Mümtaz Karakurt

Stellungnahme der ARGE-MigrantInnen Österreich beim Hearing des Österreich-Konvent am 15.12.2003, Bundesratssitzungssaal Wien

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Sehr geehrte Mitglieder des Österreich-Konvents,

meine Damen und Herren!

 

Ich möchte mich im Namen der ARGE MigrantInnenberatung Österreich für die  Einladung herzlich bedanken. Die ARGE MigrantInnenberatung ist eine österreichweite Dachorganisation der MigrantInnenberatungsstellen.

 

Ein wachsender Teil der Bevölkerung in Österreich ist entweder nicht hier geboren oder nicht im Besitz der österreichischen Staatsangehörigkeit. Wie auch Walter und Mayer im Grundriss der Bundesverfassung feststellen, "zeigt die Rechtsentwicklung der neueren Zeit bezüglich der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte eine deutliche Tendenz, die unterschiedliche Behandlung von Staatsbürgern und AusländerInnen zu beseitigen, was sich besonders in der Schaffung der Menschenrechtskonvention samt Zusatzprotokollen manifestiert".

 

Eine neue österreichische Verfassung muss sich vom Konzept der Grundrechte als StaatsbürgerInnenrechte verabschieden und statt dessen jenes der "Wohnbürgerschaft" bzw. der Menschenrechte beinhalten. Bei diesem Konzept steht die Gleichstellung der in Österreich ansässigen MigrantInnen- und Minderheitengruppen mit "StaatsbürgerInnen" als Prinzip im Vordergrund.

 

In Österreich beruht die Diskriminierung u.a. auf dem Artikel 7 B-VG, der das Gleichbehandlungsgebot auf StaatsbürgerInnen einschränkt. Diese Einschränkung ist eine Form der verfassungsrechtlichen Diskriminierung und hat in einer pluralistisch-demokratischen Verfassung nichts verloren. Das Gleichbehandlungsgebot muss auf alle in Österreich ansässigen Menschen ausgedehnt werden.

 

Die Forderung "Gleichheit der Menschen" ist nicht nur ein Instrument der Beziehung zwischen In- und AusländerInnen, sondern ein notwendiger Schritt zur Änderung der Verfassung.

 

Eine weitere verfassungsrechtliche Hürde für MigrantInnen bildet die fehlende Mitbestimmungsmöglichkeit. In Österreich haben Nicht-EU-BürgerInnen (=Drittstaatsangehörige) weder auf kommunaler, noch auf Landes-,  Bundes- oder EU-Ebene Wahlrecht; auch das passive Wahlrecht zum Betriebsrat und zu den Kammern (inkl. Der Österreichischen HochschülerInnenschaft) wird ihnen weiterhin vorenthalten.

 

Ein wesentliches Kennzeichen und Grundgedanke der gelebten Demokratie ist die Möglichkeit der Mitbestimmung, Mitgestaltung und das Recht, sich frei zu artikulieren.

 

Um diesen Grundsätzen zu entsprechen - volles Mitbestimmungsrecht und uneingeschränkte Möglichkeit zur freien Artikulation -  ist die Einführung des Wahlrechts unumgänglich. Da die österreichische Verfassung das Wahlrecht auf StaatsbürgerInnen einschränkt, kann dieses demokratische Defizit ohne Verfassungsänderung nicht aufgehoben werden.

 

Weiters möchte ich erwähnen, dass die Umsetzung von Urteilen und Aufforderungen der internationalen Organisationen (UNO- Menschenrechtskonvention, EuGH für Menschenrechte, EU-Kommission..) in Österreich sehr schleppend umgesetzt wird und hier Reformen dringend notwendig erscheinen.

 

Obwohl die Bundesregierung zur Umsetzung der Antirassismus-Richtlinie der EU bis 19. Juli 2003 verpflichtet gewesen wäre, wurde diese bis heute nicht umgesetzt. Auch die Frist bis 2. Dezember 2003 für die Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie in Beschäftigung und Beruf ist ohne die Verabschiedung entsprechender gesetzlicher Bestimmungen verstrichen. Um den Rassismus wirkungsvoll bekämpfen zu können, sollten ein umfassender Gleichbehandlungsgrundsatz und Regelungen zu Antidiskriminierung in der Bundesverfassung verankert werden.

 

Eine weitere Ungleichbehandlung von niedergelassenen Drittstaatsangehörigen mit ÖsterreicherInnen findet sich beim Zugang zum öffentlichen Dienst. Der gleiche Zugang zu öffentlichen Ämtern besteht nämlich wie der Gleichheitsgrundsatz nur für österreichische StaatsbürgerInnen. Um eine möglichst diskriminierungsfreie Behandlung von niedergelassenen AusländerInnen zu gewährleisten, sollte bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung diese Einschränkung auf Bereiche der streng hoheitlichen Aufgaben beschränkt werden.

 

Angesichts der aktuellen Lage der AsylwerberInnen in Österreich wird deutlich, dass die Aufnahme von Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention in den zu schaffenden Grundrechtskatalog der Verfassung und die grundrechtliche Absicherung dieser Rechte dringend notwendig ist.

 

Meine Damen und Herren,

jede Schlechterstellung oder Behinderung von in Österreich ansässigen Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, ethnischer oder kultureller Zugehörigkeit oder Staatsangehörigkeit beim Zugang zu Ressourcen oder bei der Teilhabe am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Leben ist inakzeptabel und muss durch Antidiskriminierungsbestimmungen in der Verfassung verhindert und durch antirassistische Politik und Praxis verteidigt werden.

 

Um die historischen Defizite und Ungleichbehandlungen aufzuheben, die Normen der Menschen- und BürgerInnenrechte auf alle Menschen, die in Österreich ansässig sind, auszudehnen, sind die erwähnten Änderungen unabdingbar. Ich hoffe und ersuche, dass die von mir dargestellten Vorschläge in die zukünftige Verfassung aufgenommen werden.

 

Ich danke für die Aufmerksamkeit, Tesekkür ederim, Hvala!

 

Mümtaz KARAKURT

 

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