Frauen und Konvent
"Gendering
der Verfassung"
Inhaltlich,
strukturell und sprachlich!
Die
Geschlechtergleichheit als "roter
Faden", der sich durch die gesamte Verfassung, und daher auch
durch die gesamte Arbeit des Konvents ziehen muss; Gender Beauftragte in jedem Ausschuss zur Durchführung von Gender Analysen. Die Beachtung
des Prinzips des Gender Mainstreaming sollte an sich Aufgabe aller
Konventsmitglieder in allen Gremien, also in den Ausschüssen, im Plenum, im
Präsidium sein; Aufgabe der Gender Beauftragten wäre, auf die Einhaltung dieses
Auftrags zu achten, Vorschläge zu erstatten, vorhandene Papiere auf das
"Gendering" hin zu überprüfen und allenfalls zu überarbeiten.
Herstellung
und Wahrung von Geschlechterparität als unabdingbare Staatsaufgabe "Ewige Verfassungsbestimmung": In allen
staatlichen Institutionen, Gremien, in Organen von Gesetzgebung, Vollziehung,
Kommissionen, etc - auch im Verfassungskonvent!
Ausbau des
Gleichheitssatzes der Bundesverfassung Artikel
7 B‑VG:
-
Verpflichtung zu Geschlechtergleichstellung
und Frauenförderung
diese
Verpflichtung soll für alle Gebietskörperschaften und sonstigen Selbstverwaltungskörper
gelten; also zB auch für die Träger der beruflichen und sozialen
Selbstverwaltung (Kammern, Sozialversicherungsträger)
-
Subjektives Recht jeder Frau auf
Gleichstellung und Frauenförderung
-
Geeigneter Rechtsschutz zur
besseren Durchsetzung dieser Rechte, zB beim Verfassungsgerichtshof,
aber auch bei allen anderen Gerichten; Einführung von Verbandsklagen
(zB Klagerecht für Frauenorganisationen, wenn Ungleichheiten nicht
beseitigt werden bzw keine Fördermaßnahmen ergriffen werden).
Einführung
einer Geschlechterverträglichkeitsprüfung im
Gesetzgebungsverfahren (für alle Gesetze, also einfache Gesetze, Verfassungsgesetze,
Bundesgesetze, Landesgesetze), aber auch bei allen anderen Tätigkeiten
(Vollziehung Privatwirtschaftsverwaltung). Dies dient der Verwirklichung des im
Artikel 3 Absatz 2 des EG-Vertrages verankerten Prinzips des "Gender
Mainstreaming".
Ohne Geschlechterverträglichkeitsprüfung
sollte es auch keinen Konsens über neue Verfassungsbestimmungen geben.
Verpflichtung
aller Gebietskörperschaften und Selbstverwaltungskörper (siehe oben) zur
Durchführung einer solchen Prüfung, zur Evaluierung von Maßnahmen, zur Prüfung
des Ist-Zustandes; festgestellte Ungleichheiten sind dann zu beseitigen, und
geeignete Maßnahmen, zB Frauenfördermaßnahmen zu ergreifen. Verankerung einer
solchen Prüfung im Gesetzgebungsverfahren in der Bundesverfassung und in den
Legistischen Richtlinien.
Weitere
Beispiele für die frauenspezifischen
Gesichtspunkte aller Verfassungsfragen:
-
Geschlechterparität - Paritätsklausel hinsichtlich staatlicher Institutionen
-
Rechtsschutz (Frauen kümmern sich viel weniger um die
Durchsetzung ihrer Rechte als Männer; Untersuchung des Instituts für
Kriminalsoziologie; ökonomische Barrieren aufgrund des geringeren Einkommens
von Frauen!); im Rahmen der Menschenrechte/Artikel 6 der
Menschenrechtskonvention "Recht auf ein faires Verfahren": kein
faires Verfahren gewährleistet, wenn geschlechtsspezifische Barrieren für den
Zugang zum Recht vorhanden sind.
-
politische Partizipation von Frauen - geringe
Repräsentanz von Frauen in staatlichen Organen, zB der Gesetzgebung
(Nationalrat, Bundesrat, Landtage) in Österreich von UN-Bericht festgestellt;
Wahlrecht (zB Listenerstellung, Mandatszuteilung), Parteienförderung müsste
diesen Gesichtspunkt im Hinblick auf eine Hebung von Frauenquoten
berücksichtigen; Höhe der Parteienförderung abhängig von Frauenanteilen
-
Behördenorganisation - Erreichbarkeit von Behörden (geringere
Mobilität von Frauen!), relevant bei Fragen der Dezentralisierung, der Bürger-
und Bürgerinnennähe, der Organisationsstruktur von Verwaltungseinheiten - zB
mittelbare Bundesverwaltung - siehe auch:
-
Föderalismus: strukturkonservatives Element und daher der Herstellung von
Geschlechtergleichheit abträglich oder als Instrument von mehr Bürgernähe
"frauenfreundlich"?
-
Gender Budgeting - frauenspezifische Verteilungsaspekte bei
Budgeterstellung, Finanzausgleich etc beachten - Ausschuss 10
Geschlechtergerechter
Sprachgebrauch: durchgängige Verwendung von Doppelformen; bzw
"alle Menschen" im Bereich der Menschenrechte statt
"jedermann" - kein bloßer Formalismus, sondern Sprache als Ausdruck
von Strukturen, Symbolwirkung!
Einführung
einer Gender Kommission bzw andere Form der institutionellen
Verankerung einer Gender Mainstreaming Stelle; Aufgreifen von Missständen,
Vorschlag von Maßnahmen, laufende Überprüfung von Maßnahmen zur Gleichstellung
und Frauenförderung. Problem: Eine Untätigkeit des Gesetzgebers ist schwer
aufzugreifen; auch sonst stellt sich die Frage, wie Gebietskörperschaften und
Selbstvewaltungskörper zu einem angewandten Handeln im Sinne des Gender
Mainstreaming veranlasst werden können.
Öffentlichkeit
des Konvents - bessere Information über den laufenden Stand
der Diskussionen, der bereits eingebrachten Vorschläge, der Zwischenergebnisse
über die Homepage des Konvents; zB Veröffentlichung aller von NGO's bzw
Einzelpersonen erstatteten Vorschläge
[Artikel 7 Absatz 2 B-VG]*
Vorschlag
(2a) Bund, Länder, Gemeinden und alle sonstigen Selbstverwaltungskörper verpflichten sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, zur Erreichung der Geschlechterparität in allen Bereichen sowie zu Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Gleichstellung. Zur Erfüllung dieser Verpflichtungen haben die Gebietskörperschaften und Selbstverwaltungskörper die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Frauen einerseits und Männer andererseits bei jeder ihrer Maßnahmen, insbesondere im Bereich der Gesetzgebung und Vollziehung, und als Träger von Privatrechten iSd [Artikel 17 B-VG], zu überprüfen (Geschlechterverträglichkeitsprüfung) und geeignete Maßnahmen zur Beseitigung bestehender Ungleichheiten zu ergreifen.
(2b) Jede Frau hat das Recht auf tatsächliche Gleichstellung. Im Falle bestehender Ungleichheiten hat jede Frau ein Recht auf Förder- und Ausgleichsmaßnahmen.
(2c) Zur wirksameren Wahrnehmung der Interessen an der Beseitigung bestehender Ungleichheiten und zur Durchführung von Förder- und Ausgleichsmaßnahmen sind Möglichkeiten einer wirksamen Rechtsdurchsetzung, einschließlich der Anrufung des Verfassungsgerichtshofes, auch für Verbände, Vereinigungen und Einrichtungen, deren Wirkungskreis sich auch auf die Herbeiführung der Geschlechtergleichheit bezieht, vorzusehen.
Erläuterung:
Allgemeines:
Artikel 7 Absatz 2 B-VG beruht in seiner derzeitigen Fassung auf der Novelle BGBl. I Nr. 68/1998. Grund für die damalige Novellierung war die Tatsache, dass die bloß rechtliche Gleichheit vor dem Gesetz nicht genügt, um auch die "de facto" Gleichstellung der Geschlechter - siehe hiezu auf Artikel 4 der CEDAW (Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau,BGBl.Nr. 443/1982) - herbeizuführen. Die damals erzielte Kompromiss-Formel - ein bloßes Bekenntnis zur Gleichstellung der Geschlechter und die Zulässigkeit von Fördermaßnahmen - ist jedoch nicht ausreichend, um die Geschlechtergleichheit wirkungsvoll in der Verfassung zu verankern. Institutionelle Verpflichtungen und subjektive Rechte sind daher unverzichtbar.
Offen bleibt nach wie vor die Frage einer wirksamen Rechtsdurchsetzung. Die Untätigkeit des Gesetzgebers ist schwer zu sanktionieren, eine gesetzgebende Körperschaft kann kaum zu einem bestimmten Handeln veranlasst werden, ohne dadurch in Konflikt mit dem demokratischen Grundprinzip zu gelangen. Andererseits sind Strukturen, in denen mehr als die Hälfte der Bevölkerung, nämlich die Frauen, unterrepräsentiert und gesellschaftlich und ökonomisch benachteiligt sind, ebenso wenig mit dem demokratischen Prinzip vereinbar. Es wurde daher der Weg einer Verpflichtung der Gebietskörperschaften und Selbstverwaltungsträger einerseits und andererseits der Einführung subjektiver Rechte der einzelnen Frau, verstärkt durch den Gesetzesauftrag zur Einführung von Verbandsklagen, gewählt. Zu diskutieren wäre noch, ob nicht auch eigene "Gender Gremien", parlamentarisch und/oder auf der Vollziehungsebene, eingerichtet werden sollten, die Maßnahmen vorschlagen und durchsetzen können sowie eine ständige Gender Analyse und Überprüfung vornehmen - also zB eine "Gender Kommission", zumindest im Parlament.
Besonderes:
Die Verpflichtungen zur Herstellung der Gleichstellung von Frauen und Männern und zur Setzung von Fördermaßnahmen gründet sich auf Artikel 1 bis 4 der CEDAW. Die Geschlechterparität ist Ziel und wichtigstes Instrument zur Erreichung der Geschlechtergleichheit. Neu ist die Einbeziehung der sonstigen Träger der Selbstverwaltung, zB im Bereich der beruflichen und sozialen Selbstverwaltung (zB Kammern, Selbstverwaltungskörper im Bereich der Sozialversicherung). Die Gemeindeverbände wurden als Verpflichtete nicht gesondert angeführt, da davon ausgegangen wurde, dass die Verpflichtung der zuständigen Gesetzgeber (auch im Hinblick auf [Artikel 116a B-VG] ausreicht. Problematisch könnte die Definition des Kreises der Verpflichteten bei Schaffung neuer Strukturen und Einheiten werden; ein Problem, das jetzt bereits im Bereich der Ausgliederungen vorhanden ist (Arbeitsrecht statt Dienstrecht, Gleichbehandlung ohne Frauenförderung in der Privatwirtschaft statt Gleichbehandlungsgesetze des Bundes und der Länder, die die Frauenförderung mitumfassen). Da Ausgliederungen aber in der Regel durch Gesetz zu erfolgen haben, sind die Gebietskörperschaften auch bei Ausgliederungen zur Herstellung der Geschlechtergleichheit und zur Frauenförderung verpflichtet.
Der zweite Satz des Absatz (2a) beinhaltet die Umsetzung des Gender Mainstreaming iSd Artikel 3 Absatz 2 des EG-Vertrages im Bereich Gesetzgebung und Hoheitsverwaltung, aber auch im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung. Eine solche Geschlechterverträglichkeitsprüfung hat einerseits für zukünftige Maßnahmen stattzufinden; andererseits ist aber auch der status quo einer beständigen Überprüfung zu unterziehen sowie bereits getroffene Maßnahmen einer Evaluierung in bestimmten Zeitabständen. Eine aktive Berücksichtigung des Ziels der Gleichstellung der Geschlechter im Bereich des Arbeitslebens ist auch in Artikel 1a der Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen mit der die Richtlinie 76/207/EWG abgeändert wird, vorgesehen.
Um dem Anliegen einer Verfassungsbereinigung im Hinblick auf unklare und schwer durchsetzbare Staatszielbestimmungen Rechnung zu tragen, wurde in Absatz (2b) ein subjektives Recht der Frauen auf Gleichstellung und Förder- und Ausgleichsmaßnahmen eingebaut. Unter Ausgleichsmaßnahmen ist zB ein Recht auf Schadenersatz für Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts zu verstehen.
Absatz (2c) beinhaltet einen Auftrag an den Gesetzgeber, auch an den Verfassungsgesetzgeber, für einen wirksamen Rechtsschutz im Bereich der Herstellung der Geschlechtergleichheit und der Frauenförderung zu sorgen. Der Rolle des Verfassungsgerichtshofes wird hier besonderes Augenmerk zu geben sein, zb in Form der Einführung einer zusätzlichen "Gender Mainstreaming" Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes. Mehr Effizienz der Rechtsdurchsetzung soll auch durch die Einführung von Verbandsklagen zu Gunsten zB von Frauenorganisationen, der Gleichbehandlungsanwaltschaft, etc erreicht werden.