Österreich Konvent

 

Stellungnahme der Österreichischen Forschungsgemeinschaft

 

anlässlich der Anhörung am

26.01.2004

 

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

Meine Damen und Herren!

 

 

Aus der Sicht der Österreichischen Forschungsgemeinschaft sind für den Wissenschaftsbereich in der Verfassung zwei zentrale Fragen zu regeln und zu garantieren: Einerseits die individuelle Wissenschaftsfreiheit, andererseits die Autonomie der in Forschung und Lehre tätigen Institutionen sowie der Forschungsförderungseinrichtungen. Vor allem die Unabhängigkeit der teilweise oder zur Gänze aus öffentlichen Mitteln finanzierten Förderungseinrichtungen ist aus unserer Sicht wichtig, um ihre Effizienz zu gewährleisten und die Autonomie dauerhaft außer Streit zu stellen.

 

An der Frage, wie hoch der Stellenwert von Wissenschaft und Forschung ist, entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit Österreichs. Wir sind uns bewusst, dass über diese Frage nicht Verfassungsbestimmungen entscheiden, sondern die konkrete Wissenschaftspolitik und ein politisches Klima, in dem Wissenschaftler den Eindruck haben, dass ihre Arbeit geschätzt und gefördert wird. Nachdem aber die Förderung der Forschung eine öffentliche Aufgabe ist, an deren Erfüllung der Staat maßgeblich interessiert ist, weil sie für die Gesellschaft, ihre Entwicklung und die Chancen im internationalen Wettbewerb von grundlegender Bedeutung ist, sollte die Förderung der Wissenschaften auch als Zielbestimmung in eine neue Verfassung aufgenommen werden.

 

Ich möchte noch zwei speziellere Fragen ansprechen:

 

Nicht nur der Bund, sondern auch andere Gebietskörperschaften tragen wesentlich zur Wissenschaftsförderung in Österreich bei. Als eine von Mitteln des Bundes und der Bundesländer getragene private Einrichtung ist die Österreichische Forschungsgemeinschaft ein Beispiel für positive Synergien aus dem Zusammenwirken verschiedener Gebietskörperschaften. Wir sprechen uns für eine möglichst offene Kompetenzverteilung in der Wissenschaftsförderung aus, um alle Gebietskörperschaften zu spezifischen Beiträgen zur Wissenschaftsförderung zu motivieren. Sicherlich ist die Art der dafür erforderlichen Regelungen davon abhängig, wie der Konvent insgesamt die Kompetenzverteilung rechtlich regeln wird. Wichtig erscheint mir, dass in der künftigen Lösung den Gebietskörperschaften - auch nicht ungewollt - neue Fesseln angelegt werden. Anders – und zwar negativ - ist die Frage der Zersplitterung der Forschungsagenden innerhalb der Bundesverwaltung auf eine Reihe von Ressorts zu beurteilen.

 

Für die Attraktivität österreichischer Bildungseinrichtungen und für die Ausbildungschancen der Studierenden ist es auch wichtig, dass eine klare verfassungsmäßige Absicherung der Möglichkeit, Vorlesungen, Prüfungen und schriftliche Arbeiten in Fremdsprachen zu halten, vorgesehen wird. Ich ersuche die Konventsmitglieder um Prüfung, ob die bestehenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen ausreichen, um prinzipiell im gesamten Studienbereich auch Fremdsprachen anwenden zu können. Eine übersichtliche Rechtslage würde zu einer wünschenswerten stärkeren Verwendung der heute bereits in einzelnen Studiengesetzen gegebenen Möglichkeiten führen. Ich möchte generell anregen, dass der Konvent prüft, ob in der Verfassung noch eine Staatssprachen-bestimmung erforderlich und zeitgemäß ist.

 

Erlauben Sie mir noch ein Wort zu unserer eigenen Forschungsarbeit: Innerhalb der Österreichischen Forschungsgemeinschaft befasst sich eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Titel „Wege zur Civil Society in Österreich“ mit neuen Formen der Beteiligung von Einzelpersonen und Interessensorganisationen am öffentlichen Leben und an politischen Prozessen. Meine kritische und bereits in Stellungnahmen vieler anderer ähnlich formulierte Bemerkung lautet: Die Zusammensetzung und Arbeitsweise des Österreich Konvents scheint uns nicht ausreichend zu gewährleisten, dass inhaltliche Anliegen dieses Sektors umfassend in den Entscheidungsprozess über eine neue Verfassung einbezogen werden und damit für die politische Modernisierung entscheidende Themen wie stärkere Partizipation der Bürger und adäquate Gestaltungsräume für Nichtregierungsorganisationen auch tatsächlich im Ergebnis der Konventsarbeit zum Ausdruck kommen können.

 

Wir wollen daher in den nächsten Monaten die Arbeit des Konvents in Form eines „zivilgesellschaftlichen monitoring“ unterstützen und dabei jene Fragen behandeln, in denen eine neue Verfassung Beiträge zur Stärkung der „Civil Society“ in Österreich leisten kann. Die Regeln des Umgangs zwischen Staat und Zivilgesellschaft scheinen uns nicht nebensächlich, sondern sollten etwa in Form einer Verpflichtung, bei neuen Gesetzen auch ihre Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Staat und Zivilgesellschaft (Zivilverträglichkeit) zu prüfen, verbessert werden.

 

Wien, 26. Jänner 2004

Generalsekretär Dr. Emil Brix