Österreich-Konvent
16. Sitzung,
Freitag, 10. Dezember 2004
Tagesordnung
1.
Nachträgliche
Wortmeldungen zu den Tagesordnungspunkten der 15. Konventssitzung am 1.
Dezember 2004
2.
Beratung
über den vom Präsidium vorgelegten ergänzenden Bericht des Ausschusses 10
(Finanzverfassung)
3.
Beratung
über den vom Präsidium vorgelegten ergänzenden Bericht des Ausschusses 1
(Staatsaufgaben und Staatsziele)
4.
Beratung
über den vom Präsidium vorgelegten ergänzenden Bericht des Ausschusses 2
(Legistische Strukturfragen)
5.
Beratung
über den vom Präsidium vorgelegten ergänzenden Bericht des Ausschusses 4
(Grundrechtskatalog)
Inhalt
Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler.............................. 2
Gebhard
Halder..................................................................................................... 3
DDr.
Christoph Grabenwarter............................................................................. 4
Bernd
Vögerle........................................................................................................ 5
Dr. Alfred
Finz........................................................................................................ 9
Dr. Peter
Wittmann.............................................................................................. 11
Dr. Günter
Voith................................................................................................... 11
Dipl.-Kfm.
Erich Pramböck................................................................................. 12
Gebhard
Halder................................................................................................... 14
MMag. Dr.
Madeleine Petrovic.......................................................................... 14
Dr. Alfred
Finz...................................................................................................... 16
Dr. Karl
Korinek................................................................................................... 17
Dr.
Johannes Schnizer....................................................................................... 19
MMag. Dr. Madeleine Petrovic.......................................................................... 20
Dr. Bernd-Christian Funk................................................................................... 21
Dr. Bernd-Christian Funk................................................................................... 22
Mag. Sonja
Wehsely............................................................................................ 24
DDr.
Christoph Grabenwarter........................................................................... 25
Dr. Michael
Holoubek......................................................................................... 26
Mag. Anna-Maria Hochhauser............................................................................ 27
Stellvertretende
Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner.. 29
Mag.
Joachim Preiss........................................................................................... 29
Dr. Johann
Rzeszut............................................................................................. 30
DDr. Karl
Lengheimer......................................................................................... 31
Dr.
Johannes Schnizer....................................................................................... 32
Dr. Claudia
Kahr.................................................................................................. 34
Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Meine Damen und Herren! Ich darf die heutige
Sitzung des Österreich-Konvents eröffnen und einleitend Folgendes bekannt
geben:
Wir haben bekanntlich die Sitzung, die für den
29. November 2004 anberaumt war, auf den 1. Dezember verlegt, was dazu
geführt hat, dass eine Reihe von Mitgliedern des Konvents nicht die Möglichkeit
hatte, zu den für den 1. Dezember auf die Tagesordnung gesetzten Punkten
Stellung zu nehmen. Es hat sich darauf hin das Präsidium entschlossen, all
jenen, die diese Möglichkeit nicht wahrnehmen konnten, weil auf Grund der
Verlegung der Sitzung vom 29. November auf den 1. Dezember für sie
terminliche Probleme bestanden haben, die Gelegenheit zu geben, in der heutigen
Sitzung zu jenen Punkten der Tagesordnung reden zu können, die am
1. Dezember, also in der letzten Sitzung des Konvents behandelt wurden.
Diese Tagesordnungspunkte haben die ergänzenden Berichte
der Ausschüsse 3, 5, 6, 7, 8 und 9 betroffen. Es haben sich auch schon einige
Mitglieder des Konvents zu diesen Punkten gemeldet, und ehe wir daher mit den
Beratungen über die ergänzenden Berichte der Ausschüsse 10, 1, 2 und 4
beginnen, darf ich die nachträglichen Wortmeldungen zu den Punkten der
Tagesordnung vom 1. Dezember aufrufen. Es hat sich diesbezüglich Herr
Präsident Halder zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. Soweit ich richtig
informiert bin, haben Sie vor, zum ergänzenden Bericht des Ausschusses 5
zu reden. - Bitte, Herr Präsident.
Gebhard Halder: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Ich bedanke mich für die Möglichkeit. Ich weiß schon, dass
ich das letzte Mal anwesend war und eigentlich nicht das Recht hätte, heute zu
sprechen, aber gestatten Sie es mir trotzdem, weil ich als junges Mitglied des
Konvents - zwar nicht jung an Jahren - den Ablauf der Sitzungen
beobachten wollte. Ich gestatte mir daher, die Gelegenheit zu ergreifen und
nachträglich zum Bericht des Ausschusses 5 Stellung zu nehmen und möchte
dabei Folgendes ansprechen:
Ich glaube, dass der Ruf nach größtmöglicher Einheit - wie
in der letzten Sitzung erkennbar - nicht richtig ist. Es haben zwar
verschiedene Wortmeldungen dies zum Ausdruck gebracht, dass man glaubt,
größtmögliche Einigkeit und Einheitlichkeit im Staat müsste angestrebt werden,
und vor allem wurde betont, dass es vor allem das Interesse der Wirtschaft an
einheitlichen Regelungen ist, und immer wieder wurde das Baurecht zitiert. Es wurden auch einige
Vorschläge im Konvent eingebracht, die Kompetenz der Länder in Bezug auf das
Baurecht eben einzuschränken, sodass nur mehr im Rahmen der Ortsbildgestaltung
die Länder Möglichkeiten hätten, sich über die Dachneigung zu unterhalten, und
das kann es sicher nicht sein.
Ich bestreite gar nicht, dass im Rahmen des Baurechtes zum
Teil ein Bedarf an einer Einheitlichkeit da ist. Da wurden immer wieder die
Stiegenhöhen, die Gelände und Ähnliches angesprochen, aber auch die
Bauprodukte. Deshalb haben sich aber die Länder zu einer Regelung bekannt, und
zum Beispiel die Regelung für Bauprodukte vereinheitlicht. Es gibt eine
gegenseitige Anerkennung der Bauprodukte durch eine gemeinsame Stelle der
Länder in Wien. Ich glaube, dass diese Stelle effizient arbeitet, wenn die
Länder das so wollen, und sie haben das auch bewiesen und das Problem in den
Griff bekommen. Auch bei den bautechnischen Standards, also zum Beispiel bei
der Höhe der Stiegengeländer und der Stufen macht die Einheitlichkeit Sinn, und
deshalb haben sich auch wieder die Landeshauptleute im Rahmen einer
Vereinbarung dazu bekannt, einen Mittelweg zu finden, der eben die sinnvolle
Vereinheitlichung mit sich bringt, aber auch eine notwendige Flexibilisierung
beinhaltet.
Regionale Unterschiede ermöglichen und fördern die
regionale Wertschöpfung. Man glaubt es hier scheinbar nicht, aber trotzdem ist
es so, und ich kann das beweisen. Bei den Verhandlungen hat es sich zwar
gezeigt, dass natürlich auch Lobbys in der Wirtschaft da sind, die nach
strengen Vorschriften rufen, und eben nach einheitlichen strengen Vorschriften
rufen. Das hätte zum Beispiel uns, den Vorarlberger Holzbau, ganz schwer
negativ getroffen. Ein wesentlicher Bestandteil der modernen Vorarlberger
Holzbauarchitektur und die jungen, international anerkannten Holzbauarchitekten
der Vorarlberger Holzbauszene haben sich in den letzten Jahren so gut
entwickelt rund um den Baustoff Holz, um den heimischen Baustoff Holz. Diese
Architektur arbeitet besonders energiesparend und ermöglicht eine regionale
Wertschöpfung, fördert diese geradezu, und fördert auch regionale Kreisläufe,
also die Kreisläufe im nahen Umfeld. Durch die Verwendung dieses Baustoffes
bleibt das Geld in der Region. Und das ist sicher allemal besser, als wenn es
weltweit zirkuliert.
Sogar der Tourismus profitiert davon. In einem Jahr, im
vergangenen Jahr, haben 760 Führungen in der Vorarlberger Architekturlandschaft
stattgefunden und 8500 Nächtigungen sind im Rahmen des Architekturtourismus
jetzt schon zu verzeichnen, und das ist sicher eine Wachstumsbranche.
Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, regional sich gut
zu betätigen, auch die Verfahrensabwicklung kann regional rasch gemacht werden,
wenn man es nur will. Also zu glauben, nur wenn alles bundesweit geregelt ist,
dann gäbe es rasche bürgernahe Verfahren, das glauben wir einfach nicht. Wir
sind vom Gegenteil überzeugt. Wir glauben auch, dass regionale Kompetenz
Kosteneinsparung bringt.
Ein anderes Beispiel ist der Sozialbereich. Wir haben eine
ungeheuer vielfältige Landschaft von ehrenamtlicher Tätigkeit, und wenn wir
diese alle bezahlen müssten, wäre das schier nicht finanzierbar. Und darum
lehnen wir auch hier eine zentralstaatliche Regelung ab, weil wir glauben, dass
die Verantwortung vor Ort besser wahrzunehmen ist und dass letztendlich auch
bessere innovative Produkte entstehen können wie das zum Beispiel beim
Vorarlberger Pflegegeld der Fall war, dass da eben gesamtstaatlich übernommen
wurde und eine regionale Verantwortung entstand. Regionale Lösungen können als
Vorreiterrolle für den Gesamtstaat wirken.
Wir glauben noch einmal abschließend, dass regionale
Verantwortung mehr Innovationskraft bedeutet, mehr Verantwortung, und näher
beim Bürger ist. Und daher unterstützen wir regionale föderale Lösungen und
hoffen, dass natürlich das auch in der Zentrale in Wien gehört wird. Danke
schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Besten Dank, Herr Präsident, für Ihre Wortmeldung. Als
nächster Redner hat sich Herr Professor Grabenwarter gemeldet. Herr Professor,
ich darf Ihnen das Wort erteilen. Ich darf Sie aber auch ersuchen, uns zu
sagen, zu welchem ergänzenden Bericht Sie nachträglich sprechen wollen.
DDr. Christoph Grabenwarter: Ich spreche zum ergänzenden Bericht des
Ausschusses 9 und ich werde mich sehr kurz halten.
Der Ausschuss 9 hat eine Reihe von Ergebnissen erzielt. Sie
wurden im ergänzenden Bericht noch einmal präzisiert. Die Konkretheit hebt sich
da und dort von Ergebnissen anderer Ausschüsse ab. Das wohl konkreteste und
umfassendste Ergebnis ist der Entwurf einer Landesverwaltungsgerichtsbarkeit.
Ich erwähne das heute deswegen noch einmal, weil es sich gleichsam um ein Stück
Verfassungsrecht oder Vorschlag eines Verfassungsrechts handelt, der ohne
weiteres selbständig umgesetzt werden könnte. Der Beweis dafür wurde im Jahr
1988 erbracht. Was man dort als halbe Lösung bei den unabhängigen
Verwaltungssenaten erreicht hat, das könnte man ohne weiteres, wie immer das
politische Umfeld einer Verfassungsreform sonst gestaltet ist, umsetzen. Das
wollte ich zur Landesverwaltungsgerichtsbarkeit sagen.
Der zweite Punkt, der am Ende der Ausschussberatungen von
Teilen des Ausschusses in einen unmittelbaren Konnex gebracht wurde, betrifft
den Rechtsschutz, das Rechtsschutzsystem im Zusammenhang mit der
Verfassungsgerichtsbarkeit, konkret Subsidiarantrag oder Gesetzesbeschwerde
beziehungsweise Urteilsverfassungsbeschwerde. Ich meine, dass die
Verwaltungsgerichtsbarkeit neu mit Landesverwaltungsgerichten mit dem einen wie
mit dem anderen Modell umgesetzt werden kann, und dass kein zwingender Konnex
zwischen einer Urteilsverfassungsbeschwerde oder einem Subsidiarantrag auf der
anderen Seite besteht.
Im Hinblick auf die Konsenssuche im Ausschuss ist
festzuhalten, dass es in dieser Frage
keine Einhelligkeit gab. Die große Mehrheit im Ausschuss hat sich jetzt
doch über Parteigrenzen hinweg für eine Gesetzesbeschwerde ausgesprochen, weil
sie hier, einfach vom heutigen System ausgehend, der nächste Schritt wäre und
auch absehbare Konsequenzen für alle Höchstgerichte hätte, die hier mit
betroffen sind.
Ich wollte das gesagt haben, um diesen Ergebnissen, die in
einer sehr konstruktiven Atmosphäre im Ausschuss 9 gefunden wurden, auch etwas
mehr Öffentlichkeit zu verleihen angesichts der Berichterstattung über die
Konventsarbeit im Übrigen, die in den letzten Tagen ja nicht gerade freundlich
war. Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke auch, Herr Professor, für Ihre Ausführungen und
kann mich dem Lob des Ausschuss 9 nur voll und ganz anschließen.
Es hat sich weiters Herr Professor Öhlinger noch zu diesem
Tagesordnungspunkt zu Wort gemeldet. Er hat mir allerdings gestern Abend schon
angekündigt, es wäre ihm vielleicht nicht möglich, rechtzeitig zu erscheinen.
Er würde dann auf seine Wortmeldung verzichten. Das ist offenkundig der Fall.
Wir müssen ihn daher von der Rednerliste streichen.
Damit sind die nachträglichen Wortmeldungen zu den Punkten
der Tagesordnung vom 1. Dezember 2004 zu Ende, und wir gelangen nunmehr zu
den ergänzenden Berichten jener Ausschüsse, die in der letzten Sitzung des
Konvents nicht behandelt werden konnten. Das sind die ergänzenden Berichte der
Ausschüsse 10, 1, 2 und 4, in dieser Reihenfolge. Ich darf darauf aufmerksam
machen, dass wir bei der Behandlung dieser ergänzenden Berichte die übliche
Vorgangsweise einhalten, das heißt, der Ausschussvorsitzende oder sein
Stellvertreter werden uns ein Referat über die Tätigkeit im Ausschuss
beziehungsweise über den ergänzenden Bericht geben. Dieses Referat ist mit
15 Minuten limitiert. Im Anschluss daran gibt es Wortmeldungen von Seiten
der Mitglieder des Konvents, wobei jede einzelne Wortmeldung fünf Minuten
nicht übersteigen soll.
Ich darf mit dem ergänzenden Bericht des
Ausschusses 10 beginnen und dem stellvertretenden Vorsitzenden dieses
Ausschusses, Herrn Präsident Vögerle, das Wort erteilen. - Bitte sehr.
Bernd Vögerle : Herr Präsident! Sehr
geehrte Damen und Herren des Österreich-Konvents!
Der vorliegende Ergänzungsbericht beruht auf dem Mandat des
Präsidiums vom 16. 6. 2004, wobei als zugewiesene Themen das Haushaltswesen
sowie die Abfassung von Textvorschlägen zur neuen Verfassung zu nennen sind.
Weiters befasste sich der Ausschuss auf Ersuchen des Ausschusses 2 mit der Qualifikation von
Verfassungsbestimmungen im Rahmen der neuen Verfassung, wobei ein Vorschlag von
Professor Ruppe unter Berücksichtigung von Stellungnahmen der Mitglieder den
Beratungen zu Grunde gelegt wurde.
Der Ausschuss hat seine Beratungen nach der Sommerpause
aufgenommen und in vier Sitzungen des Ausschusses und zwei Sitzungen eines
Arbeitskreises die Themen behandelt. Die Präsentation eines Zwischenstandes im
Plenum erfolgte mündlich durch den Vorsitzenden des Ausschusses am 18. 10.
2004. Die vorläufig letzte Sitzung des Ausschusses 10 wurde am 30. 11. 2004
abgehalten, der Ergänzungsbericht wurde den Ausschussmitgliedern am 2. 12. 2004
übermittelt.
Ich darf Ihnen nunmehr zusammenfassend die Ergebnisse der
Ausschussberatungen berichten:
Zum Haushaltswesen: Artikel 51 und folgende
Bundesverfassungsgesetz wurde ein Textvorschlag des Bundesministeriums für
Finanzen beraten. Demnach soll unter anderem für die Budgeterstellung ein
mehrjähriger Ausgabenrahmen mit verbindlichen Obergrenzen, der sich an den
Einnahmen zu orientieren hat, mit Verlängerungsmöglichkeit vorgesehen werden
können. Damit soll die Kompatibilität mit dem EU-Stabilitäts- und Wachstumspakt
sowie die Best Practis-Weise nach OECD-Vorgaben umgesetzt werden.
Im Sinne einer wirkungsorientierten Verwaltung sollen die
Ergebnisse und Ressourcenverantwortung zusammengeführt werden. Im Einzelnen
sind im Vorschlag des Bundesministeriums für Finanzen unter anderem folgende
Maßnahmen enthalten: Beschlussfassung von Doppelbudgets, Reduzierung der
verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Bundesfinanzgesetzes,
Erstellung des Bundesfinanzgesetzes und Haushaltsführung des Bundes sind durch
ein einfaches Bundesgesetz zu regeln, wobei einheitliche Grundsätze
entsprechend einer wirkungsorientierten Verwaltung zu berücksichtigen sind.
Bundesvoranschlag und Rechnungswesen, bisher nach
kameralistischen und in Hinkunft auch nach kaufmännischen Grundsätzen; Anreiz-
und Sanktionsmechanismen sowie Controlling-Instrumente unter Vorgabe und
Überprüfung von messbaren Zielen und Leistungen, Neuregelung des so genannten
Budgetprovisoriums und mehrjährige verbindliche Budgetplanung durch Schaffung
von Ausgabenobergrenze als Schuldenbremse.
Die Länder und Gemeinde wenden sich gegen diesen Vorschlag,
soweit er auch für die Haushaltsführung der Länder und Gemeinden gelten soll.
Die in Artikel 51 Absatz 4 des Vorschlages des Bundesministeriums für Finanzen
enthaltenen Grundsätzen würden die Autonomie der Länder zu weit einschränken
und in die Landesverfassung eingreifen. Ein derartiger Eingriff wird von den Ländern
abgelehnt. Abgesehen davon sind nach Auffassung der Länder, der SPÖ und des
Österreichischen Städtebundes die genannten Grundsätze, insbesondere des
Begriffes wirkungsorientierte Verwaltung, zu unbestimmt und damit die
Auswirkungen nicht abschätzbar. Denkbar wäre es nach Ansicht der Länder und
Gemeinden allenfalls, einheitliche Grundsätze einvernehmlich zwischen Bund,
Ländern und Gemeinden in Form einer Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG
festzulegen.
Vom Österreichischen Städtebund wird zu bedenken gegeben,
dass durch die im Vorschlag des Bundesministeriums für Finanzen enthaltenen
Vorgaben derzeit nicht abschätzbare Umstellungen in der Rechnungsführung zu
erwarten sind. Die konkreten Auswirkungen der Reform müssen daher zuerst
klargelegt werden. Die Grünen sprechen sich dafür aus, dass für alle
Gebietskörperschaften die gleichen Grundsätze für das Haushaltswesen und auch
für Unternehmen einheitliche Vorschriften gelten sollten und befürworten die
vorgesehene Output-Orientierung, die mittelfristige Ausrichtung des Budgets und
die Flexibilität der Bestimmungen. Kritisiert werden die fehlende Transparenz,
die Beseitigung der Grundsätze der Bruttobudgetierung und eine unzureichende
Determinierung, die zu Informationsverlusten und damit zu einer demokratiepolitisch
bedenklichen Situation führen könnte. Hinsichtlich der Gliederung des Budgets
sollte der Grundsatz der qualitativen Spezialität diskutiert werden. Deshalb
wird in diesem Zusammenhang eine Steuerung durch Programmbudgets und operative
Budgets vorgeschlagen.
Zum Textvorschlag des Bundesministeriums für Finanzen wird
auch die Auffassung vorgebracht, dass es notwendig ist, die Position des
Parlaments in zweifacher Hinsicht zu stärken. Der Einjährigkeit des Budgets
sollte Vorrang eingeräumt werden und die Möglichkeit, ohne Budgetbeschluss auf
der Basis des Vorjahrsbudgets den Haushalt weiter zu führen, sollte zeitlich
begrenzt werden. Der Vollständigkeit halber wird auf die Beratungen des
Ausschusses 6 hingewiesen, wo die Etablierung eines Wirtschaftlichkeits-
beziehungsweise Effizienzgebotes angeregt wurde, das die derzeit geltenden
Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit um jene der
Effektivität ergänzen sollte.
Im Ausschuss wurde zunächst folgender Textvorschlag als
Ergänzung zum Vorschlag von Artikel 13 Absatz 2 eingebracht: Bund, Länder und
Gemeinden haben bei ihrer Haushaltsführung die Grundsätze des Gender Budgeting
zu berücksichtigen Dieser
Vorschlag wird als unzureichend abgewiesen. Der Ausschuss einigte sich in der
Debatte zum Gender Budgeting auf den Begriff „tatsächliche Gleichstellung von
Frauen und Männern“, weiters soll der Textvorschlag sowohl die Erstellung als
auch den Vollzug der Haushalte betreffen.
Es wurde ein weiterer Textvorschlag zu diesem Artikel
eingebracht, und zwar vom Österreichischen Städtebund, der wie folgt lautet:
Bund, Länder und Gemeinden haben bei der Erstellung und beim Vollzug der
Haushalte die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern anzustreben.
Dieser Textvorschlag findet teilweise die Zustimmung. Die Grünen bleiben bei
den ursprünglichen Textvorschlägen. Die Länder halten die vorgeschlagene
Regelung für den Bereich des Haushaltswesens für entbehrlich, da die
Gleichstellung von Frauen und Männern derzeit im Artikel 7 B-VG beziehungsweise
in den entsprechenden Vorschlägen des Konvents ausreichend zu berücksichtigen
sind.
Der Ausschuss vertritt einhellig die Auffassung, dass
Artikel 13 Absatz 1 B-VG entfallen könnte, falls die Regelungen auf dem Gebiet
des Abgabenwesens, die derzeit im Finanzverfassungsgesetz 48 geregelt sind, in
die neue Verfassung inkorporiert werden.
Der Ausschuss war bestrebt, auf der Grundlage der
bisherigen Beratungen - die Ausführungen sind im Bericht vom 15. Juli 2004
dargestellt - einen einheitlichen Vorschlag für die Vorhaben der
wirtschaftspolitischen Zielsetzungen im Rahmen der finanzverfassungsrechtlichen
Bestimmungen zu finden. Die unterschiedlichen Standpunkte konnten jedoch nicht
zusammengeführt werden.
Dem Textvorschlag des Bundesministeriums für Finanzen
stehen ein Kompromissvorschlag der Länder sowie die Vorschläge der Grünen und
von Präsident Verzetnitsch gegenüber. Nachdem es in den Diskussionen keinerlei
Zustimmung zu einem Kompromiss gegeben hat, kommt der Ausschuss überein, an den
vier Textvarianten zur Neufassung des Artikel 13 Absatz 2 B-VG festzuhalten.
Der Bund unterstützt ausschließlich den so genannten
„Maier-Vorschlag“. Es soll das derzeit in Artikel 13 B-VG bestehende Gebot
eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durch das Prinzip eines
ausgeglichenen Haushalts ersetzt werden. Demnach haben Bund, Länder und
Gemeinden einen ausgeglichenen Haushalt über einen Konjunkturzyklus
sicherzustellen. Der Bund regelt die näheren Verpflichtungen beziehungsweise
die Aufgaben zur Umsetzung des Ziels. Die nötigen Daten sind zur
Haushaltskoordinierung bereitzustellen.
Letztlich sollen Sanktionen möglich sein, wenn die Vorgaben
nicht erfüllt werden. Der Grundsatz eines ausgeglichenen Haushalts sollte
jedenfalls in der Verfassung verankert werden. Dieses Bekenntnis müsse auf
Dauer in der Verfassung gesichert sein. Dieser Vorschlag wurde vor allem von
den Ländern und Gemeinden, aber auch von der SPÖ und den Grünen nicht
befürwortet, da die Festlegung der konkreten Ausgestaltung einvernehmlich für
die Gebietskörperschaften und nicht nur für den Bundesgesetzgeber allein
erfolgen sollte.
Mit dem Kompromissvorschlag der Länder wird zwar das Ziel
eines ausgeglichenen öffentlichen Haushalts gemäß den Regeln des ESVG 95 über
einen Konjunkturzyklus berücksichtigt, die Festlegung der konkreten
Ausgestaltung solle jedoch einvernehmlich zwischen den Körperschaften und nicht
durch den Bundesgesetzgeber allein erfolgen. Gegen diesen Kompromissvorschlag
wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass das vorgegebene Ziel des gesamtwirtschaftlichen
Gleichgewichts nach Maßgabe von EU-Vorgaben allein zu eng sei und weitergehende
Ziele vorgesehen werden sollten.
Mit dem Textvorschlag könnte möglicherweise das Ziel des
gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht umgesetzt werden. Der Vorschlag der
Grünen, der von der SPÖ und dem Österreichischen Städtebund unterstützt wird,
hebt die Bedeutung der öffentlichen Haushalte als Instrument zur Erreichung
eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und zur tatsächlichen
Gleichstellung von Frauen und Männern hervor. Die Verpflichtung zur Beachtung
des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts sollte so umgesetzt werden, dass
wirtschafts- und gesellschaftspolitische Parameter wie wirtschaftliche
Entwicklung, Teilnahme am Erwerbsleben, Stabilität des Preisniveaus, sozialer
Ausgleich und Umweltschutz in einem ausgewogenen Verhältnis berücksichtigt
werden.
Der Vorschlag wurde im Wesentlichen von einigen Mitgliedern
wegen unklarer Vorgaben für eine stabilitätsorientierte Haushaltsführung nicht
befürwortet. Der Bund bemängelt das Fehlen des Zieles des ausgeglichenen
Haushalts über den Konjunkturzyklus. Vor allem die „golden rule“, wonach eine
Neuverschuldung bis zum Ausmaß der öffentlichen Investitionen zulässig sein
sollte, wurde als unpraktikabel angesehen.
Zum Vorschlag von Präsident Verzetnitsch aus dem Ausschuss
1 konnte keine Zustimmung erzielt werden, vor allem, da die Rahmenbedingungen
für die Umsetzung beziehungsweise Vorgaben für die Finanzpolitik als zu wenig
bestimmt angesehen wurden. Der Bund bemängelte überdies das Fehlen des Zieles
des ausgeglichenen Haushaltes über den Konjunkturzyklus.
Zum Stabilitätspakt. Die Gestaltung desselben ist abhängig
davon, wie das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht geregelt wird. Nach dem
Vorschlag des Bundesministeriums für Finanzen wäre eine nähere Regelung nicht
mehr nötig, da der Rahmen vorgegeben ist. Auf die Ausführung des Berichts vom
15. Juli 2004 wird daher verwiesen. Es wurden zwei Textvorschläge vom Bund und
vom Österreichischen Städtebund, der von den Ländern, den Gemeinden und
teilweise von den Grünen unterstützt wird, eingebracht. Konsens konnte nicht
erzielt werden.
Im Vorschlag des Städtebundes sind detaillierte Regelungen
insbesondere hinsichtlich der Informationspflicht und der Darstellung der finanziellen
Auswirkungen vom Vorhaben enthalten. Weiters werden die im Vorschlag des Bundes
vorgesehenen Ausnahmen hinsichtlich Gemeinschaftsrecht und Abgabenwesen nicht
aufgenommen.
Aus Sicht des Bundesministeriums für Finanzen sind
Bestimmungen über den Stabilitätspakt und den Konsultationsmechanismus
untrennbar miteinander verbunden. Länder, Städte und Gemeinden sprechen sich
gegen dieses Junktim aus.
Der Ausschuss setzte sich zum Ziel, eine Systematisierung
und Neugestaltung der Finanzverfassung umzusetzen. Dazu wurde vom
Bundesministerium für Finanzen und Univ. Prof. DDr. Hans Georg Rupner ein
Textvorschlag erstellt. Anhand dieses Vorschlages wurden in einem Arbeitskreis,
der am 9.11. und am 12.11.2004 tagte, die noch offenen Punkte diskutiert und Textvorschläge
zu den einzelnen Themen ergänzt.
Zu den einzelnen Bestimmungen liegen nunmehr alternative
Formulierungen vor, die Textvorschläge zur Neugestaltung der
finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen beinhalten. Das Ergebnis kann
zusammenfassend als abgerundeter Vorschlag unter Berücksichtigung von
Alternativen bezeichnet werden und ist im Zusammenhang mit Regelungen zum
gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht Stabilitätspakt, Konzentrationsmechanismus
und Haushaltswesen zu sehen.
Zu den einzelnen Themen wäre deshalb folgendes
Beratungsergebnis festzuhalten: Zum Themenkreis „Zusammenführung von Ausgaben-
und Einnahmenverantwortung“ gibt es weiterhin divergente Vorstellungen vom
Bundesministerium für Finanzen, von den Ländern, dem Städte- und Gemeindebund
und den Grünen.
Die Forderung der Länder, Städte und Gemeinde auf
paritätische Einbeziehung fand keine Zustimmung des Bundesministeriums für
Finanzen. Beim Abgabenwesen gab es die Einigung, „Abgaben von dem selben
Besteuerungsgegenstand“ nicht mehr vorzusehen. Bei den Transfers wurde
grundsätzlich eine Einigung dahin gehend erzielt, dass diese der Feinsteuerung
dienen sollen, wobei von den Grünen ein umfangreicher Alternativvorschlag
eingebracht wurde. Alle Textvorschläge konnten Sie dem Bericht und auch den
sehr übersichtlich gestalteten Anlagen entnehmen und sie sind eine wertvolle
Grundlage für die weiteren Beratungen.
Damit komme ich zum Abschluss und möchte gerne ein Resümee
ziehen. Erstens: Die Ausschussarbeit spiegelt ein breites Meinungsspektrum mit
Konsens und Dissens in den behandelten Fragen, die vom Ausschuss eingehend
diskutiert wurden, wider. Zweitens: Die Ergebnisse der Ausschussarbeit stellen
aus meiner Sicht eine gute Basis für weitere Verhandlungen dar.
Am Ende meiner Ausführungen danke ich vor allem den
Mitgliedern des Ausschusses und deren Vertreterinnen und Vertretern für die
überaus konstruktive Arbeit in diesem Ausschuss. Mein Dank gilt ebenso den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Konventsbüros und den Experten und allen,
die positiv an den Ausschussberatungen und an der Erstellung des Berichtes
mitgewirkt haben. Ihnen, sehr geschätzte Damen und Herren des Konventes, danke
ich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke auch, einerseits für die
Ausführungen, andererseits für die im Ausschuss 10 geleistete Arbeit und
den erstellten Bericht, den wir von diesem Ausschuss bekommen haben und der
nunmehr in Diskussion steht.
Als erster Diskussionsredner hat sich Herr Staatssekretär
Dr. Finz zu Wort gemeldet. - Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. Alfred Finz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Konvents!
Wie der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses 10
gerade dargestellt hat, sieht das Finanzministerium Handlungsbedarf,
Reformbedarf, nicht nur bei der Finanzverfassung, sondern auch bei den in der
Bundesverfassung geltenden Haushaltsregelungen über die Haushaltsführung des
Bundes. Die Finanzverfassung berücksichtigt nicht die sich aus dem europäischen
Stabilitätspakt und Wachstumspakt ergebenden Verpflichtungen zur
innerstaatlichen Haushaltskoordinierung und Haushaltsdisziplin. Wenn wir auch
jetzt im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen einen Stabilitätspakt mit
unseren Gebietskörperschaften - Bund, Länder, Gemeinden - zustande gebracht
haben, so ist das eine Regelung auf einfachgesetzlicher Basis, die nur für die
Periode des Finanzausgleichs gilt.
Wir benötigen aber eine dauerhafte
Regelung. Wie eine derartige Reglung aussehen könnte, wurde zum Beispiel von
Herrn Prof. Mayer erarbeitet und diesem Vorschlag haben wir uns
angeschlossen. Dieser Vorschlag hat im Wesentlichen folgenden Inhalt: Die
Verpflichtung von Bund, Länder und Gemeinden zu einem ausgeglichenen Haushalt
über den Konjunkturzyklus und, das beinhaltet natürlich auch eine Verpflichtung
zur Haushaltskoordinierung, sowie die entsprechende Datenbereitstellung. Der
einfache Gesetzgeber könnte dann weitere Details regeln, insbesondere in
welcher Form die Informationspflichten zum Beispiel zu erfüllen sind.
Zum Haushaltsrecht: In der
Bundesverfassung sind wichtige Grundsätze des Haushaltsrechtes geregelt, es
sind schon sehr alte Bestimmungen. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist nämlich,
diese Regelungen zu ändern und zwar: Wir brauchen heute eine
wirkungsorientierte Verwaltung. Was heißt das? Derzeit wird die Verwaltung nur
über den so genannten Input gesteuert, also wie viel Personal habe ich, wie
viel gebe ich für Förderungen aus? Es ist aber im Haushalt keinerlei Aussage
darüber, welche Produkte, welche Leistungen erbracht werden. Die Schweden haben
schon vor Jahrzehnten das so genannte programmorientierte Budget empfohlen.
Also, das bestimmte Programme, welche Leistungen die öffentliche Hand erbringt,
und welche Mitteln dafür notwendig sind, welcher Ressourceneinsatz soll in
einem Wirkungszusammenhang stehen.
Es gehört also die Verknüpfung der
Budgetmittel mit bestimmten Leistungen. Dafür würde sich als Ausgleich die
Autonomie der Verwaltung vergrößern: Einführung vom so genannten Globalbudget.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Zusammenführung von Ergebnis- und
Ressourcenverantwortung, Schaffung entsprechender Anreiz- und
Sanktionsmechanismen, weil sonst hätte das keinen Sinn, wenn ich die Regeln
nicht einhalte und dann würde nichts geschehen. Natürlich sollte eine derartige
Verpflichtung nicht nur für den Bund gelten. Selbstverständlich auch für die
Länder und Gemeinden. Außerdem könnte man im Haushaltsrecht Vereinfachungen
vornehmen, es könnte dem einfachen Gesetzgeber überlassen werden, ob er andere
Budgettechniken und Buchhaltungstechniken anwendet. Das derzeitige System sieht
ja in der Bundesverfassung eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung vor, die ja
überhaupt nicht mehr der Praxis entspricht. Wir haben seit den 60er-Jahren
parallel dazu eine kaufmännische Buchführung, wir führen jetzt mit
1. Jänner eine Kostenrechnung ein für Bundesministerien, also es hat sich
ja das Rechnungswesen wesentlich weiter entwickelt und man könnte dafür eine
einfache Einnahmen- und Ausgabenrechnung aufgeben. Außerdem sollte mehr
Flexibilität gegeben sein, wie ich Budgets erstelle, für welchen Zeitraum zum
Beispiel, dass ich auch Doppelbudgets erstellen kann.
Wichtig ist dann weiter für uns eine
Zusammenführung von Aufgaben, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung, weil das
würde dem föderalistischen System entsprechen, das nicht nur einer - der Bund -
quasi zu 90 Prozent die Einnahmen erbringt und die anderen alle nur dafür
die Ausgaben tätigen.
Nachdem die rote Lampe brennt, werde
ich meine Ausführungen beenden. Danke schön.
Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke,
Herr Staatssekretär, aber Sie hätten noch 33 Sekunden gehabt. Die nächste
Wortmeldung steht bei Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann. - Bitte sehr.
Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich will diese Wortmeldung nicht nur
auf den Ausschuss 10 ausrichten und nicht nur auf die Inhalte, die im
Ausschuss 10 behandelt wurden, weil ich glaube, dass die Arbeit, die
bisher geleistet wurde, in all
diesen Ausschüssen hervorragend abgelaufen ist und eigentlich alle
Reformvorschläge gegenübergestellt sind, alle Konsenspunkte, alle Dissenspunkte
hier ausführlich berichtet wurden und wir hier vor der Fertigstellung des
Berichtes des Konvents und sozusagen der Endaufgabe dieses Konvents stehen. Ich erwarte mir einen sehr
detaillierten Bericht mit vielen Vorschlägen, die aber letztendlich einer
politischen Beschlussfassung obliegen, und natürlich auch noch in politische
Verhandlungen einfließen müssen, und dann letztendlich einen Grundkonsens zu
erzielen.
Meine Damen und Herren! Es geht wohl nicht an, dass man
hier Konsens einfordert und zum selben Zeitpunkt zwei Räume weiter in einem
Demokratieabbau mit einfachgesetzlichen Regelungen Wahlergebnisse umdreht. Das
ist wohl eine Gefährdung der Grundlage, einer konsensbereiten Opposition auch
die Möglichkeit zu geben, hier ohne weitere Belastung des Grundkonsenses zu
arbeiten. Was passiert da drüben? Da drüben sind Direktwahlen der ÖH mit einer
einfachgesetzlichen Bestimmung umgedreht worden, sodass die Vertretung von
einem Wahlergebnis tatsächlich in das Gegenteil verkehrt wird. Das ist wohl
demokratiepolitisch äußerst undienlich und der Arbeit dieses Konvents nicht
zweckdienlich.
Gleichzeitig wird eine Regelung des Hauptverbandes
beschlossen, wo die Vertretung von 3,6 Millionen Arbeitnehmern
gleichgestellt wird mit der Vertretung der Notariatskammer, die
800 Personen vertritt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns so viel
Mühe gegeben, diese Probleme einer labilen Machtverteilung hier im Konvent
aufzuarbeiten, und das wird in einer Art und Weise jetzt über den Haufen
geworfen, dass man zum selben Zeitpunkt -wo man in der Endphase einer wirklich
vernünftigen Arbeit darauf angewiesen ist, dass man hier auch Konsens finden
kann - beginnt, hier mit demokratiepolitischen Amokläufen eine Arbeit zu
gefährden, die sehr, sehr viel Grundverständnis gebracht hat und letztendlich
auch die Möglichkeit bietet, hier eine neue Verfassung zu schmieden. Aber
letztendlich ist es eine politische Frage, ob dieser Konsens auch herstellbar
ist. Es kann wohl nicht sein, wenn man auf der einen Seite nur drüber fährt
über die Opposition, ohne irgendeine Möglichkeit zu geben, sich einzubringen,
beziehungsweise auch die gegenteilige Meinung einfließen zu lassen und
gleichzeitig im anderen Zimmer verlangt man den „Kuschelkurs“ von uns. Das kann
nur schwer zusammenpassen und ich sehe den Grundkonsens, der hier gegeben ist
und nach wie vor von unserer Seite auch eingebracht werden wird, durch
derartige Regelungen, wie sie derzeit genau zum selben Zeitpunkt, zwei Zimmer
weiter, beschlossen werden, schwerstens gefährdet. Und ich glaube, dass hier
wieder vertrauensbildende Maßnahmen Platz greifen müssen und derartige Regelungen
auch zurückgenommen werden müssen, wenn man ernsthaft an einem Konsens mit uns
interessiert ist.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke sehr, Herr Abgeordneter. Nächster Redner ist Herr
Dr. Voith. - Bitte sehr.
Dr. Günter Voith: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Es ist schon sehr viel diskutiert worden im Konvent, in den
Ausschüssen. Ich möchte sagen, es ist durch die einzelnen, politischen
Interessen auch schon sehr viel totdiskutiert worden. Ich will mich nur zu
einem Punkt, zum Ausschuss-10-Bericht äußern, den wir allerdings, wir als
Industrie, für einen der wichtigsten, einen zentralen halten. Der Konvent hat
bisher nur sehr zaghaft angefasst die Frage: Reform der Kameralistik, die
generellere Einführung betriebswirtschaftlicher Kostenrechnung, Controlling,
Globalbudgetierung (bisschen mehr), mehrjährige Budgetplanung, auch moderneres
Personalmanagement und ein bisschen Zusammenführung, ein bisschen von Aufgaben- und
Ausgabenverantwortung.
Dabei ist das in unseren Augen von ganz zentraler Bedeutung
für die zukünftig effizientere Verwendung der Steuergelder, auch für die
Handlungsfähigkeit der Regierung, und auch zu einer gewissen Verbesserung des
chaotischen Transferzustandes. Der Schlüssel ist natürlich, wie schon gesagt
wurde, die Veränderung, einige Veränderungen im Artikel 51 nicht nur im Sinne
dessen, was wir von der EU ja sowieso vorgekaut kriegen, sondern auch für etwas
mehr Flexibilisierung für die Verwaltung, zumindest im Bund, aber bitte
zumindest grundsätzlich auch in den Ländern und Gemeinden, und auch für eine
gewisse Freiheit - mehr Freiheit - der Ressorts. Wir betrachten dies als minimal
notwendiges Ergebnis des Konvents in Richtung Modernisierung,
Modernisierungsmöglichkeit der Verwaltungsstrukturen.
Vielleicht ein Wort zu den ewig diskutierten Fragen: Wo ist
die Verwaltung rationeller, sprich Bund-Länderinteressen? Sie wissen ja doch
wohl, dass pro Kopf Bevölkerung die extrem föderalistische Schweiz nur die
halben Verwaltungskosten wie Österreich hat und das extrem zentralistische
Großbritannien ebenso nur die halben Verwaltungskosten; das heißt, es kommt
nicht darauf an, dort oder da, sondern, ob es intelligent gemacht wird. Ich
weiß schon die Vergleiche hinken, wie alle - die Aufgaben für den
österreichischen Staat sind wesentlich größer. Die Frage ist, ob das sehr
sinnvoll ist.
Zwei Worte noch zum Generelleren. Was kann man noch für
eine Strategie für den Rest der Tage der Konventsdiskussionen haben? Wir sind
absolut gegen einen Bericht, wo alle gegensätzlichen Standpunkte aufgezählt
werden. Das würde bedeuten ein Zurückschieben der Fragen ans Parlament. Wozu
wäre dann der Konvent überhaupt einberufen worden? Dann ist er sinnlos gewesen.
Hätte man im Parlament Einigkeit gefunden, ja dann hätten wir ja 40 Jahre Zeit
gehabt, die Vereinbarungen zu machen, die Verfassung zu ändern. Der Konvent hat
ja den Sinn, dass trotz der Parteiengegensätze im Parlament einige Reformen von
Fachleuten im Konsens erarbeitet und vorgeschlagen werden. Da halten wir es
noch für besser, wenn ein Bericht kommt, wo die paar tatsächlich am Tisch
liegenden „Reförmchen,“ sprich die abzuhakenden Themen, und nur diese, drin
sind, vielleicht sogar mit einigen kühnen Ergänzungen von Materien, die nicht
ganz, aber doch ein wenig Konsens gefunden haben. Die Öffentlichkeit, die ja,
machen wir uns nichts vor, viel mehr als diese jetzt am Tisch liegenden
„Reförmchen“ erwartet, hätte viel mehr Verständnis dafür, als für so manche
divergierende, politische Wünsche der Parteizentralen. Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön, Herr Dr. Voith. Der nächste Redner ist
Herr Generalsekretär Dipl.-Kfm. Pramböck.
Dipl.-Kfm. Erich Pramböck‡: Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren!
Ich darf mich zum Ausschuss 10 melden und hier noch zu
den ergänzenden Fragestellungen, die uns aufgetragen wurden, zumindest zu einem
Teil, Stellung nehmen. Ich möchte auch an dieser Stelle nochmals den Dank
aussprechen für die Vorsitzführung, dem stellvertretenden Vorsitzenden, der
heute referiert hat, auch den Mitwirkenden und auch insbesondere jenen, die im
Hintergrund die Arbeit geleistet haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beratungen waren
im Grunde sehr effizient. Wir haben sämtliche Probleme der Finanzverfassung
angesprochen. Allerdings war der Ausschuss 10 davon geprägt, dass es
offensichtlich praktisch unüberwindliche Auffassungsunterschiede gibt über die
Neugestaltung der Finanzverfassung, sodass wir in letzter Konsequenz in keiner
der entscheidenden Fragen zu einem Konsens gelangt sind.
Wir haben als Kommunen und als Städtebund eine Reihe von
Textvorschlägen eingebracht. Zum Teil wurden sie heute auch referiert. Ich
werde sie nicht wiederholen, möchte aber ein Prinzip ganz besonders
herausgreifen, das wichtig ist, war und sein wird, für die Diskussion zwischen
den Gebietskörperschaften, nämlich die Frage der Parität. Es geht einerseits
darum, beim Finanzausgleich und bei steuerpolitischen Maßnahmen, dass bei
solchen Maßnahmen zwingend Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
stattfinden müssen. Führen diese Verhandlungen zu keinem Ergebnis, soll der
Bund in Zukunft nicht sofort ein Finanzausgleichsgesetz oder eine steuerpolitische
Maßnahme erlassen können, sondern es soll eine Art Vermittlungsverfahren
eingeführt werden, um allen Partnern bewusst zu machen, dass es sich um ein
partnerschaftliches Verhalten handeln soll und nicht um ein Oktroy eines
zentralen Bundes.
Ich glaube, dass sich alle Ausschussmitglieder zwar zur
Parität bekennen, wenn es aber um die tatsächliche Umsetzung geht, das haben
wir in diesen Gesprächen gesehen, dann ist die Konsensfähigkeit ausgesprochen
gering. Ich möchte sagen, dass diese Parität natürlich auch für die Frage des
Haushaltswesens und des New Public Management gilt. Selbstverständlich bekennen
wir uns zu den Methoden des New Public Management, ich will nicht sagen, die
Städte und Gemeinden haben es erfunden, es ist eine Bewegung, die uns alle ergriffen
hat, bei der wir alle an einer bestimmten, ganz speziellen Frage arbeiten und
sie weiter entwickeln und im Rahmen der ganzen Kreativität eines föderalen
Systems, nämlich der Länder einerseits, des Bundes, aber auch der Städte und
Gemeinden, Maßnahmen erproben, wie sich NPM jetzt in der jeweiligen Situation
am besten durchsetzen lässt. Welche Instrumente, Kostenrechnung, Bürgerservice,
Controlling und dergleichen - und hier gibt es einfach nun einmal gewisse
Unterschiede zwischen den Ebenen der Gebietskörperschaften und der Freude auch
am Neuen und der Gestaltungsmöglichkeit. Genau darum ging es auch in diesem
Ausschuss: nicht von zentraler Stelle hier vorzulegen. Jetzt muss nur New
Public Management gemacht werden.
Die Kostenrechnung ist eine Angelegenheit, die in Ländern
und Städten bereits seit Jahren, wenn nicht zu sagen Jahrzehnten, zum Teil
gemacht wird. Ich denke nur an die ganze Frage der Gebührenhaushalte. Hier muss
der Gemeinderat jedes Jahr neu beschließen, welche Kosten tatsächlich entstehen
und dann die Gebühren daraufhin festlegen. Ohne eine Kostenrechnung, ohne die
elementaren Daten, kann er überhaupt da nicht tätig sein. Also, es ist hier
nicht nur auf den Punkt zu warten, sondern der Eigeninitiative durchaus Platz
zu geben.
Ich möchte auch noch auf das besondere Problem der
Transferbeziehungen zwischen Ländern und Gemeinden hinweisen. Auch hier haben
wir vorher Verhandlungen zu führen, bevor es zu Kostenbelastungsverschiebungen
kommt. Der Städtebund hat zu vielen der zur Diskussion stehenden Punkte
Textvorschläge eingebracht. Sie liegen Ihnen vor und ich möchte darauf
hinweisen, wir sind getragen von dem Gedanken der „Effizienzsteigerung“, mehr
Flexibilität den Gemeinden zu ermöglichen, ihre Leistungskraft und ihre
Gestaltungskraft für die Bürger und die örtliche Wirtschaft zu erhöhen und die
Eckpunkte dieser gemeinsamen Anliegen von der kommunalen Ebene haben Städtebund
und Gemeindebund in einem gemeinsamen Papier zusammengefasst, das wir Ihnen,
sehr geehrter Herr Präsident, anschließend übergeben dürfen. Vielen herzlichen
Dank.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön, Herr Generalsekretär. Die nächste Wortmeldung
steht bei Herrn Präsidenten Halder. - Bitte schön.
Gebhard Halder: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Ich möchte gleich bei meinem Vorredner anschließen und zu
den Ausführungen des Ausschusses 10, was das gesamtwirtschaftliche
Gleichgewicht betrifft, Stellung nehmen und gleich unmissverständlich klar
machen: Wir wollen kooperative, partnerschaftliche Lösungen und nicht zentrale
Vorgaben. Es gab den Vorschlag, dass die Bundesgesetzgebung die näheren
Verpflichtungen zur Erreichung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts als
Ziele regelt. Insbesondere sollten nach diesem Vorschlag Verpflichtungen in
Bezug auf Haushaltsergebnisse und Informationspflichten sowie Sanktionen für
den Fall der Verletzung dieser Verpflichtungen vorgesehen werden. Dieser
Vorschlag fand zwar im Konvent und in den Beratungen keinen Konsens, wurde aber
doch vehement betrieben und von einem beachtlichen Teil von
Ausschussmitgliedern unterstützt. Es ist schon eigenartig, wenn nicht
einzigartig, dass ausgerechnet Länder und Gemeinden durch den Bund zur
Haushaltsdisziplin gezwungen werden sollen, obwohl der Bund in erster Linie es
ist, der die Defizite produziert, die dann sogar von den nachgeordneten
Gebietskörperschaften mitaufgefangen werden müssen, um die bekannten
Maastrichtkriterien zu erreichen.
Wir in Vorarlberg machen seit 20 Jahren keine neuen
Schulden. Nicht, weil - wie viele meinen - wir im Geld schwimmen, sondern weil
wir eine eiserne Haushaltsdisziplin führen und haben. Ich bin schon einige
Jahre im Vorarlberger Landtag und wir mussten einige Male bei
Budgetbesprechungen das Gesamtvolumen um zwei, drei Prozent einfangen und
kürzen. Also, so ist es nicht, dass wir da nur locker ausgeben und immer
verkünden können, wir haben keine neuen Schulden. Aus diesem Grund muss der
Vorschlag des „Diktats von oben“ entschieden abgelehnt werden. Der Bund, die
Länder und die Gemeinden haben in der Vergangenheit eben durch den
österreichischen Stabilitätspakt ein wirkungsvolles Instrument zur Haushaltskoordinierung
geschaffen, wenn man es eben nützen will - und in der jüngeren Vergangenheit
wurde es auch genützt. Der Stabilitätspakt beruht auf der Anerkennung von Bund,
Ländern und Gemeinden als gleichberechtigte Partner, und so soll es auch
bleiben.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Besten Dank, Herr Präsident, für Ihre Wortmeldung. Als
Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. - Bitte
sehr, Frau Abgeordnete.
MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Erlauben Sie mir ein paar Worte über den Ausschuss 10
hinaus. In zwei Minuten wird die Pressekonferenz des Ausschussvorsitzenden
beginnen, in der er seinen Abgang in die Privatwirtschaft erläutert, und auch
insgesamt hier in diesem Konvent - es haben einige schon gesagt, so die
Stimmung - was wird denn jetzt aus dem Ganzen?
Meine Damen und Herren! Natürlich hat das einen politischen
Rückbezug und ich kann dem Abgeordneten Wittmann nur Recht geben, wenn auf der
einen Seite wirklich dramatische Affronts gegen politische Kräfte, Parteien
oder gesellschaftspolitische Gruppen passieren, dann erleichtert es die
Konsensbildung hier sicher nicht. Erstmals in der Zweiten Republik die
Beseitigung eines direkten Wahlrechts, das ist schon etwas, was eigentlich in
meinen Augen etwas Entsetzliches ist und ich hätte mir auch aus dem Konvent
hier einen größeren Aufschrei erwartet.
Aber meine Damen und Herren! Wir werden auch hier nur
weiterkommen, wenn die Vertreterinnen und Vertreter der politischen Parteien
oder auch die Expertinnen und Experten auch ihren Mut jetzt zusammennehmen mit
den politischen Entscheidungsträgern, die teilweise von Beginn dieses Konvents
an nur mit den Namenstaferln hier vertreten sind, aber nicht persönlich, den
Mut zusammennehmen und hier mit denen zu reden und zu sagen: Ich persönlich
finde, es kann nicht sein, dass so viele Menschen eineinhalb Jahre wirklich
viel und intensiv arbeiten und dass wir dann sagen, es war halt nichts.
Es sei denn, wir kommen zu dem Befund: Die Verfassung ist
nicht reformbedürftig. Ich komme nicht zu dem Befund, sondern ich glaube, wir
brauchen Reformen und wir müssen jetzt alle auch über unsere Schatten springen
und wirklich versuchen, zu Kompromissen zu kommen und auch, wie gesagt, mit den
politischen Entscheidungsträgern reden, dass nicht diverse Affronts diese
Entscheidungsbildung erschweren.
Ebenso glaube ich beispielsweise, dass das nicht ein Grünes
Faible ist oder ein Faible von mir persönlich, dass wir das Gender Budgeting in
der Verfassung zu verankern haben. Es ist ein Prinzip, das von der europäischen
Ebene immer stärker verlangt wird, und wenn wir beispielsweise, um eine ganz
aktuelle Diskussion aufzugreifen, jetzt landauf, landab vor der Situation
stehen, dass mit großer Bestürzung die Ergebnisse der so genannten Pisa-Studie diskutiert werden, dann
fällt mir schon auf, dass schon in der letzten Pisa-Studie es zwei Bereiche gab, wo Österreich absolutes
Schlusslicht war, bei sonst Leistungen im Mittelfeld. Und zwar war das die
Integration von ausländischen Kindern und die Gender-Sensibilität. Beides sind
Bereiche, die sich mittel- und langfristig auch ökonomisch rächen. Das heißt,
es gibt auch ein ökonomisches Interesse, diese Gender-Sensibilität und das
diesbezügliche Instrumentarium weiter zu entwickeln und auch rechtlich zu
verankern. Es ist nicht irgendeine feministische Spintisiererei, sondern das
ist ein Prinzip moderner Verwaltungsführung und das gehört selbstverständlich
in das öffentliche Haushaltsrecht eingebaut.
Ansonsten glaube ich, es gäbe etliche Prinzipien, wo wir
mit ein bisschen mehr Bereitschaft, sich nicht einzuzementieren, schon weiter
wären. Wirkungsorientierte Verwaltungsführung, die Grünen können sich damit gut
anfreunden, aber, wie gesagt, wir wollen dabei nicht auf die Feingliederung der
Budgets und damit auch die politische Kontrollierbarkeit verzichten, und so
kann ich bei fast allen Prinzipien sagen, im Prinzip ja, und schauen wir uns
die Details an. Daher noch einmal mein dringender Appell, lassen wir das jetzt
nicht auf der Ebene des Dissenses stehen, sondern gehen wir alle in unsere
Gremien und versuchen wir dort noch einmal politische Beweglichkeit in diese
Causa hineinzubringen. Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete für Ihre Ausführungen,
vor allem aber danke ich Ihnen für Ihren Appell an den Konsens aller Parteien.
Ich glaube, es wäre wirklich angebracht, dass dieser Appell von ihnen beherzigt
würde.
Es hat sich nochmals Herr Staatssekretär Finz zu diesem
Tagesordnungspunkt zu Wort gemeldet. - Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Konvent! Ich möchte jetzt meine 33
Sekunden nachholen.
Wir behandeln jetzt den Ausschuss-10-Bericht
und haben eigentlich zwei Wortmeldungen gehabt, die sich überhaupt mit
tagespolitischen Fragen beschäftigt haben. Ich glaube, der große Erfolg, wenn
wir auch in vielen Bereichen noch nicht gemeinsame Lösungen haben, vor allem
beim Ausschuss 10, aber der große Erfolg des Konvents und der Ausschussarbeit
war, dass wir die Tagespolitik, dass wir politische, parteipolitische Ansichten
herausgehalten haben und wirklich versucht haben zu sachlichen Lösungen zu
kommen.
Der Ausschuss 10 scheitert auch nicht
an der Tagespolitik oder dass es sozialdemokratische oder Grüne Vorstellungen
oder Vorstellungen von der ÖVP sind, sondern da gibt es eben noch Probleme bei
den Gebietskörperschaften, die altbekannten Probleme. Und ich glaube, es wäre
gut, dass wir diese Sachlichkeit auch weiterhin in diesem Konvent belassen und
uns nicht von der Tagespolitik, die wird sowieso zwei Räume weiter behandelt,
beeinflussen lassen. Danke.
Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Herr
Staatssekretär! Sie waren zugleich der letzte Redner zum Tagesordnungspunkt 2 - ergänzender Bericht des Ausschusses 10.
Wir kommen, oder besser gesagt wir
kämen jetzt zum Tagesordnungspunkt 3 - ergänzender Bericht des Ausschusses 1. Dazu wäre allerdings zu erwähnen,
dass mir der Vorsitzende dieses Ausschusses bereits vor der Sitzung bekannt
gegeben hat, dass er auf eine Wortmeldung dazu verzichtet, wenn ich Sie richtig
verstanden habe Herr Professor, und zwar im Hinblick darauf, dass sich
Neuerungen gegenüber der letzten Diskussion über die Ergebnisse des Ausschusses
1 nicht ergeben haben und Sie daher der Meinung sind, Sie würden keine weiteren
Ausführungen zum ergänzenden Bericht des Ausschusses 1 machen können. Ich nehme
dies zur Kenntnis.
Ich nehme überdies zur Kenntnis, dass
sich auch ansonsten kein anderes Mitglied des Konvents zu diesem
Tagesordnungspunkt gemeldet hat, was bei mir zwei Rückschlüsse zulässt.
Entweder ist das, was im Ausschuss 1 diskutiert wurde, so außer jeder
Diskussion, im Positiven wie im Negativen, oder aber man könnte vielleicht in
der zur Verfügung stehenden, mit fünf Minuten beschränkten Redezeit nicht alles
sagen, was man als Redner dazu sagen wollte. Eine weitere Interpretation würde
ich allerdings diesbezüglich nicht vornehmen, und ich darf daher resümieren,
dass der Tagesordnungspunkt 3 damit auch gleichzeitig erledigt ist.
Wir gelangen zum Tagesordnungspunkt 4, ergänzender Bericht des Ausschusses 2, und ich darf den Vorsitzenden dieses
Ausschusses, Herrn Präsidenten Dr. Korinek, ersuchen, uns eine Einführung zu
diesem ergänzenden Bericht zu geben und darf bei dieser Gelegenheit auf die
15-minütige Redezeitbeschränkung für Sie verweisen.
- Bitte sehr.
Dr. Karl Korinek: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Aufgabe unseres Ausschusses war die
Behandlung legistischer Strukturfragen in concreto in einem ersten Schritt, die
möglichen Inhalte einer künftigen Verfassung zu skizzieren, die formale
Struktur einer künftigen Verfassung, - wie man heute sagt - das Design zu
entwickeln, und das kaum überschaubare geltende formelle Bundesverfassungsrecht
aufzuarbeiten, zu analysieren und zu dessen Bereinigung beizutragen.
Ich konnte am 9.Juli dieses Jahres
über die Ergebnisse der Arbeit berichten. Wir haben Ihnen damals auch
Vorschläge zur Behandlung einer großen Zahl von Verfassungsbestimmungen mit dem
Ziel einer Entrümpelung der Verfassung gemacht, und gleichzeitig Wege aufgezeigt,
um in Hinkunft einen Wildwuchs von Verfassungsrecht wie in der Vergangenheit zu
vermeiden. Diese Vorschläge gingen einerseits dahin, durch
Verfassungsänderungen in Hinkunft verfassungsrechtliche Sonderbestimmungen und
insbesondere auch verfassungsrangige Staatsverträge und Verfassungsbestimmungen
in Staatsverträgen vermeiden zu können. Zum anderen wurden Überlegungen
präsentiert, die in Hinkunft die Einhaltung eines so genannten relativen
Inkorporationsgebots sichern können. Bei der Analyse des bestehenden formellen
Verfassungsrechts wurden damals rund 1000 Verfassungsgesetze und
Verfassungsbestimmungen gefunden, deren Verfassungsrang vermeidbar wäre.
Weiters wurden rund 350 Bestimmungen
identifiziert, die im Zusammenhang mit der Behandlung bestimmter inhaltlicher
verfassungsrechtlicher Fragen stehen, über die von anderen Ausschüssen zu
beraten war. Sie wurden den jeweilig fachlich zuständigen Ausschüssen
übermittelt. Ein Großteil betraf dabei Grundrechtsfragen, Fragen der
Kompetenzverteilung, der Verwaltungsorganisation und des Rechtsschutzes. Nach
dem dem Ausschuss zu Beginn seiner Tätigkeit erteilten Mandat sollen wir uns in
einem zweiten Schritt unserer Arbeit um die Klärung des juristischen Schicksals
des gegenwärtigen Verfassungsrechts, das keine Aufnahme in die
Verfassungsurkunde findet, wörtlich heißt es im Mandat „auf Basis der
inhaltlichen Ergebnisse des Konvents“, befassen.
Zum Zweiten auf die Frage der Ausgestaltung jener verfassungsrechtlichen
Regelungen, die die Übertragung von Hoheitsgewalt auf Organe
zwischenstaatlicher Einrichtungen oder andere Staaten, beziehungsweise auf die
Ermächtigung zur Tätigkeit von Organen solcher Einrichtungen im Inland bezogen
sind, so wie auf die Einräumung und Begrenzung der Möglichkeit Staatsverträge
abzuschließen, die in bestimmten Grenzen ihre eigene Abänderbarkeit regeln.
Zum Dritten bezog sich dieses Zusatzmandat auf die formalen Erzeugungsbedingungen von Verfassungsrecht in einer künftigen Verfassung, und die formalen Erzeugungsbedingungen von so genannten Verfassungsausführungsgesetzen, in der Diskussion im Konvent meistens als Zweidrittelgesetze bezeichnet.
Zu all diesen Fragen haben wir Antworten entwickelt. Auch
konnten im ergänzenden Bericht zu einigen ganz konkreten Fragen Vorschläge
entwickelt werden, zu den Staatssymbolen, zum Universitätsverfassungsrecht, zum
zukünftigen Schicksal der beiden derzeit bestehenden Regelungen über die
Garantie der Vermögenssicherung des Staates im Bereich der Bundesforste und der
Elektrizitätswirtschaft, und über die Mitgliedschaft Österreichs zu den
Vereinten Nationen und die daraus resultierenden Konsequenzen. Zu diesen Fragen
konnte in aller Regel Einhelligkeit, aber zumindest eine deutliche Präferenz für
eine bestimmte vorgeschlagene Lösung entwickelt werden.
So weit freilich die Vorbereitung zur legistischen
Gestaltung der künftigen Verfassung von inhaltlichen Ergebnissen des Konvents
abhängt, konnte der vorgesehene zweite Schritt des Mandats des Ausschusses noch
nicht gegangen werden. Die endgültige Behandlung der Antworten der anderen
Ausschüsse auf die vorgenommenen Zuweisungen müssen dem im ursprünglichen
Mandat vorgesehenen zweiten Durchgang vorbehalten bleiben, zu dem unser
Ausschuss bereit ist, auch wenn man der Meinung ist, vielleicht ist das gar
nicht notwendig. Wir sind bereit, den seinerzeit erteilten Auftrag zu erfüllen,
wenn es und so weit es solche inhaltliche Abstimmungen bereits gibt. Eine
genaue Durchforstung der Antworten der Ausschüsse ist im derzeitigen Zeitpunkt
aber unzweckmäßig. Zum Teil ist kein Konsens vorhanden und in diesem sehr
großen Teil müsste der Ausschuss mit seinen Vorschlägen mit so vielen einander
zu Teil widersprechenden Hypothesen arbeiten, dass das im Augenblick nicht sinnvoll
ist.
Ebenfalls einem zweiten Durchgang vorbehalten bleiben
einige notwendig werdende Adaptionen der von Frau Mag. Martin erstellten
Tabellen. Darunter fallen insbesondere die von der Abgeordneten Dr. Glawischnig
erhobenen Einwände hinsichtlich der rechtstechnischen Vorgangsweise bei
einzelnen Normen, zu denen weitgehend Konsens erzielt werden konnte, sowie die
Vorschläge zur Behandlung von Verfassungsbestimmungen, die im laufenden Jahr
erlassen worden sind und die natürlich auch in eine Bereinigung Eingang finden
müssen.
Ich möchte abschließend betonen, meine Damen und Herren,
Herr Präsident, dass die ganze Arbeit des Ausschusses nicht möglich gewesen
wäre ohne die großartige und präzise Vorbereitung und Aufarbeitung des gesamten
Verfassungsbestandes durch Frau Mag. Andrea Martin. Ich habe in meiner ersten
Wortmeldung hier im Konvent gesagt, dass sie der einzige Mensch in Österreich
ist, der die Verfassung kennt, durch unsere Ausschussarbeit sind das jetzt ein
paar mehr geworden, aber keiner von diesen paar mehr kennen die Verfassung so
gut wie sie.
Danken möchte ich den Mitgliedern des Ausschusses für die
Vorbereitung vieler Papiere und die konstruktive Mitarbeit. Die Papiere, die in
unserem Ausschuss vorbereitet worden sind, wurden nie verteidigt, sondern waren
die Basis für die Versuche zu einer Lösung zu kommen, und vielleicht wäre das
der bessere Weg, um überhaupt zu Ergebnissen zu kommen.
Im Besonderen danken möchte ich dem stellvertretenden
Vorsitzenden Prof. Wiederin, der nicht nur das geleistet hat, sondern darüber
hinaus ein unglaublich wertvoller, verständnisvoller Gesprächspartner und
Formulierungshelfer war. Große Hilfe war die fachliche Ausschussbetreuung durch
Herrn Dr. Mayr und Herrn Dr. Schernthanner, und danken möchte ich auch der administrativen
Ausschussbetreuung, die bestens funktionierte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ergebnisse zu
denen wir gekommen sind, sind, wenn Sie die Eigenbewertung gestatten,
beachtlich. Sie könnten zum allergrößten Teil, weil sie auch im Konsens
erarbeitet wurden, eine geeignete Basis für eine Entrümpelung unserer
Verfassung darstellen. Freilich, die allgemeinen Umständen scheinen eher einer
Umsetzung nicht förderlich zu sein. Ohne eine Einigung über eine
Kompetenzbereinigung und die Lösung allgemeiner Fragen der
verfassungsrechtlichen Ordnung, etwa der Beleihung der Aufgaben und Einbindung
weisungsfreier Behörden zur Führung und zur Kontrolle der Verwaltung, ohne
solche Ergebnisse, kann eine formelle Bereinigung nicht wirklich gelingen.
Im Refrain - und ich darf damit abschließen - des
Hauptcouplets von Nestroys Kampl, der gestern seine Premiere in der Josefstadt
gefeiert hat, heißt es: „Bei uns is halt immer a Umstand dabei.“ Ich fürchte,
das ist auch hier so. Danke schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Besten Dank, Herr Präsident!
Ich wäre nur etwas weniger pessimistisch als Sie und würde
meinen, Herr Präsident, gerade in Ihrem Ausschuss ist Pessimismus überhaupt
nicht angebracht. Wenn ein Konsens überall in dem Ausmaß erzielt worden wäre
wie in Ihrem Ausschuss, dann wären wir schon wesentlich weiter. Besten Dank
jedenfalls für Ihre Ausführungen und auch für die Tätigkeit Ihres Ausschusses.
Dieser Dank gilt gleichermaßen den Mitgliedern des Ausschusses und allen, die
die Arbeit unterstützt haben. Als erster Redner zu diesem ergänzenden Bericht
hat sich Herr Dr. Schnizer gemeldet. Ich darf es ihm erteilen. - Bitte sehr,
Herr Doktor.
Dr. Johannes Schnizer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Sie selbst, Herr Präsident, haben schon darauf hingewiesen,
dass in dem Ausschussbericht sehr viele und auch Konsens gefunden habende Vorschläge
für Verfassungsbereinigungen und für darüber hinausgehende
Verfassungsänderungen enthalten sind, wobei die alle erarbeitet worden sind im
Hinblick auf das Ziel einer neuen Bundesverfassung.
Wie der Verfassungssprecher der SPÖ, Abgeordneter Wittmann,
eingangs schon gesagt hat, wären die politischen Konsensmöglichkeiten für eine
solche neue Verfassung durch die einfachgesetzgeberischen Maßnahmen, die
zurzeit im Nationalrat beschlossen werden, äußerst gefährdet, um nicht zu sagen
zerstört. Es stellt sich damit die Frage, was mit den vielen guten Ergebnissen,
die der Konvent schon geliefert hat, passieren soll. Es ist ja nicht nur im
Ausschuss 2 so, dass hier ausgezeichnete Arbeit geleistet wurde, das ist auch
in allen anderen Ausschüssen so. Es gibt eine Fülle von Vorschlägen und es gibt
eine Fülle von Reformbedarf, der hier geortet wurde.
Aus dem Ausschuss 2 sehe ich hier vor allem drei Bereiche,
wo zu hoffen ist, dass es zu entsprechenden Vorschlägen kommt. Grundsätzlich
wurde die Arbeit für eine große Verfassungsbereinigung vorbereitet, mit einem
ausgezeichneten Konzept. Ich glaube, dass es hier noch einer sorgfältigen
Ausformulierung bedarf und dass insbesondere die Bestimmungen, die nicht mehr
gelten sollen, im Einzelnen aufgezählt werden sollen. Ich glaube, dass es hier
unbedingt erforderlich ist, dass der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes
dies nochmals sorgfältig überprüft, dass ein Begutachtungsverfahren über eine
solche Novelle durchgeführt wird. Aber ich glaube, und schließe mich Präsident
Korinek an, es wäre gut, wenn die Basis, die in dem Ausschuss gefunden wurde -
und auch, wenn der Ausschuss in einem anderen Format weiterarbeitet - in dieser Zusammensetzung eine solche
Novellierungsvorlage begleitet. Das kann ein gutes Werk werden, das eine große
Verfassungsbereinigung bringt.
Das Zweite ist, dass ich glaube, dass auch die Vorschläge
zur Vermeidung von Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen praktisch
ausformuliert sind, dass das eine taugliche Regierungsvorlage sein könnte, wenn
die Bundesregierung das will, die aber auch einem Begutachtungsverfahren
unterzogen werden sollte.
Das Dritte ist, dass es, glaube ich, inzwischen Konsens
darüber gibt, dass man einen neuen Typ der Grenzänderung finden sollte, die
nicht im solennen Verfahren mit übereinstimmenden Bundes- und
Landesverfassungsgesetzgebern unterzogen werden sollte, dass man deswegen den
Typ der Grenzbereinigung in der vom Ausschuss vorgeschlagenen Fassung
realisieren sollte. Und ich bin schon gespannt, wie der Verfassungsgeber im
nächsten Jahr mit allen diesen Vorschlägen umgehen wird. Danke vielmals.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön. Zu Wort gemeldet hat sich die Frau
Abgeordnete Petrovic. - Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Nur eine ganz kurz Replik auf die Ausführungen von
Staatssekretär Finz. Man kann natürlich sagen, alles, was Tagespolitik ist oder
was rund um diesen Konvent herum passiert, das muss strikte draußen bleiben.
Nur, wir wissen alle, dass in den diversen Interessengruppen, unter den
Personen, die Mitglieder dieses Konvents sind, selbstverständlich diese Debatte
geführt wird. Dann wird sie halt vor diesen Türen geführt. Mir ist es wichtig,
dieses anzusprechen, weil ich denke, ohne dass wir Bedacht nehmen auf die
Rahmenumstände des Konvents, wird dieser Konvent schwerlich zu einem Erfolg
führen können.
Und ich teile auch die Auffassung von Präsident Korinek,
dass ein ganz zentraler Punkt sein wird die Frage, ob es uns gelingt, bei der
Kompetenzverteilung weiterzukommen, und dass selbstverständlich die Fülle von
guten Vorschlägen, über die es auch Konsens gibt, irgendwo unter dem
Mentalvorbehalt noch steht, was ist mit den anderen Bereichen?
Ich glaube auch, dass die Arbeiten des Ausschusses 2 für
sich allein schon wert gewesen wären, diese Arbeit zu unternehmen, aber auch
diese Arbeiten müssen jetzt legistisch umgesetzt werden. Wie gesagt, daher noch
einmal mein Appell, das in den jeweiligen Gruppen zu diskutieren oder auch
diejenigen, die sich hier notorisch vertreten lassen, wirklich mit dem
gebührenden Nachdruck zu informieren, auch im Sinne einer Konsensbildung.
Für uns von Seiten der Grünen beim Ausschuss 2, den wir
auch insgesamt doch sehr positiv beurteilen, waren in der zweiten Runde zwei
Bereiche besonders wichtig. Nämlich einerseits die Demokratisierung der
Außenpolitik, das heißt, die Befassung von Nationalrat beziehungsweise
Bundesrat mit dem Abschluss von Staatsverträgen oder der Absicht in diese
Richtung. Es ist uns wichtig, dass nicht über das Feld der internationalen
Politik eine Aushöhlung der Kompetenzen der österreichischen Gesetzgebung
voranschreitet, und wir halten die Formulierung, die hier im Ausschuss
diskutiert wurde und auch Konsens gefunden hat, für tauglich, dass wir dieser
Gefahr begegnen und würden das sehr unterstützen, dass eine derartige Regel
tatsächlich zustande kommt und in die Verfassung aufgenommen wird.
Bei einigen Punkten waren wir auch positiv, und das ist der
zweite Punkt. Der Ausschuss hat Sie mit einer langen Liste von versprengten
Verfassungsbestimmungen befasst und hinsichtlich dieser Verfassungsbestimmungen
Vorschläge gemacht, was damit passieren soll. Es gibt es gerade eine ganze
Reihe von Bestimmungen, die zwar sicherlich problematisch sind, wenn sie als
Verfassungsbestimmungen außerhalb der Verfassung bleiben, die aber inhaltlich
so wichtig sind, dass jedenfalls wir darauf nicht verzichten wollen, und da
haben wir sehr positiv gefunden, dass sich der Ausschuss da sehr eingehend mit
den verschiedenen Einwänden befasst hat. Ich möchte, weil es im Schlussbericht
nicht so explizit drinnen ist, ein paar dieser Bereiche auch erwähnen, weil uns
dort ganz wichtig ist, dass diese Bestimmungen nicht ersatzlos entfallen,
sondern allenfalls als Nichtverfassungsbestimmungen, das heißt als
einfachgesetzliche Bestimmungen, bestehen bleiben. Und zwar waren das
Bestimmungen zur Urheberrechtsgesetz-Novelle 1980, was die Unabhängigkeit der
Schiedsstelle betrifft. Es waren Bestimmungen im ELWOG, was die Möglichkeit der
Erhebung von Unternehmensdaten für den Stromregulator betrifft. Das war eine
Bestimmung im Wehrgesetz, wonach ein zweijähriger Entwicklungshilfedienst von
der Wehrpflicht befreit oder an deren Stelle treten kann und Bestimmungen im
Öko-Strom-Gesetz, was die Übergangsbestimmungen für Altanlagen betrifft.
Hier waren wir über die konstruktiven Debatten im Ausschuss
sehr positiv angetan, weil wir das Gefühl hatten, dass dort wirklich auch auf
Argumente eingegangen worden ist. Wie gesagt, für uns ist es wichtig, dass
diese Bestimmungen eben als einfachgesetzliche Bestimmungen bestehen bleiben
und vielleicht kann der Geist dieses Ausschusses 2 ein wenig ausstrahlen auf
den Konsens oder auf die politischen Entscheidungsträger, dass wir in den
anderen Materienbereichen auch so weit kommen, dass die Sache etwas höher
eingestuft wird und nicht die Ritualstandpunkte, die wir sattsam kennen, hier
weiter vertreten werden. Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön, Frau Abgeordnete, für Ihre Ausführungen.
Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 4 beendet und gelangen zum Tagesordnungspunkt 5. Er betrifft den ergänzenden Bericht des
Ausschusses 4. Ich darf dem Vorsitzenden des Ausschusses, Herrn Univ.-Prof. Dr.
Funk, das Wort erteilen und ihn ersuchen, uns den ergänzenden Bericht näher zu
bringen. - Bitte, Herr Professor.
Dr. Bernd-Christian Funk: Danke. Sehr geehrter Herr
Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!
Seit dem Bericht vom 3.Juni 2004, der
dem Konvent am 25. Juni 2004 präsentiert wurde, hat der Ausschuss 4 in zum Teil
veränderter Zusammensetzung in 18 von insgesamt 38 Sitzungen seine Arbeit
fortgeführt und beendet. Es liegt ein ergänzender Bericht vor. Darin sind auf
Seite 8 die offenen Fragen ausgewiesen, mit denen der Ausschuss zu Beginn
seiner fortgesetzten Arbeit konfrontiert war und mit denen er sich in der
weiteren Folge zu befassen hatte. Von diesen möchte ich die Fragenkreise:
soziale Grundrechte, leistungsstaatliche Garantien, Gleichbehandlungsgebote/
Diskriminierungsverbote, Volksgruppenrechte, Rechtsschutz-Mechanismen und
grundrechtliche Garantien völkerrechtlicher Herkunft hervorheben.
Zuvor jedoch ein paar allgemeine
Bemerkungen zur Ausschussarbeit: Die fortgesetzte Tätigkeit des Ausschusses hat
gezeigt, dass mit steigender Schwierigkeit der Themen die Chancen für
Sachkonsens kleiner wurden. Bei den Eingriffsabwehrrechten, die uns vertraut
sind, hat es eine Reihe von akzeptierten Vorschlägen für neue Texte gegeben. Im
zweiten Teil der Ausschussarbeit, vor allem bei den Diskriminierungsverboten
und den leistungsstaatlichen Garantien, hat das Kontroversielle überwogen.
Zum Ausgleich für die geschwundenen
Konsenschancen hat der Ausschuss 4 seine Beratungen in den Sachfragen
intensiviert. Die Vertiefung der Beratung hat zur Aufschließung des
Konsens-Vorfeldes beigetragen. Das Terrain ist analytisch sondiert worden. Der
Prozess betrifft die bestehende Rechtslage, die damit verbundenen juristischen
und politischen Probleme, die Vorschläge und deren Konsequenzen. All das wurde
dargestellt und miteinander in Beziehung gebracht.
Es gibt eine Darstellung geltender
Grundrechtstexte und neuer Vorschläge in synoptischer Form. Der Bericht weist
jene Varianten aus, die in den Ausschussberatungen in die engere Wahl gezogen
und eingehend beraten wurden. Mag es auch sehr wenig an Vorschlagskonsens
gegeben haben, so liegt doch den Beratungen ein Konsens über Relevantes und
Mögliches zugrunde.
Nun kurz zu den zentralen Sachfragen.
Erster Punkt: Leistungsstaatliche
Garantien im Allgemeinen und soziale Grundrechte im Besonderen. Hier gab es
zumeist Dissens in der Frage, ob solche Gewährleistungen als unmittelbar
garantierte subjektive Rechte oder als gesetzesvermittelte Garantien eingeräumt
werden sollen. Diese Alternative hat die Kontroverse im Wesentlichen bestimmt.
Die Kontroverse hängt mit unterschiedlichen Auffassungen über die Möglichkeiten
des Rechtsschutzes und der Rechtsdurchsetzung zusammen und setzt sich dort
fort. Darüber werde ich noch sprechen. Entschuldigen Sie, habe ich noch Zeit, ich muss wohl länger
sprechen können?
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Herr Professor, es muss irgendetwas mit der technischen
Anlage nicht stimmen. Sie sind natürlich mit 15 Minuten dran.
Dr. Bernd-Christian Funk: Konsens bestand darin, dass
leistungsstaatliche Garantien nicht nur als Grundrechte, sondern auch als
Kombinationen von Grundrechten, Gesetzesaufträgen, institutionellen Garantien
und Zielbestimmungen, das heißt alles andere als modellpuristisch gestaltet
werden können.
Zweiter Punkt:
Gleichbehandlungsgebote/Diskriminierungsverbote. Hier gab es sehr viel an
Konsensnähe, aber nur wenig an Akzeptanz im Ganzen - aber eben doch eine große
Menge an Relevanz- und Möglichkeitskonsens. Thematisch ging es um den
allgemeinen Gleichheitssatz, um Fragen der Gleichbehandlung und Gleichstellung
der Geschlechter, um die Rechte von Menschen mit Behinderungen, von Kindern und
älteren Menschen.
Dritter Punkt: Volksgruppenrechte.
Hier steht der Wunsch nach einer unveränderten Festschreibung der bestehenden
Verfassungsrechtslage für historische und „autochthone“ Volksgruppen (beides
ist nicht gleichzusetzen) gegen den Vorschlag einer Öffnung des
Volksgruppenrechts sowohl hinsichtlich des Volksgruppenbegriffs als auch
hinsichtlich der Durchsetzbarkeit von Volksgruppenrechten - Stichwort:
kollektive Mechanismen der Rechtsdurchsetzung in Ergänzung zu individuellem
Rechtsschutz. Beim Volksgruppenbegriff gab es auch Auffassungsunterschiede über
die Bedeutung der Staatsbürgerschaft. So weit Volksgruppenrechte auch als
kollektive Rechte zu sehen sind, macht es nach Auffassung des Ausschusses Sinn,
auch kollektive Rechtschutzmechanismen zur Verfügung zu stellen.
Vierter Punkt: Rechtschutzmechanismen.
Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen Implementierungsmodelle für
leistungsstaatliche Garantien, vor allem für soziale Grundrechte. Diese Fragen
hängen mit den Kontroversen über die inhaltliche Gestaltung
leistungsstaatlicher Garantien zusammen.
Einem Modell der Rechtsdurchsetzung im
traditionellen Wege mittels Verfassungsbeschwerde, Gesetzesbeschwerde und
Staatshaftung steht ein erweitertes Modell mit neuen Wegen gegenüber, bei dem
die ordentliche Gerichtsbarkeit, vor allem auch die Arbeits- und
Sozialgerichtsbarkeit, als Garant für die unmittelbare Durchsetzung
leistungsstaatlicher Garantien in Dienst genommen wird. Dazu kommen eine
verfassungsrechtlich zu verankernde unmittelbare Grundrechtsbindung der Justiz
sowie die verfassungskonforme Auslegung von Generalklauseln des Privatrechts
als Mittel einer effektiven Umsetzung grundrechtlicher Gewährleistungen im
leistungsstaatlichen Bereich.
Fünfter Punkt: Grundrechtliche Garantien
völkerrechtlicher Herkunft. Auch hier gibt es verschiedene Auffassungen. Der
Bogen reicht von einer kompletten Transformation in unmittelbar anwendbares
formelles Verfassungsrecht bis zur Forderung nach unveränderter Beibehaltung
des status quo. Eine mögliche Variante wäre auch ein ausdrücklicher Auftrag zur
Auslegung innerstaatlicher verfassungsrechtlicher Gewährleistungen im Sinne
völkerrechtlicher Garantien grundrechtlichen Inhalts.
Der Ausschuss 4 hat nicht alles
abgearbeitet, aber das meiste und das Wichtigste. Der Ausschuss musste einen
Kompromiss zwischen Breite und Tiefe vor dem Hintergrund begrenzter zeitlicher
Möglichkeiten und eines hohen Zeitbedarfes für Diskurs suchen. Ich möchte mit
dem Dank an alle Mitglieder des Ausschusses schließen, insbesondere auch an
meine beiden Stellvertreter. Ich möchte allen danken, die durch ihre Mitarbeit
die Beratungstätigkeiten weiter
gebracht haben, oft auch durch Widerspruch. Ohne Widerspruch gibt es keinen
Fortschritt im Denken.
Ich möchte mich bei den
Beobachtern/Beobachterinnen und Begleitpersonen bedanken. Wir haben hier auf
informelle und amikale Weise einen Weg gefunden, um in
geschäftsordnungsverträglicher Weise intellektuelle Ressourcen zu erschließen
und argumentative Konsenschancen zu vergrößern.
Besonders bedanken möchte ich mich für
die Unterstützung durch das Konventsbüro. Frau Mag. Birgit Cäsar war mit der
ständigen Betreuung des Ausschusses betraut. Ihr gilt mein besonderer
persönlicher und offizieller Dank. Sie hat das fachlich-organisatorische
Management zum Teil bis an die Grenze ihrer physischen Leistungsfähigkeit immer
mit äußerster Präzision und beeindruckender Sachkunde besorgt. Ihr ist Frau
Monika Siller bei der Verteilungs- und Textverwaltung zur Seite gestanden. Auch
ihr möchte ich besonders danken. Sie hat hervorragende Arbeit geleistet.
Ein „Danke“ möchte ich auch meinen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Universitätsbereich sagen. Sie haben mich
in vielfältiger Weise unterstützt und zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Ich
darf diesen Dank auch stellvertretend und sinngemäß für andere
Ausschussmitglieder aussprechen, die als akademische Lehrer unter ähnlichen
Bedingungen tätig sind.
Ich habe aus der Konventsarbeit starke
Eindrücke mitgenommen. Die Vermutung, dass fachjuristisches Wirklichkeitsdenken
- bekannt als Rechtsdogmatik - kritisches und phantasiegeleitetes
Möglichkeitsdenken nicht nur nicht ausschließt, sondern einschließt, hat sich
für mich bestätigt. Dogmatisches Argumentieren bleibt ohne die Dimension des
Möglichkeitsdenkens unvollständig und ist der Gefahr ausgesetzt, zu einer
reduktionistischen Doktrin und damit zu Ideologie zu werden. Die weithin
geläufige Gegenüberstellung von Rechtsdogmatik und Rechtspolitik bedarf der
Relativierung und der Erweiterung um den Raum des Möglichkeitsdenkens. Sie
behält ihre Gültigkeit als heuristischer Leitfaden zur Beurteilung
argumentativer Strategien.
Ich möchte mit einem Satz von Ludwig
Wittgenstein schließen: „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ - ergänzt von
Anton Zeilinger aus der Sicht der Physik: „Die Welt ist alles, was der Fall
ist, und auch alles was der Fall sein kann“ - und ich möchte hinzufügen: „Der
Fall sein kann alles, worüber wir uns gemeinsam informieren können.“ Danke
schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents
Dr. Franz Fiedler: Besten Dank,
Herr Professor, für Ihre sehr engagierten Darlegungen der Ergebnisse des von
Ihnen geleiteten Ausschusses 4. Den Dank, den Sie auf so viele Seiten hin
ausgesprochen haben, den darf ich auch Ihnen aussprechen und den Mitgliedern
des Ausschusses, die mit Ihnen diese wertvolle Arbeit verrichtet haben, und
desgleichen auch der Ausschussunterstützung.
Ich glaube sagen zu können, dass das,
was in Ihrem Ausschuss aufgearbeitet wurde, eine Fülle an Anregungen darstellt,
die es nun zu strukturieren, zu ordnen gilt und - das erscheint mir ganz
besonders wichtig zu sein - hinsichtlich derer ein politischer Konsens erzielt
werden sollte. Denn ich meine, dass gerade die Arbeit in Ihrem Ausschuss es
sich verdient hat, dass sie auch einem Ergebnis zugeführt wird, das sich in
einem Gesetz wieder findet. Besten Dank, Herr Professor.
Als erste Diskussionsrednerin zu
diesem Tagesordnungspunkt hat sich Frau Stadträtin Wehsely gemeldet. Ich darf
ihr das Wort erteilen. - Bitte sehr, Frau Stadträtin.
Mag. Sonja Wehsely: Danke Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Es ist sehr schwierig bis eigentlich
unmöglich, hier im Zuge des Konvents zu diskutieren, ohne darüber nachzudenken
oder auch darüber zu sprechen, was gestern und heute im Plenum des Nationalrats
passiert ist. Ich werde das jetzt nicht ausführen. Ich sage nur, dass uns schon
- denke ich - allen gemeinsam, auch denen, die hier als wissenschaftliche
Expertinnen und Experten an diesem Konvent teilnehmen, klar sein muss und
sicherlich auch klar ist, dass ja die Verfassung und die Frage um eine neue
Verfassung keine akademische Diskussion ist und dass es sich natürlich auch um
eine ganz, ganz wesentliche politische Frage handelt und dass natürlich das,
was real passiert - und ich sage nur Stichworte und wiederhole, ohne es
auszuführen, ob es das das Sicherheitspolizeigesetz ist - mit unklar
definierter Frage von Bannmeilen -, ob das die österreichische
Hochschülerschaft ist -, dass das alles nicht unabhängig von der Debatte
gesehen werden kann, die wir hier über eine neue Verfassung führen.
Denn es kann ja nicht so sein,
zumindest nach meinem Rechtsverständnis, aber natürlich auch nach meinem
politischen Verständnis, dass es hier darum gehen kann, dass wir zu einem
Selbstzweck an einer neuen Verfassung arbeiten. Es geht meines Erachtens nicht
darum, dass irgendjemand sozusagen als Nachfolger Hans Kelsens in die Geschichte
eingeht, sondern eine neue Verfassung macht nur dann Sinn, wenn sie für die
Bürgerinnen und Bürger Nutzen bringt. Das bedeutet, dass es auch mehr
Demokratie geben muss. Da findet in der Realpolitik genau der gegenteilige Weg
statt und ich denke, dass, um hier nur zwei Punkte anzusprechen, was mehr
Demokratie betrifft, es uns daher sehr gut anstünde, insbesondere bei der Frage
der Wahlaltersenkung und bei der Frage der Ermöglichung des Wahlrechts für
Migrantinnen auf kommunaler Ebene, eine Möglichkeit zu sehen.
Die sozialen Grundrechte wurden schon
angesprochen. Ich denke, dass das ein Kernstück einer etwaigen neuen Verfassung
sein muss. Selbstverständlich mit einer Rechtsdurchsetzbarkeit, denn sonst ist
es ein Märchenbuch und keine Verfassung. Des Weiteren ist die Verankerung von
verstärkten Kontroll- und Minderheitsrechten besonders wichtig.
Wenn ich mir - Sie wissen, ich gehöre
dem Konvent noch nicht so lange an (seit dem 1. Juli 2004), seit ich in meinem
neuen Amt bin als Mitglied der Wiener Landesregierung, aber ich habe sehr
aufmerksam vorher schon den Konvent mitbeobachtet und insbesondere kenne ich
die Berichte aller Ausschüsse, und da stellt sich für mich eines dar, dass mit
großem Engagement, mit sehr großem Sachverstand über nunmehr 18 Monate von
engagierten Fachleuten und Politikerinnen und Politikern gearbeitet wurde und
dass es meines Erachtens daher jetzt, und das ist auch mein Ersuchen an das
hohe Präsidium, Aufgabe des Präsidiums sein muss, diese Ergebnisse
festzuhalten. Denn ich denke das, worüber jetzt noch kein Konsens besteht, und
Herr Prof. Funk hat das für mich
jetzt sehr eindrucksvoll für diesen Ausschuss auch dargestellt, da werden wir jetzt in den nächsten 6 Wochen, auch
wenn der Konvent bis Ende Jänner verlängert wird, keinen Konsens finden.
Und ich erachte es auch als mangelnden
Respekt vor allen Professoren, die hier mitgearbeitet haben, vor allen
Ländervertretern, die hier mitgearbeitet haben, vor allen Parteienvertretern
und Vertreterinnen, die hier mitgearbeitet haben, wenn man sich auf den
Standpunkt stellt, ihr habt zwar jetzt 18 Monate lang gut gearbeitet und das
wird ja auch immer wieder betont, aber jetzt werden wir, die wir hier im
Konventspräsidium sind, aus dem einen Konsens finden. Ich denke, dass das keine
redliche Vorgangsweise ist, ich ersuche darum, dass das Ergebnis des Konvents
eine Darstellung der hervorragenden Arbeit des Konvents ist, und ersuche
inständig darum, auf einen Verfassungstext zu verzichten, da dieser Verfassungstext
keinesfalls dem Ergebnis der Verhandlungen der letzten 18 Monate entsprechen
kann. Herzlichen Dank.
Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke,
Frau Stadträtin. Die nächste Wortmeldung steht bei Herrn Professor
Grabenwarter. - Bitte sehr.
DDr. Christoph Grabenwarter: Herr Vorsitzender! Meine Damen
und Herren!
Der Ausschuss 4 hat, wie Vorsitzender
Funk dargestellt hat, eine durchaus intensive Schlussphase hinter sich, und ich
würde den Wandel in der Arbeit gerade seit September dahingehend
charakterisieren, dass sich eine neue Aufgabenteilung zwischen Präsidium und
Ausschuss heraus gebildet hat. Der Ausschuss ist bedingt durch inhaltliche
Gesichtspunkte stärker dazu über gegangen, Textvarianten einander
gegenüberzustellen und die Unterschiede hervorzuheben und im Grundsätzlichen
den Konsens über Mögliches festzuhalten. Das ist auch deswegen durchaus
sinnvoll gewesen, weil wir durch Einwechslungen - sie wurden erwähnt - auf der
Ebene der Experten durchaus neuen Schwung erhalten haben.
Wenn ich auf das Inhaltliche gehe,
bevor ich auf die Frage, die eben von meiner Vorrednerin angesprochen wurde,
eingehe, so darf ich hervorheben, dass der Ausschuss vor allem im Bereich der
sozialen Grundrechte, der Kinderrechte und der Gleichheitsgarantien den Boden
aufbereitet hat für das Präsidium, und zwar in durchaus umfassender Art und
Weise. Hier kam der Vorschlag der Sozialpartner zum richtigen Zeitpunkt mit dem
richtigen Inhalt. Er bedeutete eine ganz entscheidende Beschleunigung und einen
entscheidenden Impuls für den Ausschuss, denn hier wurde in weiten
Teilbereichen ein Konsensklima erzeugt und die Gespräche liefen sehr positiv
weiter, auch wenn die Ergebnisse in diesem Punkt im Ausschuss selber noch nicht
in jedem einzelnen Detail zur Einigung führten.
Anders als meine Vorrednerin empfinde
ich es nicht als respektlos, wie das Präsidium bis jetzt und wohl auch in
Zukunft mit uns Experten umgeht. Kollege Funk und ich haben eine sehr intensive
und aus meiner Sicht erfreuliche Präsidiumssitzung miterleben dürfen. Das
heißt, das Präsidium hat die Experten in die Beratung eingebunden, und ich habe
mit Erstaunen wahrgenommen, dass es Konsens gibt über existentielle
Mindestsicherung, über das Streikrecht, über soziale Sicherheit, über
Grundrechte des Arbeitslebens, über ein Grundrecht auf Schutz der Gesundheit
und über den Vorschlag der Grünen zum Recht auf Wohnen. Wenn man sich zu diesen
Themen die Rhetorik im Mai oder Juni angesehen hat, hat man das vielleicht für
unmöglich gehalten. Für mich ist das eine besonders erfreuliche Entwicklung.
Vielleicht war das schon eine erste Ausstrahlungswirkung des Ausschusses 2 auf
die Grundrechte.
Ich meine daher, dass es heute
festzuhalten gilt, dass es wegen der Gesprächsbereitschaft ungeachtet von
realen Rahmenbedingungen sehr erfreuliche und weit gehende Konsense gibt.
Keinen Konsens gibt es beim Rechtschutz, hier bin ich in Abweichung zu anderen
der Auffassung, dass die Frage der Staatshaftung gerade im Bereich der
Grundrechte überbetont wird, dass es eine totale Untätigkeit des Gesetzgebers
praktisch nicht gibt und dass für alle anderen Fälle das bestehende Instrumentarium
des Verfassungsgerichtshofes ausreicht.
Die Ergänzung des Rechtschutzes, wie
sie im Vorschlag Jabloner/ Rzeszut/Grabenwarter für eine Gesetzesbeschwerde im
Ausschuss 9 eingebracht wurde, halte ich für sinnvoll und auch gerade mit Blick
auf die Grundrechte für angezeigt. Nicht erforderlich halte ich, dass man hier
vor dem Hintergrund des gewachsenen Rechtsschutzsystems im 6. Hauptstück des
B-VG auch eine Urteilsverfassungsbeschwerde einführt.
Ich möchte zum Schluss noch einmal
etwas tun, was schon vor einem halben Jahr geschehen ist, nämlich dem
Vorsitzenden danken. Ich glaube, ich darf das auch im Namen von
Ausschussmitgliedern, die heute nicht da sind, tun. Er hat unglaubliche Arbeit
geleistet. Die Anzahl der Sitzungen ist nur ein vordergründiges Zeichen für die
Belastung. Ich möchte mich aber auch für die zunehmende Gesprächsbereitschaft
über die Gruppierungen hinweg bedanken, gerade mit den Sozialpartnern haben
sich die Gespräche im Herbst sehr gut entwickelt.
Meine Bitte zuallerletzt ist, und da stehe
ich in bewusstem Gegensatz zu meiner Vorrednerin, dass das Präsidium auf Basis
des Konsenses die Anstrengung unternimmt, einen Textvorschlag für einen
Grundrechtskatalog vorzulegen. Ich glaube, dass das, was der Ausschuss im
Bereich der Freiheitsrechte geleistet hat und was der Ausschuss gemeinsam mit
dem Präsidium im Bereich der sozialen Grundrechte, aber auch der
Gleichheitsrechte vorgelegt hat, Boden und Basis genug ist für einen
Textvorschlag, der auch in kürzerer Zeit vorgelegt werden könnte. Vielen Dank.
Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke,
Herr Professor. Als nächster Redner hat sich Herr Professor Holoubek zu Wort
gemeldet. - Bitte sehr, Herr Professor.
Dr. Michael Holoubek: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Christoph, Du darfst den Dank auch im Namen der anwesenden
Ausschussmitglieder, auch der Wechselspieler, zum Ausdruck bringen. Ich habe
mir überlegt, wie der Vorsitzende selbst seine Tätigkeit beschrieben hätte,
vielleicht so: der Vorsitzende hat einen dialektischen Prozess in einem
teiloffenen autopoetischen System aktiv und reflexiv gesteuert und analytisch
begleitet. Für einfachere Leute wie mich übersetzt heißt das, er hat über 38
Ganztagssitzungen die Ausschussmitglieder motiviert, bei der Stange gehalten
und er hat vor allem darauf geschaut, dass wir uns nicht nur mit uns selbst,
unseren eigenen Vorstellungen, sondern vor allem auch mit der gemeinsamen Sache
beschäftigen. Er hat mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit darauf geachtet, dass
die Probleme offen gelegt und ihre Ursachen benannt werden.
Was heraus gekommen ist, ist eine
analytische Aufarbeitung der Bedeutungsmöglichkeiten von Grundrechten im
Allgemeinen und zu den einzelnen Grundrechten im Besonderen. Dieser Bericht
hat, da bin ich mir sicher, bleibenden Wert. Wenn ich es so sagen darf: Der
„Funk-Bericht“ wird jedenfalls über den 31. Jänner 2005 hinaus Bestand haben.
Meine Damen und Herren! Ich glaube,
dass der Ausschuss damit die Grundlagen für einen modernen österreichischen
Grundrechtskatalog gelegt hat. Wir haben Antwortoptionen auf heutige
Bedrohungssituationen vorgelegt, und wir haben Modelle für gleichwertige und
funktionierende soziale Grundrechte, das Sozialpartnermodell ist erwähnt
worden, vorgelegt.
Es ist jetzt Aufgabe des politischen
Prozesses, das aufzugreifen und Übereinstimmung auch dort herbeizuführen, wo es
sie bislang aus welchen Gründen aus immer, nicht gibt. Gestatten Sie mir dazu
eine persönliche Bemerkung: ich würde mir hier durchaus auch ein bisschen Mut,
und ich meine das in Richtung aller Beteiligten, ich würde mir hier durchaus
Mut für diesen politischen Prozess wünschen; oder um es, wenn heute schon
Nestroy zitiert worden ist, mit einem anderen Österreicher zu sagen, mit halben
Mitteln auf halbem Weg zu halber Tat sollte nicht das Motto sein.
Wenn man sich manchmal anschaut, wie
genau überlegt wird, was mit bestimmten Formulierungen und was mit bestimmten
Garantien in welchen Verästelungen verbunden sein könnte - meine Damen und
Herren! Wenn wir mit einem solchen Zugang 1964 die EMRK angeschaut hätten, dann
hätten wir sie heute ganz sicher noch nicht im Verfassungsrang.
Das gilt sowohl für die Grundrechte,
aber auch für das Rechtsschutzsystem. Wieder persönliche Bemerkung: ich hätte
mir auch für das Rechtsschutzsystem an einigen Ecken und Enden mehr Mut
gewünscht. Ich bin der festen Überzeugung, dass soziale Grundrechte von einer
funktionierenden ordentlichen Gerichtsbarkeit und von einer funktionierenden
Verwaltungsgerichtsbarkeit leben, die nicht im heutigen Typenzwang stecken
bleibt, sondern den Schritt zu einer echten Verwaltungsgerichtsbarkeit mit der
Möglichkeit, auch einfach Defizite in der Verwaltung aufzugreifen geht. Würde
man eine Verwaltungsgerichtsbarkeit, die auch das leistet, einrichten, dann
würde man erkennen, dass die Frage der verfassungsgerichtlichen Kontrolle nur
eine unter mehreren ist. Aber ich halte sie trotzdem für eine bedeutsame und da
gibt es eben unterschiedliche Zugangsweisen. Jedenfalls ist wichtig, dass die
verfassungsgerichtliche Kontrolle, gerade wenn man einen Grundrechtskatalog
hat, der auch das Standbein sozialer Grundrechte effizient ausgestaltet, dass die
verfassungsgerichtliche Kontrolle auch im Bereich des Zivilrechts, des
Arbeitsrechts, des Sozialrechts funktioniert. Welches Modell das gewährleistet,
ist eine Wertungsfrage. Wenn Sie mich nach meiner persönlichen Einschätzung
fragen, dann hätte ich eine gewisse Präferenz auch für eine
Urteilsverfassungsbeschwerde.
Meine Damen und Herren, wie die
Sozialpartnereinigung gezeigt hat, wie Teildiskussionen im Präsidium gezeigt
haben, und wie auch einzelne Expertengespräche gezeigt haben: ein
Grundrechtskatalog liegt im Bereich des Möglichen. Um den Vorsitzenden weiter
zu spinnen, die Welt könnte hier auch das sein, was der Fall sein könnte,
nämlich ein Grundrechtskatalog. Es ist die Verantwortung der Politik, ob sie
dieses Ergebnis realisieren will oder ob sie es nicht realisieren will. Und es
ist auch die Verantwortung der Politik, nicht nur, ob sie das Ergebnis haben
will, es ist auch die Verantwortung der Politik, und ich meine das in alle
Richtungen, ob sie ein Klima schafft, wo ein solches Ergebnis möglich ist.
Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Besten Dank,
Herr Professor. Als nächste Rednerin hat sich Frau Generalsekretärin Hochhauser
zu Wort gemeldet. - Bitte sehr, Frau Generalsekretärin.
Mag. Anna-Maria Hochhauser: Sehr geehrter Herr
Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich darf mich anschließen an das, was
bereits vor mir geschehen ist, nämlich zu danken dem Ausschuss 4, den
Mitgliedern des Ausschusses 4 und insbesondere Herrn Professor Funk für die
geleistete, umfassende Arbeit. Dass der Ausschussbericht letztlich in vielen
Bereichen nur Dissense festhalten konnte beziehungsweise Varianten darstellen
konnte, liegt einfach darin begründet, dass Grundrechtsformulierungen
letztendlich doch einer politischen Entscheidung vorbehalten sein müssen. Der
Sozialpartnervorschlag ist mehrfach bereits angesprochen. Wir haben einen
Vorschlag zu sozialen Grundrechten im Bereich der Arbeitswelt versucht zu
erstellen, um damit den Weg für eine politische Entscheidung, vielleicht für
einen politischen Kompromiss, aufzuzeigen.
Und ich darf hier einige inhaltliche
Kernpunkte der Sozialpartnereinigung noch näher darstellen, weil sie vielleicht
doch in Nuancen anders ausschaut als jetzt im Präsidium diskutiert oder auch in
anderen Vorschlägen enthaltene Grundrechtsformulierungs-vorschläge. Ganz
bewusst wählt der Sozialpartnervorschlag eben nicht die Formulierung: „Recht
auf Arbeit“, vielmehr wird im Sozialpartnervorschlag unter dem Titel: „Arbeit“
jedem Menschen das Recht auf sichere, gesunde, würdige, gerechte und
angemessene Arbeitsbedingungen zugesprochen. Und damit werden aus unserer Sicht
keine missverständlichen und möglicherweise unrealistischen Erwartungen
geweckt.
Was die Vorschläge zu sozialer
Sicherheit und existenzieller Mindestversorgung betrifft, ist darauf
hinzuweisen, dass es ausdrücklich nicht das Konzept der Sozialpartnereinigung
war, die Regeln über soziale Sicherheit und über die existentielle
Mindestversorgung zu verquicken. Es entspricht zum Beispiel auch nicht unserem
Konzept, die existentielle Mindestversorgung an den rechtmäßigen Wohnsitz in
Österreich zu binden, vielmehr sollte die existentielle Mindestversorgung nach
der Sozialpartnereinigung jedem zukommen, der sich tatsächlich in Österreich
aufhält. Die soziale Sicherheit hingegen ist ein System, das an die Erlaubnis,
in Österreich selbstständig und unselbstständig zu arbeiten, anknüpft. Hier
sieht der Sozialpartnervorschlag ausdrücklich nicht nur den regelmäßigen
Aufenthalt in Österreich als Anknüpfungspunkt vor, sondern er verweist hier
auch auf einfachgesetzlich vorzusehende Voraussetzungen wie für
Sozialversicherungsansprüche.
Der Sozialpartnerentwurf beschränkt
sich auf soziale Grundrechte in der Arbeitswelt. Da inzwischen aber im
Präsidium des Konvents auch andere soziale Grundrechte diskutiert wurden,
möchte in nunmehr zu dieser Diskussion, soweit deren Inhalt uns bekannt ist,
Stellung nehmen.
Ein soziales Grundrecht, wie auf
Vereinbarkeit von Familie und Beruf, könnte aus unserer Sicht aus
systematischen Gründen auch in den Arbeitsartikel des Sozialpartnervorschlages
integriert werden und wir würden für diesen Fall den Titel: „Arbeit“,
beziehungsweise „Arbeitsbedingungen - Familie und Beruf“ vorschlagen. Dazu
müssten allerdings die Terminologien „Elternkarenz“ und „Mutterschaftskarenz“
entflochten und an die Terminologie des vorgeschlagenen Arbeitsgrundrechtes
angepasst werden.
Das Recht auf Wohnen ist im
Sozialpartnervorschlag nicht bearbeitet oder behandelt worden. Eine Bestimmung,
die aber lediglich lautet, dass jeder Mensch das Recht auf Wohnen haben soll,
scheint inhaltlich doch etwas zu unbestimmt und könnte daher insbesondere im
Hinblick auf allfällige Drittwirkungsfragen so nicht befürwortet werden. Und
zum Anspruch auf Zugang zu Infrastruktur und sonstigen Leistungen von
allgemeinem Interesse ist zu sagen, dass diese sowohl weit über die
diesbezüglichen Bestimmungen der
EU-Grundrechtecharta hinausgeht, als auch unserer Meinung nach dem im Ausschuss
1 bereits erzielten Konsens für eine Staatszielbestimmung zur Daseinsvorsorge
widerspricht.
Bei einer Formulierung als Anspruch
ist hier auf gravierende Auswirkungen, wie etwa auf den Erhalt von Nebenbahnen,
Busverbindungen, oder Autobahnauf- und -abfahrten in jedes Nebental,
hinzuweisen und ich ersuche hier, dass diese Anregungen im Rahmen der
politischen Verhandlungen näher betrachtet werden, und, wenn möglich, auch
berücksichtigt werden.
Nun, ich darf vielleicht noch ganz
allgemein sagen zu der Diskussion von heute, dass überhaupt ein Gelingen einer
neuen Verfassung nur dann möglich ist, wenn es uns gelingt über die eine oder
andere regionale Grenze, aber vor allem über parteipolitische Grenzen
hinwegzusehen, was wir aus der Sicht der Wirtschaft ständig gewohnt sind und
auch tun. Und daher bitte ich alle Verantwortlichen, auch aus der Sicht der
Wirtschaft, in Hinblick auf den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Österreich,
diese Grenzen oder diese Grenzziehungen innerhalb der Diskussion abzulegen und
die Arbeit von 18 Monaten in Konventsausschüssen nicht sozusagen als
vergebliche Liebesmüh’ erscheinen zu lassen, sondern tatsächlich zu einem
erfolgreichen Abschluss zu bringen. Dankeschön.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner (übernimmt den Vorsitz):
Danke, Frau Mag. Hochhauser. Nächster Redner ist der Herr Mag. Joachim
Preiss.
Mag. Joachim Preiss: Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich lasse es mir nicht nehmen, an dieser Stelle auch meinen
Dank auszusprechen vor allem an den Vorsitzenden des Ausschusses 4 und an seine
fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wirklich an diesem
Mammutprojekt mit hohem Engagement sehr viel gearbeitet haben; 38 ganztägige
Sitzungen, die wollen auch vorbereitet sein. Dieses Lob soll aber auch
ausgedehnt werden, vor allem auf die anderen Mitglieder des Ausschusses 4. Die
Wissenschaft hat hier wirklich Tolles geleistet. Ich sehe anwesend Prof.
Grabenwarter, Prof. Thienel und Prof. Holoubek, die auch mit großem Engagement
und viel Arbeitszeit hier ihr Scherflein beigetragen haben. Auch die
ökumenische Arbeitsgruppe, die im Vorfeld sehr viel getan hat, ist hier mit zu
bedenken im Lob und im Dank.
Die Sozialpartner, was haben die nun getan? Ja, wir haben
den Sommer damit verbracht, zu verhandeln. Unter uns gesprochen, es war kein
besonders großes Opfer, wie wir alle wissen, war der Sommer nicht so schön.
Umso schöner war das Ergebnis dieser Verhandlungen. Wir haben, wie ich meine,
in sehr guter Art und Weise uns in der Mitte getroffen. Wir haben immerhin
Einigung zustande gebracht zu Themen wie der existentiellen Mindestsicherung,
der sozialen Sicherheit, zu einem Recht auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen
und - last but not least, sehr geehrte Damen und Herren - zum Koalitionsrecht,
inklusive Arbeitskampfrecht. Das ist medial untergegangen. Ich persönlich würde
das als durchaus sensationell bewerten. Jahrzehnte hat das nicht funktioniert,
jetzt ist es am Tisch. Das war unsere Vorleistung und ich bedanke mich auch
hier ausdrücklich für das Lob an die Sozialpartner. Wir sind es ja nicht
unbedingt gewohnt, Lob zu bekommen, und umso mehr freuen wir uns darüber.
Als Reaktion auf meine Vorrednerin möchte ich schon auch
etwas sagen zu den angesprochenen neuen Punkten: Daseinsvorsorge, Vereinbarkeit
Beruf und Familie. Ich widerspreche hier Frau Generalsekretärin Hochhauser.
Punkt 1: Recht auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss ein eigenes
Grundrecht sein, schon allein wegen der Signalwirkung. Punkt 2:
Daseinsvorsorge. Nur, weil es eine Verständigung im Ausschuss 1 auf ein
Staatsziel gibt - und das habe ich bei Prof. Funk gelernt - das schließt nicht
aus, dass es hier auch noch eine grundrechtliche Verbürgung gibt. Da müssen wir
einfach noch, falls wir das Mandat haben, oder hätten, oder bekämen, darüber
sprechen. Wir sind natürlich wie immer gesprächsbereit.
Zum Schluss nach so viel Positivem möchte ich doch auch
Kritik anbringen - und Sie gestatten mir hier eine persönliche Anmerkung. Ich
arbeite auf Expertenebene und die Sacharbeit bei der Kompromisssuche ist nicht
so sehr das Problem. Ein Gutteil der Arbeit - und ich würde sogar meinen, mehr
als die Hälfte der Arbeit - besteht darin, in den eigenen Reihen zu laufen und
Überzeugungsarbeit zu leisten. Und da möchte ich anmerken, dass ich im Sommer
und im Frühherbst bei den Funktionärinnen und Funktionären durchaus auf offene
Ohren gestoßen bin. In den letzten Wochen wehte mir aber eher strenger Wind
entgegen. Mir wurde immer wieder gesagt: ja, was willst du denn mit deinen
Kompromissbemühungen, wenn wir auf der anderen Seite - und ich spreche hier die
Umlagendebatte an - heftigst angegriffen werden. Auf der einen Seite wird
verhandelt und auf der anderen Seite soll uns als Arbeiterkammer die
existentielle Grundlage entzogen werden oder es wird die finanzielle Grundlage
zumindest in Zweifel gezogen. Das ist nicht einfach und mit diesem Gegenwind
kann ich Ihnen nur persönlich sagen, ist es sehr, sehr schwer, sachorientierte
Kompromisse zu suchen und möglicher Weise zu finden. Danke vielmals.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Mag. Preiss. Nächster Redner ist der Herr
Präsident Dr. Rzeszut. - Bitte.
Dr. Johann Rzeszut: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Ich möchte den Ausführungen der Mitglieder des Ausschusses
4 auch noch einige grundsätzliche Bemerkungen hinzufügen, und was die
Danksagungen anlangt, auf meine Vorredner verweisen, beziehungsweise auf das,
was ich bereits zu früheren Anlässen aus ehrlicher Überzeugung gesagt habe.
Gestatten Sie mir einen kurzen historischen Ausflug, der nicht von seinem
Inhalt her interessant ist, aber von seiner systematischen Aussagekraft. Prof.
Ermacora veröffentlicht in seinem Buch „Handbuch der Grundfreiheiten und der
Menschenrechte (1963)“ einen Auszug aus einem Ministerratsprotokoll vom 18.
Februar 1849. Damals wurde über ein Grundrechtsreformvorhaben diskutiert,
insbesondere über einen Satz mit folgendem Wortlaut: „Die Gleichberechtigung“ -
so hat das damals geheißen - „aller im Lande üblichen Sprachen in Schule, im
Amt und im öffentlichen Leben, wird vom Reiche gewährleistet.“ Daraufhin hat
eine Diskussion eingesetzt, und man hat eingewendet - bzw. an dieser
Wortfassung problematisiert - sinngemäß wie folgt: auf Grund der gegenwärtigen
Bestrebungen sei mit maßlosen Ansprüchen zu rechnen, denen die Regierung nicht
entsprechend Rechnung trägen könnte.
Ich bringe dies hier nur deswegen vor - nicht wegen des
inhaltlichen Bezuges zu dem Grundrecht auf Gleichberechtigung der Sprachen
beziehungsweise der Nationalitäten, sondern deshalb, weil bei diesem
Diskussionsverlauf schon damals die eigentliche Basisproblematik von
grundrechtlichen Diskussionen deutlich wurde, eine Grundproblematik, die sich
1920 wiederholt hat, und die wir alle, die den Ausschusssitzungen beigewohnt
haben, immer wieder auch aktuell miterleben konnten. Das Grundproblem besteht
darin, dass es extrem schwierig ist, Grundrechte, vor allem auch neu angedachte
Grundrechte, so zu determinieren, dass sie aus der Sicht des regelmäßig
dahinter stehenden Rechtschutzgedankens als tauglich fassbarer
Prozessgegenstand in der Praxis durchgesetzt werden können. Das ist das große
Problem. Und das ist das „Tischtuch“, an dem unter Umständen von verschiedenen
Seiten immer wieder gezogen wird.
Worauf ich eigentlich hinaus will ist, dass ich den
Gedanken oder den Umstand ansprechen möchte, dass kaum ein anderer
Rechtsbereich von mehr Kohärenzen, von so vielen Zusammenhängen mit zum Teil
krass oder überwiegend widerstreitenden Interessensphären gekennzeichnet ist,
wie der Grundrechtsbereich. Man kann eine derartige Kohärenz, eine derartige
Widersprüchlichkeit, unter zwei Aspekten sehen. Der eine Aspekt ist, man
betrachtet das als Kontroverse, dann sind Friktionen vorprogrammiert, oder, und
das will ich hier in meiner abschließenden Wortmeldung primär zum Ausdruck
bringen, man kann es auch als gemeinsames Problem sehen.
Es wurde heute schon angesprochen: Die Partnerschaft der
Gebietskörperschaften beim Bericht des Ausschusses 10: Bund, Länder, Gemeinden.
Sie haben z.B. beim Finanzausgleich ein gemeinsames Problem, und das sollte man
gemeinsam lösen. Und dieser Partnerschaftsgedanke ist in meinen Augen ein ganz
wunderbarer. Wir haben in unserer Republik die Einrichtung der
Sozialpartnerschaft, die (auch international) zu Recht viel gepriesen wird. So
sind beispielsweise im Bereich der sozialen Grundrechte die Gegensätze zwischen
der freien Wirtschaft und all den sozialen Aspekten, welche die Arbeitnehmer
betreffen, eigentlich nur scheinbar. Arbeitgeber, Arbeitnehmer sitzen im Grunde
genommen auf demselben Ast. Eine gesunde Wirtschaft ist eine unabdingbare
Voraussetzung für das Wohlergehen auch der Arbeitnehmerschaft, und eine
„gesunde“ Arbeitnehmerschaft hat auch in all ihren Anliegen, insbesondere auch
im Streben nach gesicherten Arbeitsplätzen das Bedürfnis und das Interesse
daran, dass es eine gesunde Wirtschaft gibt. Denn nur von dort kann eine
derartige Sicherheit kommen.
Man kann diese Aspekte durch alle Grundrechte durchdenken.
Ich will Sie im Moment damit nicht länger belasten. Aber wenn man das so sieht,
und die Problematik der Ausschussarbeit auch so sieht, dass wir im Ausschuss 4
- bei aller Schmalspurigkeit von Konsensbereichen, die Herr Dr. Voith zuvor
schon angesprochen hat - dass wir gemeinsame Probleme hatten und dabei bemüht
waren, die einzelnen Anschauungsvarianten gemeinsam jeweils in sich stimmig zu
machen und zu optimieren, dann war das, so glaube ich, ein Weg, der auch auf
jener Ebene weiter beachtet werden sollte, die das Wirken der Ausschüsse
übersteigt. Die Ausschüsse haben ihre Arbeit getan, sie haben, so glaube ich,
die Erwartungshaltung, nämlich Module einer Verfassung für die Arbeit auf
politischer Ebene zu liefern, voll erfüllt. Und es wird dann an der politischen
Ebene liegen, hier das Partnerschaftliche in den Vordergrund zu stellen und den
Nutzen der Ausschussarbeit bei der Kompilierung einer neuen Verfassung
gemeinsam zu optimieren. Danke schön.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Präsident Dr. Rzeszut. Nächster Redner ist der
Herr Landtagsdirektor Dr. Lengheimer. - Bitte.
DDr. Karl Lengheimer: Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Ich war nicht
Mitglied des Arbeitsausschusses 4, habe aber dank der
Geschäftsordnungsregelung, der Vertretungsmöglichkeit durch andere
Konventsmitglieder, die Möglichkeit gehabt, an zahlreichen Sitzungen dieses
Ausschusses teilzunehmen und ich bin sehr dankbar dafür. Wir haben in diesem
Ausschuss 4 die Methode erlebt - und die Methoden waren in den Ausschüssen ja
durchaus unterschiedlich -, dass der Vorsitzende von allem Anfang an darauf
geachtet hat, nicht nur die verschiedenen Standpunkte zu den einzelnen
Grundrechten synoptisch darzustellen -
das auch, und das war sehr umfangreich uns sehr viel Arbeit -, sondern auch immer wieder versucht hat,
etwas Gemeinsames daraus zu finden, und gemeinsame Ergebnisse zu erzielen. Und
das ist erfreulicher Weise in durchaus vielen Fällen auch gelungen.
Wir haben viele positive Ergebnisse, die zweifellos einen
Fortschritt bedeuten, und ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass man
auf die Realisierung dieser Fortschritte in der weiteren parlamentarischen
Arbeit verzichten wird wollen. Andererseits scheint mir die Situation auch in
diesem Arbeitsausschuss am Ende durchaus symptomatisch für den gesamten
Österreich-Konvent. Wir werden in der noch verbleibenden Zeit und in der noch
möglichen Art und Weise letztlich zu klären haben, ob wir den Konvent als
Darstellung unabänderlicher Positionen betrachten, oder ob der Konvent im
eigentlichen Sinn des Wortes versucht, zusammenzukommen, in den wichtigsten
Verfassungsfragen und von durchaus unterschiedlichen, ideologischen, politischen
oder auch rechtswissenschaftlichen Standpunkten aus.
Auch das Erstere ist schon sehr viel, die Darstellung der
unabänderlichen Positionen, weil dies, wenn es in der Öffentlichkeit
dargestellt wird, jedenfalls einen Informationswert hat. Im Sinne des Konvents
und im Sinne seines Grundgedankens ist es jedoch, glaube ich, nicht. Für die
Grundrechtssituation bedeutet das, dass wir uns zu überlegen haben werden, ob
wir nur einfach als Ergebnis am Ende des Tages festschreiben, welche
individuell durchaus verständlichen, aber nicht immer mehrheitsfähigen
Positionen zu einzelnen Fragen geäußert wurden, oder ob wir versuchen, zu einem
konsensualen Grundgedanken vorzudringen, der meines Erachtens in diesem Bereich
darin liegen könnte, dass wir -
und das müsste konsensfähig sein -
eine deutliche Schranke errichten, damit nicht mit der Methodik von
Ausgliederungen oder gesetzesfreier Verwaltung oder ähnlichem, jene
Diskriminierungen ermöglicht werden, die in der politischen Programmatik
lautstark und wortreich beklagt werden. Wenn das gelingt, und das sollte
konsensual gelingen, könnte auch das schon ein Ergebnis sein, worauf wir uns
einigen konnten. Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Herr Dr. Lengheimer. Nächster Redner ist der Herr
Dr. Johannes Schnizer.
Dr. Johannes Schnizer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Der Kollege Grabenwarter hat berichtet, dass es weitgehend
Konsensmöglichkeiten gäbe im Präsidium über soziale Grundrechte. Ich möchte das
dazu anmerken, dass es einen verbalen Konsens in vielen Bereichen zu geben
scheint, allerdings gibt es bis jetzt überhaupt keinen Textvorschlag, der
bereits konsentiert worden ist, und es hat sich auch im Ausschuss 4 schon immer
gezeigt, dass man dann bei konkreten Formulierungen zeigt, dass ein scheinbarer
Konsens sich als Scheinkonsens entpuppt. In dem Zusammenhang zu Frau
Generalsekretärin Hochhauser, weil Sie gemeint haben, man sollte
parteipolitische Grenzen überschreiten, es ist halt sehr schwierig,
parteipolitische Gräben zu überspringen, wenn sie gleichzeitig immer breiter
und tiefer werden. Und ich konnte mich, wie jeder gesehen hat, am Beginn des
Konvents vorübergehend nur humpelnd mit Krücken bewegen, und zwar auf Grund
eines Bergunfalls, weil ich ein begeisterter Bergsteiger bin, und als solcher
weiß ich, dass man über Gletscherspalten dann nicht springen sollte, wenn deren
Rand bröckelt, da stürzt man nämlich hinein. Dann lässt man es besser gleich
ganz bleiben, und versucht erst gar nicht zu springen.
In dem Sinn wäre es schön, wenn es einen Konsens über einen
Grundrechtskatalog gäbe. Aber ich glaube, es hat nur dann einen Sinn, wenn das
Präsidium einen Textvorschlag vorlegt, wenn es einen Konsens über den
Gesamtvorschlag gibt, sodass wir danach einen kompletten österreichischen
Grundrechtskatalog hätten. Das würde ich für sehr wünschenswert finden und
darauf hoffe ich auch noch. Natürlich muss dann auch das Problem der MRK gelöst
werden. Da wird die Position vertreten, sie sollte ihrer unmittelbaren
Anwendbarkeit und des Verfassungsrangs entleidet werden. Der Ausschuss 2 hat
dazu vorgeschlagen oder hat das erörtert und hat gemeint, dass das ein
international verheerendes Signal wäre, weil hier immer auf die unmittelbare
Anwendbarkeit als vorbildlich hingewiesen wird. Ich hielte es auch für keine
Katastrophe, wenn es dann halt zwei Texte gibt, die dann jeweils einander in
keinem Punkt widersprechen, sondern sich nur ergänzen.
Natürlich müsste es dann auch einen Konsens über den
Rechtsschutz geben. Es wird zwar jetzt immer gesagt: ja, ja, natürlich, soziale
Grundrechte auch als subjektive Rechte, aber ob es wirklich subjektive Rechte
sind, erweist sich nur an einem wirksamen Rechtsschutz, wo der Einzelne eine
Überprüfung begehren kann, ob ein konkretes Grundrecht verletzt wurde oder
nicht. In dem Zusammenhang wurde das letzte Mal und auch heute schon wieder von
einigen Rednern das Modell der Gesetzesbeschwerde präferiert und die beiden
Präsidenten von VwGH und OGH haben das letzte Mal ja sehr beachtliche Gründe
ins Treffen geführt, warum aus ihrer Sicht eine Verfassungsbeschwerde nicht in
Betracht kommt. Ich möchte deswegen kurz zur Rechtschutzproblematik auf zwei
Bereiche hinweisen. Erstens: Bei sozialen Grundrechten muss es unbedingt einen
Rechtschutz bei Untätigkeit der staatlichen Organe geben. Das lässt sich ganz
einfach am Recht auf Kinderbetreuung darstellen, das wir erörtert haben, oder
das auch im Präsidium im Zusammenhang mit dem Recht auf Vereinbarkeit von Beruf
und Familie erörtert wurde.
Dieses Recht hat für einen Vater oder eine Mutter nur dann
einen Wert, wenn etwa in einer entlegenen Gegend, Liezen in der Steiermark oder
irgendwo anders, eine Frau auch darlegen kann, dass sie überhaupt keine
Betreuungsmöglichkeit mit angemessenem Entgelt für ihren Dreijährigen findet,
weil es derartige öffentliche Einrichtungen für diese Altersgruppe nicht gibt.
Und nach unserem Modell der Staatshaftung würde das bedeuten, dass dann diese
Frau das Recht hat, vom Verfassungsgerichtshof die Feststellung zu begehren,
dass durch Untätigkeit der staatlichen Organe sie hier in ihrem Recht auf
Kinderbetreuung verletzt wird. Das steht dann insoweit im Einklang mit dem
Vorschlag der Sozialpartner, auf Grund einer solchen Feststellung des
Verfassungsgerichtshofes soll dann nach einer Frist die Staatshaftung ausgelöst
werden, wenn die zuständigen staatlichen Organe weiterhin untätig bleiben.
Zum Thema der Verfassungsbeschwerden. Diese halte ich
deswegen im Zusammenhang mit den sozialen Grundrechten für unbedingt
erforderlich, weil diese vor allem im Rahmen des Privatrechts auch wirksam
werden. Und im Privatrecht ist es nicht so, dass in gleicher Weise das Handeln
der Beteiligten, das sind eben Private untereinander, durch das Gesetz
präformiert wird, sonst gäbe es keine Privatautonomie mehr. Und es ist
undenkbar, dass hier etwa die Bestimmungen über den Vertragsabschluss im ABGB
aufgehoben werden, deswegen, weil es keine ausreichenden Bestimmungen über die
Höhe eines gerechten Entgelts gibt.
Des Weiteren ist das Argument der Verfahrensverzögerung
umzudrehen. Die Verfahrensverzögerung tritt gerade bei dem Modell der
Gesetzesbeschwerde auf, wo man nach jeder Instanz zum Verfassungsgerichtshof
gehen könnte, und der aber auf Grund einer hypothetischen Rechtslage zu
entscheiden hat - er hat ja nur, das Gericht hat ja nur darzulegen, oder es
wäre nur darzulegen, dass eine Norm denkmöglich anzuwenden ist, im weiteren
Verfahren kann man dann durchaus zum Ergebnis kommen, dass eine ganze andere
Norm anzuwenden wäre. In der ganzen verstreichenden Zeit wäre aber der Gang der
ordentlichen Gerichtsbarkeit gehemmt, so dass es zu enormen
Verfahrensverzögerungen kommt. Das wäre nicht der Fall, wenn der
Verfassungsgerichthof auf einer durch die ordentliche Gerichtsbarkeit bereits
gesicherten Rechtsgrundlage entscheiden könnte.
Das Dritte ist, dass auch die höchstgerichtliche Funktion
der anderen beiden Gerichte in keiner Weise beeinträchtigt wird, weil ja hier
völlig unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe anzuwenden sind, das wäre genauso, wie
wenn man sagen würde, dass der Verfassungsgerichtshof kein Höchstgericht ist,
weil es auch den Europäischen Gerichtshof der Gemeinschaften oder den
Europäischen Gerichtshof der Menschenrechte gibt.
In diesem Zusammenhang noch ein kurzes Wort zur
Landesverwaltungsgerichtsbarkeit. Die Landesverwaltungsgerichtsbarkeit allein
bringt für den Bürger keine entscheidende Verfahrensverkürzung. Wenn durch die
Beibehaltung der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit man immer erst die zweite
Instanz, den Verwaltungsgerichtshof, dann anrufen kann, wenn davor abgewartet
worden ist, was der Verfassungsgerichtshof gesagt hat. In dem Sinn sind wir aufgerufen für große Reformen.
Deswegen auch der Zusammenhang zwischen Landesverwaltungsgerichtsbarkeit und
Verhältnis der beiden Höchstgerichte zueinander. Wenn man nicht zu den großen
Reformen kommt, ist es unbenommen, dass die Regierung einen Regierungsvorschlag
für die Einführung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit vorlegt und der
Verfassungsgerichtshof diese berät. Das setzt natürlich auch voraus, dass man
sich über die Finanzierungsfragen einigt. Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents
Angela Orthner: Danke. Nächste Rednerin ist Frau Dr. Kahr, Mitglied des
Präsidiums des Österreich-Konvents. - Bitte.
Dr. Claudia Kahr: Dass mich ausgerechnet der Herr Dr. Schnizer
dazu bewegt, mich einmal hier zu Wort zu melden.
Aber ich glaube, ich muss als Mitglied des Präsidiums, ich
hoffe auch mit Ihrer Zustimmung, schon auch zum Klima im Präsidium etwas sagen.
Natürlich gibt es kontroversielle
Standpunkte, natürlich gibt es bei verschiedensten Punkten sehr
unterschiedliche Sichtweisen. Aber wir haben gerade, was den Bereich der
sozialen Grundrechte betrifft, auf Basis der Einigung der Sozialpartner oder
der Voreinigung der Sozialpartner ein
relativ sehr, sehr gutes Klima gehabt und haben in Teilbereichen
tatsächlich diese unterschiedlichen Sichtweisen so aufgearbeitet, dass wir
nahezu oder zumindest den Versuch unternommen haben, die rechtspolitische
Einigung festzuhalten.
Natürlich - und das ist mir absolut klar - gehört bei der,
nach der Definition der sozialen Grundrechte auch die Frage des Rechtsschutzes
dazu. Also, das eine, und das andere: Wir wollen keine zahnlose Prosa. Das
steht aber noch sozusagen auf der Tagesordnung. Auch da glaube ich, gibt es
zwar unterschiedliche Sichtweisen, eine haben wir gerade wieder gehört. Wäre
der Präsident Jabloner auch hier, würde er eine andere jetzt auch zum Besten
gegeben. Ich werde das jetzt nicht ersatzweise machen, aber ich glaube, es gibt
sozusagen auch da die Zielsetzung, soziale Grundrechte dürfen nicht nur
irgendwo stehen, sondern man muss auch etwas davon haben können. Der einzelne
Bürger muss spüren, dass sich etwas geändert hat. Diese Zielsetzung teilen wir,
und ich bin ziemlich optimistisch, dass man da, wenn beide Seiten wollen, auch
da zu einem Ergebnis kommen kann. Diese Beratungen finden aber jetzt erst statt
oder werden erst stattfinden.
Zusammenfassend meine ich, dass wir hier im Konvent das
gemeinsame Interesse haben sollten, diese Ergebnisse, die erzielt wurden in
vielen Stunden Arbeit, ins Ziel zu bringen. Das ist meine persönliche Position.
Dort, wo man sich nicht einigen kann, aber auch dort, wo man sich nicht
geeinigt hat, auch das zu Papier zu bringen, weil es für die Zukunft, und zwar
für den demokratiepolitisch wohl auch wirklich zuständigen
Verfassungsgesetzgeber, von Vorteil ist, wenn er diese Positionen nachlesen
kann. Wir haben nichts davon, wenn man glaubt, man kann jetzt binnen sechs
Wochen einen Entwurf hinzaubern, der sozusagen alles camoufliert. Das ist
unseriös, also ich kann das nicht. Ich werde da, könnte da niemals mitgehen.
Ich glaube, man muss verfassungspolitische Einigungen zu Papier bringen und man
muss es dem Verfassungsgesetzgeber überlassen, der auch dazu legitimiert ist,
dann in der nötigen Detailarbeit
sozusagen die mögliche Änderung dann zu formulieren. Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner:
Danke, Frau Dr. Kahr. Das war zugleich auch die letzte Wortmeldung der heutigen
Plenumssitzung des Österreich-Konvents.
Sie haben ganz sicherlich - und heute ist es ja oft und oft
angesprochen worden - davon gehört und gelesen, dass wir im Präsidium einen
Beschluss gefasst haben, den Österreich-Konvent um ein Monat verlängern zu
wollen. Aus diesem Grund entfällt die Konvents-Plenumssitzung am 21. Dezember.
Es wird stattdessen eine Präsidiumssitzung geben und wir fassen den 28. Jänner
des nächsten Jahres für die tatsächliche Abschlusssitzung im Plenum des
Konvents ins Auge. Eine Einladung dazu wird Ihnen rechtzeitig zugehen.
Die heutige Sitzung ist damit geschlossen. Ich wünsche
Ihnen alles Gute.