Gedanken- und Gewissensfreiheit,
Religionsfreiheit
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1.
Artikel Y, C 12, Seite 2, Absatz 6 hat zu lauten:
„(6) Anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften haben das Recht,
innerhalb ihrer Autonomie Einrichtungen mit Rechtspersönlichkeit für den
staatlichen Bereich zu gründen.
Sie sind verpflichtet, diese und deren Organe dem Staat anzuzeigen. Sie sind berechtigt, zur
Deckung ihres Personal- und Sachbedarfes von ihren Mitgliedern Beiträge
einzuheben.“
Erläuterungen:
Die Expertengruppe hat zur Kenntnis genommen, dass in der Diskussion zu
Absatz 6 und Absatz 7 des Ausschussentwurfes 1. März 2004 ein hohes Maß an
Konfliktpotential festgestellt wurde, wobei insbesondere die mangelnde Transparenz
der Organisation der einzelnen anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften
geortet wurde.
Diese mangelnde Transparenz soll mit dem obigen Vorschlag der Einführung
des Satzes, „Sie sind verpflichtet, diese und deren Organe dem Staat anzuzeigen.“,
beseitigt werden.
Der Staat hat dann die Möglichkeit, neben dem Verzeichnis der anerkannten
Kirchen und Religionsgesellschaften einerseits und der religiösen Bekenntnisgemeinschaften
andererseits auch ein Register der Rechtspersonen und deren Organe anzulegen,
welches sowohl die Einrichtungen der anerkannten Kirchen und
Religionsgesellschaften mit Rechtspersönlichkeit einerseits, als auch deren
Vertretung transparent macht.
Überdies wird der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich ein
Internet-Portal mit den entsprechenden „Links“ auf die einzelnen Kirchen
anbieten.
Nach Meinung der Expertengruppe ist dadurch Gewähr gegeben, dass nach
Aufbau dieses Registers die fehlende Transparenz der Organisation und der entsprechenden
Vertretungen wegfällt. Zur Aufarbeitung schon bestehender Rechtspersonen
können die Verzeichnisse über die Rechtspersonen und ihre Vertretungen, welche
die anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften führen, dem Staat zur
Verfügung gestellt werden.
2. Begutachtungsrecht der
anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften im Gesetzgebungsverfahren des
Bundes:
Bei der Durchsicht und Kenntnisnahme des Berichtes des
Ausschusses 3 (Seite 14) ist die Expertengruppe zur folgenden Auffassung
gelangt:
Wenn schon der Städtebund und der Gemeindebund ein verfassungsrechtlich
gewährleistetes Begutachtungsrecht erhalten, muss dieses jedenfalls auch den
anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften auf Grund ihrer besonderen
Stellung und Aufgabe zukommen.
Das auf gesetzlicher Grundlage (Protestantengesetz 1961) geregelte Recht
auf Teilnahme am Begutachtungsverfahren von Bundesgesetzen sollte, wenn es
nun verfassungsmäßig geregelt
wird, im Sinne des bestehenden Begutachtungsrechtes auf die anerkannten
Kirchen und Religionsgesellschaften ausgedehnt werden. Dies würde verhindern,
dass einzelne Korporationen ihr Begutachtungsrecht auf Grund der
Bundesverfassung geltend machen können, die anerkannten Kirchen und
Religionsgesellschaften jedoch ein solches Begutachtungsrecht nur auf
gesetzlicher Stufe haben würden.
Die Positionierung in der Bundesverfassung müsste bei den verfassungsrechtlichen
Bestimmungen über das Begutachtungsverfahren erfolgen.
3.
Absatz 7
Die Expertengruppe
hat die kontroverse Diskussion und die Positionen, die in dieser Diskussion
aufgelistet wurden, studiert und erörtert.
Unter Bedachtnahme auf diese Positionen und nach ausführlicher Diskussion
in der Expertengruppe wird nunmehr der folgender neuer modifizierte
Formulierungsvorschlag zu Absatz 7 erstattet:
„Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften genießen den Beistand des Staates. Über grundsätzliche Entwicklungen, welche die Interessen dieser Kirchen und Religionsgesellschaften sowie die des Staates berühren, pflegen beide einen regelmäßigen, offenen und transparenten Dialog.“
Erläuterungen:
Die Expertengruppe ist auf Grund der tieferstehenden Überlegungen zur
übereinstimmenden Meinung gelangt, dass der nicht verabschiedete Absatz 7 in
der nunmehr modifizierten Form
nochmals im Ausschuss, falls dies nicht möglich ist, im Präsidium diskutiert
werden sollte.
1.
Der „staatliche Beistand“ ist schon im Anerkennungsgesetz 1874, welches
nach wie vor zum Rechtsbestand der Republik Österreich gehört, für alle
anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften vorgesehen und stellt daher kein Novum dar .
2.
Unter Bedachtnahme auf die Neuformulierung des Absatzes 6 ist die nunmehr
in abgeänderter Formulierung vorgeschlagene Dialogklausel auch im Hinblick auf
die erforderliche Transparenz und Definition des Teilnehmerkreises
verfassungstauglich.
3.
Die in Rede stehende Bestimmung hat auch im Konventsentwurf der Europäischen Verfassung (Artikel I –
51 Absatz 3) ihren Platz gefunden. In der Annahme, dass der Abschluss des
Verfassungsvertrages der Union (vorbehaltlich des Ratifizierungsverfahrens)
noch vor Abschluss der Arbeiten des österreichischen Verfassungskonvents
(nämlich noch unter irischem Vorsitz) erfolgen könnte, wäre eine Harmonisierung
der österreichischen Verfassung mit dem Artikel I-51 Absatz 3 mutatis mutandis
(d.h. unter Anpassung an die österreichische Verfassungslage) zweckmäßig und
anzustreben.
4.
Kirchen und Religionsgesellschaften nehmen an der Zivilgesellschaft teil,
sind aber nicht Teile der Zivilgesellschaft, sondern reichen darüber hinaus.
Der Verfassungskonvent der Union hat diesem Umstand dadurch Rechnung getragen,
dass der Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften (Artikel I-51)
abgesondert von den Bestimmungen über den Grundsatz der partizipativen
Demokratie (Artikel 46) geregelt wurde. Die besondere Identität der Kirchen und
Religionsgesellschaften, auf die im Artikel I-51 besonders Bedacht genommen
wird, besteht auch darin, dass die Kirchen und Religionsgesellschaften schwer
verzichtbare Beiträge zur notwendigen Bereitschaft der Bürger, den
demokratischen Konsens aus freien Stücken zu akzeptieren und zu seiner
Realisierung beizutragen, über gesellschaftliche Barrieren hinweg leisten
können. Dies bedarf eines vertrauensvollen Gesprächsverhältnisses zwischen
Kirche und Staat und einer ebenso vollständigen wie jeweils aktuellen
Gesprächskultur.
5.
Die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften und der
Staat sollten deshalb im beiderseitigen Interesse und vor allem im Interesse
der Zivilgesellschaft in grundsätzlichen, beide Teile berührenden Themen nicht
nur gelegentlich Kontakt nehmen, sondern einen offenen, regelmäßigen und
transparenten Dialog pflegen, in dessen Rahmen beide Dialogpartner ihre
notwendigen Beiträge zum Gemeinwohl leisten können (vgl. die auch für unser
Land relevante Diskussion über die „Seele“ der Europäischen Union, anders
gesagt, über das Problem der weithin mangelnden Motivation der Bürger, für den
Staat Verantwortung zu übernehmen und an der Realisierung der Staatsziele aus
freiem Entschluss und über gesetzliche Regelungen und Zwänge hinaus mitzuwirken
– das „Böckenförde –Dilemma“).
Dadurch werden die anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften als
Vermittler von Werten für die Gemeinschaft und damit für den Staat wirksam,
eine Aufgabe, die der säkulare Staat von sich aus nicht erfüllen kann.
6.
Die christlichen Kirchen sind,
wie die Vorschläge zu Absatz 6 zeigen, an Transparenz interessiert, aber auch
daran, dass im Interesse der Gesellschaft ein Miteinander von Staat, Kirchen
und Religionsgesellschaften ermöglicht wird. Mit einem Streben nach
Machtausübung im staatlichen Bereich hat dieses Anliegen nichts zu tun. Im
Gegenteil: Gegenseitige offene,
transparente regelmäßige Information und Aussprache unterstreicht die
Unabhängigkeit der Gesprächspartner („freie Kirche im freien Staat“). Die
Kirchen und Religionsgesellschaften wollen im staatlichen Bereich keine Macht
ausüben, sondern die Entwicklung in „kirchenspezifischen“ (vgl. die
Einschränkung gegenüber dem Ursprungstext!) Grundsatzangelegenheiten zeitgerecht beraten und begleiten,
anstatt die gegebenenfalls notwendigen staatlichen Reaktionen auf solche
Entwicklungen nur im Nachhinein zu
kritisieren oder gar zu konterkarieren (vgl. zahlreiche Beispiele aus der Gegenwart,
auf die im vorliegenden Rahmen nicht weiter einzugehen ist). Der angestrebte
Gleichklang ohne Vernachlässigung existentieller Überzeugungen ist aber nur
dann herstellbar, wenn der gewünschte Dialog nicht nur zufällig, sondern institutionell stattfindet.
Schon durch die gewünschte Offenheit und Transparenz ist jeder Fehlentwicklung
wirksam vorgebeugt.
7.
Auf dem im Ursprungstext enthaltenen Bezug auf die besondere Identität und
den gesamtstaatlichen Beitrag der Kirchen und Religionsgesellschaften wird im
modifizierten Textvorschlag nicht
mehr Bedacht genommen, weil diese für das Verständnis und die Interpretation
der Bestimmung nötigen Verweise
ebensogut in die Begründung der angestrebten Regelung übernommen werden
können.