Österreich-Konvent
17. Sitzung
Freitag, 28. Jänner 2005
T A G E S O R D N U N G
Bericht des Österreich-Konvents
Inhalt
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler.............................. 3
Dr. Andreas Khol................................................................................................... 3
Dr.
Peter Wittmann................................................................................................ 6
MMag.
Dr. Madeleine Petrovic............................................................................ 7
Herbert
Scheibner.............................................................................................. 10
Dr.
Wolfgang Schüssel....................................................................................... 12
Mag. Barbara Prammer....................................................................................... 15
Angela
Orthner.................................................................................................... 17
Mag.
Sonja Wehsely............................................................................................ 19
Waltraud
Klasnic.................................................................................................. 21
Mag.
Gabi Burgstaller......................................................................................... 23
Dr.
Christoph Leitl............................................................................................... 26
Hans
Niessl.......................................................................................................... 28
Stellvertretende
Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner.. 29
Dipl.-Ing.
Jörg Freunschlag................................................................................ 30
Elisabeth
Gehrer................................................................................................. 32
Friedrich
Verzetnitsch........................................................................................ 34
Christine
Gleixner............................................................................................... 36
Mag. Terezija Stoisits......................................................................................... 38
Dr.
Johann Rzeszut............................................................................................. 41
Dr.
Peter Kostelka............................................................................................... 44
Dr.
Clemens Jabloner......................................................................................... 46
MMag.
Dr. Willi Brauneder................................................................................. 47
Johann
Hatzl........................................................................................................ 50
Dr.
Günter Voith................................................................................................... 52
Albrecht
Konecny................................................................................................ 54
Dr.
Theodor Öhlinger......................................................................................... 55
Stellvertretender
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka 57
Dr.
Bernhard Raschauer.................................................................................... 57
Dr.
Gerhart Holzinger......................................................................................... 59
DDr.
Christoph Grabenwarter........................................................................... 61
Dr.
Ewald Wiederin.............................................................................................. 63
Dr.
Claudia Kahr.................................................................................................. 65
Dipl.-Kfm.
Erich Pramböck................................................................................. 66
Gebhard
Halder................................................................................................... 68
DDr.
Karl Lengheimer......................................................................................... 70
Bernd
Vögerle...................................................................................................... 72
Dr.
Peter Bußjäger.............................................................................................. 74
Dr.
Herbert Haller................................................................................................ 75
MMag.
Michael Neureiter................................................................................... 77
Dr.
Evelin Lichtenberger.................................................................................... 78
Helmut
Mödlhammer........................................................................................... 80
Mag.
Johanna Ettl................................................................................................ 82
Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler............................ 85
Herbert
Scheibner.............................................................................................. 85
Dr.
Evelin Lichtenberger.................................................................................... 85
Dr.
Klaus Poier..................................................................................................... 85
Dr.
Michaela Pfeifenberger................................................................................ 87
Dr. Alfred Finz...................................................................................................... 90
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler:
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf die heutige und zugleich letzte
Sitzung des Österreich-Konvents eröffnen und alle Anwesenden sehr herzlich
begrüßen. Ich begrüße auch die Fernsehzuschauer daheim, die unserer Übertragung
folgen.
Gegenstand der heutigen Sitzung ist ein einziger Tagesordnungspunkt, allerdings ein bedeutsamer Tagesordnungspunkt,
nämlich der Bericht des Österreich-Konvents. Er liegt Ihnen vor. Er besteht aus
vier Teilen, die teilweise selbst wieder unterteilt sind. Die Diskussion, die
heute darüber abzuführen ist, bezieht sich unterschiedslos auf alle Teile.
Die Redezeit für die erste Wortmeldung jedes Redners ist
vom Präsidium einvernehmlich auf 10 Minuten festgesetzt worden, also abweichend
von der bisherigen Übung, die eine Redezeit von 5 Minuten vorgesehen hat.
Sollte jemand ein zweites Mal das Wort ergreifen wollen, ist allerdings die
Redezeit wie üblich auf 5 Minuten begrenzt.
Ich darf angesichts der bereits sehr zahlreich vorliegenden
Meldungen darum ersuchen, wenn möglich, die jedem Redner zur Verfügung stehende
Redezeit von 10 Minuten nicht voll auszuschöpfen. Aber es steht Ihnen natürlich
zu, dies dennoch zu tun.
Die Sitzung ist mit offenem Ende. Das heißt, wir sind nicht
an ein Zeitlimit gebunden. Ich finde das auch richtig angesichts der Bedeutung,
die diese Sitzung hat und der Bedeutung des Berichtes, der heute vorgelegt
wurde.
Ich darf somit in die Tagesordnung eintreten und als erstem
Redner dem Präsidenten des Nationalrates, Herrn Dr. Andreas Khol, das Wort
erteilen. Bitte, Herr Präsident.
Dr. Andreas Khol: Herr Präsident! Meine Damen
und Herren!
Österreich hat seit 1920 eine
republikanische und demokratische Verfassung. Auf dieser Verfassung beruht
unser Gemeinwesen. Auf Grund dieser Verfassung ist Österreich zu einem
blühenden, geordneten, demokratischen Staat geworden.
Trotzdem waren wir immer der Meinung,
nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, nach den Gräueln des Nationalsozialismus,
dass wir unsere Verfassungsentwicklung weiter treiben müssen. Wir konnten uns
1920 nicht über einen Grundrechtskatalog einigen. Unsere Verfassung ist
unübersichtlich, für die Bürgerinnen und Bürger schwer erschließbar.
Daher ist Österreich auf die
Ergebnisse des Europa-Konvents aufmerksam geworden, wo in einer ähnlichen
Situation in der Europäischen Union ein Europa-Konvent einberufen wurde mit der
Aufgabe, einen Textvorschlag für eine Europäische Verfassung zu erarbeiten –
mit den gleichen Zielen: Moderne Grundrechte, Schutz für die Bürgerinnen und
Bürger, Übersichtlichkeit, Erschließbarkeit, rational geordnete Verwaltung.
Dieser Europa-Konvent war ein Erfolg.
Zwar ist die Europäische Verfassung heute, mehrere Jahre nach dem Abschluss des
Konventes, noch nicht in Kraft, aber es gibt einen Text. Nachdem dieser Erfolg
kundig wurde, haben Maria Schaumayer und Alfred Payerleitner, der heute unter
uns ist, vorgeschlagen, wir sollten doch analog einen Österreich-Konvent
machen.
Im Jahr 2002 wurde dieser Vorschlag
von verschiedener Seite aufgegriffen. Alfred Gusenbauer hat einen solchen
Österreich-Konvent angeregt und Franz Fiedler als Vorsitzenden vorgeschlagen.
Der Bundesratspräsident Herwig Hösele und ich haben diesen Vorschlag
aufgegriffen. Der Herr Bundeskanzler hat nach der Wahl im Jahr 2003 ein
Gründungs-Komitee einberufen und dort haben jene Kräfte, die diese Republik
tragen, die Parteivorsitzenden auf der Bundesebene, die Landeshauptleute, die
Landtagspräsidenten, die Sozialpartner und der Gemeinde- und Städtebund die
Entscheidung getroffen, einen Österreich-Konvent einzuberufen, denn es könnte
auch bei uns eine solche Konsensbasis geben: Einen Textvorschlag für eine neue
Verfassung.
Wir haben fleißig gearbeitet. Ich
möchte allen Damen und Herren danken. Wir hatten an die 250 Sitzungen in diesem
Konvent, 44 Präsidiumssitzungen, über 30 Plenarsitzungen, hunderte von
Ausschuss-Sitzungen. Alles das, ohne einen einzigen Spesenschilling, einen
einzigen Euro, hier in Anspruch zu nehmen. Die Leistung erfolgte ehrenamtlich
von den Damen und Herren, die hier sitzen. Ich möchte mich bei Ihnen auch dafür
bedanken.
Heute liegt der Entwurf eines Berichts
des Österreich-Konvents vor. Er wird am 23. Februar den Spitzen des Staates in
Bund und Ländern überreicht werden. Dieser Vorschlag, den wir heute
diskutieren, ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer neuen Verfassung. Der
Textvorschlag ist noch nicht die neue Verfassung, aber zu keinem Zeitpunkt der
Geschichte der demokratischen Republik Österreich hatten wir einen derart
umfangreich ausgereiften und modernen Verfassungsentwurf vorliegen.
An die 50 Prozent dieses Entwurfes
entsprechen der derzeitigen Rechtslage in neuer und verständlicher Sprache.
Weitere 25 Prozent sind aus meiner Sicht Konsense, also Übereinstimmungen, die
in den Ausschüssen dieses Konventes erarbeitet und im Präsidium des Konventes
durchdiskutiert wurden und die, glaube ich, epochale Fortschritte bedeuten.
Beispielsweise ein verständlicher, einheitlicher, Deutsch geschriebener
Grundrechtskatalog, der bürgerliche, politische, kulturelle, aber vor allem
auch soziale Grundrechte einklagbar verbürgt. Das ist etwas, das wir in dieser
Republik seit 1920 diskutieren, jetzt im Konvent erreicht haben. Dass ein
Kompromiss der Sozialpartner, die hier im Konvent vertreten waren, den Weg dazu
bereitet hat, streicht einmal mehr die Rolle heraus, die die
Sozialpartnerschaft in dieser Republik nach wie vor spielt und hoffentlich immer
spielen wird.
Ist der Konvent ein Erfolg? Ich
glaube, er ist ein Erfolg. Natürlich haben wir das Ziel nicht erreicht, da bin
ich Realist, einen Textvorschlag herzulegen, zu dem alle Mitglieder dieser
erlauchten Versammlung sagen: „das ist es“. Aber wir haben in weiten
Teilbereichen Fortschritte erzielt. Der Menschenrechtsbereich – das ist das,
was die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes am ehesten und am direktesten
interessiert. Wir haben im Rechtsschutz Fortschritte erzielt, beispielsweise
die Landesverwaltungsgerichte sind Konsens des Konvents und aller ihn tragenden
politischen Kräfte. Ich darf diejenigen, die schon lange im Zug der
Verfassungsreform tätig sind, daran erinnern, dass die so genannte
Bundesstaatsreform des Jahres 1994 daran gescheitert ist, dass wir uns nicht
einigen konnten, ob es solche Verwaltungsgerichte der Länder geben sollte.
Jetzt haben wir uns geeinigt, und so
könnte ich vom Fiedler-Textvorschlag, der auf der Grundlage der Ausschussarbeit
erstellt wurde, viele Beispiele sagen, wo es Konsens gibt, wo es Fortschritt
gibt, die Ausgangspunkt für weiterführende Beratungen sind.
Wir haben die Atomfreiheit dieses
Landes im Entwurf. Wir haben die Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger
dieses Landes im Entwurf. Wir haben die besondere Stellung von Wald, Forst und
Wasser, Bundesforste, in diesem Entwurf, also ein Staatsprinzip. Wir haben
Rechtsschutz verbessert. Das heißt also, sehr viel, was die Menschen dieses
Landes zutiefst bewegt und auch interessiert.
Der Entwurf ist allerdings nicht
perfekt, ich möchte das sehr bewusst sagen. Es ist nicht so, wie die Zeitungen
schreiben, auf den Unwillen der Länder zurückzuführen, sondern, das ist auf den
Konvent und das Präsidium des Konvents zurückzuführen, dass es keine
Übereinstimmung über eine Neuordnung der Arbeitsverteilung zwischen Bund und
Ländern gibt.
Die Länder haben mit den
Landtagspräsidentinnen und Präsidenten, den Landeshauptleuten, im Konvent
initiativ, positiv und konstruktiv mitgearbeitet. Die Vorschläge, die von dort
kamen, sind wichtig und bilden Teil unseres Berichtes. Wir selbst haben einen
Ausschuss gehabt, den Kompetenzausschuss – Peter Bußjäger hat ihn geleitet –,
dem es gelungen ist, die 190 verstreuten Kompetenzbestimmungen in 50 zu
konzentrieren. Das ist ein Erfolg.
Wir haben neue Zuständigkeiten,
geordnet in 3 Säulen, das ist ein Erfolg. Was uns nicht gelungen ist, ist die
Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern, zwischen Bund und Ländern zu
vereinbaren. Daran waren wir vom Präsidium Schuld, weil wir diesbezüglich kein
Einvernehmen gefunden haben. Der Vorschlag, den der verehrte Herr Präsident auf
diesem Gebiet gemacht hat, ist aus der Sicht eines Föderalisten, der hier vor
Ihnen als Tiroler Abgeordneter steht, absolut inakzeptabel. Ich sage das bei
allem Lob für diesen Textvorschlag, aber die Arbeitsteilung zwischen Bund und
Ländern geht von einem Landesverständnis aus, das nicht zeitgemäß ist. Die
Länder sind mehr als Identität stiftende Verwaltungseinheiten. Die Länder haben
diese Republik gebildet, die Länder sind konstituierende Teile dieser Republik,
und daher müssen wir den Dialog mit den Ländern aufnehmen. Sie haben einen
Vorschlag gemacht, der wesentlich weiterführender ist als das, was im
Textvorschlag enthalten ist. Auf dieser Grundlage, glaube ich, müssen wir
weitergehen.
Für mich ist es auch enttäuschend,
dass dieser Entwurf zwar eine Präambel enthält, dass darin aber ein Rückbezug
auf Gott nicht enthalten ist, und dass darin, in einer anderen Kategorie, auch
die Schutzrolle für Südtirol nicht enthalten ist. Ich habe es mehrfach mit
Kollegen Scheibner versucht im Präsidium diese Verantwortung Österreichs für
die Südtiroler festzuhalten, es ist immer daran gescheitert, dass die Grünen
explizit dagegen waren, die Sozialdemokraten gesagt haben, wir sind offen, aber
diesen Vorschlag nehmen wir nicht an.
Ich hoffe, dass es in der Frage des
Gottesbezuges in der Verfassung heute einen Vorschlag von Oberin Gleixner gibt,
der auch diskutiert wird, und ich hoffe, dass alle Kräfte, die hier im Konvent
tätig sind, sich heute zur Verantwortung unseres Landes für unsere Landsleute
in Südtirol bekennen.
Wie soll der Reformprozess
weitergehen, meine Damen und Herren? Ich bin überzeugt, dass wir heute den
ersten Schritt der Verfassungsreform erfolgreich setzen. Ich bin überzeugt,
dass alle diejenigen, die jetzt über eineinhalb Jahre gearbeitet haben, auch
bereit sind, im Rahmen der Rechtsetzungsorgane der Republik weiter zu arbeiten
und weiter zu beraten, das heißt also im Rahmen des Nationalrates und des
Bundesrates. Und es wird an National- und Bundesrat liegen, diesen
Rohdiamanten, den wir vor uns haben, so zu schleifen, dass der politische
Konsens nicht nur zu 75 Prozent besteht, sondern zu 100 Prozent.
Ich bin der Meinung, meine Damen und
Herren, wir sind es Österreich schuldig, eine Verfassung zu erarbeiten, zu der
alle freudig Ja sagen können. – Ich danke Ihnen.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Besten Dank, Herr Präsident.
Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter
Dr. Wittmann. – Bitte sehr.
Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Die
österreichische Verfassung ist in die Jahre gekommen, das ist ein Konsens, der
den ganzen Konvent getragen hat, und es wurde versucht, in akribischer Arbeit
verschiedene Vorschläge zu erarbeiten, wie man eine Neugestaltung dieser
Verfassung letztendlich auch zu einem Konsens führen könnte.
Ich teile nicht die positive Einschätzung meines
Vorredners. Das Ergebnis dieses Konvents besteht nicht in einem akkordierten
Verfassungsentwurf, das Ergebnis besteht aber darin, dass verschiedene
Positionen in einem Bericht dargelegt werden, und letztendlich aus diesen sehr
unterschiedlichen Positionen es Aufgabe der Politik sein wird, hier einen
Konsens zu finden.
Ich lege auch Wert auf die Feststellung, dass dieser
Verfassungsentwurf, der hier nun vorliegt, ein Entwurf eines Mitgliedes ist,
und mir dieser Verfassungsentwurf niemals als Mitglied dieses Konvents
zugestellt wurde, sondern lediglich mit der Einladung zur letzten Sitzung
mitgeschickt wurde.
Ich lege auch Wert auf die Feststellung, dass dieser
Verfassungsentwurf niemals Teil der Diskussion war und in keinem der Ausschüsse
als Gesamtheit jemals diskutiert wurde und auch niemals mit uns abgestimmt war.
Das heißt, wir haben einen Bericht, der die unterschiedlichen Positionen
festlegt, wir haben einen Bericht, der die umfangreiche Arbeit aller Mitglieder
– wofür ich mich herzlich bedanken will im Namen der Sozialdemokratischen
Partei – dokumentiert, und aus diesem Bericht der unterschiedlichen Positionen
wäre es jetzt notwendig, einen gemeinsamen Konsens zu finden.
Der Konsens wird aber nicht möglich sein, wenn man mit
zweierlei Sprachumgangsformen an diese Konsensfindung herangeht. Die eine ist,
dass man im Parlament als Regierungsfraktionen jene Grundsäulen nicht mehr
akzeptiert, die eigentlich unsere gesellschaftlichen Positionen ausmachen. Wenn
ich nämlich hergehe und mir passt ein Wahlergebnis nicht, so wie bei der
Hochschülerschaftswahl, und ich dann mit einfachgesetzlicher Regelung zum
selben Zeitpunkt, als man hier im Konvent Konsens eingefordert hat, ohne auch
nur mit den Oppositionsparteien Kontakt aufzunehmen, das Wahlergebnis umdrehe,
dann ist das alles andere als Konsens. Und das ist auch nicht eine Art und
Weise, wie man mit einem politischen Partner umgehen sollte, wenn man zum
selben Zeitpunkt in einem Saal dieses Hauses den Konsens beschwört und im
anderen Saal die Konfrontation lebt. So wird ein Kompromiss, ein
kompromissfähiger Entwurf niemals zustande kommen.
Zum Entwurf selbst einige Anmerkungen: Die Grundsäulen
unserer Vorschläge im Konvent waren getragen von mehr Demokratie, mehr Rechte
für die Bürger, mehr Transparenz und Kontrolle. Es gab zwar verbale
Annäherung im Bereich der Grundrechte. Aber so lange Grundrechte nicht
durchsetzbar sind, haben sie keinerlei Möglichkeit, auch wirksam zu werden.
Daher ist die Grundforderung auf Durchsetzbarkeit nicht gegeben und sie sollte
auch vor dem Verfassungsgerichtshof durchsetzbar gemacht werden. Bei den
Grundrechten ist es auch noch dazu gekommen, dass man sämtliche Grundrechte
unter wirtschaftliche Vorbehalte gestellt hat. Das heißt eine weitere
Einschränkung eines echten Grundrechtskataloges. Auch das ist nicht akzeptabel.
In der Finanzverfassung ist es zu Verschlechterungen zu
Lasten der Länder und Gemeinden gekommen, das ist nicht die sozialdemokratische
Position. Wir wollten eine Stärkung der Gemeinden und wir wollten eine Stärkung
der Länder. Im vorliegenden Entwurf ist ausschließlich die Position des
Finanzministers wiedergegeben.
In der Selbstverwaltung gibt es keine Absicherung der
Österreichischen Hochschülerschaft und gerade dieses Gesetz, glaube ich, hat
gezeigt, dass man eher an Konfrontation interessiert ist, wie an Konsens. Man
hätte hier sehr leicht eine Möglichkeit gehabt, wenigstens Goodwill zu zeigen.
Im Wahlrecht keine generelle Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Es
wird keinem Österreicher klar sein, warum man auf Gemeindeebene seine
Vertretung mit 16 Jahren wählen kann, aber auf Landes- und Bundesebene
nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wo soll der
Unterschied liegen? Es ist also nicht verständlich, warum es diese Position
nicht gibt.
Zu den Untersuchungsausschüssen: Es ist nicht verankert,
verfassungsrechtlich, in diesem Entwurf, das Minderheitenrecht zur Einsetzung
eines Untersuchungsausschusses. Was eine unabdingbare Forderung für einen
Konsensbericht wäre. Bei der Regionalisierung keine Verbesserung für die Städte
mit eigenem Statut, aber auch bei den Kampfeinsätzen im Ausland gibt es keine
Einigung, und da ist eine unabdingbare Forderung der SPÖ, dass Kampfeinsätze im
Ausland nur mit einem UN-Mandat stattzufinden haben.
Sie sehen, meine Damen und Herren, es hat keine Einzige der
Grundpositionen der Sozialdemokratie in diesem Entwurf Eingang gefunden, daher
ist es sehr schwierig Konsens einzufordern. Es ist auch sehr schwierig, Konsens
zu leben, wenn man mit Maßnahmen, die unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang
mit der Fertigstellung dieses Berichtes stehen, auf Konfrontation mit den
Oppositionsparteien geht. Es wäre ein Leichtes gewesen, hier eine Absprache zu
treffen, um letztendlich auch zu einer Verfassung zu kommen. Wir waren bereit,
über unseren Schatten zu springen, wir haben die punktuelle Aufhebung der
Zweidrittelmehrheit in mehreren Materien angeboten. Wir haben mehrmals Angebote
gemacht, aber in diesem Entwurf findet sich keine einzige Position der
Sozialdemokratie.
Daher ist es zwar ein Entwurf eines Mitgliedes, aber kein
verhandelter Entwurf, kein mit den politischen Parteien abgesprochener Entwurf,
daher halten wir fest, dass das Ergebnis dieses Konvents ein Bericht ist, der
lediglich die unterschiedlichen Positionen aufzählt und viele neue Vorschläge
bietet, wie man einen politischen Konsens finden könnte, wenn man diese
unterschiedlichen Positionen mit großer Kompromissbereitschaft unsererseits
verhandelt und letztendlich zu einer gemeinsamen Vorgangsweise findet. Aber die
Vorgangsweise, ÖVP-Positionen auf den Tisch zu legen, mit der Opposition nicht
abzusprechen und dann von Konsens zu sprechen, ist nicht die richtige. – Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke, Herr Abgeordneter.
Die nächste Wortmeldung steht bei der Frau Abgeordneten
MMag. Madeleine Petrovic. – Bitte sehr.
MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Konventsmitglieder!
Herr Dr. Khol hat in seiner Schilderung der
Ereignisse, die zur Begründung dieses Konvents geführt haben, und zur Arbeit
das meiste sehr detailliert dargestellt. Im Ergebnis aber denke ich, wird man
dem noch einiges hinzufügen müssen, damit wir, wenn überhaupt, zu einer Basis
kommen können für die weitere Arbeit mit den Ergebnissen, die dieser Konvent
geliefert hat. Es ist zutreffend, dass die Arbeiten an der Europäischen
Verfassung Auslöser waren für die innerösterreichischen Bestrebungen, auch die
Österreichische Verfassung einer kritischen und zeitgemäßen Überprüfung zu
unterziehen. Nur, und das muss ich als österreichische, niederösterreichische
Abgeordnete mit einer gewissen Traurigkeit sagen: Offenbar war es in dem
riesigen und oftmals als schwerfällig beschriebenen Europa leichter möglich, zu
einem Text des Konvents zu kommen als in Österreich. Warum das so war, da
werden die Schilderungen auseinander gehen. Ich sehe auch persönlich eine sehr
starke Verantwortung bei den Regierungsparteien, und zwar bei den
unterschiedlichen Positionen, wie sie bei den Regierungsparteien, zum Beispiel
bei der ÖVP, aus den Ländern einerseits und vom Wirtschaftsflügel andererseits
kommen. Aber wie gesagt, wahrscheinlich werden hier die Meinungen auseinander
gehen.
Jedenfalls aber, und das ist mir wichtig, es gibt keinen
Textentwurf des Konvents. Es gibt Arbeitsergebnisse, und zwar eine Fülle von
durchaus – wirklich im wahrsten Sinn des Wortes – gewichtigen
Arbeitsergebnissen aus den Ausschüssen, aber es gibt keinen im Konvent
konsensual erstellten Text. Der Entwurf, der von Präsident Fiedler eigentlich
nach Beendigung der Ausschussarbeiten vorgelegt worden ist, ist in unseren
Augen kein Entwurf des Konvents. Er kann unter anderen Vorschlägen natürlich
auch in die Diskussion einfließen und tut dies ja auch, aber er hat auch eines
bewirkt, was ich durchaus nicht unproblematisch sehe. Postwendend, nachdem dieser
so genannte „Entwurf Fiedler“ vorgelegt worden ist, kam die Replik der
Landeshauptleute und kam ein Papier der Landeshauptleute. Wir können das jetzt
alle so machen, dass praktisch nach eineinhalb Jahren einer wirklich teilweise
harten Knochenarbeit – und alle, die dort in den Ausschüssen waren, die können
das bestätigen, wie viel Sitzungen wir dort absolviert haben und wie hart dort
um Positionen gerungen worden ist –, dass jetzt, nach Abschluss dieser
Arbeiten, in fast, möchte ich sagen, gewohnt österreichischer Manier, die
verschiedenen Gruppen kommen und sagen: Aber jetzt reden wir über mein Papier.
Das bringen wir alle zusammen, das bringen die Grünen auch zusammen, dass wir
sagen, bitte das sind unsere Vorstellungen und von diesen bewegen wir uns jetzt
einmal nicht einen Millimeter weg.
Das ist eigentlich ein Widerspruch, eine Konterkarierung
des Konventsprozesses. Denn wir haben ja deswegen eigentlich die normalen
Diskussionsgruppen der politischen Parteien, der Fraktionen in den
verschiedenen Parlamenten, im Nationalrat, in den Landtagen verlassen, um so
quasi aus diesen eingefahrenen Bahnen, die wir alle natürlich kennen,
herauszukommen, und dadurch, auch durch die neue Art des Prozederes, eine Form
zu finden, die uns vielleicht helfen könnte, diese traditionellen Positionen
und die scheinbar unversöhnlichen Gegensätze zu überwinden.
Wenn wir jetzt zurückfallen in die Positionen, da machen
die Länder ihr Papier, dann macht die Wirtschaftskammer ihr Papier, dann machen
die Parteien ihr Papier. Meine Frage: Das ist sehr viel Arbeit, das wird uns
noch einmal so viel Papier bescheren, aber wo ist der Weg, der Prozess, zu
einem Konsens und einer neuen Verfassung? Daher mein Vorschlag, meine Bitte,
dass wir noch einmal, vielleicht auf der Ebene des Präsidiums, des Konvents –
ich darf für den heutigen Tag übrigens Eva Glawischnig krankheitshalber
entschuldigen –, dass wir noch einmal versuchen, einen Prozess zu erstellen,
wie wir doch aus den Ausschussergebnissen heraus zu einer Neutextierung
zumindest wesentlicher Teile der Verfassung kommen. Und welche Teile so
dringend reformbedürftig sind, das ist hier auch schon in den vorangegangenen
Redebeiträgen im Kern dargestellt worden.
Natürlich geht es um die Frage der Grundrechte, eines
modernen Grundrechtskatalogs, es geht um die Frage der Rechtsbereinigung. Das
heißt, ich denke, wir teilen alle die Meinung, dass ein Wildwuchs des
Verfassungsrechts in anderen Gesetzen den Verfassungsrechtsbestand
unüberschaubar für die Bürgerinnen und Bürger macht, schwer kontrollierbar und
durchschaubar, und dass wir das hier in der Verfassungsurkunde konzentrieren
sollten. Allerdings, und das ist, wenn man so will, die Kehrseite dieses
Prozesses, der von allen als notwendig erachtet wird, das bringt mit sich – und
sprechen wir das doch einmal aus – eine Minderung der Möglichkeiten der
Opposition, das heißt, eines Drittels der Abgeordneten, bei inhaltlichen
Veränderungen mitzureden.
Daher ist es für mich in einer modernen und entwickelten
Demokratie ja logisch und notwendig – wenn die Opposition eigentlich auf eine
Minderung ihrer Mitspracherechte einsteigen soll –, dass im Gegenzug dazu die
institutionellen Kontrollmöglichkeiten, die Rechtskontrolle, ausgebaut werden
müssen. Und zwar durch eine Stärkung der Minderheitenrechte, beispielsweise im
Bereich des Rechts der Untersuchungsausschüsse. Es kann nicht sein, dass
Mehrheiten sich selber kontrollieren, das ist wirklich nicht mehr zeitgemäß,
und das heißt natürlich auch, durch die bewährten und etablierten
Kontrollorgane, insbesondere durch die Rechnungshöfe auf Bundesebene und auf Landesebene. Eine Schwächung in dem
Bereich, plus einer Schwächung der Mitsprachemöglichkeiten durch Konzentration
des Verfassungsrechts, das kann nicht Kern einer neuen Verfassung sein, und
selbstverständlich ist das keine taugliche Grundlage, um zu einem Konsens zu
kommen.
Einen zweiten Punkt möchte ich deutlich hervorstreichen:
Die ebenfalls schon angesprochene Malaise mit der Kompetenzbereinigung. Das ist
ein zweiter Bereich, der wirklich dringend reformbedürftig ist. Die
österreichische Verfassung, die Kompetenzartikel dieser Verfassung, die haben
eine Zersplitterung erreicht, die ja wirklich schon einer Verfassung fast unwürdig
ist. Hier müssen wir etwas tun. Und hier denke ich mir, wir kommen nur weiter,
wenn in dem weiteren Prozess die De-facto- Entscheidungsträger, insbesondere
auch aus den Ländern, in einer Art und Weise eingebunden sind, dass auch
wirklich die Weitergabe von Informationen sichergestellt ist.
Ich habe den Eindruck, dass teilweise das, was bei den
Landeshauptleuten angekommen ist, überhaupt nicht dem entspricht, was hier im
Konvent gelaufen ist. Und das kann ich als Landtagsabgeordnete wirklich sagen.
In den Ländern hat sich der Eindruck verdichtet, hier waren Zentralisten am
Werk, die die Länder um ihre Rechte bringen wollen, die die Landesrechte
beschneiden wollen. Da war kein Wort mehr vom epochalen Schritt der
Landesgerichtsbarkeit, vom Vorschlag, ein Steuerfindungsrecht in die Länder zu
bringen und sie damit auch zu einem Teil in die finanzielle Unabhängigkeit zu
bringen, und die Fülle von Detailvorschlägen, die es auch gab, im Bereich des
Kompetenzkataloges – Schlagwort „dritte Säule.“
Das ist dort nicht angekommen. Und dort habe ich den
Eindruck, dass man jetzt mittlerweile die Position vertritt, wir wehren alles
ab, was von dort kommt. Bitte schön. Die Landeshauptleute waren teilweise, aber
sehr selten, hier wirklich persönlich in diesem Konvent. Und ich glaube daher,
so lange wir dieses Spiel, Bund gegen Länder, auch insbesondere innerhalb der ÖVP, weiterspielen, wird ein
Konsens nicht erreichbar sein. Das Modell „Stille Post“, wir sagen es irgendwie
über Mittelsleute weiter, ist nicht dazu geeignet, letztlich zu einem Konsens
zu kommen.
Abschließend ein Letztes. Wir haben uns auch die Mühe
gemacht, die Liste der Punkte herauszustreichen, wo es durchaus Konsens gab.
Und die ist gar nicht so kurz. Hier gibt es wesentliche Punkte. Ich sage nur
einen, der mir ganz besonders am Herzen liegt, etwa die Rechte der Frauen, das
Gender Budgeting, auch in der
Finanzverfassung zu verankern, das heißt hier genauer aufzupassen, wem kommen
finanzielle Zuwendungen zu Gute und viele, viele andere Dinge, die ich jetzt natürlich
nicht alle hier erwähnen kann.
Ich glaube daher, es wäre die Mühe wert, jetzt einmal nicht
so sehr inhaltsorientiert, sondern vor allem ergebnis- und zielorientiert noch
einmal die Debatte zu öffnen und zu versuchen, und zwar auf Basis der Ausschussergebnisse,
tatsächlich zumindest den konsensual akkordierten Bereich auch tatsächlich in
einen Text des Konvents umzusetzen. – Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön, Frau Abgeordnete.
Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Klubobmann
Scheibner. – Bitte sehr, Herr Klubobmann.
Herbert Scheibner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte
Mitglieder des Verfassungskonvents!
Brauchen wir eine neue Verfassung? Das war nicht nur der
Titel einer Fernsehdiskussion zum Thema Verfassungskonvent, die hoffentlich
alle wirklich in Begeisterungsstürme versetzt hat, ich fürchte aber, dass, und
damit haben wir auch zu kämpfen gehabt, das Interesse für die neue Verfassung
und den Konvent doch enden wollend geblieben ist, bis zum heutigen Tag.
Aber brauchen wir diese neue Verfassung? Man könnte sagen,
nicht unbedingt. Denn wir haben eine Verfassung, die funktioniert und die sich
bewährt hat, aber es wäre sinnvoll, wenn wir die Entwicklung der letzten
Jahrzehnte, vor allem auch die Entwicklung seit Österreich Mitglied der
Europäischen Union ist, hier miteinbinden würden: Alle Erkenntnisse, alle Probleme
– allein der Umstand, dass es Zweidrittelmehrheiten im österreichischen
Parlament, bei vorigen Regierungen 1 300 Verfassungsbestimmungen in
verschiedenen einfachen Gesetzen verstreut, gibt, wo man immer dann, wenn man
gefürchtet hat, dass eine Regelung verfassungswidrig sein könnte und der
Verfassungsgerichtshof diese Regelung aufheben würde, ganz einfach mit
Zweidrittelmehrheit sehr bequem diese Regelung als Verfassungsbestimmung
beschlossen hat und damit der Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes hier
entzogen hat; auch diese Materie ist hier aufzuarbeiten.
Dass man einen Grundrechtekatalog verabschiedet, der,
einmal gesammelt, alle Rechte, auch der Bürger, der Menschen in Österreich,
hier verankert, dass man die Kompetenzen neu regelt, und zwar nicht nach dem
Prinzip, wer behält mehr, sondern wo wird eine Angelegenheit vernünftigerweise
geregelt. Dass man die Instrumente der Demokratie nach ihrer Sinnhaftigkeit
hinterfragt und möglichst ausbaut, damit man der Bevölkerung zeigt, ihr seid
nicht nur alle vier Jahre bei den Wahlen gefragt mitzubestimmen, sondern wir
wollen die Meinung des Volkes immer wieder auch miteinbeziehen. Und diese Liste
der Notwendigkeiten, der Sinnhaftigkeiten, könnte man noch lange fortführen.
Und vor diesem Hintergrund war es auch eine neue Art der
politischen Diskussion in Österreich, diesen Konvent so einzurichten, wie er
gestaltet worden ist, nach dem Konsensprinzip. Das heißt, jedes Mitglied war
gleich wichtig in diesem Konvent. Wenn in einem Ausschuss nur ein Mitglied gesagt
hat, mit dieser Regelung kann ich nicht mit, dann gab es keinen Konsens.
Unabhängig von welcher Partei, von welcher Interessensvertretung, von welcher
Gruppe er oder sie gekommen ist. Das war natürlich auch das Problem, dass
deshalb auch in vielen Bereichen, wo es einen mehrheitlichen Konsens geben
hätte können, dann in den Berichten nur der Dissens vermerkt werden konnte.
Aber trotzdem hatte ich auch den Eindruck, und ich war ja
im Grundrechteausschuss, im Kompetenzausschuss und dann seit einem Dreivierteljahr
im Präsidium, dass alle Vertreter versucht haben, bei zum Teil sehr
unterschiedlichen Zugängen doch etwas weiterzubringen, möglichst den Konsens zu
suchen. Und wir alle sind davon ausgegangen, dass am Ende ein Ergebnis auf dem
Tisch liegen wird, wo wahrscheinlich niemand restlos zufrieden ist, aber wo man
doch sagen kann: Diese 18 Monate der Arbeit – Präsident Khol hat ja die Stunden
und Tage und die Zahl der Ausschüsse angeführt –, diese Arbeit hat sich
gelohnt.
Und wenn wir uns jetzt so die Frage stellen: Hat sich diese
Arbeit gelohnt?, dann werden wir natürlich nach außen in den Reden sagen: Na,
selbstverständlich hat sich die Arbeit gelohnt! Wir sehen ja hier diese
Konsens-Dissens-Liste, wo die Ausschüsse ja hervorragende Arbeit geleistet
haben, wo es für viele Probleme, aktuelle, auch für Lücken in der Verfassung,
für Missstände Lösungsvorschläge gibt, oft auch mehrere Wege, um zu einer
Lösung, zu einem neuen Ansatz zu kommen und es im Prinzip jetzt nur die Frage
wäre: Für welchen Weg entscheidet man sich? Und dafür wäre jetzt – und da ist
ja jetzt auch die Politik gefordert – ein Konsens, ein Grundkonsens im
politischen Feld notwendig.
Und die Frage ist: Haben wir diesen Grundkonsens, können
wir ihn erreichen? Ich habe lange den Eindruck gehabt, dass auch alle
politischen Gruppierungen, die im Konvent vertreten sind, dieses Ziel gehabt
haben, und zumindest jene, die auch wirklich in den Gremien mitgearbeitet
haben, glaube ich und hoffe ich, haben das bis zum Schluss des Konvents gehabt.
Gleichzeitig musste ich den Eindruck bekommen, dass, je näher wir dem Ende des
Konvents entgegengegangen sind, desto mehr Kräfte entstanden sind, die gesagt
haben: Na, haben wir ein Interesse, dass dieser Konvent einen positiven
Abschluss erhält?
Und da hat es dann geheißen: Na ja, keine gesamte neue
Verfassung wird es sein, aber wenigstens eine Teilnovelle. Gut, die wäre ja
jederzeit – und das haben ja auch alle meine Vorredner hier gesagt – jederzeit
umsetzbar, denn es gibt in vielen wichtigen Bereichen Konsens. Aber dann hören
wir – und Kollege Wittmann hat es ja heute auf den Punkt gebracht –, dass man
aus verschiedenen Gründen doch nicht der Meinung ist, dass es irgendein
Ergebnis hier geben kann, das wir dann auch umsetzen können, denn dieser
Verfassungskonvent hat ja letztlich nur dann auch einen Abschluss, wenn wir im
Parlament auch diese Verfassungsgesetze beschließen, die hier vorgeschlagen
werden.
Und wenn man das dann junktimiert mit anderen politischen
Vorhaben – ob man jetzt für das ÖH-Gesetz ist oder nicht, aber wenn das der
Grund ist, dass dieses so wichtige Werk, diese wichtige Arbeit von uns allen
nicht abgeschlossen werden darf –, dann frage ich mich wirklich, warum wir hier
gesessen sind.
Und ich möchte schon Kollegen Kostelka auch in Schutz
nehmen, weil, wenn hier gesagt worden ist, die SPÖ konnte sich nirgends
durchsetzen in diesem Bereich, dann wäre das ja eine harsche und – ich meine –
ungerechte Kritik an den Verhandlungsteilnehmern, vor allem im Präsidium. Denn
ich glaube, es geht auch nicht darum: Wer hat sich jetzt mehr oder weniger
durchgesetzt, sondern: Welche Regelungen haben wir beschlossen? Und da haben
sich alle eingebracht, und gerade die Sozialdemokratische Partei in den Bereich
der Grundrechte, vor allem bei den sozialen Grundrechten, hat hier auch sehr
viel mit einbezogen und eingebracht. Soll das alles sinnlos gewesen sein, meine
Damen und Herren?
Und man hat ja manchmal das Gefühl, dass man sich nicht
einmal die Mühe gemacht hat, das auch alles zu lesen, denn diese allgemeinen
Wirtschaftsschranken bei den Grundrechten, die habe ich nicht gesehen – ich
weiß nicht, wo die herkommen. Aber man kann natürlich, wenn man versucht, den
Dissens in den Vordergrund zu stellen, alles als Argument hier mit einbringen.
Und natürlich gibt es auch Kritik hier zu äußern: Bei den Grundrechten etwa,
glaube ich, dass man zu wenig offensiv gewesen ist. Dass Baurecht und
Dienstrecht nach wie vor Länderkompetenz sein müssen, verstehe ich nicht,
obwohl wir alle auch hier immer wieder gesagt haben: Hier sind mutige Ansätze
gefordert!
Nach der Sinnhaftigkeit, etwa im Baurecht, ist das nicht
sinnhaft und nicht verständlich, dass es neun verschiedene Regelungen geben
muss. Es ist nicht verständlich, dass es ein Bundes-Dienstrecht gibt und neun
verschiedene Landes-Dienstrechte. Es ist für mich nicht verständlich, wenn man
schon die Länderrechte ausbauen will – und dazu bekenne ich mich auch –, warum
man dann etwa den Bundesrat nicht andiskutiert hat etwa von der
Zusammensetzung, wenn es darum geht, diese Länderkammer auch bei der
Beteiligung an der Bundes-Gesetzgebung schlagkräftiger zu machen.
Natürlich kann man darüber diskutieren, ob der Ausbau der
direkten Demokratie entsprechend gestaltet worden ist. Wir hätten uns
vorgestellt, etwa die Direktwahl der Landeshauptleute mitzuverankern, oder dass
bei einem Volksbegehren, das eine qualifizierte Anzahl an Unterschriften
bekommen hat, also zumindest eine Volksbefragung abgehalten werden soll.
Und da könnte man viele Punkte anführen: die Verantwortung
Österreichs für die altösterreichischen Minderheiten, für Südtirol, ein klar
definierter Auftrag des Staates, für die eigene Sicherheit zu sorgen. All das
ist aus meiner Sicht noch nicht umfassend und ausreichend in den verschiedenen
Vorschlägen geregelt.
Aber ich bin sehr dankbar, dass Präsident Fiedler einen
Vorschlag für einen Gesamt-Entwurf vorgelegt hat – man sieht, es geht, wenn man
will –, ohne jetzt inhaltlich zu sagen, das ist alles in Ordnung und da braucht
man nichts mehr zu verändern, aber es geht, wenn man will!
Und ich habe gesagt, auch von unserer Seite ist vieles auch
in den verschiedenen Papieren nicht so, wie wir uns das gewünscht hätten – ja,
das wird jedem so gehen! –, aber wir sind bereit zu sagen: Ja, wir haben
Maximalforderungen, die können wir nicht alle umsetzen, aber wir bringen uns
ein, versuchen, einen möglichst breiten Konsens zu erwirken, und es soll sich
jeder in dieser neuen Verfassung wieder finden, aber sie muss kommen, es muss
ein Ergebnis geben nach diesen 18 Monaten Arbeit.
Und jetzt wird es an der politischen Ebene liegen. Ich habe
vorgeschlagen, dass Präsident Fiedler und Präsident Khol mit den Spitzen der
politischen Parteien einmal in Klausur gehen und sich überlegen: Wie kann es
weitergehen mit dieser Verfassung? Denn was ich so höre: Na also, in dieser
Legislaturperiode darf da überhaupt nichts mehr herauskommen, das kann wohl
nicht im Sinne von einer verantwortungsbewussten Politik liegen. Denn dann
waren diese Ergebnisse wirklich umsonst, denn in zwei, drei, vier Jahren wird
das alles wieder anders gesehen.
Also, ich hoffe, dass alle die parteipolitischen, die
ideologischen Scheuklappen ablegen und dass man versucht – so wie wir hier
dieses Konsens-Prinzip gehabt haben –, jetzt auf der politischen Ebene sich
zusammenzusetzen und alles daran zu setzen, dass die Verantwortung für
Österreich, für den Staat, vor der Parteizugehörigkeit steht und wir diese
wichtigen, notwendigen, sinnvollen Reformen doch noch im österreichischen
Parlament umsetzen können.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön, Herr Klubobmann.
Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundeskanzler. –
Bitte sehr.
Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hoher Konvent! Liebe Österreicherinnen und Österreicher, die die Debatte – die Abschlussdebatte dieses Konvents – heute mitverfolgen! Zunächst ein Wort anschließend an Herbert Scheibner: Natürlich hat sich die österreichische Bundesverfassung bisher bewährt, sonst wären wir ja nicht dort, wo wir stehen, und sie war bisher ein durchaus taugliches Instrument – allerdings sehr kompliziert, mit über 1 000 Verfassungsbestimmungen, die außerhalb der österreichischen Bundesverfassung zu finden sind, mit politischen Versuchen, über Verfassungsbestimmungen die Rechtskontrolle durch den Verfassungsgerichtshof zu unterlaufen und vor allem noch nicht einbezogen den Effekt, den juristischen Effekt, den die Mitgliedschaft Österreichs zur Europäischen Union seit zehn Jahren bedeutet. Daher, glaube ich, gibt es genügend Gründe, zu sagen: Dieser Konvent war notwendig, war sinnvoll.
Und wir stehen heute an einer Weggabelung, wir haben ein Ergebnis zu beurteilen, das eigentlich beeindruckend ist in seiner Fülle, auch im Reichtum dessen, was hier angedacht wurde. Und es ist völlig klar, dass mit einem Konvent mit über 70 Teilnehmern es nicht einfach ist, einen Konsens zu finden, dem jeder zustimmen kann. Und jetzt wurde da von vorneherein schon gesagt: Also das ist nicht das Ergebnis, das vorgelegt wurde – Präsident Fiedler hat hier quasi einen Privat-Entwurf zustande gebracht.
Darf ich ganz offen sagen: Niemand von uns wird zu 100 Prozent das, was Franz Fiedler in eigener Verantwortung, aber auf Grund der Diskussion zustande gebracht hat und vorgelegt hat, bejahen können, aber es ist ein absolut sinnvolles, gutes Ergebnis, von dem weg wir arbeiten können, indem wir in die Verhandlungen im National- und im Bundesrat und mit den anderen Gebietskörperschaften eintreten.
Ich meine, man kann das ganz undramatisch sehen: Wie ist denn der europäische Konvent – der Verfassungs-Konvent – zustande gekommen? Das war ja genau das Gleiche! Da sind über 100 Experten, Abgeordnete, Europaparlamentarier, nationale Parlamentarier, persönliche Vertreter der Regierungschefs zusammengesessen und haben versucht, ihr Bestes zu geben, am Ende war das natürlich ein Auseinander-, ein Hin- und Her-Gezerre, was jetzt wirklich der gemeinsame Nenner sein wird.
Und am Ende hat der Präsident Giscard d’Estaing versucht, den Gordischen Knoten so wie Alexander zu durchschlagen, indem er einen eigenen Entwurf vorgelegt hat, der teilweise im Teil 3 ja nie im Konvent diskutiert werden konnte, was ja auch übrigens nachher sehr heftig diskutiert und kritisiert wurde. Trotzdem, nach einem Jahr weiterer Debatten in der Regierungskonferenz mit den Staats- und Regierungschefs unter Einbindung der nationalen Parlamente, siehe da, wir haben einen gemeinsamen Konsens zu Stande gebracht, den jetzt bereits drei Länder ratifiziert haben. Auch Österreich wird rund um das Staatsvertragsjubiläum mit der Ratifikation folgen.
Genau so könnte es sein, wenn der positive Wille da ist, den wir eigentlich alle am Anfang ausgesprochen haben, indem wir Franz Fiedler zu unserem Präsidenten gewählt haben und ihm damit natürlich auch die Verantwortung, ein bisschen auch wohl den Schwarzen Peter in die Hand gedrückt haben. Er muss diese verschiedensten Meinungen so bündeln, dass wir daran weiterarbeiten können, dass am Ende wirklich etwas Vernünftiges herauskommt.
Jetzt auch wieder ganz offen gestanden: Natürlich wird uns die Arbeit nicht abgenommen und nicht leicht gemacht. Dass wir dann mit den Gebietskörperschaften, mit den Ländern, Gemeinden, Sozialpartnern noch einmal reden müssen – klar. Aber wir haben jetzt ein Ergebnis und vor allem einen Text, von dem weg wir arbeiten können. Und da sind schon einige Punkte, die mich als Jurist durchaus freuen und die ich eigentlich beeindruckend finde wie etwa die Vorschläge des Konvents zur Verfassungsbereinigung oder die Vorschläge zu einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz. Das ist für den Bürger unerhört wichtig, weil er schneller zu seinem Recht kommt. Oder der moderne Grundrechtskatalog – und da bitte, Herr Abgeordneter Wittmann, das muss man schon hinzufügen, da ist ein kleines österreichisches Wunder geschehen, nämlich alle österreichischen Sozialpartner, Arbeitgeber genau so wie Arbeitnehmer und die Bauern haben die sozialen Grundrechte, die Sie als Nichts oder als nicht ausreichend bezeichnet haben, gemeinsam hier mitgetragen. Also wenn wir zur österreichischen Sozialpartnerschaft stehen, zu einer vernünftigen Konsenskultur, dann würde ich bitte dieses Ergebnis nehmen und nicht künstlich in Frage stellen.
Aber es ist richtig, dass man weiter arbeiten muss. Und da mache ich jetzt als Bundeskanzler und Vertreter quasi der bösen zentralistischen Institutionen der Republik, ganz offen ein Angebot, eine Einladung an die Bundesländer: Reden wir offen über eine optimale Verteilung der Kompetenzen – nicht in dem Sinn, wer behält seine Macht und wer kann jetzt möglichst viele Kompetenzen an sich raffen. Ich bin bereit, Aufgaben, Verantwortung abzugeben. Nur wer bereit ist, los zu lassen, hat letztlich auch die Hände frei. Und da können wir gemeinsam vieles bewegen: eine moderne Sicherheitsverwaltung für Österreich, ein modernes Wirtschaftsförderungsrecht. Die ganze Wirtschaftsverwaltung könnte modern, bürgernah und dezentral geordnet werden. Die Frage, die die Bildungsministerin immer angesprochen hat – brauchen wir wirklich diesen Wildwuchs von Schulbehörden auf jeder Ebene, können wir da nicht großzügiger sein? Auch effizienter im Interesse des Bürgers?
Wir haben ein gutes Beispiel in dieser Legislaturperiode zusammengebracht, nämlich den Bundesstraßenbau den Ländern zu geben. Und jetzt bitte kann jeder von Ihnen das Ergebnis in den Ländern sehen. Wir bauen rascher, wir bauen billiger, weil die Dinge nicht verzögert werden, man redet sich nicht auf einander aus, der böse Bund oder die bösen Länder, sondern es wird hier Synergiepotential im Interesse der Bürger nutzbar gemacht. Und, Freunde, das können wir genau so bei anderen Bereichen machen, eben in der Sicherheitsverwaltung, in der Schulverwaltung, im Bereich der Gerichtsorganisation. Seien wir doch ehrlich: Brauchen wir wirklich diese vier Ebenen einer Gerichtsorganisation in einem relativ kleinen europäischen Land wie Österreich?
Daher würde ich einladen: Reden wir jetzt nicht das Ergebnis des Konvents schlecht. Sehen wir das eher so, wie ich das versuche, optimistisch wie ich halt bin. Noch nie seit der Verfassungsdiskussion 1920 ist in so kurzer Zeit ein so bedeutsames Ergebnis vorgelegt worden. Und ich stehe nicht an, Präsident Fiedler und seinem Team hier ein ganz großes Dankeschön zu sagen und Respekt zu zeigen, wissend, dass manches von den Wünschen der Fraktionen, von den Wünschen der Gebietskörperschaften noch nachbearbeitet werden muss. Aber ich bin sehr zuversichtlich. Wenn der gute Wille, der am Anfang da gewesen ist, anhält, dann werden wir das sicherlich schaffen.
Ich werde nach der Behandlung des Berichts im Ministerrat – das müssen wir natürlich tun und wir werden den Bericht auch zur Kenntnis nehmen – diese Vorlagen, und zwar die gesamten Materialien dem Hohen Hause zuleiten, National- und Bundesrat. Ich werde auch die Bundesländer einladen und den Städte- und Gemeindebund, weiter zu arbeiten an diesem Ergebnis. Und dann liegt es natürlich am Parlament, an der Volksvertretung, letztlich einen tauglichen Verfassungsentwurf zu Stande zu bringen.
Ich bin daher froh und dankbar, dass wir eine gute Ausgangsposition haben. Danke an alle, die hier sehr viel Zeit und Kraft investiert haben, damit wir da sind, wo wir sind, ganz gleich, auf welcher Ebene der Gebietskörperschaften, auf welchem politischen Standpunkt, Sozialpartner oder wo immer, sich einer findet. Ein schönes österreichisches Ergebnis – aber es liegt noch genügend Arbeit vor uns.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Vielen Dank, Herr Bundeskanzler, auch für den Optimismus,
den Sie verbreitet haben.
Die nächste Wortmeldung steht bei Frau Präsidentin
Mag. Prammer. – Bitte sehr.
Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Es ist schon mehrfach gesagt worden,
eineinhalb Jahre intensivster Arbeit nehmen heute einen Endpunkt, und ich
möchte an dieser Stelle es nicht verabsäumen und es gleich an die Spitze meiner
Wortmeldung stellen, dass ich mich bei allen Expertinnen und Experten, die hier
eineinhalb Jahre sehr, sehr intensiv gearbeitet haben, herzlich bedanke, und
vor allen Dingen auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Parlaments,
der Parlamentsdirektion, sehr herzlich bedanke, die hier Außerordentliches in
diesen eineinhalb Jahren leisten mussten.
Die letzten Konventssitzungen waren
bereits davon getragen, dass wir wussten, es wird einen Endbericht, einen
Gesamtbericht geben, und dass dieser Endbericht genau die Qualität und das
Positive dieses Konvents auch ausmacht und ausmachen wird, weil viele Bereiche,
viele Positionen analysiert wurden, abgeklopft wurden auf die Zeitgemäßheit,
auf die Realisierbarkeit, und jetzt endlich sind natürlich auch in den
Ausschussarbeiten viele unterschiedliche Anschauungen, nämlich Weltanschauungen
auch eingeflossen. Und diese Positionen wurden dann akribisch nebeneinander
gestellt. Und es ist auch klar für mich immer gewesen, dass es nicht Aufgabe
des Konvents ist, hier die politischen Verhandlungen zu führen, denn die
politischen Verhandlungen kann eben nur der Gesetzgeber, können die politisch
relevanten Parteien im Nationalrat letztendlich auch führen. Aber die Basis, um
hier auch diskutieren zu können, die hat der Konvent, haben die Mitglieder des
Konvents hier geleistet und hier die Vorarbeiten auch gemacht.
Ich habe im Vorfeld auch mehrfach
darauf Bezug genommen, dass ich persönlich es nicht für glücklich gefunden
habe, dass es einen Entwurf gibt, einen Entwurf einer Bundesverfassung, wo
viele unter Ihnen, gerade wenn Sie aus der Wissenschaft kommen, natürlich sich
auch hätten hinsetzen können und Entwürfe machen, denn ich glaube, und das
zeigt ja bereits die jetzige Diskussion, dass die Breite der Analyse und der
Ergebnisse, die im Konvent zu Stande gekommen ist, dadurch geschmälert wird,
denn alle diskutieren um einen Entwurf, und wenige diskutieren darüber, was
denn außerhalb des Entwurfes auch noch in diesem Bericht enthalten ist.
Ich möchte als durch und durch, und
das wissen viele von Ihnen, Frauenpolitikerin, auch und ganz speziell auf die
Frauen eingehen. Sie können sich wahrscheinlich auch noch alle sehr gut
erinnern an den Beginn des Konvents und an die große Kritik vieler, vor allen
Dingen Frauen, dass die Mitglieder des Konvents hauptsächlich Männer sind und
waren, und wenige Frauen Mitglieder des Konvents wurden. Sie alle, die
Mitglieder des Konvents, haben dadurch auch oder darauf auch reagiert, indem
sie ein Hearing gemacht haben und die Frauenpolitikerinnen, die
Frauenorganisationen auch gefragt haben, was denn hier auch an Bedürfnissen da
ist. Und einiges von dem, was dort auch dokumentiert wurde und gesagt wurde,
hat tatsächlich auch Eingang gefunden, zum Teil ja auch konsensual Eingang
gefunden, aber – und das muss ich schon auch sagen – auch dort ist man in der
Etappe stecken geblieben.
Ein anderes Beispiel: Es ist sehr erfreulich, dass das
Recht auf Gleichstellung von Männern und Frauen natürlich jetzt auch konsensual
im Bericht festgehalten wird. Aber wenn es keine Maßnahmen gibt zur
Rechtsdurchsetzung, zum Beispiel eine Verbandsklage, dann sind es
wahrscheinlich wieder nur Worte, und auf die Gleichstellung im ganz Konkreten
muss wieder gewartet werden.
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass auf weiten
Strecken – und ich gestehe dem Sekretariat, dem Konventssekretariat ein,
dass es hier auch viel Arbeit gegeben hat –, aber auf weiten Strecken es
nicht gelungen ist, eine geschlechtergerechte Sprache anzuwenden. Auf weiten
Strecken wurde nur von Männern geredet. Das kann man natürlich schnell
korrigieren und reparieren, aber ich mache nur darauf aufmerksam, dass da so
manche Dinge halt schon auch ein bisserl oberflächlich behandelt wurden.
Ein besonders wichtiger Punkt für mich ist die Frage von
Ehe und Familie in der Verfassung. Da liegt wirklich bei mir Herzblut drinnen.
Ich habe meine alten Dokumente ausgegraben. Das älteste Dokument stammt aus dem
Jahr 1987. Die SPÖ hat immer guten Grund gehabt, den Schutz der Ehe nicht in die
Verfassung zu nehmen. Denn das, was jetzt hier auf der einen Seite von der ÖVP
eingefordert wurde und letztendlich auch im Fiedler-Entwurf steht, würde nichts
anderes bedeuten, als alle anderen Lebensformen zu diskriminieren und auch von
vornherein unmöglich zu machen, die Perspektive zumindest, wenn auch nicht
Konsens momentan besteht, die Perspektive zumindest, die Ehe auch für
gleichgeschlechtliche Paare zumindest in Erwägung zu ziehen. Übrigens etwas,
was ohnedies viele europäische Staaten bereits tun. Unabhängig davon – ich
bin keine Juristin –, dass mir viele Experten und Expertinnen bestätigt
haben, dass zum Beispiel diese Formulierung des Herrn Präsidenten Fiedler sogar
eine Schmälerung dessen bedeuten würde, was die Menschenrechtskonvention vorschreibt
und vorsieht.
Ich möchte auf zwei Punkte noch ganz kurz eingehen, weil
sie mir auch sehr, sehr wichtig sind. Ich hatte die große Ehre,
Ausschussvorsitzende des Ausschusses 8 die letzten sechs Monate zu sein, und
mir ist es wirklich ein Anliegen darauf aufmerksam zu machen, wenn wir ein
Stopp der Politikverdrossenheit wollen, dass wir die demokratischen
Kontrollrechte auszuweiten haben. Daher ist es zum Beispiel ein Symbol, ob wir
nun das Minderheitenrecht des Untersuchungsausschusses in die Verfassung
schreiben oder nicht. Und ich erinnere daran: Es gab bereits Konsens 1999 vor
der Nationalratswahl, wo keine Partei wusste, wer wird wieder in der Regierung
sitzen. Ich verstehe bis heute nicht, warum dieser Konsens, der damals schon
erzielt werden konnte, heute auch nicht Konsens im Konvent ist.
Und ein ganz Letztes, ganz Kurzes: Wählen mit 16. Es
ist schon gesagt worden. Ich bin seit einem guten halben Jahr Zweite
Präsidentin des Nationalrates. Viele Jugendliche sind hier im Haus, und ich
würde mir manches Mal wünschen, dass mit derselben Offenheit, mit derselben
Information, wie diese Jugendlichen an die Politik herangehen, auch Erwachsene
herangehen. Und aus diesem Grund bekenne ich mich dazu, dass das Wählen mit 16
wirklich ein Grundrecht für alle sein muss und vor allen Dingen nicht nur auf
Landes- und Kommunalebene, sondern selbstverständlich auch auf der Bundesebene.
Ich bin zuversichtlich, dass die Konventsmitglieder nicht
umsonst gearbeitet haben. Die Arbeit liegt vor uns, aber trotzdem vor uns,
nämlich der Politik, und nicht hinter uns.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke schön, Frau Präsidentin.
Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich die Frau Präsidentin
Orthner. – Bitte sehr.
Angela Orthner: Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Alles hat seine Zeit. Mit diesen Worten habe ich am 30.
Juni des Jahres 2003 hier in diesem Sitzungssaal die erste Rede vor dem Plenum
des Konvents gehalten. Alles hat seine Zeit. Ich habe damit gemeint, dass die
Zeit günstig gewesen ist, den Konvent zu gründen, dass nach all den Jahren der
Diskussion, nach all den Jahren des Aufgreifens und Verwerfens nach dem so
genannten „Perchtoldsdorfer Abkommen“ es ein Zeitfenster gibt, in dem man gut
darüber reden kann, eine neue Verfassung für das 21. Jahrhundert zu machen.
Vielleicht habe ich zu viel Optimismus gehabt, aber ich
habe ihn eigentlich bis heute nicht verloren. Ich habe Optimismus gehabt, dass
alle diese neue Verfassung wollen, dass wir dieses solide und sichere Haus
Österreich, das auf festen Grundfesten steht, gründlich renovieren wollen,
Fenster öffnen wollen, das Neue hereinlassen und das, was sich als gut und als
richtig bewährt hat, in eine Neufassung zu bringen. Da ist manches davon
gelungen.
Heute würde ich nicht sagen: Alles hat seine Zeit und man
bringt es in 18 Monaten – so viel Zeit haben wir gehabt – zum Abschluss. Heute
würde ich sagen: Der Weg ist das Ziel. Der Weg, den wir in den
Arbeitsausschüssen, im Präsidium, in vielen, vielen Sitzungen, Besprechungen
und sehr wertvollen Diskussionen gegangen sind, dieser Weg war das Ziel, Ziel
für etwas Neues, nämlich dann im Parlament dafür zu sorgen, dass das, was
erarbeitet wurde, letztendlich auch umgesetzt wird.
Über weite Bereiche, glaube ich, können wir sagen: Wir
haben ein herzeigbares Ergebnis erarbeitet, alle miteinander über die
Fraktionen hinweg, über die Gebietskörperschaften hinweg, auch über die
Ländergrenzen hinweg. Ein herzeigbares Ergebnis, aus dem man etwas Positives
machen kann, aber natürlich, da gibt’s auch vieles, was mich – ich möchte es in
diesem Wortlaut sagen –, was mich eigentlich letztendlich sehr enttäuscht hat.
Enttäuscht hat mich vor allen Dingen, dass insbesondere in den letzten Monaten
zwischen dem Bund und den Ländern etwas aufgebaut wurde, was gar nicht
notwendig gewesen wäre, hätte man mehr Zeit zur Diskussion und zum Gespräch
aufgewendet. Es ist nicht notwendig, einen Gegensatz zwischen dem Bund und den
Ländern aufzubauen.
Der Herr Bundeskanzler hat die Länder eingeladen, auch im
Parlament mitzuarbeiten an der neuen Verfassung, an der neuen
Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, mitzuarbeiten an einer neuen Finanzverfassung,
wo alle gleichberechtigte Partner sind. Ich glaube, darauf kommt es an, dass
man als gleichberechtigter Partner gesehen wird, nicht als Bittsteller kommt,
auch nicht als Verteidiger auftreten muss, als gleichberechtigter Partner, und
die Länder haben in vielen Bereichen bewiesen und tun es tagtäglich, dass sie
gute Partner des Bundes sind.
Ich anerkenne sehr das, was uns gemeinsam gelungen ist,
vieles wurde davon schon auch aufgelistet heute, dass wir einen
Grundrechtekatalog geschaffen haben, dass es einklagbare soziale Grundrechte
gibt. Ich glaube, das muss man immer wieder auch herausstreichen, denn das ist
ein Erfolg des Konvents, des Präsidiums und der Arbeitsausschüsse. Es ist ein
Vorteil und ein Gewinn, wenn wir heute über unabhängige Verwaltungsgerichte
reden und uns einig sind, dass das auch realisiert wird. Es ist auch ein
Gewinn, wenn wir zumindest den Fuß in der Tür haben bei der Briefwahl. Das war
ein vehementes Anliegen der Länder, so wie viele andere Länder Europas, so wie
viele Gebietskörperschaften in unserem Lande, die Wahlen durchführen und
abhalten, die Möglichkeit zu geben, per Brief seine Stimme abzugeben. Da ist
wie gesagt, ein Fuß in der Tür, aber da ist die Türe nicht weit offen.
Vielleicht ist auch das ein Gegenstand, an dem wir gut miteinander weiter
arbeiten können.
Der Rechnungshof: Ich möchte auch den Rechnungshof
ansprechen, weil wir der Meinung gewesen sind, dass die Landesrechnungshöfe
sehr, sehr wohl einen Teil der Verantwortung auch für die eigenen Institutionen
und Körperschaften übernehmen können und sollen. Denn sie sind, so wie der
Rechnungshof des Bundes, in den Ländern weisungsfrei, ungebunden
verantwortlich, arbeiten nach denselben Prinzipien. Und ich glaube halt, dass
es nicht notwendig ist, dass der Bundesrechnungshof eine kleine Gemeinde
irgendwo in Österreich prüft, sondern dass das sehr wohl die
Landesrechnungshöfe tun sollen. Aber, ich sage noch einmal, das Positive daran
ist ja, dass es insgesamt Möglichkeiten gibt, dass der Rechnungshof eine Prüfungsbefugnis
in weiten Bereichen behält.
Womit ich nicht einverstanden sein kann, und zwar sehr
vehement nicht einverstanden sein kann, ist die momentan vorliegende
Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern. Es geht wohl nicht an, dass man
alle Unstimmigkeiten, die zwischen Bund und Ländern in den Kompetenzen
auftreten würden, nur vor Gericht, nur vor dem Verfassungsgerichtshof, klären
kann.
Auch das ist kein partnerschaftlicher Zugang zu einem Thema
und es ist nicht einzusehen, dass hier – bei aller Wertschätzung für das
Bedürfnis nach klar umgrenzten Kompetenzfeldern – sich auf Bundesebene ein
Machtzuwachs und nicht eine Machtabgabe herauslesen lässt. Und auch da zitiere
ich das, was der Herr Bundeskanzler gerade gesagt hat: Man muss loslassen können,
dann hat man die Hände frei. Und in diesem Sinne, was Kompetenzen anlangt, hat
er das ja auch gemeint. Ich glaube also, dass das Parlament eine Menge Arbeit
bekommen wird, dass es aber eine ordentliche und eine gut fundierte Grundlage
hat, die wir letztendlich gemeinsam erarbeitet haben.
Und so bedanke ich mich auch sehr herzlich. Ich bedanke
mich bei den Kolleginnen und Kollegen im Präsidium. Wir haben eine lange Zeit
miteinander verbracht und sehr ernsthaft und sehr positiv über sehr weite Teile
miteinander gearbeitet. Auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die uns im Präsidium zur
Seite gestanden sind und bei allen Damen und Herren, bei allen Persönlichkeiten
der Republik Österreich, die sich zusammengefunden haben, um hier an einer
gemeinsamen Sache zu arbeiten: es hat sich gelohnt und es wird sich lohnen,
daran weiter zu arbeiten.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke sehr, Frau Präsidentin.
Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich die Frau Stadträtin
Mag. Wehsely. – Bitte sehr, Frau Stadträtin.
Mag. Sonja Wehsely: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Konvent! Und
liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ich möchte mich bei Ihnen ganz
besonders dafür bedanken, dass Sie sich für unsere, für Ihre Verfassung
interessieren und uns heute zuschauen.
Ich möchte mich eingangs bedanken, bedanken bei all jenen,
die in den letzten achtzehn Monaten meines Erachtens nach Hervorragendes
geleistet haben, nämlich mit großem Engagement, mit großer Bedachtnahme und mit
großem Fachwissen, sich mit der österreichischen Bundesverfassung auseinander
gesetzt haben und uns liegt ja heute hier auch ein Bericht vor, der weit über
tausend Seiten hat. Ich bin daher der festen Überzeugung, dass diese über
tausend Seiten auch der Ausgangspunkt sein müssen für weitere Verhandlungen der
Politik, ist gleich des Bundesverfassungsgesetzgebers, denn die spiegeln auch
das Ergebnis der Beratungen der letzten achtzehn Monate wieder. Ein Teil ist
ein Einzelvorschlag eines Mitglieds, nämlich des Vorsitzenden des Konvents, für
eine Bundesverfassung, aber das ist eben nur ein Teil. Daher bin ich in dieser
Frage nicht der Ansicht des Herrn Bundeskanzlers, nicht dieser Vorschlag für
eine Bundesverfassung ist der Ausgangspunkt für weitere Verhandlungen der
Parteien, sondern das gesamte Ergebnis, und das nicht aus Prinzip, sondern aus
guten inhaltlichen Überlegungen. Und diese Überlegungen sehe ich, wenn ich mich
hier in diesem Raum umschaue, wo insbesondere die Spitzen der Wissenschaft im
rechtlichen Bereich in den letzten 18 Monaten – es wurde schon gesagt, ohne
dass sie dafür Geld bekommen haben – sehr viel Hirnschmalz verwendet haben. Und
sie haben meines Erachtens nach auch ein Recht darauf, dass dieses, was hier
von ihnen erarbeitet wurde, auch die Ausgangsbasis ist, worüber die Politik
weiter spricht.
Ich bin der Meinung, dass der Konvent ein Erfolg war, und
zwar deshalb ein Erfolg war, weil in diesem Ausmaß die Sichtung des
Rechtsbestandes, wie es sie seit der Schaffung der Verfassung nicht gegeben
hat, und daher auch sehr viel vorliegt, auf dem man jetzt aufbauen kann. Es
gibt auch Bereiche, in denen es Konsens gibt, und das sage ich als Vertreterin
des Landes Wien: Es freut mich sehr, dass es grundsätzlichen Konsens über die
Landesverwaltungsgerichte gibt; das ist nicht selbstverständlich. Und es war
nicht so, dass das vor 18 Monaten klar war, dass es diesen Konsens geben wird.
Ich halte das für den Rechtsschutz in unserem Land für eine sehr, sehr wichtige
Entscheidung. Die Entscheidung, wie das finanziert wird, steht noch aus, aber
ich nehme an, daran wird es beim Rechtsschutz nicht scheitern, denn daran darf
es auch nicht scheitern. Das erscheint mir überhaupt ein wichtiger Bereich zu
sein, dass selbstverständlich ist, dass der Staat sparsam und effizient agieren
muss, dass aber gerade bei der Frage des Rechtsschutzes nicht der Rechenstift
in erster Linie angewendet werden darf, sondern Rechtsschutz ist etwas, was in
einer demokratischen Republik eine der Grundfesten ist, und daher muss dafür
auch Geld da sein.
Lassen Sie mich jetzt auf einige ausgewählte Punkte
eingehen, die mir als Vertreterin des Landes Wiens ganz besonders wichtig sind,
und auf die ich besonders hinweisen möchte. Das eine ist die Frage der
Wahlaltersenkung. Wir haben in Wien bereits das Wahlalter gesenkt, auf der
Gemeindeebene, und damit als einziges Bundesland auch auf Landesebene. Ich
erachte das als wesentlich, aus mehreren Gründen, und bin der Meinung, dass das
auch jedenfalls auf Bundesebene so sein sollte. Wir werden gesellschaftlich in
den nächsten Jahrzehnten älter werden. Das heißt: Es ist allein aus demographischen
Gründen meines Erachtens nach wichtig, jungen Menschen mehr Gehör zu geben. Ich
weiß es auch, dass die Frage, ob jemand wahlberechtigt ist oder nicht, sehr
relevant ist für Politikerinnen oder Politiker, ob Anliegen von solchen
Menschen besonders gehört werden oder nicht. Darauf haben meines Erachtens nach
die jungen Menschen in unserer Republik ein Recht , nämlich angehört zu werden
und auch bedacht zu werden von der Politik. Und ich möchte all jene Argumente,
die sagen, die jungen Leute wollen das gar nicht und es gibt wichtigere Dinge,
insofern aus der Welt räumen, als wir über diese Frage bereits eine
„Volksabstimmung“ hatten, nämlich die Gemeinderatswahl im Burgenland, wo die
Wahlbeteiligung der jungen Erstwähler, nämlich der 16- bis 18-Jährigen deutlich
höher war als die der Restbevölkerung. Das heißt, diese „Volksabstimmung“ gab
es und sie ist positiv ausgegangen. Darüber hinaus sage ich das aber auch aus
demokratiepolitischen Gründen, auch wenn das für mich diesbezüglich nur
zweitrangig von Relevanz ist, denn es wird ja hier im Raum niemand sagen, dass
jene Menschen, die nicht wählen gehen – und es gibt diese – dass denen das
Wahlrecht entzogen werden soll. Es ist eine demokratiepolitisch grundsätzliche
Frage, die wichtig ist für die Zukunft unserer Gesellschaft. Und bei Demokratie
kann es nie darauf ankommen, ob der oder die Einzelne von ihrem demokratischen
Recht dann auch Gebrauch macht oder nicht.
Ein zweiter Punkt, wo es keinen Konsens gibt, der mir aber
ganz besonders wichtig ist, ist die Frage, in einer Bundesverfassung Gemeinden
– in Wien wären es die Bezirksvertretungen – die Möglichkeit zu geben,
Zuwanderinnen und Zuwanderern, die hier ihre neue Heimat gefunden haben, die
hier leben, die hier Steuer zahlen, deren Kinder unsere Schulen besuchen, die
zukünftig auch hier sein werden, das Wahlrecht einzuräumen. Ich erachte das als
einen ganz wichtigen Beitrag zur Integration, die politische Partizipation. Ich
freue mich ganz besonders, Frau Landeshauptfrau Klasnic, dass jetzt auch die
Steiermark nach Wien beschlossen hat, an den Bundesverfassungsgesetzgeber
heranzutreten, um diese Möglichkeit einzuräumen.
Es geht mir hier nicht um eine Zwangsbeglückung, dass man
sagt, in allen Gemeinden muss das möglich sein. Ich sehe aber überhaupt keinen
Grund, warum das nicht in der Autonomie der einzelnen
Landesverfassungsgesetzgeber (Anm.: es wurde an dieser Stelle sofort
mündlich korrigiert auf: „Länder“ statt Landesverfassungsgesetzgeber) sein
kann, zu entscheiden, ob sie das wollen oder nicht. Ich erachte es als
notwendig. In den 11 Punkten der Europäischen Kommission, welche für
Integration von Migrantinnen und Migranten wichtig sind, ist das im Übrigen
auch ein ganz wichtiger Punkt.
Ein weiterer wichtiger Punkt, wo es keinen Konsens gibt,
ist die Frage der Kontrollrechte. Ich komme, wie Sie wissen, aus einem Land,
aus Wien, wo die SPÖ allein regiert, und wo wir aber trotzdem
Minderheitenrechte haben, die es eben auf Bundesebene nicht gibt. In Wien kann
ein Drittel der Mandatarinnen und Mandatare beschließen, dass es einen
Untersuchungsausschuss gibt. Ich denke, das ist schlicht und ergreifend in
einer modernen Demokratie eine Notwendigkeit. Ich verstehe überhaupt nicht,
warum es hierüber keinen Konsens gibt.
Weitere wichtige Punkte für uns in Wien sind die sozialen
Grundrechte. Selbstverständlich, der Kollege Scheibner ist wieder da, gibt es
in dem einzigen Entwurf, der für eine Verfassung vorliegt, der ein Teil des
Ergebnisses des Konvents ist, einen Wirtschaftlichkeitsvorbehalt. Wenn ich
einen Wirtschaftlichkeitsvorbehalt vorsehe, sage ich jetzt mal auf wienerisch,
kann man es sich gleich sparen. Ich sage auch, dass die Ausformung der sozialen
Grundrechte so sein muss, dass man damit auch etwas tun kann. Zu formulieren,
jeder hat ein Recht auf Wohnen, klingt nett, ist vielleicht auch populär, aber
ich sage, wenn es auch paradox klingt, ist ein bisschen zu wenig kompliziert.
So einfach ist die Welt nicht und so einfach kann auch die Bundesverfassung
nicht sein.
Ein letzter Punkt: Zur Frage, wieso wird hier etwas
junktimiert, wie Sie, Herr Kollege Scheibner, gesagt haben. Es geht hier nicht
um junktimieren, aber es kann hier auch nicht sein, dass wir in zwei Parallelwelten
leben. In der einen Welt, die hier im Konvent herrscht, wird gesagt, alle
müssen gemeinsam an einem Strang zu einem Ergebnis finden, noch dazu wird so
getan, als wäre das keine politische, sondern nur eine technische Frage.
Natürlich geht es hier auch um politische Inhalte und um Ideologie. Ein paar
Meter weiter wird über die Opposition drübergefahren, werden Dinge, ohne
darüber zu sprechen, beschlossen und wird Demokratie abgebaut. Ich sage nur:
Österreichische Hochschülerschaft, Hauptverband der Sozialversicherungsträger
und so weiter und so fort.
Trotzdem war meines Erachtens der Österreich-Konvent
insgesamt ein Erfolg. Eine neue Bundesverfassung macht nur dann Sinn, wenn sie
mehr Demokratie, mehr Rechte, mehr Transparenz und mehr Kontrolle bringt für
die Österreicherinnen und Österreicher. Denn es ist ihre Bundesverfassung. –
Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Danke sehr, Frau Stadträtin.
Die nächste Wortmeldung steht bei Frau Landeshauptmann
Waltraud Klasnic. – Bitte sehr, Frau Landeshauptmann.
Waltraud Klasnic: Herr Präsident! Hoher Konvent! Meine sehr
geehrten Damen und Herren, die sie zusehen, draußen in den Gemeinden, Städten
und den Ländern, und die wir gemeinsam dieses Österreich sind.
In diesem Konvent geht es um dieses Österreich
und um vieles, das für die Zukunft ganz besonders wichtig ist. Ich erinnere
daran, dass ich damals als turnusmäßige Vorsitzende der
Landeshauptleutekonferenz im Juni 2003 hier das Wort ergriffen habe und
festgestellt habe, stellvertretend für unseren einstimmigen Beschluss, der
gefasst worden war, dass wir uns darum bemühen wollen, und dass unser
wichtigstes Anliegen ist, Bürgernähe, Effizienz, Überschaubarkeit und
Mitgestaltbarkeit, vor allem aber auch zu sehen, dass die Staatsreform
Österreich beinhaltet Gemeinde, Städte, Länder und den Staat. Und ich sage
bewusst „und den Staat“, weil wir zu einer gemeinsamen demokratischen
Aufgabenerfüllung aufgerufen sind.
Es ist gut, dass der Herr Bundeskanzler heute gesagt hat,
es sollen die Gespräche geführt werden und es kann zusätzliche Verantwortung,
und die wollen wir auch übernehmen, wahrgenommen werden. Aber ich sage aus der
Sicht der Länder sehr deutlich dazu, Verantwortung und auch die entsprechenden
finanziellen Möglichkeiten müssen gegeben sein. Wenn heute die Übertragung der
Straßen auf die Bundesländer angesprochen wurde, dann sage ich, dass wir dort
den 15a-Vertrag zum Beispiel brauchen ab dem Jahr 2008. Das sind die Dinge, mit
denen wir uns beschäftigen.
Gleichzeitig, das war die Grundlage damals zu Beginn, am
30. Juni hier in diesem Raum, dem Bundesratssitzungssaal der Länderkammer, wo
sich Österreicherinnen und Österreicher vertreten fühlen, dass wir zwei Punkte
angesprochen haben. Die wirksame Mitwirkung der Länder an der
Bundesgesetzgebung und in europäischen Angelegenheiten und die Stärkung der
Verfassungsautonomie der Länder, weil wir es sind – und wir sagen es mit
Überzeugung, und es ist auch nicht widersprochen worden von keiner Vorrednerin
und keinem Vorredner –, dass zweimal der freiwillige Zusammenschluss
Österreich, nämlich 1918 und 1945, durch die Bundesländer begründet wurde.
Es gibt eine zweite einstimmige Position der
Landeshauptleute, ich werde dann später darauf zurückkommen, warum ich das so
deutlich formuliere vom 14. Juni 2004, wo neuerlich eine Position der Länder
zum Konvent eingebracht wurde. Damals war auch schon die neue Landeshauptfrau
aus dem Bundesland Salzburg, Gabi Burgstaller, mit dabei.
Ich zitiere diese Position:
„Die Landeshauptleutekonferenz anerkennt die bisher
geleisteten Arbeiten des Österreich-Konvents und seine Bedeutung für die
Weiterentwicklung des österreichischen Bundesstaates. Sie bekräftigt ihre
Bereitschaft, auf der Basis des Auftrags an den Konvent weiterhin engagiert
mitzuwirken.“
Auch ich möchte mich bei jenen bedanken, die nicht nur viel
Arbeit geleistet haben, sondern es verantwortlich wahrgenommen haben. Ich bin
überzeugt, dass der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Heinz Nissl, das
auch noch so sagen wird.
„Die Landeshauptleutekonferenz erachtet es als geboten, die
österreichische Bundesstaatlichkeit zu einem modernen Föderalismus
weiterzuentwickeln. Die neue Staatsorganisation muss der mittlerweile
wissenschaftlich abgesicherten Erkenntnis entsprechen, dass bürgernah
organisierte Einheiten effizienter arbeiten als zentralisierte Apparate.
Aufgabenübertragungen müssen aber jedenfalls finanziell abgesichert werden.“
Zitatende.
Weil es heute hier angesprochen wurde und in Frage gestellt
wurde, warum die Länder, warum aus Sicht der Landeshauptleute jetzt noch eine
Stellungnahme beziehungsweise ein Papier abgegeben wird: Ich sage es sehr
bewusst, Herr Dozent Dr. Bußjäger, Ausschuss 5, Aufgabenverteilung – in weiten
Bereichen sind Sie sogar einen Schritt weiter gegangen als die Länder in der
Verantwortlichkeit. Die Aussage der Landeshauptleute hat den gesamten Konvent
begleitet. Es ist auch hier diese Stellungnahme immer wahrgenommen worden.
19 Monate intensiver Beratung, 10 Arbeitskreise – ich sage
bewusst dazu: viel Arbeit. Angela Orthner hat es angesprochen, und
Nationalratspräsident Khol hat zu Beginn schon gesagt, es ist nicht eine Frage
der Schuld, sondern es ist auch eine Frage der Verantwortung, dass wir aus der
Sicht der Länder unsere Stimme erheben und sagen, dort können wir mitgehen,
dass wir uns darüber freuen können, wo es schon einen gemeinsamen Weg gibt,
dass es aber noch vieles an Aufgaben zu bewältigen gibt, und wir das schaffen
können.
Es ist eine Gliederung, wo man sagen muss, es muss einen
Gesamtverfassungsentwurf geben, der viele Lücken schließt. Der Entwurf, der von
Dr. Franz Fiedler und Präsidenten gekommen ist, ist ein wichtiger und ein
richtiger Weg. Aber aus der Sicht der Bundesländer und damit auch der
bürgernahen Aufgabenerfüllung besteht die Notwendigkeit, vor allem im Bereich
der Kompetenzverteilung und der Behördenstruktur, auch dem Entwurf von
Präsident Fiedler weitere Beratungen weiterhin zuzufügen; sie sind
anzureichern.
Wenn es ein Papier der Landeshauptleute vom 19. Jänner
gibt, auch wieder parteienübergreifend und einstimmig, dann sagt man, dass man
gerade zur Kompetenzverteilung vertiefend Stellung nimmt. Das von Präsident
Fiedler und auch dem zuständigen Konventsausschuss entwickelte
Drei-Säulen-Modell entspricht ganz sicherlich den Gesetzgebungs- und
Vollziehungsanforderungen des 21. Jahrhunderts besser als die bisherige
Kompetenzlage. Aber die Zuordnung zu den drei Säulen lässt eine echte
Ungleichverteilung der Gewichte erkennen. Aus unserer Sicht ist es so nicht geeignet,
dass dies die Basis ist für einen Bundesstaat im 21. Jahrhundert. Hier sind
wesentliche Veränderungen notwendig, und ich sage es, und die
Landtagspräsidentin, die uns dort vertreten hat, hat es auch schon formuliert,
so, wie die Länder gerne bereit sind mehr Verantwortung zu übernehmen, zum
Beispiel das Modell der doppelten Zustimmung durch den Bundesrat und sechs
Bundesländer, wie es im Positionspapier der Landeshauptleute vorgeschlagen
wird, ist es ein Weg in die richtige Richtung.
Die mittelbare Bundesverwaltung hat sich als wesentliches
Strukturmerkmal der österreichischen Verwaltungsorganisation im Grundsatz
bewährt. Sie soll erhalten bleiben, aber um weitere, bisher in der
unmittelbaren Bundesvollziehung verankerte Angelegenheiten ergänzt werden.
Und auf einige Wortmeldungen zurückkommend: Unversöhnliche
Gegensätze zwischen Ländern und Bund, das ist nicht der Weg. Wir sind nicht unversöhnlich,
wir wollen miteinander in Verantwortung in eine gemeinsame Aufgabenstellung und
in eine gemeinsame Bearbeitung und Vorbereitung für diese Verfassung gehen. Die
Länder machen sich selbstverständlich bereit, nämlich dort mitzutun, wo sie es
können, ihre Verantwortung wahrzunehmen und vor allem auch zu zeigen, dass die
Nähe der Menschen in den Gemeinden, in den Städten und in den Ländern jene ist,
wo man die Antworten erfährt, wo man das eine oder andere dann auch spürt. Und
Verantwortung wahrnehmen heißt eben, im richtigen Augenblick zu sagen, es
bedarf noch einer weiteren Verhandlung und ich bin überzeugt, dass auch gerade
auf Grundlage dieses Papiers Doppelgleisigkeiten abgebaut werden können.
Manches ist heute schon angesprochen, Schulbehörde, Sicherheitsbereich;
wesentliche Schritte aus der Sicht des Ministeriums wurden gesetzt.
Ich nehme noch etwas dazu, die Bedeutung der
Bezirkshauptmannschaften bei uns. Ich sage es aus der Erfahrung heraus,
bürgernah und effizient sind diese Einrichtungen, man muss auch wissen, und ich
sage das als Landeshauptmann eines Bundeslandes im Süden Österreichs, aber es
geht allen Ländern gleich, man könnte und sollte sich auch überlegen, ob alle
neuen Behörden, die geschaffen werden, wo immer und welchen Auftrag sie haben,
wirklich ihren Sitz in der Bundeshauptstadt haben müssen.
Es wäre schade und es wäre eine vergebene Chance, wenn
diese solide Grundlagenarbeit, die geschehen ist, die von Ihnen allen
geschaffen wurde, von Präsident Fiedler zusammengefasst wurde, nicht die
Früchte einer echten Verfassungs- und Staatsreform erreichen würden. Es ist
lange zu diskutieren gewesen, es ist auch zu handeln und das Gedenkjahr und das
Gedankenjahr 2005 kann eine zukunftsorientierte Grundlage für unser Gemeinwesen
sein. Für die Menschen in unserem Land, in den Gemeinden, in den Städten, in
den Ländern, in unserem Österreich.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Besten Dank, Frau Landeshauptmann. Ich möchte es mir auch
nicht verkneifen zu sagen, ich glaube, das entspricht auch der historischen
Wahrheit, dass die Steiermark an der Wiege des Österreich-Konvents gestanden
ist und es sehr viele Steirer waren, die sich für die Einsetzung des Österreich-Konvents
ausgesprochen haben. Auch dafür besten Dank.
Die nächste Rednerin ist die Frau Landeshauptfrau Mag.
Burgstaller. – Bitte sehr.
Mag. Gabi Burgstaller: Sehr geschätzter Herr Präsident! Meine Damen
und Herren!
Zu allererst möchte ich mich bedanken, weil ich doch meine,
dass die vorliegenden Unterlagen, der Gesamtbericht, eine sehr detailreiche
Analyse des Ist-Standes ist und eine gute Abbildung der Auseinandersetzungen im
politischen Diskurs.
Es ist eine Tatsache, dass man sich in Verfassungsfragen,
sprich Machtfragen, nicht immer sofort eins ist, weder bei den Parteien, noch
bei den Gebietskörperschaften, und, so meine ich, kann dieser Bericht auch
nichts anderes sein, als dieses Abbild und der Versuch, da oder dort den
Konsens zu erkennen und auch zu vermitteln. Es ist auch aus meiner Sicht eine
Grundlage für die weitere politische Arbeit an einer neuen, an einer modernen,
anspruchsvollen Verfassung.
Wurde der Auftrag erfüllt? Das werden sich heute bei der
letzten Sitzung des Konvents wahrscheinlich viele fragen, und wenn wir uns
zurückerinnern an den Auftrag, dann ist er ja sehr eindeutig formuliert worden,
nämlich, dass es Aufgabe des Österreich-Konvents sei, Vorschläge für eine
grundlegende Staats- und Verfassungsreform auszuarbeiten. Die künftige
Verfassung soll eine zukunftsorientierte, kostengünstige, transparente und
bürgernahe Erfüllung der Staatsaufgaben ermöglichen. Es ist dann noch die Rede
von einer Kompetenzverteilung, mit dem Ziel, einen klaren, nach
Aufgabenbereichen gegliederten Kompetenzkatalog zu schaffen, die Struktur der
staatlichen Institutionen unter dem Gesichtspunkt des effizienten
Mitteleinsatzes, der Bürgernähe und so weiter zu prüfen.
Ich meine, von diesem Auftrag ist einiges erfüllt worden.
Es gibt die Vorschläge dafür, teilweise sind sie unterschiedlich gestaltet, es
gibt aber einen Bereich, wo ich der Meinung bin, wir sollten mehr Wert darauf
legen, wie effizient ist unser Handeln wirklich? Und wenn dieser Maßstab auch
noch eingeführt wird bei den weiteren Beratungen, dann hört sich vielleicht so
manches Bund-Länder-Ping-Pong auf, weil ich meine, wir müssen mit den Steuergelder
insgesamt sparsam umgehen, damit wir das Geld haben für die notwendige
Versorgung der Menschen, zum Beispiel im Gesundheits- und Sozialbereich, denn
es wäre naiv anzunehmen, dass wir diese Gelder nicht brauchen werden, dass
diese Ausgaben nicht steigen werden. Allein schon deshalb, weil wir alle älter
werden und hoffentlich auch eine entsprechende Sozial- und
Gesundheitsversorgung vorfinden können.
Wenn es um die Zukunftsorientierung geht, so meine ich
durchaus, dass ein wesentliches Element erfüllt wurde, nämlich ein
Sozialrechtskatalog, der ein durchaus erfreulicher ist in seinen inhaltlichen
Ansagen. Was die Durchsetzung betrifft, so meine ich, sollte darüber noch
einmal grundsätzlich beraten werden, denn die Enttäuschung bei den Bürgern wäre
groß, wenn das einen Charakter von Zielvorstellungen hat und wenn dann der
Bürger sich doch nicht helfen kann, wenn er die sozialen Verfassungsrechte dann
auch für sich realisiert haben möchte.
Was die Bürgernähe betrifft, so glaube ich, sollten wir
weniger Angst vor den Bürgern haben. Wir sollten ihre Tätigkeit nicht nur auf
Wahlen beschränken, die alle paar Jahre stattfinden, wir sollten auch darüber
diskutieren, ob es klug ist, dass wir so unterschiedliche Perioden haben,
Legislaturperioden mit vier Jahren, mit fünf Jahren, mit sechs Jahren. Es gibt
hier eine gewisse Autonomie in den Ländern, ich meine trotzdem, zum Beispiel
vier Jahre sind nicht unbedingt genug, um etwas zu verändern. Aber das ist
meine persönliche Meinung, die ich mit vielen diskutiert habe, die sich diesen
langen Atem durchaus wünschen, in den Bundesländern, wie gesagt,
unterschiedlich geregelt.
Was die Bürgernähe beim Wahlrecht betrifft und die
Vorschläge, war ich einigermaßen konsterniert, dass man vorgeschlagen hat,
wählen mit 16 auf Gemeindeebene einzuführen, denn das können die Länder, und
tun die Länder auch so, da hätten sie keinen Konvent gebraucht. Wenn, dann wäre
es nur logisch, dass man beim Konvent sagt, wir wollen die Sechzehnjährigen
generell wählen lassen, das wäre der geradlinige Weg.
Ich bin auch der Meinung, dass man bei den
Minderheitenrechte im 21. Jahrhundert einen frischeren Weg beschreiten soll.
Keine Angst vor Minderheiten, Transparenz, Offenheit, warum denn nicht? Einen
Untersuchungsausschuss einberufen von einer Minderheitenfraktion, wir haben das
in Salzburg, und ich würde meinen, es tut keinem weh, wie überhaupt Transparenz
in der Politik niemandem wehtut, wenn man sie richtig lebt.
Was die klare Aufgabenteilung betrifft, da meine ich, da
gibt es noch viel zu tun. Es gibt hier einen sozusagen privaten Vorschlag im
Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag, Herr Präsident, aber trotzdem einen
Vorschlag für eine Kompetenzverteilung, der sich sehr stark an den Vorschlägen
der Wirtschaftskammer orientiert nach meiner Betrachtungsweise, der auch vieles
enthält, das richtig ist, weil sachlich es zusammen gehört, der aber in
Teilbereichen sich ein bisschen verschweigt, und da ist eine provokante Frage,
die ich als Aufgabe für die Zukunft mitgeben möchte die, überlegen wir uns auch
immer die Qualität dieser Aufgabenzuteilungen?
Für mich ist so ein bisschen ein abschreckendes Beispiel
die Debatte rund um das Tierschutzgesetz gewesen. Wir haben vorher ja
Länderrecht gehabt, Länderkompetenz, jetzt gibt es ein Bundestierschutzgesetz.
Es gibt sehr viel Kritik daran, täglich in den Medien. Nicht immer ist etwas
automatisch deshalb besser, weil es der Bund macht. Obwohl ich der Meinung bin,
dass es viele wirtschaftsnahe Bereiche gibt, die besser einheitlich in
Österreich geregelt werden sollen, aber den Automatismus gibt es nicht. Und
trotzdem würde ich mich freuen, wenn wir in vielen Bereichen, und da bin ich
sicher nicht einer Meinung mit dem Herrn Präsidenten Khol, nämlich gerade dort,
wo es wirtschaftsnahe Kompetenzen betrifft, endlich auf eine Vereinheitlichung
kommen. Aber auch in gesellschaftspolitischen Bereichen – ich kann es keinem
Jugendlichen erklären, warum er in Salzburg länger weggehen darf als in
Oberösterreich, wenn er dort im Zentralraum, im Grenzraum, lebt und einmal in
Bad Ischl ausgeht und das nächste Mal vielleicht in St. Gilgen. Das versteht kein Mensch und
daher sollten wir uns mit dem auch auseinander setzen, was die Menschen nicht
mehr verstehen.
Ein Bereich ist aus meiner Sicht gar nicht gelungen. Aber
ich will das jetzt nicht bewerten, ich war ja nicht dabei. Es geht um die
Finanzen. Weil ja auch der Präsident des Gemeindeverbandes und Gemeindebundes
hier ist. Ich glaube, dass wir bei einer künftigen Finanzverfassung und bei
einem neuen Finanzausgleich, der darauf wachsen soll und gedeihen,
berücksichtigen müssen, wo sind die Wachstumsbranchen der Politik? Und wenn wir
ganz ehrlich sind, die Wachstumsbranchen der Politik, die werden
schwerpunktmäßig selbstverständlich im Sozial- und Gesundheitsbereich sein, und
wenn ich mir da die Belastung der Gemeinden anschaue, dann glaube ich schon,
dass eine logische Antwort auch eine gewisse Neuverteilung der Gelder wäre.
Ist der Konvent gescheitert, wie heute in den „Salzburger
Nachrichten“ steht? Also, ich meine nein, weil er viele seiner Aufgaben
erledigt hat, eine wichtige Vorarbeit ist, für die weiteren Beratungen, auch
ein Abbild der widerstrebenden Interessen, auch wenn ich nicht meine, es sind
angeborene Unterschiede, aber es gibt halt einen Unterschied zwischen den
Parteien und auch zwischen den Gebietskörperschaften. Gescheitert ist er, indem
er keinen einheitlichen Verfassungstext vorgelegt hat, aber vielleicht war auch
diese ihm zugeteilte Aufgabe im Rahmen der Gründung eine zu ambitionierte, denn
wie hätte das geschehen sollen?
Was wichtig ist, und was bleibt, ist, dass die Politik
jetzt am Wort ist. Was wir uns aus den Ländern wünschen, ist, dass wir
eingebunden werden in den Prozess. Ich kann Ihnen versprechen, dass wir
versuchen werden, nicht die Brille der Macht aufzusetzen, sondern wirklich die
Brille einer neuen sachlichen Arbeitsteilung, wo jeder das regelt, was für die
Bürger auf der jeweiligen Ebene am Wichtigsten ist. Dabei wird es eine Rolle
spielen, ob der Bund weiter den Weg geht, Gerichte zu schließen, Behörden zu
reduzieren. Denn bürgernahe Verwaltung heißt halt auch ein Stück weit, dass sie
in der Nähe des Bürgers ist und nicht, dass man einfach nur Strukturen
bereinigt und reduziert, weit weg vom Bürger.
Es gibt noch einen Elchtest für die weiteren politischen
Beratungen, und zwar den Bundesrat. Hier gibt es ja sehr unterschiedliche
Vorschläge. Den Vorschlag aus den Ländern für ein Vetorecht im Bereich von
Steuerreformen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der politisch dann
durchsetzen lässt. Und es gibt einen Vorschlag aus dem Konvent, und ich meine,
es täte auch gut, bei den politischen Beratungen das ernst zu nehmen, das man
einmal angekündigt hat. Entweder aufwerten oder abschaffen. Die einzige Form
der Aufwertung, die ich mir vorstellen könnte ist, dass wir überlegen, ob der
Konsultationsmechanismus über eine 15a-Vereinbarung, die wir einmal eingeführt
haben, nicht abgeschafft werden soll zugunsten einer Beauftragung des
Bundesrates. Da gäbe es aber vieles umzustellen. Wer einmal einen
Konsultationsmechanismus persönlich erlebt hat, kann sich vorstellen, wie
effizient das ist und wie kostenintensiv. Ich meine, da könnten wir es beim
Bundesrat auch belassen und ihm diese Aufgabe übertragen. Das wäre dann
natürlich eher ein Länderparlament oder in anderen Formen auch eine Vertretung
der Länder und Gemeinden. Das wäre ein Weg. Wenn wir die Aufwertung nicht
schaffen, dann wünsche ich mir einfach die Ehrlichkeit, ihn abzuschaffen. Ich
glaube, es hat sehr, sehr viel Symbol für die Beratungen um die Verfassung,
dass hier eine ehrliche Bewertung erfolgen soll.
Noch einmal Dank, noch einmal die Klarheit. Der nächste
Schritt liegt bei der Politik im Verfassungsausschuss, so würde ich es für
logisch erachten. Man soll sich die Zeit nehmen, die man braucht für eine
moderne Verfassung, denn es ist keine moderne Verfassung, wenn man nur die
Verfassungstexte, die außerhalb liegen, inkludiert, aber eine moderne
Verfassung entsprechend der Aufgaben des Konventes jetzt zu den Aufgaben des
Verfassungsausschusses zu machen, das könnte durchaus gelingen.
Ich wünsche allen im Parlament vertretenen politischen
Parteien dabei viel Erfolg. Ich weiß, es wird mühsam sein, es gibt sehr viel
Dissens noch und wir wünschen uns von den Ländern und ich schließe die
Gemeinden etwas mit ein, dass wir dabei sind bei diesem Prozess, uns nicht erst
relativ spät einklinken, und dass wir wirklich einen ehrlichen Weg gehen und
uns immer fragen: Was wollen die Bürger in diesem Land und was brauchen sie? –
Danke.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz
Fiedler: Besten Dank, Frau Landeshauptfrau.
Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Präsident
Dr. Leitl. – Bitte, Herr Präsident.
Dr. Christoph Leitl: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und
Herren!
Frau Landeshauptfrau Burgstaller hat angesprochen, dass
eine Verfassung auch die Aufgabe hat, neben klaren Spielregeln, die unser
gemeinsames Zusammenwirken regeln, auch die Kostengünstigkeit zu
bewerkstelligen. Und ich bin Ihnen allen dankbar, die Sie diesen Aspekt
unterstützt haben. Eine Verwaltung baut auf der Verfassung auf. Es gibt eine
kostengünstige Verwaltung, die kann unserem Land, unseren Budgets, viel Geld
sparen. Geld, das wir für dringend notwendige Zukunftsinvestitionen verwenden
können. Bildung, Forschung, Infrastruktur, einfach das, was wir brauchen, wenn
wir den Standort Österreich verbessern und im weltweiten Wettbewerb erfolgreich
bestehen wollen. Da bin ich Ihnen wirklich dankbar, dass Sie diesen
Zusammenhang zwischen unserem staatlichen Aufbau und einem effektiven Ablauf
gesehen und in Ihren Beratungen berücksichtigt haben.
Ich bin dankbar meinen Sozialpartnerkollegen, insbesondere
Fritz Verzetnitsch. Wir haben einen am Anfang sehr gegensätzlichen Standpunkt
in der Frage der sozialen Grundsätze in der Arbeitswelt vernünftig angegangen
und sehr konsensual einem Konvent zugeleitet, der diesen Beschluss als
Grundlage verwenden kann. Wir haben damit als Sozialpartner bewiesen, dass man
auch dort, wo unterschiedliche Ausgangspunkte am Beginn einer Diskussion
bestehen, dass man dann zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Augenmaß sehr
wohl etwas machen kann, was dem Land und den Menschen nützt.
Die Präsidentin Angela Orthner hat gesagt: Alles hat seine
Zeit. Es gibt eine Zeit des Diskutierens und es gibt eine Zeit des Lösens. Es
gibt eine Zeit des Beratens, es gibt eine Zeit des Beschließens. Ich glaube,
wir haben jetzt die Zeit der Lösungen, des Beschließens. Wir müssen jetzt das,
was in die Beratungen eingeflossen ist, konsequent umsetzen. Daher, meine Damen
und Herren, sollte sich die Frage gar nicht stellen: Kann dieses große Werk
scheitern?, sondern es kann nur die Frage sein: Wie bringen wir es zu dem von
uns allen gewollten „guten Ende“?
Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Präsident Fiedler. Sie
haben den Mut gehabt, einen Entwurf vorzulegen. Sie haben diesen Entwurf aus
Ihrer besonderen Rolle des Konventspräsidenten gemacht, der beobachtet hat, der
die Meinungen gehört hat und der versucht hat, diese unterschiedlichen
Meinungen im Sinne eines Lösungfindens zusammen zu bringen in einen Entwurf.
Sie haben damit Großes geleistet. Bundeskanzler Schüssel hat zuerst schon mit
dem Präsidenten der Europäischen Versammlung Giscard d’Estaing verglichen, der
sich selbst auch am Schluss hingestellt und gesagt hat: „Ich weiß, da gibt es
noch viele unterschiedliche Positionen, Wiederholung bringt uns nicht weiter,
jetzt müssen wir zusammenführen. Ich als Präsident Giscard d’Estaing lege euch
einen Entwurf vor. Er wird niemanden gänzlich befriedigen, aber er könnte die
Basis für einen Konsens sein.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist dieser
Konsens verwirklicht. Das Europäische Parlament hat vor wenigen Tagen mit
überwältigender Mehrheit diesen Giscard-Vorschlag angenommen. Sie wissen,
worauf ich hinaus will. Ich sehe die Parallelität durchaus. Wir werden
sicherlich nicht alle einverstanden sein können mit dem, was unser
Konventspräsident uns vorgelegt hat. Auch die österreichische Wirtschaft hat
einiges vorzubringen, was sie anders sieht und was sie auch anders haben
wollte. Aber wenn jeder nur bei dem bleibt, was er haben will, kommen wir nicht
weiter. Daher sage ich ganz offen: Auch wenn wir uns manches ganz anders
gewünscht hätten, stehen wir nicht an zu sagen, wir werden uns natürlich am
weiteren Diskussionsprozess beteiligen. Aber wir werden selbstverständlich das
Grundgerüst des Entwurfs des Präsidenten Fiedler unterstützen und unsere anders
gehenden Vorschläge im Zweifelsfall zurücknehmen, um einen Erfolg des Ganzen zu
gewährleisten. Und wenn wir das alle machen, die wir hier sitzen, dann ist
diesem Erfolg eigentlich kein Scheitern mehr, sondern ein befriedigendes
Umsetzen beschieden, und das wäre gut für unser Land.
Meine Damen und Herren, es darf kein Scheitern geben. Wir
haben eine übergeordnete Verantwortung, auch was die Zeit betrifft. Bitte
verfallen Sie nicht in den Fehler zu sagen, ja, wir haben viel Zeit, zwei, drei
Jahre habe ich gehört. Nein! Nützen wir den Schwung, nützen wir die
Begeisterung, nützen wir die Kompetenz, die wir hier jetzt haben, dass wir auch
zum Ergebnis kommen, zum Erfolg kommen.
Experten sagen, dass, wenn wir eine schlanke Verfassung
haben, wenn wir darauf aufbauend die beste Verwaltung Europas haben, dass wir
damit eine wichtige Voraussetzung haben, dass wir unendlich viel Geld sparen
können, 3,5 Millionen € –denken Sie daran, was man damit machen könnte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren und jetzt diskutiere
ich mit Ihnen gar nicht, ob das dreieinhalb, zweieinhalb oder was immer für
Summen sind. Das sagen Experten, das sage nicht ich. Aber ich sage, es ist
unendlich viel Geld, das soll nicht in der Bürokratie bleiben, sondern das
sollen unsere Zukunftsinvestitionen sein. Und das ist eine riesige
Herausforderung. Und da möchte ich Sie auch motivieren. Das ist nicht etwas,
was nur die Wirtschaft verlangt. Das spüren instinktiv viele Menschen, die
sagen, wo haben wir unsere Zukunft, und was tun unsere Verantwortlichen, um
diese Zukunft abzusichern. Die Aufgabe ist gestellt, meine Damen und Herren.
Gehen wir es an und führen wir es zu einem glücklichen Ende.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Vielen Dank, Herr Präsident.
Als Nächster hat sich Herr Landeshauptmann Niessl zu Wort
gemeldet. – Bitte sehr, Herr Landeshauptmann.
Hans Niessl : Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Nach eineinhalb Jahren geht mit dem heutigen Tag die Arbeit
des Konvents zu Ende. Die Arbeit des Konvents wurde in den vergangenen Wochen,
in den vergangenen Monaten unterschiedlich beurteilt. Die Arbeit des Konvents
wurde auch von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern unterschiedlich beurteilt.
Positiv kann hervorgehoben werden, dass in den Ausschüssen sehr viele Themen
abgearbeitet wurden, und dass sehr professionelle Arbeit geleistet wurde. Es
gab in den Ausschüssen sicher das gemeinsame Bemühen, die Grundlage für eine
moderne, zukunftsorientierte Verfassung zu schaffen. Daher war es auch gut und
richtig, den Konvent zu gründen.
Es gibt, und auch das ist verständlich, viele unterschiedliche
Positionen. Die Länder haben sich hier in vielen Bereichen eingebracht, und es
hat sich auch, Frau Landeshauptfrau Klasnic hat darauf hingewiesen, die
Landeshauptleutekonferenz einige Male sehr intensiv mit den Themen des Konvents
beschäftigt. Eine Position wurde erarbeitet, die vom Prinzip der Subsidiarität,
der Effizienz und der Bürgernähe getragen wurde. Und ich denke, wenn wir von
Einsparungen sprechen, so ist das sicher richtig und notwendig, aber es ist
auch wichtig und notwendig, dass wir von Bürgernähe sprechen. Die Position
beinhaltet aber auch eine Aufwertung des Föderalismus, die Weiterentwicklung
des bundesstaatlichen Prinzips. Bereits im Juni 2004 haben die Länder ihre
Position zu sehr wichtigen Punkten eingebracht.
Zum Beispiel im Bereich der Bildung. Die Länder wollen ihre
Zuständigkeit im Pflichtschulbereich weiterhin behalten. Durch die Abschaffung
von Mehrfachkompetenzen soll mehr Effizienz erreicht werden. Die Länder stehen
zu einer Bildungsdirektion für jedes Bundesland, die für alle Bildungsfragen
zuständig ist. Hier besteht mit Sicherheit die Möglichkeit, im Bereich der
Verwaltung einzusparen. Das bedeutet weniger Geld für die Schulverwaltung, mehr
Geld für den Unterricht. Aus meiner Sicht wäre es auch günstig, die
Zweidrittelmehrheiten in der Schulgesetzgebung abzuschaffen. Ich denke, dass es
hier zu rascheren Reformen bei Bildungsfragen kommen kann, dass man auf
aktuelle Entwicklungen rascher reagieren kann. Die PISA-Studie hat uns auch
gezeigt, dass Reformen im Bildungswesen dringend notwendig sind, und ich finde
es positiv, dass darüber auch diskutiert wurde.
Ein Thema, das den Ländern auch sehr wichtig ist, das noch
nicht andiskutiert wurde, ist der gesamte Bereich der Sicherheit. Im Burgenland
hat es im Jahre 2004 mit einem Plus von 8,7 Prozent den stärksten Anstieg bei
den strafbaren Handlungen gegeben. Und die Antwort darauf kann nicht mehr
Zentralismus sein. Ganz im Gegenteil. Wir brauchen starke, leistungsfähige,
dezentrale Sicherheitsstrukturen. Die Sicherheitseinrichtungen vor Ort in den
Ländern und in den Gemeinden müssen gestärkt werden. Wir wollen, dass die
Bezirkshauptmannschaften weiterhin als Sicherheitsbehörden bestehen bleiben.
Die Bezirkshauptmannschaften haben vor allem im ländlichen
Bereich einen sehr hohen Stellenwert. Sie sind oft die erste Anlaufstelle für
die Bürgerinnen und Bürger. Wir wollen, dass den Bezirkshauptmannschaften
weiterhin das Bezirkskommando der Exekutive beigegeben ist. Auch die
Sicherheitsdirektion muss als Sicherheitsbehörde weiterhin mit allen
Kompetenzen ausgestattet sein. Nicht nur mit den entsprechenden Kompetenzen,
sondern natürlich auch mit den entsprechenden personellen Ressourcen.
Diese dezentralen Strukturen benötigen wir aber nicht nur
im Bereich der Exekutive, sondern auch beim Bundesheer. Gerade für das
Burgenland ist es wichtig, dass der Assistenzeinsatz aufrecht bleibt, dass es
zu keiner Abwertung der Militärkommanden kommt; und es wäre meiner Meinung nach
auch falsch, zu viele Kasernenstandorte zu schließen. Denn gerade bei Katastrophenfällen
ist es besonders wichtig, dass sich die Einsatzkräfte vor Ort befinden, dass
sie rasch helfen können. Und wer rasch hilft, hilft bekanntlich doppelt.
Ein weiterer Punkt, der für die Länder von ganz großer
Bedeutung ist, ist die elementare Daseinsvorsorge. Die elementare
Daseinsvorsorge soll als Staatsaufgabe in der Verfassung verankert werden. In
der Daseinsvorsorge darf kein Profitdenken zu Lasten der Qualität, Sicherheit
und Leistbarkeit Platz greifen. Es soll gewährleistet sein, dass die
Daseinsvorsorge mehrheitlich in öffentlicher Hand bleibt. Die Wasserversorgung,
das Gesundheitswesen sind dabei besonders hervorzuheben.
Die Länder sprechen sich für eine Verfassung aus, die in
erster Linie an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger orientiert ist. In
diesem Sinne haben die Länder auch eine gemeinsame Position für die
Kompetenzverteilung eingebracht. Und diese Position beinhaltet das
Drei-Säulen-Modell bei der Aufteilung der Kompetenzen. In der ersten Säule sind
die Kompetenzen des Bundes klar definiert, in der zweiten Säule die der Länder.
Die dritte Säule beinhaltet im Sinne der Subsidiarität ebenfalls
Länderkompetenzen, bei denen aber im Sinne der Homogenität bundeseinheitliche
Rahmenbedingungen geschaffen werden können. Die Länder treten in diesem Punkt
dafür ein, dass der Bundesrat aufgewertet wird. Wir treten dafür ein, dass den
Ländern bei Materien, die sie direkt betreffen, ein verstärktes Mitspracherecht
eingeräumt wird. Ich sehe darin eine klare Aufgabenteilung, die dem Subsidiaritätsprinzip,
den Grundsätzen der Effizienz und der Bürgernähe, Rechnung trägt. Die
Bürgernähe und Stärkung des ländlichen Raumes sollte auch bei der
Gerichtsorganisation berücksichtigt werden. Das heißt insbesondere, dass in
jenem Land ein Rechtsmittelgericht gegeben sein muss.
Die Republik Österreich feiert heuer ein Jubiläumsjahr.
Dies wird auch zum Anlass genommen, um auf die Erfolgsstory der vergangen sechs
Jahrzehnte hinzuweisen. Dabei sollte aber auch nicht vergessen werden, dass die
Länder, dass der gelebte Föderalismus sehr viel zu dieser Erfolgsgeschichte
beigetragen hat – und ich sehe in einem gelebten Föderalismus nicht nur ein
Konzept für die Vergangenheit, ich sehe darin auch ein Konzept für die Zukunft.
Das neue Europa muss ein Europa der Vielfalt, ein Europa
starker Regionen sein. Wir brauchen eine Demokratie der Nähe, wir brauchen ein
bürgernahes Europa – und diesen Zielsetzungen sollte auch in der neuen
österreichischen Bundesverfassung Rechnung getragen werden.
Ich möchte seitens der Länder allen danken, die sich aktiv
in den Konvent eingebracht haben, ich danke dem Herr Präsidenten für die
Vorsitzführung sowie allen Experten, die ausgezeichnet gearbeitet haben.
Jetzt ist das Parlament, jetzt sind die zuständigen
Ausschüsse am Zug. – Die Demokratie lebt vom Kompromiss, daher sollte es beim
nötigen gemeinsamen Willen möglich sein, diesen Konsens zu finden und
Österreich eine moderne Verfassung zu geben, eine Verfassung, die sich an den
Interessen der Bürgerinnen und Bürger orientiert, eine Verfassung, welche auch
die richtige Balance zwischen Subsidiarität und Homogenität findet. – Danke für
die Aufmerksamkeit.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner : (übernimmt den Vorsitz)
Danke, Herr Landeshauptmann.
Der nächste Redner ist Herr Landtagspräsident
Dipl.-Ing. Jörg Freunschlag.
Dipl.-Ing. Jörg Freunschlag: Geschätzte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren!
Der
Österreich-Konvent und seine zehn Ausschüsse haben sich in den letzen
eineinhalb Jahren sehr intensiv mit fast allen Fragen für eine Reform der
österreichischen Bundesverfassung befasst. In Summe – und das haben ja heute
die einzelnen Wortmeldungen bereits sehr eindrücklich ergeben – ist das
Ergebnis des Konvents eindeutig positiv zu beurteilen, wenn es auch kein
endgültiges Ergebnis gibt. Noch nie seit 1920 lagen so viele profunde und
konkrete Vorschläge und zum Teil auch ausformulierte Vorschläge für die
Weiterentwicklung der österreichischen Bundesverfassung auf dem Tisch –
Vorschläge, die uns eine solide Grundlage für künftige notwendigen Reformen
geben.
Und es ist schon eine sehr interessante Situation, wenn
eine Vorrednerin heute die Frage gestellt hat: Wurde der Auftrag erfüllt? – Ich
meine, diese Frage mit „Ja“ und mit
„Nein“ beantworten zu müssen: Ja, dahingehend, dass sehr, sehr viele –
hunderte! – Vorschläge, Ideen auf dem Tisch liegen, die man aufgreifen muss und
müsste, um weiterzukommen, und das Nein bezieht sich auf die
Entscheidungsschwäche: Es ist keine Entscheidung – keine gemeinsame
Entscheidung – gefunden worden, wohl daher, dass im Laufe der Beratungen
insbesondere im letzten Vierteljahr das Ich, das Ego, die eigene Position,
immer mehr in den Vordergrund gekommen ist und nicht das notwendige Wir, das
Gemeinsame, die Arbeit für unsere gemeinsame Heimat, für unsere Republik.
Dieses Gemeinsame ist nicht im Vordergrund gestanden, sondern eher in den
Hintergrund gedrängt worden.
Und ich möchte auch nicht anstehen, allen zu danken für
ihre Ideen, für den Einsatz und die hunderten Stunden, die hier aufgewendet
wurden, und insbesondere auch Präsidenten Dr. Fiedler für den Mut zu einer
Zusammenfassung, dass etwas Handgreifliches überhaupt vorhanden ist, auf das
man nun aufbauen kann und weiter verhandeln kann, um doch noch zu einem
Ergebnis zu kommen.
Leider, und das ist etwas, was ich beobachten musste aus
der Ferne, aus Kärnten, dass nach 18-monatiger engagierter Knochenarbeit ein
anfänglicher gemeinsamer Wille und die Bereitschaft zu einer längst notwendigen
Umsetzung einer Verfassungsreform dem parteipolitischen Kalkül immer mehr
weichen musste. Und das, glaube ich, ist bedauerlich – bedauerlich, meine Damen
und Herren! –, dass wir nicht die Kraft aufbringen konnten, dieses Ziel, so wie
wir es uns selbst vorgegeben haben, zu erreichen. Und ich finde es schon hier
auch als eine Zumutung gegenüber all jenen, die heute schon erwähnt wurden, die
in ehrenamtlichem Engagement mit großem Wissen viele, viele Stunden gearbeitet
haben mit den politischen Vertretern, und dass wir heute feststellen müssen,
wir können uns nicht oder wir konnten uns noch nicht einigen.
Und es ist auch eine Zumutung gegenüber der Bevölkerung, wo
wir Erwartungen geweckt und Erwartungen seitens der Bevölkerung auch da sind,
die wir nicht erfüllen können zum heutigen Tag. – Auch das sollten wir uns
selbst einmal fragen und wir sollten uns auch dessen bewusst sein, welchen
Schaden wir auch anrichten, wenn wir nicht in der Lage sind, unsere Ziele gemeinsam zu erreichen –
ein Schaden, der entsteht gegenüber der Reputation unserer Republik und ein Schaden
gegenüber der Glaubwürdigkeit der Parteien, aber auch ein Schaden, den wir für
die Zukunft unseres Landes entstehen lassen.
Das alles sind Dinge, die wir heute schon diskutiert haben,
aus unterschiedlichen Mündern bereits geäußert wurden, und trotzdem haben wir
nicht die Kraft, hier etwas weiterzubringen. Und ich frage mich: Was hält uns
denn ab, uns ernsthaft um ein gemeinsames Ergebnis zu bemühen – zumindest in
jenen vielen Bereichen, die unbestritten bereits konsensual auf dem Tisch
liegen, wo wir schon wissen, dass wir es können, und wo wir schon wissen, dass
wir ein Ergebnis erzielen können? Was ist denn der Grund, dass das plötzlich
nicht mehr möglich ist, fragt sich der einfache Bürger auf der Straße. Ist der
Grund vielleicht der Termin der nächsten Nationalratswahl? – Das wäre schrecklich,
wenn das so wäre!
Ich meine, dass wir alle sehr, sehr gefordert sind und
einzelne Punkte doch noch einmal genau unter die Lupe nehmen sollten, warum wir
gemeinsame Positionen nicht in einen gemeinsamen Entwurf bringen können, wie
zum Beispiel die Beseitigung einer Vielzahl von Verfassungsbestimmungen und
einzelnen Verfassungsgesetzen. Ich sehe hier keinen Dissens, ich sehe hier
eigentlich einen Konsens für einen so wichtigen ersten Schritt! Oder die
Erarbeitung eines Grundrechtskataloges mit der Verankerung von sozialen
Grundrechten. Hier wurde vieles erreicht – wir müssen uns natürlich schon klar
sein, dass es nicht immer 100 und 110 Prozent sein können, wenn wir gemeinsam
hier etwas beschließen wollen und müssen.
Ich verstehe nicht, dass es nicht möglich ist, die
Legislaturperioden des Nationalrates und der Landtage zu vereinheitlichen,
gleich lang zu machen – was ist denn da dahinter? Es versteht doch kein Mensch
auf der Straße, dass wir uns hier nicht einig werden! Oder die klare
Kompetenzenaufteilung zwischen Ländern und Gemeinden, auch hier wurde gerungen.
Ich glaube, es wurde zu spät Wichtiges auf den Tisch gelegt, und es ist ja
jetzt in den letzten Wochen und Tagen einiges dazugekommen.
Die Länder haben eine wichtige und unverzichtbare Rolle
nicht nur in Österreich, sondern die Regionen haben für die zukünftige
Entwicklung Europas eine ganz, ganz wichtige und entscheidende Rolle übertragen
bekommen, nur haben sie kaum Möglichkeiten, diese Rolle auch so zu spielen, wie
sie es tun müssten! Eine klare Kompetenzaufteilung ist notwendig, eine klare
Zuständigkeit zwischen den Aufgaben der Länder und des Bundes, aber natürlich
dazu auch eine klare Regelung der Finanzen. Und da sehe ich einen Schwachpunkt
– vielleicht bin ich in meiner Beurteilung nicht ganz richtig –, dass der
Ausschuss 10, betreffend eine neue Finanzverfassung, doch nicht diese Breite
diskutiert hat und diese Ergebnisse erzielt hat, die es den Ländern und
Gemeinden möglich machen, auch in anderen Bereichen ja zu sagen oder zu
Ergebnissen zu kommen.
Im gleichen Atemzug ist schon eine Reform des Bundesrates
erwähnt worden, der Mitwirkung der Länder, es läge ja alles am Tisch hier in
einem Konsens gerade für eine bessere und verstärkte Mitwirkung der Länder,
auch dem Bundesrat eine neue Rolle zu geben, denn ansonsten kann man ihn ja in
Wirklichkeit gar nicht mehr verteidigen, wenn das in der Zukunft so weitergehen
sollte wie bisher.
Nun, es gibt auch die Frage der Kontrollrechte des
Rechnungshofes, der schon bei Bundesbeteiligungen ab 25 Prozent prüfen können
sollte, aber auch die Kontrolle der Gemeinden unter 20 000 Einwohner scheint
mir eine ganz wichtige Frage, wobei die Frage zu klären ist, wer prüft. Aber
geprüft werden muss, denn dort werden unglaublich große Geldmengen verwaltet,
und oft – wie man hört – ja nicht zum Besten.
Auch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch
die Minderheit halte ich für die heutige Zeit für notwendig und wichtig.
Sperren wir uns doch nicht. Ermöglichen wir hier einen Fortschritt. Warum
können nicht die Einrichtungen der Verwaltungsgerichte mit beschlossen werden?
Ist alles eigentlich geregelt, ausgeredet, und wir können es nicht
zusammenbringen. Ich meine, dass wir uns selbst fragen müssen, was hält uns
denn wirklich ab, hier das Ergebnis auf den Tisch zu bringen?
Deshalb möchte ich den dringenden Appell richten, das
Bisherige, das wir erarbeitet haben, nicht zu schubladisieren, wie auch viele,
auch mein Vorredner Präsident Leitl und viele andere gesagt haben, zu
schubladisieren, sondern dieses kostbare Gut in Händen zu tragen und
miteinander zu sprechen und aufeinander zuzugehen und dieses Projekt fertig zu
stellen zum raschesten Zeitpunkt.
Meine Damen und Herren! Österreich gehört nicht den
Parteien, der einen oder anderen Partei. Wir alle sind ein Teil dieser Republik
und wir tragen Verantwortung und wir sollten uns dieser Verantwortung
bewusst werden und der Bevölkerung
zeigen, gerade wir Politiker, das wir das Geld wert sind, das wir bekommen.
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents
Angela Orthner: Nächste Rednerin ist die Frau Bundesministerin Gehrer. –
Bitte.
Elisabeth Gehrer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des
Konvents!
Der Bildungsbereich war ein sehr wesentlicher Bestandteil
der Diskussion im Konvent in den verschiedenen Ausschüssen, im
Verwaltungsausschuss, im Grundrechteausschuss, im
Kompetenzverteilungsausschuss. Der Bildungsbereich ist auch ein ganz wichtiger
Bereich der politischen Arbeit der Länder, der Gemeinden, des Bundes.
Ich möchte mich zuerst herzlich für die konstruktive und
engagierte Diskussion bedanken für alle, die etwas beigetragen, etwas
eingebracht haben, alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Konvents und auch
alle, die zu Hearings geladen wurden. Das Papier oder die Papiere, die jetzt
vorliegen, die tausend Seiten, der Bericht aus den Ergebnissen des Konvents,
ist ein Bericht über verschiedene Meinungen, die vorgetragen wurden.
Ich möchte es von meiner Warte aus als sehr mutig bewerten,
dass der Herr Präsident Fiedler einen Gesamtentwurf gemacht hat, der nun Basis
einer Diskussion sein kann unter Einbeziehung der verschiedenen Standpunkte,
die als Ergebnisse aus den einzelnen Diskussionen festgehalten sind. Ich
glaube, es ist das Allerwichtigste, dass man einmal eine Grundlage hat, mit der
diskutiert werden kann. Es gibt meiner Meinung nach bei vielen Arbeitsgruppen
viel zu oft wenig mutige Vorsitzende, die nicht sich getrauen, eine Vorlage
vorzulegen, mit der nun endlich gearbeitet werden kann. Natürlich muss diese
Vorlage mit sehr kritischen Augen angeschaut werden und gerade ich als
Vorarlbergerin und als gelernte Föderalistin lege natürlich großen Wert auf die
Zusammenarbeit mit den Bundesländern und auf die Berücksichtigung der
Bundesländer.
Was ich im Bildungsbereich auf keinen Fall möchte, ist ein
neuer Zentralismus, der über Länder und Gemeinden hinweg geht. Deswegen ist es
mir ein ganz großes Anliegen, aufzuzeigen, wie Bildungsverwaltung funktionieren
kann mit einer einfacheren Verwaltung, mit einem One-Stop-Shop, mit einer
Landesbildungsdirektion, und mein Motto ist es dabei: Bei der Verwaltung
einsparen, wie es der Präsident Leitl sehr oft sagt, und bei der Bildung
ausbauen. Und das ist, glaube ich, der richtige Weg, den wir gehen müssen.
Wir haben da schon einen ersten Schritt getan. Bei den
Vereinbarungen zum Finanzausgleich haben wir 12 Millionen mehr zu allen
Zahlungen dazu vereinbart, damit die Länder spezielle Bedürfnisse an den
Schulen mit etwa 400 Dienstposten auch speziell erfüllen können. Das heißt, die
Förderung von Kindern, die sich schwerer tun, die Förderung von
Migrantenkindern, kann mit diesen 400 Dienstposten über ganz Österreich hinweg
vorgenommen werden. Und es ist jetzt die Verantwortung der Länder, diese
zusätzlichen Dienstposten zielorientiert einzusetzen.
Im gesamten Schulbereich, glaube ich, sollten wir
festhalten, wir wollen so viel Freiheit und Autonomie wie möglich geben und
wollen aber so viel Gemeinsamkeit wie nötig als Bundeskompetenz erhalten. In
intensiven Diskussionen wurden ja schon sehr viele Gemeinsamkeiten in den
einzelnen Ausschüssen festgestellt, die Einführung des Grundrechtes auf
Bildung, eine Verankerung der Schulgeldfreiheit in der Verfassung, die Abkehr
von der Zweidrittelgesetzgebung für Alles und Jedes im Bildungsbereich, die
Bundeszuständigkeiten für die Universitäten und die Hochschulen.
Einige Diskussionen stehen noch aus, haben noch kein
Ergebnis gebracht, zum Beispiel die Verankerung einer Grundstruktur der Bildung
in der Verfassung, denn ich glaube, Schule braucht eine gewisse Beständigkeit,
eine gewisse Vorausschaumöglichkeit, eine gewisse Berechenbarkeit. Deswegen
sollte eine Änderung der gesamten Grundstruktur im Schulbereich weiterhin eine
Zweidrittelmehrheit brauchen. Aber viele andere Dinge können wir aus der
Zweidrittelmehrheit herausnehmen.
Meine Damen und Herren! Das Zusammenwirken zwischen Bund
und Ländern und Gemeinden wird immer von einer guten Partnerschaft getragen
sein müssen. Ich glaube nicht, dass Kompetenzen so verteilt werden können, dass
der Eine mit dem Anderen nichts mehr zu tun hat. Das funktioniert nicht, meine
Damen und Herren. Man muss, glaube ich, gemeinsame Zielsetzungen finden und
diese gemeinsamen Zielsetzungen dann auf allen Ebenen umsetzen mit dem Willen,
das gemeinsame Ziel zu erreichen.
Ich möchte das gerne an einem ganz aktuellen Beispiel
demonstrieren, an dem Beispiel der Diskussion über die gesamte Tagesbetreuung.
Ein lang gehegter Wunsch, dass man gesagt hat, Schule soll sich der modernen
Lebenswelt, der modernen Arbeitswelt, den modernen Familienstrukturen anpassen
und dort, wo es notwendig ist, diese Betreuung für die Kinder anbieten. Was
wollen die Eltern? Die Eltern wollen, dass ihre Kinder gut aufgehoben sind und
dass sie die Hausaufgaben gemacht haben und gelernt haben, wenn sie am Abend
nach Hause kommen.
Nun, wie soll so etwas umgesetzt werden? Der Bedarf muss
natürlich vor Ort erhoben werden. Ich kann in Wien wirklich nicht wissen, in
welcher Gemeinde ein derartiges Angebot notwendig ist. Da brauchen wir die
Gemeinden, die Kommunen, da brauchen wir die Schulen, die diesen Bedarf
feststellen. Die Freiwilligkeit muss erhalten bleiben. Das heißt, Eltern müssen
sich entscheiden können. Die Schulpartner sollen gemeinsam Entscheidungen
treffen.
Dann wird jetzt eine wilde Diskussion darüber geführt,
welche Zusatzkosten bei den räumlichen Gegebenheiten notwendig sind. Meine
Damen und Herren! Wenn wir uns die Schulen anschauen und mit etwas Hausverstand
vorgehen, dann sehen wir, dass wir Schulen haben mit Gruppenräumen, mit
Klassenräumen, mit einer Aula, Hauptschulen mit einer Küche, mit einem Essraum,
Sportplätze, Turnsäle. Und oft genug ist mir schon gesagt worden, dass es doch
eigentlich fast unverantwortlich sei, diese Räumlichkeiten nicht außerhalb der
Unterrichtszeit auch zu nutzen. Das heißt, mit einem ganz normalen Hausverstand
kann eine Tagesbetreuung in den Gegebenheiten, die wir an unseren guten Schulen
haben, umgesetzt werden.
Dann brauchen wir den Bund, der sagt, ich zahle etwas von
der Betreuung. Wir zahlen zehn Betreuungsstunden. Zehn Betreuungsstunden, wenn
ich zehntausend Plätze schaffe, kostet das 8 Millionen € für den
Bundeshaushalt. Das wird den Ländern zur Verfügung gestellt. Aber es müssen die
Schulerhalter dann diese Betreuung organisieren. Die Eltern zahlen natürlich
fürs Mittagessen. Das ist ja klar, und für die Betreuung einen gestaffelten
Betrag, eine soziale Staffel, die auch bis auf null gehen kann. Derzeit ist es
im Bundesbereich so, dass wir 80 € für die monatliche Betreuung einheben,
dass wir es aber auch bis auf null herunterstaffeln können, wenn sozial
Bedürftige da sind.
Ich meine also, dass gerade in diesen Bereichen, nämlich
bei der Bildung, bei der Betreuung für unsere Kinder, die Zusammenarbeit von
allen oberste Notwendigkeit ist. Und dass wir da nicht so einfach feststellen
können, wer ist für was verantwortlich. Wir brauchen das Zusammenwirken.
Meine Damen und Herren! Ich möchte noch mein Erstaunen zum
Ausdruck bringen über die Wortmeldung des Kollegen Wittmann, der gemeint hat:
Man kann doch nicht eine Verfassung beschließen, wenn man auf der anderen Seite,
zum Beispiel beim Hochschülerschaftsgesetz, nicht einer Meinung ist. Also, ich
halte das für eine unzulässige Verknüpfung. Ich meine, wir sollten in Zukunft
dazu schauen, dass wir aus den vielen guten Ideen, aus den vielen Grundlagen,
die da sind, wirklich zu einer gemeinsamen Verfassung kommen. Die Politik ist
jetzt gefragt, und ich möchte ein Wort des Philosophen Ernst Bloch allen
mit auf den Weg geben, der hat gesagt: Man muss ins Gelingen verliebt sein,
nicht ins Scheitern. Und das wäre ein guter Grundsatz für eine gute neue
Verfassung!
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Frau Bundesministerin. Nächster Redner ist der Herr
Präsident Verzetnitsch.
Friedrich Verzetnitsch: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Als wir vor mehr als eineinhalb Jahren hier in diesem Raum
die Debatte um die Neuordnung des Österreichischen Bundesverfassung begonnen
haben, gab es viele skeptische Stimmen, ob das überhaupt einen Sinn macht,
einen solchen Konvent abzuhalten, weil man ja vielleicht doch aneinander vorbei
redet, oder welcher Veränderungswille ist tatsächlich da.
Ich glaube, dass, wenn man diese Zeit Revue passieren
lässt, sehr viel Positives passiert ist, dass man miteinander über Grundsätze,
über Grundlagen diskutiert hat und der Wille vorhanden war, doch ein
gemeinsames Ziel zu erreichen. Wir haben dieses Ziel leider nicht erreicht, aber
ich glaube, das sollte nicht zum Stehenbleiben, sondern zum Weiterentwickeln
auffordern, und ich möchte mit besonderer Freude Sie auch darüber
informieren – vielleicht haben Sie es auch gesehen –, dass ja auch im
schulischen Bereich der Österreich-Konvent vorkommt.
Es gibt eine Unterlage für die politische Bildung,
herausgegeben vom Bildungsministerium und von der
Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft, wo sehr wohl und sehr deutlich Schülerinnen und
Schüler auf diesen Verfassungskonvent und „Was ist überhaupt die
Verfassung?“ hingewiesen worden sind. Ich glaube, eine absolut positive
Sache, die ich besonders hier erfreut auch erwähnen möchte, auch wenn ich sage,
dass es natürlich amüsant ist, wenn man zum Beispiel nachlesen kann, dass
Schülerinnen und Schüler auf Links zur politischen Bildung verwiesen
werden – Webseite für Kinder und Jugendliche zum Thema Politik, die
ausschließlich auf deutsche Links verweisen. Es gibt keinen einzigen
österreichischen Link dazu. Und vielleicht ganz besonders witzig ist es, wenn
in einem Cartoon der Alltag des deutschen Bundeskanzlers angeboten wird und die
Rechtsfragen alle österreichischen Links beinhalten. Also, politische Bildung,
glaube ich, könnte man auf der Internetseite auch aus österreichischer Sicht
vielleicht produzieren. Dennoch ist diese Grundlage hier absolut zu
unterstützen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gleichwertige
Verankerung von sozialen Grundrechten in einer solidarischen Gesellschaft neben
den Bürger- und Wirtschaftsrechten war und ist unser Anliegen, und Präsident
Leitl hat schon darauf hingewiesen. Es ist uns, so glaube ich, hier in einem
guten Verständnis der gemeinsamen Zielsetzung gelungen, die sozialen
Grundrechte so zu definieren, dass sie die Basis – fast wortwörtlich die
Basis – für den Eingang in einen möglichen Verfassungstext gebildet haben,
ja sogar im Zusammenhang mit den Beratungen im Ausschuss in der einen oder
anderen Richtung auch noch ergänzt worden sind.
Ich stehe ganz offen ein, dass in meiner Organisation hier
sehr viel Skepsis bestand, ob das überhaupt möglich ist, und ich habe daher mit
Freude hier auch zur Kenntnis genommen, dass das gelungen ist. Es ist vieles
erreicht, wenn man die soziale Basis annimmt, weil ich davon ausgehe, dass eine
Verfassung ähnlich – wie in einem Unternehmen – ein Leitbild darstellt, was
denn die Gesellschaft eigentlich will.
Und ich glaube daher, dass es richtig und wichtig ist, wenn
in einer zukünftigen Verfassung, zum Beispiel zum Thema Arbeit, die angemessene
Beschränkung der Arbeitszeit steht, auch wenn man tagespolitisch sagen kann,
das wäre jetzt eine Frage der normalen Gesetzgebung, ist es meiner Meinung nach
wichtig, wenn die Gesellschaft sich grundsätzlich dazu äußert: Wie sieht sie
eigentlich die Arbeitszeit und – im Besonderen – auch zum Beispiel die Frage
der angemessenen Arbeitsruhe, insbesondere an Sonn- und Feiertagen.
Oder wenn ich daran denke: Die berufliche Aus- und
Weiterbildung. Auch hier könnte man sagen, eine Aufgabe des Gesetzgebers, eine
Aufgabe der Verwaltung, eine Aufgabe der Administration. Ich persönlich bin
überzeugt davon, dass es hier wichtig ist, dass wir in der Verfassung
Grundsätze definieren, wie wir denn dazu stehen, denn daraus leiten sich auch
dementsprechende Verpflichtungen für uns alle ab.
Ich möchte im Besonderen auch dem Vorsitzenden des
Ausschusses, der sich mit den Grundrechten beschäftigt hat, und allen
Mitgliedern den Dank aussprechen, Prof. Funk und den Mitgliedern dieses
Ausschusses, weil es hier in einer sehr fruchtvollen Auseinandersetzung die eine
oder andere Sicht gegeben hat, man voneinander lernen konnte und hier
gemeinsame Ziele definiert hat. Und wenn ich in wenigen Worten zuerst gemeint
habe: Wir stehen leider nicht am Ende, sondern im Hinblick darauf in der
Umsetzung erst am Beginn, dann ist es ja ganz spannend, zum Beispiel auch den
Bericht des Konvents und sowohl der Ausschüsse als auch des Präsidiums Revue
passieren zu lassen.
Ja, es ist wichtig, dass wir zum Beispiel das Recht auf
Bildung definieren. Wichtig ist, es nicht nur bei den drei Wörtern bestehen zu
lassen, sondern die Frage sich zu stellen: Was versteht eine Gesellschaft unter
dem Recht auf Bildung? Leider ist es hier nicht zu einem hundertprozentigen
Konsens gekommen. Es gibt einen Dissens. Das Recht auf kulturelle Teilhabe, ein
ebenfalls wichtiger Ansatz. Hier ist es ja erfreulicherweise gelungen –
zumindest im Präsidium –, auf den Ausschussbericht zu verweisen, oder der
Schutz der Gesundheit.
Alle Dinge, die das tägliche Leben unserer Gesellschaft mit
beeinflussen, sind hier angesprochen, und ich glaube daher, dass die Basis, die
durch den Verfassungskonvent gelegt worden ist, eine sehr fruchtbare ist, auf
der wir auch weiter aufbauen können. Das Recht auf soziale Sicherheit, das
Recht – zum Beispiel – auch auf
Leistungen von allgemeinem Interesse, in der Fachsprache Daseinsvorsorge
genannt.
All das sind wichtige Ansätze, und hier setzt auch die
Kritik an. Wenn das gleichzeitig verbunden wird, wie es zum Beispiel auf der
Seite 47 des Konventsberichts zu lesen ist, dass das nach wirtschaftlichen
Grundsätzen zu betrachten ist, ist es schon wieder eine neue politische Herausforderung.
Denn die Frage ist: Sparen, Sparen, Sparen? Oder die Frage sich zu stellen: Wie
finanzieren wir Dinge, die wir gemeinsam auch umsetzen wollen? Und ich glaube,
dass es genauso wichtig ist, wie das ja auch in den Ausschussberatungen
vielfach der Fall war, über die Aufgabenstellung und die Aufgabenverteilung zu
reden, wie das ja Vorrednerinnen und Vorredner mehrfach getan haben.
Es geht meiner Meinung nach darum, dass wir nicht stehen
bleiben in dem bisherigen Verhandlungsergebnis, sondern uns die Frage stellen:
Wollen wir – und ich glaube, dass das niemand verneinen kann – wollen wir einen
Verfassungsentwurf zur Grundlage nehmen, der dann im Verfassungsausschuss und,
nachfolgend dann auch im Parlament, dementsprechend als eine gemeinsame neue Verfassung
entstehen kann? Dann werden wir uns mit dieser Frage „Finanzierbarkeit“ und der
Frage „Sparen“ sehr intensiv auseinander setzen müssen.
Ich orte das ja nicht nur in unserem Lande, auch auf der
europäischen Ebene haben wir immer wieder die Diskussion: Sparen, Sparen,
Sparen, Stabilitätspakt, statt dass wir uns die Frage stellen: Wie finanzieren
wir dieses Europa? Denn in einigen Fragen gibt es sehr wohl die Bereitschaft,
Geld dafür auszugeben. Ob das in das Gesamtkonzept hineinpasst, ist immer in Frage
zu stellen.
Damit mir hier nicht der Vorwurf gemacht werden kann, dass
mir die Budgets völlig egal sind, mitnichten, meine sehr geehrten Damen und
Herren, die Budgets sind gerade für die arbeitende Bevölkerung, für die
Menschen unseres Landes, ein sehr entscheidender Ausdruck dessen, was leistbar
ist in einer Gesellschaft, und natürlich muss man sich immer wieder die Frage
stellen: Welche Effizienz kann da oder dort eingesetzt werden?
Ich glaube aber, wenn man die Verfassungsdokumente ernst
nimmt, die bisherigen Diskussionen ernst nimmt, dass wir die guten Grundlagen
haben, dass wir es aber nicht beim Benennen bestehen lassen dürften, sondern
konkret werden müssen. Denn wenn Rechtsdurchsetzung auch bedeutet, dass der
Einzelne nicht darauf verwiesen wird – ich nenne ein Beispiel: Das Recht
auf Wohnen –, ohne dass gesagt wird, wie wird das letztendlich dann auch
umgesetzt, das kann ja auch bedeuten – erlauben Sie mir, das etwas
provokant zu sagen –, auch unter einer Brücke lässt es sich wohnen. Die
Frage ist nur: Wollen wir das, oder wollen wir in dieser Aufzählung der
sozialen Grundrechte nicht nur die Benennung der Aufgaben, sondern auch die
Umsetzung garantieren? Und ich glaube, dass darin auch eine der Hauptaufgaben
der zukünftigen Aufgaben zu sehen ist.
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents
Angela Orthner: Nächste Rednerin ist Frau Oberin Gleixner.
Christine Gleixner: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und
Herren!
In dieser letzten Konventssitzung gebe ich Ihnen den
nachfolgenden Bericht der Ökumenischen Expertengruppe:
Durch die verdienstvolle Arbeit des Österreich-Konvents ist
schon jetzt mehr Konsens als Dissens über verschiedene Teile einer neuen
Bundesverfassung sichtbar. Obwohl viele Punkte unerledigt sind, eröffnet die
parlamentarische Behandlung der Konventsergebnisse die Möglichkeit, sie
aufzugreifen und zu klären.
Dem Präsidium des Konvents ist ein Schreiben der
Verantwortlichen der gesetzlich anerkannten Kirchen vom 14.12.2004 zugegangen,
in dem die Kirchen weiterhin an die Verantwortung der Politikerinnen und der
Politiker appellieren. Dieses Schreiben liegt allen Konventsmitgliedern vor.
Wenn die Rechte der Menschen, der Bürger und Bürgerinnen
neu gefasst, ausgebaut und gesichert werden sollen, ist parteipolitisches
Taktieren nicht am Platz. So wie schon bisher im Konvent zwischen den
Standpunkten vermittelt werden konnte, auch durch die Anregungen der Kirchen,
wird es wohl auch im Nationalrat gelingen, zukunftsweisende Lösungen zu finden.
Die Kirchen sprechen zwar auch ihre eigenen Belange an,
versuchen aber vor allem für jene zu sprechen, die keine Stimme haben oder
deren Stimme in der Politik nicht ausreichend gehört wird. Die Kirchen sind in
das regionale und parteipolitische Kräftespiel nicht involviert. In ihrer
Verantwortung für das Wohl und das Heil der Menschen fördern sie die Reform der
Bundesverfassung und arbeiten dabei mit allen zusammen, die ein Gelingen
wünschen. An dieser Stelle danke ich für die faire Aufnahme der Vorschläge und
Anregungen der „ökumenischen Expertengruppe“ in den Beratungen des Konvents,
insbesondere im Ausschuss 4 „Grundrechte“.
Im Auftrag der Kirchen wird deren Expertengruppe auch den
parlamentarischen Prozess zur Reform der Bundesverfassung begleiten und gemäß
dem Auftrag an die Kirchen, den Glauben zu bezeugen und daher an der Gestaltung
der Gesellschaft in Österreich und in Europa mitzuwirken, das Wort ergreifen –
ob „gelegen oder ungelegen“.
Die Beiträge der Kirchen betreffen die Grundwerte einer
Verfassung, die Staatsziele und -aufgaben, die Grundrechte, insbesondere die
sozialen Grundrechte, einschließlich der individuellen und korporativen
Religionsrechte, des Asylrechts
und des Rechts der Volksgruppen, sowie die Grundrechte in Schule und
Bildung.
Der Entwurf einer Bundesverfassung aus der Feder des
Konventspräsidenten stellt eine geeignete Grundlage für weitere Beratungen dar.
Ihm kann aber in wichtigen Passagen inhaltlich nicht zugestimmt werden. Hiezu
im Einzelnen:
1.) Wenn der Entwurf
versucht, den möglichen Konsens für die kommende parlamentarische
Behandlung abzustecken, dann erstaunt es, dass er im Bereich der Grundrechte in
einzelnen Punkten hinter dem erzielten Konsens im Ausschuss 4 zurückbleibt; er
nimmt insbesondere die allgemein unterstützte Einigung der Sozialpartner zu
wesentlichen sozialen Grundrechten nicht auf. Der Entwurf formuliert manche soziale Grundrechte
ohne Berücksichtigung des erzielten Diskussionsstandards in den
Ausschussberatungen. Diese Standards wurden erzielt, auch wenn keine Einigung
oder keine mehrheitliche Meinung über die Gestaltung einzelner sozialer
Grundrechte als individuelle, einklagbare Rechte oder als Gewährleistungen
des Gesetzgebers im Bericht des
Ausschusses verzeichnet werden konnten.
2.) Bei den Volksgruppenrechten bestand Einhelligkeit über
Grundsätze. Sie fehlen im Entwurf: Dieser Abschnitt scheint eher die soziale,
kulturelle und politische Entwicklung in den letzten Jahren zu verdrängen als
die europäische und österreichische Wirklichkeit zukunftweisend zu gestalten.
3.) Das Verhältnis zwischen international verbindlichen
Grundrechtsnormen und der neuen Verfassung ist formal nicht geklärt, obwohl
eine solche Klärung einhellig erbeten wurde. Der Anhang weist Verdopplungen
(z.B. die Beibehaltung einiger österreichischer Grundrechtsdokumente) und
Lücken auf (z.B. die Verfassungsbestimmungen in Anerkennungsgesetzen
christlicher Kirchen, die erst dann aufgegeben werden könnten, wenn ein neuer
österreichischer Grundrechtskatalog entsprechende Regelungen enthält).
4.) Auch dort, wo kein Konsens erzielt werden konnte,
müsste der Entwurf dennoch in sich
geschlossen und systematisch vollständig sein. Mit Alternativformulierungen
oder Ergänzungen in Klammern wäre dies zu erreichen gewesen. So fehlt
insbesondere die Aufnahme folgender staatskirchenrechtlich verbürgter Rechte
der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften:
ihr Status als Körperschaft öffentlichen Rechts,
die Rechte des konfessionellen Privatschulwesens und dessen
Förderung,
der Religionsunterricht und die damit zusammenhängenden
Bildungs- und Schulfragen.
5.) Die Kirchen erklären ihre Bereitschaft, die begonnenen,
transparenten Beratungsvorgänge mit der Politik fortzusetzen – so wie bisher durch
ihre Mitwirkung im Konvent. Ihr
Angebot, dies in einer dem Art 52 Abs.3 der Europäischen Verfassung
nachgebildeten Bestimmung zu verankern, fand bislang keine Mehrheit, sollte
aber in den parlamentarischen Beratungen wieder erwogen werden – was in Anbetracht
des Umstandes, dass die Kirchen rund 80% der österreichischen Bürgerinnen und
Bürger repräsentieren, wohl erwartet werden darf. Die Kirchen können und wollen
zur Urteilsbildung über die Verfassung in der Zivilgesellschaft beitragen.
6.) Gemäß der am 21. November 2003 im Hearing des Konvents
abgegebenen Stellungnahme der gesetzlich anerkannten Kirchen wird der von der
„Ökumenischen Expertengruppe“ erarbeitete und von den Kirchenleitungen
gebilligte Entwurf einer Präambel vorgelegt. Dieser lautet:
„Wir, die Bürgerinnen und Bürger Österreichs in den Ländern
Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark,
Tirol, Vorarlberg und Wien geben uns in den kulturellen, religiösen und
humanistischen Traditionen Österreichs, in Erkenntnis der Grenzen menschlicher
Macht und der Freiheit des Gewissens, in Verantwortung vor Gott, vor den
Menschen und vor der Schöpfung, in freier Selbstbestimmung und kraft unserer
verfassungsgebenden Gewalt als Fundament für die demokratische Regierungsform,
für die Rechtsstaatlichkeit und die Bundesstaatlichkeit unserer Republik diese
Bundesverfassung: ...“.
Mit der Festschreibung der unveräußerlichen und
unbeschränkbaren Freiheitsräume jenseits des Regelbaren wird niemand
ausgegrenzt und die Sehnsucht jener Menschen ernst genommen, die gleich uns
davon ausgehen, dass an Gottes Segen alles gelegen ist.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Frau Oberin Gleixner. – Nächste Rednerin ist die Frau
Abgeordnete Mag. Stoisits.
Mag. Terezija Stoisits: Dobar dan,
poštovane dame i gospode! Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Da die Frau Dr. Petrovic vor einiger
Zeit ja bereits dezidiert und sehr eindeutig hier gesagt hat, dass die Grünen
sich mit dem Verfassungsentwurf von Präsident Fiedler heute nicht beschäftigen,
weil wir ihn als einen Vorschlag innerhalb vieler Textvorschläge, die im
Konvent eingebracht wurden, sehen, muss ich das hier jetzt noch einmal betonen,
weil die Frau Oberin Gleixner hier sich ganz besonders konzentriert hat auf den
Vorschlag, den der Herr Präsident Fiedler eingebracht hat und das in gewisser
Weise ein schiefes Licht auf die Arbeit des Konvents wirft, oder ein Licht, das die Ausgewogenheit
der Beurteilung der Ergebnisse nicht ganz korrekt erscheinen ließe. Deshalb ist
es mir wichtig, das hier noch einmal zu betonen. Das, womit wir als Grüne uns
beschäftigen, sind jene Ergebnisse, die in den 10 Ausschüssen des Konventes
erarbeitet wurden. Das sind die Berichte des Präsidiums des Konvents, das sich
mit den Ausschussergebnissen wiederum beschäftigt hat. Das ist Gegenstand der
heutigen Verhandlung und der heutigen Diskussion, nicht mehr und nicht weniger.
Vor eineinhalb Jahren, als wir hier
gestanden sind, habe ich jetzt natürlich aus Anlass der letzten Sitzung des
Konvents nachgelesen, was habe ich eigentlich damals gesagt, vor 19 Monaten?
Damals habe ich quasi als den Hauptslogan, wenn ich das so formulieren darf,
meiner Erwartungen so formuliert, ich erwarte mir von einem Konvent und von dem
Ergebnis, das er dann vorlegt, mehr Demokratie und mehr Teilhabe für die
Menschen in Österreich am politischen – und damit natürlich auf
verfassungsrechtlicher Basis gestellten – System insgesamt. Die Stärkung der
Instrumente, vor allem die Stärkung der Instrumente, wo Bürgerinnen und Bürger
unmittelbar teilhaben können, also über die heute schon vielfach zitierten vier
Jahresgänge oder die Gänge zu Wahlurnen alle vier Jahre und manchmal in einigen
Bundesländern ja über sechs Jahre hinaus, nämlich das, was man gemeinhin
direkte Demokratie nennt.
Meine Enttäuschung über die mageren
Ergebnisse im Bezug auf diese Fragen, die ist gewaltig. Ich möchte hier nicht
nur die Frage der Stärkung der direkten Demokratie ansprechen, sondern vor
allem auch, das ist heute schon einige Male, aber in differenzierter Form
geschehen, diese kleinlichen Ergebnisse in Bezug auf das, was eigentlich heute
– und da ich ja fast unmittelbar nach der Frau Ministerin Gehrer als zuständige
Bildungs- und Wissenschaftsministerin spreche – jene Frage der Einbeziehung von
mehr österreichischer Bevölkerung in demokratische Prozesse. Das ist auf der
einen Seite die Senkung des Wahlalters, wir reden nämlich hier auch von
Bundesebene. Das ist auf der anderen Seite mehr Partizipation für Menschen, die
noch nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben, aber hier den
Mittelpunkt ihres Lebens und damit auch ihres politischen Lebens sehen und hier
völlig ausgeschlossen sind. Weder das eine noch das andere hat ein Ergebnis
gebracht. Unter Ergebnis verstehe ich immer das, was Konsens ist, das auch nur
erwähnenswert wäre.
Das zu meinen Erwartungen vor
eineinhalb Jahren. Die Mitarbeit, die ich die Ehre hatte, wenn Sie so wollen,
hier leisten zu dürfen in zwei Ausschüssen, nämlich im Grundrechtsausschuss und
im Ausschuss Rechtsschutz und Gerichtsbarkeit, ist ein bisschen positiver zu
sehen, denn – und, Frau Ministerin, Ihr von Ernst Bloch so zu sagen entlehnter
Schlusssatz an uns alle, man muss ins Gelingen verliebt sein und nicht ins
Scheitern. Ja, Frau Bundesministerin! Ich spreche jetzt für mich, und ich
glaube, ich spreche jetzt im Namen all jener, die im Konvent tatsächlich
gearbeitet haben und nicht nur vielleicht zwei oder drei Mal zum Plenum
gekommen sind, sondern wirklich Energie, Ausdauer, Arbeitszeit hineingesteckt
haben, ja, wären wir nicht ins Gelingen verliebt gewesen, dann gäbe es nicht so
dicke Berichte, dann gäbe es nicht diese Basis für die zukünftige Arbeit, die
alle heute so gepriesen haben, Frau Ministerin. Woran bestimmte Prozesse
gescheitert sind, kann man am allerbesten am Grundrechtsausschuss
dokumentieren: Es ist daran gescheitert, dass, wenn es um die konkrete
Rechtsdurchsetzung eben für den so oft zitierten einzelnen Bürger und die
einzelne Bürgerin geht, da war der Konsens, nämlich auf der politischen Ebene,
allzu schnell zu Ende.
Wenn es, jetzt möchte ich das nur an
einem Beispiel zeigen, weil es nämlich auf viele Bereiche zutrifft, wenn es um
die Frage der Ausweitung der Rechtsdurchsetzung geht, nämlich durch kollektive
Instrumente wie beispielsweise eine Verbandsklage – und das ist wesentlich
jetzt vor allem im Bereich des Volksgruppenschutzes, aber, und so wurde es im
Ausschuss auch diskutiert, auch bei der Frage des Diskriminierungsschutzes und
der Gleichbehandlungsgebote. Ja, da hat es keine Ergebnisse gegeben.
Darum ist das, bei aller Freude über
die Intensität der Beratungen und über all das, was es jetzt als Ergebnis gibt,
jetzt im Bezug auf die Aufgabe des Ausschusses 4, die Erstellung eines
Grundrechtskataloges, als sehr dürftig anzusehen. Jetzt bin ich nicht so
optimistisch wie der Herr Bundeskanzler ganz zu Beginn dieser Sitzung. Er ist
immer optimistisch. Ich bin schon ein bisschen, wenn Sie so wollen, zu lange
Abgeordnete, um hier irgendwo Optimismus vorgaukeln zu können. Denn das, was
nicht gelungen ist, in einem geschützten Bereich von Ausschüssen zu
akkordieren, um Konsens zu finden, jetzt frage ich mich, wenn es dann um das
beinhart Eingemachte im politischen Prozess geht, wo bleiben dann die
Bürgerinnen und Bürger? Ich habe den ganz evidenten Verdacht, sie werden auf
der Strecke bleiben, wenn es um die Frage der Rechtsdurchsetzung geht, wenn es
um die Frage des Rechts, echte individuelle, durchsetzbare Rechte auch zu
bekommen, gehen wird. Das ist meine Sorge und gleichzeitig auch der Auftrag an
das Prozedere, das es noch zu vereinbaren gilt, wie mit diesen Ergebnissen der
zehn Ausschüsse und des Präsidiums weiter vorzugehen ist.
Zuletzt noch zwei Bemerkungen, zu
denen mich natürlich – natürlich sage ich, jetzt ist er nicht da – der Herr
Präsident Khol herausgefordert hat. Er hat nämlich in seiner ersten Rede die
Südtiroler und die Südtirol-Frage erwähnt. Ich möchte ihn in keiner Weise
schmälern, möchte ihn aber daran erinnern, dass in diesen ganzen eineinhalb
Jahren, immer wenn es darum gegangen ist, von Grundrechten und
Grundrechtsschutz zu sprechen, allen österreichischen Intervenienten, die sich
für Volksgruppenrechte einsetze, immer wieder versichert wurde, wie wichtig
dieses Anliegen ist und wie wesentlich die Ergebnisse des Konventes sich auch
auswirken werden.
Jetzt kann ich Ihnen sagen, gerade an
einem Tag, wo ich anschließend an diese Sitzung nach Oberwarth fahre, um dort
dem Attentat, das in Oberwarth vor 10 Jahren stattgefunden hat, zu gedenken,
nämlich auch ein Gedenken auch im Sinne des Gedenkjahres 2005, gerade an einem
Tag ist meine Enttäuschung über das, was den Konsens in Volksgruppen-Fragen
angeht, riesengroß, denn da sind wir nicht darüber hinaus gekommen, die
unveränderte Festschreibung dessen, was schon Verfassungsrecht ist, sozusagen
hier feststellen zu können. Und keinen Deut mehr. Ich gebe Ihnen das, meine
Damen und Herren, auf den Weg mit. An einem Tag, wo wir der Roma-Attentate
einerseits gedenken und auf der anderen Seite uns nicht dazu entschließen
können, Volksgruppenrechte und das österreichische Volksgruppenrecht
hinsichtlich Volksgruppenbegriff, hinsichtlich Rechtsschutz, auch nur einen
Spalt weit aufzumachen, glaube ich, ist das ein, um jetzt politisch neumodisch
zu sprechen, sehr schlechter Start ins Gedankengedenkjahr 2005 und ein aus
meiner Sicht ja fast desaströses Ergebnis in dieser Frage des
Österreich-Konvents.
Aber, wie der Herr Bundeskanzler
gesagt hat, nicht für Pessimismus, sondern für Optimismus werden wir
letztendlich bezahlt. Daraus schöpfen wir auch Kraft und Energie. Darum glaube
ich immer noch, die Arbeit hat sich gelohnt, und die Politik wird ein Ergebnis
zustande bringen. Die Grünen werden sich so daran beteiligen, wie wir es in den
letzten 19 Monaten getan haben – intensiv, zielorientiert und immer im Sinne der
Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und der Bewohnerinnen und Bewohner dieses
Landes. – Danke.
Stellvertretende Vorsitzende
des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke, Frau
Abgeordnete. Nächster Redner ist Herr Präsident Dr. Rzeszut.
Dr. Johann Rzeszut: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Präsidium!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Als Ausschussmitglied, das nicht im aktiven politischen
Leben steht, liegen mir folgende grundsätzliche Bemerkungen am Herzen. Einer
jener Begriffe, die in den letzten eineinhalb Jahren während der Dauer des
Konvents und auch heute am häufigsten gefallen sind, ist der Begriff „Konsens“.
„Konsens“ ist ein sehr weitläufiger Begriff und in dem
Zusammenhang, in dem wir damit konfrontiert sind, kann man ihm zwei Bedeutungen
unterlegen. Die eine Bedeutung ist gedanklicher Uniformismus bzw. Unitarismus.
„Konsens“ im Konvent kann in diesem Sinn sicher nicht gemeint sein, weil
gedankliche Einheit mit dem Wesen der Demokratie begriffsessentiell nicht
einmal wünschenswert, geschweige denn im Rahmen einer Demokratie überhaupt
erzielbar ist.
Was näher liegt, ist die Bedeutung, „Konsens“ als
Bereitschaft zu verstehen, gemeinsam etwas zu tragen. Die Bereitschaft, etwas
gemeinsam zu tragen, hängt sehr stark mit den Rahmenbedingungen zusammen, in
denen sich die betreffenden Partner – und ich verwende bewusst die Worte
„gemeinsam“ und „Partner“ und wende mich dabei (des bewährten Leitbildes der
österreichischen Sozialpartnerschaft bewusst) auch sehr gerne Herrn Präsidenten
Leitl zu; Präsident Verzetnitsch ist leider im Moment nicht anwesend – bzw. in
welcher Verfassung sich die Partner dabei befinden.
Die Bereitschaft, etwas gemeinsam zu tragen, ist sicherlich
umso eher gegeben, wenn man sich in einer entspannten Atmosphäre bewegt. Herr
Landeshauptmann Niessl hat heute eine 60-jährige Erfolgsstory angesprochen,
gemeint war die Zweite Republik, die Erfolgsstory der Republik Österreich, ein
Bild, das zutreffend ist. Ein Bild, das vor allem auch vor dem Hintergrund
zutrifft – und das sollte man sich nachhaltig vergegenwärtigen –, dass in
dieser Periode, in den 60 Jahren nach Beendigung des zweiten Weltkrieges, die
Erfolgsstory unabhängig von der Zusammensetzung der jeweiligen Regierung
fortgesetzt wurde. Es war – entschuldigen Sie den Vergleich aus dem
Sportbereich – egal, welche „Dressen“ die Republik jeweils getragen hat: die
Erfolgsstory setzte sich im Wesentlichen kontinuierlich fort:
Wenn wir uns für längere Zeit im Ausland aufgehalten haben
und vom Ausland nach Österreich zurückkehren, sind wir alle zurecht Stolz auf
den Lebensraum, auf jenen Bereich, in dem wir leben dürfen. Wenn Sie durch
Österreich fahren, egal, ob das eine ländliche Gemeinde oder ob es eine
Landeshauptstadt oder ob es die ausgezeichnete Verwaltung der Bundeshauptstadt
Wien ist, in der ich seit meiner Geburt leben darf, überall treffen Sie auf
Rahmenbedingungen, die uns zufrieden stellen. Ich will damit sagen, was hier in
Österreich geleistet wird, verdient es durchaus, in den Vordergrund gestellt
und als entsprechender gemeinsamer Erfolg betont zu werden.
Es ist völlig undenkbar, dass solche Rahmenbedingungen,
konstant entspannte Rahmenbedingungen zum Tragen kommen, wenn die führende
Verantwortung, welcher „Farbzusammenstellung“ auch immer, nicht in Ordnung
wäre, nicht tüchtig wäre. Das soll man – so glaube ich –, auch einmal
hervorheben, ich weiß nicht, ob das jetzt noch im Fernsehen übertragen wird,
aber es ist sicherlich gut, wenn das einmal ein Konventsmitglied äußert, das
(wie erwähnt) politisch nicht gebunden ist. Wir alle sollten uns bewusst
machen, dass in der Republik Österreich in der Summenwirkung im Ergebnis „die
Dinge so laufen“, dass wir uns wohl fühlen können und dass es beruhigt, auf
eine derartige Entwicklung vertrauen zu können.
Jetzt zur eigentlichen Thematik: Wir haben mit dem Um- bzw.
Neubau einer Verfassung ein gemeinsames Problem. Dass dies ein grundsätzliches
Problem von größter Tragweite ist, muss man nicht betonen. Dabei sollten wir
uns im Sinne des Vorgesagten bewusst sein, dass wir eigentlich allen Grund
haben, mit unterschiedlichen Interessen (welcher Beschaffenheit auch immer)
„entspannt“ aufeinander zuzugehen und einander auch „entspannt“ zuzuhören.
Was ist die Verfassung schon? Sie ist die rechtliche
Grundordnung, sie sollte – Prof. Öhlinger hat es, glaube ich, in seinem
Lehrbuch so beschrieben – sie sollte nichts anderes sein, als die Gewährleistung
der Rahmenbedingungen dafür, dass im Ringen um die Meinungs- und
Willensmehrheit im Staat, also bei der staatlichen Willensbildung, eine faire
Konkurrenz stattfindet, und dabei eine vernünftige Selbstbegrenzung, eine
maßvolle Selbstbeschränkung des Staates unter Rücksichtnahme auf die
individuellen Interessen zum Tragen kommt. Es geht dabei um so grundsätzliche
Belange wie Staatsform, Staatsgliederung, Staatsorganisation, Staatsfunktionen
und so weiter. Durchwegs prinzipielle Angelegenheiten, die es eigentlich wert
sein müssten, auch im Rahmen politischer Sondierung – diese Aufgabe liegt ja
noch vor Ihnen (nicht mehr vor mir persönlich) – einer Lösung zugeführt zu
werden. Es müsste doch gelingen, hier – in diesen fundamentalen Fragen – aus
der „Vereinsfarbe zu schlüpfen“ und das Grundsätzliche in den Vordergrund zu
stellen.
Das ist der Wunsch, den jemand, der funktionsbedingt hier
im Konvent mitberaten durfte, bei seinem Ausscheiden aus diesem
Willensbildungsprozess gerne äußern will. Dies als Konventsmitglied, das als
Träger einer Funktion in den Kreis der hier Arbeitsbefassten gekommen ist, die
für die ordentliche Gerichtsbarkeit stehen.
Daran anknüpfend darf ich, wenn Sie mir erlauben, noch ein
paar kurze spezielle Gedanken zu dem Verantwortungsbereich, den ich zu
vertreten habe, vorbringen. Die Gerichtsbarkeit ist ein Bereich, der in Bezug
auf die generellen Ordnungsmöglichkeiten im Staat im Vergleich zu den anderen
Staatsfunktionen, Gesetzgebung und Verwaltung, sicher im Hintertreffen ist, weil
die Rechtsprechung keine allgemein verbindlichen Rechtssetzungsakte vollbringt.
Die ordentlichen Gerichte haben aber eine sehr wichtige Aufgabe zu erfüllen,
sie haben im Einzelfall jenen
Vorgaben zum Durchbruch zu verhelfen, die auf Gesetzgebungsebene (in erster
Linie im Parlament) beschlossen werden. Das ist eine sehr wesentliche Aufgabe.
Sie schafft im Einzelfall den Menschen die Beruhigung, zu ihrem Recht gekommen
zu sein. Fallbezogen nicht betroffene Bürger, die ein sachgerechtes
Gerichtsurteil erfahren, werden regelmäßig motiviert, sich rechtmäßig zu
verhalten, und letztlich wächst im Bewusstsein aller die Gewissheit, dass man
sich darauf verlassen kann, in einer allenfalls vergleichbaren kontroversiellen
Situation gerichtliche Abhilfe zu erlangen und zu wissen, dass jemand da ist,
der dann entsprechend richtig gerechte Problemlösungen findet.
In diesem Zusammenhang liegt mir schon noch eines am Herzen
und diesen Punkt möchte ich daher auch noch ansprechen. Ich bin dem Herrn
Präsidenten Fiedler sehr dankbar, dass er in dem von ihm verfassten
Gesamtentwurf, der den Versuch einer summarischen Abbildung dessen darstellt,
was in den Ausschuss- und Präsidialberatungen vorgefallen bzw. erarbeitet
worden ist, die Institution eines selbständigen, eines unabhängigen Justizrates
mitaufgenommen hat. Dieses Institut darf nicht dahin verstanden werden, dass
die Gerichtsbarkeit hier in einem eigenen Verantwortungsbereich ein „eigenes
Süppchen kochen“ will, getragen von Misstrauen gegenüber der federführenden
Ressortverantwortung. Das ist beileibe nicht der Fall.
Die Dinge liegen vielmehr so, dass das Wirken der
Gerichtsbarkeit unter sich permanent fortentwickelnden Anforderungen Platz
greift und gewissen Anpassungen unterliegt oder unterliegen sollte, die von
nicht unmittelbar damit befassten Verantwortungsträgern nicht immer in voller
Tragweite sofort erkannt werden bzw. mangels einschlägiger unmittelbarer
Befassung nicht erkannt werden können. Und daher wäre es für uns ganz, ganz
wichtig und bedeutsam, dass wir in der Sorge um rechtliche Einzelschicksale
auch jene Vorraussetzungen gewährleistet erhalten, die wir jeweils zur
adäquaten Aufgabenerfüllung benötigen, und darauf dringen, uns entsprechend
artikulieren zu können – nur darum geht es, denn entschieden wird insoweit
immer von der führenden Staatsverantwortung. Im Rahmen dieses
Willensbildungsprozesses unsere spartenspezifischen Bedürfnisse einbringen zu
können, ist ein ganz wesentlicher sachlicher Aspekt. Dies betrifft vor allem
Belange des Budgetsektors.
Ich darf nur ein Beispiel und dieses stellvertretend für
den ganzen Justizbereich vorbringen: Das Justizressort hat eine breitflächige
Verantwortung zu tragen, die Rechtssprechung ist nur ein Teil davon. Aber wenn
man davon ausgeht, dass die nach dem bestehenden System zwangsläufige
Ausklammerung der „Stimme der ordentlichen Gerichtsbarkeit“ von den Budgetverhandlungen in diesem
Bereich zu extremen Schieflagen führt, so spricht das Bände. So hat
beispielsweise der Deutsche Bundesgerichtshof als eines von mehreren Höchstgerichten
in der Bundesrepublik Deutschland bei 127 Richtern ein begleitendes
Administrativpersonal von 240 Personen und verfügt dazu über 47
wissenschaftliche Mitarbeiter, während der Oberste Gerichtshof der Republik
Österreich im Vergleich dazu 57 Richter und ein diese unterstützendes
Administrativpersonal von bloß 35 Personen (zuzüglich 6 „zugeteilten“
Arbeitskapazitäten anderer Gerichte zur Entscheidungsdokumentation) ohne
jedweden wissenschaftlichen Mitarbeiter aufweist. Das ist ein im internationalen
Vergleich völlig inakzeptables Missverhältnis und der Grund dafür, dass wir uns
mit dem Anliegen um eine effiziente Mitwirkung bei der Budgeterstellung, wie
auch bei weiteren Punkten, die nicht ganz so vordringlich sind, zu Wort
gemeldet haben. Als Träger eines wesentlichen Teils gesellschaftlicher
Verantwortung ist es uns ein fundamentales Anliegen, die aktuelle Situation
selbst einbringen und darstellen zu können, wo die internationale Entwicklung
hinführt und wo der entsprechende internationale Standard höchstgerichtlicher
Ausstattung steht. Dies bei dem weiteren Willensbildungsprozess mitzubeachten
und bedeutungsadäquat zu bewerten, darf ich die im weiteren Verlauf der
Verfassungsgebung befassten Verantwortlichen ersuchen.
Um zum „Konsens“ zurückzukehren: Ich habe mich an der
Präambel zur Europäischen Verfassung orientiert und habe versucht (zumal dort
qualifizierteste Vertreter internationalen Zuschnittes mit ähnlichen Abwägungs-
und Abstimmungsproblemen konfrontiert waren, wie wir in Österreichkonvent), mir
ein Bild davon zu machen, was dort an Wertvorgaben für einen
Verfassungsgesetzgeber nach europäischen Maßstäben bestimmend waren.
Wenn man den dort erarbeiteten Präambeltext auf Österreich
überträgt, dann hätte ein österreichischer Verfassungsgesetzgeber dann Aussicht
auf Erfolg, wenn er sich bewusst wäre, dass in unserem Bereich, in unserem
Lebensraum die Bürger im Lauf der Jahrhunderte jene Werte mitentwickelt haben,
die den Humanismus begründen, nämlich Gleichheit der Menschen, Freiheit und Geltung
der Vernunft. Der Verfassungsgesetzgeber sollte demnach aus den kulturellen,
religiösen und humanistischen Überlieferungen schöpfen, deren Werte weiter
lebendig sind und die zentrale Stellung des Menschen und die Unverletzlichkeit
und Unveräußerlichkeit seiner Rechte sowie den Vorrang des Rechts in der
Gesellschaft verankert haben. Er soll getragen sein von der Überzeugung – jetzt
auf uns zugeschnitten –, dass die Republik Österreich auf diesem Weg der
Zivilisation des Fortschrittes zum Wohl aller seiner Bewohner, auch der
Schwächsten und Ärmsten, weiter voranschreiten will. Er soll offen sein für
Kultur, Wissen, sozialen Frieden und Fortschritt, und soll bedacht sein auf die
Stärkung von Demokratie und Transparenz als Wesenszüge des öffentlichen Lebens,
auch Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität in der Welt. Und er sollte
letztlich von der Gewissheit getragen sein, dass die einzelnen Bundesländer der
Republik Österreich, wiewohl stolz auf ihre regionale Identität und Geschichte,
entschlossen sind, Separatismus als Selbstzweck zu überwinden, immer enger, in
Vielfalt geeint, ihr Schicksal gemeinsam zu gestalten und sich so unter Wahrung
der Rechte des Einzelnen und im Bewusstsein der Verantwortung gegenüber anderen
und der Gemeinschaft, gegenüber künftigen Generationen und gegenüber der Umwelt
weiterzuentwickeln. Das sind die Vorgaben, die auf europäischer Ebene als
Leitlinien zu Recht formuliert wurden und ich glaube, dass das ein guter
Auftrag bzw. ein gutes Vorhaben wäre, sie auch im Willensbildungsprozess einer
Verfassung für die Republik Österreich mit zu berücksichtigen. Dankeschön.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke. –Nächster Redner ist Herr Volksanwalt Dr. Kostelka.
Dr. Peter Kostelka: Danke, Frau Vorsitzende, meine sehr geehrten
Damen und Herren! Hoher Konvent!
Die bisherige Diskussion ist in großen Teilen davon
getragen worden, zu definieren, ob das Glas, das der Konvent versucht hat, zu
füllen, zu Teilen leer oder zu Teilen voll ist. Ich glaube, die Antwort fällt
relativ leicht, wenn man sich derartige Versuche in Österreich in der
Vergangenheit ansieht. Der Konvent ist keine erstmalige Erfindung, sondern
viele in diesem Raum sind bereits leidgeprüft in derartigen Prozessen, der
BVG-Reformkommission, dem Bundesstaatsreformprozess und der
Grundrechtskommission. Ihr Mitglied bin ich im Übrigen noch immer, weil sie
zwar seit 1991 nicht mehr einberufen wurde, aber sie wurde nie aufgelöst, daher
betrachte ich mich nach wie vor als Mitglied. Was alles in diesem Zusammenhang
realisiert wurde, fokussiert sich letztendlich in der Verankerung des "rotbezungten
Adlers" in der Bundesverfassung, zu mehr hat es nicht gereicht.
Und daher bin ich davon überzeugt, dass die ungefähr 1 200
Seiten Bericht, die der Konvent dem Nationalrat, der Bundesregierung, dem
Bundespräsidenten und den Ländern, aber auch dem Bundesrat zur Verfügung
stellte, nicht nur agieren nach dem Grundsatz, wer vieles bringt, wird manchen
etwas bringen. Sondern für mich ist klar, dass es letztendlich ein
irreversibler Prozess ist. Vieles von dem, was hier auf den Tisch des Hauses
gelegt wurde, war in Teilen vor 18 Monaten noch nicht einmal angedacht und
vieles, was angedacht war, ist sehr intensiv ausgearbeitet worden.
Meine Damen und Herren! Der Konvent hatte letztendlich drei
Aufgaben. Zu definieren, wo Reformbedarf besteht, des weiteren Lösungsvorschläge
zu erstatten und, wenn möglich, wie es in dem Gründungsbeschluss heißt, dann
auch einen Text zu formulieren. Dass Reformbedarf besteht, das war relativ bald
und mit breitem Konsens festgestellt. Bei einer Bundesverfassung, die
sicherlich in ihrer Zeit, aber auch noch heute, zu den guten, ja zu den besten
Verfassungen Europas gehört, die aber mehr als 80 Jahre alt ist, liegt auf der
Hand, dass die in der Zwischenzeit eingetretene wirtschaftliche, technische,
politische, ökonomische Entwicklung über viele Regelungen hinweggegangen
ist. Am deutlichsten wird dies an
der Kompetenzverteilung klar, die genaue Regelung enthält für das Trift- und
Flößereiwesen, ein Faktum, das es bestenfalls noch im Tourismus gibt, wo aber
die Atomkraft genauso wenig Erwähnung findet wie der Umweltschutz. Die Analyse
ist daher in umfassender Form geschafft worden, auch die
Formulierungsvorschläge und die Alternativen, mit denen man diesem Reformbedarf
begegnen könnte, wurde letztendlich auf den Tisch dieses Hauses gelegt.
Vielleicht haben da manche von uns ein bisschen zu viel
gemacht, letztendlich gibt es mehr Varianten, als Lösungsmöglichkeiten
tatsächlich gegeben sind. Und daher ist der dritte Schritt, nämlich einen
durchlaufenden Text zu formulieren, nicht geschafft worden. Er konnte auch
nicht geschafft werden, denn, meine Damen und Herren, das ist ein politischer
Prozess. Dieser Konvent hat von vornherein jenseits des parlamentarischen
Selbstverständnisses nicht auf dem Boden der Zweidrittelmehrheit agiert,
sondern nach den Prinzipien des Konsenses. Es konnte letztendlich nur außer
Streit gestellt werden, wo wirklich alle einer Meinung waren und das ist, würde
ich meinen, durchaus genug, auch wenn in dieser Arbeitsweise ein durchgehender
neuer Text nicht erstellt werden konnte. Es besteht daher überhaupt kein Grund
zu einer Depression, aber auch nicht zum Triumph, sondern der Konvent hat das
geleistet, was er leisten kann, aber auch den letzten Schritt für die Politik
offen gelassen.
Weil, meine Damen und Herren, der jetzt kommende Prozess
ist im Mechanismus ein anderer. Da hat, böse Zungen verwenden in diesem
Zusammenhang das Wort des "Kuhhandels", ein Abtausch von Interessen
stattzufinden. Es ist nicht Aufgabe der 70 führenden Juristen dieses Landes,
beispielsweise die Briefwahl abzutauschen gegen ein Minderheitsrecht auf
Einsetzung von Untersuchungsausschüssen. Aber ein Verfassungsgesetz kommt nur
zustande, wenn solche Kompromisse jenseits der Rationalität im jeweiligen
Einzelfall zustande kommen. Und da ist die Politik aufgefordert, das ihre zu
bringen. Lösungsvorschläge, meine Damen und Herren, liegen in ausreichendem
Maße vor, in diesem Zusammenhang kann es keine entsprechende Klage geben. Und
ich glaube daher, dass diese neue Verfassung auf dieser Grundlage Punkt für
Punkt im Nationalrat aber auch im Bundesrat abzuarbeiten sein wird. Die
Entrümpelung der österreichischen Bundesverfassung ist nur ein Schritt.
Seien wir uns ehrlich, meine Damen und Herren, die
Mechanismen dafür, nicht aber die einzelnen Entscheidungen, sind konzertiert.
Es wird also von einem System, in dem sich keiner ausgekannt hat, in dem sich
Gebietskörperschaften übereinstimmend an den Verfassungsgerichtshof in einem
gewissen alliatorischen Prozess gewandt haben, damit irgendjemand entscheidet, in
ein System umgewandelt werden, das letztendlich zumeist von Experten verstanden
wird.
Aber auch der weite Bereich der Grundrechte, ein wirklicher
Schandfleck in der österreichischen Verfassungslandschaft, kann bereinigt
werden. Es ist nämlich derzeit ein Grundrechtskatalog in Geltung, der 150 Jahre
in der Zeitstrecke, in der er entstanden ist, alt ist. Es ist ein
Grundrechtskatalog, der weiße Flecken aufweist, wie er sonst in ganz Europa
unbekannt ist, nämlich bei den sozialen Grundrechten. Hier ist eine
Entscheidung zu treffen und das ist auch weitgehend möglich, obwohl wir uns
bewusst sein müssen, dass die ganze Strecke noch nicht zurückgelegt ist. Bei
dem Diskriminierungsverbot, aber auch im Asylbereich und den Volksgruppen, ist
ein Konsens noch herzustellen. Andere Bereiche und das sag’ ich ganz offen, die
Streitpunkt in den letzten 80 Jahren waren, konnten konsensorientiert
abgeschlossen werden. Ich glaube aber auch, dass eine neue Verfassung, die
diesen Begriff verdient, auch eine Verfassung mit mehr Demokratie und mehr
Bürgerrechten und vor allem mehr Kontrolle sein muss.
Meine Damen und Herren, auch Herr Präsident, Sie haben
Recht, dass die Justiz ein wichtiger Punkt, ein wichtiger Teil unserer
Staatsgewalten darstellt. Aber ich glaube, dass gerade auch die Justiz etwas
ist, das nicht nur der eigenen Kontrolle, sondern auch der Fremdkontrolle
unterstehen soll. Seit der amerikanischen Verfassung sind Checks and Balances
eine absolute Selbstverständlichkeit. Die österreichische Justiz zählt zu den hervorragendsten,
die es weltweit gibt. Aber auch in unseren Bezirksgerichten passiert mitunter
ein Fehler. Und dann sollten die
Gerichte damit nicht allein gelassen werden, sondern es sollte sowohl eine
interne wie auch eine externe Kontrolle geben.
Die Verwaltungsorganisation, das ist überhaupt keine Frage,
ist in den letzten 80 Jahren hervorragend in der Lage gewesen, die Aufgaben zu
erfüllen. Sie bedarf halt nur auch einer Reorganisation. Und, Herr Präsident
Leitl, ich habe viel Verständnis dafür, dass Sie in diesem Zusammenhang das
Kostenargument ansprechen. Mich hat nur als Kontrollorgan dieses Hauses
nachdenklich gemacht, dass die Ziffer schon genannt wurde, bevor die
entsprechenden Vorschläge auf den Tisch gelegt werden. Und ich gebe Ihnen
vollkommen Recht, dass solch eine Verwaltungsorganisation auch mit dem
permanenten Blick auf die Kosten zu gestalten ist, aber bitte um Verständnis
dafür, dass eine Reform des Staates, eine Verwirklichung der
Rechtsstaatlichkeit, der Grundrechtsorientierung unseres Staates, nicht nur
danach, was es kostet, sondern auch danach, was der Bürger zu Recht erwartet,
durchgesetzt werden muss.
Denn, meine Damen und Herren, das ist auch ein Problem,
dass ich mit dem schon mehrfach zitierten Entwurf habe. Grundrechte tun Not, aber
eine Wirtschaftlichkeitsorientierung in diesem Grundrechtstext zu verankern,
ist für mich ein großes Problem. Es ist überhaupt keine Frage, dass die ganzen
Leistungsrechte, die in dem Katalog angesprochen werden, anders aussehen, wenn
wir, so wie jetzt, einer der reichsten Staaten der Welt sind, oder so, wie
1945, einer der ärmsten Staaten. Aber wenn dieser Punkt erreicht wird, und
damit möchte ich schon schließen, dann bin ich persönlich davon überzeugt, dass
es Aufgabe des Gesetzgebers ist, einen solchen Konsens zu finden, wie die
Bedürfnisse der Bevölkerung mit den wenigen verbliebenen Mitteln abgedeckt
werden.
Es ist aber nicht Aufgabe der Verwaltung, jeweils im
Einzelfall zu entscheiden, ob so ein Leistungsanspruch noch besteht. Daher
würde ich dafür plädieren, dass die Grundrechte in einer durchaus konzertierten
Weise auch entsprechend in der Verfassung verankert werden, ohne eine
wirtschaftliche Leistungsfähigkeitsklausel. – Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke. –Nächster Redner ist der Herr Präsident Dr.
Jabloner.
Dr. Clemens Jabloner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Ob man den Österreich-Konvent als Erfolg oder Misserfolg
ansieht, hängt von der Erwartungen ab, die man in ihn setzte. Ich habe das
Ziel, den Österreicherinnen und Österreichern 2005 eine neue Verfassung
vorzulegen, stets skeptisch beurteilt und auch für unrealistisch gehalten.
Skeptisch, weil Österreich eine zwar in manchen Punkte verbesserungswürdige,
aber doch im Großen und Ganzen brauchbare, bewährte und ausjudizierte
Verfassung hat. Unrealistisch deshalb, weil der Versuch einer Totalrevision, der
nicht in einer zwingenden historischen Situation stattfindet, dem Öffnen der
Büchse der Pandora gleichkommt: Das positive Recht hat es an sich, dass alles
auch ganz anders geregelt werden könnte. Und wenn man über alles spricht, dann
kehren alle Teilnehmer an diesem Diskurs zu ihren Maximalpositionen zurück.
Das Scheitern eines so ambitionierten Unternehmens ist
daher mit der Gefahr einer Regression verbunden. Die Gräben können tiefer
werden und die geltende Verfassung droht an Akzeptanz zu verlieren. So glauben
nun manche Menschen, mangels Einigung über einen neuen Grundrechtskatalog seien
in Österreich die Grundrechte derzeit nicht geschützt, wovon überhaupt keine
Rede sein kann. In diesem Punkt teile ich die Skepsis meines Vorredners nicht.
Auch das Problem der Zersplitterung der Verfassung ist ein zwar bedeutendes,
aber auch nicht wieder so wichtiges, wie man vielfach annimmt. Und schließlich
habe ich nie verstanden, wie man im Zusammenhang mit der Verfassungsreform auf
diese weit gespannten Sparziele gekommen ist. Diese 3,5 Milliarden €, von wo
sollten die herkommen. Was an der Verfassung kann geändert werden, um zu so
viel Geld zu kommen? Das Legalitätsprinzip, die Weisungsgebundenheit? Das, was
herausgekommen ist, war ein sehr scharfer antiföderalistischer Affekt, der
deutlich wird, wenn man heute die "Presse" liest, wo vom
"Krebsgeschwür des Föderalismus" die Rede ist, eigentlich eine
Ungeheuerlichkeit – und ich steh’ nicht im Ruf, ein übertriebener Föderalist zu
sein. Hier hat das Ganze eine falsche Stoßrichtung bekommen.
Eigenartigerweise haben die wirtschaftlichen Argumente im
zuständigen Ausschuss 6 wenig Rolle gespielt. Dort hat sich die ganze
Diskussion eher an der symbolischen Oberfläche abgespielt, aber konkrete
Vorschläge, wo man nun sparen sollte, sind eigentlich nicht vorgelegt worden.
Es war eine Rhetorik, die sich schon selbst vor dem Konvent erschöpft hat.
Ich möchte hier aber nicht in der Pose des Besserwissers
verharren, sondern die Sache realistisch sehen, und so bin ich der Meinung, dass
der Konvent dennoch ein Erfolg ist, ein relativer Erfolg, da es zum einen ein
breites und tiefes Kompendium verfassungspolitischer Ansichten und Probleme
gibt und zum anderen einen ganz beachtlichen Fundus von Gemeinsamkeiten.
Hier möchte ich zwei Themen nennen: die formale
Neukonzeption des Bundesverfassungsrechts, eine sehr große Leistung des
Ausschusses unter Leitung von Korinek und Wiederin, und das Modell der
Verwaltungsgerichtsbarkeit. Naturgemäß ist das gerade aus meiner Sicht eine
ganz bedeutende Reformmaßnahme, die auch mit einer Verwaltungsreform
zusammengehen könnte – Abschaffung der Berufungsinstanz im
Administrativbereich, Neuorientierung des unabhängigen Bundesasylsenats als ein
Verwaltungsgericht des Bundes.
Nach meiner Meinung sollte man also von der Vorstellung
einer neuen Verfassung Abschied nehmen, vielmehr sich beherzt einer großen
Verfassungsnovelle zuwenden, dort das hineinschreiben, was man gewonnen hat –
und das ist überraschend viel und so hätte man einen Erfolg. Und wenn das alles
gut gelingt, dann könnte man später in weiteren Schritten noch mehr
reformieren. Ich glaube, dass Herr Kollege Bußjäger einen ähnlichen Vorschlag
gemacht hat.
Ich möchte noch mit einigen persönlicheren Sätzen
schließen: Trotz meiner gewissen Grundskepsis habe ich mich bemüht, loyal und
mit Eifer mitzuarbeiten. Die vielfältigen Diskussionen und menschlichen
Begegnungen während des Konvents waren für mich sehr wertvoll und ich möchte
diese Zeit nicht missen. Ich schätze den Idealismus und die Lauterkeit des
Herrn Präsidenten Dr. Fiedler und auch seine wackere Unverdrossenheit, trotz
allem diesen Entwurf vorgelegt zu haben. Die Mitarbeiter des Konventspräsidiums
waren fachkundig, fleißig und liebenswürdig. Methodische Differenzen, auch über
das juristische Weltbild, haben eine große Rolle gespielt und lagen manchmal
quer zur Zuordnung zu Gebietskörperschaften politischen Parteien oder anderen
Stellen. Viele Kolleginnen und Kollegen habe ich sehr schätzen gelernt. Für
mich war das insgesamt eine erfreuliche Zeit und ich darf mich mit diesen
Worten vom Konvent verabschieden!
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächster Redner ist der Herr Univ.-Prof. Dr. Brauneder.
MMag. Dr. Willi Brauneder‡: Sehr geehrte Frau Vorsitzende!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Das oft vorgebrachte
Altersargument ist, glaube ich, nicht unbedingt überzeugend – wäre es
nämlich so, dann bräuchten wir schon seit langem einen
Zivilkodifikations-Konvent, denn unser ABGB ist an 200 Jahre alt, und über
die Verfassung der USA könnte man dann auch noch nachdenken.
Aber ich glaube, das Europa-, das
EU-Konvents-Argument ist auch nicht unbedingt überzeugend, denn die EU hat eben
eine andere Struktur, die zu einer anderen Lösung des Angehens einer
Verfassungsfrage geführt hat als bei uns. Und dort, wo es auch Konvente gibt,
um Verfassungen zu ändern, wie in den USA, in den Teilstaaten, ist eben die
Situation eine andere.
Ganz sicherlich aber ist ein
Hauptargument doch die Unübersichtlichkeit unserer Verfassung gewesen, und ich
will hier nur ein Moment aus einem bestimmten Grund hervorheben: Sozusagen die
Unübersichtlichkeit durch Unsitte – nämlich besonders im Bereich der
Kompetenzbestimmungen. Das hat man natürlich schon lange erkannt, und ich darf
daran erinnern: Es gab zu Beginn der 1990er -Jahre im Auftrag der
Bundesregierung ein Auftragswerk von Prof. Robert Walther, der in zwei
Bänden – erschienen im Bundesverlag – es unternommen hat, die
Bundesverfassungsbestimmungen in das B-VG einzuarbeiten. „Schubladisiert“ ist
das Schicksal dieses Buches gewesen.
Ich darf noch erinnern an die
Enquete hier im Hause zur Bundesstaats-Reform im Jahre 1994: „Im Sande
verlaufen“ war das Schicksal dieser Enquete. Und ich betone dies deswegen, weil
ein derartiges Schicksal den Ergebnissen dieses Konvents unbedingt erspart
bleiben muss.
Herr Volksanwalt Kostelka hat noch
die Grundrechts-Reformkommission erwähnt, an die sich ja kaum noch jemand
erinnert – dass die formal eigentlich sogar noch fortbesteht; sie ist
jedenfalls nie aufgelöst worden, und, ich glaube, Kollege Öllinger, du bist ja
auch Mitglied, da war schon lange nichts mehr los: zuletzt 1991, haben wir
gerade aus kompetentem Mund gehört. – Also, dieses Schicksal soll wirklich
diesem Konvent beziehungsweise dessen Ergebnis erspart bleiben.
Es sind – um an diese
Enquete 1994 anzuknüpfen – natürlich zahlreiche neue Rahmenbedingungen
aufgetreten – unter anderem unsere Mitgliedschaft in der Europäischen Union.
Und da frage ich mich schon ein bisschen: Haben neue Rahmenbedingungen, wie
beispielsweise diese, wirklich einen profunden Niederschlag gefunden, nämlich
in der Frage des Föderalismus? – Privat darf ich folgende Frage
äußern – eine rhetorische Frage –: Braucht ein Staat von der Fläche
des heutigen Österreich wirklich zehn Regierungen und zehn Parlamente? –
Eine rein akademische Frage, aber eine Antwort darauf zu geben, haben ja die
Grundbedingungen des Konvents verwehrt.
Ich bin durchaus ein Anhänger des
Föderalismus, aber, meine Damen und Herren, unsere Länder haben keine
staatliche Tradition – haben keine staatliche Tradition! Im Verfassungsstaat
vor 1918 hatten sie den Stellenwert „Kommunalverbände höchster Ordnung“ –
„Kommunalverbände höchster Ordnung!“ An diese Kommunalverbände – ich will
jetzt fast sagen: Großgemeinden – hat man 1920 Rechte angehängt, um sie zu
Bundesstaaten aufzuwerten. – Das nur als eine Art von Denkanstoß.
Zweitens, vom europäischen Aspekt
her: Europa ist – verzeihen Sie diese Banalität, ich erinnere mich an meine
Geographie-Matura offenkundig – größer als Österreich, und da hätte man sich
schon vorstellen können, dass man für jene, denen im Ausland an Österreich
etwas liegt – man muss nach einer Formulierung suchen, aber ich sage jetzt
einmal: So etwas wie die Südtiroler, die es aber durchaus auch anderswo gibt,
die auch unsere Sprache sprechen, die von hier aus in diese Länder wie Batschka
und Banat vor vielen Generationen gesiedelt sind und denen tatsächlich heute
noch etwas an Österreich liegt –, ob man denen nicht in einer europäisch
angehauchten österreichischen Verfassung einen Platz hätte einräumen können. –
Ich weiß: Sicher legistisch ein heikles Problem, weil es sich ja um andere
Staatsbürger handelt, aber ein Nachdenken darüber hätte zu einem Erfolg führen
können.
Es gibt eine Fülle von alten
Forderungen, die doch jetzt noch zu keiner Lösung gefunden haben – ich
verwende bewusst das Wort „noch“ –: Der Bundesrat steht uns im Entwurf von
Herrn Präsidenten Fiedler in völlig unveränderter Form ins Haus.
Warum brauchen wir eigentlich noch
die Bundesversammlung? – Das ist doch nur mehr eine Hülse für den Umstand,
dass Nationalrat und Bundesrat sich in einem traditionellen Saal gemeinsam
versammeln!
Oder – um zwei andere Details
zu erwähnen –: Müssen wirklich die Bundesforste in einer Verfassung
stehen? – Also, durchforsten Sie die amerikanische Verfassung, ob dort
etwas über den „Yellowstone National Park“ vorkommt, nicht? – Gut. Der
darf nicht so genutzt werden, wie unsere Bundesforste.
Aber muss wirklich eine
Strafrechtsbestimmung wie: „Der Titel Bundespräsident ist zu schützen“ in einer
Verfassung stehen? – Da ist eben vieles noch eingeflossen, was
traditionell ist, aber wo ich sage: Hier hätte es einer Innovation bedurft.
Hier hätte es einer Innovation bedurft, die erstens die Verfassung schlanker
macht und eben als modern ausweist.
Es ist sehr oft von dem Dissens
über den Stellenwert der Ergebnisse dieses Konvents gesprochen worden. –
Ich sehe das ein bisschen vor dem Hintergrund: Repräsentative Demokratie
versus, ja, ein Gremium, das man vielleicht so ein bisschen als – ich sage
das durchaus nicht pejorativ im Hinblick auf die österreichische
Geschichte – ständestaatlich bezeichnen könnte, nicht? – Eine Ansammlung
der Interessenvertretungsverbände und anderes mehr.
Und ich kann sehr gut verstehen,
dass jene, die auf dem Boden der repräsentativen Demokratie stehen, Unbehagen
haben dahin gehend, dass dieser Konvent ein Endergebnis vorlegt, welches das
Parlament, den Souverän, präjudiziert. Ich kann aber auch in einer gewissen
Weise verstehen, dass jene ein Unbehagen haben, die auf dem letzteren
Standpunkt stehen, weil eben doch kein Ergebnis zustande gekommen ist.
Und es klingt jetzt etwas
merkwürdig, wenn ich Folgendes sage – damit bin ich bei meiner
Einschätzung des Entwurfs Fiedler, wenn ich so sagen darf –: Ich bin sehr
glücklich, dass es diesen Entwurf gibt – den Privat-Entwurf Fiedler,
sozusagen als Parallele zum Privatentwurf des Staatssekretärs für
Verfassungsfragen Mayr im Zuge der Verfassungsgebung 1920 –, denn er ist
eben schon ein Ergebnis, aufbauend auf dem Konvent, aber doch kein Entwurf des
Konventspräsidiums, welches damit ja wohl den Nationalrat in erheblicher Weise
präjudiziert hätte.
Dass es diesen Entwurf Fiedler
gibt – ich sage das nicht aus Schmeichelei, sondern weil das ja wohl auf
der Hand liegt –, ist auch deswegen ein positives Ergebnis, weil der
Entwurf zeigt, dass auf Grund der jetzigen Konventsarbeiten es möglich ist,
einen Verfassungstext zu erstellen: einen Verfassungstext, der gut gegliedert
ist, der lesbar ist, der eine Systematik besitzt, die in sich schlüssig ist,
ohne ganz mit der Tradition des Bundes-Verfassungsgesetzes zu brechen.
Ich habe das Jahr 1920
erwähnt, ich darf noch einmal darauf zurück kommen – es ist ja auch von
anderen Rednern erwähnt worden. In einer gewissen Weise sind die Arbeiten des
Konvents ein umgestülpter Vorgang von 1920: Damals, 1920, gab es
Regierungsentwürfe in großer Zahl, es gab Entwürfe des Verfassungsausschusses
der Nationalversammlung, es gab – ich bitte um Entschuldigung, wenn ich
Experten wie Herrn Bußjäger natürlich langweile –, es gab Entwürfe mancher
Länder – Tirol –, es gab dann eben Entwürfe auf Grund der
Länderkonferenzen und anderes mehr, wie diesen Privatentwurf Mayr. – Und
dann wurde auf Grund dieser Entwürfe diskutiert.
Wir haben irgendwie die
Entwicklung umgedreht, nicht? – Wir haben zuerst alle die Kräfte
eingebunden, die an einem Entwurf in der Regel Kritik üben, haben versucht,
diese Kräfte auf einen Konsens zu vergattern – was eben nicht gelungen
ist – und nachher liegt jetzt ein Entwurf vor. – Das mag eben
Unbehagen hervorrufen.
Ich würde mir wünschen, auf Grund
dessen, was erarbeitet worden ist, dass vielleicht das Präsidium des Konvents
doch auch einen Entwurf vorlegt. Jedenfalls, wenn aus diesen Arbeiten so etwas
wie ein offiziöser Entwurf hervorgehen sollte, dann sollte er doch dort, wo es
eben keinen Konsens gibt, die verschiedenen Varianten aufzeigen. – Das
wäre eine Vorgabe für den Souverän, für den Verfassungsgesetzgeber.
Und ich komme noch einmal auf
1920 – als Schlusssatz – zurück: Man kann eine Lehre aus den
Verfassungsarbeiten von 1920 ziehen, so meine ich. Wenn es damals nicht unter
anderem auch den Druck des Endes der Funktionsperiode der Nationalversammlung
gegeben hätte und die politischen Zeiten ruhiger gewesen wären, dann gibt es
genug Indizien, dass man sich auf einen Verfassungstext einigen hätte
können – zumindest wesentlich weiter hätte einigen können, als dies 1920
tatsächlich der Fall war.
Irgendwo gibt es diesen schönen
Satz, der auch von österreichischen Politikern benützt wird: Speed
kills! – Ich bin der Überzeugung, dass dieser Satz nicht immer richtig
ist. – Danke schön.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächster Redner ist Herr Landtagspräsident Hatzl.
Johann Hatzl: Hoher Konvent! Meine Damen und Herren!
Sie müssen mir jetzt nicht Recht
geben, aber ich bin trotzdem der Überzeugung, dass auch vor 18 Monaten kaum
jemand hier geglaubt hat, dass 18 Monate später eine komplett neue Verfassung
heraus kommt und auch beschlussreif ist und tatsächlich auch so im Parlament
beschlossen wird. Und daher ist es für mich überhaupt keine Enttäuschung,
sondern die Aufgabenstellung habe ich so gesehen und die ist hervorragend
gelungen, dass zum Beispiel jener Teil, der nicht politischer Parteienvertreter
ist, in ungemein großartiger Weise Entscheidungsgrundlagen vorbereitet hat für
jene, die zu entscheiden haben im Parlament. Wie kann man eine Verfassung neu
organisieren, umschreiben, verändern, was kann man weg nehmen, und welche
Möglichkeiten gibt es für die Zukunft?
Und auch der politischere Teil der
Parteienvertreter, die hier im Konvent sitzen, haben eigentlich auch sehr genau
gewusst, dass eigentlich, wenn man, und es wurde heute schon gesagt, das Ziel
setzt auf eine Einstimmigkeit, es nur sehr schwierig sein wird, hier etwas als
Endergebnis zu bekommen, und dass man daher der Mithilfe bedarf. Und damit wird
es dort wieder verhandelt werden, wo es hin gehört, mit der
Gesamtberichterstattung im Parlament, und daher halte ich den Konvent, um das
gleich einmal von Haus aus zu sagen, für erfolgreich, weil er hier auch
tatsächlich sehr viel zusammengebracht hat.
Meine Damen und Herren! Die
Abgeordneten haben daher ein dickes Paket für die Zukunft mit sehr vielen
klugen Äußerungen, Möglichkeiten, und einer differenzierten Dokumentation zur
Auswahl. Sie haben und sie sind auch vom Volk dazu berufen, zu entscheiden,
wie, wann und ob es weiter geht. Und ich bin überzeugt, dass diese Arbeit der
18 Monate helfend ist.
Ich gestehe auch zu, dass gerade
für auch jene, die nicht Juristen sind und der politischen Arbeit sehr
verbunden sind, auch vieles, extrem vieles dabei war, was von der
Verschiedenartigkeit der Möglichkeiten und Überlegungen aufgezeigt wurde, um
hier auch eine bessere Entscheidungsgrundlage für das Politische zu finden und
ich halte es gar nicht für ein Unglück, dass Präsident Fiedler hier eine
Fleißaufgabe, würde ich sagen, vorgenommen hat. Ich kann es leider nicht so,
sonst hätte ich es vielleicht auch getan. Aber es ist besser, aus der
Verpflichtung eines Präsidenten des Konvents das zu dokumentieren. Aber das
sage ich jetzt dazu, und Sie sind mir nicht böse, es soll dabei nicht
überbewertet werden. Ich sehe es als eine Pflichterfüllung. Aber es ist ein
Vorschlag von siebzig und ist in dieser Richtung auch hier in der Dokumentation
wie die Berichte, die Diskussionen, die Wortmeldungen in dem Plenum mit
einzubringen. Wichtig, aber nicht das Ergebnis!
Das Zweite, das sage ich aber auch
dazu gleich heute. Der Konvent kann auch mit dem Ergebnis und mit den
Entscheidungen auf der politischen Ebene nicht gemessen werden, wie rasch kommt
man jetzt zur neuen Verfassung. Sie werden mir zugestehen, dass es jemanden
auch im Konvent gibt, wo ich vieles seiner Meinung nicht teile, aber
gelegentlich sehr wohl. Und ich halte mich an den Parlamentspräsidenten Khol,
wo ich in der „Wiener Zeitung“ vor 14 Tagen gesehen habe: Schnell geht in
Fragen der Verfassung gar nichts. Und das ist ganz einfach auch eine Meinung,
die ich auch teile, weil man hier jetzt sehr genau in der Verschiedenartigkeit
der Darstellungen manches abzuwägen und zu überlegen hat und weil natürlich die
politischen Verhandlungen – und ich wehre mich gegen den Begriff des
Kuhhandels, der auch von Politikern bereits, auch vom Parlamentspräsidenten,
sehr ähnlich einmal in einer anderen Aussage getroffen wurde, das zu sagen,
denn dann wäre ja jede politische Verhandlung und jede politische Kompromisssuche
der typische Kuhhandel, dann wäre aber in Wirklichkeit jedes politische Leben
in einer Republik, in einer Gemeinschaft, bereits unmöglich geworden.
Und es gibt auch sehr vieles, was
unterschiedlich ist. Ich will gar nicht jetzt als Ländervertreter jetzt sozusagen
in die Föderalismusdebatte oder die Machtverteilungsfragen zwischen der
Republik und den Ländern und den Gemeinden eingreifen. Das wird eine Frage
sein, die man sehr genau abwägen soll und die man beurteilen soll.
Trotzdem gebe ich zu, bin ich von
manchen Bereichen der Ergebnisse enttäuscht. Nicht so sehr enttäuscht dort, wo
es ganz besonders um Fragen gegangen ist, wo der eher nicht parteivertretende
Teil tätig war, sondern ich sage enttäuscht deswegen, weil ich mir ursprünglich
erwartet habe, es wird kein Ergebnis geben, aber man wird in einigen Punkten,
die weltweit oder europaweit ausdiskutiert sind, in der Frage der politischen
Demokratie und der Rechte weiter kommen.
Ich sage einige Beispiele, vor
allem dort, wo auch ich war, und wo ich heute den Eindruck habe, hier hat man
sich sehr – ich sage es jetzt einmal so vornehm – zurückgehalten, um auf der
parlamentarischen Ebene dann für den so genannten Kuhhandel noch etwas zu
haben. Ich verstehe es nicht, warum wir beim Wahlrecht, es wurde schon genannt,
in der Altersfrage das durchgehend haben und nicht nur verweisen auf einen
kleinen Bereich. Ich verstehe nicht, warum man Mandatszuteilungen nicht nach
der Bevölkerungszahl und nur nach der Staatsbürgerzahl vornehmen kann, egal wie
in den österreichischen Regionen die Zahl der Bevölkerung liegt. Ich verstehe
nicht, dass man jenen, die jahrelang in diesem Land leben, wohnhaft sind und
mitwirken, und an unserem Gut teilhaben, dass wir etwas besitzen, sie vom
Wahlrecht weiter ausschließen möchte, generell. Ich verstehe nicht, dass zum
Beispiel es nicht möglich war, einen Weg zu finden, wo Gesetze, die von einer
Regierung, egal von welcher, vorbereitet werden, in ein strengeres
verbindlicheres und besser funktionierendes Begutachtungsrecht für die Beteiligten
vorher eingebunden werden können. Ich verstehe nicht, warum es noch immer Gnade
für eine Stadt sein muss, wenn sie über 20 000 Einwohner hat, darüber zu
betteln und andere entscheiden zu lassen, ob sie hier gewisse andere Formen in
ihrer Struktur besitzen möchte. Ich verstehe nicht, warum wir nicht den Schritt
gehen können, dass mehrere Länder und eine Mindestanzahl von Gemeinden zum
Beispiel auch im Stande sind, Gesetzesinitiativen einzubringen, die dann im
Parlament zu verhandeln sind. Ich verstehe nicht, warum es keine rechtliche
Verpflichtung in einer Verfassung für eine Regierung geben soll, entsprechende
Informationen an Nationalrat und Bundesrat bei internationalen Organen
vorzunehmen. Ich verstehe nicht, dass wir nicht möglich waren, die Mindeststandards
für die Republik, aber auch für die Länder so festzulegen in der Verfassung,
was demokratische Kontrolle bei Untersuchungsausschüssen oder Ähnlichem
bedeuten kann und wir das weiterhin im leeren Raum lassen und kein
Minderheitenrecht in diesem Zusammenhang haben. Ich verstehe nicht, dass es
nicht einmal möglich war, sicherzustellen, dass jene, die in einem
Rechnungshofunterausschuss sind, das Recht auf Aktenvorlage bekommen, damit sie
auch hier dieses haben. Ich verstehe nicht, dass es nicht möglich ist, bei der
Volksanwaltschaft, wenn Sie zum Beispiel im Parlament durch
Personennominierungen nach der Stärke der Parteien die entsprechenden Vertreter
als Volksanwälte bekommen, dann nicht die Möglichkeit ist, das raschest zu
ändern, wenn zum Beispiel eine Partei gar nicht mehr befugt ist, hier einen
Vorschlag zu machen. Und beim Volksbegehren und bei anderen Bereichen ist die
gleiche Situation, was die Altersfrage betrifft.
Da hätte ich doch gedacht, dass es
möglich ist, hier schon ein Stück weiter zu kommen. Ich sage bewusst, im
politischen Teil der politischen Vertreter des Konvents. Und daher war das von
Haus aus ein Zeichen: Warten wir ab, was wir dann auf parlamentarischer Ebene
verhandeln können. Bleiben wir daher dabei.
Es hat ungemein wichtige Debatten
gegeben, großartige Vorarbeiten für das Parlament, und jetzt sind die
wirklichen politischen Verhandlungen gefordert. Eine kleine persönliche
Bemerkung: ich bitte um Entschuldigung. Es ist nicht Missachtung, wenn ich
nicht bis zum Ende bleibe. Wir haben Landtagssitzung in Wien und ich habe mich
bemüht, bei der Zeiteinteilung auch in meinem Haus drüben sozusagen, wann ich
wieder komme, um dort zur Verfügung zu stehen. Ich hoffe, Sie verstehen das. –
Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents
Angela Orthner: Nächster Redner ist der Herr Dr. Voith.
Dr. Günter Voith: Frau Vorsitzende! Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Das Fernsehen ist offenbar weg und die Reihen haben sich auch
gelichtet. Aber offen spreche ich
so und so.
In den letzten eineinhalb Jahren habe ich recht viel
Diskussion miterlebt. Die Zahlen 1867, 1918, 1920, 1929, 1955, sogar das
Tiroler Landlibell von 1511 ist gekommen. Was ich leider sehr wenig gehört
habe, ist eigentlich die Grundfrage, wie soll die Struktur eines kleinen –
eines kleinen! – Mitgliedsstaates der EU im 21. Jahrhundert aufgebaut sein.
Gerade heute haben, um gerecht zu sein, die Damen Klasnic und Burgstaller es
ein bisschen erwähnt.
Es ist, meine Damen und Herren, im Konvent ungeheuer viel
an Ideen vorgebracht und überlegt worden, entweder aufgenommen oder verworfen.
Alles, was jetzt an Wünschen kommt, wird nicht neu sein; was jetzt noch kommt,
ist natürlich schon mit dem Odium behaftet, dass es Taktieren ist. Was
nachverhandelt wird, verliert immer Glaubwürdigkeit.
Ich bin der Meinung, wenn wir nicht weiterkommen in den
kommenden politischen Weiterverhandlungen, dass es richtiger ist, wie Herr
Präsident Jabloner gemeint hat, dass wir eine Verfassungsnovelle kriegen, die
das, was bis jetzt da liegt, umfasst, anstatt dass die Sache weiß Gott wie lang
hinausgezögert wird. Nach den nächsten Wahlen – wurde heute auch schon gesagt –
schaut’s wieder ganz anders aus.
Wir sind nicht begeistert, wenn sehr viele Punkte jetzt
zurückdelegiert werden ans Parlament. Das bereitet Unbehagen: Das Parlament
hätte ja 50 Jahre lang schon eine neue Verfassung beschließen können, wenn
diese harten Brocken Einstimmigkeit oder Mehrheit, qualifizierte Mehrheit
erhalten hätten. Der Konvent wäre eigentlich sinnlos gewesen, wenn man jetzt
sagt: Wir warten darauf, bis das alles im Parlament zustande kommt.
Herr Präsident Fiedler hat unserer Meinung nach nicht nur
von den konsentierten Themen eine großartige Zusammenfassung gemacht. Die klare
Systematik liegt da, auch sprachlich ist es eine gelungene Übersicht. Er hat
darüber hinaus, wie auch schon gesagt wurde, sehr mutig auch bei Themen, die
konsentiert wurden, nicht unbedingt das übernommen, und er hat vor allem bei
nicht konsentierten Themen – und das ist ja natürlich doch eine große Menge –
schlüssige Wege gewiesen, wie man auf Basis von vernünftigen Kompromissen
weiterkommen kann.
Er hat dabei auch – und das halte ich für sehr zu betonen –
nicht auf die zu Beginn des Konvents gestandenen Ziele vergessen. Frau
Landeshauptmann Burgstaller hat zitiert. Sie hat allerdings den ersten Satz
nicht zitiert: an der Spitze dieser Ziele steht – ich erinnere Sie –: Eine
grundlegende Staats- und Verfassungsreform, die auch Voraussetzungen für eine
effizientere Verwaltung schaffen soll. Es ist ein gutes Zeichen, dass jetzt
eigentlich niemand zufrieden ist, weil jeder seine Wünsche nicht wirklich im
Entwurf Fiedler verwirklicht sieht.
Auch wir Industrie könnten eine Negativliste erstellen. Es
fehlt uns schon vieles: Die laufende Staatsaufgabenkritik, die
Gesetzesfolgenabschätzung, die Verlängerung und Vereinheitlichung der
Legislaturperioden, die stärkere Überwindung der Kameralistik, und es
erscheinen uns die Mehrgleisigkeiten und Doppelkompetenzen immer noch zu
latent, zu viel. Ich sage ruhig auch:
Die dritte Säule. Und die rasche Umsetzung von EU-Vorgaben erscheint uns
gar nicht gesichert.
Wir hielten es aber für staatspolitisch verantwortungslos,
wenn man jetzt auf dieses gut gefügte Gebäude – und ich sage ausdrücklich, wie
es Herr Präsident Fiedler in seinem Entwurf zusammengefasst hat, und nicht die
1200 oder 1300 Seiten Bericht, die die ganzen Probleme auseinander klaffen
lassen – jetzt kräftig dreinhaut, dreindrischt, vielleicht sogar mit der Keule,
es kommt sonst gar nichts. Wir halten es für mehr als fraglich, dass
irgendjemand im Stande ist, einen besseren Gesamtvorschlag zu machen, und
gesamt heißt nämlich: für alle akzeptabel. Natürlich lassen sich in einzelnen
Punkten die und die Verbesserungen anbringen.
Lassen Sie mich noch ein paar Sätze zu den immer wieder
gekommenen Argumenten Subsidiarität und Regionalisierung sagen: Ich bin der
Meinung, dass hier ein gewaltiges Missverständnis vorliegt. Wir müssen uns
damit endlich anfreunden: Die EU hat nun einmal als oberstes Ziel die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit Europas, letztlich ja zum materiellen Wohl aller Europäer.
Und dazu braucht es nicht nur den freien Warenverkehr – Sie wissen, die
wichtigen Ziele – , es braucht immer mehr Vereinheitlichung zur ständigen
Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.
Wir sollten uns auch darauf konzentrieren, in Brüssel zu
kämpfen um das, was kommt, und nicht immer hier gegen einander. Wie schaut es
denn aus? Hat vielleicht die EU den Tiroler Gulden aus dem 15. Jahrhundert wieder eingeführt oder
den Wiener Pfennig? Nein: den einheitlichen Euro. Ich habe selber noch erlebt
die Untergliederung der Staatsbürgerschaft mit den Heimatscheinen. Jetzt kommt
der europaweit einheitliche Führerschein. Wir haben längst einheitliche
Standards für Lebensmittel, für Versicherungen, für Umweltstandards, für
dutzende andere Rechtsbereiche, und natürlich arbeitet Brüssel an einheitlichen
Schulstandards und nicht an unterschiedlichen für Bruck und Bruckneudorf oder –
für die Damen und Herren aus dem Westen – für Leogang und Fieberbrunn.
Die EU arbeitet natürlich an einem einheitlichen
Vergaberecht – das wissen Sie ja alle – , an einem einheitlichen Anlagerecht,
Gewerberecht und, und, und. Sie arbeitet auch bitte an europäischen
Baustoffnormen und nicht dafür, dass 9 Teilgebiete von Österreich, das
insgesamt keine 2 Prozent der europäischen Bevölkerung stellt, in
Konsultationen Bundesländernormen
einander angleichen.
Die Wettbewerbsfähigkeit ist nicht nur nötig, weil Betriebe
von Wien ins Burgenland und nach Ungarn übersiedeln, sondern weil die
Produktion und Arbeitsplätze, aus der höheren Warte gesehen, nach Asien
wandern, auch schon im Dienstleistungsbereich: Englische, deutsche,
französische Großbetriebe lassen wesentliche Teile ihres Rechnungswesens in
Indien arbeiten, und wir freuen uns offenbar über Grenzen und wissen nicht oder
machen uns nicht klar, dass durch Grenzen die Stadt Wien vor 100 Jahren noch
unter den zehn größten Städten der Welt war, heute nicht unter den größten
1000. Abgesehen davon, ist aus Brüsseler Sicht ja „la région“ Österreich und
nicht vielleicht ein kleiner Teil davon.
Aber die Subsidiarität und Regionalisierung hat sehr wohl
eine sehr wichtige Bedeutung. Man sollte nur die Gesetzgebung und die
Verwaltung nicht vermantschen. Möglichst nah zum Bürger die Verwaltung! Dort
müsste sie auch effektiver und, wenn gut organisiert, auch billiger sein. Das
Bürgerservice ist Aufgabe der Verwaltung und die muss dezentralisiert sein.
Ich will zum Schluss abkürzen: Sehen Sie doch bitte alle
strittigen Fragen zum Verfassungsentwurf, zum Fiedler’schen – sage ich –
Verfassungsentwurf, aus der Sicht des Bürgers und nicht des Verwaltungsapparats
oder des Politikers. Das ist eine andere Sicht. Wenn nicht jetzt in den
nächsten Monaten eine erneuerte Verfassung auf dem Tisch liegt, so wird das ein
Musterbild bieten von Ineffektivität und Unfähigkeit, und die Bürger werden
nicht sagen: Die ÖVP oder die SPÖ, die Grünen, die FPÖ oder die
Interessenvertreter oder der Städtebund und Gemeindebund oder die Landeshauptleute
haben das erreicht oder haben das nicht erreicht. Sie werden sagen: Die
Politiker sind unfähig, und die ohnedies jetzt schon viel zu große Politik-
oder Politikerverdrossenheit, die wird mit einem Sprung noch mehr ansteigen. –
Danke.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächster Redner ist der Herr Prof. Konecny.
Albrecht Konecny: Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren!
Ich will zu den Überlegungen, ob denn dieser Konvent nun
ein Erfolg war oder nicht, keine weitere Analyse beisteuern. Er ist
quantitativ, wenn wir den hier physisch noch nicht aufliegenden Berichtsumfang
nehmen, zweifellos ein Erfolg, aber er hat nicht – und dieses Ziel war wohl
überambitiös – den konsentierten neuen Verfassungstext erbracht.
Ich glaube nicht, dass es richtig ist, das Wortbild, das
Präsident Khol am Morgen gewählt hat, „den Rohdiamanten zu schleifen“, dass es
ein glückliches Wortbild ist. Ich würde es anders sehen, und ich sage
ausdrücklich, dass ich damit nicht den Entwurf Fiedler meine, sondern jede
Fülle an Anregungen, ob sie in diesem Text aufgegriffen wurden oder nicht, wo
die Konsensvarianten durchaus mehr sein können, als wir heute meinen. Denn
natürlich gehört es zur politischen Willensbildung, dass der Kompromiss nicht
immer in einem, in einer Sache gefunden wird, sondern, dass es natürlich auch
einen Abtausch von Interessen gibt. Ich halte das weder für illegitim, noch für
einen Kuhhandel, so weit es ein sachgerechtes Resultat erbringt.
Und ich würde mich eher an einem Bild orientieren, das die
Arbeitsergebnisse der zehn Arbeitsausschüsse als eine Art Baumaterialsammlung
betrachtet, aus dem ein Gebäude zusammenzufügen durchaus möglich ist, auch wenn
vielleicht manche Fassadenteile nicht ganz so prunkvoll ausfallen werden. Denn
eines ist schon klar: Es gibt eine Fülle – und Präsident Hatzl hat vor einigen
Minuten hier einen ganz besonders wichtigen Bereich herausgegriffen – eine
Fülle von Anregungen, die in dieser Phase ganz offensichtlich keinen Konsens
gefunden haben, aber wo es mit Fug und Recht möglich ist, davon zu sprechen,
dass eine neue Verfassung am Beginn des 21. Jahrhunderts ja nur auch dann eine
Berechtigung hat, wenn sie nicht Verwaltungsvereinfachungen und Einsparungen
berücksichtigt, sondern jedes Mehr an Demokratie, jedes Mehr an
Bürgermitbestimmung, jedes Mehr an Kontrolle in einem komplexer gewordenen
Prozess, das der Bürger mit Recht erwartet und diese Wünsche vom Wahlrecht bis
zur Kontrolle haben auch eine beträchtliche Akzeptanz in der Öffentlichkeit
gefunden.
Natürlich sind Grundrechte ein zentrales Element und auch
darauf ist hingewiesen worden, nämlich Grundrechte, die natürlich auf der Ebene
der gesellschaftlichen, der jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklung umgesetzt
werden, umsetzbar sind. Aber sie so, unter Bedingungen, die sozialen
Grundrechte notabene zu setzen, wie es vorgeschlagen wurde, erscheint mir in
höchstem Maße problematisch und wertet sie auch gegenüber anderen Grundrechten
ab.
Und noch ein Wort zu den ganz konkreten Anliegen, die sich
aus der politischen Debatte ergeben. Und ich kann diese Trennung, die hier
einmal angesprochen wurde in der heutigen Diskussion, nicht mitmachen. Was denn
sonst soll eine Verfassung tun, als bestimmte Rechte und Normen statuieren, die
von allen einzuhalten sind? Und wenn wir in Österreich ein System haben, wo wir
in demokratischer Weise unsere Vertreter in vielfältigsten Bereichen wählen,
und es sicherlich keine Diskussion darüber gibt, ob die Gemeindevertretungen
demokratisch gewählt werden sollen, dann gehört es eben in eine solche
Verfassung auch hinein, dass die Interessensvertretungen in gleicher Weise demokratisch
konstituiert werden müssen, auf Grund einer Urwahl und einer Direktwahl der
jeweiligen Interessensgruppe, und dass hier, auch dort, wo es um ein
abgeleitetes System geht, etwa um den Hauptverband, um es deutlich
auszusprechen, der Zahl der Stimmen, der Gewichtung eine Bedeutung zukommen
muss.
Nochmals, das ist eine beträchtliche Baumaterialsammlung,
die hier angelegt wurde, und wie alle anderen kann auch ich sagen, diese 18
Monate waren auch persönlich, menschlich und wissensmäßig eine gewaltige Bereicherung
für mich, und von daher eine höchst angenehme, wenn auch anstrengende Periode.
Das gelieferte Rohmaterial zusammenzufügen ist Aufgabe der Politik. Ich teile
auch die Einschätzung, dass es in einer großen Novelle, vielleicht auch in
einer Abfolge von Novellen möglich sein wird, die konsensualen Teile in die
Verfassung aufzunehmen.
Und wenn ich mir die Debatte heute anhöre, wenn die Frau
Bundesminister Gehrer den ausgewiesenen Marxisten Ernst Bloch zustimmend
zitiert, so sollte man doch meinen, dass der Konsensbereich größer sein könnte,
als wir heute in der Früh angenommen haben.
Stellvertretende Vorsitzende des
Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächster Redner ist Herr Universitätsprofessor Dr.
Öhlinger.
Dr. Theodor Öhlinger: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Ich hätte gerne dem Herrn Präsident Fiedler gesagt – ich
konnte es aber ohnehin schon über die Medien tun –, dass ich seinen Entwurf für
eine durchaus sehr gute Diskussionsgrundlage halte. Ich sehe die Leistung
dieses Entwurfs darin, dass die auf zehn Ausschüsse verteilte und zum Teil
zersplitterte Diskussion im Konvent in ein System zusammengefasst wird und
damit eine Grundlage liefert, die offenen Probleme – und es gibt natürlich eine
Fülle offener und diskussionswerter Probleme – gewissermaßen systematisch und
im Kontext einer Gesamtverfassung zu diskutieren.
Wo ich
allerdings glaube, dass dieser Entwurf verfehlt ist, wenn ich das so scharf
sagen darf, das ist die Frage der Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den
Ländern. Ich halte den Entwurf nicht etwa für verfehlt, weil er zu
zentralistisch ist, oder vielleicht meint jemand, weil er zu föderalistisch
ist. Ich halte ihn für verfehlt, weil er ein Element des bisherigen Systems
fortschreibt, nämlich das Bemühen um eine säuberliche, scharfe Trennung der
Kompetenzen von Bund und Ländern. Und das ist ein System, das schon bisher gescheitert
ist, das sieht man an den vielen Verfassungsbestimmungen, die man gebraucht
hat, um dieses System zu korrigieren.
Im Text unserer Verfassung, oder jetzt im Text des
Fiedler-Entwurfes ist Schule, ist Gesundheit eine Kompetenz. Und es geht um die
Frage, ob dafür nur der Bund oder nur die Länder zuständig sein sollen. Das
geht an der Realität des österreichischen Bundesstaates vorbei. Der
österreichische Bundesstaat ist von jeher ein kooperativer Bundesstaat gewesen.
Die Mängel seiner Verfassung liegen im Bereich der Kompetenzverteilung darin,
dass sie gerade für diese Kooperation nicht den Rahmen setzt, sondern diesem
kooperativen Gefüge eine strenge Kompetenztrennung vorgibt. Und der Entwurf
Fiedler treibt das insofern noch auf die Spitze, als er diese Trennung nicht
nur in der Gesetzgebung festschreibt, sondern sie in die Vollziehung hinein
nimmt. So heißt es in diesem Entwurf: „Die Zuständigkeit zur Vollziehung folgt
der zur Gesetzgebung.“
In einem kooperativen Bundesstaat – verzeihen Sie – geht es
nicht darum, Sachbereiche, Materien zwischen Bund und Ländern fein säuberlich
zu trennen, es geht darum, Aufgaben in einem qualitativen Sinne zu verteilen.
Schule muss nicht rein Bundessache sein. Man muss sich einfach die Frage
stellen: Welche Aufgaben soll in diesem Bereich der Bund erledigen, welche
Aufgaben können in diesem Bereich die Länder erfüllen? Wenn die Frau Ministerin
Gehrer noch da wäre, dann würde ich ihr sagen, ihr Konzept einer Kooperation
zur Realisierung der Ganztagsschule hat weder im Fiedler-Entwurf noch im
Länder-Entwurf eine Grundlage; ebenso wenig im ÖVP-Entwurf, den wir diskutiert
haben, aber natürlich sollte Aufgabenverteilung in Österreich so funktionieren,
wie das an diesem einen Beispiel gezeigt wurde. Darüber ist allerdings im Konvent
nie diskutiert worden und konnte nicht diskutiert werden, weil die
verschiedenen Aspekte des Föderalismus auf verschiedene Ausschüsse verteilt
waren. Ein Ausschuss durfte nur Gesetzgebungskompetenzen diskutieren und in
keiner Weise den Zusammenhang zwischen Gesetzgebung und Vollziehung. Und dass
natürlich ein eminenter Zusammenhang auch noch mit den Finanzen besteht, ist
genauso klar, aber auch das wurde wieder getrennt davon diskutiert.
Es gab im Konvent nicht die Möglichkeit, ein integrales,
ein umfassendes Föderalismus-Konzept zu diskutieren. Es gab nicht die
Möglichkeit, sich zu fragen und miteinander zu diskutieren, was Föderalismus in
Österreich am Beginn des 21. Jahrhunderts bedeuten kann. Nur wenn man eine solche
Diskussion führt und in einer solchen Diskussion einigermaßen einen Konsens
findet, ist, so glaube ich, das Thema Bundesstaat neu lösbar.
Ich würde es schade finden, wenn an diesem Thema eine
künftige Verfassung scheitern sollte. Denn was der Fiedler-Entwurf zeigt, das
ist in meinen Augen ein Quantensprung in der österreichischen
Verfassungsdiskussion, ist, dass es möglich ist, eine einheitliche
Verfassungsurkunde zu realisieren. Das haben wir in der Lehre immer wieder
gefordert, aber hier ist es sozusagen schwarz auf weiß dokumentiert, es ist an
sich möglich.
Warum brauchen wir eine solche Verfassung, die in sich
geschlossen ist? Es ist das die Voraussetzung dafür einmal, dass der Bürger
sicher sein kann, überhaupt über einen vollständigen Verfassungstext zu
verfügen. Natürlich wird nicht jeder Bürger aus dem Text heraus alle Probleme
lösen können. Aber er kann ja heute nicht einmal sicher sein, ob überhaupt der
Text, den er hat, ein vollständiger ist. Manches Mal geht es nicht nur dem
Bürger, dem heute schon angesprochenen Bürger auf der Straße so, sondern auch
Fachleuten.
Es ist aber eine Verfassungsurkunde, die
Verfassungsänderungen nur innerhalb ihres Textes ermöglicht, auch die einzig
wirksame Schranke dafür, dass man sich nicht, wenn die Mehrheit im Nationalrat
dafür besteht, beliebig über die Verfassung hinwegsetzen kann. Diese Unzahl von
Verfassungsbestimmungen sind natürlich ein bequemes Mittel der Politik. Das zu
beseitigen ist eine Selbstbeschränkung der Politik. Aber das ist ja eigentlich
die Funktion der Verfassung, der Politik Grenzen und Schranken zu setzen. Die
geltende Verfassung leistet das nicht, wenn im Nationalrat die entsprechende
Mehrheit da ist. Wissenschaftler haben, meines Erachtens zu Recht, ich habe
natürlich auch dazu gehört, die Frage gestellt: Hat Österreich überhaupt eine
Verfassung? Erfüllt diese Verfassung noch ihre Funktion?
Es gibt auch noch einen dritten Punkt, der vielleicht ein
bisschen theoretisch klingt, aber, so glaube ich, auch wichtig ist: Man wirft
dem Verfassungsgerichtshof oft vor, dass er keine klare und einheitliche
Methodik der Interpretation hat. Er schwankt tatsächlich zwischen manchmal sehr
formalistischen Interpretationen und manchmal sehr kühnen rechtsschöpferischen
Entscheidungen. Nur: Diese Unsystematik der Verfassungsinterpretationsmethodik
ist das inhärente Pendant zur mangelnden Systematik der Verfassung. Es ist das
die richtige Antwort auf die bestehende Verfassungslage. Wenn wir also auch
hier mehr Einheitlichkeit, mehr Systematik wollen, dann, so glaube ich,
brauchen wir eine solche Verfassung. Das ist das Kernproblem. Natürlich ist es
realistischer, ich stimme hier meinem Freund Jabloner zu, das, was im Konvent
konsensual erarbeitet wurde, einmal in eine große Verfassungsnovelle zu
verpacken und sich damit zufrieden zu geben.
Nur: Das Ziel eines Inkorporierungsgebotes kann man auf
diese Weise nicht realisieren. Wir bleiben damit bei unserer Verfassung, die
dann in den nächsten Jahrzehnten wieder auf bis zu 1 300
Verfassungsbestimmungen außerhalb des Stammtextes anwachsen wird. Ich glaube,
dieses Ziel sollte man im Auge behalten. Noch einmal zur
Bundesstaatsproblematik: Wenn diese Frage keine Lösung findet, dann, so meine
ich, hat der Konvent in der Tat eines seiner Hauptziele verfehlt. –Danke.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka (übernimmt den Vorsitz) : Danke
vielmals. Prof. Öhlinger hat eine Rede von insgesamt fünf Professoren eröffnet.
Ich darf als Nächstem Herrn Prof. Dr. Raschauer das Wort erteilen.
Dr. Bernhard Raschauer: Herr Vorsitzender! Hoher Konvent!
1994/96 hatten wir einen ausformulierten Verfassungstext als
Ergebnis von Beratungen. Es war ein Verfassungstext, der Vereinfachungen in der
Kompetenzverteilung, die Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung und die
Einführung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit gebracht hätte.
Bedauerlicherweise konnte damals in letzter Sekunde Einigung nicht erzielt
werden.
Der damalige Entwurf zur Verfassungsreform bildet aber
zwangsläufig eine Messlatte für diesen Konvent. Dieser Österreich-Konvent
müsste für gescheitert erklärt werden, wenn er uns alle nur tausende Personenstunden
an Beratungen und begleitenden Besprechungen und Veranstaltungen gekostet
hätte, und wenn er nur tausende Seiten Papier produziert hätte. In fünf, in
zehn Jahren würde sich niemand mehr an Papier erinnern.
Es ist mir daher ein persönliches Anliegen, auch an dieser
Stelle Präsident Fiedler Dank zu sagen, Dank dafür, dass er mit gewaltigem
Einsatz diesen Konvent - für mich - gerettet hat, indem er aus den
umfangreichen und inhomogenen Dokumenten der Ausschüsse einen Arbeitsentwurf
für eine Verfassungsreform zuwege gebracht hat. Denn nach meiner Einschätzung
ist sein Entwurf wahrscheinlich das Beste, was man in dieser Situation
überhaupt irgendwie resümehaft zusammenstellen konnte. Für mich rechtfertigen
aus heutiger Sicht, rückblickend betrachtet, nicht die tausend Seiten Papier,
sondern erst dieser Entwurf die stundenlangen Sitzungen.
Fiedler war fairerweise bemüht, sich im Rahmen der durch
die Ausschussdokumente gezogenen Grenzen zu halten. Sein Entwurf spiegelt daher
die Inbalance, die Schieflage, unter der die ganzen Konventsberatungen gelitten
haben, wieder. Auf der einen Seite das Anspruchsdenken. Vielfältig waren die
Vorschläge – die Ausschüsse 1 und 4 wissen ein Lied davon zu singen –, die von
mehreren Seiten gekommen sind, darüber, was der Staat alles leisten, sichern,
gewährleisten soll – und das am Besten, wir haben es heute wieder gehört,
einklagbar und ohne Rücksicht auf Finanzierbarkeit.
Ich bekenne mich zu sozialen Grundrechten. Aber man muss
immer offen legen, dass sie etwas kosten. Wäre alles das, was an Vorschlägen
eingebracht wurde, heute schon Inhalt des geltenden Rechts, dann bräuchte man
sie ja nicht neu in der Verfassung verankern. Es geht also in dem ganzen
Abschnitt um zusätzliche Staatsaufgaben und damit um zusätzliche Staatsausgaben.
Nebenbei nur angemerkt: Auch die Landesverwaltungsgerichtsbarkeit wird
zusätzliche Kosten verursachen.
Dann müssen wir aber die Schieflage feststellen, dass der
Entwurf, gebunden durch den Rahmen der Ausschussberichte, keine Vorschläge auf
der anderen Seite, die dem korrespondieren würden, vorsieht. Wo sind die
Initiativen zur systematischen Revision von Staatsaufgaben, zum Abbau von
entbehrlich gewordenen Staatsaufgaben? Immerhin, es geht um die
Finanzierbarkeit. Wo sind Initiativen zur Verwaltungsreform? Schon 1994/96 war
die Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung – noch immer das prominenteste
Beispiel von Doppelgleisigkeit der Verwaltung – vorgesehen gewesen. Der heute
vorliegende Entwurf baut entsprechend dem Nullergebnis des Verwaltungsreformausschusses
unverändert auf dem bürokratischen Modell der Verwaltung auf: Oberste Organe,
nachgeordnete Ämter – die wird es auch in Zukunft geben. Aber man darf sie doch
nicht als das Modell der Verwaltung der Zukunft in der Verfassung fixieren!
Keine Perspektive zum Aufgabenabbau! Das zu einer Zeit, in
der der Verfassungsgerichtshof immer neue Kernaufgaben des Staates erfindet.
Aus der Perspektive der Finanzierbarkeit unseres staatlichen Gemeinwesens ist
eine solche Asymmetrie – auf der einen Seite neue Staatsaufgaben sehenden Auges
in Kauf genommen, auf der anderen Seite nichts zum Rückbau der bisherigen – in
meinen Augen nicht zu verantworten.
Eine Form der Entlastung des Staates kann in der
verstärkten Betrauung von Selbstverwaltungskörpern liegen, wie uns das das
Verwaltungsreformgesetz 2001 gezeigt hat. Die Bedeutung der Kammern im Staat
und für den Staat ist tendenziell gestiegen. Bedauerlicherweise hat aber der
Entwurf einen Ausschussvorschlag aufgegriffen, den man mit George Orwell’s
Animal Farm in Verbindung bringen muss: „Alle Kammern sind gleich, aber einige
Kammern sind gleicher“.
Kammern sollen zulässig sein, aber einige Kammern sollen
verfassungsrechtlich gewährleistet sein. Man muss das gewissermaßen, meine
Damen und Herren, als Startschuss für eine neue Diskussionsrunde um die
Pflichtmitgliedschaft sehen. Über die Pflichtmitgliedschaft kann man durchaus
offen diskutieren, aber dann, Sie werden verstehen, bitte in Bezug auf alle
Kammern. Sie werden verstehen, dass für die Kammer der freien Berufe eine
solche Zweiklassengesellschaft von Kammern völlig unvorstellbar ist, Kammern
erster Wahl und Kammern zweiter Wahl.
Es ist mir aber ein Anliegen festzuhalten, dass der
kritische Blick auf das Detail nicht den Blick auf das Ganze verstellen soll. Der
Entwurf, der uns vor wenigen Tagen übermittelt wurde, ist ein Arbeitsentwurf,
er kann die Grundlage für weitere Beratungen in parlamentarischen Gremien sein
und er ist es wert, als solche Grundlage herangezogen zu werden. Wer je mit
Politikberatung und mit der Erarbeitung von Gesetzentwürfen befasst war, kann
abschätzen, welche Leistung auf dem Boden uneinheitlicher Vorgaben hier
legistisch erbracht wurde.
Daher schließe ich nochmals mit meinem Dank, meiner
Anerkennung an Präsident Fiedler und verabschiede mich auch von diesem hohen
Gremium des Konvents. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals. –
Als Nächster Prof. Dr. Gerhart Holzinger, Mitglied des
Verfassungsgerichtshofes.
Dr. Gerhart Holzinger: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Ich habe in den letzten 19 Monaten sehr gerne in diesem
Konvent mitgearbeitet, auch wenn oder vielleicht, weil es mitunter mühsam und
arbeitsintensiv war. Ich möchte in dieser letzten Sitzung ein paar Bemerkungen
zum Ergebnis des Konvents beziehungsweise zur Frage machen, wie es denn weitergehen
könnte. Diese Bemerkungen sind vor allem von meinen Erfahrungen geprägt, die
ich in der Vergangenheit mit Verfassungsreform-Projekten gemacht habe.
Es ist, das ist heute bereits mehrfach angesprochen worden,
vor allem in der Medienberichterstattung der vergangenen Wochen und Monate
vielfach davon die Rede gewesen, dass dieser Konvent zu scheitern drohe
beziehungsweise bereits gescheitert sei. Ich gehöre zu denen, die diese
Einschätzung nicht für richtig halten, und im Übrigen auch nicht für fair. Meiner
Auffassung nach hat der Konvent die ihm übertragene Aufgabe sehr wohl erfüllt.
Das Ergebnis, und damit meine ich schon diese 1 000 Seiten insgesamt, ist
respektabel und es entspricht vor allem dem, was man fairerweise von diesem
Konvent erwarten konnte.
Dazu ist es notwendig sich in Erinnerung zu rufen, dass es
nicht Aufgabe des Österreich-Konvents sein konnte, eine neue österreichische
Verfassung zu schaffen. Diese Aufgabe muss den dafür von verfassungswegen
zuständigen Organen vorbehalten bleiben, dem Nationalrat und dem Bundesrat im
Besonderen, und damit den in diesen Organen vertretenen Fraktionen.
Dem gegenüber konnte es dem Österreich-Konvent nur
obliegen, Vorschläge für eine geänderte, nämlich in den als reformbedürftig
erachteten Punkten verbesserte Verfassung zu erstatten. Und diese Aufgabe hat
er, wenn man sich das nunmehr vorliegende Ergebnis vor Augen hält, sehr wohl
erfüllt. In der mittlerweile sehr langen Reihe von Verfassungsreform-Projekten
in Österreich ist das des Österreich-Konvents sicher das umfassendste und das
ambitionierteste. Noch nie ist mit so viel Aufwand analysiert worden, in
welchen Punkten die österreichische Bundesverfassung reformbedürftig ist, und
welche – allenfalls auch alternativen – Lösungsvorschläge es dafür gibt.
Richtig ist freilich auch, dass die Mitglieder des
Österreich-Konvents in einer ganzen Reihe von Punkten keinen Konsens erzielen
konnten. Das ändert aber aus meiner Sicht nichts daran, dass mit dem
vorliegenden Beratungsergebnis der Verfassungsgesetzgeber in die Lage versetzt
wird, die von ihm für erforderlich gehaltenen Reformen nach seinen
verfassungspolitischen Vorstellungen – auf Basis Lösungsvorschläge des
Österreich-Konvents – zu realisieren. Dass es dazu eines breiten politischen
Konsenses bedarf, ist ebenso evident wie der Umstand, dass der
Österreich-Konvent diesen Konsens der maßgeblichen politischen Kräfte aus
vielerlei Gründen nicht substituieren kann und könnte.
Den politischen Willen zur Reform der österreichischen
Verfassung vorausgesetzt, würde das nunmehr vorliegende Beratungsergebnis des
Österreich-Konvents eine brauchbare Basis dafür bieten, in den essentiellen
Fragen der Verfassungsreform Fortschritte zu erzielen. Ich möchte das an drei
Beispielen, die aus meiner Sicht zu den Angelpunkten jeder Verfassungsreform in
Österreich zählen, deutlich machen. Und zwar an den Punkten formale Bereinigung
des Verfassungsrechts, Grundrechtsreform und Reform der Staatsorganisation.
Zum Ersten: Gerade die Beratungsergebnisse im
Österreich-Konvent zum Thema "Bereinigung und formale Vereinfachung des
Bundesverfassungsrechts" sind in hohem Maße konsensual und daher, was die
Chance für ihre verfassungspolitische Umsetzung betrifft, auch besonders Erfolg
versprechend. Nun weiß ich schon, dass dazu verschiedentlich kritisch bemerkt
wird, eine formale Bereinigung der Verfassung, die Reduzierung dieser 1 300
Verfassungsbestimmungen auf ein vernünftiges Maß, das allein sei noch keine
Verfassungsreform, das bringe dem Bürger nichts. Das ist einerseits insoweit
richtig, als die formalen Mängel der Verfassung nicht die einzigen sind, die
ihr anhaften. Auf der anderen Seite ist aber anzuerkennen, dass mit einer
formalen Bereinigung der Verfassung ein wesentliches Anliegen der
Verfassungsreform verwirklicht wäre. Mit einigem guten Willen wäre es möglich,
auf Basis der dazu erstatteten Vorschläge des Österreich-Konvents zu einer
Reform der Verfassung in diesem Punkt zu gelangen. Man sollte meines Erachtens
diesen möglichen Reformerfolg weder gering schätzen, noch klein reden, sondern
ihn schlicht und einfach realisieren, und zwar unabhängig davon, ob und
inwieweit die Reform auch in anderen Punkten gelingt.
Zum Zweiten, zur Grundrechtsreform: Bei aller
Unterschiedlichkeit der Standpunkte zum Teil im Grundsätzlichen, zum Teil in
Einzelfragen, sind doch die Beratungen im Österreich-Konvent zur
Grundrechtsreform und insbesondere zur Schaffung eines genuin österreichischen
Grundrechtskataloges wesentlich weiter fortgeschritten als die diesbezüglichen
Bemühungen in der Vergangenheit, wenn ich etwa an die rund 30 Jahre währende
Grundrechtsreform denke. Auch in dieser Hinsicht böte also das vorliegende
Ergebnis der Arbeiten des Konvents eine gute Basis für die notwendige
politische Konsensfindung.
Und zum Dritten: In der Frage der Neugestaltung der
Staatsorganisation, im Besonderen, was das Bund-Länder-Verhältnis betrifft,
haben die Beratungen im Österreich-Konvent – so wie die diesbezüglichen
Bemühungen in der Vergangenheit –gezeigt, dass eine Annäherung der unterschiedlichen
Standpunkte offenbar sehr schwierig ist. Ungeachtet dessen gibt es aber auch in
diesem Bereich durchaus realisierbare Reformperspektiven. So etwa die Schaffung
einer dezentralisierten Verwaltungsgerichtsbarkeit, über die weitgehender
Konsens besteht, verbunden mit einer geradezu radikalen Vereinfachung der
Verwaltungsstruktur, wenn man, dem Beratungsergebnis des Österreich-Konvents
folgend, künftig nur mehr eine Verwaltungsinstanz vorsieht, deren
Entscheidungen eben durch die dezentralisierte Verwaltungsgerichtsbarkeit
überprüft werden. Wenn man dabei in Betracht zieht, dass auf diese Weise
zahlreiche Sonderverwaltungsbehörden obsolet würden, so würde allein die
Verwirklichung dieses Reformvorschlages eine deutliche Vereinfachung der
Behördenstruktur bedeuten und einen nicht hoch genug einzuschätzenden
Fortschritt gegenüber dem Status quo bedeuten. Ich weiß schon, dass damit
allein die bestehenden Probleme der Staatsorganisation in Österreich noch nicht
gelöst wären und insbesondere im Bereich der bundesstaatlichen
Kompetenzverteilung auf dem Gebiet der Gesetzgebung auch im Österreich-Konvent
eine wirkliche Annäherung der Standpunkte nicht zu erreichen war. Das sollte
aber den Verfassungsgesetzgeber meines Erachtens nicht hindern, dort, wo
konsensfähige Reformvorschläge vorliegen, den möglichen Reformerfolg auch zu
lukrieren.
Mir geht es vor allem darum, an diejenigen zu appellieren,
die es in weiterer Folge in der Hand haben, dieses Beratungsergebnis im
Österreich-Konvent in verfassungsrechtliche Regelungen umzusetzen: Auch wenn –
was meines Erachtens von vornherein unrealistisch war – ein umfassender Konsens
zu allen nur denkbaren Reformüberlegungen nicht erzielt werden kann, sollte das
so weit gediehene Reformprojekt jedenfalls zu Ende geführt werden – und zwar
nicht im Sinne des "Alles und nichts", sondern nach dem Motto
"So viel wie möglich". Danke sehr, meine Damen und Herren.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals, Herr Professor.
Als Nächster zu Wort gemeldet DDr. Grabenwarter, ich
erteile ihm dieses.
DDr. Christoph Grabenwarter: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Ich möchte zum Abschluss der Konventsarbeit zu drei Fragen
Stellung nehmen, die heute auch im Zentrum der Diskussion stehen. Erstens: War
es gut, dass der Konventspräsident einen Gesamtentwurf vorgelegt hat? Zweitens:
Wie ist er zu bewerten? Und drittens: wie könnte es weitergehen?
Der Konventsentwurf von Präsident Fiedler, und in diesem
Punkt teile ich die Einschätzung von Öhlinger und Raschauer weitgehend, scheint
mir ein logischer Schritt gewesen zu sein. Ich sage es aus der Perspektive des
Grundrechtsausschusses, in dem uns der Blick auf das bis zum Schluss gefehlt
hat: Es kommt irgendwann in der Beratung über ein Gesetzeswerk der Punkt, wo
man einmal sehen muss, ob es neben den vielen Bäumen auch einen Wald gibt. Also
glaube ich, dass es gut ist, dass es jetzt einen solchen Entwurf gibt, und man
mag ihn getrost als Arbeitsentwurf bezeichnen, um darin nicht ein politisches
Manöver zu erblicken. Ich glaube auch, dass ein Entwurf dieser Art durchaus
früher hätte kommen können, damit eine längere Zeit der Diskussion noch auf der
Ebene des Konvents geschehen kann, aber das ist ja möglicherweise noch auf
anderer Ebene nachzuholen.
Die zweite Frage der Bewertung: Mit seinen 298 Artikeln und
einem eigenen Verfassungsübergangsgesetz bildet dieser Entwurf eine beachtliche
kodifikatorische Leistung, die über weite Strecken auch gelungen ist. Wenn ich
auf Einzelheiten ohne Anspruch auf Ausgewogenheit eingehe, so fällt am Beginn
auf, dass der vor gut einem Jahr eingebrachte Präambelentwurf, ich darf es in
der Abwesenheit des ehemaligen Rechnungshofpräsidenten etwas scherzhaft
formulieren, durch die Mühlen der Rechnungshofkontrolle gegangen ist, und viele
im Saal werden mir zustimmen, dass dieser Vorschlag nun die Kriterien der
Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit erfüllt. Auch das erste Hauptstück enthält die
nötigen Grundsatzbestimmungen, auf die natürlichen Lebensgrundlagen etwa wurde
hingewiesen. Möglicherweise würde dieser Entwurf, würde er dereinst
Verfassungsgesetz werden, die erste Verfassung weltweit sein, die bereits in
ihrem elften Artikel eine Verfassungsgarantie der staatlichen Forstbetriebe
enthält.
Das zweite Hauptstück, das hat mein Vorredner ausführlich
beleuchtet, bildet wohl eines der Herzstücke des Entwurfs mit 55
Grundrechtsartikeln – übrigens ähnlich lang wie die Europäische
Grundrechtecharta, nun ebenfalls Teil II der Europäischen Verfassung. Auch hier
würde ich meinen, dass eine positive Einschätzung dem gerecht wird, wobei man
eben dazu sagen muss, der Entwurf basiert weitgehend auf Sozialpartnereinigungen,
auf Ausschusseinigungen und vor allem, das ist der Öffentlichkeit immer etwas
unterbelichtet geblieben, auf einer sehr tief gehenden Diskussion und
weitgehenden Einigung im Präsidium.
Herr Volksanwalt Kostelka hat darauf hingewiesen, es wurde
in den zentralen Bereichen der sozialen Grundrechte Konsens erzielt, ein
Konsens, der vor nicht allzu langer Zeit nicht vorstellbar war. Dort, wo kein
Konsens da ist, und das erschließt sich bei genauerer Lektüre des
Grundrechtskatalogs, hat man ein wenig den Eindruck, dass der Autor des
Entwurfs nach dem goetheschen Theaterdirektor vieles bringen wollte, um manchem
etwas zu bringen. Ich glaube, dass hier noch erheblicher Feinschliff
erforderlich ist – jetzt ist nicht der Zeitpunkt, die Details auszubreiten. In einer
Gesamtbilanz dieses Teils des Entwurfs möchte ich festhalten, dass er im Aufbau
besser und im Inhalt weitergehend ist, als die jüngst in die Europäische
Verfassung integrierte Grundrechtecharta. Er bedeutet einen deutlichen
Fortschritt gegenüber dem Status quo, insbesondere im Bereich der sozialen
Rechte, und er übersteigt in seiner Qualität wohl alle Ergebnisse, die die
Grundrechtsreformkommission der letzten 40 Jahre erzielt hat.
Auch die Ergebnisse des Ausschusses 2 sind zu nennen, sie
haben den Fiedler-Entwurf überhaupt erst denkbar gemacht. Seine
Bereinigungsarbeit hat das vielfach ausgesprochene Lob mehr als verdient. Auch
das 7. Hauptstück des Entwurfs zur Gerichtsbarkeit präsentiert sich in
modernerem Gewande, auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde bereits
eingegangen. Die offene Flanke des Entwurfs bildet zweifelsohne die
Kompetenzverteilung. Hier werden wohl die Vertreter der Gebietskörperschaften
am Zug sein, der Konvent hat hier mit Sicherheit seine Kraft erschöpft.
Meine Damen und Herren! Wie soll es weitergehen? Im oberen
Murtal befindet sich zurzeit die Baustelle einer Rennstrecke, die meine
Landsleute sehr bewegt. Man kann diese mit der Konventsbaustelle vergleichen
und anhand dieses Vergleichs die Perspektiven der Verfassungsreform skizzieren.
Es gibt zwei Möglichkeiten, nämlich erstens, die Möglichkeit, geistigen Rückbau
zu betreiben und alles so zu belassen und wiederherzustellen, wie es war und
ist. Das wäre, auf die Verfassungsreform bezogen, anlagenrechtlich die
Nullvariante. Zweitens gibt es die Möglichkeit, den Fiedler-Entwurf
insbesondere im Kompetenzverteilungsabschnitt umweltverträglich zu machen und
in die ideologischen Grenzwerte zu bringen. Es wäre schön, könnten sich jene,
die an den Hebeln sitzen, zur zweiten Projektvariante oder einer Variante davon
durchringen, egal ob sie nun im Regierungsbagger kräftig umgraben oder im
Oppositionskran den Überblick bewahren. Verleihen Sie, meine Damen und Herren,
dem Projekt Verfassungsreform getrost Flügel. Nicht wenige erwarten es von
Ihnen. Vielen Dank.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals für diese Wortmeldung.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Dr. Wiederin, ebenfalls Professor.
Ich darf ihm selbiges erteilen.
Dr. Ewald Wiederin: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren!
Ich möchte zunächst zu zwei Themenbereichen des
umfangreichen Berichts Stellung beziehen, die mit meiner Mitgliedschaft in zwei
Ausschüssen in Verbindung stehen, und sodann zum Schluss eine Art Bilanz
versuchen, und ich hoffe, Sie sehen es mir nach, dass diese Bilanz etwas
persönlicher und weniger staatstragend ausfallen wird.
Der erste Punkt, den ich ansprechen will, betrifft den
Bundesstaat. Er hat sich einmal mehr als unreformierbar erwiesen. Wir haben im
Ausschuss 5 zunächst ein halbes Jahr lang mit großem Elan an einem Modell
gebaut, das in weiterer Folge als Drei-Säulen-Modell grundsätzlich von allen
Seiten akzeptiert worden ist. Ab März 2004 haben sich allerdings die Beratungen
im Kreis gedreht. Dass wir in der Sache nicht weitergekommen sind, sieht man
dem Bericht auch an: Varianten über Varianten. Ich habe deshalb jede Hoffnung
verloren, dass in der Bundesstaatsreform irgendetwas weitergehen könnte, aber
angesichts des Entwurfs des Vorsitzenden doch wieder Hoffnung geschöpft. Ich
muss diesen Entwurf gerade in seinen Kompetenzverteilungsartikeln verteidigen,
in denen er ansonsten von den meisten Seiten vehement kritisiert worden ist.
Der Entwurf führt erstens Gesetzgebungsverantwortung und
Vollzugsverantwortung in einer Hand zusammen. Das ist nicht zuletzt deshalb
vernünftig, weil Artikel 11 B-VG eine Fülle von Sonderverfassungsrecht nach
sich gezogen hat, das wir bereinigen müssen.
Zweitens hält dieser Entwurf auch in der dritten Säule am
Grundsatz fest, dass die Verantwortungen getrennt bleiben. Bis auf den
Vermittlungsausschuss gibt es keine Blockademöglichkeiten. Das halte ich vor
dem Hintergrund der Entflechtungsdiskussion, die die Bundesrepublik Deutschland
im Zuge ihrer Föderalismusreform gerade führt, für einen Vorteil. Demgegenüber
nehmen sich die Kompetenzverteilungsentwürfe der beiden Großparteien und der Länder
wie ein Versuch aus – ich pointiere es ein wenig –, die Unverantwortlichkeit zu
organisieren.
Drittens wahrt der Entwurf Flexibilität, sowohl in der
Gesetzgebung, indem er die dritte Säule als Bedarfskompetenz ausgestaltet und
indem er in ihr die Generalklausel ansiedelt, als auch in der Vollziehung.
Viertens macht der Entwurf mit dem Anliegen Ernst,
möglichst abgerundete neue Aufgabenfelder zu schaffen, die ihre eigene
Teleologie entfalten sollen. Wenn wir uns zu diesem Ziel bekennen, dann
bedeutet das, dass wir auch bereit sein müssen, Unsicherheiten in Kauf zu
nehmen. Wenn wir die Inhaltsbestimmung der neuen Aufgabenfelder allein im Wege
der Zuordnung der bisherigen Kompetenztatbestände vornehmen, dann kumulieren
wir die Nachteile beider Welten, weil wir die Fehler des alten Systems in das
neue mitschleppen.
Wo Schatten ist, da ist meist auch Licht. Wenn der
Ausschuss 5 in der zweiten Phase der Beratungen Nacht war, dann war der
Ausschuss 2 Tag. Dort sind in der Strukturreform und bei der Verfassungsbereinigung
Fortschritte erzielt worden, die ohne weiteres umsetzbar sind und die wir auch
umsetzen sollten, wenngleich manche Punkte ohne Zweifel deshalb gefährdet sind,
weil sie mit der ungelösten Föderalismusproblematik zusammenhängen. Aber im
Bereich der Staatsverträge und im Bereich der europäischen Integration, so
glaube ich, hat der Ausschuss Vorschläge erstattet, die es Wert sind,
verwirklicht zu werden.
Nachdenklich geworden bin ich hingegen beim
Inkorporationsgebot. Der Fiedler-Entwurf zeigt, dass es nur sehr relativ
konzipiert sein kann: Es wimmelt von Trabanten. Ich habe den Eindruck, dass wir
Gefahr laufen, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Wenn ich mir ausmale, dass
all das, was das Parlament während der Arbeit des Konvents an Verfassungsrecht
produziert hat, in den Fiedler-Entwurf integriert werden muss, und wenn ich mir
vorzustellen versuche, wie eine neue Verfassung in 50 Jahren aussehen wird –
sie wird nicht wieder zu erkennen sein –, dann kommen mir Zweifel, ob wir für
ein Inkorporationsgebot schon reif sind. Ich glaube, wir sollten uns einen
Zwischenschritt als Alternative überlegen. Es könnte genügen, zwar
Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen zu verbieten,
Bundesverfassungsgesetze – und damit beispielsweise einen neuen Grundrechtskatalog
– hingegen weiterhin zuzulassen.
Ich komme zu einem persönlichen Resümee. Ich habe die
Mitgliedschaft im Konvent aus der Überzeugung heraus angenommen, dass unser
B-VG 1920 eine gute Verfassung darstellt, und ich habe meine Aufgabe primär
darin gesehen, ihre Substanz zu erhalten. Ich bin mit anderen Worten als
Systemverteidiger gestartet. Zu meiner großen Überraschung habe ich mich aber
im Lager der Revoluzzer unter jenen Leuten wieder gefunden, die bereit waren,
am weitesten zu gehen und am meisten in Frage zu stellen.
Der Bericht erlaubt uns heute eine Bilanz, indem er uns
einen Spiegel vorhält. Die geleistete Arbeit ist beachtlich. Und doch: Es ist
Reformarbeit, es ist Systemoptimierung, es ist Bereinigung. Es ist alles
Mögliche, nur eines ist es nicht: Es ist keine Verfassunggebung. Es gibt keine
grundlegend neuen Entwürfe, und es gibt schon gar keine großen Würfe. Wir
haben, wie schon gesagt worden ist, Material für die Renovierung unserer
Verfassung – eines schönen Altbaus – gesammelt, wir haben mit dem Endbericht
einen wirklich wertvollen Steinbruch für B-VG-Novellen vor uns. Aber es ist ein
Umbauprojekt geblieben, weil im Grunde allen Beteuerungen zum Trotz, die wir
auch heute wieder gehört haben, niemand eine neue Verfassung will.
Wenn man Politiker nicht nach ihren Worten beurteilt,
sondern nach ihren Taten, dann ist erstaunlich, dass 18 Monate nach Beginn des
Konvents noch kein Gesamtentwurf vorlag. In der Phase 1919/1920 gab es in
kürzester Zeit zwanzig Entwürfe. Dass wir heute einen einzigen vor uns haben,
ist der Beharrlichkeit des Vorsitzenden zu verdanken, der ihn, wie heute schon
gesagt worden ist, in einer Art Geschäftsführung ohne Auftrag veranstaltet hat.
Ich möchte meinen Vorrednern in der Einschätzung beipflichten, dass der Entwurf
der Konventsarbeit insgesamt schmeichelt, weil er aus den Konventsergebnissen
das Beste gemacht hat. Das gilt vor allem in handwerklicher Hinsicht: Der
Entwurf fällt dort legistisch ab, wo er die Vorschläge der Ausschüsse eins zu
eins übernimmt.
Aber selbst wenn wir uns in diesem schmeichelhaften Spiegel
betrachten und selbst wenn wir ohne Vorbehalte anerkennen, dass es sich um eine
gute Kodifikationsleistung, um einen sehr respektablen
Wiederverlautbarungsentwurf handelt, müssen wir uns eines eingestehen. Es ist
keine Verfassung für das 21. Jahrhundert. Es fehlt an sachlicher Innovation, es
fehlt am Willen zur Reduktion, und es fehlt vor allem an Bürgernähe im
sprachlichen Bereich: Spätestens nach Lektüre des Artikels 16 Abs. 13 ist die
letzte Bürgerin eingeschlafen. Dass es strukturell und institutionell
weitgehend beim Alten geblieben ist, kann man selbstverständlich so oder so
bewerten. Ich will das hier auch gar nicht weiter kommentieren, sondern nur
eines festhalten: Inhaltliche Quantensprünge, die den Übergang zu einer neuen
Verfassung sachlich rechtfertigen würden, sehe ich keine. Im Jahre 1934 gab es
sie, heute gibt es sie nicht.
Jedes Land hat bekanntlich die Verfassung, die es verdient.
Österreich hat eine Verfassung, die an ihren Rändern schlecht ist. Dieses
Problem können wir lösen, indem wir die Ergebnisse des Ausschusses 2 umsetzen.
Wir haben aber auch eine Verfassung, die im Kern gut ist. Diesen Kern, d.h. das
B-VG 1920, sollten wir stärken, statt ihn zu ruinieren.
Im erklärten Versuch, es abzuschaffen, haben wir das B-VG
1920 besser kennen gelernt und es teilweise auch besser verstehen gelernt.
Totgesagte leben bekanntlich länger. Das B-VG 1920 ist die älteste
republikanische Verfassung Europas, und es hat sich in unserem Kreis als ganz
erstaunlich vital erwiesen. Ad multos annos!
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka:
Danke vielmals für diese Wortmeldung.
Als nächste Dr. Claudia Kahr, Mitglied des
Verfassungsgerichthofes und Mitglied des Konvent-Präsidiums.
Dr. Claudia Kahr: Ich glaube mein Einstieg ist: 18 Monate sind
tatsächlich genug. Es war die Diskussion von Peter Kostelka im Raum: Depression
oder Euphorie. Ich persönlich stehe dazu: Ich bin euphorisch, wenn ich heute
hinausgehe und sagen kann, das Projekt Konvent ist für mich heute vorerst
einmal erledigt.
Ich habe
mich im Präsidium des Österreich-Konvents immer dafür eingesetzt, dass die
Arbeiten, die in allererster Linie in den einzelnen Ausschüssen geleistet
wurden, sozusagen "ins Ziel gebracht werden". In diesem Sinn schätze
ich den Fiedler-Entwurf ganz anders ein als meine Vorredner. Ich war größter
Sorge, aber ich hoffe, es wird sich nicht bewahrheiten, dass dieser
Fiedler-Entwurf, also der Entwurf des Vorsitzenden, letztlich dazu führt, dass
die Arbeiten des Konvents abgewertet werden. Weil in der Welt, in der wir
leben, ist es klar, dass jeder primär auf diesen neuen, wunderbaren
Fiedler-Text starrt, aber nicht mehr darauf schaut, was eigentlich in den
Ausschüssen passiert ist.
Und der
Fiedler-Entwurf basiert auf einer komfortablen Situation. Ich habe öffentlich
gesagt, ich halte es für eine respektable Leistung, insbesondere auch der
Mitarbeiter des Büros, aber es ist eben komfortabel, wenn man im Alleingang bei
Ungelöstem etwas autistisch niederschreibt und selbst den Konsens nicht suchen
muss, aber dort, wo der Konsens 18 Monate lang gesucht und gefunden wurde, das
einfach übernimmt. Das Niederschreiben ist einfacher als der politische
Prozess, der dazu führt, dass man eine Position erarbeitet, eine gemeinsame
Position findet und sie dann erst niederschreibt.
In diesem
Sinn halte ich den Fiedler-Entwurf zwar für ehrgeizig, mutig – es ist vieles
gesagt worden, er ist da und wird weiterhin da sein; aber für mich als Mitglied
des Präsidiums lege ich Wert darauf festzuhalten, dass in den Ausschüssen viel
verfassungspolitischer Änderungsbedarf geortet wurde, diskutiert wurde, wo muss
die Verfassung modernisiert werden, aber dann auch unterschiedliche Wege, wie
man die Modernisierung erreicht, aufgezeigt wurden, und dass im Bericht diese
Positionen dokumentiert sind. Das ist das Konventsergebnis, nicht der
Fiedler-Entwurf.
Persönlich
freue ich mich auf die Diskussion im Nationalrat, weil die Verfassung ist kein
Selbstzweck, die Verfassung schreibt gesellschaftspolitische Konsense nieder.
Und hinter jeder Position verbirgt sich eine politische Haltung, da kann man
sich, auch wenn man Experte ist, nicht darüber hinwegtäuschen: Gerade wenn es
darum geht, Neues zu schaffen, verbergen sich dahinter Haltungen.
Raschauer-Beispiel
Staatsaufgaben: Welche Rechte ich dem Bürger in dieser Republik Österreich
gegenüber dem Staat einräume und welche Rechte ich dem Staat gegenüber dem
Bürger einräume, das sind durchaus politisch, welt-, gesellschaftspolitisch
ganz unterschiedliche Sichtweisen, die sich dahinter verbergen. Und ich glaube,
man kann und man soll sich auch nicht über diese unterschiedliche Darstellung
der unterschiedlichen Positionen hinwegschummeln. Der Staatsbürger hat ein
Recht darauf, zu wissen, mit wem er es zu tun hat.
In diesem
Sinne hoffe ich auf eine lebhafte, transparente und inhaltlich wertvolle Diskussion
im Rahmen des Verfassungsausschusses. Und ich persönlich war immer
optimistisch, und bin es auch nach wie vor: Es sind so viele Ansätze, und es
ist so viel Material da, dass ich glaube, dass wir irgendwann, in absehbarer Zeit eine neue und kodifizierte
Verfassung haben werden.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Herzlichen Dank für diese Wortmeldung.
Als Nächster: Generalsekretär des Städtebundes,
Dipl.-Kfm. Erich Pramböck.
Dipl.-Kfm. Erich Pramböck‡: Geschätzter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Auch ich möchte mich zum Beginn meiner Ausführungen für die
geleistete Arbeit in den Ausschüssen, im Plenum, im Präsidium und auch im
Bereich des Österreich-Konvent-Büros bedanken, ich möchte mich aber auch
bedanken bei den Städten und Gemeinden, den Magistratsdirektoren, die in zwei
Arbeitsgruppen im Rahmen des Städtebundes sehr viel Input geleistet haben für
die Vorschläge, die wir als Städtebund eingebracht haben, und mein Dank geht
auch an die Mitarbeiter im Städtebund-Sekretariat selbst. Wir haben
versucht – und ich glaube, das ist gelungen –, eine aktive Rolle hier
mit einzunehmen.
Das, was schon gesagt wurde, ist auch der Eindruck von
uns – die umfassendste Verfassungsanalyse –, und wir haben eine gute
Chance, dass wir damit Verfassung weiterentwickeln, nämlich auch im Sinne einer
stärkeren Effizienz aus der Sicht der Gemeinden heraus, einer stärkeren
demokratischen Struktur und damit auch die Gemeinden und Städte in diesem
Jahrhundert zu einer Basis machen für die Bürger, in der sie sich wohl fühlen
und die Gemeinde entsprechende Leistungen effizient, bürgernah erbringen
kann – das ist das Ziel. Es war das Ziel all unserer Vorschläge und es
wird es auch sein, wenn es zu weiteren parlamentarischen Beratungen kommt, dass
wir in diesem Sinne unser Wissen und unsere Erfahrung und unsere Expertise mit
einbringen.
Ich möchte aber doch dazusagen, dass dem Gemeindebereich im
Verhältnis zu anderen Fragen in diesem Konvent doch relativ wenig Umfang und
Bedeutung beigemessen wurde. Vielleicht liegt es daran, dass wir eine relativ
moderne Gemeindeverfassung haben – aus 1962 –, das wäre das Eine,
aber auch vielleicht, weil der Gemeindebereich als unterste, wenngleich
bürgernächste Ebene, doch etwas geringer eingeschätzt wird in der
Bedeutung – ich kann es nicht genau sagen, ich stelle es fest. Ich hoffe,
dass wir in den künftigen Beratungen noch die Möglichkeit haben, das etwas
aufzuholen.
Einige Punkte in den Beratungen sind schon sehr
interessant, glaube ich, für die Entwicklung unseres Staatsganzen, etwa die
Frage der interkommunalen Zusammenarbeit. Hier wurde auch konsensual festgestellt,
dass Änderungsbedarf besteht, um effizienter, kostengünstiger bei
gleichzeitiger Bürgernähe agieren zu können. Allerdings müssen wir auch sagen,
dass eine stärker darüber hinaus gehende Diskussion über eine Neuordnung der
kommunalen Strukturen nicht stattgefunden hat. Manche werden hier auch sagen,
es wäre mehr drinnen gewesen, wenn man von einem grundsätzlich neuen
Verfassungsentwurf sprechen würde.
Und es hat sicherlich der Mut gefehlt, die tatsächlichen
Änderungen in der kommunalen Landschaft manchmal auch durch die Abbildung in
der Verfassung zur Kenntnis zu nehmen. Wir hören doch immer wieder, dass Städte
und Gemeinden – vor allem die größeren – die Motoren der Wirtschaft
sind, dass ihre Investitionen die Voraussetzung sind auch für private
Investitionen und dass sie gleichzeitig bei der Bürgernähe einfach ein großes
Maß an Effizienz haben.
Um diese ökonomische und demokratiepolitische
Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten, hätten wir uns allerdings schon
vorgestellt, dass einige Rahmenbedingungen noch geändert werden und adaptiert
werden. Mir geht es darum, dass die Städte über 10 000 Einwohner doch
etwas mehr Rechte bekommen, ganz einfach, weil sie leistungsfähig genug sind
für die Bürger und auch für die Wirtschaft und auch Funktionen der Bezirksverwaltungsbehörden
an sich ziehen können im Sinne einer möglichst raschen und flexiblen Leistung
im Rahmen ihres Gemeindegebietes. Leider fand diese Forderung keine
Zustimmung, wir würden sie aber nach wie vor einbringen in die Diskussion, weil
wir sie aus Effizienzgründen und Flexibilitätsgründen für eine ganz notwendige
und wichtige halten.
Dagegen finden wir auf der anderen Seite in diesem –
wenn ich nur kurz zum Fiedler-Entwurf sprechen kann – weitere Kontrollen,
die nicht so sehr in Richtung Effizienz gehen, wie wir das aus Gemeindesicht
sehen, sondern, wenn Städte und Gemeinden unter 20 000 Einwohner
nicht nur von den Ländern – von den Gemeindeabteilungen der Länder –,
sondern auch noch vom Rechnungshof geprüft werden sollen, dann ist das nicht
unbedingt von vornherein eine effizienzstärkende Maßnahme.
Und ein ganz wichtiger Punkt sind die finanziellen
Rahmenbedingungen für die Städte und Gemeinden. Im Konvent gab es zwar das
grundsätzliche Bekenntnis zur Gemeindeautonomie – das haben wir auch sonst
immer wieder –, wenn es aber um die Sicherung der nötigen Mittel geht und
einer Betrachtungsweise der Finanzierung von der Basis her, dann stellt sich
sehr rasch eine sehr geringe Diskussionsbasis ein. Die Forderung – wir
fanden uns hier auch im Einvernehmen mit den Ländern – nach einer echten
und durchsetzbaren Parität zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, wenn es um die
Finanzmittel-Ausstattung geht, da sind wir auf eine Gruppe der Zentralisten
gestoßen und wir sind hier sowohl im Österreich-Konvent im Ausschuss 10
als auch im Fiedler-Vorschlag mit Null konfrontiert, nämlich mit einem
Null-Ergebnis konfrontiert.
Ich glaube, wir müssen das deutlich sagen: Wollen wir die
finanzielle Basis der nachgeordneten Gebietskörperschaften – man könnte sie
auch vorgeordnete Gebietskörperschaften nennen, weil sie ja näher beim Bürger
sind – stärken und sichern, dann sollten wir hier ehrlich auch über die
Finanzfrage sprechen.
Es ist ja sogar so im Fiedler-Vorschlag, dass der
Stabilitätspakt, den wir bisher ausgehandelt haben auf freiwilliger Basis,
plötzlich in eine Form gekleidet würde, die dem Bund die Möglichkeit einräumt,
einseitig Sanktionen aufzuerlegen – und das, bitte, obwohl keine
Notwendigkeit dazu besteht: Die Gemeinden haben ihre Stabilitätsverpflichtungen
in den letzten Jahren immer erfüllt. Hier kann man doch nur von einem
überschießenden Zentralismus sprechen! Für einen kooperativen Bundesstaat ist
solch ein Vorschlag nicht wirklich akzeptabel und würdig. Nicht einmal für eine
Verhandlungspflicht in der Finanzverfassung hat es gereicht!
Meine Damen und Herren! Ich möchte sagen: Manchmal hat doch
der Mut sehr stark gefehlt, eine neue Struktur, die demokratiedurchflutet ist
und die auch effizienzdurchflutet ist, vorzunehmen und vorzuschlagen.
Vielleicht wird es uns eine weitere Runde in den parlamentarischen Beratungen
sehr wohl ermöglichen, dass wir eine solche Verfassung schaffen. Es gibt
natürlich sehr viele positive Ansätze – ich möchte die ausdrücklich
erwähnen: Die Frage der Daseinsvorsorge ist für die Gemeinden eine ganz
wichtige.
Wir sehen auch in zwei Vorschlägen auch im Fiedler-Entwurf,
die natürlich auch im Konvent beraten wurden, aber hier noch einmal jetzt
gewissermaßen akzentuiert sind, einen enormen Fortschritt, nämlich bei der
Flexibilisierung der Gemeindeverbände über Bezirksgrenzen hinaus, über
Landesgrenzen hinaus – ich halte das für sehr, sehr gut – und vor
allem bei den so genannten Verwaltungsvereinbarungen, wo Gemeinden, zwischen
Gemeinden, zwischen Ländern und Gemeinden, Städte mit dem Umland auch über
behördliche Angelegenheiten Vereinbarungen schließen können – das ist
sicherlich etwas, das effizient und effizient ist bei gleichzeitiger
Bürgernähe.
Ich möchte noch einmal kurz sagen: Die Zeit der letzten
18 Monate war zweifellos keine vertanene Zeit, ich möchte aber an alle
appellieren, die in Zukunft Beratungen durchführen, dass wir etwas noch
Zusätzliches an Mut einbringen. Ich glaube, es wird uns gelingen, auch die
Gemeinden als bürgernächste Ebene noch effizienter zu machen bei gleichzeitiger
Erhaltung der Bürgernähe. Und der Städtebund ist außerordentlich gerne bereit, nein, er
sieht es geradezu als eine Aufgabe an, daran mitzuwirken an einer solchen neuen
Regelung und Struktur, mit der wir ins neue Jahrzehnt oder in das neue
Jahrhundert auch hineingehen können. – Vielen herzlichen Dank.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka:
Danke vielmals für diese Wortmeldung,
Herr Generalsekretär.
Als Nächster der Präsident des Vorarlberger Landtages,
Präsident Gebhard Halder; ich darf ihn um seine Wortmeldung ersuchen.
Gebhard Halder: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Wenn man so eine Reihe von Wortmeldungen hört, nicht die
letzte, und eindringlich gesagt wird, wie hinderlich dezentrale Lösungen sind,
dann frage ich mich, warum wir nicht das Armenhaus Europas sind. Wir gehören zu
den reichsten Ländern in Europa und der Welt, und wir werden auch in Zukunft
dazu gehören. Auch wenn – oder vielleicht gerade – dezentrale Lösungen
Bestandteil einer österreichischen Verfassung sind.
Im Bericht – natürlich findet man viele Hinweise, dass eine
intensive Auseinandersetzung war und auch manches in manchen Bereichen Konsens
gefunden werden konnte, also im Bericht des Präsidiums. Ich glaube, man soll
diese Bemühungen auch nicht hinwegreden, das Gemeinsame stand doch in den
Beratungen sehr im Vordergrund. Wenn ich an den Konsens bei der Briefwahl
denke, bei einer Straffung des Verfassungstextes, Entschlackung des
Verfassungstextes bis zu der schon oft zitierten
Landesverwaltungsgerichtsbarkeit, oder auch einen guten Anstoß für eine
künftige Konsensfindung bei den Grundrechten.
Weniger glücklich bin ich und sind wir in Vorarlberg mit
dem Entwurf des Konventsvorsitzenden Dr. Fiedler. So weit natürlich im
Entwurf auf konsensuale Ergebnisse Bezug genommen wird, so waren das die
Ergebnisse der Beratungen, und das ist auch gut so, daran ist nichts
auszusetzen. Massive Einwände haben wir natürlich bei den Knackpunkten, wenn es
um die Kompetenzverteilung geht. Und hier bildet der Fiedler-Entwurf keine für
uns taugliche Diskussionsgrundlage. Sowohl die Zuordnung der Kompetenzen bei
der Mitwirkung der Länder in der Bundesgesetzgebung, aber auch in vielen
anderen Bereichen.
Der Entwurf spricht zwar davon im Artikel 3, dass es
selbständige Länder gibt im Bundesstaat und in der Bundesstaatsbildung, er
nimmt aber dann in den folgenden Artikeln dieses Versprechen nicht ernst. Zwei
Beispiele: In der Kompetenzverteilung werden so wichtige Angelegenheiten wie
das Gesundheitswesen, das Schulwesen, aber auch andere Synergiewesen, andere wichtige
Bereiche einfach dem Bund zugeordnet und es kann einfach nicht sein, wenn man
Politik mit dem Bürger und für die Bürger machen will, dass man nur glaubt,
zentrale Lösungen wären bessere Lösungen oder wären billigere Lösungen oder
wären näher beim Bürger.
Es kann für uns nicht sein, dass der Bund in den Ländern
vorgibt, welche Volksschule aufgemacht wird oder wahrscheinlich welche
geschlossen wird. Es kann auch nicht sein, dass der Bund allein sagt, welche
Spitäler aufgelassen werden und welche nicht. Also, hier wird es doch am
deutlichsten, dass solche Dinge zumindest gemeinsam gelöst werden müssen. Ein
Land, das seine Eigenständigkeit ernst nimmt, und die Verantwortung gegenüber
seinen Bürgerinnen und Bürgern auch ernst meint, hat einfach dafür Sorge zu
tragen, dass eine ordnungsgemäße Infrastruktur an öffentlichen Leistungen vor
Ort für die Bürger erreichbar ist und diese Verantwortung wollen wir uns vom
Bund nicht zur Gänze abnehmen lassen.
Wir haben zum Beispiel vor wenigen Tagen im zuständigen
Ausschuss unseres Landtages eine neue Vereinbarung über die Organisation und
Finanzierung des Gesundheitswesens beraten und angenommen und werden die
natürlich auch im Landtag kommende Woche beschließen. Diese Vereinbarung ist
eben Ausdruck, wie es partnerschaftlich möglich ist, Lösungen zu finden, und
wie es für Bund und Länder in einem Bundesstaat, der selbständige Länder in der
Verfassung hat – und auch Länderverfassungen –, möglich ist, diese Anliegen
ernst zu nehmen. Ich kann daher nicht von einem partnerschaftlichen
Verfassungsentwurf sprechen. Es ist jedenfalls davon wenig zu lesen. Dasselbe
gilt für den Stabilitätspakt, den man bisher eben in der Partnerschaft
ausgehandelt hat. Und wenn es heute nicht ging, dann eben morgen. Aber man war
sich bewusst, dass es notwendig ist, und wenn ein tiefes Bewusstsein im Bund
und in den Ländern vorhanden ist, dann findet man auch Lösungen, und zwar
miteinander und nicht gegeneinander.
Im Entwurf gibt es noch andere Kritikpunkte, die schwache
Stellung des Bundesrates wurde schon angesprochen, die Zentralisierung der
Gesetzgebung beim Bund, die Zentralisierung der Verwaltung, weil das zieht die
Zentralisierung der Verwaltung nach sich, wenn noch mehr Angelegenheiten direkt
in den Ministerien angesiedelt sind, sei es die Straßenpolizei, die
Umweltverträglichkeitsprüfung, eben die Schulverwaltung, die
Gesundheitsverwaltung, und eine Reihe von anderen Dingen, die aus dem
Fiedler-Entwurf herauszulesen sind. Es kann weder föderalistisch noch sparsam
sein – es ist eine Fehlmeinung, dass man sagt, es ist nicht alles neunmal
notwendig, wenn man es einmal regelt, dann ist es geregelt und daher billiger.
Der Vollzug muss trotzdem in den Ländern gemacht werden. Warum soll nicht eine
entsprechende Mitsprache in den Ländern vor Ort, wo man eben näher beim Bürger
ist, gewährleistet werden? Wir sagen nicht, warum nicht, sondern wir sagen, es
muss eine entsprechende Mitsprache gewährleistet werden.
Was jetzt noch in diesem Entwurf dann für Bundesländer
übrig geblieben ist, ist ein reiner Feigenblattföderalismus, hinter dem sich
nackter Zentralismus verbirgt, und das kann es nicht sein. Jedenfalls nicht mit
uns. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass man auch in diesem Entwurf von
einer verfehlten Annahme ausgegangen ist. Der Bund wird schließlich von den
selbständigen Ländern gebildet und aufgebaut und nicht umgekehrt. Die Länder
sind die Existenzgrundlage des Bundes. Der Bund wurde durch die Länder
begründet und man sollte die Existenz der Bundesländer auch in den Anfängen der
Bundesländer nicht lächerlich machen, sondern sie waren es ganz einfach, die
sich um einen gemeinsamen Bundesstaat bemüht haben.
Noch ein Punkt, wo ich glaube, wo ich widerlegen kann, dass
zentrale Lösungen nicht billiger sind: Der Vorschlag, der Bundesrechnungshof
möge alle Gemeinden prüfen, es wurde gerade vorher in der Wortmeldung
angesprochen. Ja, glauben Sie wirklich, meine Damen und Herren, wenn der
Bundesrechnungshof eine 150- oder 200-Seelen-Gemeinde in irgendeiner Talschaft
kontrolliert, dass das billiger sein kann, als wenn ich den Landesrechnungshof
hin schicke, wenn ich es für notwendig erachte? Oder glauben Sie wirklich, die
Vertreter der Bundesländer oder des Nationalrates oder die Experten, die da
sitzen, man will die Landesrechnungshöfe abschaffen, weil es zentral besser ist
und billiger ist? Trotz des Bundesrechnungshofes wurden die Landesrechnungshöfe
eingerichtet. Und dort kann der Bundesrechnungshof gar nie so viel finden wie
die Kontrolle allein kostet. Also, das allein ist schon der Beweis, dass zentrale
Lösungen nicht billiger sind. Und wir glauben, dezentrale sind besser,
billiger, und für die Bürger auch verständlicher.
Gerade im Jubiläumsjahr 2005 möchte ich an die historischen
Vorgänge erinnern, das Werden der Republik war auf die Bundesländer angewiesen.
Und ich glaube, gerade im Jubiläumsjahr kann Selbständigkeit und
Eigenständigkeit der Bundesländer nicht aufs Spiel gesetzt werden. Im
Jubiläumsjahr und darüber hinaus kann und darf es nicht das Länderopfer auf dem
Zentralismustisch geben. – Danke schön.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals für diese Wortmeldung.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist der DDr. Lengheimer. Ich
darf ihn um seine Wortmeldung ersuchen.
DDr. Karl Lengheimer: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen
und Herren!
Ich bin mir meiner schwierigen Rolle bewusst, zu
fortgeschrittener Stunde und bei einem etwas schon weniger gewordenen
Auditorium Dinge zu wiederholen, die vielleicht auch schon in der einen oder
anderen Facette gesagt wurden. Ich halte es aber dennoch für notwendig als
Mitglied dieses Konvents, auch im Plenum zur Abschlussdiskussion Stellung zu
nehmen und mir, dem Konventsplenum und natürlich auch der Körperschaft, die
mich entsendet hat, Rechenschaft zu geben.
Ich möchte diese Rechenschaft in zweifacher Hinsicht geben:
Einerseits in der Hinsicht, inwieweit das Ergebnis des Konvents mit den
Erwartungen überein stimmt, die ich gesetzt habe oder mir setzen durfte, und
zweitens: Was erwarte ich mir persönlich, was mit diesen Ergebnissen weiter
geschieht oder geschehen soll?
Zum Ersten: Ich möchte einmal klar stellen, dass mich manche
in der Öffentlichkeit oder auch vielleicht hier gemachten Äußerungen überrascht
haben, die da finden, der Konvent hätte eigentlich nicht genug erreicht oder
mehr erreichen sollen.
Ich frage mich schon: Hat jemand erwartet, dass die sehr
unterschiedlichen politischen Standpunkte in Verfassungsfragen eineinhalb Jahre
nach Eröffnung des Konvents und 300 Sitzungen der Ausschüsse später reduziert
oder auf null oder zu einer Vereinbarung gebracht werden könnten? Hat das
wirklich jemand erwartet? Ich denke, nicht einmal, wenn man mit Engelszungen
hier gesprochen hätte, wäre das möglich gewesen.
War nicht auch bei der Gründung des Konvents klar, dass die
derzeitige Bundesregierung sich nicht auf eine Verfassung gebende Mehrheit im
Nationalrat stützen kann? Wenn man das als Problem ansieht und sagt, so könne
eine Verfassung nicht zustande kommen, dann hätte man eigentlich diesen Konvent
nie einberufen dürfen.
War bei der Gründung des Konvents nicht klar, dass
Österreich ein Bundesstaat ist? Ich meine, auch in den Gründungsunterlagen wird
klar gesagt, dass vom Bundesstaat auszugehen sein wird, und daher müsste wohl
auch klar sein, dass die Verfassung und auch die neue Verfassung letztlich nur
auf einem Konsens zwischen dem Bund und den Ländern bestehen kann.
War schließlich und endlich nicht auch bewusst, dass ein
neues Verfassungsrecht oder die Fortschreibung des bestehenden, also die
Weiterentwicklung, letztlich nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommen kann
und dass jede Formulierung einer Conditio sine qua non Bedingung, also jede
Festlegung, vom eigenen Standpunkt unter keinen Umständen abgehen zu wollen,
eigentlich das Ende des Konvents bedeutet, bevor er überhaupt noch begonnen
hat?
Meine Damen und Herren! Unter dieser Voraussetzung kann ich
vom Ergebnis des Konvents eigentlich nicht enttäuscht sein, sondern höchstens
von der einen oder anderen Betrachtungsweise.
Freilich, ich sage auch ganz ehrlich, ich hätte mir mehr
erwartet beim Weg, den dieser Konvent gegangen ist. Ich hätte mir erwartet und
erhofft, dass die politischen Gespräche im Präsidium, die Konsensfindung auf
Grund der Ergebnisse der Arbeitsausschüsse, – und der Herr Volksanwalt Kostelka
hat heute in seiner Wortmeldung ja darauf hingewiesen, dass es letztlich auch
eines politischen Konsensfindens, eines politischen Abtausches bedarf –, dass das während der Konventstage schon
effizienter und mit mehr Druck passiert wäre.
Warum war das nicht möglich? Diese Frage, glaube ich,
sollten wir uns heute auch stellen. Die kurze Zeit von eineinhalb Jahren hätte
vielleicht auch erfordert, dass man schon früher, ein halbes Jahr vor Ende des
Konvents auf Grund der Arbeitsergebnisse von einem Entwurf ausgeht und diesen
Entwurf dann in den Arbeitsausschüssen eben noch einmal diskutieren kann, um
sich damit zu befassen, wie er noch verbessert werden kann.
Anstatt dessen haben wir – und das muss ich kritisch
vermerken – das letzte halbe Jahr eigentlich dafür verwendet, in den meisten
Ausschüssen mit Ausnahme des Grundrechtsausschusses, der noch viel zu tun hatte,
eigentlich nur legistische Formulierungen nachzutragen, die auch jeder
legistische Dienst hätte machen können.
Ich glaube, dass wir, wenn wir die Zeit gehabt hätten, uns
auch mit einem Entwurf zu befassen, die heute auch sehr umstrittene Frage
hätten lösen können, ob nun der Entwurf des Herrn Präsidenten Fiedler wirklich
nur eine Einzelmeinung ist oder ob er doch ein guter, wenn auch nicht ganz
gelungener Versuch ist, die Konventsergebnisse der Arbeitsausschüsse
zusammenzufassen und diese Ergebnisse widerzuspiegeln.
Und damit bin ich bei der zweiten Frage meiner zweiten
Überlegung: Was erwarten wir oder wie soll es weiter gehen? Ich denke, wir
sollten keine völlig neue Verfassung erwarten, denn ich glaube, der Vorteil
oder das Dankenswerte am Entwurf des Präsidenten Fiedler ist, dass er
einerseits die Ergebnisse des Konvents versucht widerzuspiegeln, auf der
anderen Seite aber auch auf der bestehenden Verfassungssituation aufbaut.
Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden
nicht alles neu machen können, und es ist auch nicht sinnvoll, alles neu zu
machen. Hingegen sollten wir in einer neuen Verfassung auch die Möglichkeit
geben, auf neue gesellschaftliche, wirtschaftliche, auch politische,
außenpolitische Anforderungen reagieren zu können.
Und ich möchte das nur an zwei Beispielen kundtun. Ich
denke doch, dass wir bei der Kompetenzverteilung in einer Reihe von Dingen
dankenswerterweise im Ausschuss 5 Konsens gefunden haben: Was ist Sache des
Bundes? Was ist Sache der Länder? Aber es gibt eine Reihe von Dingen, die
müssen eben nach den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen immer
wieder angepasst werden, und eigentlich ist die Aufgabe des Konvents, nicht
alles endgültig für die nächsten 100 Jahre zuzuweisen, sondern einen Prozess zu
finden, eine prozessuale Vorgangsweise, um im Zusammenwirken von Bund und
Ländern diese Kompetenzverschiebungen, die notwendig sind – das ist keine Frage
– sowohl in die eine als auch in die andere Richtung durchzusetzen.
Ein zweites Beispiel, wo mir diese Dynamik, dieses
bewegliche System abgehen, das ist die viel zitierte und schwierige Frage des
Wahlrechtes. Ich vermag keine Lösung darin zu erkennen, das Wahlrecht mit 18
Jahren im Nationalrat festzuschreiben, bei den Ländern die Entscheidung den
Ländern zu geben und bei der Gemeinde das Wahlrecht mit 16 festzuschreiben. Wie
man das einem Jugendlichen erklärt, wenn Landtags- und Gemeinderatswahlen
zusammenfallen, das frage ich mich. Warum kann man nicht den Weg gehen, um zu
sagen:
Die Frage der Wahlrechtsherabsetzung ist letztlich eine
Frage vielleicht der gesellschaftlichen Entwicklung, vielleicht der politischen
Bildung, auch eine Frage aus der Sicht der Jugendlichen. Wir wissen, wie oft
wir in den letzten Jahren auch die bürgerlichrechtliche Grenze der
Großjährigkeit verschoben haben. Und warum kann die Verfassung nicht ein Modell
anbieten, dass es Bund, Ländern und Gemeinden möglich macht, diese Grenze ihren
Erfordernissen anzupassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Letztlich und zum
Schluss erlauben Sie mir eine klare Feststellung: Ich begehre, nicht Schuld
dran zu sein, als einfaches Konventsmitglied, wenn aus diesem Konvent nichts
herauskommt. Wenn nach all diesen Ergebnissen, die wir erzielt haben, moderne,
sozial bestimmte Grundrechte, ein neues Rechtsstaatsgebot, das auch im
Fiedler-Entwurf drinnen ist, ein verbesserter Rechtsschutz der Bürger durch
Landesgerichte – übrigens ein wichtiger föderaler Schritt –, wenn wir alles das
und vieles andere nicht mehr erreichen können, weil letztlich die mangelnde
Bereitschaft zum politischen Kompromiss in den Verhandlungen im Parlament das
verhindern sollte.
Ich meine, der Konvent und die Mitglieder des Konvents
dürfen begehren, daran nicht Schuld zu sein. – Danke.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka:
Herzlichen Dank für diese Wortmeldung,
Herr Dr. Lengheimer.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist der
Bürgermeister Bernd Vögerle. Ich darf ihn um seine Ausführungen ersuchen.
Bernd Vögerle: Herr Vorsitzender! Meine sehr geschätzten Damen
und Herren!
Ein herzliches Dankeschön
möchte ich an den Beginn stellen. Ein herzliches Dankeschön an alle jene, die
in diesen Monaten die Arbeit in den Ausschüssen ermöglicht haben, und ich
möchte hier vor allem und stellvertretend für alle als stellvertretender
Ausschussvorsitzender im Ausschuss 10 den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in
diesem Ausschuss meinen Dank aussprechen. Ich danke auch dafür, dass ich in
diesem Konvent mitarbeiten durfte.
Ich wurde zwischenzeitlich des
Öfteren gefragt: Wie wird es denn ausgehen? Was gibt es denn für Chancen? Und
ich habe immer als Antwort gegeben, ich gehe grundsätzlich nur zu
Verhandlungen, von denen ich überzeugt bin, dass etwas herauskommt. Ich bin
nicht einer, der Verhandlungen sucht, dazu habe ich zu viele Aufgaben, ich gehe
dorthin, wo ich mich einbringen kann, und wo etwas herauskommt. Und ich durfte
zweimal hier im Konvent den Bericht des Ausschusses 10 bringen in Vertretung
des seinerzeitigen Bundesministers Dr. Strasser, und ich habe mich sehr
gefreut, dass im Bericht des Konventes große Teile dieses Berichtes auch
übernommen wurden, weil ich auch dort versucht habe, wertfrei, vor allem
parteipolitikfrei, das darzustellen, was in diesem Ausschuss passiert ist.
Wobei ich mir schon bewusst bin, dass eine völlige parteifreie Bewertung fast
nie möglich ist. Was ich bei der Durchsicht des Berichtes festgestellt habe –
und ich habe ihn gelesen, und zwar in allen Teilen vorerst einmal, ohne den
Teil 4b, weil den hatte ich ja nicht – er enthält alle Positionen, er ist nicht
wertend, er stellt Konsens und Dissens dar.
Und dann, meine Damen und
Herren, dann kam der heute so oft zitierte Fiedler-Entwurf, und ich sage das
hier klar, offen und eindeutig, als einer der kein Jurist ist, und vor allem
kein Verfassungsjurist ist, und der es 19 Monate versucht hat, sich
einzubringen und zu diskutieren, und Meinungen zu bilden, auch eigene
Meinungen, und aus der Diskussion vielleicht eigene Meinungen auch zu ändern.
Ich bin ja einiges gewöhnt an Tischvorlagen bei meiner Arbeit, aber
Tischvorlagen kann man wenigstens im Nachhinein noch diskutieren. Wenn
allerdings nach Abschluss eines offiziellen Zeitraumes 298 Paragraphen
geliefert werden, wenn es dazu keine Erläuterungen gibt, wenn es dazu keine
Gegenüberstellungen gibt der einzelnen Positionen, wo sie her sind, ob sie
Konsens sind, ob sie Dissens sind, dann bedauere ich das deshalb, weil dieser
Entwurf, möglicherweise rechtzeitig eingebracht, nämlich spätestens drei Monate
vor Ende des ja vom Präsidium festgesetzten Endtermines, durchaus dazu führen
hätte können, dass man weitere Konsenspunkte gemeinsam in diesem Konvent
herausgearbeitet hätte.
Ich erwarte mir allerdings von
diesem Bericht – und da meine ich den gesamten und werte nicht einen Teil
anders als andere, meine Damen und Herren, ich bin nicht bereit als
Konventsmitglied, eine Beilage anders zu werten als andere, das wäre eine
Missachtung aller jener 71, die hier gearbeitet haben. Ich erwarte mir deshalb,
dass in einer neuen Verfassung – und hier sollte daran gearbeitet werden, weil
19 Monate intensive Arbeit nicht so spurlos vorbeigehen können, wie ich heute
wieder vernommen habe bei den anderen drei Anläufen, war es halt nicht. Ich
glaube, dieses Elaborat von mehr als 1 000 Seiten – weil es kommt ja heute
noch ein Paket dazu, wie wir wissen, wir werden uns ja alle noch finden in der
Beilage 5, nehme ich an –, dass in dieser neuen Verfassung einige
grundsätzliche Dinge berücksichtigt werden, zu denen es leider in manchen
Bereichen durchaus keinen Konsens gegeben hat.
Ich erwarte mir als Gemeindevertreter,
das, was wir gemeinsam mit den Ländern vom Bund eingefordert haben, nämlich die
Parität der Gebietskörperschaften. Ich nenne hier nur Zustandekommen,
Verlängerung, Ausgleich finanzwirtschaftlicher Regelungen beim Auslaufen. Ich
meine damit Finanzausgleich, Stabilitätspakt und Konsultationsmechanismus. Und
ich sage noch einmal sehr deutlich, ich habe das das letzte Mal auch gesagt:
Ich bin gegen Blockademöglichkeiten, aber ich bin für gleichberechtigte
Partnerschaften. Ich bin für das Verhandlungsgebot, ich bin für die
Verhandlungspflicht und ich erwarte mir, dass solche grundsätzlichen
Übereinkommen zwischen Gebietskörperschaften, die letztlich in einem föderalen
Staat die Grundvoraussetzung der Zufriedenheit sind, durch Abschluss eines
Paktums im Bereich aller dieser genannten drei großen Gruppen, erfolgt. Und
selbstverständlich, meine Damen und Herren, ist es so wie beim Konvent auch in
der Finanz, letztlich hat der Bundesgesetzgeber seine Entscheidungen zu
treffen, und dafür auch die Verantwortung zu übernehmen.
Ich erwarte mir von einer neuen
Verfassung die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern, nicht als
Sonntagsreden, sondern als klares Ziel. Arbeit und Einkommen müssen
übereinstimmen. Vereinbarkeit von Arbeit und Familie muss es geben.
Freizeitangebote, vor allem aber Aufstiegsmöglichkeiten auch in leitende
Dienstposten für Frauen müssen abgesichert sein. Und ich sage das deshalb sehr
einfach, meine Damen und Herren, weil ich im Gemeinderecht weiß, dass es
zwischen Frauen und Männern ganz einfach Gleichstellung gibt. Da gibt es kein
eigenes Schema für Frauen. Da gibt es gleichwertige Arbeit und dort gibt es bei
gleicher Qualifikation auch gleiche Aufstiegsmöglichkeiten. Und das erwarte ich
mir, dass es nicht nur im Gemeindebereich erfolgt, sondern im gesamten Bereich
dieses Staates.
Ich erwarte mir, dass die
Daseinsvorsorge rechtlich eindeutig und klar gesichert ist. Leider hat man sich
dafür, für ein Grundrecht, nicht entscheiden können. Entscheidend bei der
Daseinsvorsorge, meine Damen und Herren, ist, dass es erschwingliche sozial
verträgliche Preise ohne Gewinnabsicht geben kann, und dass letztlich jene
Organisation, nämlich die Gemeinde, die es am besten weiß, wie sie es
durchführt, auch entscheidet, wie sie es durchführt, frei von Zwängen, durchaus
partnerschaftlich in Modellen, die es ja gibt, aber frei von Zwängen und
rechtlich eindeutig abgesichert.
Und ich erwarte mir, wo es also
Konsens gibt, dass es weiterhin keinen Zweifel an der Einheitsgemeinde gibt,
dass weiterhin die Subsidiarität eine unbestrittene Sache bleibt. Und ich freue
mich persönlich, dass es bei der interkommunalen Zusammenarbeit Konsens auf
allen Ebenen und in allen Ausschüssen gegeben hat, weil ich meine, dass damit
einiges erreicht werden kann.
Und, meine sehr geschätzten
Damen und Herren, ich spreche mich gegen Verwaltungsmehraufwand durch eine neue
Verfassung aus. Ich sage eindeutig: zweifache Prüfung von Gemeinden genügt. Wir
brauchen keine dritte Instanz. Ich wehre mich dagegen deshalb, man kann auf der
einen Seite von den Gemeinden nicht Sparmaßnahmen und wenig Personal verlangen
und auf der anderen Seite dann so viel Prüfungen durchführen, dass man nur mehr
Personal für Prüfungen zur Verfügung stellen muss.
Und ich bin ein Fan von
Bürgerbeteiligung. Und ich habe derzeit gerade die Wiener Außenringautobahn in
meiner Gemeinde aufliegen. Und, meine Damen und Herren, wenn gleichzeitig drei
Bürger und Bürgerinnen kommen, um sie einzusehen, dann habe ich drei
Bedienstete, die da dort zu sitzen haben. Weil sonst nimmt nämlich einer etwas
mit. Sie glauben es gar nicht, da gibt es genug, die das tun. Da meine ich,
hier müssen wir ganz klar und deutlich zur Kenntnis nehmen, dass eine
ordentliche Bürgerbeteiligung in Österreich auch Geld kostet, dass man dazu Personal
braucht und nicht immer nur sagen: Was ist denn in den Gemeinden da draußen?
Wir sind die Bürgernächsten, wir sind demokratisch gewählt, uns kann der Bürger
alle fünf Jahre sagen, ob wir gut gearbeitet haben und schlecht. Geben wir in
der neuen Verfassung dieser demokratisch gewählten bürgernächsten
Gebietskörperschaft auch ihren Stellenwert. – Danke schön.
Stellvertretender
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka‡: Herzlichen Dank für diese Wortmeldung.
Als Nächster zu Wort gemeldet
ist Dr. Peter Bußjäger. – Bitte um die Wortmeldung!
Dr. Peter
Bußjäger: Sehr geehrter Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Natürlich ist der Konvent nicht
gescheitert. Es ist der so genannte Privatentwurf Fiedler, den man als
gescheitert bezeichnen kann. Natürlich kann man darüber reden, wie hoch das
prozentuelle Ausmaß des Konsenses ist, ob es bei 50, 60 oder 70 Prozent liegt.
Nur, was nützt es dem Hochspringer, der über zwei Meter will, wenn er locker
über 1,50 Meter kommt. Es sind die letzten Zentimeter, die das Schwierige sind
an der ganzen Sache.
Zur Kritik im Einzelnen. Es
wurde schon viel vorgebracht. Ich kann, was den Föderalismus betrifft, einfach
feststellen – ich glaube, das kann man schon wertfrei sagen – das, was hier
hinsichtlich des Bund-Länder-Verhältnisses im Entwurf enthalten ist, das ist
schon die Demontage des Föderalismus. Auch das kann man wertfrei sagen.
Es findet auch nicht, was
gelegentlich gesagt wurde, ein Vollzugsföderalismus statt. Es ist gar nichts,
was hier enthalten ist. Nämlich auch der Vollzug, das muss ja auch klar
hervorgehoben werden, im Gesundheitswesen, im Schulwesen, wird ausschließlich
verbundlicht. Da sehe ich auch letztlich keinerlei Ansatz, der in Richtung
einer Verbilligung der Verwaltung gehen sollte. Ganz abgesehen davon, dass es
selbst am letzten Tag des Konvents bisher nicht möglich war, zu wissen, wo denn
überhaupt die dreieinhalb Milliarden Einsparungen herkommen sollen. Ich habe
bis jetzt noch keine Auflistung gesehen.
Problematisch ist natürlich
auch beim Fiedler-Entwurf, dass er im Prinzip für den Bundesrat keine Lösung
hat. Es gibt ein Vermittlungsverfahren, allerdings im Bereich einer sehr
kleinen dritten Säule, wo man auch nicht so genau weiß, was überhaupt dort
hinein gehört. Letztlich kann der Bundesrat auch dort nur verzögern und nicht
wirklich an der Bundesgesetzgebung mitwirken.
Diese Demontage des Föderalismus
in diesem Entwurf überrascht mich in der Sache nicht. Es hätte mich allerdings
noch weniger überrascht, wenn es ein Entwurf am Beginn des Konvents gewesen
wäre. So erstaunt es aber doch, dass nach der Diskussion im Ausschuss 5, wo
auch ganz andere Modelle diskutiert wurden, wo auch die Mehrheitsverhältnisse
ganz anders tendierten, der Entwurf eine Variante bevorzugt, die von der
Minderheit eingebracht wurde, von einer ganz klaren Minderheit vertreten wurde.
Und dass der Entwurf diese Position noch einmal, wenn man dieses böse Wort des
Zentralismus so sagen soll, nochmals zentralisiert.
Von einer Konsensfindung, von
einem Versuch der Konsensfindung, ist hier nichts zu sehen. Das ist deswegen
erstaunlich, weil im Vorblatt des Entwurfes ausgeführt wird – und das zitiere
ich jetzt: „In jenen Bereichen, in denen ein Konsens nicht zu erzielen war,
fand in der Regel – natürlich es gibt keine Regel ohne Ausnahme – die
überwiegend vertretene Meinung Aufnahme in den Text, beziehungsweise wurde
jedenfalls auf einen im Konvent vorgemachten Vorschlag zurückgegriffen.
Bisweilen beruht der Text auch auf einem Mittelweg zwischen voneinander
abweichenden Ansichten, um auf diese Weise unterschiedliche Standpunkte so weit
als möglich anzunähern.“ Genau das macht der Entwurf nicht! Er unternimmt
überhaupt keinen Versuch, gegensätzliche Standpunkte einander anzunähern. Das
ist aus meiner Sicht, jetzt abgesehen von der föderalistischen Frage, mein
Hauptkritikpunkt an dem Entwurf.
Insgesamt würde ich aber die
gesamte Konventsarbeit, wie schon eingangs gesagt, positiv beurteilen. Ich
möchte diese meine letzte Wortmeldung in diesem Konvent auch mit einem Dank
abschließen. Ich habe sehr viele neue Leute kennen gelernt. Ich habe mit vielen
auch freundschaftliche Kontakte geschlossen. Das freut mich sehr. Es hat mich
auch sehr gefreut, diesem Gremium angehören zu dürfen. Ich habe es von Beginn
an, obwohl es mit einer enormen Arbeitsbelastung, aber wem sage ich das,
verbunden war, mit großer Freude gemacht und mit einem Danke an die Mitarbeiter
und die Ausschussmitglieder im Konvent möchte ich schließen. – Herzlichen Dank.
Stellvertretender
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka‡: Herzlichen
Dank für diese Wortmeldung. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Dr. Herbert
Haller, Mitglied des Verfassungsgerichtshofes.
Ich bitte ihn um seine
Ausführungen.
Dr.
Herbert Haller: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Hofrat Manfred Machhold,
ehemaliger Leiter einer Rechtsabteilung in Niederösterreich, hat einen
Gesamtentwurf der Verfassung schriftlich niedergelegt, gedruckt, er liegt vor.
Er ist zum Teil sehr sehr knapp und zum Teil sehr, sehr interessant,
revolutionär.
Präsident Fiedler hat es sich
versagt, einen revolutionären Privatentwurf zu machen. Er hat, aufbauend auf
den Ergebnissen des Konvents, einen Entwurf erstellt. Ich glaube, mit dem Bericht
ist vollkommen klar, was ist Altbestand, was ist konsentiert und was ist nicht
konsentiert. Darüber kann, glaube ich, keine Unklarheit bestehen. Ich glaube,
es war wohl auch wert, dass er sich dieser Aufgabe unterzogen hat, denn
erstmals liegen Zusammenhänge gegliedert und gleichsam bildhaft offen,
Wechselbezüge können überlegt werden.
Ich glaube auch, dass das ein
gutes und richtiges Ergebnis ist, denn die Verfassung hat ja nicht nur
Sachfragen, die wir analysiert haben, sondern auch politische und Machtfragen.
Da ist der richtige Ort das Parlament und nicht dieser Konvent. Dazu hat uns
auch letztlich das Mandat gefehlt. Ich glaube, man kann mit diesem Entwurf und
mit diesem Bericht sehr gut arbeiten. Ich würde sagen, Respekt und Dank an den
Vorsitzenden und das Präsidium.
Zur parlamentarischen Arbeit,
die jetzt folgen soll und wird und muss, würde ich mich nur kurz noch dem
Vorschlag von Präsident Jabloner anschließen. Es ist wirklich überlegenswert,
nicht endlos auf eine Gesamtverfassung zu warten, sondern dort, wo man Konsens
erzielen kann, eine große Verfassungsnovelle zu versuchen. Wenn die
Landesverwaltungsgerichtsbarkeit weitestgehend oder ganz konsentiert ist und
man bei der Staatsanwaltschaft Konsens hat und bei den Rechtsschutzbeauftragten
im Wesentlichen, wenn der Menschenrechtsbeirat wichtig ist und die
Normenbeschwerde zwar nicht das ist, was alle wünschen, aber doch die Basis
inbegriffen ist in den weiteren Wünschen, könnte ich mir eine größere
Rechtsschutznovelle durchaus vorstellen.
Auch von der Überlegung her,
dass ein Gesamtumbau plötzliche, ganz hohe Umstellungskosten macht und, vor
allem, die Rechtssicherheit in vielen Bereichen etwas heikel zu sehen ist. Also
besser Schritt für Schritt. Das macht man ja vielfach im Leben.
Zur parlamentarischen Arbeit
auch noch ein Wunsch: Im Ausschuss 9, wenn eine Vielzahl von 133
Ziffer-4-Behörden in eine Landesverwaltungsgerichtsbarkeit eingegliedert werden
soll, können Sie sich vorstellen, dass es vor den Kulissen und hinter den
Kulissen Gespräche gibt mit UFS und Vergabeamt, den UVS und mit allen möglichen
Institutionen oder mit Mitgliedern dieser Institutionen, die meinen, dass die
sie offiziell vertretenden Präsidenten nicht genau das sagen, was dienlich wäre
und Ähnliches mehr.
Aber um dieses Österreichbild
zurecht zu rücken, ich habe keine einzige Intervention erlebt, es gab keine
Intervention. Es gab Bitten um Information. Es gab Information, die man mir
gegeben hat. Es gab Interessen, die dargelegt worden sind. Aber es ist das
Gemeinsame stets über die Einzelinteressen gestellt worden. Viele haben gesagt,
ja, wenn der Ausschuss meint, dass wir da aufgehen sollen und ein Ende unserer
Institution, okay, dann kann und soll das so sein.
Ähnlich muss ich sagen, ob
Rechtsanwälte oder Staatsanwälte, Sie haben hervorragend plädiert im
Einzelfall. Aber sie haben nie in irgendeiner Weise Unsachliches vorgebracht
und haben auch den Argumenten der anderen entsprechende Beachtung gegeben.
Ebenso seitens der Richterschaft, Präsident Rzeszut, die vier Präsidenten der
Oberlandesgerichte haben sachbezogen für den Rechtsstaat gesprochen. Keine
Regel ohne Ausnahme: Die Editorials in der Richterzeitung haben meiner Ansicht
nach das Sachliche vielfach vermissen lassen. Aber insgesamt war es für mich
ein sehr, sehr schönes Bild einer Gemeinsamkeit.
Ich wünsche gutes Gelingen. –
Danke schön.
Stellvertretender
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka‡: Danke vielmals.
Die nächste Wortmeldung stammt
vom Präsidenten des Salzburger Landtages, MMag. Michael Neureiter. Ich bitte um
die Ausführungen.
MMag. Michael Neureiter: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident Jabloner hat heute eine Glosse in einer österreichischen Tageszeitung angesprochen, die nicht rhetorisch – rhetorisch hat die Frage ja später dann der Herr Prof. Brauneder gestellt – gefragt hat, wer braucht die Länder? Präsident Jabloner war so lieb und hat sogar den Kernsatz aus dieser Glosse auch zitiert, nämlich, dass der Föderalismus ein Krebsgeschwür sei. So weit die Berichterstattung über ein heutiges Medium.
Ich möchte mich zuerst bedanken, bevor ich auf das Bild des Konvents in der Öffentlichkeit komme, bedanken nach acht Monaten der Zugehörigkeit für die Ergebnisse insbesondere des Ausschusses 3, dem ich zugehören durfte. Kollege Lengheimer hat schon die Problematik beim Wahlalter angesprochen. Ich danke trotzdem auch für den leichten Durchbruch bei der Briefwahl und bedanke mich noch nicht dafür, dass zum E-Voting noch immer keine Vorkehrung in Vorbereitung ist.
Ich bedanke mich für die Gesprächsmöglichkeiten mit hochrangigen Experten und für das lebendige Miteinander. Ich bedanke mich für die von der Konventsarbeit ausgelösten Stellungnahmen der Länder. Es ist nicht unbeachtlich, dass am 19. Jänner alle neun Länder sich verständigt haben auf diese Stellungnahme zur Kompetenzverteilung, und ich bedanke mich auch für das hohe Niveau bei dem heutigen Zusammensein.
Das hohe Niveau, das etwas konterkariert wird durch das, was im öffentlichen Bild dieses Österreich-Konvents entstanden ist und herbei geschrieben wurde. Ich gehe davon aus, dass nicht der heutige Bericht im ORF das Bild des Konvents wesentlich auf Dauer prägen wird, sondern dass die vielen Untergriffe der letzten Wochen, Monate und Jahre entscheidend sein werden. Die laufende Berichterstattung und das laufende Heruntermachen der Arbeit der vielen werden entscheidend sein, so fürchte ich, und es ist leider so, dass das Bild des Konvents auch durch die vielen puzzleartigen Stellungnahmen von jedem von uns zustande kommt.
Ich habe deswegen sechs Wünsche vorbereitet. Ich wünsche den Beteiligten und den Berichterstattern, dass sie das weitersagen, was heute fast durchgehend und durchwegs positiv an Urteilen auf den Tisch gelegt wurde. Es ist ganz interessant, dass man gestern in der Zeitung von dem gleichen, der heute von einem Quantensprung spricht, das Scheitern lesen konnte, und so weiter. Es gab sehr viele positive Stellungnahmen. Ich bitte um das Weitersagen dieser.
Ich bitte zweitens den Wunsch äußern zu dürfen, dass die Scheiternherbeischreiber sich zuerst informieren und dann erst polemisieren.
Ich wünsche mir drittens, dass die Schuldzuschreiber auch der Versuchung der Kamera und der Versuchung des Mikrophons einmal widerstreben und widerstehen können.
Ich wünsche viertens, dass die Föderalismusangstverbreiter sich damit abfinden, dass die Gemeinden und die Länder den Bürgern näher sind.
Mein fünfter Wunsch trifft die Das-Ende-der-Republik-Befürchter, sie sind heute nicht mehr unter uns, die gemeint haben, das Ende der Republik sei gekommen, weil es eine Mitwirkung der Länder bei sie betreffenden Vorkehrungen in Finanzangelegenheiten geben soll,
und ich wünsche sechstens dem Parlament, der Konvent hat ja seine Schuldigkeit getan und das Parlament, der Nationalrat ist am Zug, seine Stunde ist jetzt gekommen, Ehrlichkeit und Mut.
Ich wünsche Ihnen, dass das, was Paulus im ersten Thessalonicher-Brief – ich habe das Zitat schon einmal gebracht – geschrieben hat, auch für Sie gelte. Paulus schreibt: „Prüft alles, das Gute behaltet.“ Ich wünsche dem Nationalrat, dass er alles prüft und das Machbare, das Bürgernahe, das Menschenwürdige auch realisieren kann. – Herzlichen Dank.
Stellvertretender
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka‡: Herzlichen Dank für diese Wortmeldung.
Als nächste Wortmeldung liegt
mir jene von Dr. Evelin Lichtenberger vor, die seit Beginn des Konvents vom
Nationalrat in das Europäische Parlament gewechselt ist. – Bitte, Frau
Abgeordnete.
Dr.
Evelin Lichtenberger: Ich hatte ja die Ehre, nun schon dem zweiten Konvent
anzugehören, zuerst dem Europäischen, dann dem Österreichischen. Die Stimmung
am Abschluss der Konventsberatungen ist äußerst unterschiedlich. Während bei
dem Europäischen Konvent eine große Erleichterung, dass man schlussendlich doch
in einen Konsens über weite Teile gekommen war, dominierte, ist das hier nicht
in diesem Ausmaß der Fall, denn wenn auch von vielen beschworen wurde, dass man
sich in so vielen Dingen gefunden habe, gibt es genügend Beispiele, die
aufzeigen, dass klare Konsense einfach nur in zirka einem Viertel der Fälle da
sind. Und das ist die Basis der Weiterarbeit für den Verfassungsausschuss. Da
nützt auch der Fiedler-Entwurf in diesem Zusammenhang wenig, weil er gerade viele
der gefundenen Konsense eben nicht aufgreift und dort versucht einen „Konsens“
herzustellen, wo er nicht vorliegt.
Für mich gilt, dass die Basis
der Weiterarbeit im Verfassungsausschuss natürlich das Arbeitsergebnis des
Konvents ist und das ganz klar für die weiteren Beratungen zur Verfügung steht
und zur Verfügung gestellt werden soll.
Bei der heutigen Sitzung habe
ich mich auch sehr gefreut über Wortmeldungen von Menschen, die ich in den
Ausschüssen, wo heftig gearbeitet wurde, nur vom Namensschild gekannt habe. Das
ergänzt mein Bild über die Gesamtheit des Meinungsspektrums etwas, und ich
möchte aber noch ein bisschen beispielhaft auf einige Bereiche eingehen, die
für mich sehr zentral waren, die für uns als Grüne sehr zentral waren, aber
nicht nur für uns als Grüne, sondern wo sich diese Haltungen auch bei anderen
sehr deutlich gezeigt haben, dass sie mitgetragen worden wären. Das bezieht
sich zu Fragen der direkten Demokratie, der Transparenz, der Bürger- und
Bürgerinnen-Beteiligung in allererster Linie und dann komme ich noch zu
allgemeinen Bemerkungen.
Eine der zentralen Fragen, und
ich habe das ein bisschen auch aus der Stimmung des Europäischen Konvents
mitgenommen, war die Frage der Transparenz. Wir haben im Ausschuss des Langen
und des Breiten und sehr intensiv und auch sehr genau darüber beraten, wie etwa
eine Beseitigung eines wirklich überlebten österreichischen Prinzips ausschauen
könnte, nämlich das der Amtsverschwiegenheit. Dies zu ersetzen durch ein Recht
auf Auskunft war für mich eine zentrale Anforderung der Modernisierung, wo die
Ängste vor den Bürgerinnen und Bürgern endlich abgelegt werden können und
Zugang zu zentralen Fragen für die Bürgerinnen und Bürger, für die so genannten
Normunterworfenen einfach möglich geworden wären. Es ging lang ein breiter
Konsens dahin, nur dann kamen halt schon wieder durch die Hintertüre die
Einschränkungen in einem Ausmaß, so dass das Recht auf Auskunft letzten Endes
ein Papiertiger geworden wäre. Das ist leider symbolisch für einiges, wie es in
diesen Beratungen sich gezeigt hat.
Der zweite Punkt in Ergänzung
dazu. Zentral und richtig und wichtig wäre gerade dieses Recht auf Auskunft
gewesen für all die ausgelagerten Bereiche. Wir kennen heute alle den Trend zur
Auslagerung, und damit auch zum Entzug von bestimmten demokratischen
Kontrollmechanismen gegenüber öffentlichem Handeln. Hier war kein Konsens zu
finden. Der Kreis jener Institutionen, die der Auskunftspflicht unterworfen werden
sollten, schränkte sich leider leider mehr und mehr ein, sodass ein Rumpfrecht
entstanden wäre und dieser Rumpf war ein sehr magerer. Also, insofern ist diese
Tendenz negativ zu sehen, wenn die öffentliche Hand auslagert, dann muss die
demokratische Kontrolle, dann muss die öffentliche Kontrolle, muss die
Kontrolle der Bürgerinnen und Bürger erhalten und gestärkt werden, um nicht
Demokratieverlust hinnehmen zu müssen und das kann ja wohl eine neue Verfassung
in Österreich nicht bedeuten.
Im gleichen Ausmaß ging es etwa
auch zu bei den demokratischen Instrumenten, bei den direkt demokratischen
Instrumenten, die wir auch sehr intensiv beraten haben, wo wir zwar jetzt in
der Rede wieder die Anliegen der Freiheitlichen Partei gehört haben, die aber
in diesem Sinne im Ausschuss nicht artikuliert worden waren, also nicht
sozusagen als Vorschläge präsent waren, aber die Ausweitungsmöglichkeiten, die
wir uns gewünscht hätten und die auch ein moderner demokratischer Standard
wären, etwa auf Ausweitung der Möglichkeiten des Einsatzes von direkt
demokratischen Instrumenten auf Vorhaben der Europäischen Union, auf
Verordnungen und individuelle Verwaltungsakte, wäre ein Schritt in die
Modernität gewesen, der leider nicht erfolgt ist.
Dies betrifft natürlich auch gerade,
auch und gerade Fragen des Umweltschutzes. Hier wurde ein kleiner und wichtiger
Fortschritt erzielt, trotzdem war generell keine echte Bereitschaft da zur
Erweiterung der Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger in Sachen
Partizipation, etwa entsprechend der Aarhus-Konvention, die Österreich ja
ratifiziert hat. Hier gab es die Bereitschaft nicht und diese wäre aber einem
modernen Partizipationsverständnis, auch einem modernen Transparenzgebot sehr
wichtig und entsprechend gewesen, hier muss ich sagen, habe ich das
schlechteste Gefühl, wenn ich an die Arbeit des Konvents zurückdenke. Denn auch
und leider sind im Präsidium viele Dinge, wo man etwa einen Konsens hätte
erzielen können, nicht weiter beraten worden, wie etwa die Verstärkung des
Umweltschutzes in Richtung einer Staatszielnachhaltigkeit oder etwa der Schutz
der öffentlichen Wasserressourcen oder etwa Garantien für die
Rechtsdurchsetzungen. Hier hätte ich mir vorstellen können, dass, wenn im
Präsidium die Anliegen des Umweltschutzes wirklich ernst genommen worden wären,
man zu einer Einigung gekommen wäre, nur das wurde leider nicht aufgegriffen.
Ich komme nun zu einigen
allgemeinen Bemerkungen, die zu denen mich Herr Präsident Khol provoziert hat,
er konnte es nicht lassen, leider, das war der einzige, der einzige
parteipolitische Angriff in dem ganzen Tag, musste natürlich wieder sozusagen
gegen die Grünen losschießen, im Zusammenhang mit der Frage Südtirol und der
Präambel. Und hier muss der Wahrheit einfach die Ehre gegeben werden. Bei der Debatte
um die Verankerung der Schutzfunktion ging es um die Frage, ob es eine Präambel
geben würde oder nicht, und zweitens es ging nicht nur um Südtirol, es ging
genauso um die Altösterreicher. Hier muss komplettiert werden, damit die
Haltung der Grünen auch nachvollziehbar und verständlich wird.
Denn zu diesem Zeitpunkt der
Beratungen war eines klar, eine Präambel sollte sowohl Staatsziele als auch
Grundrechte ersetzen und war deswegen für uns nicht akzeptabel. Und in diesem
Zusammenhang zu sagen, wir benützen Südtirol zur Durchsetzung einer Präambel in
unserem Sinn, ist kein Weg des Umganges mit dem politischen Partner, vor allem
nicht im Kontext mit einer Konventsform, wo es doch eigentlich darum geht,
gemeinsam Lösungen für bestehende Probleme zu suchen. Ideologeme zu kreieren,
wo sachliche Lösungen gefordert sind, ist in einigen Ansätzen immer wieder
geschehen, konnte aber in den Ausschussberatungen sehr, sehr oft zurückgewiesen
werden und auch auf das sachlich Notwendige und Richtige reduziert werden. Leider
nicht immer. Hier muss ich diesen Angriff wirklich zurückweisen. Wir haben als
Grüne immer den Konsens, den Vierparteienkonsens zur Schutzfunktion Österreichs
gegenüber Südtirol aufrechterhalten, mitgetragen und auch aktiv betrieben. Und
dies jetzt uns öffentlich unterstellen zu wollen, nur weil es keinen Konsens
über eine Präambel gab, das muss ich strengstens zurückweisen, das war
eigentlich ein negativer Punkt in den heutigen Beratungen, den ich mir in
diesem Ausmaß nicht erwartet hätte.
Wie wird es jetzt weitergehen?
Die Unterlagen, Ergebnisse werden nun den Weg in den Verfassungsausschuss gehen
und es wird dort nicht leichter werden, denn dort werden die
Konsensbereitschaften nicht unbedingt steigen. Das kenne ich aus dem
parlamentarischen Alltag. Trotzdem wünsche ich mir, dass das Bestmögliche mit
diesen hart erarbeiteten Unterlagen geschehen möge, denn das, was viele
Expertinnen und Experten, die viel Zeit aufgewendet haben, hier beigetragen
haben, soll nicht in den Aktenschränken verstauben und verschwinden. – Ich
danke Ihnen.
Stellvertretender Vorsitzender des
Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals für diese Wortmeldung.
Als
Nächster der Präsident des Österreichischen Gemeindebundes Helmut Mödlhammer. –
Bitte um die Ausführungen.
Helmut
Mödlhammer: Danke, Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren!
Die Vertreter der Gemeinden
haben gelernt und sind es gewöhnt hart zu arbeiten, Sachprobleme anzugehen,
aber auch Geduld zu üben und geduldig zuzuhören. Das haben wir heute wieder
bewiesen, weil der erste Vertreter der Gemeinden an 33. Stelle der Rednerliste
gesetzt wurde und der Gemeindebund nach wie vor mit seinen zwei Vertretern
vollzählig in diesem Plenum anwesend ist. Ich muss das auch sagen, wir haben
aber auch gelernt natürlich, niemals zu resignieren. Und dass sich daran nichts
ändern wird, haben wir also auch zu Beginn des Konvents natürlich rasch
feststellen müssen, warum sollte sich auch so rasch etwas ändern. Auch wenn in
so mancher Gemeindestube ein Schild hängt, Unmögliches wird sofort erledigt,
Wunder dauern etwas länger, so sind die Wunder in der Politik sehr sehr selten.
Und es wäre ein Wunder gewesen,
wenn bei diesem Konvent alle Wünsche der Gemeinden natürlich erfüllt worden
wären. Nämlich wir haben das einmal schon durchgemacht, der Weg bis zu unserer
Gemeindeverfassungsnovelle im Jahr 1962 war ebenfalls lang und steinig, er hat
insgesamt rund 10 Jahre lange Diskussionen benötigt, um zu einem Ergebnis zu
kommen. Ich hoffe doch, dass dieser Konvent nicht so lange dauern wird, um
Ergebnisse zu bringen. Wir sind also gewohnt, hier geduldig zu arbeiten.
Meine Damen und Herren! Ich
habe zu Beginn des Konvents fünf Ziele für die Gemeinden formuliert. Erstens:
eine rechtliche, politische und wirtschaftliche Absicherung der bürgernächsten
Gebietskörperschaft, nämlich der Einheitsgemeinde, und zwar von der
Kleinstgemeinde bis zur großen Stadtgemeinde. Zweitens: eine neue und besser
ausgeprägte Partnerschaft mit den übergeordneten Gebietskörperschaften, in der
die Gemeinden nicht als fünftes Rad, sondern als gleichberechtigte Partner auch
anerkannt werden. Drittens: eine Bereinigung des Kompetenz- und
Aufgabendschungels mit einer klaren Zuordnung der Aufgaben, aber auch der
Finanzierungsverantwortung. Und die Frau Bundesministerin Gehrer hat heute ein
aktuelles Beispiel gebracht, Kinderbetreuung. Auch hier wird es gut tun, wenn
man die Kompetenzen klar regelt, aber auch die wirtschaftliche und finanzielle
Zuteilung klar regelt. Viertens: wir haben verlangt, mehr Mitwirkung und
Mitsprache der Gemeinden bei der Gesetzgebung, auch das ist ein offener Punkt,
vieles wird in den gesetzgebenden Körperschaften beschlossen, ohne die
Auswirkungen auf die Gemeinden zu berücksichtigen. Und fünftens: wir haben
verlangt die Festlegung von Kernaufgaben, wie etwa die Bereiche der
Daseinsvorsorge für die Gemeinden. Und natürlich, meine Damen und Herren, gab
es einen umfangreichen Wunschkatalog darüber hinaus, der zwischen Städtebund
und Gemeindebund auch abgestimmt wurde, mit dem Ziel, dem Begriff Subsidiarität
Leben einzuhauchen.
Und wenn wir heute Bilanz
ziehen, so tun wir das zunächst einmal, wie wir es in den Gemeinden gewohnt
sind, mit Dankbarkeit. Ich danke namens des Gemeindebundes allen, die
Verständnis für die Anliegen der Gemeinden zeigen – und das sind,
erfreulicherweise muss ich das sagen, sehr, sehr viele –, ich danke den
Initiatoren des Konvents, den Vorsitzenden und dem Präsidium, den Expertinnen
und Experten, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auch meinen Freunden im
Gemeindebund, Bernd Vögerle, der im Ausschuss 10 maßgeblich verantwortlich war,
aber auch unseren Vertretern im Städtebund.
Und ich verhehle auch nicht,
dass trotz unterschiedlicher Auffassung wir Präsidenten Franz Fiedler ein
herzliches Dankeschön sagen und Respekt und Anerkennung zollen für die
geleistete Arbeit: Trotz der unterschiedlichen Bewertung, wie Sie heute
erfahren konnten, des vorliegenden Entwurfes zur österreichischen
Bundesverfassung, ist die Leistung außerordentlich. Die Lösungsansätze und die
Einbringung der Vorschläge sind gewaltig und sind, glaube ich, auch ein
Ausdruck des gemeinsamen Konsenses, der in mühevollen Stunden, Tagen und Wochen
erarbeitet wurde. Und er ist auch, glaube ich, geeignet, dass man auf diesem
Entwurf aufbauen kann für weitere Arbeit und für weitere Reformen.
Meine Damen und Herren! Bernd
Vögerle und Generalsekretär Pramböck haben bereits einige Punkte angeführt,
aber es finden sich wichtige Forderungen der Gemeinden im bisherigen
Konsenspapier wieder, wie etwa die Stärkung der Gemeindeautonomie – nämlich,
dass keine Grenzänderung in den Gemeinden erfolgen darf, ohne die Zustimmung
der Bürger einzuholen –, die demonstrative Aufzählung der wichtigen Aufgaben
des eigenen Wirkungsbereiches, die Aufnahme der Aufgaben der Daseinsvorsorge
und die Verbesserung der interkommunalen Zusammenarbeit.
Das sind einige positive
Beispiele, denen sicherlich auch negative Beispiele entgegenstehen – einige
wurden bereits auch erwähnt. Kritische Anmerkungen: Wahlrecht, wählen mit 16:
Wie soll ich einem Bürger wirklich erklären, der mit 16 Jahren zur Gemeindewahl
kommt und gleichzeitig bei der Landtagswahl, die gleichzeitig stattfindet, aber
ausgeschlossen ist? – Da tut man dem Bürger nichts Gutes! Ich glaube, es ist
hier notwendig, hier eine Änderung oder ein Umdenken herbeizuführen.
Zweiter Punkt, die überbordende
Mehrfach-Kontrolle – auch die wurde bereits erwähnt –: Wir scheuen in den
Gemeinden keine Kontrolle – ich sage das außerordentlich. Wir begrüßen jede
Kontrolle, nur muss sie sinnvoll sein, effizient sein und auch wirtschaftlich
vertretbar sein. Ob uns der Bundesrechnungshof prüft, die Landesrechnungshöfe
oder die Gemeindeabteilungen prüfen, ist uns im Grunde genommen egal, aber eine
Stelle sollte es sein, die effizient, wirtschaftlich vernünftig und bürgernahe
auch entsprechend prüft.
Dritter Punkt, der auch hier
sicherlich auf Kritik stößt – auch bereits erwähnt – Finanzverfassung: Wir
hätten uns mehr erwartet! Die Partnerschaft ist notwendig auch in der
Finanzverfassung, weil die Gemeinden auch Säulen dieser Partnerschaft sind, und
weil sie auch gewaltige wirtschaftliche Investoren sind. Ich möchte nur immer
wiederholen: Die Gemeinden investieren zwei Drittel des gesamten öffentlichen
Investitionsvolumens, und das in einem Umkreis von 50 Kilometern, das heißt,
sie sind die regionalen Wirtschaftsförderer und Arbeitsplatzsicherer! – Deshalb
hätten wir auch hier erwartet, dass man die finanzielle Absicherung
entsprechend auch festhält.
Trotzdem, meine Damen und
Herren, ist der Entwurf eine gute Arbeit, eine gute Basis zur Weiterarbeit aus
der Sicht der Gemeinden. Meine Damen und Herren! Die Haltung des
Österreichischen Gemeindebundes ist in der letzten Sitzung des
Österreich-Konvents durch die drei Buchstaben „F“, „G“ und „H“ bestimmt: „F“
wie Frust, „G“ wie Glaube und „H“ wie Hoffnung.
Natürlich gibt es Frust, wenn
nach 18 Monaten harter Arbeit von einem Scheitern des Konvents gesprochen wird,
und natürlich gibt es Frust, wenn nicht alle Ergebnisse sofort in einem
tragbaren Kompromiss zustandegekommen sind – vielleicht waren auch die
Hoffnungen und die Erwartungen zu hoch gesteckt.
Aber es gibt auch einen großen
Glauben, nämlich den Glauben daran, dass diese wertvolle Arbeit nicht in
irgendwelchen Schubladen, wie Kollegin Lichtenberger das gesagt hat, und
Ablagen verschwindet, sondern das Fundament für den weiteren Aufbau einer
modernen, zeitgemäßen Verfassung ist.
Und wir haben Hoffnung! Frau
Präsidentin Orthner hat hier gesagt und heute davon gesprochen, dass die
Verfassung ein Haus ist – sie hat also einen Vergleich mit einem Hausbau
angezogen. Und wir hoffen, dass es nicht bei der Bodenplatte oder bei den
Grundfesten bleibt, sondern dass darauf auch Mauern und Wände entstehen können
und gebaut werden, eine sinnvolle Raumeinteilung und Zimmerverteilung mit den
Kompetenzen stattfindet und Zimmer entstehen, wo sich die Bürgerinnen und
Bürger wohl fühlen, und dass ein gutes rot-weiß-rotes Dach darübergestülpt
wird, nämlich das Dach Österreich.
Der Österreichische
Gemeindebund und die österreichischen Gemeinden sind bereit, hier
mitzuarbeiten. – Ich danke vielmals.
Stellvertretender
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Peter Kostelka‡: Danke vielmals, Herr Präsident!
Als nächste Wortmeldung jene
von Frau Mag. Johanna Ettl.
Mag. Johanna Ettl: Sehr geehrte Damen und
Herren!
Es ist heute
in den Medien und auch hier sehr oft davon gesprochen worden: War dieser
Konvent ein Erfolg, war er kein Erfolg? – Ich würde eines festhalten
wollen: Dieser Konvent war sehr wichtig, wenn es unser aller gemeinsames
Anliegen war, dass wir in absehbarer Zeit zu einer neuen Verfassung für dieses
Land kommen.
Warum war
dieser Konvent so wichtig aus unserer Sicht? – Er war deshalb wichtig,
einerseits, weil es doch einige Konsenspunkte gegeben hat, er war aber
andererseits auch wichtig, weil mittlerweile für alle Beteiligten in allen
Lagern offen liegt, wo die Schmerzgrenzen der jeweils anderen Fraktion liegen.
Und ich hebe das deshalb so hervor: Ich bin eine relativ alte Sozialpartnerin,
ich bin gewohnt, in Sozialpartnerschaft zu leben, und diese Konsenskultur, die
uns auch immer wieder vorgeworfen wird – aber wir haben sie nur deshalb
geschaffen, weil wir die Schmerzgrenzen des Anderen kannten und sie respektiert
haben.
Und es ist
nicht zuletzt auch deshalb in diesem Konvent eines passiert: dass ein großer
Teil der Einigungen auf die Sozialpartner zurückzuführen war, nämlich dieser
Entwurf über die sozialen Grundrechte. – Der Herr Bundeskanzler hat heute
Vormittag gesagt, wir hätten sie mitgetragen. – Das stimmt nicht ganz! Wir
haben sie entworfen, ausverhandelt, eingebracht, und der Konvent hat sie
akzeptiert, sozusagen konsensual. Und ich glaube, deshalb muss und kann dieser
Konvent ganz wirklich ein Startpunkt sein für eine neue Verfassung.
Und ich
versuche jetzt noch ganz kurz – die Zeit ist fortgeschritten –,
sozusagen unsere Schmerzgrenzen als Arbeitnehmerorganisation im positiven wie
im negativen Sinn zu formulieren, was unsere Anliegen an eine neue Verfassung
betrifft: Für uns ist natürlich ganz wesentlich eines: dass das, was die
Sozialpartner hier ausgehandelt haben an sozialen Grundrechten, Einlass findet
in die neue Verfassung. Nicht nur das, sondern einiges plus:
Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Recht auf menschenwürdiges Wohnen und so
weiter und so fort – ich verbreitere mich nicht allzu sehr.
Als ich den
Entwurf von Präsident Fiedler gelesen habe, habe ich mir gedacht: Na toll, da
ist ja alles wortgleich drin, bis ich den Artikel 83 Absatz 2, glaube
ich, gelesen habe, wo so ungefähr drinsteht ein ordentlicher
Finanzierungsvorbehalt, und nur, wenn es aus wirtschaftspolitischen Gründen
angemessen ist. Da denke ich mir, da tickt dieses merkwürdige Ding in der
Himmelpfortgasse, dieser merkwürdige Schuldenabbau-Ticker, ja? – das ist
ja wirtschaftspolitisch offenbar momentan das Wichtigste –, und da ist es
dann vollkommen egal, ob jemand ein Grundrecht hat auf ein ordentliches
Gerichtsverfahren – das gilt nämlich für alle Grundrechte, das haben die
Wenigsten bemerkt – oder ein Grundrecht auf seine Existenz: Wenn der
Schulden-Ticker nicht ordentlich tickt, dann ist nichts mit Grundrecht!
So kann es nicht sein! Also, diesen Vorbehalt können wir wirklich nicht
akzeptieren.
Was wir auch
ziemlich bedauerlich gefunden haben, das ist die Tatsache, dass eigentlich nur
über relativ wenige Staatsziele Einigung gefunden wurde, ebenso wenig, wie
überhaupt, ob es überhaupt einen Staatsziel-Katalog geben soll.
Wenn ich mich
recht entsinne, hat ein relativ prominenter Vertreter dieses Konvents einmal zu
Beginn gesagt, das Ziel dieser Verfassungsreform sei, dass jeder Staatsbürger
irgendwie die neue Verfassung am Nachtkästchen liegen hat und nachlesen kann,
was sozusagen die Gemeinschaft bereit ist für ihn zu tun und was er für die
Gemeinschaft tun muss. Da wäre es in meinen Augen nicht unwichtig
gewesen, dass man sich über die Grundfesten dieses Staates einigt und einen
Staatsziel-Katalog entwickelt, damit der Bürger und die Bürgerin wissen, wofür
dieser Staat steht. Und ich denke, es wird wohl kaum jemand bestreiten, dass es
Aufgabe oder Ziel dieses Staates sein soll, nicht nur die wesentlichen
bürgerlichen Freiheiten zu garantieren, sondern auch die Voraussetzungen dafür
zu schaffen, dass alle Menschen in diesem Lande annähernd gleiche Chancen
haben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Daher war es
für uns schwer nachzuvollziehen, warum das Anliegen von Präsident Verzetnitsch
sozusagen keinen Konsens finden konnte, dass ein Staatsziel in dieser neuen Verfassung
Einlass finden sollte mit einem Bekenntnis zum Wohlfahrtsstaat mit einem hohen
Standard an sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit.
Oder warum hat beispielsweise
die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse, also die so genannte
Daseinsvorsorge, zwar grundsätzlich Konsens als Staatsziel gefunden, warum sind
aber manche zurückgeschreckt, sie genauer zu definieren als Leistungen, die aus
Gründen der Versorgungssicherheit, des Verbraucherschutzes, der sozialen
Erreichbarkeit, der Gesundheit, der Bildung, der Nachhaltigkeit und des
sozialen Zusammenhalts der Gesellschaft notwendig sind? Ich kann mir eigentlich
schwer vorstellen, dass irgendjemand etwas hat gegen diese konkretisierten
Staatsziele. Ich denke, mit einigen Gesprächen müsste das auch möglich sein.
Es war aber auch nicht möglich,
Konsens über die Verankerung des Anspruchs auf Leistungen von allgemeinem
Interesse als Grundrecht in die Verfassung zu erzielen, weil keine gemeinsame
Formulierung gefunden werden sollte. Dies trotz des einhelligen Beschlusses des
Präsidiums, das Recht auf Zugang zu solchen Leistungen als Menschenrecht zu
verankern. Hier haben offenbar die angemessene Qualität oder die
erschwinglichen Preise für Widerstand gesorgt. Ich hoffe ja doch, dass es sich
um ein Missverständnis handelt, denn das würde ja bedeuten, dass Bildung oder
Gesundheit weder in angemessener Qualität noch zu erschwinglichen Preisen zur
Verfügung gestellt werden müssen. Also ich denke, aus diesem Konvent ist
einiges hervorgegangen, wo wir, wenn wir uns zusammensetzen, über alle
ideologischen Grenzen hinweg noch einiges machbar wäre, wo wirklich ein gutes
Fundament für eine künftige Verfassung gelegt wurde.
Noch einiges wollte ich sagen
ganz kurz zum Staatsziel „Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht“. Das wurde
heute den ganzen Tag nicht angesprochen. In diesem Zusammenhang wurden
Vorschläge eingebracht, die für uns absolut unakzeptabel sind, weil sie eines
der wichtigsten wirtschaftspolitischen Instrumente, nämlich die Budgetpolitik,
ausschließlich auf ausgeglichene Haushalte reduzieren würde. So wichtige Ziele
wie Wachstumsförderung, Beschäftigungspolitik, Verteilungsgerechtigkeit, würden
bei so einer Prioritätensetzung absolut negiert. Und ein ausgeglichenes Budget
kann kein Staatsziel sein. Ein Budget ist immer ein Instrument zur Erreichung
von Zielen. Ein ausgeglichenes Budget kann eine Rahmenbedingung zu einer
bestimmten Zeit sein, aber kein Staatsziel, das möchte ich hier auch noch
festhalten.
Positiv zu bewerten ist auch
die Einigung beim Gender Budgeting. Das hat auch Einlass in den Entwurf vom
Präsidenten Fiedler gefunden, dass tatsächlich bei der Budgetierung Rücksicht
auf die Bedürfnisse der Frauen genommen wird.
Ich habe zu dem wahrscheinlich
herausragendsten Dissensthemas dieses Konvents, nämlich Kompetenzverteilung
zwischen Bund und Ländern schon einige Male hier gesprochen. Ich würde sagen,
man kann sich auch da einigen. Es ist ganz einfach ökonomisch so, wir haben
genug Dezentralisierung, mehr brauchen wir nicht. Vielleicht kann die
Dezentralisierung effizienter sein, aber wir sind ein Land mit mittlerer
Dezentralisierung mit einem hohen Pro-Kopf-Einkommen. Wir brauchen nicht mehr.
Und ich glaube, in diesem Sinne sollten wir auch in Zukunft zusammenarbeiten.
Und es wundert mich nicht, dass bei der Finanzverfassung nicht sehr viel
herausgekommen ist, denn, wenn man sich über die Kompetenzverteilung nicht
einigt, kann auch bei der Finanzverfassung kein großer Konsens entstehen.
Zum Abschluss – ich bin gleich
fertig – denke ich, wir brauchen Verfassungsinhalte, die sich ganz einfach an
den Lebenssachverhalten und Lebensnotwendigkeiten von Menschen orientieren. Wir
müssen ihnen die grundlegenden Sicherheiten gewährleisten, die sie für sich
selbst, für ihre Kinder, in Notsituationen oder im Alter benötigen. Nur dann
können Sie jene Freiheiten nutzen, die sie für ein selbstbestimmtes und
kreatives Leben brauchen. – Danke.
Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler (übernimmt den Vorsitz) : Danke
schön für die Wortmeldung.
Ich darf als nächsten Redner
Herrn Klubobmann Scheibner aufrufen und darauf aufmerksam machen, dass, da es
sich bereits um die zweite Wortmeldung handelt, jetzt die Redezeit mit
5 Minuten limitiert ist. – Bitte, Herr Klubobmann.
Herbert
Scheibner: Ich brauche nur eine Minute. Ich wollte nur auf eines
hinweisen. Die Frau Abgeordnete Lichtenberger, wir haben es aber auch persönlich
ausdiskutiert, hat den Vorwurf von Präsidenten Khol zurückgewiesen, dass die
Grünen im Konventspräsidium gegen die Verankerung der Schutzmachtstellung
Österreichs für Südtirol gestimmt hätten. Da hat es anscheinend ein
Missverständnis gegeben.
Klar ist, das war im Konvent,
im Präsidium war es so, weil wir verschiedene Formulierungsvorschläge hier
eingebracht haben, die alle nicht konsensual gewesen sind, es dann darum
gegangen ist, ob man grundsätzlich der Meinung ist, egal wo und egal wie, dass
diese Schutzmachtfunktion in der Bundesverfassung verankert sein soll. Und da
war es dann auch so, wie es der Präsident Khol zu Beginn geschildert hat, dass
die SPÖ hier gesagt hat, sie ist offen, und die Grünen dezidiert dagegen
gewesen sind. Die Frau Abgeordnete Lichtenberger wollte aber, wie sie mir
gesagt hat, hier zum Ausdruck bringen, sie sind dagegen, dass dieses Prinzip in
der Bundesverfassung verankert ist. Sie sind aber dafür, dass in der aktuellen
Politik oder in der Tagespolitik selbstverständlich diese Unterstützung für die
Südtiroler ausgeübt wird. Also, ich glaube, wir haben das damit fürs Protokoll
klar gestellt.
Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Herr Klubobmann. Gibt es dazu von
Ihrer Seite aus noch eine Wortmeldung, Frau Abgeordnete? Dann darf ich auch Sie
darauf aufmerksam machen, dass die 5 Minuten Redezeitbeschränkung
gilt. – Bitte sehr.
Dr.
Evelin Lichtenberger: Ich brauche auch nur eine Minute. Ich habe offensichtlich,
weil das Licht schon blinkte, den zweiten Teil weg gelassen.
Ich halte die Frage der
Schutzfunktion Österreichs für ein Problem der praktischen Politik in einem
breiten Vier-Parteien-Konsens. Ich halte es für problematisch, schlafende Hunde
zu wecken und zu provozieren, dass Gegnerinnen und Gegner der Autonomien oder
der Rechte von Minderheiten dadurch die Möglichkeit erhalten, Schaden
anzurichten. Meine Zurückweisung bezog sich auf das Nicht-für-Südtirol-sein der
Grünen, was nicht stimmt. Aber ich glaube nicht, dass in der Verfassung der
richtige Ort ist für diese Frage.
Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Frau Abgeordnete.
Ich darf nun als nächsten
Redner Herrn Dr. Poier aufrufen. – Bitte sehr, Herr Doktor!
Dr. Klaus
Poier: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Der amerikanische Historiker
Joseph J. Ellis widmete sich in seinem äußerst lesenswerten und auch mit dem
Pulitzer-Preis ausgezeichneten Buch „Sie schufen Amerika“, das sich mit der
Gründergeneration der Vereinigten Staaten von Amerika von John Adams bis George
Washington beschäftigt, verständlicherweise auch dem Urvorbild unseres
Österreich-Konvents, nämlich dem Verfassungskonvent von Philadelphia im Jahre
1787, der die bis heute geltende amerikanische Verfassung ausarbeitete.
Ellis schreibt in diesem Buch,
dass zwar viele Kritikpunkte am damaligen Verfassungskonvent zutreffen – da
finden sich im Übrigen Kritikpunkte, die wir auch beim Österreich-Konvent
gehört haben, insbesondere, was die Zusammensetzung des Konvents betrifft. Er
meint aber auch weiter, dass der damalige Verfassungskonvent tatsächlich auch
als das „Wunder von Philadelphia“ zu bezeichnen ist. Nach Ellis – ich zitiere
ihn kurz – ist Wunder „nicht im üblichen, quasi religiösen Sinne [zu
verstehen], wonach eine Versammlung von Halbgöttern göttliche Eingebung
empfing, sondern in den profaneren und prosaischeren Sinne, dass die Verfassung
ein politisches Problem zu lösen behauptete, das anscheinend unlösbar war.
„Denn sie erhob“, so Ellis weiter, „den Anspruch, eine gefestigte
Bundesregierung zu schaffen, deren Befugnisse hinreichten, Gehorsam gegenüber
nationalen Gesetzen zu erzwingen …, und zugleich beanspruchte sie den
republikanischen“ – das bedeutet im amerikanischen Verständnis: den
föderalistischen – „Prinzipien von 1776 treu zu bleiben.“
Nun, meine Damen und Herren,
sicher ist wohl, dass auch der Österreich-Konvent keine Versammlung von
Halbgöttern darstellte und – Frau Oberin Gleixner wird es mir verzeihen – dass
auch die göttliche Eingebung zu fehlen scheint. Aber von einem Wunder in dem
von Ellis beschriebenen profaneren Sinne kann zum Teil sehr wohl gesprochen
werden, denn für viele Probleme unserer Bundesverfassung, die eigentlich als
politisch unlösbar erschienen, liegen nach diesen 19 Monaten der Arbeit im
Österreich-Konvent herzeigbare Konsensergebnisse vor.
An der Spitze steht dabei
sicherlich der Konsens über eine tief gehende formale Reform der Verfassung.
Angesichts des desaströsen formalen Zustandes unserer Bundesverfassung war eine
solche Reform auch schon sehr lange gefordert und gewünscht. Aber gerade die
Tatsache, dass diese Rufe Jahrzehnte lang zu hören waren, machte es doch recht
unwahrscheinlich, dass es diesmal gelingen könnte, und viele wurden von den
Ergebnissen im Konvent daher positiv überrascht.
Dabei ist nicht nur
hervorzuheben, dass es gelungen, eine Lösung für die 1 300
Verfassungsbestimmungen außerhalb des B-VG zu finden, in meinen Augen noch
auffallender ist das formale Neukonzept der Bundesverfassung mit dem relativen
Inkorporationsgebot, aber insbesondere auch mit der Einführung des Typus der
verfassungsausführenden Gesetze, die ursprünglich auf recht großen Widerstand
von vielen Seiten gestoßen ist, mit Anleihen im romanischen Rechtskreis, aber
mit einer sicherlich spezifisch österreichischen Ausgestaltung.
Und erstaunlich ist auch, wie
schnell eine solche Konzeption auch breitenwirksam werden kann. So schreibt
mittlerweile die Boulevardpresse mit geradezu spielerischer Leichtigkeit von
den zukünftigen „Trabanten“ unserer Verfassung. Es ist daher offensichtlich
gelungen, auch ein griffiges Vokabular zu verwenden.
Neben den Vorschlägen zu einer
formalen Verfassungsreform finden sich im Ergebnis des Konvents auch viele
inhaltliche Konsenslösungen, die zum Teil zumindest als kleine Wunder im
Ellis’schen Sinne und jedenfalls als sehr positive Entwicklungen anzusehen
sind. Ich nenne nur den weit gehenden Konsens über einen einheitlichen
Grundrechtskatalog, insbesondere unter Einschluss sozialer Grundrechte, und den
heute schon mehrfach angesprochenen Konsens über die Verwaltungsgerichte.
Freilich gab es innerhalb des
Konvents in einigen wichtigen Fragen keine Möglichkeit des Konsenses, dies etwa
gerade bei dem anfangs für die Vereinigten Staaten angesprochenen Verhältnis zwischen
Bund und Ländern. In diesem Punkt fehlte für mich im Konvent auch eine
grundlegende Diskussion über den Sinn und die Konsequenzen des
bundesstaatlichen Prinzips, die vielleicht auch keinen Konsens herbeigeführt
hätte, aber zumindest deutlich gemacht hätte, welche grundsätzlichen,
divergierenden Vorstellungen den jeweiligen macht- und parteipolitischen
Überlegungen zugrunde liegen.
Trotz dieser ungelösten
Probleme zeigt für mich der Entwurf für eine neue Bundesverfassung, den
Präsident Fiedler vorgelegt hat und der gemeinsam mit den übrigen Teilen des
Berichts sicherlich eine brauchbare Grundlage für die nun kommenden
Verhandlungen darstellt, dass es doch in einer großen Zahl von Fragen gelungen
ist, zu einem Konsens zu kommen. Präsident Khol hat von 75 Prozent gesprochen,
über die Konsens herrscht. Ich denke, dass das vielleicht sogar zu nieder
angesetzt ist. Dies sollte Ansporn genug sein, die noch wenigen offenen, aber
sicherlich wichtigen Fragen nun im Parlament einer Lösung zuzuführen.
Verschweigen möchte ich
freilich nicht, dass es zum Teil auch Konsensergebnisse im Konvent gab, mit
denen man meines Erachtens nur schwer zufrieden sein kann. So finde ich im
internationalen Vergleich das Schmalspurergebnis in der Frage der Briefwahl,
die nur in Ausnahmefällen möglich sein soll, als geradezu beschämend. Ebenso
hätte ich mir bürgerfreundlichere Lösungen in der Frage der direkten Demokratie
gewünscht.
Aber auch diese Fragen zeigen
nur, dass Verfassungen stets Kompromisse sind. Dies war 1787 in Philadelphia
der Fall. Dies war 1920 bei uns der Fall, und dieses Prinzip gilt
selbstverständlich auch für eine neue österreichische Bundesverfassung.
Letztlich müssen eben alle
politischen Akteure und vor allem auch die Bürgerinnen und Bürger ihre
Verfassung als legitim ansehen. Einseitige Diktate und Erpressungen schaffen
dauerhaft nicht die Grundlage für ein geordnetes, friedliches Zusammenleben.
Auch der Österreich-Konvent war
in diesem Sinne auf der Suche nach einem Kompromiss, der vieles moderner,
transparenter und effektiver macht, der aber eben auch gleichzeitig von allen
als legitim angesehen wird. In vielen Punkten kam der Konvent ans Ziel, in
einigen stieß er an seine Grenzen.
Insgesamt sind die Ergebnisse
des Konvents jedenfalls eine sehr gute Grundlage für die nun anstehenden
Parteienverhandlungen im Parlament. Die Hoffnung – sie wurde heute schon
strapaziert –, die Hoffnung lebt und sie ist auch groß, dass wir bald – nach
der nächsten Nationalratswahl – eine neue moderne österreichische
Bundesverfassung bekommen werden.
– Danke sehr.
Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Herr Dr. Poier. Nur wenn man
einen Vergleich mit Philadelphia anstellt, dann waren wir wesentlich fleißiger.
Wir haben 19 Monate getagt – in Philadelphia waren es nur drei Monate.
Als nächste Rednerin hat sich
Frau Vizepräsident Pfeifenberger zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.
Dr.
Michaela Pfeifenberger: Sehr geehrter Herr Präsident! Es ist schön, fast das letzte
Wort zu haben. Hohes Präsidium! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es muss sich in einem
Verwaltungsreformprozess als einem Teil der Diskussion zur Erstellung einer
neuen Verfassung ein zeitgemäßes Verständnis der Öffentlichen Verwaltung wieder
finden, und wir brauchen klare Kriterien, die die Marke Verwaltung prägen. Wenn
man bei einer Schokolade sagt: Sie ist quadratisch, praktisch und gut, so soll
für die Verwaltung gelten, sowie für die gesamte neue österreichische
Verfassung: Effizient, transparent und bürgerorientiert.
Hans Kelsen hat schon bei der
Erstellung der Vorentwürfe für eine Bundesverfassung alles Brauchbare aus der
bisherigen Verfassung beibehalten. Auch für mich wäre die Beibehaltung einiger
Grundsätze doch notwendig und sinnvoll. Es muss weiterhin Kernbereiche der
staatlichen Hoheitsgewalt geben, und damit sind auch Schranken für
Ausgliederungen verbunden.
Ein Zweites ist die
Unparteilichkeit des Öffentlichen Dienstes. Sie ist zu sichern. Daher muss es
auch in Zukunft für gewisse, exponierte Bereiche einen höheren
dienstrechtlichen Schutz geben, als er in einem privaten Arbeitsfeld üblich
ist. Aber trotzdem muss für jeden einzelnen Bediensteten des Öffentlichen
Dienstes die Freiheit der politischen Meinungsäußerung und auch seine
politische Betätigung als Mandatsausübung gewährleistet sein.
Gleichzeitig darf aber nicht
alles beim Alten bleiben. Aufgabenkritik ist notwendig. Verwaltungsstrukturen
brauchen flache Hierarchien. Die Verwaltungsvereinfachung ist fortzusetzen. Wir
brauchen eine stärkere Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und
Bürger. Das waren wesentliche Ziele, die sich der Österreich-Konvent mit all
seinen Mitgliedern gesetzt hat. Eines wurde in dem vorliegenden Textentwurf des
Herrn Präsidenten Fiedler eindeutig erreicht: Das war die Umsetzung des
Inkorporationsgebotes nach dem Motto: Nur wo Verfassung draufsteht, ist
Verfassung drin.
Auf einen Teil des Berichts
darf ich aber näher eingehen, wo aus meiner Sicht und auch im Sinne der
konsensualen Ergebnisse des Ausschusses 6 noch etwas fehlt, nämlich die
Organisationsgrundsätze der Behördenstruktur wären in der neuen
Verfassungsurkunde festzuschreiben. Es ist das der Bereich der
Sicherheitsverwaltung. Im Letztentwurf des Herrn Präsidenten Fiedler ist
vorgesehen, von organisatorischen Sonderregelungen für die Sicherheitsbehörden
des Bundes Abstand zu nehmen.
Ich darf erinnern an
Diskussionen und auch an die vorgelegten Entwürfe im Ausschuss 6. In einem
Modell, nämlich im Modell „Kombinierte Behördenstruktur“ sind bewährte
Strukturen kombiniert mit dem Gedanken von Nutzung der Synergien. Bewährte
Strukturen, nämlich die Vollziehung der Sicherheitsverwaltung durch spezialisierte
Sicherheitsbehörden in den Ballungsräumen, außerhalb dieses Bereichs die
Beibehaltung der Bezirksverwaltungsbehörden als Sicherheitsbehörden erster
Instanz, sollen beibehalten werden. Die Nutzung der Synergien könnte erzielt
werden durch eine Verschmelzung der bestehenden Bundespolizeidirektionen in den
Landeshauptstädten mit den Sicherheitsdirektionen.
Da gebe ich Herrn
Landeshauptmann Niessl recht, wenn er gesagt hat: Eine Abschaffung der
Bezirkshauptmannschaften als Sicherheitsbehörden wäre wohl nicht sinnvoll. So
ist also das Konzept der Sicherheitsregionen, wie es die SPÖ vorsieht,
vielleicht nicht der beste Weg.
Noch einmal zum Modell der
kombinierten Behördenstruktur, welches im Detail so aussieht: Oberste Behörde
bleibt der Bundesminister für Inneres. Durch ein einfaches Bundesgesetz, und somit recht flexibel,
kann die Möglichkeit geschaffen werden, ein Bundeskriminalamt oder ein
Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung einzurichten. Auf
Landes- und Bezirksebene ist eine Neustrukturierung angedacht, um so flache
Hierarchien zu erzielen.
Was haben wir derzeit in sieben
Landeshauptstädten? Neben den Sicherheitsdirektionen auch
Bundespolizeidirektionen als Sicherheitsbehörde erster Instanz. Ich habe daher
den Vorschlag eingebracht, nach dem Muster der Bundespolizeidirektion Wien, in
den Landeshauptstädten diese Sicherheitsdirektionen mit den
Bundespolizeidirektionen zu neuen Landespolizeidirektionen zusammenzulegen.
Natürlich gibt es auch
Ausnahmen und Vorschriften, die es uns gestatten, flexibler zu sein, nämlich in
Städten mit eigenem Statut, oder wenn dies sonst aus Gründen der öffentlichen
Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Ich darf da noch einmal erinnern an
die Ausschussberatungen, wo als Beispiel die besondere Aufgabenstellung des
Flughafens Schwechat erwähnt wurde, und so die Notwendigkeit einer
spezialisierten Sicherheitsbehörde in Form einer Stadtpolizeidirektion samt
deren Außenstellen möglich sein soll.
Aber auch das Sicherheitswesen
darf sich einer Aufgabenkritik nicht entziehen. Es gibt Agenden, wie zum
Beispiel das Pressewesen, das nicht zwingend in den sicherheitsbehördlichen
Kernbereich fällt und könnte so, ähnlich wie bereits das Passwesen, von den
Bundespolizeidirektionen auf die Behörden der allgemeinen staatlichen
Verwaltung in den Ländern übertragen werden.
Eine Auflistung der einzelnen
Bereiche der Sicherheitsverwaltung scheint in einem neuen
Bundesverfassungsgesetz nicht unbedingt notwendig, trotzdem darf ich der
Vollständigkeit halber darauf hinweisen, dass im Textentwurf des Herrn
Präsidenten Fiedler einige Bereiche fehlen, nämlich das Passwesen, das
Vereinswesen, das Meldewesen, Schieß-, Munitions- und Sprengmittelwesen, oder
das Pressewesen.
Und selbst, wenn der Gedanke
der Einsparungsmöglichkeit nicht oberste Priorität haben darf für die neue
österreichische Bundesverfassung, so sollte man doch erwähnen, dass nach dem
geschilderten Modell der kombinierten Behördenstruktur die Zahl von derzeit 22
Bundessicherheitsbehörden, nämlich 14 Polizeidirektionen und 8
Sicherheitsdirektionen, wesentlich reduziert werden könnte.
Noch einige Kleinigkeiten zum
so genannten Fiedler-Entwurf: begrifflich wäre eine Klarstellung notwendig. Man
sollte auch in einem neuen Verfassungstext weiterhin von der örtlichen
Sicherheitspolizei sprechen, statt den nicht eindeutig umschriebenen Begriff
der „örtlichen Sicherheit“ zu verwenden. Und zu den
Verfassungsübergangsbestimmungen noch eine Anmerkung: Einmal sollten wir sie
noch diskutieren, um nicht die Gefahr der Rechtsunsicherheit entstehen zu
lassen. Ich weiß, dass Weihnachten vorbei ist, und ich mache auch keinen Wunsch
ans Christkind, sondern es ist vielmehr ein Appell an die politischen
Entscheidungsträger.
Es darf nicht ein Scheitern des Österreich-Konvents in den
Schlagzeilen stehen. Der Konvent ist nicht gescheitert. Es sind Verhandlungen,
es sind Ergebnisse auf Basis der erarbeitenden Modelle und Textentwürfe, es ist
eine neue österreichische Bundesverfassung, die eine Schlagzeile wert sein
sollen. Insgesamt war der Österreich-Konvent ein Ehrenamt, das wir als
Mitglieder des Österreich-Konvents übernommen haben, und es war mir eine Ehre,
hier mitzuarbeiten. Ehrenamt heißt auch, es ist etwas gratis. Das war es, aber
es darf nicht umsonst gewesen sein. Und so komme ich zum Schluss dann doch noch
zu einem Wunsch: Der österreichischen Bundesverfassung wünsche ich gutes
Gelingen und viel Erfolg für ihren parlamentarischen Weg! Danke. – Auf
Wiedersehen!
Vorsitzender
des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Vielen Dank, Frau Vizepräsidentin! Auch Dank
für die guten Wünsche, die Sie dem Bericht und dem Verfassungsentwurf mit auf
den Weg gegeben haben.
Es hat sich nun Herr
Staatssekretär Dr. Finz zu Wort gemeldet. Ich darf ihm das Wort erteilen und
auch gleichzeitig darauf hinweisen, dass er nur eine Redezeit von 5 Minuten
hat. – Bitte sehr, Herr
Staatssekretär!
Dr. Alfred Finz: Herr Präsident! Zunächst
einmal an Sie, sehr verehrte Damen und Herren, danke, dass Sie so lange
ausgeharrt haben, dass Sie mich noch ertragen.
Als
Staatssekretär im Finanzministerium möchte ich mich natürlich der
Finanzverfassung widmen, genauer, dem Fiedler-Vorschlag über die
Finanzverfassung. Er hat wichtige Eckpunkte meiner Ansicht nach:
Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht, alles muss man finanzieren können – es
nützen die schönst geschriebenen Rechte nichts, wenn man sie nicht finanzieren
kann – ausgeglichener Haushalt für alle Gebietskörperschaften, Zusammenführung
von Aufgaben: Ausgaben- und Einnahmenverantwortung, Verhandlungsgebot zum
Finanzausgleich, jedoch keine Vetomöglichkeit einzelner Verhandlungspartner,
Kompetenz für das Finanzausgleichsgesetz weiterhin beim Bundesgesetzgeber,
Einführung einer wirkungsorientierten Verwaltung, Vergrößerung der operativen
Autonomie der Verwaltung und somit mehr Flexibilität, Stichwort: Einführung von
Globalbudgets, Möglichkeit zur Beschlussfassung von Doppelbudgets.
Was ist das Resümee?
Dieser Verfassungsvorschlag ist eindeutig ein Forschritt gegenüber der
bisherigen Finanzverfassung, dieser Vorschlag ermöglicht es dem Bund, flexibel
und rasch die sich aus dem europäischen Stabilitäts- und Wirtschaftspakt
ergebenen Verpflichtungen erfüllen zu können. Das müssen wir ja sehen, dass wir
heute in einem Binnenmarkt mit Pflichten eingebunden sind, und daher ein
Instrumentarium brauchen, wo wir rasch reagieren können.
Weiters
verhindert dieser Entwurf Blockademöglichkeiten aus Partikulärinteressen,
andererseits gibt er die Möglichkeit für eine flexible Verwaltungsführung und
den Einsatz von New Public Management. Landeshauptmann Niessl hat heute davon
gesprochen, dass er möchte, dass die Pflichtschulen weiterhin im Landesbereich
bleiben. Er hat aber nicht gesagt, dass die Länder die Kosten für die
Pflichtschullehrer übernehmen, die zahlt nämlich der Bund. Daher finde ich es
so wichtig, dass in einer Finanzverfassung steht: Zusammenführung von
Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung. Dann müsste er nämlich die
Landeslehrer zahlen.
Der Herr
Präsident Halder ist leider nicht mehr da. Ich muss was zum Rechnungshof sagen,
nachdem ich dieser Institution lange angehört habe. Ich finde den Vorschlag
gut, dass der Rechnungshof in Wien auch sämtliche Gemeinden prüft. Und bei
einer Einrichtung einer Kontrolle gehört eine gewisse organisatorische,
räumliche Entfernung vom Geprüften. Das ist äußerst wichtig, das stärkt die
Kontrolle und das sichert eine unabhängige Kontrolle. Die ist nämlich gefährdet,
wenn die Kontrolleure ganz nah bei dem Geprüften sind. Außerdem lebt der
Rechnungshof vom Vergleich, und je mehr er Vergleichsmasse hat, desto gezielter
kann er seine Empfehlungen geben. – Danke schön.
Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Besten Dank, Herr
Staatssekretär. Als ehemaliger Präsident des Rechnungshofes brauche ich nicht
hinzuzufügen, wie sehr ich mich darüber gefreut habe, dass Sie auch an der
Ausweitung der Rechte des Rechnungshofes in Wien betreffend die Gemeinden
interessiert sind und das unterstützen. Besten Dank auch dafür.
Mir liegt nun
keine weitere Wortmeldung mehr vor. Und es bleibt mir daher zum Abschluss nur
mehr, Ihnen allen, Ihnen den Mitgliedern des Konvents, sehr herzlich zu danken,
nicht nur für die heutige Diskussion, die sehr anregend war, sehr fair geführt
wurde, sehr sachlich geführt wurde und auch in die Tiefe gegangen ist, sondern
vor allem für Ihre Arbeit während der letzten 19 Monate. Im Besonderen danke
ich den Vorsitzenden der Ausschüsse, den stellvertretenden Vorsitzenden der
Ausschüsse und den Mitgliedern des Präsidiums. Ich danke natürlich auch den
Mitarbeitern des Büros des Konvents, die gerade in den letzten Wochen und Tagen
bis spät in die Nachtstunden tätig waren, damit der Bericht rechtzeitig fertig
gestellt werden konnte. Ich danke auch den Mitarbeitern der
Parlamentsdirektion, die uns 19 Monate, ich glaube sagen zu können, hervorragend
betreut haben. Und ich danke natürlich der Vielzahl an namentlich bekannten,
aber zum Teil auch namentlich gar nicht in die Öffentlichkeit getretenen
Experten, die in verschiedensten Funktionen und nicht wenige von ihnen im
Hintergrund für den Konvent gearbeitet haben, ihre Arbeitskraft zur Verfügung
gestellt haben. Ihnen allen gilt mein Dank, und ich glaube, sagen zu können,
Ihnen allen gilt unser Dank.
Die
Anerkennung, die die Mitglieder des Konvents und alle jene, die sich um den
Konvent verdient gemacht haben, gefunden haben, diese Anerkennung wird uns auch
von außen zuteil. Und ich darf Ihnen mitteilen, dass mich vor wenigen Tagen der
Herr Bundespräsident verständigt hat, dass er in Anerkennung und Würdigung der
Leistungen des Konvents den Konvent am 23. Februar zu sich in die Hofburg
einladen will. Ich darf Ihnen das mitteilen. Er hat mich gebeten, Ihnen dies in
der letzten Sitzung zur Kenntnis zu bringen. Ich glaube, das ist ein würdiger
Abschluss des Konvents und bringt auch zum Ausdruck, wie sehr man vom höchsten
Repräsentanten dieses Staates die Tätigkeit des Konvents schätzt.
Was haben wir
nun nach 19 Monaten Arbeit im Konvent vorzulegen? Einen Bericht, einen sehr
umfassenden Bericht, der wirklich alles enthält, was sich im Konvent abgespielt
hat, inklusive eines Verfassungsentwurfes. Und ich glaube, sagen zu können, der
Bericht mit all seinen Teilen wird den Anliegen des Gründungskomitees gegenüber
dem Konvent durchaus gerecht. Ich glaube daher weiters sagen zu können, und das
mit Fug und Recht sagen zu können, der Konvent hat sein Ziel erreicht.
Ich will durchaus nicht
verhehlen, dass es mir lieber gewesen wäre, es hätte zu allen Themen, die im
Konvent behandelt wurden, einen Konsens gegeben. Das war nicht der Fall. Das
müssen wir zur Kenntnis nehmen. Aber wir sollten darüber nicht jammern. Wir
sollten das nicht beklagen, sondern wir sollten uns darüber im Klaren sein,
dass nunmehr, nach Abschluss der Tätigkeit des Konvents, eben weitere
Verhandlungen zu pflegen sind. Und die Voraussetzungen dafür sind durch die
Arbeit des Konvents geschaffen worden.
Wir haben, das glaube ich, auch
sagen zu können, im Einvernehmen mit Ihnen allen eine bestmögliche Aufbereitung
für die weitere politische Entscheidungsfindung geschaffen. Wir tragen
natürlich alle die Hoffnung in uns, dass es noch gelingen wird, in den weiteren
Verhandlungen, die doch noch bestehenden interessenspolitischen Gegensätze zu
überwinden.
Die Meinungsvielfalt, wie sie
sich im Konvent immer wieder ergeben hat, war fruchtbar und war wertvoll.
Nunmehr liegt es an den politischen Entscheidungsträgern, daraus einen
Meinungsgleichklang herzustellen, und zwar in vollem Umfang, nicht nur in jenem
Umfang, der beachtlich genug ist, der bereits im Konvent selbst hergestellt
werden konnte.
Zusammenfassend
lassen Sie mich daher sagen: Ich stehe auf dem Standpunkt, der Konvent hat
seine Aufgabe erfüllt. Ich glaube, Folgendes können wir auch alle im Konsens
sagen, es ist mehrfach auch in den Wortmeldungen zum Ausdruck gekommen: Die
Entscheidung liegt nunmehr bei jenen in einer Demokratie, die hiezu berufen
sind, bei den Politikern. Wir haben das Unsere dazu geleistet. Ich danke Ihnen
nochmals und darf hiermit diese letzte Sitzung dieses Konvents schließen.