
Dr. Christoph Leitl............................................................................................... 10
Albrecht Konecny................................................................................................ 11
Dr. Manfred Matzka............................................................................................. 12
Mag. Gabi Burgstaller......................................................................................... 14
Johann Hatzl........................................................................................................ 14
Angela Orthner.................................................................................................... 16
Dr. Peter Bußjäger.............................................................................................. 17
MMag. Michael Neureiter................................................................................... 20
Dr. Theodor Öhlinger......................................................................................... 21
Dr. Johannes Schnizer....................................................................................... 23
Dr. Klaus Poier..................................................................................................... 24
Mag.
Johanna Ettl................................................................................................ 25
Dipl.-Ing. Josef Pröll............................................................................................ 26
Herbert Scheibner.............................................................................................. 27
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner.. 29
MMag. Michael Neureiter................................................................................... 29
Dr. Peter Bußjäger.............................................................................................. 29
Mag.
Barbara Prammer....................................................................................... 30
Dr. Günter Voith................................................................................................... 33
Herwig Hösele..................................................................................................... 34
Dr. Manfred Matzka............................................................................................. 35
Mag.
Anna-Maria Hochhauser............................................................................ 38
MMag. Dr. Willi Brauneder................................................................................. 39
Stellvertretender Vorsitzender d. Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka 40
Dr. Gerhart Holzinger......................................................................................... 40
Dr. Kurt Stürzenbecher...................................................................................... 43
Dr. Klaus Poier..................................................................................................... 44
Dr. Andreas Khol................................................................................................. 46
Dr. Herbert Haller................................................................................................ 47
Dr. Clemens Jabloner......................................................................................... 50
Dr. Johann Rzeszut............................................................................................. 51
Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Werte Mitglieder des Österreich-Konvents! Ich darf
die heutige Sitzung des Österreich-Konvents eröffnen.
Vorweg möchte ich mich dafür entschuldigen, dass eine
Verlegung der an sich für den 29. November vorgesehen Sitzung auf den
heutigen Tag erforderlich wurde, weil eine politische Partei am
29. November eine Veranstaltung durchgeführt hat und es auch in der
Vergangenheit der Übung entsprochen hat, dass man darauf von Seiten des
Konvents Rücksicht nimmt.
Ich danke daher allen, die ungeachtet der relativ kurzfristigen Terminverschiebung dennoch Zeit gefunden haben, zur heutigen Sitzung zu erscheinen. Mir ist aber auch klar, dass einige, die den Sitzungstermin für den 29. November schon vor langer Zeit geplant haben, die Verschiebung auf den heutigen Tag nicht mehr nachvollziehen konnten und daher heute auch nicht anwesend sein können.
Um diesen, heute nicht anwesenden Mitgliedern dennoch die
Möglichkeit zu eröffnen, zu den heutigen Punkten der Tagesordnung Stellung
nehmen beziehungsweise eine Wortmeldung abgeben zu können, wird den heute nicht
anwesenden Mitgliedern des Konvents die Möglichkeit eingeräumt, dass sie bei
der nächsten Sitzung des Konvents auch zu jenen Tagesordnungspunkten sprechen
können, die dann nicht offiziell auf der Tagesordnung stehen, die aber heute in
Behandlung genommen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir nehmen heute die
ergänzenden Berichte der Ausschüsse 3, 5, 6, 7, 8 und 9 in Behandlung
sowie darüber hinaus das Ergebnis der gemeinsamen Beratungen der
Ausschüsse 6 und 7. An sich war vorgesehen, dass wir in dieser Reihenfolge
die von mir genannten Berichte in Behandlung nehmen wollen. Angesichts
terminlicher Schwierigkeiten einiger Ausschussvorsitzender mussten wir
allerdings die Reihenfolge in der Weise ändern, dass nunmehr vorgesehen ist,
die Berichte wie folgt hintereinander in Behandlung zu nehmen: Wir beginnen mit
dem Bericht des Ausschusses 6; danach folgen die Berichte der
Ausschusse 5, 8 und der gemeinsame Bericht der Ausschüsse 6 und 7;
dann setzen wir fort mit den Berichten der Ausschüsse 3 und 9.
Wir beginnen jeweils - wie wir das auch schon
gewohnt sind - mit einer Einführung des jeweiligen
Ausschussvorsitzenden, die 15 Minuten nicht überschreiten soll, wobei
allerdings diese 15 Minuten auch nicht ausgeschöpft werden müssen, und setzen
dann bei den Berichten jedes einzelnen Ausschusses mit den Rednern, die sich
dazu gemeldet haben, fort, wobei die Redezeit für jeden der
Redner - so wie dies auch der ständigen Übung
entspricht - fünf Minuten betragen wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beginnen somit
mit den Beratungen über den ergänzenden Bericht des Ausschusses 6, und ich
darf den Vorsitzenden dieses Ausschusses, Herrn Sektionschef Abentung ersuchen,
uns diesen Bericht zu präsentieren. - Bitte, Herr Sektionschef.
Dr. Johannes Abentung: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Sie haben heute ein großes Programm vor sich. Ich gehe gleich in medias
res.
Im Zusammenhang mit der Finanzverwaltung wurde seitens des
Ausschusses betont, dass dieser Teilbereich der Verwaltungsorganisation des
Bundes zum Großteil auf Grundlage des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes
einfachgesetzlich eingerichtet ist und diesbezüglich im Bezug auf die
Verfassungsrechtslage kein Reformbedarf besteht. Unter einem
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt wurde allerdings eine etwaige
Neupositionierung der unabhängigen Finanzsenate gesehen. Mangels Zuständigkeit
des Ausschusses ist dieser Bereich aber an den Ausschuss 9 delegiert worden.
Gesundheitsverwaltung: Diesbezüglich war sich der Ausschuss
einig, dass die zersplitterten Kompetenzen neu zu ordnen wären. Auch hier
mangelt es aber an der Zuständigkeit des Ausschusses selbst. Die Kompetenzen
behandelt der Ausschuss 5. Es hat somit eine Verweisung gegeben.
Im Mittelpunkt der Diskussion über die Partizipation der
Bürgerinnen und Bürger stand die Frage der Sinnhaftigkeit der Verankerung einer
Partizipationsbestimmung in der Verfassung. Der Ausschuss ist einhellig der
Auffassung, dass einfachgesetzliche Maßnahmen zur Stärkung der
Öffentlichkeitsbeteiligung auf allen Ebenen der Verwaltung sinnvoll und
notwendig sind. Dabei hat Österreich europarechtliche Entwicklungen mit zu
vollziehen, die auf einen Ausbau von Maßnahmen der Information und
Öffentlichkeitsbeteiligung hinzielen.
Der Vorschlag, eine Partizipationsbestimmung in der Verfassung
zu verankern, die den Stellenwert von Transparenz und
Öffentlichkeitsbeteiligung für die Verwaltung betont, ist in den Beratungen
aber sowohl auf verfassungsdogmatische, als auch auf rechtspolitische Bedenken
gestoßen. Gegen eine Partizipationsbestimmung der Verfassung wurde insbesondere
vorgebracht, dass der normative Gehalt vage und wenig vorhersehbar sei.
Dem wurde entgegen gehalten, dass die
Partizipationsbestimmungen im Zusammenspiel mit anderen weit konkreteren
Verfassungsnormen, wie zum Beispiel einer Beschwerdebefugnis für
Bürgerinitiativen und Verbände beim Verfassungsgerichtshof, gesehen werden
müsse. Für die Verankerung einer Partizipationsbestimmung wurde ins Treffen
geführt, dass ein solcher Vorschlag als Gegengewicht zu dem Vorschlag zu sehen
sei, ein Effizienzgebot ausdrücklich in der Verfassung zu verankern. Die
Diskussion gab damit auch Anlass, erneut die Sinnhaftigkeit einer
ausdrücklichen Aufnahme des Effizienzgebotes in die Verfassung zu diskutieren.
Im Zusammenhang mit der mittelbaren Bundesverwaltung, die
schon beim ursprünglichen Bericht Berücksichtigung gefunden hat, hat sich die
Meinung, dass eine solche weiter zu erhalten wäre, nicht geändert. Es hat aber
einen weiteren Vorschlag gegeben, bei dem die Neuregelung der Vollziehung des
Landes bei Ersetzung der mittelbaren Bundesverwaltung durch eine generelle
Steuerungsbefugnis des Bundes als ein alternatives Steuerungsmodell vorgelegt
wurde.
Dieser Vorschlag fand Unterstützung von etlichen
Ausschussmitgliedern. Demnach werden Bundesgesetze vom Land vollzogen. Der Bund
kann in Vollziehung der Bundesgesetze „generelle Weisungen“ erteilen. Das Land
ist verpflichtet, dem Bund alle Informationen über die Vollziehung von
Bundesgesetzen auch im Einzelfall zu erteilen und auf Verlangen die darauf
Bezug habenden Akten vorzulegen. Verletzt ein Land diese Pflicht, kann der Bund
durch eigene Organe Einschau nehmen. Erläuternd wurde zu diesem Modell
ausgeführt, dass die mittelbare Bundesverwaltung in ihrer derzeitigen
rechtlichen Ausformung nicht mehr ihrem tatsächlichen Gehalt entsprechen würde.
Demgegenüber wurde unter anderem kritisch eingewandt, dass der Terminus
„generelle Weisungen“ unklar sei. Tatsächlich scheine es um eine Art allgemeine
Weisung zu gehen. Für das Funktionieren der mittelbaren Bundesverwaltung ist
nach einhelliger Ansicht im Ausschuss die Stellung des Landeshauptmannes
entscheidend. Auch die Befürworter des Modells der generellen
Steuerungsbefugnis des Bundes sind dafür überzeugt.
Im Zusammenhang mit den Obersten Organen wurde eine
Präzisierung in „Oberste Verwaltungsorgane“ vorgenommen. Die in einem
Textvorschlag enthaltenen „Organe mit Regierungsfunktion“ (Bundesregierung und
deren Mitglieder, Landesregierungen und deren Mitglieder) sind prototypisch
Oberste Verwaltungsorgane, da sie keinem Weisungszug unterliegen, ihrerseits
jedoch eine umfassende Weisungsgewalt ausüben können.
Zudem unterliegen sie einer parlamentarischen
Verantwortlichkeit. In den Ausschussberatungen wurde darauf hingewiesen, dass
auch der Bundespräsident in diese Aufzählung aufgenommen werden sollte. Dagegen
wurde eingewandt, dass der Bundespräsident eine spezielle verfassungsrechtliche
Verankerung erfahre und er auch keine Regierungsfunktion wahrnehme. In der
Folge wurden demgemäß zwei Verfassungstextvorschläge beigefügt.
Gegen die Aufnahme der anderen Staatsorgane, die bloß eine
untergeordnete Teilfunktion als Oberste Verwaltungsorgane innehaben - wie etwa
die Präsidenten des Nationalrates, des Rechnungshofes oder der Gerichtshöfe des
Öffentlichen Rechts - spricht nach Meinung des Ausschusses, dass deren
Hauptfunktion in der Gesetzgebung beziehungsweise in der Rechtspflege durch die
Bezeichnung „Oberste Verwaltungsorgane“ missverständlich zum Ausdruck komme.
Bezüglich des Auftrages des Präsidiums, sich mit der
Verwaltungsorganisation des Bundes zu beschäftigen, stand im Zentrum der
Ausschussberatungen der Artikel 77 B-VG. Von einem Ausschussmitglied wurde ein
Diskussionspapier samt Textvorschlag erstellt. Hauptpunkte der
Ausschussberatungen waren die Möglichkeit zur Einrichtung von so genannten
zentralen Ämtern, als einen weiteren Typus einer dem Bundesminister
unterstellten Dienststelle, die Ermöglichung von mehreren Bundesministern
gemeinsam unterstellten Einrichtungen, sowie Koordinierungs- und Steuerungsaspekte.
Die Beratungen zu diesem Gegenstand wurden nicht abgeschlossen, deshalb wurde
kein Textvorschlag vorgelegt. Eine deutliche Mehrheit des Ausschusses steht
hinter folgenden vorläufigen Positionen: Die Schaffung des neuen
Organisationstyps „Zentrales Amt“ auf verfassungsrechtlicher Ebene erscheint
nicht erforderlich. Es sollte allerdings klargestellt werden, dass sowohl
(interne) Ämter als auch spezielle Rechtsträger zur Besorgung der Geschäfte der
Bundesverwaltung herangezogen
werden können. Die Schaffung von mehreren Bundesministern unterstellten
gemeinsamen (behördlichen) Einrichtungen sollte zweifelsfrei möglich sein. Der
Koordinations- und Steuerungsbedarf auf Bundesebene sollte eine gewisse
Stärkung erfahren, die freilich möglichst einvernehmlich zwischen den
Beteiligten festgelegt wird. Außerdem war es dem Ausschuss ein Anliegen,
festzuhalten, dass die Institution des Kanzleramtsministers ihre Beibehaltung
erfahren sollte.
Im Ausschuss bestand kein Konsens darüber, ob die
Rechtsform des öffentlichen Dienstes in der Verfassung selbst verankert werden
soll oder nicht. Von einem Teil des Ausschusses wird es nicht für erforderlich
erachtet, schon auf Verfassungsebene eine Entscheidung bezüglich der Rechtsform
zu treffen. Ein anderer Teil des Ausschusses widersprach dem. In den
Ausschussberatungen wurde der Aspekt eines gebietskörperschaftsübergreifenden
Dienstrechtes wieder aufgegriffen. Es müsse freilich eine ausreichende
Flexibilität bestehen, um die legitimen Interessen der einzelnen Gebietskörperschaften
zu berücksichtigen. Eine Lösung könnte in der Erlassung eines
„Kerndienstrechtes“ bestehen. Nach Meinung eines Teiles der Ausschussmitglieder
könnte die konkrete Ausgestaltung dann mit einer Art „öffentlich-rechtlicher
Kollektivverträge“ in den jeweiligen Bereichen erfolgen.
Zur verfassungsrechtlichen Verankerung der Diensthoheit
wurde mehrheitlich seitens des Ausschusses festgehalten, dass keine zwingenden
Gründe für die Beibehaltung des Artikel 21 Abs. 3 B-VG bestünden. Einige
Mitglieder des Ausschusses wiesen jedoch darauf hin, dass die öffentlichen
Bediensteten auch in Zukunft in einem unmittelbaren Rechtsverhältnis zur
jeweiligen Gebietskörperschaft stehen, und damit in einer staatlichen
Verantwortung verankert sind, und dass nicht die Möglichkeit bestehen sollte,
die Personalzuständigkeit aus der Verwaltung auszugliedern.
Gemäß der zweiten Mandatsergänzung setzte sich der
Ausschuss nochmals mit dem Vorschlag eines Effizienz- und Effektivitätsgebotes
auseinander. Aus den Beratungen im Ausschuss sind zwei - nicht konsentierte -
Textvorschläge hervorgegangen. Die Textvorschläge bauen auf der Formulierung
des derzeitigen Art. 22 B-VG (Amtshilfe) auf. Nach Lehre und Judikatur zu
dieser Bestimmung sind damit alle Gesetzgebungs- und Vollzugsorgane des Bundes
oder der Länder, sowie die Vollzugsorgane der Gemeinden erfasst und daher
Normadressaten. Hinsichtlich der Amtshilfe wird also nur die bisherige
Formulierung wiedergegeben, hinsichtlich des neu positionierten
Effizienzgebotes wird der herrschenden Lehre und der einschlägigen Judikatur
Rechnung getragen, wonach ebenfalls sowohl die Organe der Gesetzgebung als auch
der Verwaltung Normadressaten sind. Ein Teil des Ausschusses war der
Auffassung, dass die Frage der Partizipation nicht unmittelbar mit der Frage
eines erweiterten Effizienz- bzw. Effektivitätsgebotes zusammenhängt. Ein
anderer Teil des Ausschusses war der Ansicht, dass eine ausdrückliche
Verankerung eines erweiterten Partizipationsgebotes nur bei einer
gleichzeitigen Aufnahme eines allgemeinen Transparenzgebotes denkbar sei, da es
sich hierbei um gleichwertige Maximen staatlicher Tätigkeit handle.
In den Ausschussberatungen wurde kein Konsens zur Reform
der Schulverwaltung erzielt. Für das Modell „Regionales Bildungsmanagement“
wurde ein Textvorschlag für einen Artikel Bildung eingebracht. Dieser Vorschlag
soll die Artikel 14, 14a, 81a und 81b B-VG sowie - vorerst noch ohne
Bedachtnahme, insbesondere auf eine neue finanzverfassungsrechtliche Regelung -
die Bundesverfassungsgesetze BGBl. Nrn. 215/1962 und 316/1975 ersetzen. Er
bildet in seinem Absatz 9 das Modell „Regionales Bildungsmanagement“ ab. Das
Modell „Autonome Schule und Bildungsregion“ wurde in den Ausschussberatungen
weiter vertreten. Eine verfassungslegistische Ausarbeitung ist indessen
unterblieben, da - ohne definitive Ergebnisse zu den Kompetenzen im Ausschuss 5
im Schulbereich - eine solche seitens der Proponenten dieses Modells nicht für
sinnvoll erachtet wurde. Im Verlauf der Ausschussberatungen wurde von
Ausschussmitgliedern als weiterer Ansatz die Übertragung der Verwaltung des
Schulwesens in die mittelbare Bundesverwaltung vorgeschlagen. Es sollten - auch
für den Bereich der Schulverwaltung - die Behörden der allgemeinen staatlichen
Verwaltung zuständig sein. Für die Schulverwaltung sollte es demnach keine
Sonderbehörden geben. Die mittelbare Bundesverwaltung biete dabei genügend
Steuerungsmöglichkeiten für die im Schulwesen notwendige Vereinheitlichung.
Weiters wurde von Ausschussmitgliedern vorgebracht, sämtliche Bestimmungen, die
die Verwaltungsorganisation (Aufbauorganisation) im Bildungsbereich betreffen,
zu streichen. Auf einer solchen Grundlage wäre es dann möglich,
einfachgesetzlich die in der bisherigen Diskussion erwogenen Modelle zu
verwirklichen.
Noch zwei Bereiche: Sicherheitsverwaltung und Bundesheer.
Im Zusammenhang mit der
Sicherheitsverwaltung wurden sowohl für das Modell der „Kombinierten
Behördenstruktur“ als auch für das Modell „Sicherheitsregionen“ Textvorschläge
vorgelegt. In den Ausschussberatungen wurde kein Konsens hinsichtlich einer der
Textvorschläge erzielt. In der Diskussion wurde noch eine weitere Variante
verfolgt: Der zufolge sollten die auf Verwaltungseinrichtungen der
Sicherheitsverwaltung bezogenen Verfassungsbestimmungen (Art. 78a ff. B-VG) ersatzlos
aufgehoben werden. Auf Basis des Art. 102 Abs. 2 B-VG und eines neu gefassten
Art. 102 Abs. 3 B-VG, welcher den Einsatz von Bezirksverwaltungsbehörden als
Sicherheitsbehörden erster Instanz absichern sollte, könnten beide angeführten
Modelle der Sicherheitsverwaltung verwirklicht werden. Dieser Variante liegt
die Überlegung zugrunde, dass Bestimmungen über die Aufbauorganisation von
Sonderverwaltungsbehörden nicht Regelungsgegenstand einer Verfassung sein
sollten. Konsens erzielte der Ausschuss darin, dass Grundsätze der
Verwaltungsorganisationen in der Sicherheitsverwaltung (Aufbauorganisation) in
der Verfassung verankert sein müssten.
Zum Bundesheer: Auch hier wurde kein Konsens erzielt. Der
Ausschuss hat versucht, eine Neufassung des Art. 79 B-VG vorzunehmen, was von
einem Teil des Ausschusses als nicht notwendig erachtet wurde.
Letztlich darf ich noch ein Wort zu den Kosten sagen. Dem
Ausschuss war aufgetragen, sich auch Gedanken über Kosteneinsparungen im
Bereich öffentlicher Dienst zu machen. Nachdem die Mitglieder des Ausschusses
nicht in der Lage waren, einen Konsens in verschiedenen bedeutenden
Entscheidungsfragen herbeizuführen, waren die nachfolgenden
Kosteneinsparungsevaluierungen nicht möglich.
Abschließend möchte ich allen Mitgliedern und deren
Vertreterinnen und Vertretern des Ausschusses herzlich für die lange Ausdauer
und das große Engagement danken, insbesondere dem Konventsbüro, allen voran
Herrn Mag. Bauer, weiters Herrn Mag. Hartmann und Herrn Dr. Bachler, ohne die
eine Ausschussübernahme zu so später Zeit durch mich nicht möglich gewesen
wäre. Danke sehr!
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke sehr, Herr Sektionschef, und möchte mit diesem
Dank auch zum Ausdruck bringen, dass wir die Arbeit des Ausschusses 6 schätzen
gelernt haben, und dass die Ergebnisse die vorliegen - mögen auch in gewissen
Punkten keine konsentierten Texte vorliegen - doch eine gute Grundlage für die
nunmehr folgende Diskussion bilden können. Ich darf in diesem Zusammenhang als
ersten Diskussionsredner, Diskussionsrednerin - ich bitte um Verzeihung - Frau
Landeshauptfrau Mag. Burgstaller aufrufen. Ich darf auf die
Redezeitbeschränkung von 5 Minuten aufmerksam machen. - Bitte.
Mag. Gabi Burgstaller: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und
Herren Mitglieder des Konvents!
Ich bin heute das erste Mal bei diesen Beratungen dabei.
Ich wollte, ich hätte öfter da sein können, sage aber ganz ehrlich, dass es ist
für ein Regierungsmitglied gerade nach einer Wahl - mit sehr vielen
Veränderungen - nicht so einfach möglich, sich viel Zeit für wichtige Dinge zu
nehmen; und ich halte die Aufgabe hier für eine sehr wichtige.
Ich möchte die erste Wortmeldung auch zum Anlass nehmen, um
ein paar grundsätzliche Dinge zu sagen. Das eine ist: Ich gehöre sicher zu den
kritischen Teilnehmern und Beobachtern des Konvents - aber nicht deshalb,
weil ich Ihre Arbeit nicht schätzen würde, im Gegenteil! Ich bin ja auch von
meiner Ausbildung her Juristin und ich habe die vielen Ergebnisse der Arbeiten
der Arbeitsgruppen auch genutzt, um sozusagen mein Wissen etwas aufzufrischen,
und ich habe eigentlich alles mit großem Interesse verfolgt. Ich möchte mich
bei der Gelegenheit wirklich auch bei Ihnen bedanken für die hervorragende
Basisarbeit, die Sie geleistet haben, möchte aber auch anschließen, dass es
einen Grund gibt für meine kritische Betrachtungsweise, und der Grund liegt
auch etwas in der Zusammensetzung dieses Konvents.
Ein gutes Beispiel dafür bin ich wahrscheinlich selbst: Bis
Mai saß theoretisch dort mein Vorgänger - der kam bekanntermaßen aus der
ÖVP. Jetzt ist die Frage: Vertrete ich das Gleiche wie mein Vorgänger? -
Wahrscheinlich nicht! Ich bin ein politischer Mensch.
Dieser Ausschuss ist zusammengesetzt aus Fachexperten, die
ich sehr, sehr schätze und viele auch kenne, und ich weiß, wie sehr sie sich
bemühen um gute Lösungen, entsprechend dem Auftrag. Er besteht aber auch aus
aktiven Politikern, die - ja, selbstverständlich! - in einem Staat
unterschiedliche politische Positionen vertreten - gerade auch in
Verfassungsfragen, in Grundsatzfragen unseres politischen Handelns.
Und am besten können Sie es wahrscheinlich daran erkennen,
dass es immer schwierig war, etwa die Vorschläge aus Salzburg abzustimmen mit
den Beamten, die gleich blieben - Sie wissen ja: Politiker kommen und
gehen, Beamte bleiben -, weil meine Ideen zum Beispiel oft wesentlich
anders waren. Also, ich lege wesentlich mehr Wert darauf, etwa der Wirtschaft
so manche Fußangel wegzunehmen, also sie zu befreien in vielen Fragen - da
wundert sich Herr Präsident Leitl -, weil es mir einfach ein Anliegen ist
und weil ich es immer wieder erlebe, etwa in Fragen der Bautechnik, aber auch
in vielen anderen Fragen, wie grotesk es ist, dass die Länder hier
unterschiedliche Regelungen haben, oder - das ist die andere
Absurdität - dass wir ein „Xerox-Verfahren“ oft einführen - sprich:
Wir kopieren sozusagen voneinander, damit wir wenigstens zu sinnvollen
wirtschaftliche Regelungen kommen. Und das einem Legisten auf Landesebene
klarzumachen, ist natürlich nicht einfach, denn dort schlägt das Herz weder
links noch rechts, sondern natürlich in der Einheit, für die er arbeitet. Und
damit wollte ich einmal die Grundproblematik ansprechen, die von diesem Konvent
beherrscht ist.
Ich bin der Meinung, es ist Zeit, dass jetzt die Ausschüsse
ihre Ergebnisse fertig stellen - und das ist ja auch der Fall - und
dass es dann einen Bericht gibt. Ich gebe mich aber nicht der Illusion hin,
dass der Konvent sozusagen die Verfassung liefern kann, sondern wir haben ja
gerade jetzt wieder gehört, wie viele „dissenting opinions“ es gibt, wie oft
kein gemeinsamer Vorschlag gefunden werden soll. Und was ich mir sehr wünsche,
ist, dass der politische Prozess über das Konvent-Ergebnis möglichst bald
begonnen wird - soviel ich weiß, hat es bis dato keine politischen
Gespräche auf höchster Ebene gegeben. Und eine Verfassungsänderung sollte, so würde
ich es mir wünschen, vom Konsens aller im Nationalrat vertretenen Parteien
getragen sein - es wird auch notwendig sein, aber das eine ist so wirklich
der Wunsch, dass hinter der Verfassung eigentlich alle stehen sollten.
Sie können sich sicher erinnern an die hohen Wünsche und
Anforderungen an diesen Konvent: Bürgernähe, Transparenz, mehr Rechtsschutz,
soziale Rechte in der Verfassung, aber auch, auf der anderen Seite, eine
Kostenreduktion, Doppelgleisigkeiten abschaffen, abgerundete Kompetenz-Tatbestände
und vieles andere auch. Diese Ansprüche zu erfüllen wird nur dann
funktionieren, wenn alle in der Verfassungsfrage nach vorne
schauen - und hier möchte ich eine klare politische Positionierung
abgeben, in diesem Fall sozusagen als Sozialdemokratin: Ich mache mir Sorgen,
dass dieses Nach-vorne-Schauen etwas verloren gegangen ist in der letzten Zeit.
Gerade die letzten Beispiele haben gezeigt , etwa die
Debatte rund um die Beschneidung der Arbeiterkammer-Einnahmen oder auch jetzt
das geplante Gesetz über die Novellierung des Wahlrechts in der
Hochschülerschaft, dass manche nicht diese moderne Verfassung haben wollen,
sondern die Verfassung eigentlich nach anderen Grundsätzen beurteilen. Oder für
mich ist so das beste Beispiel die Hauptverbands-Reform: Ich sehe überhaupt
nicht ein, warum hier bei einer ganz wichtigen Basisfrage in unserem
Staat - nämlich der Zusammensetzung - plötzlich wieder Farbenlehre
gespielt wird, statt Grundsätze der Vertretung durchzusetzen, nämlich
entsprechend der Größe auch der dahinter stehenden Gruppen. Ich fordere daher
auch von hier, dass man diesen Weg verlässt, und ich halte das auch für eine
wichtige Frage, dass wir weiterkommen.
Viele von Ihnen werden vielleicht auf Grund der Ansagen
etwas verwundert gewesen sein, und daher versuche ich es auch Ihnen zu
erklären: Das ist keine Kritik am Konvent, sondern das ist eine Vorgabe für die
weiteren politischen Debatten hinsichtlich der Umsetzung des
Konvent-Ergebnisses, dass es notwendig sein wird, diesen Weg nach vorne für
eine moderne, demokratische Verfassung zu gehen, denn sonst wird man diesen Weg
nicht finden. - Ich meine das sehr ernst, und ich möchte auch hier
deponieren, dass ich größtes Interesse an einer modernen Verfassung habe.
Und ich möchte mit einem kleinen Beispiel schließen, das
Ihnen auch den Ernst der Situation zeigt: Wir haben im Mai in Salzburg eine
neue Regierung gebildet; ich bin seit neuestem zuständig für das Bildungswesen
- Sie kennen vielleicht den Rechnungshof-Bericht über die Zusammenlegung der
Einrichtungen, die wir hier haben. Wir haben gerade jetzt wieder gehört, dass
eben im Ausschuss 6 keine Lösung für die Frage der Organisation der
Schulbehörde gefunden wurde. - Klar, es hängt ja auch damit zusammen, was
der Ausschuss 5 hier vorschlägt - und der schlägt ja, soviel ich
weiß, auch sehr Unterschiedliches vor, also gibt es auch hier keinen Vorschlag.
Wir haben in unserem Regierungsübereinkommen in Salzburg
festgehalten: Wir möchten das Ergebnis des Konvents abwarten, um zu
entscheiden: Schaffen wir eine einheitliche Schulbehörde auf Landesebene, oder
transferieren wir unsere Aufgaben, die wir im Land haben als Zuständige, zum
Landesschulrat? Sie sehen also, dass mein Problem hier leider nicht gelöst
wird, und ich fürchte, es wird so sein wie bei vielen anderen Fragen auch: dass
der Konvent sich zwar bemüht um wirklich intelligente, tolle Vorschläge, aber
letztendlich die Politik entscheiden wird.
Ich werde alles dazu beitragen, mitzuhelfen, aber ich
möchte, wie gesagt, auch deponieren: Es wird nur dann gehen, wenn alle
politisch nach vorne schauen in Richtung moderne, soziale, transparente
Verfassung. - Danke schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke auch, Frau Landeshauptfrau. Sie haben die Zeit
überzogen. Ich habe dies, ich sage es ganz bewusst, ausnahmsweise toleriert,
weil Sie zum ersten Mal gesprochen haben. Und ich habe es auch deshalb
toleriert, weil ich Ihnen nicht nur für Ihre Wortmeldung danken möchte, sondern
auch gratulieren möchte: Ich habe noch von keinem Landespolitiker und von
keiner Landespolitikerin so mutige Worte zur Kompetenzlage im Baurecht wie von
Ihnen gehört - besten Dank.
Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat
Hösele. - Bitte sehr.
Herwig Hösele: Herr Präsident! Frau Landeshauptfrau! Sehr
geehrte Damen und Herren! Nachdem die Frau Landeshauptfrau eigentlich
grundsätzliche Bemerkungen gemacht hat, möchte ich mich da ein wenig einklinken
und anschließen.
Es ist, glaube ich, ganz wichtig, den Weg nach vorne zu
sehen, wie Sie es mehrfach betont haben. Wir haben 17 Monate der Konventsberatungen
hinter uns. Das sind, zeitlich formuliert, ungefähr 94 Prozent, und nur
5 Prozent der Zeit noch vor uns, weil ja die Aufgabenstellung eindeutig
war: Der Konvent hat seine Arbeit innerhalb von 18 Monaten nach seiner
Konstituierung mit einem Bericht abzuschließen.
Jetzt weiß ich, dass überall - im Sport und sonst
irgendwo, und auch in allen politischen Verhandlungen - der Endspurt das
Wichtigste ist. Mein dringender Appell an alle und an uns alle, die hier mit
dabei sind, ist natürlich, den Erfolg des Konvents sicherzustellen. Und da
haben mich die gewissen Unkenrufe der letzten Tage und Wochen und auch Zurufe
von Menschen, die nicht unbedingt im Konvent zu tun haben.
Und ich muss ganz ehrlich sagen: Ich habe mit dem ÖH-Gesetz
und mit der Arbeiterkammergesetz-Novelle, die dann sowieso nicht gekommen ist,
im Konvent nichts zu tun gehabt, und das ist auch nicht unbedingt ein
stringentes Konvent-Thema. Man muss es aber natürlich auch im Gesamttext
betrachten. Ich würde doch darauf hinweisen wollen, dass es in aller Interesse
liegen müsste, das Ziel des Konvents - einen neuen Verfassungstext zu
schaffen, der in knapper und umfassender Form sämtliche Verfassungsbestimmungen
enthält - auch erreichen zu wollen. Dazu ist von allen - ich glaube,
es sind wirklich sehr umfassende Grundlagen in den Berichten und
Ergänzungsberichten geschaffen worden, ich glaube, es wird die größte
Zusammenschau sein, die wir je gehabt haben -, die Bereitschaft zu
ehrlichen und tragfähigen Kompromissen notwendig.
Es kann ja ein solches Werk nur gemeinsam gelingen, so wie
es auch 1920 gemeinsam gelungen ist: Ein Kompromiss ist ja in der Politik nicht
per se etwas Schlechtes, sondern etwas politisch Notwendiges. Es geht darum,
dass es kein fauler, sondern ein guter Kompromiss ist. Und ich muss ganz
ehrlich sagen, mir hat sehr bei der Eröffnungssitzung, die wir hier im Haus
gehabt haben, der Satz des damaligen Vorsitzenden der
Landeshauptleutekonferenz, des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl, imponiert,
der gesagt hat so ähnlich, wie ich es mir auch gedacht habe, und wie ich selbst
habe versucht, zu formulieren. Er hat damals gesagt, wir sind zum Erfolg
verpflichtet. Das heißt, in den letzten 31 Tagen, wenn ich das richtig sehe,
sollten wir uns alle sehr, sehr bemühen und die Energien in die richtige
Richtung lenken.
Das Konventspräsidiumsmitglied, das mittlerweile unser
Staatsoberhaupt geworden ist, unser gemeinsames Staatsoberhaupt, hat heute im
„Standard“ ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes Interview gegeben. Ich
darf nur die Sätze über den Konvent zitieren. Aber alle sind eingeladen daran
zu denken, dass schon viel Energie in den
Konvent investiert wurde und dass es schön wäre, wenn sich da auch
Ergebnisse einstellen würden. So weit zur grundsätzlichen Frage, weil ich
glaube, es wird, wenn es zu keinem Ergebnis kommt, ganz allgemein der Politik
und dem Verfassungsrecht und dem Ansehen aller hier Anwesenden nicht sehr
nützlich sein, wenn die besten Köpfe der Verfassungswissenschaft und die
wichtigsten Repräsentanten der Republik tagen und die Berge kreißen und ein
Mäuslein ward geboren. Folglich, bitte, müssen wir uns alle sehr bemühen. Ich
habe großes Vertrauen in die Beratungen des Präsidiums auch in diesem
Zusammenhang und darf zum Ausschuss 6 eine Frage auch anschneiden, die die
Frau Landeshauptfrau angesprochen hat. Ich persönlich glaube, und es ist auch
im Bericht des Sektionsleiters deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass eine
Eingliederung der Schulverwaltung in die mittelbare Bundesverwaltung - und
nicht in eine Sonderbehörde - wahrscheinlich der kostengünstigste und auch
qualitätsstandardsicherndste Weg wäre, und gleichzeitig auch eine Möglichkeit
bringt, Doppelgleisigkeiten abzubauen. - Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke, Herr Bundesrat. Als nächster Redner hat sich
Herr Präsident Dr. Leitl zu Wort gemeldet. -Bitte sehr, Herr Präsident.
Dr. Christoph Leitl: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Ich darf Ihnen, Frau Landeshauptfrau, danken, dass sie
gewisse Punkte angesprochen haben, nachdem ja auch Beratungsgegenstand die
autonome Selbstverwaltung ist und Sie den Hauptverband angesprochen haben. Wir
haben das Angebot gemacht - weil Sie Farbenlehre betont haben - raus mit der
Farbenlehre und sozialpartnerschaftliche Grundprinzipien in allen Bereichen der
Sozialversicherung. Dieses Angebot steht. Danach wollen wir in Zukunft handeln,
damit wollen wir auch dem Geist der Verfassung entsprechen, aber auch der
Philosophie einer richtig verstandenen Selbstverwaltung. Ich ersuche Sie
diesbezüglich auch um Ihre Unterstützung.
Meine Damen und Herren! Die Wirtschaft hat sehr konkrete
Erwartungen an diesen Verfassungskonvent. Und wir erwarten in entscheidenden
Punkten auch Lösungen. Dieser Konvent soll nicht, wie in den letzten Tagen
mehrfach diskutiert, zu einer Frage werden, ob die Regierung oder die
Opposition einen Erfolg hat, sondern es muss ein Erfolg für den Standort
Österreich sein. Hier habe ich derzeit so meine Zweifel, und ich hoffe, dass
wir uns auf das Gemeinsame besinnen und unser Bundespräsident wurde ja zu Recht
schon in diese Richtung zitiert.
Im Ausschuss 6 ist es um die Reform der Verwaltung
gegangen. Es ist darum gegangen, verfassungsrechtliche Grundstrukturen für den
Einfachgesetzgeber und, darauf aufbauend, für eine moderne effiziente und
sparsam organisierte Verwaltung zu machen. Leider sind wir über abstrakte
Vorschläge nicht hinaus gekommen. Ich möchte das ganz offen sagen. Und
Lösungsansätze sind aus meiner Sicht hier noch nicht erkennbar.
Wir haben uns zwar auf den Grundskonsens des
Effizienzgebotes geeinigt, aber das war es dann auch schon. Bekenntnisse zu
Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sind, glaube ich, klar. Es
soll auch nicht um Leistungsinhalte gehen, sondern um die Effizienz der
Leistungserbringung in der Verwaltung. Und daher nochmals unsere nachdrückliche
Forderung, die Chancen, die in einer kostengünstigen, bürgernahen und einfach
organisierten Verwaltung liegen, sind konsequent zu nützen. Es ist dies eine
unbedingte Voraussetzung für den Erfolg des Standortes Österreich.
Dazu passt die Diskussion, die im Ausschuss 5 über die Kompetenzverteilung
geführt wird, und hier ist ja eine Annäherung der Positionen bisher überhaupt
nicht erfolgt. Bruchlinien zwischen Bundes- und Länderinteressen sind gegeben.
Wir als Wirtschaftskammer Österreich orientieren uns eigentlich an die
Rechtslage der Europäischen Union, und diesem Leitgedanken dieser Europäischen
Union folgen auch wir. Das heißt, das Binnenmarktprinzip muss auch in
Österreich in Form eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes berücksichtigt
werden und hier Materien, die hier schon angesprochen worden sind: zehnmal
Bautechnik, Datenschutz, Vergaberecht, ja, ich kann wirklich auch nichts damit
anfangen, dass jedes Bundesland unterschiedlich die Stufenbreiten und die
Stufenhöhen für Stiegen regelt. Ich kann nichts damit anfangen, dass Baustoffe,
die in einem Bundesland erzeugt werden, eine Zulassung in einem anderen
Bundesland brauchen.
Meine Damen und Herren! Ich bin immer für Föderalismus,
aber für einen richtig verstandenen Föderalismus, nämlich im Sinne der
Subsidiarität, bessere Lösungen für die Menschen zu machen und nicht
kompliziertere und komplexere Lösungen. Das ist falsch verstandener
Föderalismus. Daher sollten wir eine Kompetenzverteilung machen, die
diesbezüglich klar ist, den kleineren Einheiten wichtige Aufgaben, Bürgernähe zuordnet,
und den großen Einheiten entsprechende andere. Die Zuordnung der dritten Säule
sollte so erfolgen, dass der ungeheuer komplizierte Vorschlag, der bis zur
Selbstlähmung führen würde, nicht Wirklichkeit wird, sondern unsere Forderung
ist hier Klarheit und Rechtssicherheit.
Konkrete Ergebnisse sind gefordert. Kompromisse ja, aber
keine faulen Kompromisse, hier schließe ich mich meinem Vorredner an. Wir
können es sicherlich nicht allen recht machen, das ist auch nicht der Sinn
dieser Sache. Aber wir wollen klare mutige und zukunftsorientierte Ergebnisse
dieses Konvents. Ich will es einmal volkstümlich sagen: Genug gegackert, jetzt
wollen wir das Ei sehen.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke, Herr Präsident. Die nächste Wortmeldung steht
bei Herrn Bundesrat Konecny. - Bitte sehr, Herr Bundesrat.
Albrecht Konecny: Herr Vorsitzender!
Ich möchte einleitend sagen, dass ich mich ein bisschen bei
den Mitgliedern des Arbeitskreises 6 und seinem Vorsitzenden entschuldige, aber
das Bedürfnis nach einer doch breiter angelegten Debatte scheint ein weit
verbreitetes zu sein. Das ist keine Missachtung dieses Ergänzungsberichtes,
sondern ein dringendes Bedürfnis, das auch ich empfinde in einer Phase, wo wir
drauf aufmerksam gemacht wurden, dass wir allenfalls noch 31 Tage Zeit haben,
obwohl ich die Wahrscheinlichkeit einer Silvestersitzung gering einschätze,
dass hier auch Schienen gelegt werden müssen, wie diese Arbeit zu einem
Ergebnis gebracht werden kann.
Und die Frage, was ein Ergebnis ist, ist gerade auch
angesichts des hier formal debattierten Berichtes ernsthaft zu stellen. Jeder
Bericht, der diesem Plenum vorgelegt wurde und der im Präsidium diskutiert
wurde, hält, und das ist nicht überraschend, fest, dass in vielen Fragen zwei,
manchmal auch mehr divergierende Standpunkte bestehen. Die
Ausschussvorsitzenden haben einen eigenen lyrischen Stil entwickelt, um das
Ausmaß des Konsenses oder Dissenses zu charakterisieren, von vereinzelt bis
mehrheitlich und überwiegend wurden hier die Sprachfiguren gewählt, weil wir ja
nicht abstimmen können und sollen, und das ist auch vernünftig so.
Klar ist, dass sowohl in allen Fragen, die in den
Ausschüssen nicht in allen, aber in den vielen zentralen Fragen, die in den
Ausschüssen diskutiert wurden, dieser Dissens gegeben ist, und dass zweitens -
und ich habe das in einem früheren Plenum problematisiert -
wir ja so aufeinander angewiesen sind in der Arbeit der allermeisten
Ausschüsse, dass die Nichtentscheidung von Vorfragen naturgemäß Antworten sehr
schwierig macht.
Wenn wir - das wurde schon erwähnt - zu keinen
abschließenden, gemeinsam tragbaren Lösungen in der Kompetenzverteilung kommen,
dann ist es naturgemäß sehr, sehr schwierig, ein konsistentes Gebilde der
Verwaltung zu konzipieren, und es gibt auch andere Konnexe dieser Art zwischen
den Arbeitsgruppen. Das ist bedauerlich, aber das werden wir auch in den
letzten 31 Tagen - aus rein praktischen Erwägungen - nicht mehr herstellen
können. Daher möchte ich klar sagen, dass die Ergebnisse des Konvents - und ich
erachte auch das als einen Erfolg, weil auch dieses Wort gefallen ist - nicht
darin bestehen kann, dass, wer auch immer, aus dieser reichen Materialfülle
sich nun ein Verfassungspapier zusammenstellt, das naturgemäß nicht die Meinung
des Konvents in seiner Gesamtheit darstellen kann. Ich halte es ganz im
Gegenteil für außerordentlich wesentlich, dass die vielfältigen und gut
durchdachten Ansätze, die in den Berichten der Ausschüsse zum Ausdruck kommen,
nicht verloren gehen für eine Verfassungsdebatte, die im Gegensatz zur
Arbeitsperiode des Konvents nicht am 31. Dezember zu Ende gehen wird.
Ich bin, wenn ich auch ältere Berichtspapiere aus konkreten
Gründen in die Hand nehme, immer wieder überrascht, was es da noch zu entdecken
gibt, und was im Lichte weiterer, inzwischen stattgefundenen öffentlichen
Diskussionen ein besonderes Interesse erwecken könnte. Es wäre sehr, sehr
schade, wenn - und ich darf da den Präsidenten Leitl mit seinen Baumaterialien
paraphrasieren - wir diese Fülle von Baumaterial einer Verfassung vergessen
würden, beiseite schieben würden, sie in den Abraum verbannen würden. Diese Teile
zusammen zu fügen, das muss noch geschehen. Aber viele gute Baumaterialien sind
das Ergebnis dieses Konvents. Und die paar Lücken, die wir zugeben müssen,
werden im politischen und öffentlichen Diskussionsbereich zu füllen sein.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke sehr, Herr Bundesrat.
Als Nächster hat sich Herr Sektionschef Dr. Matzka zu Wort
gemeldet. - Bitte, Herr Sektionschef.
Dr. Manfred Matzka: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen
und Herren Konventsmitglieder!
Ich beziehe mich auf den Ausschuss 6 und seine Arbeit und
seinen Bericht. Eigentlich - das soll man so deutlich sagen, wie es ist -
ist uns hier kein wirklicher, konkreter Durchbruch gelungen.
Wir haben einiges im Grundsätzlichen angemerkt, und da
folge ich der Einschätzung des Herrn Präsidenten Leitl: Das ist, und ich meine
das nicht negativ, das sind ideologische Plakate, die wir an die Wand genagelt
haben. Durchaus mit vernünftigen und klaren Aussagen, aber wenn ich es nur
dabei bewenden lasse zu sagen, wir brauchen ein erweitertes Effizienzgebot,
dann heißt das noch gar nichts für das konkrete Verwaltungsleben. Das muss man mit
Inhalten füllen, weil es sonst den Eindruck erweckt, da gibt es den
Pappkameraden mit den Ärmelschonern, der in den Verwaltungen herumsitzt und von
Effizienz überhaupt nichts versteht. Und das ist nicht die Wahrheit. Wenn sich
etwas in den Beratungen dieses Ausschusses gezeigt hat, dann hat sich gezeigt,
dass im Bund, in den Ländern, in den Gemeinden unglaublich modern und effizient
gearbeitet wird. Es gibt, und das wissen die wenigsten, Kostenrechnung quer
durch die Gebietskörperschaftenverwaltungen. Wir arbeiten mit SAP in einem
höheren Ausmaß wahrscheinlich als privatwirtschaftliche Unternehmungen.
Wir haben ein Informationsmanagementsystem, elektronisches
Aktensystem, papierlose Büros, die im Standard deutlich über das hinausgehen,
was die österreichische Banken- und Versicherungswirtschaft einsetzt. Diese
Verwaltung in diesem Land ist modern, arbeitet mit modernen Methoden, hat
extrem gute Leute, die nicht im Gestrigen herumhocken, sondern nach vorne
denken und good governments im ganz konkreten Sinn entwickeln. Und deswegen tut
es Leid, dass wir bei ganz wesentlichen Blocks unserer
Verwaltungsorganisation - unserer veralteten
Verwaltungsorganisation - nicht weiter gekommen sind.
Schule: Es ist ja nun wirklich nicht einzusehen, warum wir
in der Kompetenzverteilung eines 8‑Millionen‑Landes im Schulsystem eine
derartige hypertrophe, seitenlange Herausziselierung haben. Tut uns im Übrigen
auch nicht gut, ja, weil so toll sind unsere Schulsystem im internationalen
Vergleich ja wirklich nicht, dass man sagen könnte: Das ist das Beste, das es
an Bildungssystemen gibt auf der ganzen Welt. Und wir haben es nicht geschafft.
Wir haben uns nicht einmal getraut zu sagen: Schule ist Bundeskompetenz plus
„Aus, Schluss, Ende“. Und eine einheitliche Struktur in der Verwaltungsorganisation,
im Personalwesen, in der Finanzierung, Effizienz steigernd. Wer würde denn ein
so ein Schulsystem erfinden, wenn er vom Stern auf die Welt herunterfiele und
eines zu komponieren hätte für die Kinder? Niemand!
Und dasselbe ist in der Sicherheitsverwaltung. Unser Land
leistet sich drei Ebenen der Sicherheitsverwaltung. Also, so groß sind wir nun
wirklich nicht, und so viele Verbrecher haben wir auch nicht in diesem Land,
dass wir das brauchen würden. Schlank, effizient, schlagkräftig in der
Sicherheitsverwaltung sind zwei Ebenen und Schluss. Und da muss man den Mut
haben, über Bezirks- und Gemeindegrenzen hinauszusteigen, in Regionen zu
denken. Wo ist die Region mit ähnlichen Sicherheitsproblemen? Und auf die setze
ich eine Verwaltungsstruktur drauf, und das schlägt dann durch.
Und im Gesundheitsbereich und im öffentlichen Dienst in
seiner Struktur ist es ähnlich, ja. Ich sehe sehr großen Mut, sehr große
Bereitschaft, über heute hinaus zu denken in grundsätzlichen Bekenntnissen. Und
ich sehe dann eine wirkliche Kleinlichkeit, wenn es um das Konkrete geht. Da
liegt ein Vorschlag am Tisch, und alle spitzen die Ohrwaschln. Und man spürt
die Frage: Moment, was ändert denn dieser Vorschlag jetzt ganz konkret an
meinen kleingärtnerischen Schrebergartenstrukturen? Und wenn man draufkommt, da
könnte sich ja was ändern für mich ganz konkret, ist schon der Block da mit
allen möglichen Argumenten und man traut sich nicht mehr weiter.
Das ist schade in den konkreten Diskussionen. Und das
erwartet eigentlich die Bevölkerung von diesem Konvent: in den konkreten
Strukturen etwas weiter zu bringen, auch dann, wenn man an heiligen Kühen der
Kompetenzverteilung kratzen muss oder an überkommenen polizeilichen Strukturen,
die halt seit 80 Jahren - oder in dem Fall eh nur seit 60 Jahren - so
sind, wie sie sind. Da sollten wir drüber hinaus, und da finde ich es schade,
dass uns das im Sechser nicht gelungen ist. Und ich bin selber auch dran
Schuld, obwohl ich, wer mich erlebt hat im 6-er Ausschuss, nicht derjenige war,
der gebremst hat, sondern der, der vorangegangen ist mit Vorschlägen. Ich bin
halt allein geblieben, weil ich bin offensichtlich ein Beamter, den man mit den
Ärmelschonern dann doch nicht so identifizieren kann, und das dann verwirrend
ist in der Diskussion. Ich bedanke mich.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke, Herr Sektionschef, und ich hoffe, was die
Hypertrophie des Schulsystems anlangt, dass Sie nicht nur mir, sondern auch
vielen anderen Mitgliedern des Konvents aus dem Herzen gesprochen haben.
Es hat sich nochmals Frau Landeshauptfrau Burgstaller zu
Wort gemeldet. Ich darf Sie bitten, Frau Landeshauptfrau, und darf ganz
besonders an die fünf Minuten Redezeitbeschränkung erinnern. - Bitte sehr.
Mag. Gabi Burgstaller: Keine Sorge, Herr Präsident, ich werde nur eine
Minute brauchen.
Ich glaube, die bisherige Debatte hat ja schon gezeigt, woran
es krankt, nämlich, dass die Ergebnisse der Ausschüsse auf Grund ihrer
Zusammensetzung - und das liegt in der Natur der Sache - etwas
Anderes zeigen, als hier zum Ausdruck kommt, nämlich ein möglichst
intelligentes Verfassungssystem. Und ich möchte eigentlich nur ganz kurz
warnen, weil der Herr Bundesrat Hösele gemeint hat, das Ziel sei ein neuer
Verfassungstext.
Also: Nie und nimmer würde ich nur einem neuen
Verfassungstext zustimmen, sondern tatsächlich einer neuen, mutigen Verfassung.
Und das sollte unser gemeinsames Ziel sein. Und daher, Herr Präsident, darf ich
auch eine Bitte hier äußern - und werde die natürlich auch in meiner
Fraktion auch weitertragen, in dem Fall bin ich ja Landesvertreterin, aber ich
werde es auch gerne in der Landeshauptleutekonferenz sagen - : dass man eben
von diesem Kleinkarierten weggeht, zudem, dass man endlich die politische
Debatte führt.
Und dazu braucht es halt eine Einladung, würde ich meinen,
des Bundeskanzlers an alle Parteien, an alle Parteien, nicht nur, dass die
Verfassungsmehrheit gesichert ist, sondern, wo man über das diskutiert, wie
kann man diese ganzen ideologischen Eckpfeiler lösen. Und zwar nicht mit
billigen Kompromissen, sondern mit den besten Lösungen für unser Staatswohl bei
Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen, das ist mir schon klar, wo
die Gewichtungen dann liegen werden. Aber ich glaube, es braucht den Beginn
dieser Debatte, sonst würde diese hervorragende Basisarbeit hier untergehen.
Und es ist, glaube ich, sehr an der Zeit, dass sie begonnen wird. Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön, Frau Landeshauptfrau.
Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Präsident
Hatzl. - Bitte sehr, Herr Präsident.
Johann Hatzl: Hoher Konvent!
Die Reform der Verwaltung, das ist ja unbestritten, war
immer auch ein dauerhafter Prozess der Veränderung. Manchen vielleicht zu langsam,
manchmal ist es manchen auch zu schnell gewesen. Selbst wenn wir uns auch hier
auf vieles einigen, wird es in einigen wenigen Jahren schon wieder
Notwendigkeiten des Bedarfs geben.
Ich gebe auch gerne zu, je einfacher und gleicher die
Regeln gesamtösterreichisch auch im Verwaltungsbereich sind, umso
übersichtlicher und umso klarer und verständlicher wirken sie trotzdem. Dennoch
sage ich, das sollte zumindest auch angesprochen sein, wenn man es korrekt
betrachtet, es gibt auch neun Bundesländer und auch neun verschiedene - nicht
Schrebergartenbetrachtungen, sondern gelegentlich auch - Notwendigkeiten des
Unterschiedes. Sie sollen nur vernünftig begründet sein. Und das ist genau der
Ausgangspunkt, zu dem sich sicherlich alle bekennen können.
Ich möchte aber mit meiner Wortmeldung an etwas
anschließen, auch noch ansprechen, was in einer Art Generaldebatte oder
-betrachtung behandelt wurde. Es ist schon richtig, dass heute erinnert wurde,
dass der Wiener Landeshauptmann davon gesprochen hat, “ wir sind zum Erfolg
verpflichtet“. Ich betrachte es durchaus als einen Erfolg, wenn jene
Körperschaft, das Parlament, das letztendlich die Entscheidung zu treffen hat,
mit einer Vielzahl von Möglichkeiten und Aufzeigen von Vorschlägen die Chance
bekommt, Realisierung zu betreiben.
Ich kann nur nochmals an das erinnern, was ich ursprünglich
am Beginn des Konvents gesagt habe. Ich bin ja damals ein Zweifler gewesen,
dass es auch tatsächlich hier einen Gesamttext geben wird, zu dem sich alle
bekennen können. Ich sagte schon damals, das kann nur eine Überforderung dieses
Gremiums und dieser Körperschaft sein. Letztendlich gibt es in der Republik
Österreich eine gesetzgebende Körperschaft, die die Beschlüsse zu fassen hat
und Parteien, die letztendlich das zu verarbeiten und zu verantworten haben.
Es ist daher eine sehr kluge - und in vielen Bereichen auch
differenzierte - Auflistung von Bereichen durch die Fachleute, durch die
Mitglieder des Konvents in den Ausschüssen vorgenommen worden, die es der
Politik ermöglichen, genauer zu beurteilen und in der Öffentlichkeit
klarzustellen, für was man sich entscheidet.
Ich bin heute bewusster als früher dagegen, dass man immer
wieder versucht, die Latte noch ein bisschen höher zu legen, um ein Ergebnis
darzustellen oder zu erzwingen mit dem Gefühl, man wird dann erst recht nicht
drüberspringen können um indirekt das Scheitern ansprechen zu wollen. Der
Konvent wird nicht gemessen, ob er hier von A bis Z einen Text vorlegt, sondern
er wird gemessen, ob er die entsprechenden Problemstellungen aufzeigen kann,
dokumentieren kann, und ob die Politik danach im Stande ist, daraus auch etwas
umzusetzen oder zu begründen, warum das eine oder das andere nicht möglich ist.
Meine Damen und Herren! Machen wir uns doch nichts vor:
Auch die reale Politik des Tages hat sehr wohl mit Verfassungsfragen zu tun.
Ich gebe zu, hätte ich manches, was ich in den letzten zwei, drei oder vier
Wochen in der realen Politik erlebt habe, schon vor fünf oder sechs Monaten
erlebt, wäre die Diskussion in meinen Ausschüssen zu diesen Themen auch eine
andere Frage gewesen, denn heute bin ich genauso der Auffassung, es geht nicht
nur darum, vielleicht manches aus der Verfassung heraus zu nehmen; andere sagen
entrümpeln. Ich glaube, es zeigt sich gelegentlich, dass man manches neu in die
Verfassung hinein schreiben muss, um sicher zu gehen, dass das nicht
gelegentlich Opfer irgendwelcher politischer Kurzentscheidungen ist.
Daher, meine Damen und Herren, halte ich es für ganz gut
und für einen Erfolg schon heute, zu wissen, wie wird die Politik entscheiden
können, weil es eine Hilfestellung über die politischen Einzelüberlegungen der
vier Parteien gibt. Zu dem soll man sich bekennen. Die Frage wird sein, was
wird das Parlament tun, das wird man dann erleben - aber der Konvent war
erfolgreich, wenn er sich nicht selbst noch in der Schlussphase überfordert.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke, Herr Präsident! Als Nächste hat sich die Frau
Präsidentin Orthner zu Wort gemeldet. - Bitte sehr, Frau Präsidentin!
Angela Orthner: Herr Vorsitzender! Herr Kollege Hatzl!
Und ich habe immer gesagt, der Konvent ist erfolgreich,
wenn die Mitglieder wollen, dass er erfolgreich ist, wenn alle dazu stehen,
dass es eine gute Lösung für die wichtigen Fragen unseres Landes geben wird.
Dazu gehört Diskussion.
Und mit allem Respekt, Frau Landeshauptfrau, aber ich halte
es doch für eine gewagte Feststellung, von der Kleinkariertheit der Diskussion
zu reden. Die Diskussion in den Arbeitsausschüssen, die Berichte, die es
gegeben hat, die sind eine sehr qualitätsvolle Auseinandersetzung mit
Problemen, die sind eine sehr qualitätsvolle Aufarbeitung dessen, was sich halt
in manchen Jahren angesammelt hat und was wir ja, und das ist Auftrag des
Gründungskomitees an uns gewesen, was wir auch besprechen sollen und auflisten
sollen. Natürlich ist es eine Arbeit der Damen und Herren, die im Konvent sind,
die aus den Landeshauptleuten, aus den Landtagspräsidenten, aus maßgeblichen
Vertretern der politischen Parteien und aus maßgeblichen Vertretern der
Wissenschaft, des Rechts und der Wirtschaft und anderer maßgeblicher
österreichischer Stellen zusammengesetzt sind.
Ich glaube, dass dieses Miteinander ein sehr gutes ist in
den Arbeitsausschüssen und dass auch das Präsidium weiß, welche Schlüsse daraus
zu ziehen sind. Selbstverständlich bedarf es der politischen Abstimmung,
selbstverständlich werden wir alle von unseren Weltanschauungen geprägt. Da
kommt halt öfter ein Konsens heraus im Bericht, als er dann im Präsidium auch
tatsächlich festgeschrieben wird.
Das ist, ich glaube, wir haben jetzt die 37. oder 38.
Sitzung im Präsidium, das ist ja auch unsere Arbeit, darauf zu schauen, wie
kann man aus einem Dissens im Ausschuss einen Konsens, und zwar den guten
Kompromiss und nicht den faulen Kompromiss, ich sage es hier noch einmal, dann
auch tatsächlich machen. Die politische Abstimmung, die wird dann auch im
Parlament geschehen, denn all das, was im Konvent beschrieben wird, beraten
wird, beschlossen wird, bedarf ja einer Umsetzung im Parlament.
Ich glaube, diese Auseinandersetzung wird dann an anderer
Stelle zu führen sein. Wir sind, glaube ich, immer noch in der Lage, den
Konvent zu einem positiven und guten Ende zu bringen, in dem Sinne, dass
erkennbar ist, dass wir neue Strukturen nicht nur andenken, sondern auch
beschreiben, dass ein Abschluss des Konventes auch mit einem Text, der nicht
nur aus zusammen gewürfelten Bausteinen, sondern in einer Übersicht der Dinge
auch gegeben wird.
Ich denke mir, dass die Vorarbeiten dazu sehr gute sind und
dass auch im Präsidium, zumindest von meiner Seite und, soweit ich das
beurteilen kann, eigentlich vom ganzen Präsidium hier doch einer gemeinsamen
Arbeit ein ganz großer Stellenwert gegeben wird.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke, Frau Präsidentin! Mit Ihrer Wortmeldung ist
damit die Debatte zum ergänzenden Bericht des Ausschusses 6 abgeschlossen, und
wir kommen zum ergänzenden Bericht des Ausschusses 5.
Ich darf dem Vorsitzenden des Ausschusses 5, Herrn Dozenten
Dr. Bußjäger, das Wort erteilen, um uns eine Einführung zu diesem ergänzenden
Bericht zu geben. Ihnen stehen 15 Minuten zur Verfügung, wie dies gewohnt ist.
- Bitte sehr, Herr Dozent!
Dr. Peter Bußjäger: Sehr geehrter Vorsitzender! Meine Damen und
Herren!
Das Präsidium des Österreich-Konvents hat mehrere
Ergänzungsmandate beschlossen. Die wichtigste Aufgabe war die Formulierung
abgerundeter Kompetenztatbestände (Kompetenzfelder), wobei nach den Vorgaben
des Präsidiums die Zahl der Kompetenztatbestände auf etwa ein Drittel oder auch
weniger reduziert werden sollte und eine nachvollziehbare Zuordnung der
bisherigen Kompetenztatbestände zu den neuen Kompetenzfeldern vorgenommen
werden sollte. Dann war der weitere Auftrag, einen Vorschlag für eine
Aufteilung der neuen Kompetenzfelder auf Bund und Länder unter Zugrundelegung
eines Zweisäulenmodells und eines Dreisäulenmodells vorzunehmen. Das war im
Wesentlichen der Auftrag des Präsidiums, der auch dann in nachfolgenden
Ergänzungsmandaten präzisiert wurde. Ich verweise diesbezüglich im Interesse
der Zeitersparnis auf den Bericht, den Sie alle kennen.
Der Ausschuss wurde ersucht, insgesamt bis zum 30. Oktober
2004 dem Präsidium über die Ergebnisse der Beratungen schriftlich zu berichten.
Diesen Termin haben wir einigermaßen halten können. Der Ausschuss hat diese
Aufträge abgearbeitet und einen Ergänzungsbericht bereits im Juni und nun
diesen Abschlussbericht vorgelegt. Ich bedanke mich bei allen
Ausschussmitgliedern recht herzlich dafür, dass sie sich die Zeit genommen
haben für eine äußerst sachliche Zusammenarbeit, bei der man sich mit der
Kleinteiligkeit der Kompetenztatbestände, die nicht verwechselt werden darf mit
einer Kleinkariertheit, auseinander gesetzt hat. Ich bedanke mich ganz besonders
wieder bei der fachlichen Ausschussbetreuung von Frau Dr. Kroneder für die
ausgezeichnete Unterstützung und dann natürlich beim Konventsbüro für die
gewissenhafte Erledigung der Sekretariatsaufgaben.
Nun einige grundsätzliche Bemerkungen. Der Ausschuss hält
in seinem Bericht ausdrücklich fest, dass er nur Gesetzgebungskompetenzen
beraten hat. Er ging allerdings von der Annahme aus, dass der Vollzug von
Bundesgesetzen durch die Länder, sei es im Rahmen der mittelbaren
Bundesverwaltung oder im Rahmen der Landesvollziehung, weiterhin einen
wesentlichen Bestandteil des Systems bildet. Die Beratungsergebnisse des
Ausschusses, wie sie im Bericht vom 4. März 2004 festgehalten sind, bleiben
insoweit aufrecht, als der neue ergänzende Bericht nicht zu abweichenden
Ergebnissen kommt. Wir haben eine Reihe von Textvorschlägen gesammelt, die im
besonderen Teil des Berichtes angehängt sind. Nun im Einzelnen.
Kompetenzfelder und ihre Verteilung auf Bund und Länder.
Der Ausschuss hat entsprechend dem Auftrag des Präsidiums nach größeren
abgerundeten Kompetenzfeldern eben neue Kompetenztatbestände formuliert. Ziel
war es, die Kleinteiligkeit der Kompetenzzuweisungen aufzulösen und zu einer
geringeren Zahl von Tatbeständen zu finden. Das ist zumindest in wesentlichen Bereichen
gelungen. Ich denke, man kann, auch wenn ich jetzt die Dissenspunkte mit
einbeziehe, insgesamt die bestehende Kompetenzverteilung auf 50 bis 60
Kompetenzfelder reduzieren. Von diesen neuen Kompetenzfeldern konnten im
Ausschuss viele konsensual Bund und Ländern zugewiesen werden. Allerdings gab
es im Einzelnen dann doch divergierende Auffassungsunterschiede, auch was die
Zuordnung der bisherigen Kompetenztatbestände zu diesen neuen übergeordneten
Kompetenzfeldern betrifft, auch sehr viel gravierende Auffassungsunterschiede.
Der Meinungsstand zu diesen Fragen und die Beratungsergebnisse sind im Bericht
im Anhang 1 wiedergegeben, auf den ich hier verweisen darf.
Rechtsbereinigung. Der Ausschuss hat sich auch mit der
Frage auseinander zu setzen gehabt, wie die kompetenzrechtlich relevanten
Verfassungsbestimmungen, die derzeit außerhalb der eigentlichen
Verfassungsurkunde angesiedelt sind, in eine neue Kompetenzverteilung mit
einbezogen werden können. Dabei war die Grundlage der Beratungen eine vom Ausschuss
2 vorbereitete Liste der relevanten Normen.
Die Beratungen ergaben, dass von den rund 60 außerhalb des
B-VG stehenden, die Gesetzgebung betreffenden Kompetenznormen praktisch keine
beibehalten werden müssen, sondern in übergeordnete Kompetenzfelder aufgehen
können und für ungefähr die Hälfte dieser Bestimmungen konnte im Konsenswegs
eine Lösung gefunden werden, für den Rest wurden Variantenvorschläge, in der
Regel waren es zwei Varianten, gemacht. Auch haben wir uns mit verschiedenen
dislozierten Verfassungsbestimmungen die Kompetenzen betreffend in
Staatsverträgen auseinander gesetzt und doch auch im Wesentlichen ein
konsensuales Ergebnis erzielt. Die Ergebnisse dieser Beratungen sind im Anhang
2 des Berichtes dargestellt.
Nun, Zweisäulenmodell gegen Dreisäulenmodell. Der Ausschuss
erachtete ein reines Zweisäulenmodell im Sinne einer strikten und starren
Trennung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern in der
Gesamtabwägung als nicht zweckmäßig und sprach sich insgesamt für die Schaffung
eines Dreisäulenmodells aus, wobei jedoch viele Ausschussmitglieder dafür
eintraten, diese dritte Säule, diesen kooperativen Bereich, so schmal wie
möglich zu halten.
Für ein Dreisäulenmodell wurde ins Treffen geführt, dass
eine starre Aufteilung der Kompetenzen den Anforderungen eines modernen
Bundesstaates einerseits und den Erfordernissen der EU-Mitgliedschaft
andererseits nicht zu genügen vermag. Vielmehr müsse es Mechanismen geben, die
eine gewisse Flexibilität in der Inanspruchnahme von Kompetenzen ermöglichten.
Es wurde aber insgesamt die Meinung vertreten im Ausschuss, dass diese
Unterscheidung zwischen einem Zweisäulenmodell und einem Dreisäulenmodell
letztlich eine graduelle und keine grundsätzliche ist. Wesentlich ist, dass ein
ausreichend flexibles Instrumentarium vorhanden ist, wobei angemerkt wurde,
dass auch schon die derzeit bestehende Rechtsordnung bestimmte
Flexibilisierungsmechanismen kennt, die vielleicht ausgeweitet werden können.
Nun zum Gesetzgebungsmechanismus in der dritten Säule. Der
Ausschuss hat sich mit der Frage der Inanspruchnahme der Kompetenzen der
dritten Säule auseinander gesetzt und es hat sich gezeigt, dass die
grundsätzliche Zustimmung zu einer dritten Säule - wie auch die Befüllung
dieses Bereiches - wesentlich von der Ausgestaltung des verfahrensmäßigen
Gesetzgebungsmechanismus abhängt. Das heißt, von der Frage, wer letztlich die
Inanspruchnahme der Kompetenzen in der dritten Säule kontrolliert.
Die Meinungen im Ausschuss divergierten dazu beträchtlich.
Allerdings können sie auf zwei wesentliche Bereiche grob zusammengefasst
werden. Sowohl im Modell des Ausschussvorsitzenden als auch im Modell, das von
Johannes Schnizer in den Ausschuss eingebracht wurde, ist ein Bereich mit
konkurrierender Gesetzgebungszuständigkeiten, also eine dritte Säule - bei
Schnizer sind es zwei im Wesentlichen - vorgesehen, die hinsichtlich des
Gesetzgebungsverfahrens dahingehend eine Gemeinsamkeit aufweisen, dass dem
Bundesrat eine wesentliche Rolle zukommt. Im Unterschied dazu steht allerdings
das Modell des Ausschussvorsitzenden, das ergänzend zur
Zustimmungspflichtigkeit der im Bereich der kooperativen Gesetzgebung
erlassenen Gesetze durch den Bundesrat eine Zustimmung durch die Mehrheit der
beteiligen Länder vorsieht. Dieses System einer doppelten Mehrheit kehrt in
abgewandelter Form auch bei Schnizer, aber innerhalb des Bundesrates selber,
zum Ausdruck.
Diesen beiden Positionen kann man eine andere Position
gegenüber stellen, die wesentlich von Präsident Leitl in den Ausschuss
eingebracht wurde, wonach die Gesetzgebung in der dritten Säule an ein
objektives Kriterium gebunden wird, in dessen Mittelpunkt eine
Gesetzgebungskompetenz des Bundes steht, soweit es um die Herstellung
gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts-
oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse geht.
Die Länder werden dabei über den Bundesrat in das
Gesetzgebungsverfahren eingebunden und hätten über den Bundesrat das Recht, ein
Vermittlungsverfahren anzustrengen. Letztlich hätten sie aber hier nicht die
Möglichkeit, das Gesetzgebungsverfahren in dem Sinne zu blockieren, sondern es
könnte lediglich eine Subsidiaritätsklage an den Verfassungsgerichtshof
eingebracht werden.
Das sind so im Wesentlichen die drei Modelle, die im
Ausschuss zur Diskussion standen, mit verschiedenen Abweichungen, die auch
andere Ausschussmitglieder eingebracht haben. Insgesamt vertrat der Ausschuss
überwiegend die Auffassung, dass die Inanspruchnahme der Kompetenz in der
dritten Säule Gegenstand eines politischen Verfahrens sein soll, unter
Umständen unter Zugrundelegung eines objektiven Kriteriums als Leitlinie. Viele
Ausschussmitglieder sprachen sich für eine Konstruktion aus, die eine
angemessene Vertretung der Länder im Gesetzgebungsprozess der dritten Säule
gewährleistet. Einem neu konzipierten Bundesrat sollte dabei eine wesentliche
Aufgabe zukommen. Andere Ausschussmitglieder plädierten dafür, letztlich dem
Bundesgesetzgeber über dem Nationalrat die vorrangige Gestaltungsmöglichkeit in
der dritten Säule einzuräumen.
Es besteht Konsens, dass der Bund eine Materie in der
dritten Säule abschließend regeln kann, dass er sich aber auch auf die Regelung
von Zielen, Rahmen und Grundsätzen beschränken können soll. Davon losgelöst war
die Frage zu betrachten, ob es Materien geben soll, in denen die Gesetzgebung
des Bundes von vornherein auf bestimmte Grundsätze beschränkt sein sollte. Das
hat der Ausschussvorsitzende eingebracht. Diesbezüglich besteht allerdings kein
Konsens.
Nun einige Bemerkungen noch zur Rechtstechnik der Zuordnung
der bisherigen Kompetenztatbestände zu den neuen Kompetenzfeldern. Es wurden
folgende Zuordnungsmöglichkeiten erwogen: Hinweis in den Gesetzesmaterialien;
die zweite Möglichkeit: Die Zuordnung mittels eines Verfassungsausführungsgesetzes,
eines so genannten Kompetenzzuordnungsgesetzes, wobei dieses Gesetz als eine
Art Überleitungsgesetz zu verstehen wäre, das eine authentische Interpretation
der neuen Kompetenzfelder vornimmt und eine Variante dazu, ein
Kompetenzzuordnungsgesetz, das als Instrument zur flexiblen Verschiebung von
Kompetenzen in einem bestimmten Rahmen zu verstehen wäre. Diesbezüglich wurde
auch kein Konsens erzielt, genauso wenig auch zu dem Vorschlag, solche
Kompetenzabgrenzungen und Zuordnung mittels einer Vereinbarung vorzunehmen.
Aber es bestand zumindest Einigkeit darüber, dass geklärt werden muss, wie
tatsächlich die Zuordnung der
verschiedenen derzeitigen Kompetenztatbestände zu den neuen Kompetenzfeldern
verfassungsrechtlich erfolgen soll.
Da meine Zeit, genauso wie die Zeit des Ausschusses 5, am
ablaufen ist, komme ich nun zum Schluss. Ich nehme eine abschließende Bewertung
vor. Insgesamt hat sich der Ausschuss nach eingehenden Beratungen für ein
Drei-Säulen-Modell ausgesprochen. Er begründete dies damit, dass auch in einem
Zwei-Säulen-Modell solche Flexibilisierungsmaßnahmen erforderlich würden, die
mehr oder weniger dann auf dasselbe hinaus liefen. Es wurde jedenfalls
angedacht, dass es ein Zusammenwirken der Gebietskörperschaften auch in der
Gesetzgebung geben muss, und dass eben die negativen Auswirkungen einer
unelastischen, staatlichen Trennungsordnung überwunden werden müssen. Die
grundsätzliche Zustimmung zu einer dritten Säule, wie auch deren Befüllung mit
Aufgaben, hängt wesentlich von der Ausgestaltung des Gesetzgebungsmechanismus
ab, und das wird nun zu klären sein. Die Meinungen im Ausschuss konnten
immerhin auf einige wenige Varianten reduziert werden. Und ich glaube, es ist
zumindest gelungen, Grundlagen für eine neue Konzeption der Kompetenzverteilung
zu liefern. Es wurden auch in einigen wichtigen Punkten konsensuale Vorschläge
vorgelegt. Und wie gesagt, in den Dissenspunkten wurde versucht, die
Alternativen auf einige wenige Varianten zu begrenzen, was eine zukünftige
Entscheidungsfindung auf politischer Ebene vielleicht doch noch ermöglicht. Ich
danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Besten Dank, Herr Landtagsdirektor. Vor allem mögen Ihre
Worte erhört werden, dass eine politische Konsensfindung nun im Anschluss an
die Tätigkeit des Ausschusses leichter vonstatten gehen kann. Ich danke auch
allen übrigen, die tatkräftig in diesem Ausschuss mitgewirkt haben und
natürlich auch den unterstützenden Diensten von Seiten des Büros des Konvents
und auch allen, die sich gerade, was diesen Ausschuss betroffen hat, in
verschiedenster Weise verdient gemacht und bemüht haben. Ich hoffe, dass die
hohen Erwartungen, die in eine neue Kompetenzverteilung gesetzt werden, durch
den Konvent auch tatsächlich erfüllt werden können. Besten Dank, Herr
Landtagsdirektor.
Ich darf nun mit der Diskussion zum Bericht des Ausschusses
5 als ersten Redner Herrn Präsidenten Michael Neureiter aufrufen.- Bitte sehr.
MMag. Michael Neureiter‡: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben in Salzburg gerade eine Debatte über eine
Redezeitbeschränkung auf 3 Minuten. Ich werde einen Test versuchen und möchte
in der gebotenen Geschwindigkeit Ihnen einige Anliegen vorlegen.
Ich freue mich darüber, dass unsere Landeshauptfrau Gabi
Burgstaller seit dem 2. September eine Meinungsentwicklung hinter sich gebracht
hat. Sie hat damals am 2. September noch davon gesprochen, der
Österreich-Konvent sei ein aufwändiges Beschäftigungsprogramm für Politiker und
Beamte, und sie hat vor drei Monaten exakt auch gesagt, der Österreich-Konvent,
Herr Präsident, sei das größte Ressourcenverschwendungsprogramm der Zweiten
Republik. Soweit zur Geschichte, die wir hinter uns haben. Wir haben alle
offensichtlich eine Meinungsentwicklung hinter uns.
Und ich darf als Vertreter des Salzburger Landtags sagen,
dass ganz wichtig ist für diesen Konvent und sein Ergebnis, dass das
Missverständnis endlich ausgeräumt ist, das in der vergangenen Woche auch in
einigen Medien verbreitet wurde, dass nämlich die Hingabe von Kompetenzen an
die Länder bedeute, Kompetenzen den Landeshauptleuten oder Landeshauptfrauen in
den Rachen zu werfen. Ich bin der Meinung, dass Länderkompetenzen bedeuten,
dass Spielregeln für unser Zusammenleben näher bei den Menschen, näher bei den
betroffenen Menschen angesiedelt werden. Das ist das Anliegen von Länderkompetenzen
und nicht die Hingabe an Landeshauptfrauen und Landeshauptmänner.
Ich komme zur zweiten Vorbemerkung. Am Samstag der
vergangenen Woche gab es eine interessante Veranstaltung des Katholischen
Akademikerverbandes in Wien, wo ein anwesendes Mitglied des Österreich-Konvents
unter anderem die Meinung vertreten hat, ein in der Vorwoche vorgelegter
ÖVP-Entwurf sei eine extensive Festlegung von Länderkompetenzen und eine
äußerst, leider eine äußerst länderfreundliche Sache, und man könnte die
Verstärkung von Länderkompetenzen nicht aus dem Kopf eines Landesvertreters
austreiben. Soweit das Originalzitat, das ich genau mitgeschrieben habe -
leider haben wir dann am vergangenen Samstag nicht persönlich darüber
diskutieren können. Ich glaube, dass wir nicht die Verstärkung von
Länder-Kompetenzen aus den Köpfen der Ländervertreter austreiben sollten, Frau
Präsidentin Orthner, sondern wir sollten sie in den Köpfen der Zentralisten
durchsetzen. Das ein grundsätzlicher Standpunkt von einem, der natürlich aus
der Provinz kommt.
Ich möchte Sie bitten, mit mir in diesen drei Minuten, zwei
Minuten, einer Minute, darauf verweisen zu dürfen, dass regionale Parlamente
mit Gesetzgebungskompetenz die Kosten senken, die politische Partizipation
verstärken und eine menschennähere Politik ermöglichen. Frau Burgstaller hat
heute auch gesagt, wie viele andere Diskussionsredner, dass offensichtlich für
den Konvent die Stunde der Politik gekommen ist. Ich bin der Meinung, dass wir
genau schauen sollten, was jetzt an neuen Unterlagen nicht von den Ausschüssen,
sondern von den Parteien ÖVP und SPÖ vorgelegt worden ist. Ich sehe beim
Entwurf Schnizer eine große Bundessäule mit einigen bisherigen
Länderkompetenzen, eine kleine Ländersäule und etwas wenig definierte
Mischzuständigkeiten und die Gefahr eines demokratiepolitischen Abverkaufs. Ich
sehe beim ÖVP-Modell, das Ihnen auch in der vergangenen Woche zugegangen ist,
eine - wie ich meine - starke und sinnvolle Ländergesetzgebung und eine
Stärkung des Bundesrates, die höchste Zeit ist.
Ich bitte also, von der verbreiteten Länderangst Abschied
zu nehmen und alles zu tun, um die Instrumente der Mitbestimmung und der
Kontrolle und der Mitwirkung der Länder in diesem Gesamt unserer Demokratie zu
stärken. Herzlichen Dank.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler:
Besten Dank, Herr Präsident.
Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Professor
Öhlinger. - Bitte, Herr Professor.
Dr. Theodor Öhlinger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es
trifft sich gut, dass ich nach Herrn Präsidenten Neureiter zu Wort komme -
obwohl ich jetzt nicht das sagen kann, was ich eigentlich sagen wollte, weil
ich darauf natürlich antworten muss.
Ich war jener Referent in der Veranstaltung des
Katholischen Akademikerverbandes, der zum Thema Kompetenzverteilung gesprochen
hat. Den Satz: Man kann etwas aus den Köpfen von Ländervertretern nicht
austreiben, habe ich in einem ganz anderen Zusammenhang gebracht. Ich habe die
Beschränkung des Mandates des Ausschusses 5 auf die Gesetzgebungskompetenzen
kritisiert und gesagt, dass man über Gesetzgebungskompetenzen nicht wirklich
sprechen kann, ohne im Hinterkopf die Frage zu stellen, wer diese Gesetze zu
vollziehen hat, und dass es vor allem aus den Köpfen von Landesvertretern
irgendwie nicht hinausgehen kann, wenn man etwa über die Zentralisierung des
Energierechtes spricht - und das haben dort nicht nur Bundesvertreter gefordert:
Herr Präsident Leitl ist nicht da, er hat sich massiv dafür eingesetzt -, wenn
man verlangt, dass Energiewesen Bundessache ist, dass im Hinterkopf eines
Landesvertreters auch der Entzug der Vollzugskompetenzen mitschwingt und dass
er sich davor verständlicherweise fürchtet.
Als ein in Innsbruck verfassungsrechtlich sozialisierter
Verfassungsjurist gelte ich unter meinen Kollegen als ein eher föderalistisch
orientierter Fachvertreter. Aber ich habe auch gesagt, dass wir nicht darüber
hinwegkommen, dass man in diesem kleinen Land mit seiner zentralistischen
Tradition - Maria Theresia und Fortsetzung - den Bedarf an einheitlichen
gesetzlichen Regelungen nicht ignorieren kann. Wir haben hier Vertreter
verschiedenster Organisationen der Zivilgesellschaft gehört. Ich kann mich an
keinen einzigen Beitrag erinnern, in dem jemand gefordert hätte, irgendetwas
muss verländert werden. Ich kann mich aber an viele Beiträge erinnern, in denen
gefordert wurde, dass etwas in die Kompetenz des Bundes übertragen werden soll.
Daran kommen wir nun einmal nicht vorbei!
Wir haben in diesem Land ein geringes Verständnis für
differenzierte Regelungen! Wer hat hier heute schon gesagt, dass er kein
Verständnis dafür habe, dass die Treppenstufen länderweise unterschiedlich geregelt
werden? - Das betrifft eine zentrale Kompetenz der Landesgesetzgebung! Es fehlt
einfach das Verständnis für unterschiedliche gesetzliche Regelungen.
Wofür ich daher plädiert habe, ist, dass dem Bund - und das
ist mein Konzept der dritten Säule, über das ich eigentlich hier reden wollte -
weitgehende Regelungskompetenzen gegeben werden, die er aber nicht ausnützen
muss, die er nur so weit in Anspruch nehmen soll, als tatsächlich ein Bedarf
nach einheitlichen Regelungen besteht. Den Ländern soll aber ein großer
Gestaltungsspielraum in der Umsetzung dieser Gesetze und zu einer selbständigen
Politik im Rahmen dieser Gesetze eröffnet werden.
Und das ist ja - jetzt komme ich auf mein Thema doch noch
zu sprechen - in Wahrheit das Konzept der dritten Säule: Die dritte Säule
bedeutet: Es sollen die Länder kompetent sein, eine Materie zu regeln, so lange
und so weit der Bund nicht einheitliche Regelungen schafft. Das ist die Antwort
auf das Problem, das ich in Diskussionen mit Nicht-Juristen gerne mit dem Beispiel
der Plakatwand neben dem Schloss Schönbrunn illustriere: Die darf der
Bundesgesetzgeber verbieten, eine Tankstelle, einen Kiosk darf er aber nicht
verbieten. So kleinteilig ist unsere Kompetenzverteilung. Man könnte noch viele
andere Beispiele anführen.
Es gibt mehr als 60 Kompetenztatbestände außerhalb des B-VG
- alle diese Kompetenztatbestände, zum Beispiel im Energierecht, sind nichts
anderes als der Versuch einer Ad-hoc-Anpassung einer nicht mehr brauchbaren
Kompetenzverteilung im B-VG selbst.
Diese Situation könnte dadurch verbessert werden, dass es
eine kooperative Gesetzgebung oder eine geteilte Gesetzgebung gibt - nach einem
Modell, das es in allen anderen Bundesstaaten gibt und das insbesondere das
Kompetenzverteilungs-Modell zwischen der Europäischen Union und den
Mitgliedstaaten ist: Die Mitgliedstaaten haben eine Gesetzgebungskompetenz
immer dann, wenn die Union eine Sache nicht vollinhaltlich regelt. Das gibt es
auch in der Schweiz, das gibt es in den Vereinigten Staaten, das gibt es in
allen klassischen Bundesstaaten. Man kann so flexibel bei Bedarf einheitlich
regeln, man kann aber auch den Ländern Sachen überlassen, für die heute der
Bund zuständig ist, ohne vielleicht seine Kompetenz überhaupt gerne in Anspruch
nehmen zu wollen. Gerade bei so bevölkerungsnahen Kompetenzen wie etwa
Sozialpolitik und so weiter sollten die Länder viel mehr Gestaltungsfreiheit
haben, als sie heute besitzen.
Ich sehe das zentrale Problem dabei in einer berechtigten
Angst der Länder, dass der Bund seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz
exzessiv in Anspruch nimmt. Herr Bußjäger hat darauf hingewiesen: Der
Mechanismus, das sinnvoll zu steuern, ist ein schwieriger. In dieser Frage hat
es keinen vollen Konsens im Ausschuss 5 gegeben, es hat aber große Annäherungen
gegeben - und man sollte diese Annäherungen nicht wieder durch ganz radikale
andere Vorstellungen in Frage stellen. Danke, Herr Präsident.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke, Herr Professor.
Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr
Dr. Schnizer. - Bitte sehr.
Dr. Johannes Schnizer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Ich möchte zunächst dem Ausschuss-Vorsitzenden für die
ausgezeichnete Darstellung der Ausschussergebnisse sehr herzlich danken -
es ist das alles sehr gut und sehr zutreffend dargestellt. Es wurde
insbesondere auch dargestellt, dass es drei wirklich gute und sehr gut
durchdachte Vorschläge für komplette Kompetenzverteilungen im Ausschuss gegeben
hat: Einerseits den des Ausschuss-Vorsitzenden, andererseits den der
Wirtschaftskammer und dann einen, den ich für eine Arbeitsgruppe der SPÖ
eingebracht habe. Was ich bedauerlich finde, ist, dass nun auf einmal im
Präsidium ein vierter Vorschlag eingebracht wurde, der überhaupt nicht im
Ausschuss diskutiert wurde, den Präsident Khol für die ÖVP dort vorgeschlagen
hat.
Ich würde es bedauerlich finden, wenn an sich auf die Arbeit
der Ausschüsse nicht zurückgegriffen wird, denn ich meine, es zeichnet sich
jetzt schon ab, dass der Konvent einen Erfolg gehabt hat, indem nämlich in den
Ausschussberichten eine Fülle von ausgezeichneten und durchdachten Vorschlägen
sind, die eben nicht alle einvernehmlich sind, aber wo jeder Vorschlag etwas
für sich hat und für sich bedenkenswert ist. Damit ist der Konvent seiner
Hauptaufgabe - nämlich Vorschläge für eine grundlegende Staats- und
Verfassungsreform auszuarbeiten, wie es im ersten Absatz des
Gründungsdokumentes heißt - bereits nachgekommen, und ich würde meinen,
dass auch dann, wenn es dem Präsidium gelingt, diese Ausschussvorschläge konzis
zusammenzufassen, bereits eine ganz ausgezeichnete Grundlage und eine
erfolgreiche Konventsarbeit dokumentiert wird, die dann die
Entscheidungsgrundlage für den politischen Prozess darstellen kann.
Ich möchte nun ganz kurz auf den völlig abweichenden
Kompetenzvorschlag, der im Präsidium eingebracht wurde, kurz eingehen, und ich
glaube, man kann das in vier Kritikpunkten zusammenfassen.
Das Erste ist: Es ist ein Vorschlag mit zwei Säulen und
nicht mit drei Säulen, und der Ausschuss-Vorsitzende hat ja schon dargestellt,
warum der Ausschuss letzten Endes der Meinung war, ein Zwei-Säulen-Modell ist
nicht machbar; eine flexible und gleichzeitig doch klare Kompetenzverteilung
ist am besten mit einem Drei-Säulen-Modell erreichbar.
Der zweite Kritikpunkt, und damit verlasse ich bereits die
sozusagen formale Seite: In diesem Vorschlag werden die wirtschaftsnahen
Kompetenzen weiter zersplittert. Es ist sogar so, dass nach diesem Vorschlag
dort, wo es bis jetzt eine ausschließliche Bundes-Zuständigkeit gegeben
hat - wie im Wasserrecht, im Forstrecht, im Abfallwirtschafts-, im
sonstigen Umweltrecht -, zusätzlich verpflichtend vorgesehen sein soll,
dass der Bund bestimmte Regelungen an die Länder zu übertragen hat. Ich
glaube, das ist nicht das, was heute notwendig ist, damit wir zu einer
effizienten Kompetenzverteilung kommen, die auch einen guten Rahmen für den Wirtschaftsstandort
Österreich bietet. Ich möchte da darauf hinweisen, dass alle Länder, in denen
die SPÖ stärkste Partei ist, auch unserem Kompetenzverteilungsvorschlag mit
einer starken Zusammenführung wirtschaftsnaher Kompetenzen zugestimmt haben und
Frau Landeshauptfrau Burgstaller hat auch hier ja wieder ein Bekenntnis dazu
abgelegt.
Der dritte Kritikpunkt und damit, das ist eine Form der
Steigerung, das Problem ist, wir sprechen immer von Säulen und unter Säulen
stellt man sich etwas Klares und Festes vor, wo es eine gewisse Übersicht gibt,
die Säulenhalle draußen ist ja ein Musterbeispiel dafür. Dieser
Kompetenzvorschlag, der enthält keine Säulen, sondern es sind eher Haufen; zwei
Haufen, von denen man nicht weiß, was zu welchem Haufen gehört, weil es gibt
auch keine Zuordnung der bisherigen Materien zu diesen einzelnen Häufchen. Das
soll nämlich erst mit einem Kompetenzzuordnungsgesetz erfolgen, in einem
Verfahren im Bundesrat, mit einem einfachen Gesetz, soll grundsätzlich einmal die
einfache Mehrheit entscheidet, was wohin gehört, wie das dann aussehen wird,
weiß man jetzt überhaupt noch nicht, also eine klare Kompetenzverteilung ist
das sicher nicht.
Und damit komme ich zu dem schärfsten Kritikpunkt, nämlich
zum Vierten. Dieses Kompetenzverteilungsgesetz soll zwar mit einfacher Mehrheit
im Nationalrat beschlossen werden, aber soll, so wie auch überhaupt
Verfassungsgesetze und sonstige Verfassungsausführungsgesetze, von der
Vollziehung in Wahrheit abhängen. Es soll nämlich der Zustimmung von fünf
Landeshauptleuten bedürfen und so sehr ich Landeshauptleute schätze, ich
glaube, in der Gesetzgebung haben sie nichts verloren. Danke vielmals.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön. Als nächster zu Wort hat sich Herr Dr. Poier
gemeldet. - Bitte sehr.
Dr. Klaus Poier: Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Dass die Kompetenzverteilung einer der Knackpunkte des Österreich-Konvents ist, das hat sich von Anfang an abgezeichnet. Wer wofür zuständig ist, ist in jedem sozialen Gebilde eine sehr wichtige und sehr oft umstrittene Frage, sei es in der Familie, in einem Verein, in der Europäischen Union und so eben auch in Bundesstaaten und damit auch in Österreich.
In Österreich ist die Frage der Kompetenzverteilung auch nicht nur primär eine Frage von Bund und Ländern, sondern sehr stark überlagert von parteipolitischen Interessen. Das Drei-Säulen-Modell ist weitgehend akzeptiert. Ich möchte auf der Ebene unterhalb dieser grundsätzlichen Einteilung zwei Punkte ansprechen. Zum Einen halte ich ein solches Kompetenzzuordnungsgesetz für notwendig, das die einzelnen Materien den großen Kompetenzfeldern zuordnet und das auch flexibel ist. Denn man muss den Problemen klar ins Auge schauen: Die Zuordnung von Kompetenzen ist auch unterhalb der großen Kompetenzfeldern primär eine politische Frage, die politisch diskutiert werden muss und auch politisch entschieden werden muss – und nicht primär durch den Verfassungsgerichtshof. Und dies kann meines Erachtens am besten durch ein solches Kompetenzzuordnungsgesetz gewährleistet werden.
Diese Konstruktion hätte sicherlich den Nachteil, dass hin und wieder eine solche politische Entscheidung zu einer Blockade führen kann, aber sie hätte meines Erachtens die großen Vorteile der unmittelbaren demokratischen Legitimation einer solchen Entscheidung und auch der weitgehenden Rechtssicherheit, die damit von Anfang an geschaffen werden kann. Zudem würde es sicherlich bei einer oftmaligen Befassung des Verfassungsgerichtshofes auch dazu kommen, dass immer wieder der Ruf nach einer Korrektur einer Entscheidung durch den Gesetzgeber laut würde.
Zweiter Punkt: Diskussionswürdig ist sicherlich die Frage, welcher Mehrheiten ein solches Kompetenzzuordnungsgesetz bedarf. Was die Länderinteressen betrifft, denke ich, dass der Vorschlag einer einfachen Mehrheit im Bundesrat plus der Notwendigkeit der Zustimmung der Mehrzahl der Länder ein sehr geeigneter Weg wäre, der auch die Interessenlage und die Machtverhältnisse auf der Länderseite adäquater berücksichtigen würde, als dies jetzt der Fall ist. Denn jetzt gibt es zuerst eine Befassung in der Landeshauptleutekonferenz und dann quasi die absegnende Entscheidung im Bundesrat.
Was
die Bundesseite betrifft, ist der Diskussionsbedarf vielleicht größer. Für den
Fall, der natürlich der häufige Fall ist, dass Länderkompetenzen zum Bund wandern
sollen, denke ich, dass eine einfache Mehrheit im Nationalrat ausreichend ist
und dass damit auch die Diskussion auf den Konfliktpunkt Bund-Länder fokussiert
würde und Regierungs-Oppositionsdenken, das in diesem Fall meines Erachtens
inadäquat ist, ein wenig abgeschwächt würde. Für den umgekehrten Fall, dass
Bundeskompetenzen zu den Ländern wandern würden, denke ich, dass man das Modell
abändern sollte, denn in dem Fall denke ich, dass durchaus im Nationalrat auch
eine Zweidrittelmehrheit sinnvoll wäre. Danke sehr.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön für diese Ausführungen. Die nächste Rednerin
ist Frau Mag. Ettl. - Bitte sehr.
Mag. Johanna Ettl: Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!
Angesichts dieser hochrangigen
juristischen Diskussionen habe ich ein gewisses Problem. Ich bin Ökonomin, aber
ich glaube, manchmal ist es auch nützlich, eine andere Sicht der Dinge zu
gewinnen. Es geht nach unserem Dafürhalten - es ist das Dafürhalten einer
Arbeitnehmerorganisation - bei der künftigen Kompetenzverteilung nicht
darum, wer mehr Macht hat, seien
das die Länder oder der Bund, sei es die eine Partei oder die andere, es geht
im Prinzip darum, Grundregeln zu finden für das Zusammenleben von Menschen in
diesem Land zum Ersten und zum Zweiten, und das ist auch ganz wichtig, die
Voraussetzungen für ihren materiellen Wohlstand abzusichern.
Und darum, und ich wiederhole mich,
weil ich das schon einmal gesagt habe, es geht erstens darum, dass Österreich
ein einheitliches Wirtschaftsgebiet bleiben muss, das ist uns ganz wichtig. Bei
allen Kämpfen, wer was tun darf, und was nicht: Dieses vorrangige Ziel dürfen
wir nicht aus den Augen verlieren. Wir leben in einer Zeit zunehmender
Internationalisierung und es geht nicht an, dass wir jetzt darüber diskutieren,
wer welchen Schrebergarten zu beackern hat, wir müssen ein Österreich bleiben
und im Außenverhältnis als Österreich auftreten. Noch einmal - und ich
wiederhole das zum zweiten Mal, es
gibt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Das höchste
Pro-Kopf-Einkommen haben Länder mit einem mittleren Dezentralisierungsgrad. Ich
spreche nicht gegen den Föderalismus, ich spreche absolut nicht dagegen. Wir
gehören zu den Ländern mit einem mittleren Dezentralisierungsgrad, eine weitere
Dezentralisierung bitte ist nicht erforderlich. Was aber ansteht, ist ganz
einfach eine effektivere Ausgestaltung des föderalen Systems.
Wir müssen ganz einfach eine
Aufsplitterung unseres Wirtschafts- und Beschäftigungsstandortes vermeiden. Und
immer im Blick haben, wem nützt das und wie wirkt sich das aus. Grundsätzlich
ist das Modell einer klaren Festschreibung von Bundes- und Landeskompetenzen
mit aufgabenorientierten abgerundeten Kompetenzfeldern zu begrüßen. Allerdings
dürfen hier Fragen der Rechtsästhetik keinesfalls vor den Fragen der Lebbarkeit
des Kompetenzkatalogs stehen. Eine schlanke Verfassung mit Kompetenzfeldern ist
schön und gut, aber irgendwo muss auch stehen, was mit diesen Kompetenzfeldern
gemeint ist, sonst ist es eine Überschriftensammlung, die mehr Unsicherheiten
bringt, als ihre Übersichtlichkeit wert ist. Ob man das in die
Verfassungsurkunde gleich hineinschreibt oder als Erläuterungen mitbeschließt,
ist nicht so wichtig, wichtig ist, dass es einen breiten politischen Konsens
darüber gibt, zu dem man auch letztlich steht.
Wichtig ist aber auch, dass eine
einmal ausgehandelte und in der Verfassung verankerte Kompetenzverteilung nicht
ständig wieder unterlaufen werden kann. Wenn, wie in einem unlängst
eingebrachten Vorschlag steht, der Bundesrat, möglicherweise noch mit
Zustimmung von fünf Landeshauptleuten, mit Ermächtigung des Nationalrates
ständig die Kompetenzverteilung ändern kann, dann wird es in Österreich mit der
Rechtssicherheit sehr bald vorbei sein, ganz davon abgesehen, dass die
Zustimmung von Landeshauptleuten zur Legislative irgendwie, wie ich glaube, mit
meinem Verständnis von Gewaltenteilung in dieser Republik nicht ganz konform
geht. Aber das ist ein anderes Thema.
Was wir brauchen, das ist eine
Kompetenzverteilung, die sich in erster Linie an den Lebenssachverhalten und
Lebensnotwendigkeiten orientiert und die Menschen, seien es Arbeitnehmer oder
Wirtschaftstreibende, nicht behindert, sondern im Gegenteil, positive
Entwicklungen fördert. Und die das Vertrauen der Menschen in den Gesetzgeber
stärkt und nicht untergräbt.
Die Menschen empfinden es zum Beispiel
als große Ungerechtigkeit, wenn sich beispielsweise an der Landesgrenze
entscheidet, ob sie eine Kann- oder Pflichtleistung aus der Sozialhilfe
bekommen. Und neun unterschiedliche Bauordnungen bedeuten ja nicht nur regional
unterschiedliche Häuserfassaden, das soll gut sein, sondern auch, dass ein
Baustoffproduzent oder Händler seine Produkte nach neun unterschiedlichen
Anforderungen produzieren, kalkulieren, lagern und vertreiben muss. Das ist
auch angesichts der Größe von Österreich im internationalen Kontext nicht
etwas, mit dem wir beispielgebend sind. Und dass ein in einem Bundesland
besonders geschützter Adler über der Ländergrenze gleich abgeschossen werden
kann, macht auch keinen Sinn.
In Zeiten zunehmender
Internationalisierung brauchen wir andere Rahmenbedingungen als in den
Anfangszeiten der Republik auch im Gesetzgebungsbereich, um im internationalen
Wettbewerb zu bestehen, aber auch, um Aufgaben im Zusammenhang mit der
europäischen Integration lösen zu können. Ich denke da zum Beispiel an übergreifende
Planungsaufgaben im Verkehrsbereich, wo die erbittert verteidigte
ausschließliche Landeskompetenz in der Raumordnung nicht gerade förderlich war.
Natürlich denke ich an ein
einheitliches Anlagenrecht inklusive des dazu notwendigen Baurechts. Ich danke
für Ihre Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Besten Dank, Frau Magistra, für Ihre Ausführungen. Ich
darf nun als letzten mir gemeldeten Redner zu diesem Tagesordnungspunkt Herrn
Bundesminister Pröll um seinen Beitrag ersuchen. - Bitte, Herr Bundesminister.
Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Mitglieder des Konvents!
Ich melde mich heute ganz bewusst in dieser langen Phase
der Diskussion um die zukünftige Verfassung Österreichs, wenn es darum geht,
auch um die Frage der Kompetenzverteilung zu diskutieren.
Ich danke allen ausdrücklich, die hervorragende Arbeit
geleistet haben in den letzten Wochen und Monaten in den Ausschüssen, auch hier
im Plenum in der Diskussion dazu beigetragen haben, dass wir, denke ich, eines
der wichtigsten Projekte, die wir uns gemeinsam vorgenommen haben in diesem
Land, nämlich eine neue Verfassung zu diskutieren und zu finalisieren, mit
Ihren Beiträgen entsprechend gestaltet haben. Wir müssen dieses Projekt aus
meiner Sicht mit großer Sorgfalt behandeln, mit einer klaren Zielsetzung mit
einer ausgewogenen Diskussion und von einem Konsenswillen getragen.
Parteipolitische Fragen, Machtfragen, Verteilungsfragen dürfen in allen
Entscheidungen, die jetzt vor uns stehen, nicht in den Vordergrund gerückt
werden, sondern ich denke, dass wir dafür zu sorgen haben, dass die neue
Verfassung bürgernäher, aber auch, was die Frage Wirtschaftsstandort Österreich
betrifft, wettbewerbsfähig dieses Land in Zukunft gestalten können.
In diesem Bereich denke ich, dass wir ja auch dem
Ausschuss 5 vom Konvent aus mit auf den Weg gegeben haben, auch zu berücksichtigen,
wie schaut es denn mit der Rechtslage in der Europäischen Union aus und vor
welchen Entscheidungen steht die EU? Die EU ist dabei, sich eine neue
Verfassung zu geben und es wäre aus meiner Sicht völlig widersinnig, diesen
Aspekt der Geschichte der Europäischen Union und diese neuen Überlegungen in
Europa außer Acht zu lassen als Grundlage für eine Diskussion, die wir im
Plenum und in Ausschüssen führen. Und das zeigt sich ganz besonders auch
natürlich in der Frage der zukünftigen Kompetenzverteilung. Wenn wir hier
Fehler machen, wenn Machtfragen, parteipolitische Fragen in den Vordergrund
rücken, dann verlieren wir an Standortqualität, an Beweglichkeit, und wir
müssen ganz klar sehen, dass mit der Erweiterung der Europäischen Union um zehn
Mitgliedsländer wir mobil sein müssen, klare schnelle Antworten gemeinsam zu
geben haben, Bund und Länder.
Und wenn ich da auf ein paar Themen eingehen darf, die mich
natürlich auch ganz besonders als Bundesminister, zuständig für Landwirtschaft
und Umwelt zum Beispiel, aber dann darüber hinaus Verkehr, Energie, Bereich
Binnenmarkt Verbraucherschutz, ansprechen, dann wird sich in diesen
Verhandlungsfeldern politisch entscheiden, wo Österreich in 20 Jahren steht.
Haben wir die Schnelligkeit und die Punktgenauigkeit in der Reaktion in
Österreich mit unserer neuen Verfassung? Gibt uns die Kompetenzverteilung die
Instrumente an die Hand, dass wir unsere Position in Europa festigen und
ausbauen können? Oder verstricken wir uns wie manche andere Länder zunehmend
nach falscher Schwerpunktsetzung in eine Lähmung? Ich nenne Belgien und andere
Länder, die auf Grund ihrer nicht geklärten Diskussionen im eigenen Land auch
in Europa an Gewicht verlieren.
In diesem Sinn, meine sehr geehrten Damen und Herren, denke
ich, es geht um Bürgernähe und Wirtschaftsstandort, es geht um Umweltqualität,
Verbraucherschutz und viele andere Fragen. Wir sollten uns gemeinsam ein Ziel
setze, Bund und Länder, dass wir das Land insgesamt stärker positionieren
wollen, dass wir über altbewährte Grenzen des Denkens hinaus denken müssen. Das
heißt jetzt gar nicht, einseitiges Verschieben von einem zum anderen, das heißt
vernünftiger Austausch konsensgetragener Diskussionen. Dann werden wir vor
allem aus dem Ausschuss 5 heraus aus der Frage der Kompetenzverteilung
Kraft schöpfen von der neuen Verfassung für den neuen Standort Österreich in
Europa, und dazu rufe ich auf, und das sollte unser gemeinsames Ziel für die
kommenden Wochen und Monate für die neue österreichische Verfassung für
Österreich sein.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Besten Dank, Herr Bundesminister. Es haben sich nun noch
weitere Redner zu diesem Tagesordnungspunkt gemeldet, und ich darf als Erstem
von diesen Herrn Klubobmann Scheibner das Wort erteilen. - Bitte sehr.
Herbert Scheibner: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Ich habe mich jetzt noch schnell zu Wort gemeldet, weil ich
gesehen habe, dass es manchmal nicht ausreicht, wenn man einmal seine Skepsis
gegenüber verschiedenen Punkten oder Ergebnissen oder möglichen Ergebnissen in
einem Ausschuss deponiert. Ich habe das im Ausschuss 5 damals, als ich
auch noch Ausschussmitglied war, zwar schon einmal gemacht und auch hier beim
Ausschuss beim Bericht über den Ausschuss 5, ich tue es jetzt
sicherheitshalber hier jetzt auch noch, weil so dargestellt worden ist, als
gäbe es einen Konsens für diese drei Säulen in der Kompetenzverteilung. Ich
sehe diesen Konsens nicht und sage auch hier noch einmal meine Skepsis.
Bis jetzt konnte ich - möglicherweise liegt das an mir -
nicht überzeugt werden, dass es unbedingt notwendig ist, diese drei Säulen in
der Kompetenzverteilung einzurichten. Es gibt das Argument der Flexibilität.
Ich stelle dem das Argument der Rechtssicherheit gegenüber. Ich sehe, wenn man
diese dritte Säule einrichtet, das absolute Problem einer Rechtsunsicherheit
und das Argument, das auch im Ausschussbericht angeführt wird, dass man die
dritte Säule benötigt, weil sonst würden die in der dritten Säule angesiedelten
Kompetenzen in die Bundeskompetenz verlagert werden, zeigt eigentlich nur das
Problem, das hier auch schon angesprochen worden ist, dass man ganz einfach
nicht zugeben möchte, dass es halt einen Bedarf an Vereinheitlichung gibt und
der halt dann in die Bundesgesetzgebung verlagert werden sollte.
Wenn man ehrlich ist, und unabhängig jetzt - es wurde heut
hier schon einmal vom Schrebergartendenken gesprochen - wenn man ehrlich ist,
dann könnte man auch mit zwei Säulen und einer Generalklausel das Auslangen
finden. Und letztlich gibt es das Korrektiv durch den Verfassungsgesetzgeber.
Wir haben ein Modell eingebracht, aber völlig alternativ zu
den bisherigen Modellen, wenn man schon der Meinung ist, man braucht etwas
Neues, etwas Eigenes, dann könnte man auch dem Bundesrat hier die Möglichkeit
geben, in verpflichtenden Kompetenzbereichen oder auch in einer freiwilligen
Art und Weise gemeinsames bundeseinheitliches Landesrecht zu schaffen. Aber,
wie gesagt, das ist eine völlig andere Konzeption zu der Frage eine, zwei oder
drei Säulen. Ich erinnere daran, dass in einer Frühphase des Ausschusses einmal
der Professor Funk eine Zuteilung gemacht hat zu Bundes- und Landeskompetenzen,
und da ist für die dritte Säule nichts übrig geblieben. Also man sollte hier
nicht ganz kompliziert - ich sage das hier ganz offen, ich hoffe, ich muss es
nicht noch einmal irgendwo sagen - irgendwelche neuen Dinge erfinden,
gescheiter wäre es, dass man wirklich rein nach Vernunftgründen zuordnet, wo
macht etwas am besten die Landesebene, und wo ist etwas notwendig,
bundeseinheitlich zu regeln. Die Landtage werden deshalb nicht obsolet nur
deshalb, weil man verschiedene Dinge von der Landes- in die Bundesgesetzgebung
verlagert.
Ein Wort noch zum Allgemeinen, weil die Frau
Landeshauptfrau jetzt auch wieder hier ist. Ich wollte mich zuerst nicht
melden, weil wir versuchen, hier auch nicht parteipolitisch zu agieren. Das
will ich auch hier jetzt nicht tun. Aber mir ist es wichtig, dass man hier
eines schon auch festhält: Wir kommen jetzt in das Finale des Konvents und die
letzten eineinhalb Jahre waren, glaube ich, eine sehr sehr fruchtbringende
Arbeit in den Ausschüssen, auch im Präsidium. Wir haben vieles aufgelistet an
Problemen. Wir haben Vorschläge für die Lösung von Problemen geschaffen, aber
letztlich noch in wenigen Bereichen wirklichen Konsens. Aber jeder hat auch
immer in Sonntags- und anderen Reden gesagt, dieser Konvent muss ein Erfolg
werden und es muss letztlich jeder von seinen Schrebergarten- oder auch von
seinen parteipolitischen Zugängen ein bisschen abrücken, auch von seinen
Zugängen als Interessensvertretung oder als Gebietskörperschaft. Dann und nur
dann wird es einen Erfolg geben.
Tagespolitische Initiativen, ob das jetzt
Arbeiterkammer-Fragen oder ÖH-Fragen sind, da kann man dafür sein oder dagegen,
aber dass man das dann als Argument verwendet in der Öffentlichkeit, nicht von
Ihnen, aber ich habe das schon von anderen hört, zu sagen, da werden wir uns jetzt
überlegen, ob wir im Konvent dem Gesamtergebnis zustimmen. Das wäre nicht im
Sinne der Verantwortung, die wir alle übernommen haben, als wir hier Mitglieder
dieses Konvents geworden sind und viele, viele Stunden kontroversiell, aber gut
in diese Richtung einer neuen Verfassung für Österreich gearbeitet haben.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner (übernimmt den Vorsitz): Nächster Redner ist der Herr Landtagspräsident
MMag. Neureiter.
MMag. Michael Neureiter‡: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Ich habe keinen Schrebergarten, ich möchte nur auf Frau
Mag. Ettl zurückkommen, die Gott sei Dank die bisherige Dürftigkeit der Themen,
was die einheitliche, bundesweite Regelung betrifft, etwas angereichert hat. Es
gab bis zu ihrer Wortmeldung, von Professor Öhlinger abgesehen, der die
Sozialkompetenz der Länder angesprochen hat, nur Baurecht, Baustoffzulassung
und Schulverwaltung als Themen, die laut Diskussionsrednern einer anderen
Regelung bedürfen. Das war gut, dass Sie das angereichert haben - auch um den
Bereich der Raumordnung, damit die Debatte ein wenig lebendiger wird.
Ich möchte aber auch sagen, dass ich meine, dass der Adler
ein schlechtes Beispiel ist, weil er wahrscheinlich in keinem der Länder
zwischen Vorarlberg und Burgenland irgendeine Chance hat, abgeschossen zu
werden. Das zur Richtigstellung. Das dürfte die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie
verhindern.
Ich möchte zweitens nur noch eine Anmerkung machen. Es ist
nicht so, dass die Länder und wir Länder, Herr Professor Öhlinger, undankbar
wären, was die Verstärkung der Vollzugkompetenzen betrifft. Uns geht es nicht
nur um den Vollzug, sondern natürlich auch um die Gesetzgebung. Das zur vorhin
angesprochenen Meinungsverschiedenheit zwischen uns beiden. Herzlichen Dank.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächster Redner ist Herr Professor Dr. Bußjäger.
Dr. Peter Bußjäger: Meine Damen und Herren!
In der Diskussion geht man immer davon aus, dass der Adler
nach Osten fliegt, er kann auch nach Westen fliegen und dann überquert er
Bayern, Baden-Württemberg, er überquert 26 Schweizer Kantone, er überquert
Liechtenstein und kommt dann irgendwo vielleicht dann via Lombardei und
Trentino, Südtirol, wieder nach Tirol zurück, und überquert da auch einige
Grenzen und administrative und gesetzgeberische Einheiten. Der Adler ist das
äußerst schlechteste Beispiel dafür und er lebt überall noch gut, oder gleich
schlecht, je nachdem, wie man es sieht.
Sie haben gesagt, ökonomisch am besten stehen
mitteldezentralisierte Staaten da. Das wird so stimmen. Sie haben auch richtig
gesagt, dass das kein Argument gegen den Föderalismus ist, weil es aus
ökonomischer Sicht schlechthin keine gibt. Die Ökonomie sagt natürlich, nicht
jeder föderale Staat ist zwangsläufig billiger, effizienter und so weiter, als
ein zentralisierter Staat. Aber die Erkenntnisse der Ökonomie sind eindeutig in
die Richtung, dass eine Zentralisierung im Regelfall teurer kommt, als die
Föderalisierung und Dezentralisierung.
Für eine Geschichte möchte ich mich noch zu Wort melden.
Doppelte Mehrheit, Zustimmung, Landeshauptmänner, oder wer immer. Wir haben
bereits jetzt in der Bundesverfassung, man kann zufrieden sein damit oder
nicht, aber wir haben das Modell des Artikels 14b B-VG und dort wird die
Zustimmung nicht von fünf gegeben, sondern sogar von allen neun, die Zustimmung
der beteiligten Länder, im Regelfall wird das natürlich der Landeshauptmann
sein.
Und auch das möchte ich schon sagen, im Modell, das hier
angekündigt worden ist, es sei ein mit den SPÖ-Ländern abgestimmtes Modell von
Schnizer. Es ist sehr wohl ein Kompetenzbereich, eine Säule vorgesehen, in der
die Gesetzgebung von der Zustimmung der neun beteiligten Länder abhängt. Und
ich nehme wohl an, die Zustimmung nach außen, innen kann man das regeln, wie
man will, aber nach außen, die
wird wohl vom
Landeshauptmann erteilt werden. So etwas Schreckliches ist diese Mitwirkung des
Landeshauptmannes in seiner Außenvertretungskompetenz für die Länder an der
Gesetzgebung nicht.
Und das letzte Wort. Einheitlichkeit des
Wirtschaftsgebietes. Niemand will die Einheitlichkeit des Wirtschaftsgebietes
abschaffen. Das steht seit 80 Jahren oder mehr, länger, in unserer
Bundesverfassung. Der Verfassungsgerichtshof hat völlig klar erkannt,
Einheitlichkeit des Wirtschaftsgebietes darf nicht bedeuten, dass es keine
uneinheitlichen Rechtsvorschriften auch für die Wirtschaft gibt, sonst wäre das
bundesstaatliche Prinzip ausgehebelt. Genau in diesem Verständnis wird man auch
weiterhin diesen Grundsatz der Einheitlichkeit des Wirtschaftsgebietes
verstehen müssen. Die Frage, ob man mehr oder weniger Dezentralisierung
braucht, wie viel es verträgt oder nicht, das wird man dann sowieso sehen. Aber
ich würde davor warnen, diese Einheitlichkeit des Wirtschaftsgebietes zu
glorifizieren. Letztlich ist es irgendwo auch ein Mythos. Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Professor Bußjäger. Das war, wie gesagt,
die letzte Wortmeldung zum Ausschuss 5. Danke ihm
als Vorsitzenden und allen Damen und Herren des Ausschusses für Ihre Tätigkeit.
Wir kommen zur Beratung über den
Bericht zum Ergänzungsmandat des Ausschusses 8, demokratische Kontrollen.
Und ich darf der zweiten Nationalratspräsidentin, Frau
Mag. Barbara Prammer, das Wort erteilen zum Ausschussbericht. -
Bitte.
Mag. Barbara Prammer: Danke schön, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Ich möchte eingangs gleich einmal mich
sehr, sehr herzlich bedanken bei den Mitgliedern des Ausschusses 8 und
beim Konventssekretariat, das uns betreut hat. Ich möchte mich deswegen gleich
zu Beginn sehr herzlich bedanken, weil ich auch relativ spät zugestiegen bin in
diese Debatte.
Von den insgesamt zwölf Sitzungen, die
der Ausschuss 8 abgehalten hat, habe ich vier mal den Vorsitz geleitet und
ich möchte mich sehr, sehr herzlich für die konstruktive Mitarbeit und Zusammenarbeit
im Ausschuss gleich zu Beginn bedanken.
Wir waren in den letzten vier
Sitzungen damit beschäftigt, 28 Ergänzungsmandate des Präsidiums zu
diskutieren und auch einer Erledigung zuzuführen. Wenn Sie sich den Bericht
schon angesehen haben, dann stellen Sie fest, dass er zweigeteilt ist, dass im
ersten Teil zu den einzelnen Punkten des Ergänzungsmandates allfällige
Textvorschläge und Erwägungen des Ausschusses festgehalten wurden. Und im
zweiten Teil des Berichtes dann eine Auflistung, nach Artikeln des Bundesverfassungsgesetzes,
je nachdem, wie das Ergänzungsmandat gelautet hat.
Ich stelle auch ausdrücklich fest,
aber das ist ohnedies selbstverständlich, dass natürlich die
Beratungsergebnisse, die zu Ende gestellt wurden bereits im Mai dieses Jahres,
damit aufrecht bleiben. Und ich konzentriere mich jetzt hier, bei meinem
Bericht, ausschließlich auf die Ergänzungsmandate. Auch da wiederum nur
auszugsweise.
Zum Einen möchte ich damit beginnen, dass wir uns damit
beschäftigt haben, zu konkretisieren beziehungsweise auch Textvorschläge zu
entwickeln, was die Rechte der Parlamente betrifft, vor allen Dingen die
Präzisierung des Fragerechtes, die Entschlagungsrechte. Und hier wurden eben
die aufgetragenen Grundsätze in diversen Textalternativen auch vorgestellt. Und
damit bin ich auch schon mitten im Thema. Eine Akkordierung dieser
Textvarianten konnte nicht erzielt werden, das heißt: Es stehen in der Regel
mehr als ein Textvorschlag zur Verfügung, beziehungsweise sind den
Textvarianten auch Namen beigefügt, die jeweils die Proponenten oder
Proponentinnen dieser Textalternativen auch waren.
Zum Ergänzungsmandat „Besondere Kontrolle von
Ministerentscheidungen in eigener Sache“ möchte ich etwas ausführlicher werden,
und zwar deswegen, weil ja in der letzten Konventssitzung, bei der ich nicht
anwesend sein konnte, der stellvertretende Ausschussvorsitzende, Herr Professor
Hösele, ja auch einen Bericht gemacht hat, aber hier noch nicht berichten
konnte, und auch im Bericht selber noch nicht abgeschlossen war. Wir haben
entsprechend den Wünschen des Konventspräsidiums eine rechtsvergleichende
Studie in Auftrag gegeben und haben in Aussicht gestellt, dass bis 30.
November - und das war bekanntlich gestern - auch Ergebnisse
vorliegen sollen. Und das ist tatsächlich auch geschehen: Es liegen wesentliche
Ergebnisse vor; sie werden auch bereits den Ausschussmitgliedern
beziehungsweise den Konventsmitgliedern übermittelt.
Interessant war, dass ein Rechtsvergleich ja erstellt
werden sollte, was diese Ministerentscheidungen in eigener Sache betrifft. Und
der Parlamentarische Wissenschaftliche Dienst hat insofern diese Ergebnisse
zusammengefasst, indem er festgestellt hat, dass sie durchaus schon
repräsentativ seien. Das heißt, dass das, was an Rückmeldungen eingelangt ist,
auch tatsächlich bereits eine Repräsentanz für Europa zum Ausdruck bringt. Ganz
konkret heißt das, dass immerhin in sechs von zehn befragten Staaten - und
ich kann Ihnen auch gerne sagen, welche Staaten das sind : Deutschland,
Estland, Finnland, Italien, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakische Republik,
Spanien und das Vereinigte Königreich -,
in sechs von diesen zehn Staaten gibt es eine gerichtliche Überprüfung
von Verwaltungsentscheidungen auf der einen Seite, genauso wie auch deren politische
Kontrolle durch das Parlament. Dieser Überblick wird eben auch gerade
übermittelt an die Mitglieder des Ausschusses 8, oder ist es bereits geworden.
Der Ausschuss hat beraten, sehr ausführlich beraten,
auftragsgemäß oder wunschgemäß, die Mindeststandards für Kontrollrechte und
Minderheitenrechte in den Ländern. Darüber konnte kein Konsens erzielt werden.
Es bestand im Ausschuss lediglich Konsens darüber, dass den Ländern die
parlamentarische Kontrolle bei der Frage der mittelbaren Bundesverwaltung jedenfalls
ausdrücklich ermöglicht werden soll. Dissens und unterschiedliche Auffassung
bestanden aber, ob eine solche Kontrolle zwingend durch ein
Bundesverfassungsrecht vorgeschrieben werden soll. Konsens wiederum haben wir
hergestellt darüber, dass die Rechte des Nationalrates und des Bundesrates
dadurch auf keinen Fall geschmälert werden dürfen. Das heißt: Es wurden auch
hier Textalternativen ausgearbeitet, aber keine Akkordierung vorgenommen. An
diesem Beispiel zeigt sich einmal mehr, wie schwierig die Arbeit natürlich auch
im Detail sich dargestellt hat.
Die Unvereinbarkeitsregelungen - ein wichtiges
Thema - wurden auch noch einmal sehr ausführlich diskutiert. Konsens
bestand im Ausschuss darüber, dass im Bundesverfassungsgesetz jedenfalls
zentrale Bestimmungen zu bestehen haben. Es ist allerdings auch hier Dissens
über die Regelungsdichte solcher Verfassungsnormen. Und nicht zuletzt hat das
Ganze dazu geführt, dass wir drei Textvarianten wieder dem Präsidium
beziehungsweise dem Konvent vorgelegt haben. Für die Eckpunkte - es war ja
auch der Wunsch, bereits einen Textvorschlag zu entwickeln für ein mögliches
Unvereinbarkeitsgesetz. Das haben wir nicht gemacht, sondern wir haben uns mit
den Eckpunkten eines verfassungsausführenden Unvereinbarkeitsgesetzes beschäftigt,
und diese liegen auch vor.
Ein ganz breites Thema - noch einmal - war das Thema
Rechnungshof. Ich möchte an dieser Stelle ganz besonders hervorheben, dass es
eine äußerst konstruktive Debatte im Ausschuss gab, nicht nur mit dem früheren
Rechnungshofpräsidenten, sondern genauso mit dem neuen Rechnungshofpräsidenten.
Der neue Rechnungshofpräsident Dr. Moser hat den Wunsch eingebracht, noch
einmal das Thema Rechnungshof etwas breiter aufzurollen auf Grund des Wechsels
in der Funktion. Wir haben dem auch gerne Rechnung getragen und haben auch die
erweiterten Vorschläge, die von Rechnungshofpräsident Dr. Moser noch
eingebracht wurden, ebenfalls in den Ausschussbericht aufgenommen. Alles in
allem hat die ganze Sache nicht dazu geführt, dass wir Konsens herstellen
hätten können. Das, was geschehen ist, war, dass wir versucht haben, auch hier
einen Textvorschlag zu entwickeln; einen Textvorschlag allerdings, der in
unakkordierter Weise zur weiteren Beratung ansteht.
Bei der Volksanwaltschaft ist es auch so, dass Dissens nach
wie vor über die Vorgangsweise bei einer Nachwahlregelung, bei einer künftigen
Nachwahlregelung, existiert; genauso, wie es Dissens darüber gibt, ob nun die
Volksanwaltschaft oder der Volksanwalt oder die Volksanwältin ein Antragsrecht
für ein Normprüfungsverfahren bei Gesetzen haben sollen.
Einen Punkt konnten wir tatsächlich abhaken im Ausschuss,
nämlich die Durchbrechung der Diskontinuität bei Volksbegehren. Darüber waren
sich alle Ausschussmitglieder einig, dass es wesentlich und wichtig ist, dass
nicht durch die Auflösung des Parlaments es auch dazu führt, wie es jetzt
derzeit ist, dass damit die Volksbegehren obsolet geworden sind, die noch nicht
fertig beraten waren im Parlament. Auch da liegen aber zwei Textvorschläge vor.
Wir haben versucht, hier uns mit dem Ausschuss drei zu koordinieren. Ich denke,
das ist wohl eine der eher leichteren Fragen, die wir bewerkstelligen werden
können.
Ich möchte da eigentlich schon einen Punkt machen und
möchte noch neben der Berichterstattung, die ich hiermit auch vorgenommen habe,
einige grundsätzliche Bemerkungen und Anmerkungen noch generell machen, weil ja
auch heute schon sehr allgemein über die Konventsarbeit diskutiert wurde.
Ich unterstreiche das, was von vielen von Ihnen ja bereits
hier auch gesagt wurde: Ich bin überzeugt davon - auch wenn die
Konventsarbeit noch nicht abgeschlossen ist -, dass der Konvent jedenfalls
erfolgreich gearbeitet hat. Denn, wenn wir uns heute, 17 Monate nach Beginn des
Konvents, die Aufgaben oder die Aufgabenstellung noch einmal vor Augen führen,
dann wissen wir, dass der Konvent genau die Aufgabenstellung bereits jetzt
erfüllt hat, indem er sehr ausführlich über die verschiedenen
Verfassungsbestimmungen, über die Teile der Bundesverfassung, diskutiert hat, auf
die Aktualität überprüft hat, Textvarianten gegenüber gestellt hat und damit
auch sozusagen ein gutes Grundlagenwerk dafür geschaffen hat, was dann
letztendlich dem Bundesverfassungsgesetzgeber obliegt, hier auch in die
politischen Beratungen aufzunehmen.
Ich glaube, dass es notwendig ist und wichtig ist, weit
über die Aufgaben des Verfassungskonvents hinaus, sich darüber auch zu
unterhalten und die Diskussion darüber zu führen, was denn grundsätzlich von
einer neuen Verfassung überhaupt erwartet wird. Ob es auf der einen Seite nur
um das „Schlanker werden“ - sage ich jetzt einmal unter Anführungszeichen -
geht, oder ob es nicht auch darum geht, die Sicherheit, nämlich die
Rechtssicherheit, auszubauen.
Und ich denke, und bin überzeugt davon, dass es ganz, ganz
wichtig ist, dass wir hier - und darum sage ich es auch hier, an dieser
Stelle - den demokratischen Kontrollrechten einen ganz besonderen
Stellenwert geben. Weil ich glaube, die demokratische Kontrolle ist ein
wesentliches Instrument, um das Vertrauen in die Politik auch in Zukunft
aufrecht zu erhalten. Wenn es uns nicht gelingt, demokratische Kontrollrechte
auszuweiten, wird letztendlich auch die Politik immer wieder an Grenzen stoßen,
an Grenzen der Glaubwürdigkeit. Und ich glaube, wir sind uns einig darüber,
dass wir genau das nicht wollen.
Aber ich denke, dass alles zusammen muss einer politischen
Bewertung im Anschluss an die wertvolle Arbeit des Konventes, wo viele
Vorschläge da sind, weitergeführt werden. Ich möchte mich abschließend noch
einmal sehr herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken, und vor allen Dingen
auch beim Konventssekretariat bedanken, für die hervorragende Arbeit.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Im Namen des Präsidiums möchte ich mich für Ihre Arbeit
bei Ihnen sehr herzlich bedanken und bei den Mitgliedern des Ausschusses. Der
nächste Redner ist der Herr Dr. Günter Voith. - Bitte.
Dr. Günter Voith: Frau Präsidentin! Herr Präsident! Meine Damen
und Herren!
Der Herr Sektionschef Matzka ist gerade dort. Ich wollte
ihm sagen, ich war nie Beamter. Ich war immer Unternehmer. Ich war immer
selbständig. Aber ich habe genau so wie er gelitten, wenn ich mit meinen
Vorschlägen in den Ausschüssen alleine geblieben bin.
Ich nehme mir die Vorbilder, die heute, angefangen von der
Frau Landeshauptfrau Burgstaller, schon gesprochen haben, auch her und erlaube
mir ein bisschen Grundsätzliches zu sagen. Ich bin auch der Meinung, dass der
Konvent erfolgreich ist. Allerdings bin ich nicht der Meinung, er ist
erfolgreich wegen der ungeheuer vielen Themen und Vorschlägen, die letztlich im
Dissens gebracht wurden. Ich bin der Meinung, er ist schon damit erfolgreich,
dass er offenbar (Ausschuss 2) die Auswucherungen der Verfassung auf die Dauer
einfangen kann. Verbrämt durch ein paar, ich sage, Kleinigkeiten, kleine
Verbesserungen aus vielen anderen Ausschüssen, wie sieben, acht, neun.
Natürlich ist aber die Frage berechtigt, ist ein derartiger
Aufwand an Zeit und an Gehirnschmalz bei den anderen Themen überhaupt zu
rechtfertigen? Es ist die Hoffnung auf die Weiterentwicklung und auf die
politischen Entscheidungen. Wir müssen uns aber schon im Klaren sein, von einer
„grundlegenden Staats- und Verwaltungsreform, die auch Voraussetzungen für
effizientere Verwaltung schaffen soll“, natürlich keine Rede sein kann.
Auch nicht von der „zukunftsorientierten,
kostengünstigeren, transparenten und bürgernahen Erfüllung der Staatsaufgaben“,
wie es wörtlich ja in der Aufgabenstellung des Konvents hieß. Was ich als etwas
schmerzlich empfinde - denn da könnte die Einigung nicht so schwierig sein -
ist, dass wir auch kaum
irgendetwas geleistet haben mit einem strafferen Verfassungstext. Ich sage
böserweise, diese vielen Experteneinzelmeinungen, -interessen, die führen
natürlich leicht zu einer Detaillierung und nicht zu dem strafferen
Verfassungstext. Da wurden natürlich doch oft die Einzelvorstellungen gegenüber
dem Gesamtinteresse hintangesetzt. Ich bin auch der Meinung, das starke
Konsensdenken, die Forderung, wo immer möglich Konsens zu erzielen, ist - genau
genommen - für Reformen oft hinderlich.
Wir heißen als
Österreicher immer Konzeptriesen, aber Umsetzungszwerge. Wir sollten uns
bemühen, dass wir in dieser Klassifizierung im Konvent nicht so sind. Ich
möchte sagen, wir stehen auch unter der Gefahr, dass wir Beharrungsriesen und
Reformzwerge sind. Ich will nicht so weit gehen zu sagen, wir sind
Vergangenheitsriesen und Zukunftszwerge.
Im Konkreten darf ich sagen, dass die Industrie völlig
konform geht mit den Vorschlägen der Wirtschaftskammer in den einzelnen
Bereichen, die ja jetzt noch zum Diskutieren anstehen oder zur Entscheidung
noch in den nächsten Wochen. Zum Beispiel bei den Kompetenzen: Die großen
Kompetenzfelder halten wir auch für richtig. Wir fürchten halt die zu
vermeidenden Kompetenzkonflikte, Mehrgleisigkeiten, die wir ja seit Jahrzehnten
bedauern, Verfahrensverzögerungen, sprich auch Bürokratie, wenn die
Abgrenzungen unklar sind, und schon auch, wenn die dritte Säule da ist oder,
sagen wir, wenn sie sinnvollerweise da sein soll, aber zu groß ist. Wenn schon,
dann klare Kriterien!
Ich bin bei Frau Mag. Ettl, dass nie - jetzt ist sie nicht
mehr da - der Ehrgeiz nach mehr Macht oder mehr Geld da sein sollte bei der
Kompetenz, sondern der Maßstab darf nur sein, wo wird effizienter gearbeitet.
Besonders gilt das für den Vollzug, wo natürlich, im Unterschied zur
Gesetzgebung, die Länder gewisse Argumente für sich haben.
Es wird jetzt natürlich zu Ende des Konvents jeder in der
Wirtschaft, aber wohl auch in der Bevölkerung, fragen, was hat der Konvent
beigetragen für meine persönliche, von mir aus auch firmenmäßige Situation, für
meine Wettbewerbsfähigkeit und damit für meinen Arbeitsplatz. Wird der Staat
jetzt mehr Geld und Bewegungsfreiheit für die Entscheidungen bekommen? Hilft da
der Konvent mit für die Entscheidungen, die immer dichter auf uns zukommen,
schon von der EU her? Oder wird es wieder nur gehen um Wegnehmen und
Umverteilung, anstatt dass das Ganze mehr wird?
Ich möchte mir wünschen, dass die politischen
Entscheidungsträger, sagen wir frei nach Churchill, sich den anderen Mantel
umhängen können und sagen, ich denke nicht an die nächste Wahl, sondern an die
nächste Generation. Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächster Redner ist der Herr Bundesrat Professor Hösele. -
Bitte!
Herwig Hösele: Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Ich darf mit zwei für mich sehr erfreulichen Feststellungen
beginnen. Das Erste war, dass auch das letzte Drittel der Ausschussberatungen
über das Ergänzungsmandat unter Vorsitz der Frau Präsidentin sehr angenehm war,
und ich glaube, wir haben in dieser Weise auch in der Vielfalt der
unterschiedlichen Textvorstellungen und Ausformulierungen auch einen sehr guten
Beitrag leisten können. Ich möchte mich sehr dafür bei Ihnen bedanken, Frau
Präsidentin.
Das Zweite ist, was ich aus allen - ich sagen nicht als
roten Faden, weil es ein rot-weiß-roter Faden ist im Österreich-Konvent -
Wortmeldungen gehört habe, nach den Unkenrufen der letzten Wochen, doch das
heutige Bekenntnis dazu, dass wir gemeinsam einen Erfolg erzielen wollen. Ich
bin da aber doch noch etwas anspruchsvoller, ich sage, hier sind alle
Voraussetzungen für einen Erfolg gegeben, aber so wie bei einem Marathon sind
wir jetzt bei Kilometer 40. Es kommt darauf an, ins Ziel zu kommen. Ich glaube,
das Ziel ist dann trotzdem noch immer, einen tragfähigen, guten Kompromiss zu
haben, weil das an sich so ist, weil das ja auch ein Fundament ist für die
nächsten Jahre und Jahrzehnte eines Staatsaufbaus in Österreich.
Deswegen, glaube ich, ist ein Verfassungstextentwurf, wie
er ursprünglich auch vorgesehen war, wichtig. Ich glaube, dass auch unser
Ausschuss trotz vielen Dissenses, wenn man in den abschließenden Beratungen des
Konventspräsidiums unter den drei oder vier verschiedenen - teilweise sind es
auch vier verschiedene Textentwürfe für Verfassungsbestimmungen- auswählt, man
sich entscheidet, man sich entscheiden kann, und es bei einigen Dingen auch
ganz nahe daran ist, sich sogar gemeinsam leicht entscheiden zu können.
Zwei wichtige Punkte sind auch angesprochen worden, die,
glaube ich, nämlich auch wichtige Signale für die Bürgerinnen und Bürger
unseres Landes sind. Das ist einerseits die Durchbrechung der Diskontinuität
bei den Volksbegehren. Ich glaube, das müsste eine ganz einfache Aufgabe sein,
weil das nur eine verfassungstechnische Frage ist.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke sehr für den Appell und alle Arbeiten zum
Ausschuss 8. Es war die letzte Wortmeldung dazu. Ich schließe diese
Diskussion damit ab. Wir beraten jetzt über den ergänzenden Bericht des
Ausschusses 7 und - so wurde mir gesagt - es wurde
vereinbart, auch gleichzeitig über den Bericht der Ausschüsse 6 und 7 für
das gemeinsame Mandat. Ich bitte für beide Bereiche Herrn Sektionschef
Dr. Matzka um den Bericht.
Dr. Manfred Matzka: Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich habe den Umstand, dass nur ein Drittel des Konventes
anwesend ist, zum Anlass genommen, mich auf die Hälfte meiner Zeit zu
konzentrieren. Das ist eine Effizienzsteigerung im allseitigen Interesse. Wenn
man das multipliziert, sind wir sechsmal so effizient, wie wenn man es
umgekehrt machte.
Zunächst zum Bericht „Gemeinsame Beratungen 6 und 7“. Wir
haben eine Untergruppe gebildet aus Vertretern beider Ausschüsse. Wir hatten
dazu ein Mandat des Präsidiums in zweifacher Richtung. Die erste war, im
Bereich der Weisungsbindung einen Vorschlag auszuarbeiten auf der Grundlage
dessen, was in den beiden Ausschüssen zuvor beraten wurde und zweitens hatten
wir das Mandat, im Bereich der Ausgliederung etwas vorzulegen.
Zum ersten Punkt, der Weisungsbindung, war klar, dass es
eine verfassungsrechtliche Norm sein soll, die den einfachen Gesetzgeber
ermächtigt, nicht unbegrenzt weisungsfrei gestellte Organe einrichten zu
können. Dieser Aufgaben haben wir uns unterzogen und auch einen Text
abgeliefert, der recht gut erkennbare Konturen hat.
Zum zweiten Punkt, zum Bereich der Ausgliederung, war der
Wunsch festgehalten, Ausgliederungsmodule zu zeichnen. Diesem Auftrag sind
wir - ich sage es ganz offen -nicht nachgekommen, weil diese
Ausgliederungsmodule wahrscheinlich eine Aufgabe des einfachen Gesetzgebers
sind. Ein Modellbaukasten für Ausgliederungen ist auf der Ebene des einfachen
Gesetzgebers oder vielleicht sogar nur auf der Ebene von Weiß- oder Grünbüchern
vernünftig.
Es wurde weiters vorgegeben, Ausgliederungsregelungen
gleichermaßen für alle Gebietskörperschaften in gleichem Maß zugänglich zu
machen. Das haben wir umgesetzt. Es wurde auch festgehalten, dass keine allzu
intensive Differenzierung zwischen hoheitlichen und nicht hoheitlichen
Ausgliederungen gemacht werden soll. Und wir haben zum Schluss auch einen Beitrag
geliefert zur Diskussion, ob und wieweit man ausgliederungsfeste Bereiche
definieren kann. Nun zu den Ergebnissen im Einzelnen.
Weisungsfreiheit, Weisungsbindung, weisungsfreie
Verwaltung: Es gibt ein Papier mit einer Gesamtübersicht über die derzeit bestehenden
weisungsfreien Behörden und Organe. Das ist sehr nützlich, weil es so lang ist,
dass jedem klar wird, dass diese Konstruktion mit jeweils singulär
verfassungsrechtlich eingerichteten Behörden keine vernünftige Regelungstechnik
ist.
Es macht daher Sinn, die Möglichkeit der Einrichtung
weisungsfreier Verwaltungseinheiten generell abstrakt in die Verfassung zu
nehmen und in dieser Regelung dem einfachen Gesetzgeber die Einrichtung zu
ermöglichen, wenngleich unter der Kautel einschränkender Bedingungen.
Wir haben also versucht, das Feld abzugrenzen, in welchem
der einfache Gesetzgeber weisungsfreie Organe schaffen kann. Dazu liegt ein
Textvorschlag vor, und dieser ist der Kern des ergänzenden Berichtes. Sie sehen
darin, dass wir versucht haben, in fünf Punkten zu definieren, wo weisungsfreie
Organe vom Gesetz geschaffen werden können. Das ist zum Einen der Bereich der
Sachverständigentätigkeiten, das ist zum Zweiten der Bereich kontrollierender
Aufgaben zur Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (denken Sie an
Amtsparteien, denken Sie an Schieds- und Petitionseinrichtungen). Das sind zum
Dritten Angelegenheiten ganz spezifisch verwaltungsinterner Bedeutung, wie etwa
im Dienstrecht, Disziplinarrecht und ähnlichen Feldern. Das sind Anwaltschaften
des öffentlichen Rechts, und das sind insbesondere auch Organe zur Sicherung
des Wettbewerbs, Organe im Bereich der Regulatoren. Hier gibt es zum Teil
Unschärfen in der terminologischen Abgrenzung, es ist aber im Kern schon klar
und konsentiert, was man in die weisungsfreie Welt stellen kann.
Zweiter Teil, Ausgliederung: Beim Thema Ausgliederung haben
wir unsere Hausübung nicht vollständig erledigt. Wir haben durchaus einzelne
Elemente sehr klar fixiert, aber nur eines wurde klar und auch konsentiert im
Ausschuss festgehalten. Es soll durch Ausgliederung und Auslagerung weder die
parlamentarische Kontrolle noch die rechtsstaatliche Kontrolle geschmälert bzw.
beeinträchtigt werden.
Das wurde auch ganz ausdrücklich gesagt. Das bedeutet im
Hinblick auf das Parlamentsrecht wahrscheinlich die eine oder andere Ergänzung,
weil etwa die Interpellation bei Ausgliederungen, die in einer bestimmten Form
konstruiert sind, eine Grenze findet. Der Minister kann einfach nicht sagen,
was nur der Vorstand der ausgegliederten Einrichtung weiß. So weit das der Fall
ist, bedarf es komplementärer Möglichkeiten parlamentarischer
Kontrolltechniken.
Das Zweite, was gesagt und auch festgehalten wurde, ist,
man soll wahrscheinlich bei jenen Ausgliederungen, die sich auf hoheitliche
Tätigkeiten beziehen, einen strikteren Maßstab der Zulässigkeit anlegen als bei
jenen Ausgliederungen, die sich auf die privatwirtschaftliche Tätigkeit
beziehen. Ich formuliere das jetzt bewusst so unscharf, weil es nicht sehr viel
schärfer im Textvorschlag des Ausschussergänzungsberichts enthalten ist.
Wir haben schließlich gesagt, Module und Typisierungen
wollen wir nicht in der Verfassung haben, das ist eine Aufgabe, die man auf
anderer Ebene lösen soll.
Schlussendlich hat man sich im gemeinsamen Ausschuss auch
mit der Frage der Ausgliederungsgrenzen oder ausgliederungsfesten Bereiche
beschäftigt und war sich eigentlich schon darüber einig, dass es einen Sinn
macht, solche ausgliederungsfesten Bereiche in einer Verfassung zu definieren.
Was allerdings wirklich dazu gehört, konnte nicht konsensual präzise definiert
werden.
Wir sind da natürlich mitten in der Diskussion der
Kernaufgaben des Staates und das ist eine sehr ambivalente Diskussion. Rede ich
von Kernaufgaben, dann kann ich darüber reden unter dem Prätext, nicht zu
wollen, dass dieser Bereich ausgelagert wird. Ich kann aber auch von der
Überlegung motiviert sein, alles auslagern zu wollen, alles entstaatlichen zu
wollen, und nur die ganz wenigen polizeistaatlichen und judiziellen Kernaufgaben
beim Staat belassen zu wollen.
Da zeigt sich schon eine ideologische Spannung, die
notwendigerweise der Diskussion innewohnt. Es gibt daher einen Textvorschlag im
ergänzenden Bericht, der nicht konsensual ist, der aber doch ganz deutlich
zeigt, wohin es gehen kann und soll, wenn man Konsense zu erreichen versucht.
Die Kernaufgaben, die hier aufgezählt sind, sind die klassischen,
traditionellen, seit dem 17., 18. Jahrhundert als Staatsaufgaben
verstandenen Kernbereiche, bei denen sich niemand eine Ausgliederung vorstellen
kann. Von einer Bundesverhaftungsges.m.b.H. und Co KG oder von einer
Einsperr-AG wird niemand reden wollen.
Wo aber die genauen Grenzen dieser Kernbereiche einerseits
und jener Bereiche andererseits liegen sollen, in denen Auslagerungen sinnvoll,
zulässig und möglich sein sollen, das ist im Detail nicht klärbar gewesen.
Der zweite Teil des Ergänzungsmandates ist sehr viel
einfacher abzuarbeiten gewesen. Das Ergänzungsmandat bezog sich eigentlich nur
darauf, zu sagen, es mögen klare Alternativen im Kontext der nichtterritorialen
Selbstverwaltung abgeliefert werden, also jener Selbstverwaltung, die neben der
gemeindlichen Selbstverwaltung steht, die eine Fülle von Institutionen umfasst
und zu der es im B-VG derzeit keine ausdrückliche verfassungsrechtliche
Regelung gibt. Hier war der Auftrag an uns, vier Textvarianten durchzudenken,
zu formulieren und abzuliefern. Das haben wir getan. Sie finden im ergänzenden
Bericht diese Varianten hintereinander gestellt.
Wir haben dann der Versuchung widerstanden, widerstehen
müssen, weil es aussichtslos gewesen wäre, eine und nur eine dieser
Textvarianten herauszufiltern und uns für diese zu entscheiden. Über den
Grundkonsens, den der Ausschuss 7 bereits im Frühjahr gefunden hatte, konnte
nicht hinausgegangen werden. Wir haben uns im eigentlichen Ausschussbericht des
Ausschusses 7 im Frühjahr bereits sehr deutlich für eine Variante ausgesprochen
und blieben auch beim Nachsitzen in dieser Angelegenheit bei dieser Position.
Dies unbeschadet des Umstandes, dass wir vier Varianten abgeliefert haben, die
ich noch kurz nennen möchte.
Im Grundsatz wollen wir haben, dass in der Verfassung eine
Regelung für nicht territoriale Selbstverwaltungskörper steht. Diese Regelung
soll der gemeindlichen Selbstverwaltung nachgebildet sein, also sagen, dass man
den eigenen Bereich selber regeln kann, dass intern Demokratie herrschen soll,
dass es keine Weisungen vom Staat in den Selbstverwaltungsbereich geben soll.
Das ist sehr einfach zu formulieren gewesen. Schwierig war erst die Frage:
Welche Einrichtungen sollen von Verfassungswegen verbindlich ins
Pflichtprogramm für Selbstverwaltung aufgenommen werden? Wo soll der einfache
Gesetzgeber Selbstverwaltung schaffen müssen, und in welchen Bereichen soll er
allenfalls frei sein, Einrichtungen nach dem Muster der Selbstverwaltung zu
schaffen? Und auf diese zweite Frage beziehen sich die vier Varianten.
Variante eins: die Verfassung nennt überhaupt keine
Beispiele fürs Pflichtprogramm. Der einfache Gesetzgeber ist also vollständig frei,
alles das, was derzeit Selbstverwaltungskörper sind, so, aber auch anders
einzurichten.
Variante zwei: der Verfassungsgesetzgeber gibt die großen
berufsständischen Selbstverwaltungseinrichtungen als Pflichtprogramm vor. Der
einfache Gesetzgeber kann also die Kammern nicht abschaffen oder anders regeln,
alle übrigen Institutionen kann er als Selbstverwaltungseinrichtungen
abschaffen und anders regeln.
Die Variante drei schließt neben den Kammern auch die
Hochschülerschaft und die Sozialversicherung ins Pflichtprogramm ein und die
Variante vier neben diesem genannten Set auch noch die freien Berufe. Und da
sieht man bei den Varianten drei und vier schon, dass wir, so einfach diese
Übung war, uns mitten in das Feld der Politik begeben haben. Denn die Frage der
Einrichtung der Hochschülerschaft als Selbstverwaltungsträger und der
Einrichtung der Sozialversicherung als Selbstverwaltungsträger ist natürlich
mitten im Fokus des politischen Feuers - heute mehr als zu dem Zeitpunkt, wo
wir einen Konsens hatten in dieser Frage im Frühjahr, und heute mehr als zu dem
Zeitpunkt, wo wir das Arbeitsergebnis im August abgeliefert haben.
Das zeigt auch ein bisschen die Spannung zwischen der
Wirklichkeit draußen und der Wirklichkeit herinnen. Ich glaube, dass es Sinn macht,
die äußere und die innere Wirklichkeit in der Verfassungsdiskussion
zusammenzuführen, weil gerade dieses Selbstverwaltungsbeispiel zeigt, dass man,
wenn man sich nur hinsetzte und das in Ruhe überlegte, sehr bald bei einem
konsensualen Konzept wäre. Bei einem konsensualen Konzept, das weitgehend all
das als Selbstverwaltung weiter verankert, was derzeit Selbstverwaltung ist. Da
muss dann bei einer Einigung auf einen solchen Kompromiss von jeder Seite ein
bisschen nachgelassen werden. Das wurde auch nachgelassen in unserem Ausschuss,
der im Übrigen sehr stark sozialpartnerschaftlich dominiert war, und daher
einen sehr starken Zug zum Konsens hatte. Ich fand das sehr gut.
Wenn man das tut, muss man vielleicht billigend in Kauf
nehmen, dass man für die Zukunft bestimmte institutionelle Parameter
festgeschrieben hat, an denen man nicht rütteln kann, selbst dann nicht, wenn
es politisch inopportun, diese Festlegung zu haben. Aber zumindest hat man eine
feste Basis geschaffen, mit der man kalkulieren kann, die funktioniert, auf der
der Start funktioniert, auf der seine Subeinheiten funktionieren. Und ich
glaube, dass es bei der Selbstverwaltung und bei unserem Vorschlag zur
Selbstverwaltung möglich sein müsste, am Ende des Tages diese neue Bestimmung
in die Verfassung aufzunehmen. Im Austausch dafür haben wir aus dem ersten
Reformdiskussionsbereich unserer gemeinsamen Ausschüsse die Chance, ein paar
hundert Verfassungsnormen über weisungsfreie Kollegialorgane zu beseitigen.
Wenn man beides gegeneinander abwägt, haben wir im Tausch einiges zu Wege
gebracht.
Ich bedanke mich bei allen Beteiligten ganz herzlich.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Ich bedanke mich für Ihre Berichte, Herr Sektionschef Dr.
Matzka. Zu Wort gemeldet ist die Frau Generalsekretärin Mag. Hochhauser. -
Bitte.
Mag. Anna-Maria Hochhauser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich darf mich vorerst aus der Sicht
der Wirtschaftskammerorganisation sehr herzlich beim Vorsitzenden des
Ausschusses 7, Herrn Sektionschef Matzka, bedanken für die äußerst konstruktive
Arbeit in diesem Ausschuss. Es ist einer der Ausschüsse, wo also die meisten
positiven, gemeinsamen Ergebnisse erzielt wurden. Und ich darf mich auch bei
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Konventsbüros für diese hervorragende
Unterstützung in diesen Ausschüssen bedanken.
Zum Bericht über die gemeinsamen
Beratungen der Ausschüsse 6 und 7: Hier wurde tatsächlich sehr konstruktiv
gearbeitet. Und ich kann mich sehr kurz halten, weil der Ausschussvorsitzende
hier die wesentlichen Inhalte ja schon betont hat. Man konnte für die
Auslagerung von Hoheitsaufgaben die Weisungsbindung und für die Ausgliederung
nicht-hoheitlicher Aufgaben eben eine der Art der jeweiligen Aufgabe adäquate
Aufsichtsingerenz oder Steuerungsbefugnis festschreiben und das sichert, wie
auch bereits ausgeführt wurde, über die Gewährleistung der Verantwortlichkeit
der obersten Organe, die demokratische Rückbindung der Aufgabenwahrnehmung an
das Parlament und gibt dem Gesetzgeber gleichzeitig die Möglichkeit, flexible
und fallbezogene Gestaltungen vorzunehmen. Damit kann die Ausgliederungspraxis
auf ein solides verfassungsrechtliches Fundament gestellt werden und ich hoffe,
dass man sich hier auf der politischen Ebene diesen Ausschussergebnissen
anschließen kann.
Zum ergänzenden Bericht des
Ausschusses 7 möchte ich mich auch nur auf einen Punkt konzentrieren. Hier gab
es, wie schon ausgeführt, auch im ersten Bericht einen weitgehenden Konsens
hinsichtlich der Verankerung der nicht territorialen Selbstverwaltung in der
Verfassung. Und in seinem ergänzenden Bericht empfiehlt er, diesen Konsens zur Grundlage der
weiterführenden Überlegungen in der Verfassungsreform zu nehmen. Und dies ist
insbesondere aus der Sicht einer berufsständigen Selbstverwaltung zu
befürworten und es sollten die Ergebnisse, die jetzt auf dem Tisch liegen, auch
wirklich aufgegriffen und umgesetzt werden. Und hier ist ganz allgemein zu
sagen: Wenngleich nach dem Konventsprozedere die Entscheidungen natürlich auf
der politischen Ebene zu fallen haben, soll es aber doch gelingen, die in
monatelangen Verhandlungen und intensiven Verhandlungen erzielten Konsense auch
auf der politischen Ebene zu realisieren und sich nicht davon zu distanzieren.
Alles in allem gibt es schlussendlich
in beiden Ergänzungsberichten sehr positive Ergebnisse, wo es jetzt wirklich
gilt, diesen Ergebnissen auf der politischen Ebene auch zu folgen. Ich danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächster Redner ist der Herr Univ.-Prof. Dr. Brauneder.
Bitte.
MMag. Dr. Willi Brauneder‡: Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Meine Wortmeldung bezieht sich nicht auf die Berichte jetzt
aus diesem Ausschuss, sondern auf eine Summe von Wortmeldungen des heutigen
Tages, aber eigentlich auch auf Wortmeldungen, die wir in vergangenen Zeiten
hier gehört haben. Es ist so eine gewisse Spannung immer wieder zu hören,
nämlich dahingehend, wie es eine Rednerin ich glaube so formuliert hat: Wir haben
zwar in unserem Ausschuss einen Punkt abgehakt, von offenkundig mehreren, aber
auf der anderen Seite hat der Konvent bereits jetzt seine Aufgaben erfüllt. Was
möglicherweise wie ein Widerspruch klingen mag, erscheint mir doch kein solcher
zu sein und zwar unter folgender Überlegung: Muss es überhaupt der Ehrgeiz des
Konvents sein, zu einem bestimmten Termin einen kompletten Verfassungstext oder
einen - vielleicht nicht in allen Details formulierten - Verfassungsentwurf
vorzulegen?
Der Konvent ist ja nicht der Verfassungs-Gesetzgeber, das
sollte man sich einmal so ein bisschen doch vor Augen halten, und vor allem,
man sollte es auch der Öffentlichkeit vor Augen halten, die in etwa in folgende
Richtung gelenkt wird: Na, werden die überhaupt ihre Aufgabe erfüllen? Und
vielleicht kommt dann doch der eine oder andere Steuerzahler einmal auf die
Idee, zu fragen: Was hat denn das alles gekostet? Und dann haben die trotz
hoher Kosten - angeblich - ihre Aufgabe nicht erfüllt, weil kein
Verfassungstext vorliegt!
Wenn ich das Problem von der anderen Seite sehe - nämlich
von der Seite des Verfassungs-Gesetzgebers selbst, nämlich des Parlaments -
frage ich mich: Ist das eigentlich von dieser Seite her so wünschbar, so
gewünscht, einen kompletten Verfassungstext zu haben, der in den
Verfassungsausschuss gehen wird und dann natürlich in das Plenum und da und
dort diskutiert wird oder vielleicht nur abgehakt wird, dem zugestimmt wird,
was doch auch unter Umständen vielleicht den Eindruck erwecken könnte: Wozu
gibt es denn das Parlament noch? - Das wäre dann sozusagen eine papale
Absegnung von Arbeiten, die anderswo gemacht worden sind.
Und man könnte sich ja auch fragen, ob ein solcher Vorgang,
ein solches Prozedere, ein solches Ergebnis letztendlich dem Parlamentarismus gut
tut. Man sieht sich ein bisschen zurückversetzt in Zeiten vor dem Jahre 1955,
wo das Parlament, der Nationalrat, sich den Ruf einer Abstimmungsmaschine
erworben hat, denn alles andere - der Inhalt der Gesetze - wurde anderswo
beschlossen, nämlich in dem damaligen Koalitionsausschuss, wenn ich das recht
sehe oder gelesen habe. Und im Parlament hebt man bloß die Hand oder man hebt
sie nicht. Also in diese Situation sollten wir doch gerade bei der
Verabschiedung einer neuen Verfassung nicht kommen!
Und ich meine daher, es wäre ein durchaus vertretbares
Ergebnis für den Konvent, wenn er in gewissen Fragen Textvarianten vorlegt, die
dann im Verfassungsausschuss und im Plenum ausgewählt werden oder vielleicht
durch andere Varianten ersetzt werden. Es wäre ja auch ein bisschen komisch,
wenn die einzigen, variantenlosen Vorschläge des Konvents letztendlich im
Parlament abgeändert worden - das wäre ja fast eine schlechte Note für den
Konvent nach dem Motto: Wir machen es aber ganz anders, als was ihr in 17 oder 18
Monaten euch da in verschiedensten Ausschüssen herumgeplagt habt.
Ich möchte also eben ein gewisses Plädoyer dahin abgespult
haben: Warum soll das Präsidium dem Parlament nicht Textvarianten vorlegen?
Danke schön.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke vielmals.
Damit haben wir auch diese Beratung über Ausschuss 7
und gemeinsame Ausschüsse 6 und 7 abgeschlossen.
Ich gönne Ihnen jetzt eine Stunde Mittagspause, weil die
Herren Dr. Holzinger und Dr. Haller - beide Vorsitzende für die
nächsten Berichte - noch beruflich tätig sind und ihr Kommen um
14 Uhr angekündigt haben. Ich bitte Sie daher, dass wir um 14 Uhr
wieder mit den Beratungen beginnen.
[Die Sitzung wird
unterbrochen]
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka (übernimmt den Vorsitz):
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung
wieder auf.
Wir kommen nunmehr zu den Beratungen über das
Ergänzungsmandat und den hiezu erstatteten Bericht des Ausschusses 3 und
erteile als Erstem den Vorsitzenden dieses Ausschusses, Herrn Sektionschef
Professor Dr. Holzinger, das Wort. Auch für ihn gelten als
Berichterstatter 15 Minuten.
Dr. Gerhart Holzinger: Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Vorweg darf ich um Verständnis dafür ersuchen, dass ich
erst jetzt nach einer Pause zu dem mich betreffenden Tagesordnungspunkt
spreche. Aber im Hinblick auf die Beratungen im Verfassungsgerichtshof, die bis
13.30 Uhr gedauert haben, war es mir nicht möglich, am Vormittag an dem
für mich vorgesehenen Zeitpunkt hier zu referieren. Ich werde versuchen, das
durch besondere Kürze und Prägnanz meiner Ausführungen etwas auszugleichen.
Meine Damen und Herren! Der Ausschuss 3 des
Österreich-Konvents hatte sich schwergewichtig mit den Themen Aufbau des
Staates in den verschiedenen Gebietskörperschaften in Legislative und Exekutive
zu befassen. Mit Wahlen, Verfassungsautonomie der Länder und mit den
verfassungsrechtlichen Regelungen, betreffend das Verhältnis zwischen
Gesetzgebung und Vollziehung, im Besonderen also die Frage des Legalitätsprinzips.
Der Ausschuss hat die wichtigsten damit zusammenhängenden
Fragen, entsprechend dem Mandat des Präsidiums des Konvents, insgesamt in neun
Sitzungen, die meisten davon ganztägig, vorberaten und zwei Berichte erstattet.
Einen bereits im Februar dieses Jahres und einen weiteren zu einem
Ergänzungsmandat des Präsidiums des Konvents Anfang Oktober dieses Jahres,
wobei in diesem Ergänzungsbericht entsprechend dem diesbezüglichen Mandat des
Präsidiums des Österreich-Konvents vom Juli dieses Jahres vor allem zwei Dinge
zu tun waren.
Zum Einen zu ganz bestimmten konkreten Fragestellungen des
Präsidiums Formulierungsvorschläge für eine Neufassung der
verfassungsrechtlichen Regelungen zu erstatten beziehungsweise zu bestimmten
Punkten verfassungspolitische Überlegungen anzustellen.
Ich möchte ganz kurz und überblicksartig die wichtigsten
Ergebnisse unserer Ausschussarbeit nochmals darstellen. Hervorheben möchte ich
einleitend, dass im Ausschuss Konsens darüber besteht, dass in vielerlei
Hinsicht, hinsichtlich jener Themen die uns zur Beratung überwiesen waren, die
Möglichkeit gesehen wird, die Dichte der verfassungsrechtlichen Regelungen zu
reduzieren. Manches, was derzeit bundesverfassungsgesetzlich geregelt ist,
erscheint uns entbehrlich.
Im Sinne dieser Bereinigungsfunktion, die eine Neufassung
der Bundesverfassung haben könnte, möchte ich nur exemplarisch drei Bereiche
ansprechen, mit denen wir uns besonders beschäftigt haben, nämlich die
verfassungsrechtlichen Regelungen über den Nationalrat, die Bestimmungen über
die Bundesregierung und die Regelungen betreffend die Organisation der
Landesverwaltung. Insbesondere zu diesen Bereichen haben wir konkrete
Vorschläge für eine Reduktion der verfassungsrechtlichen Regelungen erstattet
und auch konkrete Formulierungsvorschläge gemacht.
Richtig ist aber auch - und damit komme ich zu einem
zweiten Punkt -, dass sich in den Ausschussberatungen immer wieder gezeigt hat,
dass dem Bemühen um eine Reduzierung der Regelungsdichte
bundesverfassungsgesetzlicher Vorschriften verfassungspolitische Grenzen
gesetzt sind. So hat sich etwa, um ein Beispiel zu nennen, in der Diskussion
über die Frage, inwieweit es möglich ist, die Bestimmungen des Artikel 26 der
Bundesverfassung, die derzeit, zum Teil recht detailliert das Wahlrecht zum
Nationalrat regeln, inwieweit es möglich ist, diese Regelungen zu reduzieren.
Im Ausschuss haben sich durchaus unterschiedliche Positionen ergeben. Es hat
Mitglieder des Ausschusses gegeben, die im Großen und Ganzen die Auffassung
vertreten haben, man könne sich auf verfassungsrechtlicher Ebene auf die
Grundsätze des Wahlrechts beschränken, andere waren der Meinung, dass im
Wesentlichen die Regelungsdichte des Artikel 26 erhalten bleiben sollte.
Abgesehen von diesem Bereinigungsanliegen, das wir im
Besonderen verfolgt haben, möchte ich zu den verfassungspolitisch bedeutsamsten
Fragen, die wir insbesondere in unserem Ergänzungsbericht nochmals behandelt
haben, auch nur exemplarisch auf Folgendes hinweisen. Ich komme nochmals zu
sprechen auf den Artikel 26 der Bundesverfassung, mit dem wir uns sehr
ausführlich beschäftigt haben. Konsens bestand diesbezüglich im Ausschuss
darüber, dass jedenfalls die Wahlrechtsgrundsätze für die Wahl zum Nationalrat,
die ja darüber hinaus auch für die anderen Gebietskörperschaften von Bedeutung
sind, dass diese Wahlrechtsgrundsätze taxativ und abschließend in der
Bundesverfassung geregelt sein sollten, also einschließlich des Grundsatzes des
freien Wahlrechts, für den das derzeit, jedenfalls, wenn man ans BV-G denkt,
nicht gilt.
Im Übrigen haben, wie bereits angedeutet, zu diesem
Themenkomplex unterschiedliche Auffassungen bestanden. Die eine Position, die
in die Richtung einer Reduzierung der verfassungsrechtlichen Regelungen auf die
Wahlrechtsgrundsätze gegangen ist, und eine andere Position, die insbesondere
darin besteht, dass vorgeschlagen wurde, etwa, das Wahlrecht zum Nationalrat
auch in Österreich ansässigen Ausländern einzuräumen. Die Frage, eine
Mindestprozentklausel in Ergänzung des Grundsatzes der Verhältniswahl in die
Verfassung aufzunehmen, das Wahlalter zu senken, beziehungsweise auch das so
genannte Bürgerzahlprinzip, also das Prinzip, das maßgeblich ist für die
Festlegung der Zahl der Abgeordneten je Wahlkreis, zu ersetzen durch eine
Orientierung an der Zahl der Wahlberechtigten, beziehungsweise der
Wohnbevölkerung.
Unterschiedliche Positionen bestanden im Ausschuss
insbesondere auch zu den Fragen Briefwahl und E-Voting. Die eine Auffassung ist
in die Richtung gegangen, dass Briefwahl und E-Voting durch die Verfassung
jedenfalls ermöglicht werden sollten. Die andere Auffassung ist in die Richtung
gegangen, dass die Stimmabgabe, die nicht vor einer Wahlbehörde erfolgt,
jedenfalls immer nur den Ausnahmefall bilden dürfte. Einvernehmen hat im Ausschuss
dahingehend geherrscht, dass bei Landtagswahlen und Gemeinderatswahlen
dieselben Möglichkeiten zur Stimmabgabe außerhalb des Wahlgebietes bestehen
sollten, wie das derzeit auf Grund einer Sonderregelung im Artikel 26 BV-G für
die Nationalratswahlen gilt.
Ein zweiter Themenbereich, mit dem wir uns sehr ausführlich
beschäftigt haben, war der Bereich der Gemeinden, die verfassungsrechtlichen
Regelungen über die Gemeinden. Hier bestanden unterschiedliche Auffassungen,
vor allem, was das Verhältnis der kommunalen Ebene und der Bezirksebene
anlangt. Es hat eine Position gegeben, die in die Richtung gegangen ist, dass
es zu einer Aufgabenverlagerung auf die kommunale Ebene, also weg von der
Bezirksebene auf die kommunale Ebene, kommen sollte, während andere Mitglieder
des Ausschusses sehr vehement die Auffassung vertreten haben, dass
diesbezüglich der Status quo beibehalten werden sollte. Unbeschadet dieser zum
Teil sehr grundsätzlichen Auffassungsunterschiede möchte ich jedoch darauf
hinweisen, dass im Ergänzungsbericht des Ausschusses zwei Textvorschläge zur
Neufassung, der die Gemeinden betreffenden Artikel 115 bis 120 angeschlossen
sind, die auf eine Reduzierung, Vereinfachung und legistische Verbesserung der
einschlägigen Bestimmungen der Verfassung hinauslaufen und meines Erachtens
eine gute Basis für eine künftige Neugestaltung dieser Regelungen sein könnten.
Einvernehmen hat - um den Bereich Gemeinden abzuschließen -
im Ausschuss auch darüber geherrscht, dass es zu einer größeren Flexibilität im
Bereich dieser Regelungen kommen sollte, insbesondere sollten die
Möglichkeiten, Gemeindeverbände zu bilden, ausgebaut werden und es sollten den
Gemeinden, sei es im Wege des Artikel 15a B-VG, oder auch außerhalb dieses
Systems, durch sonstige öffentlich-rechtliche Verträge die Möglichkeiten der
interkommunalen Kooperation erleichtert werden.
Nur ganz kurz ein Hinweis, weil ich das schon auch im
Oktober berichtet habe, ein wichtiger Teilaspekt, den wir zu behandeln hatten,
war die Frage des Legalitätsprinzips. Da hat es unterschiedliche Positionen
gegeben, die in die Richtung gegangen ist, dass eine Neuformulierung des
Artikel 18 Absatz 1 B-VG geeignet sein könnte, das Problem der zu
detaillierten, zu kasuistischen gesetzlichen Regelungen in der österreichischen
Rechtsordnung zumindest zu minimieren, während andere Mitglieder des
Ausschusses einer Änderung des Artikel 18 und des Legalitätsprinzips eindeutig
entgegengetreten sind. Unterschiedlich waren im Übrigen, das möchte ich
abschließend zu diesem tour d’horizons durch die wichtigsten Punkte, die wir
behandelt haben, noch sagen, unterschiedlich ist auch die Frage beurteilt
worden, ob, und bejahenden Falls,
in welchem Umfang, die Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union dem
Verordnungsgeber übertragen werden sollte. Hier haben sich, um das ganz
vereinfacht nochmals zusammenzufassen, im Wesentlichen ähnliche
Auffassungsunterschiede gezeigt wie bei der Beurteilung einer Änderung des
Legalitätsprinzips ganz allgemein.
Zusammenfassend möchte ich noch auf Folgendes hinweisen.
Der Ausschuss hat in diesen beiden nunmehr zwei Berichten sämtliche Themen, die
ihm vom Präsidium des Österreich-Konvents zur Beratung zugewiesen wurden,
behandelt. Wir haben in dem Rahmen, der unser Arbeitsfeld gebildet hat, die
Themen identifiziert, in denen der Ausschuss Reformbedarf sieht, und haben
darüber hinaus Reformoptionen, Reformmöglichkeiten aufgezeigt. Dass es in einer
Reihe von Fragen keinen Konsens gegeben hat, mindert meines Erachtens den Wert
dieser Arbeit nicht, und zwar deshalb, weil uns damit immerhin eines gelungen
ist, nämlich die Basis für einen möglichen verfassungspolitischen Kompromiss zu
legen. Diesen zu finden wird wohl letztlich die Aufgabe des
Verfassungsgesetzgebers sein, der verschiedenen Organe, die den Verfassungsgesetzgeber
letztlich ausmachen. Was die Arbeit des Ausschusses und des Österreich-Konvents
anlangt, so hoffen wir, dass wir mit unseren beiden Berichten einen Beitrag zu
dem Gesamtprojekt des Österreich-Konvents leisten konnten, und hoffen, dass möglichst
vieles von dem, was wir in den Berichten erarbeitet haben, dann auch Eingang
findet in den abschließenden Bericht des Österreich-Konvents.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht schließen, ohne
mich einmal mehr bei allen Mitgliedern des Ausschusses für die Mitarbeit und
für die Unterstützung zu bedanken, vor allem auch bei den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern des Büros des Österreich-Konvents, ohne deren
Kooperationsbereitschaft und Einsatzbereitschaft es nicht möglich gewesen wäre,
die uns übertragenen Mandate jeweils fristgerecht zu erfüllen. Danke für Ihre
Aufmerksamkeit.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals für diese Berichterstattung. Wir kommen
jetzt zur Diskussion. Mir liegen insgesamt drei Wortmeldungen vor. Als erstes
Dr. Stürzenbecher. Für ihn gelten - wie für alle nachfolgenden Diskutanten -
die fünf Minuten. - Bitte.
Dr. Kurt Stürzenbecher: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte
Damen und Herren! Ich komme auf ein Thema zu sprechen, das ich ganz kurz schon
im Ausschuss 5 einmal angerissen habe, das aber beim Ausschuss 3 besser
herpasst und hier in einigen Minuten doch erörtert werden soll, und zwar ist
das das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger und -Bürgerinnen, was ja im
Ausschuss 3 diskutiert wurde und, soweit mir bekannt ist, ohne ein
einheitliches Ergebnis.
Es scheint mir, dass, wenn wir eine neue Verfassung oder
Vorschläge für eine neue Verfassung ausarbeiten, man schon davon ausgehen kann
- und dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes davon ausgehen können
sollen -, dass diese neue Verfassung ein Mehr an Demokratie haben wird als die
jetzige und nicht ein Weniger und dass wir natürlich am Beginn des 21.
Jahrhunderts auch andere Voraussetzungen haben als vielleicht 1920 oder 1929,
als Kelsen oder Danneberg maßgeblich die Verfassung gestaltet haben, und wo
natürlich die Partizipation von ausländischen Mitbürgern noch nicht im
Vordergrund war, während es jetzt im 21. Jahrhundert sehr wohl ein wichtiges
Thema ist, dass eine doch relativ große Bevölkerungsgruppe derzeit überhaupt
insbesonders von allgemeinen Vertretungskörpern ausgeschlossen ist. Und in
diesem Sinn meine ich, dass es aus demokratiepolitischen Gründen und
integrationspolitischen Gründen ein großes gesellschaftliches Bedürfnis dafür
gibt, hier die politische Partizipation von ausländischen Mitbürgern zu
erweitern.
Und wie Sie ja wissen, hat es ein
Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis gegeben, das ich politisch bedauere, aber das
selbstverständlich zu respektieren ist - wie jedes
Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis zu respektieren ist -, wonach es dem
Landesgesetzgeber nicht zusteht, beispielsweise in Wien, für die
Bezirksvertretungen Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürgern das Wahlrecht
einzuräumen. Dieses Erkenntnis ist zu akzeptieren, aber es ist auch meiner
Ansicht nach als Auftrag dahin gehend zu werten, dass eben der Bundesverfassungs-Gesetzgeber
künftig die Voraussetzungen dafür schafft, dass eine Möglichkeit besteht, im
kommunalen Bereich ausländischen Mitbürgerinnen und -bürgern das aktive und
passive Wahlrecht zuzusprechen.
Und ich darf hier noch einmal den diesbezüglichen Beschluss
auch des Wiener Landtages zitieren - der mit großer Mehrheit, mit mehr als 60
Prozent der Mandatare, gefasst worden ist -, welcher lautet: „Der
Bundesverfassungs-Gesetzgeber wird seitens des Wiener Landtages ersucht, die
Bundesverfassung in der Form zu ergänzen beziehungsweise zu ändern, dass den
Ländern die verfassungsrechtliche Möglichkeit eingeräumt wird,
Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürgern ein kommunales Wahlrecht, in Wien bei den
Wahlen zu den Bezirksvertretungen, einzuräumen.“
Wenn wir uns daran erinnern, dass wir ja im
Verfassungskonvent mehrere Hearings durchgeführt haben, war es ja auch so, dass
von NGOs, die wir ernst nehmen sollten, auch diese Forderung gekommen ist. Und
wenn wir jetzt davon ausgehen, dass diese Hearings, die mit sehr viel
Engagement von den Betroffenen, aber auch von den Mitgliedern des
Österreich-Konvents, verfolgt worden sind, nicht Alibi-Veranstaltungen waren,
sondern dass man das dort Vorgebrachte ernst nimmt, dann würde ich es sehr
begrüßen, wenn auch im Bericht des Konvents zum Schluss auch auf Inhalte der
Hearings eingegangen wird und dass insbesondere bei dem von mir jetzt
referierten Thema auch darauf Rücksicht genommen wird.
Ich wiederhole: Der Landes-Gesetzgeber soll die Möglichkeit
haben - nach unseren Vorstellungen -, ein derartiges Wahlrecht einzuführen, er
ist natürlich nicht dazu verpflichtet. Das soll jeder Landes-Gesetzgeber dann
eben selbst entscheiden, und er ist ja auch seinen Wählerinnen und Wählern dann
dafür verantwortlich. Aber dass er es grundsätzlich nicht kann, ist, glaube
ich, nicht sinnvoll. Ich muss auch noch einmal hinzufügen, dass in der Mehrheit
der alten EU-Mitglieder - also der 15 EU-Staaten - durchaus ähnliche Rechte
schon existieren.
Dieses Recht würde mit dazu beitragen, dass es nicht zur
Entwicklung von Parallel-Gesellschaften kommt, nicht zu einer Abkapselung von
ausländischen Mitbürgern, sondern, dass diese mitten in unsere Gesellschaft
hineingenommen werden. Und ich erinnere daran, dass nicht nur Wien dieser
Auffassung ist, sondern, dass auch der Grazer Bürgermeister Nagl von der
Österreichischen Volkspartei ähnliche Vorstellungen auch schon artikuliert hat.
Also ich plädiere dafür, dass wir die Möglichkeit schaffen, dass schon länger
hier aufhältige Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürgern in den politischen Prozess
stärker einbezogen werden und dass dafür im kommunalen Bereich die
verfassungsrechtlichen Grundlagen geschaffen werden. Danke schön.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Professor
Dr. Klaus Poier. - Ich erteile es ihm.
Dr. Klaus Poier: Herr Volksanwalt! Meine Damen und Herren!
Die Ergebnisse im Ausschuss 3 hinsichtlich Briefwahl und e-Voting sind für mich sehr enttäuschend. Briefwahl gibt es in vielen Staaten der Welt, in -zig Staaten, vielleicht sind es 100 Staaten oder mehr. Für mich ist nicht einsichtig, warum dieses Instrument nicht auch für Österreich möglich ist.
Briefwahl ist auch ein dezidierter Wunsch der österreichischen Bevölkerung: Wir haben eine repräsentative Umfrage gemacht, da erklären 56 Prozent der Österreicher, dass sie die Briefwahl für eine sehr gute oder gute Idee halten. Es ist auch interessant: Wenn man sich die Zahlen nach den parteipolitischen Sympathisanten anschaut, dann sind 69 Prozent – das ist der Spitzenwert – der Grün-Sympathisanten für Briefwahl, 65 Prozent der ÖVP-Sympathisanten und 60 Prozent der SPÖ-Sympathisanten. Dies zeigt eine sehr breite Zustimmung über die politischen Lager hinweg, und ich glaube, dass diesem Wunsch auch nachgekommen werden soll.
Briefwahl wird in der Diskussion primär unter dem Gesichtspunkt der Wahlenthaltung, der Frage der Nicht-Wähler, der Wahlbeteiligung gesehen. Ich glaube, dass man sich hier keinen großen Illusionen hingeben darf. Es kommt sehr darauf an, welches Modell der Briefwahl gewählt würde: Einen wirklichen Schub bei der Wahlbeteiligung würde es nur geben, wenn man jedem Wähler ohne Aufforderung die Briefwahl-Unterlagen zuschicken würde. Hier haben Erfahrungen in England und in der Schweiz gezeigt, dass man dadurch etwa 20 Prozent mehr Wahlbeteiligung erreichen kann. Ein solches Modell kommt, denke ich, für Österreich – zumindest derzeit – nicht in Frage, sondern wir würden wohl bei der Antrags-Möglichkeit für Briefwahl bleiben. Und da würde es wohl nur zu einer marginalen Steigerung der Wahlbeteiligung kommen.
Aus diesem Grund plädiere ich dafür, dass man bei der Briefwahl immer den Service-Charakter im Auge hat. Briefwahl ist eine Erleichterung für den Wähler und für die Wählerin, die Wahl in einer viel angenehmeren und für sie auch – wenn wir vor allem auch an die ältere Bevölkerung denken – leichteren Form wahrzunehmen. Ich denke, dass diese Service-Möglichkeit dem österreichischen Wähler nicht vorenthalten werden darf.
Ich bin aus diesem Grund auch für eine generelle Briefwahl-Möglichkeit und nicht für eine Briefwahl, die nur in bestimmten Fällen – wie etwa Krankheit oder Abwesenheit – möglich ist. Denn da der Bürger selbst auch diesen Service-Charakter im Auge hat, würde eine solche Begründungspflicht bei der Briefwahl zu dem Massenphänomen der Falschangabe führen. Wir kennen das aus Deutschland, wo eine solche Begründungspflicht notwendig ist, und da gibt es erwiesenermaßen einen sehr hohen Prozentsatz an Briefwählern, die die Unwahrheit sagen. Und ich denke, dass man einem solchen Phänomen nicht sehenden Auges entgegenlaufen darf.
In der Diskussion wird auch immer wieder angeführt, dass die Briefwahl manchen Parteien schaden würde und manchen Parteien nützen würde. Ich glaube, dass diese Argumentation nicht begründbar ist. Man darf hier keinesfalls auf die Wahlkarten-Ergebnisse schauen, denn das ist nur ein kleiner spezifischer Ausschnitt aus der österreichischen Wählerschaft.
Wenn wir nach Deutschland schauen und uns die dortigen Ergebnisse näher ansehen, dann sieht man, dass Briefwahl ein Massenphänomen geworden ist – bei der letzten Bundestags-Wahl waren es 18 Prozent der Wählerinnen und Wähler in Deutschland, die mittels Briefwahl gewählt haben – und dass, wenn man sich die Ergebnisse nach parteipolitischen Auswirkungen anschaut, es zu einem völligen Ausgleich gekommen ist: Es ist praktisch bei jeder Partei der Anteil unter den Briefwählern gleich groß wie in der gesamten Wählerschicht. Unterschiede zeigen sich fast nur mehr in regionaler Hinsicht, dass etwa in den ehemaligen DDR-Ländern die Briefwahl-Quote noch niedriger ist als im Westen.
Ich denke daher, dass die Briefwahl auch in Österreich zu einem Massenphänomen werden würde, wenn man diese Möglichkeit der österreichischen Bevölkerung einräumt, und ich glaube, dass man ihr diese Service-Funktion nicht vorenthalten darf und dass man sie völlig begründungsfrei der österreichischen Bevölkerung zur Verfügung stellen muss. Danke sehr.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka:
Danke
vielmals. Wir kommen damit zum Ende der Debatte zum Ergänzungsbericht des
Ausschusses 3 und als Letztem erteile ich Herrn Präsidenten Dr. Khol das
Wort.
Dr. Andreas Khol: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Auch ich möchte dem Ausschuss 3 und
Dr. Holzinger Dank und Anerkennung aussprechen für zwei überaus
substanzielle und mit vielen wegweisenden Textvorschlägen geschmückte Berichte.
Das Präsidium hat einige davon bereits beraten und ich möchte überhaupt sagen,
dass wir sehr dankbar sind für die Textvorschläge, die wir erhalten haben.
Beispielsweise auch vom Grundrechteausschuss, wo wir im Präsidium anhand dieser
Texte vorgehen können, auch bei den demokratischen Kontrollen, und wo die
Ergebnisse eigentlich in vielen Einzelheiten reichhaltiger sind, als es den
Anschein hat und ich bin natürlich, Herr Kollege Stürzenbecher, Ihrer Meinung,
dass wir im 21. Jahrhundert mehr Demokratie wagen sollten und glaube, dass
da die Briefwahl bei mir zuerst die Frage ist. Weil, bevor ich an die Ausländer
denke, denke ich immer an die vielen bettlägrigen Kranken, Mühseligen und
Beladenen, die also vom Wahlrecht nicht Gebrauch machen können. Kollege Poier,
aber ich darf dir sagen, dass wir im Präsidium in unserer letzten
Klausurtagung, glaube ich, bereits einen Weg gefunden zu haben, der dich zwar
nicht zur Gänze glücklich machen wird, aber doch ein erster, großer Schritt in
Richtung Briefwahl sein wird.
Es wurde heute Vormittag, so habe ich
gehört, beklagt, dass es so viel Dissens gäbe. Das liegt in der Natur dieses
Verfahrens, dass also am Beginn viel Dissens ist, und es wird immer dann im
Präsidium immer mehr Konsens gefunden. So glaube ich, dass wir im
Grundrechtsbereich, vor allem bei den sozialen Grundrechten, auf einem sehr
guten Weg sind, und uns über die Texte von vielen sozialen Grundrechten einigen
können und auch über die dazugehörigen Rechtsschutzinstrumente, von der
Staatshaftung bis zur Grundrechtsbeschwerde. Natürlich wird noch manches zu
beraten sein. Wir haben uns mit der Gerichtsbarkeit noch nicht befasst. Hier
bin ich überzeugt, dass, auf Grund des wirklich hervorragenden Berichtes, wir
bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit und überhaupt beim Rechtsschutz im
Zusammenhang mit der Verwaltung, durch die Reduktion der 133-Ziffer-4-Behörden,
durch die Landesgerichtshöfe, die neu eingerichtet werden, und durch viele
andere begleitende Maßnahmen doch sehr schöne Ergebnisse vorweisen können.
Ich glaube daher, dass man jetzt nicht
die Flinte ins Korn werfen sollte und sagt: Jetzt ist Anfang Dezember, wir
haben nur einen Monat Zeit, gehen wir lieber nach Hause, und wir sind müde.
Sondern, ich bin überzeugt, dass gerade unter dem Druck des Termins, und das
zeigen alle nationalen Erfahrungen, die ich jetzt schon 30 Jahre sammeln
konnte, aber auch die internationalen, dass unter dem Druck des Termins noch
sehr viel möglich ist und möglich sein wird. Wir haben einen klaren Auftrag des
Gründungskomitees, nämlich einen Bericht vorzulegen, in dem Vorschläge für eine
neue Verfassung und für alle Verfassungsbestimmungen enthalten sein sollen und
ich glaube, dass wir dieses Ziel nicht aus dem Auge verlieren dürfen und auch
nicht verzagen dürfen. Hier ist also das Präsidium noch gefordert. Wir werden
uns noch in mehrere Klausurtagungen begeben. Wir haben aber sehr gute
Voraussetzungen und sehr gute Berichte, an denen wir uns orientieren können.
Es wurde ja heute früh angeregt, es
wäre jetzt die Zeit für politische Gespräche. Erstens halte ich es mit einem
umfassenden Politikbegriff: Alles, was wir hier im Konvent besprechen, ist
Politik, ist Rechtspolitik. Wir alle diskutieren hier im weitesten Sinn, führen
hier politische Gespräche. Und zweitens, glaube ich, sollte man den Aufbau der
Konventsarbeit nicht verkennen. Zuerst die Ausschüsse, dann das Präsidium, dann
der Konvent, dann der Schlussbericht. Der Schlussbericht geht dann ins
Parlament und dann können die parteipolitischen Gespräche, falls sie notwendig
sind, dort geführt werden. Alles zu seiner Zeit.
Für mich ist der Weg also völlig klar.
Wir sollten versuchen, unserem Mandat zu entsprechen, einen Schlussbericht
vorzulegen. Da sollen natürlich, wie das im Gründungskomitee auch und in der
Geschäftsordnung gesagt wird, auch abweichende Meinungen zum Ausdruck kommen.
Jeder kann sich dazu äußern, auch im Konvent. Das halte ich für demokratisch
und wichtig und verbreitert auch die Entscheidungsbasis. Aber ich bin nach wie
vor der Meinung, dass wir das Ziel erreichen können, und ich bedanke mich bei
allen, die diesen Weg mitgehen.
Stellvertretender Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals, Herr Präsident. Wir
haben damit die Debatte zum Bericht über das Ergänzungsmandat des Ausschusses 3
abgeschlossen und kommen nunmehr zum letzten Tagesordnungspunkt, nämlich den
Bericht zum Ergänzungsmandat des Ausschusses 9 und ich darf als Erstes den
Vorsitzenden dieses Ausschusses Prof. Dr. Haller das Wort erteilen,
Redezeit 15 Minuten.
Dr. Herbert Haller: Herr Vorsitzender, meine
Damen!
„Meine Herren, begann Prometheus; da
ich mir, ach! nicht einbilden kann, Sie durch meine Worte zu interessieren,
habe ich vorsichtshalber diesen Adler mitgebracht. Nach jeder langweiligen
Stelle meiner Rede wird er freundlicher Weise einige Runden für uns fliegen.“
Andre Gide lässt seinen befreiten Prometheus eine Rede so beginnen.
Der Ausschuss 9 hat sich mit seinen
letzten Beratungen von der ihm übertragenen Arbeitslast befreit. Mit
maßgeblicher Hilfe des Kollegen Dr. Schernthanner habe ich mich mit dem
zweiten Bericht von den Pflichten des Vorsitzenden befreit. Gestatten Sie mir
deshalb, dass ich sehr befreit und auch als letzter Berichter heute gelockert
spreche. Da ich ja auch als Mitglied reden dürfte, füge ich den Ergebnissen des
Ausschusses meine persönliche Meinung an, denn der Bericht gibt natürlich nicht
immer meine Meinung wider.
Zum schriftlichen Bericht darf ich
sagen: Er ist sehr ausgewogen, nämlich so ausgewogen, wie die Beratungslage
war. Wir hatten Konsens erzielt über die Einführung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz. Ein Konzept von Grabenwarter und
Jabloner diente als Ausgangspunkt und wurde von diesen und von den
Ausschussmitgliedern mehrfach verbessert. Es liegt ein Text vor, gut
durchdacht, gut formuliert.
Was würde diese Neuerung bedeuten?
Eine Stärkung der Gerichtsbarkeit, einen Anteil der Länder an der
Gerichtsbarkeit, die Entlastung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts,
insbesondere des Verwaltungsgerichtshofes wäre möglich und, trotz allfälliger
Verkürzung der Instanzenzüge, würden Gesetze bei hoher rechtsstaatlicher Qualität
vollzogen werden.
Dieser Konsens wurde gegen Ende
unserer Beratungen aufgelöst, weil von einer Seite die Einführung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit Erster Instanz geknüpft wurde an die Einführung an
der Urteilsbeschwerde. Ich persönlich war schmerzlich berührt, auch viele im
Ausschuss, da im Ausschuss überwiegend die Normenbeschwerde präferiert wurde.
Das brächte die Möglichkeit, nach durch letztgerichtliche Entscheidungen
abgeschlossene Verfahren mit einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof
heranzutreten, wenn nicht seitens der Gerichte vorher schon ein entsprechender
Antrag auf Prüfung genereller Normen gestellt worden ist.
Wie immer man zu den beiden Varianten
Normenbeschwerde oder Urteilsbeschwerde, (Nachprüfung anderer
letztgerichtlicher Entscheidungen im Bezug auf Grundrechte) steht, es hat die
große Hoffnung bestanden, dass mit der Normenbeschwerde eine Verbesserung der
Situation erfolgt und den anderen beiden Höchstgerichten, dem OGH und VwGH, in
ihren Bereichen das letzte Wort belassen wird.
Meine persönliche Ansicht ist klar
festgelegt: Verwaltungsgerichtsbarkeit Erster Instanz - ja; Normenbeschwerde –
ja. Wer die Urteilsbeschwerde wünscht, der möge doch schauen, ob nicht das
Verfassungs- und Grundrechtsverständnis mit diesen beiden Änderungen so wachsen
wird, dass wir diesen weiteren Schritt gar nicht mehr wünschen. Ich möchte auch
sagen: Änderungen, die wir vornehmen, müssen überschaubar bleiben und dürfen
die Betroffenen nicht übermäßig fordern, belasten, überfordern.
Zum Verfassungsgerichtshof ist dem Ausschuss nochmals
aufgetragen worden, die Frage der dissenting opinion zu behandeln, wir haben
die Frage auf die Tagesordnung gesetzt, ich habe das Thema aufgerufen und ich
habe eine relativ laute Stimme, es hat sich niemand mehr zur Diskussion
gemeldet. Damit bleibt es dabei, der Ausschuss hat nicht begehrt, ein
Minderheitenvotum einzuführen. Nach Ende der Beratungen kam noch von den
Rechtsanwälten der Wunsch, bei der Bestellung der Mitglieder des
Verfassungsgerichtshofes die Regierung auch Rechtsanwälte vorschlagen zu lassen
beziehungsweise, dass auch Rechtsanwälte Präsident oder Vizepräsident werden
können, so wie es der ursprüngliche Text der Verfassung 1920 vorgesehen hat.
Ich glaube, dass der Vorschlag durchaus diskutabel ist. Ich würde ihn sogar
noch ergänzen: Es gibt auch hervorragende Juristen in der Wirtschaft, die zwar
zehn Jahre hinter sich haben, jedoch naturgemäß nicht in einer Position, für
die eine juristische Ausbildung zwingend ist. Ich könnte mir also durchaus
vorstellen, dass der Leiter einer Rechtsabteilung eines Unternehmens oder eines
beruflichen oder wirtschaftlichen oder sozialen Selbstverwaltungskörpers auch
in den Gerichtshof berufen werden kann.
Ganz aktuell in den Zeitungen steht jetzt immer wieder die
Dreistufigkeit der Gerichtsorganisation. Ich glaube, dass es wichtig ist, dem
Bürger klare Orientierung zu geben, denn nur dort gibt es Akzeptanz. Diese
Vereinfachung auf eine dreistufige Gerichtsorganisation hätte verschiedene
positive Seiten und der Ausschuss hat hier Konsens erzielt, ohne dass er es in
der Verfassung festschreiben will. Persönlich nochmals: Sicherlich ist mit der
dreistufigen Gerichtsorganisation nicht verbunden, dass irgendeine Umpolung von
Positionen erfolgt. Der Gesetzgeber könnte die Richter dem jeweiligen Gericht
des Bereiches zuordnen und bei Leitungspositionen würden durchaus die
Personalsenate in bewährter Weise tätig werden können.
Ein Wunsch, der verschiedentlich in der Öffentlichkeit
dargelegt wird, lässt sich nicht mehr erfüllen. Es wird gewünscht, keine
Eingangsgerichte zusammen zu legen und gleichzeitig wird gewünscht, die Zahl
der Richter nicht zu erhöhen, die bei Bedarf „versetzt“ werden können. Wenn ich
mir überlege, dass zum Beispiel nunmehr auch junge Richter in Karenz gehen,
dass wir sehr viele Richterinnen haben, die in Karenz gehen, brauchen wir, um
den Betrieb aufrecht zu erhalten, Ersatzrichter. Wenn wir Gerichte jedoch
zusammenlegen, sodass innerhalb eines größeren Gerichts diese zeitlichen
Ausfälle ersetzt werden können, dann brauche ich weniger „versetzbare“ Richter.
Der Ausschuss hat sich für eine Erleichterung der Zusammenlegung von
Eingangsgerichten (Bezirksgerichten) ausgesprochen. Er hat sich für eine
sorgsame Erhöhung der Zahl von Sprengelrichtern ausgesprochen und hat zur
Überlegung gegeben, ob man nicht Sicherungen einführen sollte, dass er nicht
auf längere Zeit die vollen Garantien eines Richters entbehrt. Ich möchte
wirklich an die Länder appellieren, dass es nicht dazu kommt, dass man mit
einem kranken Kind oder mit einem Herzinfarkt zum Spital will und das Spital
zwar nicht rechtzeitig erreicht, aber an zwei oder drei Bezirksgerichten
vorbeigefahren ist. Ich glaube auch, dass man die Vorteile, die eine
Arbeitsteilung bringt, auch im Bereich der Gerichte ermöglichen sollte.
Es wurde lang und breit, tief und vehement, auch über die
Vorschläge eines Richterrates beraten. Der erste Vorschlag der
Richtervereinigung wurde als eher untauglich beiseite gelegt, der zweite wurde
von Präsident Adamovich auf einer Tagung der Richtervereinigung als die
drittbeste Lösung bezeichnet, nämlich schlechter als die bestehende. Dann kamen
deutlich verbesserte Entwürfe aus den Reihen des Ausschusses. Von Dr. Schnizer
kam ein Vorschlag. Es möge ein Neunergremium (Präsident des Obersten Gerichtshofes,
vier Oberlandesgerichtspräsidenten und vier gewählte Richter) nicht in
Personalfragen, hier möchte er die Situation gleichbehalten, sondern in Fragen
der Justizverwaltung tätig werden und in Budgetfragen. Insbesondere im Bereich
Justizverwaltung hat das jedenfalls keinen Konsens gefunden. Es kam dann ein
letzter Vorschlag von Präsident Reszut, diese „Neunergruppe“ möge in
Budgetangelegenheiten mit der Regierung Konsens beim justiziellen Budgetentwurf
herstellen, wenn das nicht gelingt, sollen sie einen eigenständigen Entwurf im
Parlament einbringen können. Hier hat sich abgezeichnet, dass die, die einem
Richterrat zustimmen, sich auf diese Position einigen könnten.
Es sind allerdings verschiedentlich auch dagegen Einwände
vorgebracht worden, ich muss gestehen, auch von mir. Ich glaube, dass in
Budgetverhandlungen der Minister mit dem Vetorecht das stärkste Druckmittel
hat, ich glaube, dass wir es vermeiden sollten, unser System zu verändern,
sonst sehe ich schon Ärztegruppen beim Spitalsbudget mitreden und andere mehr.
Und ich glaube, dass man mit der Gewaltenteilung hier nicht argumentieren kann.
Überlegen wir, die gesamte Verwaltung steht unter der Kontrolle der
Gerichtsbarkeit: von der Verordnungsprüfung und Bescheidprüfung durch die
Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bis hin zur Amtshaftung seitens des
Obersten Gerichtshofs. Ich glaube, dass in einer vernünftigen
Gewaltenverbindung die Realisierung der Rechtsstaatlichkeit erfolgt und man die
Gerichtsbarkeit auch aus demokratiepolitischen Gründen nicht allein den
Richtern überlassen kann.
Das glaube ich auch in einem weiteren Punkt, wo wir
ebenfalls keinen Konsens gefunden haben: Sollen die Dreiervorschläge der
Personalsenate für den Justizminister verbindlich werden? Es wurde kein Fall
genannt, wo der Minister sich über den Dreiervorschlag hinweggesetzt hätte.
Wozu Veränderung? Ich sehe auch hier in einem ausgewogenen Zusammenwirken die
beste, das ist die derzeitige Lösung. Der Personalsenat macht vernünftige
Vorschläge, weil sonst der Minister abweichen würde und der Minister weicht
nicht ab, weil die Vorschläge dann vernünftig sind. Der Minister ist wesentlich
besser kontrollierbar, durch Parlament, durch Medienschelte, durch
Wählerschelte. Eine Richtergruppe unterliegt nicht dieser Kontrolle.
Noch einmal berufe ich mich auf André Gide. Er lässt
Prometheus sagen: „Erster Punkt: man muss einen Adler haben. Zweiter Punkt: wir
haben übrigens alle einen.“ Jetzt füge ich einen dritten Punkt hinzu. Man
könnte sagen, alle, die im Konvent ehrlich und bemüht und engagiert gearbeitet
haben, haben einen Adler, wenn die Politik aus ihrer Arbeit nichts macht. Ich
sage bewusst nicht auf wienerisch einen Vogel. Man könnte Pessimist sein und
formulieren, dass es ein Märchen ist zu sagen, im Duell der Meinungen siegen
die besseren Argumente. Das bessere Argument hat noch kein Gefecht bestanden,
wo es gegen ein Interesse angetreten ist. Ich glaube, das wäre zu
pessimistisch. Ich bin Optimist und der Ausschuss 9 war optimistisch freudig
bei der Arbeit. Er hofft und glaubt an ein Ergebnis. Ich glaube deshalb, dass
es durchaus möglich ist, zu einem guten Ergebnis zu gelangen. Ich wünsche
allen, die an den Endarbeiten des Konvents mitarbeiten, ein gutes Gelingen und
danke allen, die dazu beitragen. Herzlichen Dank!
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals für diese Berichterstattung. Wir treten
nunmehr in die Diskussion dieses Berichtes über das Ergänzungsmandat des
Ausschusses ein. Mir liegen drei Wortmeldungen vor und als Erstem erteile ich
Dr. Schnizer das Wort. Bist aber gemeldet. Verzichtest du? Gut. Dann als
Nächster Präsident Jabloner.
Dr. Clemens Jabloner: Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Ich möchte zunächst dem Vorsitzenden des Ausschusses, Herrn
Universitätsprofessor Dr. Herbert Haller, herzlich danken. Unsere
vergleichsweisen sachhaltigen Ergebnisse sind vor allem sein Verdienst.
Scheinbar technische Fragen des Rechtschutzes haben wir leidenschaftlich
diskutiert, was ich als ein gutes Zeichen nehme. Der erzielte Konsens über die
Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Stufe sollte nicht verloren gehen. Wie schon
ausgeführt, wurde manches uneinheitlich gesehen, so insbesondere, ob die
Urteile des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes beim
Verfassungsgerichtshof anfechtbar sein sollen. Aus meiner Sicht sprechen gegen
diese Urteilsbeschwerde, bisweilen auch Verfassungsbeschwerde genannt, vor
allem die folgenden Argumente:
Erstens. Bei jeder Reform des Rechtsschutzes sind der
mögliche Mehrgewinn an Gerechtigkeit und die Effektivität des Systems
gegeneinander abzuwägen. Auch wenn die Beschwerde an den VfGH etwa gegen ein
zivilgerichtliches Urteil in seltenen Fällen einer Partei zum Sieg verhilft,
die ansonsten erfolglos geblieben wäre, so steht dem gegenüber, dass viele, die
ihr Recht schon gewonnen hätten, eine erhebliche Zeiteinbuße in Kauf nehmen
müssen. Letztlich ist das ein Grenzkosten- und Grenznutzenproblem.
Zweitens. Die Verfassungsbeschwerde hätte dann einen
gewissen Sinn, wenn es gelänge, sie auf spezifische Fragen des
Verfassungsrechts zu beschränken. Die Erfahrungen mit diesem Instrument in
Deutschland, das ist eines der wenigen Länder, wo es die Verfassungsbeschwerde
gibt, zeigen, dass eine solche Beschränkung nicht möglich ist. Über kurz oder
lang wird die Auslegung des einfachen Gesetzesrechts - Aufgabe der anderen
Höchstgerichte - durch die unmittelbare Berufung auf die Verfassung überlagert,
das parlamentarisch erzeugte Gesetz verliert an Bedeutung. Das wären dann
Rechtszustände wie in Deutschland, wo man die Verfassungsbeschwerde nur deshalb
nicht abschafft, weil sie eben schon so lange eingeführt ist.
Drittens. Auch glaube ich nicht, dass die allgemein
begrüßten sozialen Grundrechte nur dann effektiv sein können, wenn man die
Beschwerde an den VfGH einführt. Viel leichter ließe sich dies durch eine
angeordnete Drittwirkung bewältigen, wie im Datenschutzgesetz. Für den
zugegeben heiklen Strafrechtsbereich könnte man eine Erweiterung der
Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof ins Auge fassen,
Textvorschläge existieren bereits. Meines Erachtens sollte man die
Bundesverfassung systematisch fortentwickeln und sich nicht auf abenteuerliche
Konstruktionen einlassen.
Aber in denselben Zusammenhang gehören auch
verfassungspolitische Pläne zur Umgestaltung der Rechtskontrolle im Asylwesen.
Ich muss sie deshalb hier erwähnen, weil sie mit den Ergebnissen des
Ausschusses 9 im Widerspruch stehen und dessen Arbeit entwerten. Der Konvent
schwebt ja nicht, wie es Herr Präsident Khol gerade ähnlich gesagt hat, in
einem politikfernen Äther. Der Ausschuss 9 fasst die Umwandlung des UBAS in ein
Bundesverwaltungsgericht erster Instanz ins Auge, mit im Wesentlichen
identischer Besetzung. Die Rechtskontrolle durch den VwGH bliebe bestehen. Den
VwGH auszuschalten würde einen merklichen Verlust von Rechtsschutz bedeuten.
Das Verhältnis zwischen dem UBAS und dem VwGH hat sich in den letzten Jahren
recht gut eingespielt, aber noch immer wird in rund einem Viertel der jährlich
etwa Tausend an den VwGH herangetragenen Asylfällen der Bescheid aufgehoben,
und in diesen Fällen geht es eben um die Existenz ganz konkreter Menschen.
Auch einem von anderer Seite ins Spiel gebrachten Vorschlag
kann ich nichts abgewinnen, nämlich die Auflassung des UBAS und die Verteilung
der Asylmaterien auf die UVS. Hier hätte man es dann mit ganz ungeschulten
Beamten zu tun und es würde eher wieder zu einer Verfahrensverlängerung kommen,
unbeschadet sonstiger Fragen wie die der Kostentragung. Wenn man die
Verhältnisse verbessern will, so wäre meiner Meinung nach auf der untersten
Ebene, das heißt bei der personellen und sachlichen Ausstattung des
Bundesasylamtes zu investieren.
Das Gesagte gilt auch für andere Vorstellungen wie den
Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden an den VwGH, etc.
Insgesamt gilt auch hier, dass man ein Mittelmaß anstreben soll. Die Abschaffung
des Verwaltungsgerichtshofes kommt mir ebenso wenig sinnvoll vor wie die
Bekämpfbarkeit seiner Urteile vor dem Verfassungsgerichtshof und damit
tatsächlich die Einführung einer vierten Instanz. Danke.
Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents
Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals. Als Letzter in der Diskussion Präsident
Rzeszut.
Dr. Johann Rzeszut: Danke, Herr Vorsitzender, für die Worterteilung.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Es ist durchaus angemessen, dass der Vertreter der
Ordentlichen Gerichtsbarkeit zum Schluss spricht. Die Ordentliche
Gerichtsbarkeit soll sich im Hintergrund halten. Am besten wäre eine
Gesellschaft, die es gar nicht notwendig hat, zu bemerken, dass es eine
Gerichtsbarkeit gibt, am zweitbesten eine solche, die Gerichtsbarkeit zwar
braucht und in Anspruch nimmt, aber dabei das Gefühl hat, dass dort die Arbeit
ordentlich erledigt wird.
Ich möchte gleichfalls, obwohl die Zeit kurz ist, die
Gelegenheit nicht versäumen, dem Herrn Vorsitzenden und auch der
Ausschussbetreuung Herrn Dr. Schernthanner herzlich für die vorbildliche
Ausschussführung bzw. -unterstützung zu danken.
Was die Arbeit im Ausschuss ausgezeichnet hat, das war das
sinnfällige Bemühen um vernünftige Ergebnisse. Es ist nichts anderes wichtiger,
als dass wir jenen Verantwortungsbereich in vernünftigen Rahmenbedingungen
wissen, der viele Gebiete des gesellschaftlichen Lebens abzudecken hat. Ich
brauche Ihnen nicht das System des bürgerlichen Rechtes aufzuzählen, was da
alles an wesentlichen Rechtsinteressen darunter fällt, und ich brauche auch
nicht den Umstand zu unterstreichen, dass vor allem der Strafrechtsbereich
viele Aspekte betrifft, die die Menschen sehr interessieren und die an die
Grundfesten eines geordneten Zusammenlebens gehen.
Wir haben im Ausschuss eine ganze Reihe von Sachthemen
berührt, die auch die ordentliche Gerichtsbarkeit ganz entscheidend betreffen.
Das waren etwa der Unabhängige Justizsenat, die Sprengelrichterfrage, die
amtswegige Fristsetzung als Leistungsgarantieelement der ordentlichen
Gerichtsbarkeit, alle Fragen, die die Staatsanwaltschaft betroffen haben, die
Laiengerichtsbarkeit, Gesetzesbeschwerde im Verhältnis zur
Verfassungsbeschwerde und dann letztlich auch noch die Staatshaftung.
Es ist klar, dass ich in den wenigen Minuten, die mir zur
Verfügung stehen, angesichts des größten Feindes aller Redner, der kleinen
roten Lampe hier - noch dazu in der Vorkrampuszeit mit akzentuierter Bedeutung
- nicht auf alles eingehen kann, aber ich möchte doch einiges kurz hervorheben:
Bei dem Anliegen Unabhängiger Justizsenat ist ein Teil der Initiative auch von
mir bzw. dem Obersten Gerichtshof ausgegangen. Es ist nicht ein vordergründiges
Streben nach formell dominierter administrativer Eigenständigkeit der
Rechtsprechung, die glaubt, hier möglichst viel allein aus eigenem Gutdünken
verwirklichen zu müssen. Es ist tatsächlich die Bemühung, und das war besonders
aus der Sicht des Obersten Gerichtshofes initiiert, dass wir Unterstützung
anbieten wollen für einen Verantwortungsbereich, von dem wir das Gefühl haben,
dass er sich im gesamten Zusammenhang der staatlichen Verantwortung nicht aller
verfügbaren Mittel und Argumente bedient oder bedienen kann, um den Stellenwert
der Gerichtsbarkeit entsprechend - sprich bei den Budgetverhandlungen - zum
Durchbruch zu verhelfen.
Es gibt eine ganze Fülle von Sachargumenten und
Teilaspekten, die in den Verhandlungen untergehen, sonst wäre es undenkbar,
dass das Resultat, das ich schon bei früheren Wortmeldungen aus der Sicht des
OGH dargelegt habe, und Ihnen jetzt in einer neuerlichen Konkretisierung
ersparen will, so eine Schieflage bedeutet, wie sie in Österreich doch der Fall
ist. Hier muss man, wenn man diesen Ist-Zustand als Befund aufgenommen hat,
reagieren. Und wir wollen nichts anderes, als im Vorfeldbereich der budgetären
Meinungsbildung gehört zu werden, um unsere Bedarfssegmente, die tatsächlich
unterzugehen scheinen, im Resultat jedenfalls nicht vorzufinden sind, im
gebotenen Detail ansprechen zu können. Das ist der einzige Grund für die vom
Obersten Gerichtshof wegen seiner administrativen Begleitstruktur (von bloß ca.
einem Drittel des üblichen Standards im inner- und zwischenstaatlichen
Vergleich der Höchstgerichte) entfalteten Initiativen. Wie man die angestrebte
Mitbestimmung organisiert, ist sekundär bedeutsam. Ich glaube, wir sind auf dem
richtigen Weg und haben auch mit dem Bundesministerium für Justiz eine gute
Basis gefunden, hier entsprechende Änderungen in der Zukunft sicherzustellen.
Die Organisationsvorschläge liegen am Tisch. Sie haben das alles lesen können.
Das ist der eine Bereich. Bitte, das so zu sehen: es ist ein Sachanliegen der
Judikative, hier mit eigenen Worten und aus eigener (Detail-)Sicht,
unterstützend in die verantwortliche Administration eingreifen zu können und
ihr zu helfen.
Ein zweiter Punkt: Zur Urteilsbeschwerde beziehungsweise
Gesetzesbeschwerde und zur Problematik der Verfassungsbeschwerde darf ich mich
voll dem anschließen, was Herr Präsident Prof. Dr. Jabloner gesagt hat. Die
Hauptargumente für die so genannte Verfassungsbeschwerde sind: überlange
Verfahrensdauer im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, man brauche
dagegen Abhilfe; überlange Untersuchungshaft, man brauche dagegen Abhilfe, und
ferner drittens: aus der Sicht der Einführung sozialer Grundrechte, man brauche
effiziente Abhilfe, denn in der ordentlichen Gerichtsbarkeit drohe hier eine
entsprechende Unterrepräsentation dieser Anliegen als Resultat. Dies wird
selbstverständlich alles gehört!
Es versteht sich von selbst, dass jedes einzelne Verfahren,
das länger dauert, ein langes Verfahren zu viel ist und einen Schlagschatten
auf die Akzeptanz der Gerichtsbarkeit wirft, der untunlich ist. Wir unternehmen
in unserem Bereich alles Menschenmögliche, und es werden auch laufend
Verbesserungen erzielt. Aus der Sicht der Verfassungsbeschwerde wäre allerdings
zu bedenken, dass - wie bereits erwähnt wurde - bei einem Zivilverfahren zum
Beispiel, sofern eine Vorabentscheidung aktuell war, schon vier Instanzen Platz
greifen. Dann soll nachträglich noch einmal ein Rechtsmittel einsetzen, das
dazu führt, dass bestenfalls wieder im Anfangsstadium begonnen werden soll,
während andernfalls der (bestätigte) Sieger mit der Umsetzung seines Erfolges
eine Verzögerung von etwa eineinhalb Jahren in Kauf zu nehmen hätte. Das kann
nicht sachdienlich sein.
Was im Strafrechtsbereich die Länge der Untersuchungshaft
anlangt, so ist festzuhalten, dass hier ein Beurteilungskomplex mit
„Journaldienstqualität“ vorliegt, die geleistet werden muss. Damit sind
Implikationen verbunden, die vor allem auf der Tatsachenebene liegen. Da kann
man in allgemein gehaltenen Prinzipaussagen schwer dazu Stellung nehmen. Man muss immer den Einzelfall in allen
Facetten kennen, um den Vorwurf berechtigt erheben zu können, hier hat etwas zu
lange gedauert. Das ist der dazu entscheidende Punkt, weniger grundsätzlich zu
lösende Rechtsfragen.
Und was die Durchsetzbarkeit der sozialen Grundrechte
anlangt, da muss ich schon sagen, dass man sich die Mühe machen und
oberstgerichtliche Zivilentscheidungen genau in ihrer Begründung prüfen soll.
Ich selbst habe beispielsweise eine nicht allzu lange zurückliegende
Entscheidung zur Problematik elektronischer Telefonregistrierung im Hinterkopf,
mit allen dazu wesentlichen arbeitsrechtlichen Implikationen. Da sind die
Artikel 5 und 10a Staatsgrundgesetz ausführlich erörtert, da ist Artikel 8
Menschenrechtskonvention erörtert.
Wir geben uns selbstverständlich jede sachlich gebotene
Mühe. Dass dies da und dort in Einzelfällen nicht immer gelingt, ist sicherlich
unzweifelhaft und gegebenenfalls bedauerlich, aber wir sind, glaube ich, auf
einem guten, dem System nach nicht korrekturbedürftigen Weg.
Letztlich bin auch ich auf einem guten Weg, wenn ich mich
jetzt noch herzlich für Ihre Geduld bedanke. Es tut mir Leid, dass ich es noch
nie geschafft habe, hier am Rednerpult rechtzeitig fertig zu werden.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals, Herr Präsident! Als letzter Redner in der
Krampuszeit hat man gewisse Privilegien, die ich selbstverständlich
berücksichtigt habe. Wir sind damit am Ende der Tagesordnung, nur mit Abschluss
der Debatte zum Tagesordnungspunkt 6.
Die Tagesordnung ist damit erledigt.
Ich darf dem Konvent, der in der Zwischenzeit immerhin
schon etwas mehr als 30 Prozent seiner Mitglieder hier umfasst, mitteilen,
dass die nächste Sitzung für 10. Dezember und dann, nach der jetzigen
Terminplanung, die letzte Sitzung am 21. Dezember vorgesehen ist; dass am
10. Dezember zwar parallel eine Nationalratssitzung stattfindet, aber dass
damit gerechnet werden muss, dass es zur Einladung kommt.
Es sind immerhin noch vier Berichte, und zwar endgültige
Berichte, zu beraten. Es sind die Berichte der Ausschüsse 1, 2, 4 und 10 und die würden Tagesordnungspunkte der
Konventsitzung am 10. Dezember sein.
Ich danke vielmals und schließe die
Sitzung.