Mandat
des
Präsidiums des Österreich-Konvents
für
den Ausschuss 3
(Staatliche
Institutionen)
(Entwurf)
Ausschuss
3
Staatliche
Institutionen
1.
Der Konvent hat dem
Ausschuss 1 folgendes Thema zugewiesen:
Staatliche Institutionen:
Aufbau des Staates (Bund, Länder, Gemeinden,
Selbstverwaltung), Wahlen, Verfassungsautonomie, Verhältnis zwischen
Gesetzgebung und Vollziehung unter dem Gesichtspunkt des Legalitätsprinzips
sowie der EU-Rechtssetzung.
2.
Der zugewiesene
Themenkomplex betrifft vor allem
·
Fragen der Bestellung
(der Wahl), der Einrichtung und der Aufgaben der Organe der Gesetzgebung bzw.
der obersten Organe der Verwaltung sowie
·
Fragen des
Verhältnisses zwischen den Gebietskörperschaften und ihren jeweiligen
Rechtsakten (dies betrifft insbesondere die Verfassungsautonomie, somit das
Verhältnis zwischen Bundesverfassungsrecht und Landesverfassungsrecht).
Das Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Vollziehung
wird insbesondere daraufhin zu untersuchen sein, ob die Balance zwischen diesen
beiden Gewalten in Richtung einer verstärkten Eigenständigkeit der Verwaltung
verschoben werden soll.
Im Einzelnen bestehen folgende Frage- und
Problemeinstellungen:
3.
Im Zusammenhang mit
Wahlen sollten folgende Punkte geklärt werden (die aufgeworfenen Punkte
betreffen primär die Wahl der Abgeordneten zum Nationalrat, teilweise auch die
Wahl der Abgeordneten zum Europäischen Parlament und der Mitglieder der
Landtage sowie die Wahl des Gemeinderates oder des Bundespräsidenten):
·
Soll der Grundsatz des
Verhältniswahlrechts abgeändert oder zumindest eingeschränkt werden? Wie wird
in diesem Fall die ausreichende Berücksichtigung von Kleinparteien
sichergestellt?
·
Sollen bei der Wahl der
Abgeordneten zum Nationalrat verstärkt Elemente einer Persönlichkeitswahl
eingeführt werden?
·
Soll das Wahlalter
herabgesetzt werden?
·
Soll die Wahlpflicht,
soweit sie noch besteht, aufgehoben werden?
4.1. Gesetzgebung
des Bundes:
4.1.1. Im
Zusammenhang mit dem Nationalrat sollte folgender Punkt geklärt werden:
·
Soll die Anzahl der
Abgeordneten zum Nationalrat geändert werden; soll eine dementsprechende
Regelung auf verfassungsrechtlicher Ebene getroffen werden?
4.1.2. Im
Zusammenhang mit dem Bundesrat sollten folgende Punkte geklärt werden:
·
Worin liegt derzeit die
– echte oder vermeintliche – Schwäche des Bundesrates? (Sind seine Kompetenzen
tatsächlich so gering oder werden sie nur nicht wahrgenommen?)
·
Soll der Bundesrat
abgeschafft werden? Wie soll in diesem Fall die Beteiligung der Bundesländer an
der Gesetzgebung des Bundes ausgestaltet werden? (Generallandtag?)
·
Wie soll sich der
Bundesrat zusammensetzen (Entsendung durch die Landtage, weisungsgebundene
Vertreter der Landesregierungen, Direktwahl durch das Landesvolk)?
·
Soll der Bundesrat
verstärkt zu einer echten Länderkammer umgestaltet werden (etwa indem alle
Bundesländer gleich stark vertreten sind oder die Abstimmung nach Bundesländern
erfolgt)?
·
Sollen die Kompetenzen
des Bundesrates erweitert werden (etwa durch erweiterte
Zustimmungserfordernisse oder durch das Recht, inhaltliche Änderungen zu den
Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates vorzuschlagen)?
4.2 Im
Zusammenhang mit der Vollziehung des Bundes sollten folgende Punkte geklärt
werden:
·
Soll das Amt des
Bundespräsidenten mit einer anderen Funktion (Bundeskanzler, Präsident des
Nationalrates) zusammengelegt werden?
·
Sollen die Kompetenzen
des Bundespräsidenten verändert werden (z.B. Streichung der Befugnis zur
Begnadigung, zur Auflösung des Nationalrates bzw. von Landtagen oder zur
Entlassung der Bundesregierung; Aufhebung der grundsätzlichen Bindung des
Bundespräsidenten an einen Vorschlag der Bundesregierung)?
In welchem Umfang soll dem
Bundespräsidenten bei der Beurkundung von Bundesgesetzen eine Prüfungsbefugnis
zukommen? (Soll z.B. die Möglichkeit einer präventiven Normenkontrolle vor dem
Verfassungsgerichtshof eröffnet werden?)
·
Soll der
Bestellungsmodus der Bundesregierung geändert werden (etwa eine Wahl oder
Bestätigung durch den Nationalrat)?
·
Soll das Prinzip
der Stimmeneinhelligkeit bei
Beschlüssen der Bundesregierung geändert werden?
5. Das
Verhältnis zwischen Bund und Ländern ist auf rechtlicher Ebene durch den
Grundsatz der relativen Verfassungsautonomie der Länder bestimmt. Danach darf
die Landesverfassung die Bundesverfassung nicht berühren; in den Bereichen, in
denen die Bundesverfassung keine Regelungen trifft, bestehen allerdings keine
Vorgaben. Bevor auf die staatliche Organisation auf der Ebene der Länder
eingegangen wird, ist daher zu klären, ob dieser Grundsatz beibehalten werden
soll. Daran anschließend ist festzulegen, welche Vorgaben für die Länder
überhaupt auf bundesverfassungsrechtlicher Ebene getroffen werden sollen. (Eine
Vielzahl bundesverfassungsrechtlicher Vorgaben schränkt den
Gestaltungsspielraum der Länder ein, verhindert aber eine noch größere
Rechtszersplitterung.)
Konkret könnte etwa in Frage gestellt werden,
Umgekehrt könnte die Frage gestellt werden,
6. Im
Zusammenhang mit der Gesetzgebung und Vollziehung der Länder sollten folgende
Punkte geklärt werden:
o
über die Einrichtung
der Landesregierung nach dem Kollegial- bzw. dem Ressortsystem bzw.
o
über die Bestellung der
Landesregierung als Konzentrations- oder Koalitionsregierung getroffen werden?
7. Im
Zusammenhang mit den Gemeinden sollten folgende Punkte geklärt werden:
·
Hat sich die bestehende
Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltung gemäß Art. 118 B-VG in der Praxis
bewährt oder soll der Umfang des eigenen
Wirkungsbereiches
geändert werden? (Probleme können insbesondere daraus resultieren, dass unterschiedlich
große Gemeinden nicht gleichermaßen geeignet sind, bestimmte Angelegenheiten zu
besorgen.)
·
Soll eine
verfassungsrechtliche Grundlage für die Einrichtung von Gebietsgemeinden
geschaffen werden? Im Zusammenhang damit könnte auch die - im Ausschuss 6 zu
behandelnde – Frage aufgeworfen werden, ob derartige Gebietsgemeinden an die
Stelle der Bezirkshauptmannschaften treten könnten.
8. Im
Zusammenhang mit dem Verhältnis zwischen der Gesetzgebung und der
Vollziehung
sollten folgende Punkte geklärt werden:
·
Soll das
Legalitätsprinzip dahingehend eingeschränkt werden, dass das Gesetz (entweder
generell oder nur in bestimmten Bereichen) nicht mehr Voraussetzung, sondern
lediglich Schranke für das Handeln der Verwaltung darstellt. (Dies würde die
Flexibilität in der Verwaltung erhöhen, aber zu Lasten der Rechtssicherheit des
Einzelnen gehen.) Zu klären wäre diesfalls, welche Auswirkungen eine derartige
Einschränkung auf das demokratische und das rechtsstaatliche Grundprinzip der
Verfassung hätte.
Soll die Lehre
und Rechtssprechung vertretenen These vom „differenzierten Legalitätsprinzip“
(der Grad der Bestimmtheit eines Gesetzes richtet sich nach der Eigenart der zu
regelnden Materie) einer verfassungsrechtlichen Regelung zugeführt werden?
·
Soll die Möglichkeit
der innerstaatlichen Umsetzung von gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien auf
Verordnungsebene eingeräumt werden?
·
Soll der Problembereich
der fehlenden Geltung des Legalitätsprinzips in der nicht hoheitlichen
Verwaltung einer verfassungsrechtlichen Regelung zugeführt werden (etwa indem
für eine Gesetzesbindung nicht auf die Form des Handelns, sondern auf die
Eingriffsintensität der Regelung abgestellt wird)?
9. Zeitplan
Der Ausschuss hat dem Präsidium spätestens 4 Monate
nach seiner konstituierenden Sitzung einen schriftlichen Bericht (mit
Textvorschlägen für eine neue Verfassung) über die Ergebnisse der Beratungen
vorzulegen.