Protokoll

über die 3. Sitzung der „kleinen Arbeitsgruppe“

des Ausschusses 9

am 22. Jänner 2004, im Parlament, Lokal V

 

Anwesende:

 

Ausschussmitglieder (Vertreter):

 

Univ.-Prof. Dr. Herbert Haller             (Vorsitzender)

Univ.-Prof. Dr. Clemens Jabloner                    (stellvertretender Vorsitzender)

Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk  (nur vormittags)

Univ.-Prof. DDr. Christoph Grabenwarter

Dr. Gerhard Kuras                                                      (als „Begleitperson“ von Dr. Johann Rzeszut)

DDr. Karl Lengheimer

Dr. Johann Rzeszut

Dr. Johannes Schnizer                         (nur vormittags ab ca. 10.15 Uhr)

Dr. Kurt Stürzenbecher                                   (als Vertreter für Mag. Renate Brauner)

 

 

Weitere Teilnehmer:

 

Mag. Ronald Faber                                         (für Univ.-Prof. Dr. Heinz Fischer)

Mag. Gerda Marx                                                       (als „Begleitperson“ von

Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk

            Mag. Wolfgang Steiner                                    (für LT-Präsidentin Angela Orthner)

 

 

Büro des Österreich-Konvents:

 

Dr. Gert Schernthanner                                   (fachliche Ausschussunterstützung)

Sladjana Marinkovic                                       (Ausschusssekretariat)

 

 

Entschuldigt:

 

BM Elisabeth Gehrer

Univ.-Prof. Dr. Gerhart Holzinger

Univ.-Prof. Dr. Karl Korinek

Mag. Terezija Stoisits

 

Beginn:                                  09.30 Uhr

Ende:                                     14.45 Uhr

 

 

Tagesordnungspunkte

 

1)      Begrüßung und Feststellung der Anwesenheit

2)      Genehmigung des Protokolls über die 2. Sitzung der „kleinen Arbeitsgruppe“ des Ausschusses 9 am 15.12.2003

3)      Fortsetzung der Diskussion über die Einführung der (Landes-) Verwaltungsgerichtsbarkeit (1. Instanz), und zwar insbesondere zu folgenden Themen:

1) Nomination und Stellung der Richter der zukünftigen Verwaltungsgerichte (inkl. besoldungsrechtliche Fragen)

2) Umstellung des bisherigen Systems der Unabhängigen Verwaltungssenate auf das zukünftige System der (Landes-) Verwaltungsgerichtsbarkeit – übergangsrechtliche Fragen

3) Zukünftiges Schicksal der Art. 133 Z 4 B-VG-Behörden (Beibehaltung oder „Aufgehen lassen“ in zukünftigen Landesverwaltungsgerichten)?

4) VwGH als reines Revisionsgericht? Ablehnungs- oder Zulässigkeitsmodell?

5) Möglichkeit der Erhebung einer Säumnisbeschwerde bei Untätigkeit der Landesverwaltungsgerichte?

6) Einbeziehung der Finanzgerichtsbarkeit in die zukünftige Landesverwaltungsgerichtsbarkeit?

7) Art der Entscheidungsbefugnis der zukünftigen Landesverwaltungsgerichte: Kassation oder Reformation?

 

4)      Weitere Termine (12.2.2004, 13.2.2004 und ein abschließender Termin Ende Februar 2004)?

5)      Allfälliges

 

 

Tagesordnungspunkt 1: Begrüßung und Feststellung der Anwesenheit

 

Der Ausschussvorsitzende begrüßt die Teilnehmer der Sitzung der Arbeitsgruppe und stellt die Anwesenheit (Umlauf der Anwesenheitsliste) fest.

 

 

 

Tagesordnungspunkt 2: Genehmigung des Protokolls über die 2. Sitzung der „kleinen Arbeitsgruppe“ des Ausschusses 9 am 15.12.2003

 

Das Protokoll über die 2. Sitzung der „kleinen Arbeitsgruppe“ des Ausschusses 9 am 15.12.2003 wird ohne Änderungen genehmigt.

 

 

 

Tagesordnungspunkt 4: Weitere Termine

 

Der Ausschussvorsitzende schlägt folgenden weiteren „Fahrplan“ für den Ausschuss 9 bzw. dessen „kleine Arbeitsgruppe“ vor:

 

- 26.1.2004, ca. 16.00 Uhr (Ende des Konventsplenums) bis 19.00 Uhr: abschließende Sitzung der „kleinen Arbeitsgruppe“ zum Thema „(Landes-) Verwaltungsgerichtsbarkeit“

 

- 28.1.2004, 16.00 Uhr bis 19.00 Uhr: Ausschusssitzung zu den Themen „Ordentliche Gerichtsbarkeit“ und „(Landes-) Verwaltungsgerichtsbarkeit“ inkl. Durchführung von 5 Expertenhearings

 

- 12.2.2004, 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr: Ausschusssitzung zu den Themen „Gerichtsorganisation“ und „Verhältnis der Höchstgerichte zueinander (Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit, Subsidiarantrag)“

 

- 13.2.2004, 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr: Ausschusssitzung zu den Themen „Staatshaftung“ und „Rechtsschutzbeauftragte und Beiräte“

 

- Bis ca. 20.2.2004: Versendung eines Entwurfs des Berichts des Ausschusses 9 an alle Ausschussmitglieder und Einräumung einer etwa einwöchigen Frist zur Durchsicht und allfälligen (schriftlichen) Stellungnahme

 

- 27.2.2004, 15.00 Uhr bis 19.00 Uhr: Abschließende Sitzung des Ausschuss 9 über den versendeten Entwurf des Ausschussberichts und die bis zu diesem Zeitpunkt eingelangten schriftlichen Stellungnahmen

 

Dieser „Fahrplan“ findet in der Arbeitsgruppe einhellige Zustimmung. Der stellvertretende Ausschussvorsitzende schlägt überdies vor, dass vom Ausschussbetreuer – auf der Basis der bereits geleisteten Vorarbeiten – ein (elektronisches) Dokument eröffnet werden solle, in dem – gleichsam in der Art eines „Bausteinsystems“ – die erzielten Ausschussergebnisse Stück für Stück eingebaut werden sollen. Auch dieser Vorschlag findet Zustimmung.

 

 

 

Tagesordnungspunkt 3: Fortsetzung der Diskussion über die Einführung der (Landes-) Verwaltungsgerichtsbarkeit (1. Instanz)

3.1. Nomination und Stellung der Richter der zukünftigen Verwaltungsgerichte (inkl. besoldungsrechtliche Fragen)

3.2. Umstellung des bisherigen Systems der Unabhängigen Verwaltungssenate auf das zukünftige System der (Landes-) Verwaltungsgerichtsbarkeit – übergangsrechtliche Fragen

Der Ausschussvorsitzende fasst die bisherige Diskussion zur Nominierung und Stellung der Richter der zukünftigen Verwaltungsgerichte dahingehend zusammen, dass zunächst von den Verwaltungsgerichten selbst Dreiervorschläge erstattet werden sollten, die Entscheidung letztlich aber durch die Landesregierung zu treffen sei. Insbesondere bei der erstmaligen Bestellung der zukünftigen Verwaltungsrichter sei die Einschaltung des VwGH und des OGH (durch die Möglichkeit zur Abgabe entsprechender Stellungnahmen) zu überlegen. Selbstverständlich seien bei der erstmaligen Ernennung der zukünftigen Verwaltungsrichter die bisherigen Mitglieder der Unabhängigen Verwaltungssenate bevorzugt zu berücksichtigen. Besoldungsrechtlich sollten die zukünftigen Verwaltungsrichter – im Vergleich zu den Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit – irgendwo „oberhalb von LG-Richtern“ und „unterhalb von OLG-Richtern“ angesiedelt werden. Wer von den bisherigen UVS-Mitgliedern nicht in die zukünftigen Verwaltungsgerichte übernommen werde, müsse auch weiterhin eine adäquate Beschäftigung im Landes- oder Bundesdienst finden und dürfe besoldungsmäßig keinesfalls schlechter gestellt werden.

 

Der stellvertretende Ausschussvorsitzende stimmt diesen Ausführungen grundsätzlich zu und führt ergänzend aus, dass es hinsichtlich der Übergangsproblematik im Prinzip zwei Lösungsmodelle gebe: Einerseits könnte man – was die einfachste, aber wohl nicht in jedem Einzelfall die beste Lösung wäre – alle bisherigen UVS-Mitglieder en bloc übernehmen; gegen eine solche Pauschallösung würden aber wohl Bedenken der Länder bestehen. Wenn man eine solche en bloc- Übernahme nicht wolle, sondern sich vielmehr zu einer Art von „Aussiebung“ unter den bisherigen UVS-Mitgliedern entschließe, müsse man den Aspekt des Rechtsschutzes der bisherigen UVS-Mitglieder verstärkt bedenken und dadurch umsetzen, dass man in jenen Fällen, in denen die Landesregierung einen bisherigen UVS-Richter nicht übernehmen wolle, entweder dem VwGH das Recht zur Erstattung einer Stellungnahme oder eines Gutachtens einräume oder aber ein förmliches Verfahren etabliere, in dem der nicht übernommene UVS-Richter einen begründeten Bescheid erhalte, den er dann vor dem VwGH bekämpfen könne. Was die Besoldung anbelange, sei diese etwa bei den Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenats schon derzeit relativ gut (Gehaltsstufe A 1 5). In besoldungsrechtlicher Hinsicht sehe er also keine großen Probleme.

 

In der folgenden Diskussion kann ein gewisser Konsens dahingehend erzielt werden, dass die besoldungsrechtliche Frage insofern von großer Wichtigkeit sei, als die – mit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu erzielende – höhere Qualität der Entscheidungen der Verwaltung sich auch in einer entsprechend höheren Besoldung widerspiegeln müsse; diese besoldungsrechtliche Frage sei aber nicht in der Verfassung, sondern nur auf einfach gesetzlicher Ebene zu regeln. Wenngleich – theoretisch – nicht alle bisherigen UVS-Mitglieder en bloc in die zukünftige Verwaltungsgerichtsbarkeit übernommen werden sollten, es insbesondere keine zwingende Automatik dafür geben solle und die Möglichkeit bestehen bleiben müsse, bisherige UVS-Mitglieder, die sich in der Vergangenheit nicht bewährt hätten, nicht zu übernehmen, sind sich die Arbeitsgruppenmitglieder doch weitestgehend im klaren darüber, dass sich die zukünftigen Verwaltungsgerichte insbesondere in der ersten Phase wohl zum überwiegenden Teil aus den bisherigen UVS-Mitgliedern zusammensetzen werden. Wichtig sei jedoch, einem bisherigen, nicht übernommenen UVS-Mitglied einen gewissen Rechtsschutz (in Form eines rechtsstaatlichen Verfahrens mit Bescheiderlassung und der Möglichkeit der Bekämpfung dieses Bescheids) zu garantieren und ihn für den Fall der endgültigen Nicht-Übernahme existenziell abzusichern. Für den Fall, dass ein bisheriges UVS-Mitglied nicht in das Verwaltungsgericht übernommen werde, müsse eine solche Ausnahme zwar möglich sein, die diesbezügliche Entscheidung der Landesregierung aber begründet werden. Eine Blockübernahme der bisherigen UVS-Mitglieder werde schon deshalb nicht möglich sein, weil ja auch Bewerber von außen, insbesondere eine – prozentuell nicht näher zu bestimmende – Beteiligung von Berufsrichtern wünschenswert sei. Demgegenüber wird freilich geltend gemacht, dass die Zahl der Richter mit der Übertragung neuer Aufgaben jedenfalls erhöht werden müsse.

 

Ein in diesem Zusammenhang vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden erstatteter Vorschlag, wonach ein Mitglied eines UVS nur dann nicht zu einem Richter eines zukünftigen Verwaltungsgerichts ernannt werden solle, wenn seine bisherige Tätigkeit nicht erwarten lasse, dass er sich in Zukunft als Richter des Verwaltungsgerichts bewähren würde (wobei als Kriterien in erster Linie auf die juristische Qualifikation bzw. fachliche Eignung, auf den Arbeitseifer, auf das außerdienstliche Betragen und unter Umständen auch auf die Kenntnis regionaler Besonderheiten abgestellt werden solle; hier könnte § 33 Abs. 2 iVm § 54 Abs. 1 Richterdienstgesetz [RDG] als Vorbild dienen), findet in der Arbeitsgruppe weitgehend Zustimmung. Gleichwohl sind sich die Mitglieder der Arbeitsgruppe dessen bewusst, dass in der Übergangs- und Anfangsphase der Verwaltungsgerichte deren Mitglieder sich zum überwiegenden Teil de facto aus den jetzigen UVS-Mitgliedern zusammensetzen werden.

 

Einigkeit herrscht auch darüber, dass jene UVS-Mitglieder, die nicht in die zukünftigen (Landes-) Verwaltungsgerichte übernommen werden, abgesichert bleiben müssten (nicht nur Gehaltshöhe, sondern auch entsprechend qualifiziertes Tätigkeitsfeld bei Rückkehr in die Landes- oder Bundesverwaltung).

 

Was die Frage der Richterbeteiligung betrifft, herrscht in der Arbeitsgruppe grundsätzlich Konsens darüber, dass Berufsrichter aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit – aufgrund ihrer Ausbildung, ihrer größeren (auch inneren) Unabhängigkeit und den langjährigen positiven Erfahrungen beim VwGH – in die (Landes-) Verwaltungsgerichte aufgenommen werden sollen. Kein Konsens kann über eine bestimmte, zahlenmäßig oder prozentuell festgelegte Richterquote erzielt werden, wenngleich von mancher Seite betont wird, dass gerade eine solche nähere (zahlenmäßige oder prozentuelle) Festlegung als Signal bzw. als besonderer Akzent notwendig wäre, um eine solche Richterbeteiligung auch tatsächlich zu erreichen. Letztlich kann Einstimmigkeit dahingehend erzielt werden, dass die Richterbeteiligung an sich als Soll-Bestimmung in die neue Verfassung aufgenommen werden solle; als Vorbild könnte Art. 129b Abs. 1 letzter Satz B-VG („... Wenigstens der vierte Teil der Mitglieder soll aus Berufsstellungen im Bund entnommen werden.“) dienen, sodass die neue Bestimmung wie folgt lauten könnte:

„Wenigstens der vierte [dritte, fünfte] Teil der Mitglieder [der Landesverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichts erster Instanz] soll aus Berufsstellungen im Bund, vorwiegend [bevorzugt] aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit, entnommen werden.“

 

Was die derzeit geltende Richterauswahl und –ernennung anbelangt, wird abermals ein offeneres und transparenteres Verfahren für die Eingangsphase, insbesondere für die Übernahme zum Richteramtsanwärter, gefordert und einem Concours-Verfahren das Wort geredet. Ebenso wird eine größere Durchlässigkeit der verschiedenen Systeme und eine intensivere Durchmischung der Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit und jener der zukünftigen (Landes-)Verwaltungsgerichte – nach beiden Seiten hin – gefordert. Diesem Ansinnen wird – insbesondere von den Vertretern der ordentlichen Gerichtsbarkeit – entgegengehalten, dass das Auswahlverfahren für Richter schon jetzt offen und transparent sei und ein hohes Maß an Qualität der richterlichen Aus- und Fortbildung erreicht worden sei. Es sei klar, dass angesichts von sehr vielen Bewerbern (pro Quartal allein in Wien) und des Umstands, dass nach Durchführung diverser Kurse und Prüfungen nur etwa 5 Leute pro Quartal übernommen werden könnten, sehr viele „Unzufriedene“ übrig bleiben würden.

 

Konsens besteht darüber, dass bei der Ernennung der zukünftigen (Landes-) Verwaltungsrichter den Verwaltungsgerichten ein Vorschlagsrecht zukommen solle, dass aber letztlich die Landesregierungen zu entscheiden hätten. Hinsichtlich der Bindungswirkung der von den Verwaltungsgerichten zu erstattenden Dreiervorschläge besteht nur insoweit ein gewisser Konsens, als eine einheitliche Vorgangsweise in der ordentlichen Gerichtsbarkeit einerseits und der zukünftigen Verwaltungsgerichtsbarkeit andererseits angestrebt werden solle: Während jedoch die einen der Meinung sind, dass sich das bisherige Bestellungsverfahren im Justizbereich (keine „relative“ Bindungswirkung der Dreiervorschläge der Personalsenate gegenüber dem Justizminister) bewährt habe und dieses Verfahren auch in Zukunft für die Verwaltungsgerichte gelten solle (vgl. Art. 86 B-VG), treten die anderen dafür ein, die nunmehr für die zukünftigen Verwaltungsgerichte notwendig werdende Regelung der Bindungswirkung zum Anlass zu nehmen, auch die Dreiervorschläge der Personalsenate im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Zukunft verbindlich zu machen (zumal diese Personalsenate aufgrund der alle 4 Jahre durchzuführenden Personalsenatswahlen auch in hohem Maße demokratisch legitimiert seien). Um das Gesamtprojekt bzw. das Ziel einer rechtsstaatlichen Verbesserung im Bereich der (vorwiegend) 2. Instanz nicht zu gefährden, zeichnet sich derzeit eher eine Zustimmung zum Verzicht auf bindende Dreiervorschläge ab. Das in der ordentlichen Gerichtsbarkeit so gut wie nicht (und schon lange nicht mehr) in Anspruch genommene Abweichen vom Dreiervorschlag zu Gunsten einer/eines Nichtnominierten wird von einigen Ausschussmitgliedern als präventiv wirkende „Notbremse“ gesehen.

 

In diesem Zusammenhang wird die Meinung vertreten, dass die derzeitige Regelung im Justizbereich, nämlich eine offen als „politisch“ deklarierte Entscheidung durch den Justizminister immer noch besser, jedenfalls ehrlicher sei als die zusehends in Mode kommenden Modelle einer „Pseudo-Objektivierung“, etwa in Form von (bestellten) Gutachten oder (pro forma durchgeführten) Hearings. Es wird darauf hingewiesen, dass der Justizminister – auch wenn er an die von den Personalsenaten erstatteten Dreiervorschläge juristisch nicht (unmittelbar) gebunden ist – unter rechtlichen Bindungen, wie etwa dem Willkür- oder Diskriminierungsverbot stehe.

 

Der Ausschussvorsitzende fasst als Ergebnis der Tagesordnungspunkte 1 und 2 der heutigen Sitzung zusammen, dass die Aufnahme von Berufsrichtern aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit in die zukünftigen Verwaltungsgerichte als Soll-Bestimmung – nach Vorbild des derzeitigen Art. 129b Abs. 1 letzter Satz B-VG – in die Verfassung aufgenommen werden solle, ohne jedoch eine bestimmte ziffernmäßig oder prozentuell festgelegte Quote zu normieren. Hinsichtlich des Ernennungsvorgangs seien zunächst – nicht bindende – Dreiervorschläge durch die Verwaltungsgerichte zu erstatten, die Letztentscheidung sei durch die Landesregierungen zu treffen. Hinsichtlich der Umstellung vom derzeitigen System der UVS auf die zukünftigen Verwaltungsgerichte solle danach getrachtet werden, einerseits möglichst viele UVS-Mitglieder zu übernehmen und andererseits den (wenigen) nicht übernommenen UVS-Mitgliedern Rechtsschutz in Form eines bescheidmäßigen Verfahrens zu gewähren sowie – im Fall der endgültigen Nicht-Übernahme – deren Absicherung zu gewährleisten.

 

 

3.4. VwGH als reines Revisionsgericht? Ablehnungs- oder Zulässigkeitsmodell?

Es wird an die zu diesem Thema bereits geführte Diskussion in der Sitzung vom 21.11.2003 angeknüpft. Letztlich kann ein Konsens für die Einführung des Zulässigkeitsmodells erzielt werden, da dieses kostengünstiger und insofern auch praktikabler sei, als die Parteien in diesem Fall zunächst nur den Zulässigkeitsausspruch und nicht die gesamte Entscheidung (auch ihrem materiellen Inhalt nach) beim VwGH bekämpfen müssten. Dazu komme, dass das Zulässigkeitsmodell den Beschwerdeführer zu einer treffsichereren Argumentation zwinge und insofern auch eine gewisse prohibitive Wirkung haben werde. Dies wird insbesondere auch von den Vertretern der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestätigt, die nach Einführung des Zulässigkeitsmodells in der ZPO einen gewissen Anfallsrückgang festgestellt hätten. Schließlich werde sich auch die durch die Einführung des Zulässigkeitsmodells zu erwartende zeitliche Verzögerung (im Vergleich zum Ablehnungsmodell) in engen Grenzen halten.

 

Konsens kann weiters darüber erzielt werden, dass der VwGH in Zukunft tatsächlich als reines Revisionsgericht eingerichtet werden solle. Dies solle auch für Beschwerden gegen Bescheide von Bundesministern gelten, für die in 1. Instanz weder der VwGH noch das Landesverwaltungsgericht Wien, sondern vielmehr das neu einzurichtende Bundesverwaltungsgericht 1. Instanz (mit Sitz in Wien) zuständig sein solle.

 

 

3.5. Möglichkeit der Erhebung einer Säumnisbeschwerde bei Untätigkeit der Landesverwaltungsgerichte?

Der stellvertretende Ausschussvorsitzende hält zunächst fest, dass eine Säumnisbeschwerde nach Vorbild des Art. 132 B-VG ausschließlich für das Verhältnis zwischen (säumiger) Verwaltungsbehörde und VwGH konzipiert worden sei und auch nur für dieses Verhältnis „passe“. Nicht geeignet sei jedoch die analoge Anwendung dieser Bestimmung auf das Verhältnis zwischen Gerichten untereinander, also etwa zwischen den einzurichtenden Verwaltungsgerichten und dem VwGH. Aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben (Recht auf den gesetzlichen Richter, feste Zuständigkeitsverteilung, feste Geschäftsverteilung etc.) komme eine Verlagerung der Entscheidungsbefugnisse auf den VwGH im Fall der Säumigkeit des Verwaltungsgerichts nicht in Frage. Schließlich wäre – was von den Vertretern der ordentlichen Gerichtsbarkeit nachdrücklich unterstrichen wird – es auch undenkbar, dass etwa im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Fall der Säumigkeit etwa eines Bezirksgerichts die Entscheidungsbefugnis auf den übergeordneten Gerichtshof überginge.

 

Schließlich kann Konsens darüber erzielt werden, dass im Verhältnis zwischen den zukünftigen Verwaltungsgerichten und dem VwGH nicht auf das bestehende Instrument der Säumnisbeschwerde zurückgegriffen, sondern vielmehr ein Aufsichtsrecht des VwGH über die ihm untergeordneten Verwaltungsgerichte etabliert werden solle: Dabei solle der VwGH in einem ersten Schritt dem säumigen Verwaltungsgericht eine bestimmte Frist setzen und in einem zweiten Schritt – im Fall der Verletzung bzw. Überschreitung dieser Frist (nach allfälliger Fristverlängerung) – eine Geldbuße gegen den jeweiligen Rechtsträger (Bund oder Länder) verhängen können. Dabei solle auf die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes zurückgegriffen werden. Ob dann im Innenverhältnis ein Regressanspruch gegen die für die Säumnis verantwortlichen Mitglieder des Verwaltungsgerichts nach den Bestimmungen des Organhaftpflichtgesetzes geltend gemacht wird, bleibe dem schuldig gesprochenen Rechtsträger vorbehalten.

 

 

3.6. Einbeziehung der Finanzgerichtsbarkeit in die zukünftige Landesverwaltungsgerichtsbarkeit?

In der Arbeitsgruppe kann Konsens darüber erzielt werden, dass die vollständige organisatorische Eingliederung der Unabhängigen Finanzsenate in die neu zu errichtenden Verwaltungsgerichte zum jetzigen Zeitpunkt nicht praktikabel und auch nicht klug wäre, zumal dadurch das gesamte Reformprojekt der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit gefährdet werden könnte.

 

Ebenso besteht Konsens darüber, dass – schon aus Vereinheitlichungsgründen – in der Finanzgerichtsbarkeit dieselben rechtsstaatlichen Standards wie bei den neu zu errichtenden Verwaltungsgerichten herrschen sollten und dass gerade in der Finanzgerichtsbarkeit – etwa aufgrund der dort sehr oft auftretenden handelsrechtlichen Probleme – die Beteiligung von Justizrichtern besonders wichtig wäre. Die organisatorische Eingliederung der Unabhängigen Finanzsenate in die zukünftigen Verwaltungsgerichte solle allenfalls langfristig in Angriff genommen werden; dabei könnte man sich hinsichtlich der Größe und der Zahl auch an den seinerzeitigen Finanzlandesdirektionen orientieren.

 

 

3.7. Art der Entscheidungsbefugnis der zukünftigen Landesverwaltungsgerichte: Kassation oder Reformation?

Auch in diesem Punkt wird an die Diskussion in der Sitzung vom 21.11.2003 angeknüpft. Konsens kann darüber erzielt werden, dass die Verwaltungsgerichte in Zukunft – schon aus praktischen Erwägungen und um überflüssige Verfahrensverzögerungen zu vermeiden – grundsätzlich reformatorisch entscheiden sollen, dass sie jedoch darüber hinaus – nach Vorbild des geltenden § 66 Abs. 2 AVG – auch die Möglichkeit zur kassatorischen Entscheidung haben sollten. Auch seitens der Ländervertreter wird dem Modell der Reformatorik zugestimmt, dies jedoch unter der Bedingung, dass die schon bisher der Landesregierung eingeräumte Möglichkeit der Erhebung einer Amtsbeschwerde beim VwGH gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 3 B-VG auch in Zukunft gegen Entscheidungen der Landesverwaltungsgerichte möglich sein solle (gleiches müsse natürlich auch für die Bundesregierung im Fall von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts 1. Instanz gelten). Diese Bedingung findet in der Arbeitsgruppe einhellige Zustimmung, jedoch mit der Einschränkung, dass es bei den nach dem derzeitigen System bestehenden Zugangsbeschränkungen bleiben solle.

 

Einigkeit besteht in der Arbeitsgruppe auch darüber, dass viel schwieriger und für die Praxis bedeutender als die Unterscheidung zwischen Kassatorik und Reformatorik die Frage nach dem freien Ermessen sei, die derzeit in Art. 130 Abs. 2 B-VG geregelt sei. Im Fall von Ermessensentscheidungen der Verwaltungsbehörden solle es in auch Zukunft eine kassatorische Entscheidungsbefugnis geben. Was unter dem „freien Ermessen“ genau zu verstehen sei, sei damit zwar noch nicht beantwortet, könne aber im B-VG ohnedies nicht ausdrücklich und abschließend geregelt werden.

 

 

Exkurs: Weisungsbeschwerde gemäß Art. 81a Abs. 4 B-VG

Der stellvertretende Ausschussvorsitzende schlägt vor, das in Art. 81a Abs. 4 B-VG verankerte Recht der Schulbehörde, gegen eine an sie gerichtete Weisung Beschwerde beim VwGH zu erheben, ersatzlos zu streichen, da von diesem Recht in den letzten Jahrzehnten fast nie Gebrauch gemacht worden sei und es sich um mehr oder weniger „totes Recht“ handle. Dieser Vorschlag findet in der Arbeitsgruppe einhellige Zustimmung.

 

 

3.3. Zukünftiges Schicksal der Art. 133 Z 4 B-VG-Behörden (Beibehaltung oder „Aufgehen lassen“ in zukünftigen Landesverwaltungsgerichten)?

Auch hier wird an die Diskussion der Sitzung vom 21.11.2003 angeknüpft. In der Arbeitsgruppe besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die bestehenden Kollegial- und Sonderbehörden „durchforstet“ werden sollen und in jedem Einzelfall entschieden werden solle, ob diese in die neu zu schaffenden Landesverwaltungsgerichte bzw. das Bundesverwaltungsgericht 1. Instanz eingegliedert werden oder aber – neben diesen – weiterhin selbständig bestehen bleiben sollten. Konsens besteht darüber, dass die (Landes-) Verwaltungsgerichte an die Stelle der Berufungsbehörden treten und jedenfalls alle derzeit von den UVS ausgeübten Kompetenzen in Zukunft ausüben sollten. Der Unabhängige Bundesasylsenat solle in das neu zu schaffende Bundesverwaltungsgericht 1. Instanz eingegliedert werden, die Finanzgerichtsbarkeit solle – wie bereits ausgeführt – zumindest organisatorisch vorerst ausgeklammert bleiben. Hinsichtlich weiterer Kompetenzen, wie etwa dem Bau-, Gewerbe- und Wasserrecht, wird von machen Mitgliedern der Arbeitsgruppe ein (etwa 3- bis 5-jähriger) Übergangszeitraum, gerechnet ab Kundmachung oder Inkrafttreten der neuen Verfassung, vorgeschlagen, innerhalb dessen in den einzelnen Bundesländern einheitliche Lösungen angestrebt werden sollen.

 

Von anderen Mitgliedern wird vorgeschlagen, auf das Instrument der Art. 15a B-VG-Vereinbarung zurückzugreifen: Demnach sollte durch eine Vereinbarung aller Bundesländer (unter Umständen auch einer qualifizierten Mehrheit von Bundesländern) die Eingliederung jetzt bestehender Kollegial- und Sonderbehörden in die zukünftigen Verwaltungsgerichte (mit Geltung für alle Bundesländer) erzielt werden. Dabei könnte man – um dem föderalistischen Gedanken Rechnung zu tragen – etwa nach Vorbild des Art. 95 des EG-Vertrags in der Fassung des Vertrags von Nizza (ehemals Art. 100a) einem Bundesland das Recht einräumen, eine spezielle ländereigene Regelung beizubehalten, wenn dies durch wichtige Erfordernisse sachlich gerechtfertigt ist. Der vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden vorgeschlagene Übergangszeitraum von 5 Jahren (ab Inkrafttreten) wird von manchen Mitgliedern aufgrund organisatorischer Bedenken als zu kurz, von manchen Mitgliedern aufgrund rechtsstaatlicher Überlegungen (Rechtsunsicherheit in der Umstellungsphase) als zu lang qualifiziert. Von den Vertretern der Länder wird noch keine abschließende Stellungnahme abgegeben; sie weisen vielmehr darauf hin, dass diese Diskussion nicht losgelöst von der Frage geführt werden könne, welche Kompetenzen die Länder letztlich erhalten werden; insofern sei die gegenwärtige Diskussion in der Arbeitsgruppe maßgeblich von den Ergebnissen des Ausschusses 5 (Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern) abhängig. Die Ländervertreter regen jedoch an, unter Umständen den Bundesrat in diese Umstellungsproblematik einzubeziehen.

 

 

 

Tagesordnungspunkt 5: Weiteres Vorgehen - Allfälliges

 

Die noch offenen Punkte – insbesondere das zukünftige Schicksal der Art. 133 Z 4 B-VG-Behörden – sollen in der nächsten Sitzung der „kleinen Arbeitsgruppe“ am 26.1.2004, von 16.00 Uhr bis 19.00 Uhr, im Parlament besprochen werden; dabei soll als Grundlage die von der Ausschussbetreuung erarbeitete und an alle Ausschussmitglieder versendete Übersicht über die derzeit bestehenden Behörden auf Bundes- und Länderebene dienen, wobei diese um die in der Zwischenzeit eingelangten Stellungnahmen der Bundesländer Vorarlberg, Salzburg, Steiermark, Oberösterreich und Niederösterreich ergänzt werden solle.

 

 

 

 

 

Vorsitzender des Ausschusses 9:                                             Fachliche Ausschussunterstützung:

 

 

 

 

 

Univ.-Prof. Dr. Herbert Haller e.h.                                                      Dr. Gert Schernthanner e.h.