Anwesende Ausschussmitglieder:
Univ.Prof.
DDr. Heinz Mayer (Vorsitzender)
Univ.Prof.
Dr. Bernhard Raschauer (Stellvertreter)
Univ.Doz.
Dr. Peter Bußjäger (Vertretung
für Manfred Dörler)
Mag.
Oliver Henhapel (Vertretung
für Elisabeth Gehrer)
Mag. Ulrike Schebach-Huemer (Vertretung
für Dr. Michael Häupl)
Dr.
Evelin Lichtenberger
Dr.
Leo Specht
DDr.
Karl Lengheimer (Vertretung
für Univ.Prof. Dr. Reinhard
Rack)
Dr.
Günter Voith
Dr.
Peter Wittmann
Entschuldigt:
Univ.Prof.
Dr. Bernd-Christian Funk
Mag.
Herbert Haupt
Waltraud
Klasnic
Univ.Prof.
Dr. Theo Öhlinger
Friedrich
Verzetnitsch
Weitere Teilnehmer:
Mag.
Ronald Faber (für
Dr. Heinz Fischer)
Mag.Bernhard
Rochowanski (für
Dr. Dieter Böhmdorfer)
Mag.
Birgit Cäsar (für
Dr.Franz Fiedler)
Mag.Isolde
Thornton (für
Dr.Andreas Khol)
Büro des
Österreich-Konvents
Dr.
Renate Casetti (fachliche
Ausschussunterstützung)
Birgit Mayerhofer (Ausschusssekretariat)
Beginn: 13.00
Uhr
Ende: 16.00
Uhr
Tagesordnungspunkte:
Der Vorsitzende
begrüßt die Mitglieder und stellt die Anwesenheit fest.
Tagesordnungspunkt 2: Beratung des neuen Mandats „Umfassende Landes-verteidigung“
anhand der Stellungnahmen der Ausschussmitglieder, Anhörung der
Bundesheerreformkommission
In der
Sitzung vom 29.April 2004 beauftragte das Präsidium den Ausschuss 1, seine
Beratungen zum Thema „Umfassende Landesverteidigung“ mit folgender
Fragestellung fortzusetzen:
Wie
kann das Staatsziel „Umfassende Landesverteidigung“ gemäß Art. 9a B-VG auch im
EU-Kontext klar herausgearbeitet, weiterentwickelt und in der Verfassung
verankert werden?
Die Entscheidung über die weitere Behandlung der Themen
Neutralität und die Mitwirkung an der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
hat sich das Präsidium vorbehalten (siehe Anlage 1).
2.1 Die Beratungen im Ausschuss:
Der Vorsitzende stellt fest, dass das
einhellige Ergebnis des Ausschuss 1 zum Art 9a B-VG ohne tatsächliche
Einbindung der BHRK zustande kam ( Ausschussbericht vom 25.2.2004). In weiterer
Folge kam es nicht nur zu abweichenden Stellungnahmen von Mitgliedern des
Ausschusses, sondern auch zu einem Ersuchen um Koordinierung mit der BHRK, das
vom Präsidium an den Ausschussvorsitzenden weitergeleitet wurde. Er ersuchte
daher den Vorsitzenden der BHRK, seine Stellungnahme zur umfassenden
Landesverteidigung (Art 9a B-VG) aus Sicht der Kommission im Ausschuss 1 zu
präsentieren.
Zwei Ausschussmitglieder gaben zur ersten
Mandatsergänzung schriftliche Stellungnahmen ab (siehe Anlage 2 und 3)
und ein Textvorschlag zur Neufassung des Art 9a B-VG wurde vorgelegt (siehe
Anlage 4).
2.2 Stellungnahme der BHRK
Als Vertreter des Vorsitzenden der BHRK wird Herr General
Alfred Schätz (Vertreter des Bundesministers in der BHRK und Mitglied des
Präsidiums der BHRK, Herr Dr. Karl Satzinger (Leiter der Gruppe Rechtswesen und
Legislativer Dienst im Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV)) und
Herr Mag. Andreas Edlinger (Leiter der Abteilung Eigen-legislative im BMLV) im
Ausschuss begrüßt.
General Schätz überreicht offiziell den Bericht der
BHRK an den Vorsitzenden und den Vorsitzenden-Stellvertreter. In seinen
Ausführungen weist er darauf hin, dass die BHRK ihre Aufgaben abgeschlossen und
am 14.Juni 2004 den Bericht an den Bundesminister übergeben hat. Damit kann nun
die Umsetzungsphase erfolgen. Insgesamt habe die BHRK ein breites Spektrum an
Themenstellungen berücksichtigt. Er teilt mit, dass die Arbeitsweise des
Vorsitzenden der BHRK auf einen breiten Konsens bei den Formulierungen im
Bericht angelegt war. Aufgrund der unmittelbaren Betroffenheit der Soldaten
hinsichtlich Ausrüstung, Ausbildung und Einsatzorte im Ausland - der Bericht
der BHRK bezieht sich auf das Jahr 2010 - besteht großes Interesse an einer
Vorgabe der Politik und einer verfassungsgesetz-lichen Präzisierung.
Dr.Satzinger führt dazu aus:
Die zentrale Norm für das Bundesheer ist Art 79 B-VG.
Schwerpunkt der Tätigkeit des Bundesheeres ist die Durchführung von
Auslandsaufgaben, welche in Zukunft sowohl quantitativ wie auch qualitativ
zunehmen werden. Die Rechtsgrundlage dazu kann derzeit nur mittelbar aus dem
Bundesgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten
und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG) abgeleitet werden. Dies ist
insofern ungenügend, als die Verwaltungsabläufe im KSE-BVG kompliziert geregelt
sind und der Dringlichkeitsrahmen erweitert werden soll. Darüber hinaus sind
nach dem geltenden Verfassungsrecht Auslandseinsätze ausschließlich auf
freiwilliger Basis möglich, wodurch sich Umsetzungsprobleme mit den Vorgaben
der EU ergeben, die eine rasche Verfügbarkeit von Einsatzkräften vorsieht. Eine
Zusage für eine internationale Krisenvorsorge ist mit der Freiwilligkeit daher
schwer vereinbar. Es stellt sich die Frage der Vertrauensschutzjudikatur; bei
den Präsenzdienern solle die Freiwilligkeit weiterhin uneingeschränkt bestehen
bleiben.
Darüber hinaus werde die Schaffung einer Rechtsgrundlage für
mehrjährige Ausgabenpläne (Budget ist einjährig) angeregt.
Dr. Satzinger erläutert weiters die Entstehung des Art 9a
B-VG. Im Dezember 2001 wurde die neue Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin
erlassen, die das Konzept der umfassenden Sicherheitsvorsorge enthält. Seitens
der BHRK erfolgte deshalb keine detaillierte Auseinandersetzung mit Art 9a
B-VG, da die Umsetzung der Empfehlungen der Sicherheits- und
Verteidigungsdoktrin ( Änderung auf ein System der umfassenden
Sicherheitsvorsorge und Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen) als
vorausgesetzt angenommen wurde. Eine Streichung des Art 9a B-VG würde nicht
kongruent zu Art 79 B-VG sein, da dies ja Teil eines Gesamtkonzeptes sei.
Zusammenfassend wäre zur Umsetzung der
Empfehlungen der BHRK folgender verfassungsgesetzlicher Handlungsbedarf gegeben
(Arbeitspapier, siehe Anlage 5):
Dr. Satzinger legt von ihm verfasste Formulierungsvorschläge
für Art 9a und Art 79 B-VG vor, erläutert diese und stellt sie den Mitgliedern
des Ausschusses zur Verfügung. Dabei handelt es sich nicht um offizielle
Entwürfe der BHRK ( siehe Anlage 6 und 7).
2.3 In
der Diskussion der Ausschussmitglieder mit den Vertretern der BHRK wurden
folgende Meinungen vertreten:
Allgemein:
* Die bisherige Erörterung der 58 Wünsche nach Staatszielen
wurde im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit der derzeitigen bzw möglichen
Regelungsinhalte geführt. Dabei ist Ausschuss 1 davon ausgegangen, dass die
militärische Landesverteidigung (Art 79 B-VG) unbestritten ist. Die Beratungen
beschränkten sich ausschließlich auf das Staatsziel des Art 9a B-VG und
berücksichtigten nicht die Einbettung des Art 9a B-VG in ein Gesamtkonzept.
* Gemäß der Zielsetzung des Konvents legte Ausschuss 1
seinen Beratungen das Bestreben zugrunde, die Verfassung nach jenen
Staatszielbestimmungen zu sichten, die dem einfachen Gesetzgeber überlassen
werden könnten. Es wurde auch die Meinung vertreten, dass es eigentlich eine
gesellschaftspolitische Frage ist, ob die Landesverteidigung in der Verfassung
zu regeln ist.
* Es wurde die Frage erörtert, wie viel seit Inkrafttreten
der umfassenden Landesverteidigung im Jahr 1975 in den Bereichen der geistigen,
zivilen und wirtschaftlichen Landesverteidigung geschehen ist. Im Bereich der
geistigen Landesverteidigung zB. (Fach „Politische Bildung“ in den Schulen) war
kein großes Engagement festzustellen. Seitens der Vertreter der BHRK wurde
mitgeteilt, dass im BMLV für diese Bereiche ein eigenes Referat unterhalten
wird und koordinierte Übungen im Bereich Zivilschutz ( zB Tankerbergung )
stattfinden.
* Die im Dezember 2001 vom Nationalrat beschlossene
Sicherheits- und Verteidigungs-doktrin hat keine Verfassungsmehrheit und
beinhaltet daher politische Wertungen der derzeitigen Regierungsparteien. Die
Entschließung des Nationalrats hat daher den Charakter eines rechtlich
unverbindlichen Wunsches.
* Diskutiert wird die Frage der Bedeutung, des Umfanges und
der Interpretationsspielräume des Begriffes der „umfassenden
Sicherheitsvorsorge“. Es wird die Notwendigkeit einer genauen
Begriffsdefinition postuliert ( Interpretation analog zur Sicherheits- und
Verteidi-gungsdoktrin, umfasst der Begriff auch die Rechtssicherheit?). Die
Vertreter der BHRK teilen mit, dass die Kommission keine Begriffsdefinition
durchgeführt hat.
* Der europäische Rat hat nach dem Anschlag von Madrid eine
Solidaritätsklausel gegen den Terror (Naturkatastrophe, von Menschen
verursachte Katastrophe und Terroranschläge) geschaffen. Die BHRK hat die
Frage, ob man dafür innerstaatlich eine neue Norm braucht oder nicht, verneint,
da diese drei Fälle bereits derzeit potentielle
Anlassfälle für eine Hilfeleistung im Inland und im Ausland sind. Hingewiesen
wird in diesem Zusammenhang darauf, die Terrorklausel nicht mit den
Petersberg-Aufgaben zu vermischen. Die Textierung sollte hinsichtlich der
verankerten Ausnahmemöglichkeiten für neutrale Staaten genau angesehen werden.
Die Frage der NATO-Bindung wird in diesem Zusammenhang aufgeworfen. Die
Vertreter der BHRK teilten mit, dass sich der Bericht der BHRK im Bereich der
ESVP aufgrund der Unbestimmtheit der EU-Verfassung auf allgemeinere
Empfehlungen beschränkte.
Zu den vorgebrachten
verfassungsgesetzlichen Änderungswünschen der Vertreter der BHRK und den
vorgelegten Textvorschlägen:
* Bezug nehmend auf Art.79 Abs 5
B-VG wird die Wichtigkeit hervorgehoben, dass das Bundesheer nicht
selbstständig bei inneren Unruhen einschreiten darf (zB Vermeidung eines
Putsches). Ausnahmen sind nur im Falle der Verhinderung der zuständigen
Behörden durch höhere Gewalt oder Widerstand gegen eine Abteilung des
Bundesheeres vorgesehen.
* Hinsichtlich der Begriffsdefinition des Formulierungsvorschlages
zum Art 79 Abs 2 B-VG „Das Bundesheer ist bestimmt.....“ wurde die Frage
aufgeworfen, ob damit eine Nichtbeteiligung Österreichs an Maßnahmen möglich
ist. Die Vertreter der BHRK führen dazu aus, dass diese Formulierung als
mögliche Aufgabe des Bundesheeres, wobei auch die Auslandsaufgaben gemeint
sind, zu verstehen ist.
* Der Wunsch nach mehrjährigen verbindlichen Ausgabenplänen
betrifft auch andere Ver-waltungsbereiche.
* Die Möglichkeit wird diskutiert, die Freiwilligkeit der
Teilnahme an Auslandseinsätzen in einfachgesetzlicher Form zu regeln. Aufgrund
des KSE-BVG gibt es dazu derzeit keine rechtliche Grundlage.
* Zu den Zielsetzungen wird festgehalten, dass der Schutz
der Einwohner und demokratischen Einrichtungen gegenüber den europäischen
Zielen vorrangig sei.
* Abg.Dr.Wittmann weist darauf hin, dass als Alternative zum
Textvorschlag der Vertreter der BHRK, das als Arbeitspapier des BMLV vorgelegt
worden ist, der Beibehaltung des Art 9a B-VG der Vorzug zu geben ist.
* Es wird mehrmals darauf hingewiesen, dass die vorgelegten
Textvorschläge Arbeitspapiere des BMLV darstellen und nicht von der BHRK
beschlossen wurden.
2.4 Beratung der weiteren
Vorgangsweise nach Anhörung der Vertreter der BHRK
Die Ausschussmitglieder beraten,
ob es sinnvoll ist, die Beratungen zur ersten Ergänzung des Mandates nunmehr
weiterzuführen und abzuschließen.
Sie kommen überein, dass die Einbeziehung
der EU-Ebene unbedingt erforderlich sei. Den Begriff der BHRK über die
umfassende Sicherheitsvorsorge inhaltlich neu zu formulieren, erscheint ohne
Vorlage eines konsolidierten Textes der EU-Verfassung nicht zweckmäßig zu sein.
Die abschließenden Beratungen werden
daher zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen.
Der Vorsitzende informiert die Ausschussmitglieder vom
Schreiben über die zweite Ergänzung des Mandates des Ausschusses 1 (siehe
Anlage 8 und 9)
Die Ausschussmitglieder sind sich einig, dass beide
Bundesverfassungsgesetze bereits in den Ausschussberatungen – vorbehaltlich
allgemeiner Überlegungen zu den Übergangs-bestimmungen - berücksichtigt wurden (siehe
Ausschussbericht vom 25.Februar 2004, unter Z4).
Eine Integration des Atom-BVG in den Verfassungstext wurde
befürwortet. Im Falle eines Staatszielkataloges mit Übernahme entsprechender
Formulierungen wären diese beiden Bundesverfassungsgesetze jedoch als obsolet
zu betrachten.
In Erledigung der zweiten Ergänzung des Mandates des
Ausschusses 1 wird einvernehmlich im Ausschuss ein Brief an den Vorsitzenden
des Konvents und den Vorsitzenden des Ausschusses 2 formuliert. (siehe
Anlage 10)
Als nächsten Termin für die Fortsetzung der
Beratungen wird voraussichtlich der 17.September 2004, ab 14 Uhr, in
Aussicht genommen.
Vorsitzender des Ausschusses 1: Fachliche
Ausschussunterstützung:
Univ.Prof. DDr. Heinz
Mayer Dr. Renate
Casetti