Sehr
geehrter Herr Vorsitzender,
sehr
geehrte Mitglieder des Konvents, sehr geehrte Damen und Herren!
Ich
bedanke mich für die Möglichkeit, die Anliegen der Selbsthilfe im Zusammenhang
mit der neuen Verfassung einzubringen.
Ein wesentliches Anliegen ist die Verankerung der
Selbsthilfe in der Verfassung. Selbsthilfe bezeichnet im weiteren Sinne das
selbstorganisierte Tätigwerden mit anderen und im engeren Sinne die
gegenseitige Hilfe von Personen, die sich aufgrund eines bestimmten Problems –
meist ein gesundheitliches aber auch psychosoziales Problem – zusammengefunden
haben, um sozial handlungsfähig zu bleiben und die Lebens- und
Umweltbedingungen zu verbessern. Das Engagement in der Selbsthilfe ist dabei
ein Mittel, die äußere, also die soziale und gesellschaftliche, sowie die
innere, also die persönliche und psychische Isolation aufzuheben.
Die Selbsthilfebewegung steht für eine Form des
Engagements, das sich aus unmittelbarer Betroffenheit heraus entwickelt und
Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins und Selbstverständnisses der
BürgerInnen ist, die in steigendem Maße eine aktive Rolle im Sinne von
Verantwortungsübernahme und Beteiligung übernehmen. Selbsthilfe ermöglicht
Information, Kommunikation und Bildungsarbeit. Das stärkt die Kompetenz der
PatientInnen und befähigt sie im Sinn des Empowerment.
Die Selbsthilfebewegung hat eine
Organisationsstruktur, die sich in themenspezifischen Selbsthilfegruppen und
Selbsthilfeorganisationen und in themenübergreifenden
Selbsthilfe-Unterstützungseinrichtungen ausdrückt. Derzeit gibt es in
Österreich ca. 1.200 Selbsthilfegruppen und –organisationen mit mehr als
100.000 TeilnehmerInnen. In jedem Bundesland – mit Ausnahme des
Burgenlandes – gibt es zumindest eine themenübergreifende
Selbsthilfe-Unterstützungseinrichtung. Österreichweit haben sich
Selbsthilfe-Unterstützungseinrichtungen zur ArGe Selbsthilfe Österreich
zusammengeschössen, um die Anliegen der Selbsthilfegruppen und –organisationen
in den Bundesländern zu sammeln, zu bündeln und in die entsprechenden Gremien
auf Bundesebene einzubringen. Die Zahl der verschiedenen Formen der Selbsthilfe
werden in dem Maße steigen, wie die Bewältigung komplexer Alltagsprobleme im
Zusammenhang mit chronischer Krankheit bzw. Behinderung, aber auch mit
psychosozialen Schwierigkeiten durch professionelle Leistungsangebote nicht
angemessen bewältigt werden können.
Die
Selbsthilfe muss an patientenrelevanten Entscheidungen beteiligt werden. In
welcher Form diese Beteiligung erfolgen soll ist im Diskussionsprozess zu
klären. Die Vertretungsmöglichkeiten müssen allerdings der Struktur der
Selbsthilfe – die grundsätzlich basisdemokratisch angelegt ist - angemessen
sein und es sind auch die Arbeitsmöglichkeiten zumeist chronisch kranker oder
behinderter Menschen zu berücksichtigen. So ist z.B. ein angemessener Zeitraum
zur Erarbeitung von Stellungnahmen vorzusehen.
Bisher erfolgt die Einbindung der Selbsthilfe nur
punktuell und es kann durchaus von bloßem Formalismus gesprochen werden. Es
müssen die Mitwirkungsmöglichkeiten und die Vertretung der Interessen der
Selbsthilfe gefördert und auch die notwendigen Rahmenbedingungen bereitgestellt
werden.
Die Beteiligung der Selbsthilfe garantiert eine
Versorgung, die sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert. Den
unterschiedlichen Ausbildungsformen der Selbsthilfe kommt eine Signalfunktion
zu, da die Bedürfnisse der Betroffenen zwar aufgezeigt, aber nicht angeboten
werden, d.h. es wird kein künstlicher Bedarf geschaffen und es stehen auch
keine kommerziellen Interessen dahinter.
Durch
das Selbsthilfe-Engagement werden PatientInnen in die Lage versetzt, die
Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens effizient zu nutzen und damit
zu einem effizienten Ressourcenverbrauch beizutragen. Es kann nicht so sein,
dass Versicherte immer höhere Beiträge für ein Versorgungssystem aufbringen
müssen, dessen Weiterentwicklung sie aber kaum beeinflussen können. So sind
z.B. trotz gleicher Beitragszahlung die Leistungen in den Bundesländern
unterschiedlich.
Ein weiteres Anliegen der Selbsthilfe ist die
Verankerung der Patientenrechte in der Verfassung. Derzeit gibt es in fast allen Bundesländern eine
Patientencharta, welche die individuellen Rechte der PatientInnen
zusammenfasst. Die Praxis zeigt aber, dass sich die Umsetzung bzw. Durchsetzung
der Rechte sehr schwierig gestaltet, da kein Rechtsanspruch darauf besteht.
Abschließend möchte ich nochmals mit Nachdruck darauf
hinweisen, dass das ehrenamtliche Engagement der PatientInnen in der
Selbsthilfe in entsprechender Form in die Verfassung aufgenommen wird.