Protokoll

über die 14. Sitzung des Ausschusses 1

am 18. Juni 2004

im Parlament, Lokal IV

 

Anwesende Ausschussmitglieder:

 

Univ.Prof. DDr. Heinz Mayer              (Vorsitzender)

Univ.Prof. Dr. Bernhard Raschauer                 (Stellvertreter)

 

Univ.Doz. Dr. Peter Bußjäger              (Vertretung für Manfred Dörler)

Mag. Oliver Henhapel                         (Vertretung für Elisabeth Gehrer)

Mag. Ulrike Schebach-Huemer                       (Vertretung für Dr. Michael Häupl)

Dr. Evelin Lichtenberger

Dr. Leo Specht

DDr. Karl Lengheimer                         (Vertretung für Univ.Prof. Dr. Reinhard

Rack)

Dr. Günter Voith

Dr. Peter Wittmann

 

Entschuldigt:

 

Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk

Mag. Herbert Haupt

Waltraud Klasnic

Univ.Prof. Dr. Theo Öhlinger

Friedrich Verzetnitsch

 

Weitere Teilnehmer:

 

Mag. Ronald Faber                                         (für Dr. Heinz Fischer)

Mag.Bernhard Rochowanski                           (für Dr. Dieter Böhmdorfer)

Mag. Birgit Cäsar                                            (für Dr.Franz Fiedler)

Mag.Isolde Thornton                                       (für Dr.Andreas Khol)

 

 

 

 

Büro des Österreich-Konvents

 

Dr. Renate Casetti                                           (fachliche Ausschussunterstützung)

Birgit Mayerhofer                                            (Ausschusssekretariat)

 

Beginn:                        13.00 Uhr

Ende:                                       16.00 Uhr

 

Tagesordnungspunkte:

 

  1. Begrüßung und Feststellung der Anwesenheit
  2. Beratung des neuen Mandats „Umfassende Landesverteidigung“ anhand der Stellungnahmen der Ausschussmitglieder, Anhörung der Bundesheer-reformkommission
  3. Allfälliges

 

 

Tagesordnungspunkt 1: Begrüßung und Feststellung der Anwesenheit

 

Der Vorsitzende begrüßt die Mitglieder und stellt die Anwesenheit fest.

 

 

Tagesordnungspunkt 2: Beratung des neuen Mandats „Umfassende Landes-verteidigung“ anhand der Stellungnahmen der Ausschussmitglieder, Anhörung der Bundesheerreformkommission

 

 

In der Sitzung vom 29.April 2004 beauftragte das Präsidium den Ausschuss 1, seine Beratungen zum Thema „Umfassende Landesverteidigung“ mit folgender Fragestellung fortzusetzen:

 

Wie kann das Staatsziel „Umfassende Landesverteidigung“ gemäß Art. 9a B-VG auch im EU-Kontext klar herausgearbeitet, weiterentwickelt und in der Verfassung verankert werden?

 

Die Entscheidung über die weitere Behandlung der Themen Neutralität und die Mitwirkung an der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik hat sich das Präsidium vorbehalten (siehe Anlage 1).

 

2.1 Die Beratungen im Ausschuss:

 

Der Vorsitzende stellt fest, dass das einhellige Ergebnis des Ausschuss 1 zum Art 9a B-VG ohne tatsächliche Einbindung der BHRK zustande kam ( Ausschussbericht vom 25.2.2004). In weiterer Folge kam es nicht nur zu abweichenden Stellungnahmen von Mitgliedern des Ausschusses, sondern auch zu einem Ersuchen um Koordinierung mit der BHRK, das vom Präsidium an den Ausschussvorsitzenden weitergeleitet wurde. Er ersuchte daher den Vorsitzenden der BHRK, seine Stellungnahme zur umfassenden Landesverteidigung (Art 9a B-VG) aus Sicht der Kommission im Ausschuss 1 zu präsentieren.

 

Zwei Ausschussmitglieder gaben zur ersten Mandatsergänzung schriftliche Stellungnahmen ab (siehe Anlage 2 und 3) und ein Textvorschlag zur Neufassung des Art 9a B-VG wurde vorgelegt (siehe Anlage 4).

 

 

2.2       Stellungnahme der BHRK

 

Als Vertreter des Vorsitzenden der BHRK wird Herr General Alfred Schätz (Vertreter des Bundesministers in der BHRK und Mitglied des Präsidiums der BHRK, Herr Dr. Karl Satzinger (Leiter der Gruppe Rechtswesen und Legislativer Dienst im Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV)) und Herr Mag. Andreas Edlinger (Leiter der Abteilung Eigen-legislative im BMLV) im Ausschuss begrüßt.

 

General Schätz überreicht offiziell den Bericht der BHRK an den Vorsitzenden und den Vorsitzenden-Stellvertreter. In seinen Ausführungen weist er darauf hin, dass die BHRK ihre Aufgaben abgeschlossen und am 14.Juni 2004 den Bericht an den Bundesminister übergeben hat. Damit kann nun die Umsetzungsphase erfolgen. Insgesamt habe die BHRK ein breites Spektrum an Themenstellungen berücksichtigt. Er teilt mit, dass die Arbeitsweise des Vorsitzenden der BHRK auf einen breiten Konsens bei den Formulierungen im Bericht angelegt war. Aufgrund der unmittelbaren Betroffenheit der Soldaten hinsichtlich Ausrüstung, Ausbildung und Einsatzorte im Ausland - der Bericht der BHRK bezieht sich auf das Jahr 2010 - besteht großes Interesse an einer Vorgabe der Politik und einer verfassungsgesetz-lichen Präzisierung.

 

Dr.Satzinger führt dazu aus:

Die zentrale Norm für das Bundesheer ist Art 79 B-VG. Schwerpunkt der Tätigkeit des Bundesheeres ist die Durchführung von Auslandsaufgaben, welche in Zukunft sowohl quantitativ wie auch qualitativ zunehmen werden. Die Rechtsgrundlage dazu kann derzeit nur mittelbar aus dem Bundesgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG) abgeleitet werden. Dies ist insofern ungenügend, als die Verwaltungsabläufe im KSE-BVG kompliziert geregelt sind und der Dringlichkeitsrahmen erweitert werden soll. Darüber hinaus sind nach dem geltenden Verfassungsrecht Auslandseinsätze ausschließlich auf freiwilliger Basis möglich, wodurch sich Umsetzungsprobleme mit den Vorgaben der EU ergeben, die eine rasche Verfügbarkeit von Einsatzkräften vorsieht. Eine Zusage für eine internationale Krisenvorsorge ist mit der Freiwilligkeit daher schwer vereinbar. Es stellt sich die Frage der Vertrauensschutzjudikatur; bei den Präsenzdienern solle die Freiwilligkeit weiterhin uneingeschränkt bestehen bleiben.

Darüber hinaus werde die Schaffung einer Rechtsgrundlage für mehrjährige Ausgabenpläne (Budget ist einjährig) angeregt.

 

Dr. Satzinger erläutert weiters die Entstehung des Art 9a B-VG. Im Dezember 2001 wurde die neue Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin erlassen, die das Konzept der umfassenden Sicherheitsvorsorge enthält. Seitens der BHRK erfolgte deshalb keine detaillierte Auseinandersetzung mit Art 9a B-VG, da die Umsetzung der Empfehlungen der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin ( Änderung auf ein System der umfassenden Sicherheitsvorsorge und Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen) als vorausgesetzt angenommen wurde. Eine Streichung des Art 9a B-VG würde nicht kongruent zu Art 79 B-VG sein, da dies ja Teil eines Gesamtkonzeptes sei.

 

Zusammenfassend wäre zur Umsetzung der Empfehlungen der BHRK folgender verfassungsgesetzlicher Handlungsbedarf gegeben (Arbeitspapier, siehe Anlage 5):

 

 

Dr. Satzinger legt von ihm verfasste Formulierungsvorschläge für Art 9a und Art 79 B-VG vor, erläutert diese und stellt sie den Mitgliedern des Ausschusses zur Verfügung. Dabei handelt es sich nicht um offizielle Entwürfe der BHRK ( siehe Anlage 6 und 7).

 

 

2.3       In der Diskussion der Ausschussmitglieder mit den Vertretern der BHRK wurden folgende Meinungen vertreten:

 

Allgemein:

 

* Die bisherige Erörterung der 58 Wünsche nach Staatszielen wurde im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit der derzeitigen bzw möglichen Regelungsinhalte geführt. Dabei ist Ausschuss 1 davon ausgegangen, dass die militärische Landesverteidigung (Art 79 B-VG) unbestritten ist. Die Beratungen beschränkten sich ausschließlich auf das Staatsziel des Art 9a B-VG und berücksichtigten nicht die Einbettung des Art 9a B-VG in ein Gesamtkonzept.

 

* Gemäß der Zielsetzung des Konvents legte Ausschuss 1 seinen Beratungen das Bestreben zugrunde, die Verfassung nach jenen Staatszielbestimmungen zu sichten, die dem einfachen Gesetzgeber überlassen werden könnten. Es wurde auch die Meinung vertreten, dass es eigentlich eine gesellschaftspolitische Frage ist, ob die Landesverteidigung in der Verfassung zu regeln ist.

 

* Es wurde die Frage erörtert, wie viel seit Inkrafttreten der umfassenden Landesverteidigung im Jahr 1975 in den Bereichen der geistigen, zivilen und wirtschaftlichen Landesverteidigung geschehen ist. Im Bereich der geistigen Landesverteidigung zB. (Fach „Politische Bildung“ in den Schulen) war kein großes Engagement festzustellen. Seitens der Vertreter der BHRK wurde mitgeteilt, dass im BMLV für diese Bereiche ein eigenes Referat unterhalten wird und koordinierte Übungen im Bereich Zivilschutz ( zB Tankerbergung ) stattfinden.

 

* Die im Dezember 2001 vom Nationalrat beschlossene Sicherheits- und Verteidigungs-doktrin hat keine Verfassungsmehrheit und beinhaltet daher politische Wertungen der derzeitigen Regierungsparteien. Die Entschließung des Nationalrats hat daher den Charakter eines rechtlich unverbindlichen Wunsches.

 

* Diskutiert wird die Frage der Bedeutung, des Umfanges und der Interpretationsspielräume des Begriffes der „umfassenden Sicherheitsvorsorge“. Es wird die Notwendigkeit einer genauen Begriffsdefinition postuliert ( Interpretation analog zur Sicherheits- und Verteidi-gungsdoktrin, umfasst der Begriff auch die Rechtssicherheit?). Die Vertreter der BHRK teilen mit, dass die Kommission keine Begriffsdefinition durchgeführt hat.

 

* Der europäische Rat hat nach dem Anschlag von Madrid eine Solidaritätsklausel gegen den Terror (Naturkatastrophe, von Menschen verursachte Katastrophe und Terroranschläge) geschaffen. Die BHRK hat die Frage, ob man dafür innerstaatlich eine neue Norm braucht oder nicht, verneint, da diese drei Fälle bereits derzeit potentielle Anlassfälle für eine Hilfeleistung im Inland und im Ausland sind. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf, die Terrorklausel nicht mit den Petersberg-Aufgaben zu vermischen. Die Textierung sollte hinsichtlich der verankerten Ausnahmemöglichkeiten für neutrale Staaten genau angesehen werden. Die Frage der NATO-Bindung wird in diesem Zusammenhang aufgeworfen. Die Vertreter der BHRK teilten mit, dass sich der Bericht der BHRK im Bereich der ESVP aufgrund der Unbestimmtheit der EU-Verfassung auf allgemeinere Empfehlungen beschränkte.

 

Zu den vorgebrachten verfassungsgesetzlichen Änderungswünschen der Vertreter der BHRK und den vorgelegten Textvorschlägen:

 

* Bezug nehmend auf Art.79 Abs 5 B-VG wird die Wichtigkeit hervorgehoben, dass das Bundesheer nicht selbstständig bei inneren Unruhen einschreiten darf (zB Vermeidung eines Putsches). Ausnahmen sind nur im Falle der Verhinderung der zuständigen Behörden durch höhere Gewalt oder Widerstand gegen eine Abteilung des Bundesheeres vorgesehen.

 

* Hinsichtlich der Begriffsdefinition des Formulierungsvorschlages zum Art 79 Abs 2 B-VG „Das Bundesheer ist bestimmt.....“ wurde die Frage aufgeworfen, ob damit eine Nichtbeteiligung Österreichs an Maßnahmen möglich ist. Die Vertreter der BHRK führen dazu aus, dass diese Formulierung als mögliche Aufgabe des Bundesheeres, wobei auch die Auslandsaufgaben gemeint sind, zu verstehen ist.

 

* Der Wunsch nach mehrjährigen verbindlichen Ausgabenplänen betrifft auch andere Ver-waltungsbereiche.

 

* Die Möglichkeit wird diskutiert, die Freiwilligkeit der Teilnahme an Auslandseinsätzen in einfachgesetzlicher Form zu regeln. Aufgrund des KSE-BVG gibt es dazu derzeit keine rechtliche Grundlage.

 

* Zu den Zielsetzungen wird festgehalten, dass der Schutz der Einwohner und demokratischen Einrichtungen gegenüber den europäischen Zielen vorrangig sei.

 

* Abg.Dr.Wittmann weist darauf hin, dass als Alternative zum Textvorschlag der Vertreter der BHRK, das als Arbeitspapier des BMLV vorgelegt worden ist, der Beibehaltung des Art 9a B-VG der Vorzug zu geben ist.

 

* Es wird mehrmals darauf hingewiesen, dass die vorgelegten Textvorschläge Arbeitspapiere des BMLV darstellen und nicht von der BHRK beschlossen wurden.

 

2.4       Beratung der weiteren Vorgangsweise nach Anhörung der Vertreter der BHRK

 

Die Ausschussmitglieder beraten, ob es sinnvoll ist, die Beratungen zur ersten Ergänzung des Mandates nunmehr weiterzuführen und abzuschließen.

 

Sie kommen überein, dass die Einbeziehung der EU-Ebene unbedingt erforderlich sei. Den Begriff der BHRK über die umfassende Sicherheitsvorsorge inhaltlich neu zu formulieren, erscheint ohne Vorlage eines konsolidierten Textes der EU-Verfassung nicht zweckmäßig zu sein.

 

Die abschließenden Beratungen werden daher zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen.

 

Tagesordnungspunkt 3: Allfälliges

 

Der Vorsitzende informiert die Ausschussmitglieder vom Schreiben über die zweite Ergänzung des Mandates des Ausschusses 1 (siehe Anlage 8 und 9)

 

Die Ausschussmitglieder sind sich einig, dass beide Bundesverfassungsgesetze bereits in den Ausschussberatungen – vorbehaltlich allgemeiner Überlegungen zu den Übergangs-bestimmungen - berücksichtigt wurden (siehe Ausschussbericht vom 25.Februar 2004, unter Z4).

 

Eine Integration des Atom-BVG in den Verfassungstext wurde befürwortet. Im Falle eines Staatszielkataloges mit Übernahme entsprechender Formulierungen wären diese beiden Bundesverfassungsgesetze jedoch als obsolet zu betrachten.

 

In Erledigung der zweiten Ergänzung des Mandates des Ausschusses 1 wird einvernehmlich im Ausschuss ein Brief an den Vorsitzenden des Konvents und den Vorsitzenden des Ausschusses 2 formuliert. (siehe Anlage 10)

 

Als nächsten Termin für die Fortsetzung der Beratungen wird voraussichtlich der 17.September 2004, ab 14 Uhr, in Aussicht genommen.

 

 

 

Vorsitzender des Ausschusses 1:                                             Fachliche Ausschussunterstützung:

 

 

 

 

Univ.Prof. DDr. Heinz Mayer                                      Dr. Renate Casetti