Mandat
des Präsidiums des Österreich-Konvents
für den Ausschuss 1
(Staatsaufgaben und Staatsziele)
(Entwurf)
Ausschuss 1
Staatsaufgaben und Staatsziele
Der Konvent hat
dem Ausschuss 1 folgendes Thema zugewiesen:
Staatsaufgaben
und Staatsziele:
Umfassende Analyse der Staatsaufgaben und der Frage staatlicher Kernaufgaben.
Frage eines umfassenden Kataloges von Staatszielen in der Bundesverfassung.
1.
Staatsaufgaben
Es gibt keinen
gesetzlich festgelegten Katalog an Staatsaufgaben. Als Grundlage für die
Analyse der Staatsaufgaben könnte der von der Aufgabenreformkommission
(Ergebnisbericht vom März 2001) vorgelegte Aufgabenkatalog, aufgegliedert nach Bund, Ländern und
Gemeinden, dienen (angeschlossen als Beilage).
Welche Aufgaben nimmt der Staat wahr ?
Wie sind sie auf die Gebietskörperschaften aufgeteilt?
2. Staatsziele
Die in der
Verfassung (B-VG und andere Verfassungsgesetze) normierten Staatsziele sind
höchst unterschiedlich, beispielsweise: Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht
(Art 13 Abs 2 B-VG), Umfassender Umweltschutz, Gleichbehandlung der
Geschlechter und Gleichstellung behinderter Menschen (Art 7 Abs 1 und 2 B-VG),
Neutralität (Neutralitätsgesetz 1955), Umfassende Landesverteidigung (Art 9a
B-VG), Verbot der nationalsozialistischen Wiederbetätigung (Art 9,10 StV Wien),
Rundfunk als öffentliche Aufgabe (B-VG Rundfunk). Es ist zu klären, ob die
Staatsziele in diesem Umfang beibehalten, verringert oder erweitert werden
sollen.
Welche Verfassungsbestimmungen enthalten derzeit Staatsziele?
Welche Staatszieldefinitionen gibt es in ausländischen Rechtsordnungen, z.B.: BRD und Schweiz?
Welche der derzeitigen Staatsziele sind entbehrlich, welche sollten hinzugefügt werden?
Welche Staatsziele stellen sich nur als programmatische Erklärungen dar und welche haben Garantiefunktion ?
Sollen alle Staatsziele grundsätzlich (bzw. mit welchen Ausnahmen?) mit einer Garantiefunktion und damit mit einem Rechtsanspruch für den/die Bürger/Bürgerin ausgestattet werden?
Nach welchen Kriterien soll ein Katalog der Staatsziele erstellt werden?
3. Kernaufgaben
des Staates
Definition
eines Kernbereiches „genuiner“ Aufgaben des Staates, der nicht Privaten
überlassen werden kann. Zum Kernbereich der staatlichen Verwaltung wird z.B.
die innere und äußere Sicherheit gezählt. Bei der Sicherung der Daseinsvorsorge
wäre der Umfang des Versorgungsauftrages zu klären.
Welche Kernaufgaben des Staates lassen sich aus den Staatszielen ableiten?
Welche Kernaufgaben zählen zu den nicht ausgliederbaren „Bereichen staatlicher Verwaltung“? (z.B.: Innere und äußere Sicherheit; Strafrechtswesen; grundrechtliche Schutzpflichten)
Soll die Sicherung der Daseinsvorsorge als Kernaufgabe bestehen bleiben und welchen Umfang soll sie einnehmen ?
4. Verminderung von Staatsaufgaben
Es wäre zu klären, ob die derzeit vom Staat
wahrgenommenen Aufgaben dem derzeitigen und dem zukünftigen Bedarf angepasst
sind. Die Aufgabenzuordnung zu den Gebietskörperschaften müsste überdacht und
geregelt werden (Anknüpfungspunkt zu Ausschuss 5).
Welche Staatsaufgaben können aus derzeitiger Sicht ersatzlos entfallen, und zwar
a) aufgrund mangelnden Bedarfes
b) nicht mehr zeitgemäß
c) kein Konnex zu Staatszielen und Kernaufgaben
d) aus ökonomischen Gründen (Verwaltungsreform: Anknüpfungspunkt zu Ausschuss 6)
Welche Aufgaben werden aufgrund der technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in 20,30 Jahren notwendig sein und sollten daher berücksichtigt werden ?
Welche dieser Aufgaben wäre zweckmäßigerweise welcher Gebietskörperschaft in der Vollziehung (Bund, Länder oder Gemeinden) zuzuordnen?
5. Aufgabenerfüllung
Die Gebietskörperschaften (öffentliche Hand) können sowohl
hoheitliche als auch privatwirtschaftliche Aufgaben wahrnehmen. Die Ausübung
der Hoheitsverwaltung ist jedoch den Gebietskörperschaften nicht vorbehalten
(z.B.: AMA, AMS, Austro Control);
Bei der Abgabe von Aufgaben durch die öffentliche Hand ist zu
unterscheiden zwischen Outsourcing (Heranziehung von Privaten als bloße
Erfüllungsgehilfen, zB Gebäudereinigung, Aufgaben im Umweltrecht, Wasserrecht,
Gewerberecht, funktioneller Privatisierung, Auslagerung), der Ausgliederung
von Aufgaben (Übertragung einer öffentlichen Aufgabe auf einen Rechtsträger
unter Einfluss der Gebietskörperschaft; Organisationsprivatisierung; formelle
Privatisierung) und der „echten“ Privatisierung (bei der die Aufgabe
vollständig abgegeben wird, materielle Privatisierung).
Hinsichtlich des Themas Ausgliederung besteht eine Schnittstelle zum
Ausschuss 7.
Soll die Ausübung hoheitlicher Aufgaben der öffentlichen Hand vorbehalten bleiben; Vor- und Nachteile ?
Wenn nein: Welche hoheitlichen Aufgaben eignen sich nach den Kriterien der Effizienz und Zweckmäßigkeit für Outsourcing oder Ausgliederung?
Soll sich die öffentliche Hand grundsätzlich von allen Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung zurückziehen? (Einhaltung des Effizienzgebotes der Verfassung? Öffentliches Interesse an der Besorgung der Aufgabe?)
Welche Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung könnten effizienter von privaten Unternehmungen wahrgenommen werden? (Gibt es auch einen Markt für diese Leistungen?)
Welche dieser Aufgaben eignen sich für Outsourcing, Ausgliederung oder Privatisierung?
Könnte eine verbindliche Alternativenprüfung bei Ausgliederungsvorhaben (ob Aufgabe für die öffentliche Hand verzichtbar wäre) eingeführt werden? (Anknüpfungspunkt zu Ausschuss 7)
Im Speziellen sollte noch auf folgende Problematik eingegangen
werden:
Aus Kostengründen sollte die Entwicklung und Erhaltung von staatlichen Strukturen nur für jene Staatsaufgaben vorgenommen werden, die in unmittelbarer staatlicher Verwaltung verbleiben.
Wie kann eine der Aufgabenerfüllung angepasste Redimensionierung der Verwaltungs-strukturen gewährleistet werden? ( Vermeidung von Überhängen, Verzerrung der Effizienz)
Soll der verfassungsmäßige Status der „nicht ausgliederbaren“ Beamten unangetastet
bleiben ?
Wie kann der trotz Ausgliederung bestehende Verwaltungsaufwand für die verbleibenden Beamten (z.B.: Vielzahl von Dienstbehörden) reduziert werden?
6. Staatsaufsicht bzw Kontrolle über ausgegliederte und ausgelagerte
Aufgaben
Die Verantwortung für die Erfüllung der ausgegliederten oder
ausgelagerten Aufgabe verbleibt beim Staat. Daher soll ein ausreichender
staatlicher Einfluss sichergestellt werden. Dies kann durch Rechte der
öffentlichen Hand als Allein- oder Mehrheitseigentümer, Weisungsrechte,
spezifische Mittel der Rechtsaufsicht, Bestellung und Abberufung von Organen
ausgegliederter Rechtsträger durchgeführt werden. An die Stelle der
Leistungsgarantie der öffentlichen Hand tritt die Gewährleistungsgarantie. Es
sollte geklärt werden, ob die derzeitigen Instrumente staatlicher Steuerung
ausreichend sind oder ein Veränderungsbedarf besteht (Anknüpfungspunkt zu
Ausschuss 7 und Ausschuss 8).
Ist der staatliche Einfluss ausreichend und einheitlich geregelt? (z.B.: Weisungsrecht des Bundesministers bei der Spanischen Hofreitschule gesetzlich geregelt, aber nicht bei den Bundesmuseen; Gesellschaften öffentlichen Rechts bzw. Anstalten sind eigenständige Rechtsträger ohne private Eigentümerrechte der öffentlichen Hand).
Wie soll die Erfüllung von Aufgaben mit Leistungsverantwortung der öffentlichen Hand gewährleistet werden? (z.B.: Outsoucing von Leistungen wie Müllabfuhr, Wasserversorgung, Gärtnereien, Umweltschutz).
7. Regelung in
der Verfassung
Die im B-VG
enthaltenen Kompetenztatbestände sind nur Ermächtigungs-, aber keine Auftragsnormen.
Im stark organisationsrechtlich geprägten B-VG fehlen materielle
Aufgabenzuweisungen.
Welche Staatsziele und staatlichen Kernaufgaben sollten in der Verfassung geregelt werden?
Sollten die Staatsaufgaben in der Verfassung verankert werden?
Soll die verfassungsrechtlich vorgesehene grundsätzliche Wahlfreiheit zwischen Eigenverwaltung durch die öffentliche Hand, Ausgliederung und Outsourcing beibehalten werden?
Gibt es einen zusätzlichen verfassungsgesetzlichen Regelungsbedarf betreffend die Ausgliederung und das Outsourcing von Staatsaufgaben?
8. Zeitplan
Der Ausschuss hat dem Präsidium spätestens 4 Monate nach seiner konstituierenden Sitzung einen schriftlichen Bericht (mit Textvorschlägen für eine neue Verfassung) über die Ergebnisse der Beratungen vorzulegen.