2. Juni 2004

 

Abweichende Kostentragung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag

(Ruppe/Schnizer)

 

 

Problem:

§ 2 F-VG 1948 sieht in der geltenden Fassung vor, dass die Kostentragung sich grundsätzlich nach der Vollziehungszuständigkeit richtet. Der “zuständige” Gesetzgeber kann davon Abweichendes verfügen. Nach hA sind daher sowohl Kostenüberwälzungen als auch Kostenübernahmen zulässig, wenn ihnen ein Akt des zuständigen Gesetzgebers zugrunde liegt. Daneben war es gängige Praxis, abweichende Kostentragungen im Wege privatrechtlicher Vereinbarungen zwischen den Gebietskörperschaften vorzusehen. Dieser Praxis ist die Rechtsprechung des OGH entgegengetreten, die unter Hinweis auf den Wortlaut des § 2 F-VG (Abweichungen nur durch Gesetz) derartige Vereinbarungen für nichtig erklärt hat. Da in der Praxis ein Bedürfnis bestehen dürfte, abweichende Kostentragungen (Kostenübernahmen, Mitfinanzierungen und dgl.) auch unterhalb der Gesetzgebungsebene zu vereinbaren, sollte erwogen werden, die Möglichkeit abweichender Kostentragungsvereinbarungen ausdrücklich zuzulassen.

 

Lösung:

Zu erwägen wäre hiefür die Rechtsform eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. Nach der Judikatur des VfGH kann der einfache Gesetzgeber Verwaltungsbehörden zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge ermächtigen, wenn dies mit dem in der Bundesverfassung vorgezeichneten Rechtsschutzsystem vereinbar ist (zuletzt VfGH 23. 1. 2004, G 359/02 unter Verweis auf VfSlg 9886/1983 und 9226/1981). Im gegebenen Zusammenhang ist jedoch an eine verfassungsrechtliche Ermächtigung zu denken, da es um Ausnahmen vom verfassungsrechtlichen Grundsatz der eigenen Kostentragung in § 2 F-VG geht.

 

            Vereinbarungen dieser Art sollten einerseits zwischen den Partnern des Finanzausgleichspaktums möglich sein, das heißt zwischen dem Bund, der Gesamtheit der Länder und der Gesamtheit der Gemeinden. Eine solche Regelung könnte rechtstechnisch an

die Regelungen des BVG Gemeindebund (BGBl I 61/1998) anschließen. Dort werden einerseits Bund, Länder und Gemeinden (diese vertreten durch den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund) ermächtigt, miteinander Vereinbarungen über einen Konsultationsmechanismus und einen Stabilitätspakt abzuschließen. Nach Art. 2  können diese Vereinbarungen von § 2 F-VG abweichende Regeln über die Tragung des Aufwandes der Gebietskörperschaften vorsehen.  Auf diese Vereinbarungen sind allerdings – wenn auch modifiziert – die für Vereinbarungen nach Art. 15a Abs. 1 B-VG geltenden Vorschriften anzuwenden. Die hier vorgeschlagene Lösung würde derartige, von § 2 F-VG abweichende Kostentragungsvereinbarungen unabhängig vom Konsultationsmechanismus und Stabilitätspakt und ohne Anwendung der Regeln des Art 15a B-VG zulassen.

Zum anderen sollten solche Vereinbarungen aber auch zwischen einzelnen Gebietskörperschaften verschiedener Ebenen oder derselben Ebene geschlossen werden können.

 Soweit derartige Vereinbarungen zu Kostenübernahmen führen, ist eine budgetmäßige Abdeckung erforderlich. Darüber hinausgehende einfachgesetzliche Grundlagen sind zwar nicht schädlich (die Vereinbarung wäre in diesem Fall eine Durchführung dieser gesetzlichen Ermächtigung), im übrigen aber  nicht erforderlich, soweit die Vereinbarung nicht gegen zwingende einfachgesetzliche Normen verstößt.

Ob ein Bedürfnis besteht, derartige Vereinbarungen der Kontrolle des VfGH nach Art. 138a B-VG zu unterwerfen, ist eine rechtspolitische Frage, die mE eher zu verneinen ist.

Eine andere Frage ist, wer für die Entscheidung von Streitigkeiten über die Erfüllung der aus der Vereinbarung resultierenden finanziellen Verpflichtungen zuständig sein soll. An sich wäre dies nach Art. 137 B-VG der Verfassungsgerichtshof, der jedoch zur Bewältigung solcher vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn sie häufiger vorkommen, von seiner Struktur her nicht unbedingt geeignet erscheint; zumindest eine Vorinstanz wäre wünschenswert. Denkbar wäre auch eine Regelung, die die Zuständigkeit des VfGH gemäß Art. 137 B-VG vorsieht, sofern nicht in der Vereinbarung die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte vorgesehen ist.