Mandat

 

des Präsidiums des Österreich-Konvents

für den Ausschuss 9

(Rechtsschutz, Gerichtsbarkeit)

 

 

 

(Entwurf)

 


Ausschuss 9

Rechtsschutz, Gerichtsbarkeit

 

Der Konvent hat dem Ausschuss 9 folgendes Thema zugewiesen:

 

Rechtsschutz, Gerichtsbarkeit:

Einrichtung eines effizienten und effektiven Rechtsschutzes unter dem Gesichtspunkt bürgerinnen- und bürgernaher Entscheidungen.

·              Ordentliche Gerichtsbarkeit

·              Gerichtshöfe öffentlichen Rechts

·              Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern

·              Sondersenate

 

 

I.)   Allgemein

 

1.)   Gerichtsbarkeit ® Ausbau zu gleichberechtigter 3. Gewalt/Staatsfunktion?

a)         organisatorisch (personell): Richterwahl statt Ernennung?

         Einführung einer richterlichen Selbstverwaltung? (vgl. Markel, RZ 2003)

         Wenn ja: Wie sollte sie beschaffen sein?

b)         finanziell (Budgethoheit)

 

2.)   Nachteile des Ausbaues der Gerichtsbarkeit zur 3. Gewalt? ® Kosten?

 

 

 

II.)   Ordentliche Gerichtsbarkeit

 

1.)   Reduzierung der 4-stufigen Gerichtsorganisation?

a)      Vorteile: Rechtssicherheit, leichterer Zugang der Parteien zum Gericht, sparsamere Justizverwaltung, Wegfall der Zuständigkeitsregeln zur Abgrenzung Bezirksgericht/Gerichtshof erster Instanz (Fasching, Kommentar, 2000, 377, mit weiteren Nachweisen)

b)         Nachteile: Bedenken der Gemeinden? (sh Fasching, aaO)

c)         Kosten

 

2.)     Neue Organisation (3-stufig)

-         einheitliche Eingangsgerichte (in der Verfassung zu verankern?; schon bei Walter, 1980) - OLG - OGH;

-         derzeit im B-VG: BG (Art 8 Abs 5 lit d ÜG 1920 - inkorporieren? und OGH (Art 92 B-VG) – sh 4.)

-      Rechtspfleger in der Verfassung belassen (Art 87a B-VG)?

-      Sprengelrichter (Art 88a B-VG) beibehalten (dazu ua Piska, JBI 1997)?

-      Feste Geschäftsverteilung verfassungsrechtlich absichern?

-         Verfassungsgesetzliche Garantie der Geschworenen- und Schöffengerichte (Art 91 B-VG) beibehalten?

 

3.)   Unabhängige Staatsanwaltschaft

a)      Vorteile: „Entpolitisierung“ der Staatsanwaltschaft (vgl Modelle bei Schick, ÖJZ 2002); Staatsanwaltschaft der Staatsfunktion Gerichtsbarkeit zugeordnet, daher Gewaltenteilungsgrundsatz gewährleistet (ähnlich: Schweizer Reform?);

 

b)      Nachteile: Strafanspruch des Staates mangels Weisungsbefugnis des Justizministeriums gefährdet?

c)         Kosten ?

d)      Bestandsgarantie der Staatsanwaltschaft ausdrücklich in die Verfassung aufnehmen (Novelle des derzeitigen Art 90 Abs 2 B-VG, sh Schick, aaO)?

e)       Absicherung des strafprozessnahen Vorverfahrens?

 

4.)   Sprengeländerung der Gerichte bloß durch Bundesgesetz?

 

 

III.)   Gerichtshöfe öffentlichen Rechts

 

1.)   Problembereiche

         -         VwGH: Belastung; „Entlastungsnovellen“ – was haben diese gebracht?; angemessene Verfahrensdauer; Umfang der Kognitionsbefugnis; Anwendung von Gemeinschaftsrecht

 

   -         VfGH: Einführung von „Kausalsenaten“?; Tagung in Permanenz?; Grundrechtsbeschwerde und Individualanfechtung beim VfGH wegen Anwendung verfassungswidriger genereller Normen bei

            Entscheidungen der ordentlichen Gerichtsbarkeit?;

            Neuordnung Verhältnis VfGH/VwGH: Teilweise Aufhebung der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit, Individualanfechtung analog der ordentlichen Gerichtsbarkeit, Umkehrung der Sukzessivbeschwerde?;

            VfGH als „negativer Gesetzgeber“; Aufhebung von Verfassungsgesetzen wegen „Baugesetzwidrigkeit“; angemessene Verfahrensdauer

 

2.)   Mitwirkungsrechte der Länder bei Bestellung der Spitzen und der Zusammensetzung?

VwGH:

-         Historisch: Bestellung von 1/2 der Mitglieder und des Vizepräsidenten unter Mitwirkung des Bundesrates

 

VfGH:

-         Historisch: Wahl durch Nationalrat und Bundesrat, damit erreicht: Vertretung der Länder; Politisierung;

 

Andere Lösungsmodelle?

 

3.)   Bestellungsvorgang – Transparenz – Hearing

      -         Selbstergänzung (VwGH) – Wahl durch die Bundesversammlung (sh Klecatsky-Walzel v. Wiesentreu, 1994) – andere Lösungsmodelle?

         -      Verfassungsrichter: Hauptberuf versus „Nebenamt“

 

4.)   Dissenting Opinion zulassen?

         Dazu: ua Klecatsky, aaO, 490; parlamentarische Enquete zum Minderheitsvotum 1998, Bericht III/151 dB, XX.GP.

 

5.)   Kostentragung auch durch Länder? (weil: gemeinsame Bund - Länder - Organe)

 

IV.)   Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern

 

1.)   Problemstellung – Kompetenzen, Instanzenzug

         Landesverwaltungsgerichte (oder „Tribunale“? dazu ua Jabloner, Reformmodelle, 1999; Grabenwarter, JBI 1998):

         Grundsätzliche Konstruktion (9 Landesverwaltungsgerichte, 9+1-Modell, Bundesverwaltungsgerichte in OLG-Sprengeln, gemeinsame Landesverwaltungsgerichte mehrerer Länder)?

 

         Organisatorische Fragen: wie viel davon muss in die Verfassung?

         -     Art 82 Abs 1 ändern („Alle Gerichtsbarkeit geht vom Bund aus“)?

         -      Stellung der Mitglieder, richterliche Garantien (insbes. Unabhängigkeit)

   -     Art der Ernennung (durch Organe, deren Entscheidungen kontrolliert werden? Maßgebliche Mitwirkung der Landesverwaltungsgerichte / des VwGH?)

         -     Zivil- und Strafsenate? Einzelrichter? Art der Geschäftsverteilung?

         -      Richterdrittel?

 

         Funktionelle Fragen:

         -      kassatorische/reformatorische Entscheidungsbefugnis?

         -         einheitlicher (zweistufiger?) Instanzenzug in der Verwaltung/Verhältnis von LVwG/VwGH; Einheitlichkeit der Rechtssprechung

         -      Abgaben- und Finanzstrafsachen?

         -      Sonstige Bundesmaterien: Bundes-VwGH? (vgl IA 306/A XIX GP)

         -      Rechtszug im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden?

         -      Säumnisschutz

2.)   Kostentragung (durch wen?)

 

V.)   Sondersenate

Problemstellung – Änderungsbedarf;

-               Typenvielfalt: notwenig?

 

Organisatorisch finden sich folgende Typen:

-         Verwaltungssenate aufgrund von Verfassungsbestimmung (ZB Bundesvergabeamt, UBAS, UFS)

-         Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag gem. Art 133 Z 4 (zB Bundeskommunikationssenat; auch Landesgesetze sind möglich)

 

Funktionell gibt es diese Typen:

-               Kollegialbehörden mit Kontrollfunktion (zB Bundeskommunikationssenat)

-         Verwaltungsstrafbehörden (Instanz?) („Tribunale“; zB UVS, Unabhängiger Finanzsenat)

-               Kollegialbehörden als Schiedsinstanzen (Schlichtungsstellen nach ArbVG)

-         Verwaltungsführung durch Kollegialbehörden (zB Telekom-Control-Kommission); nicht primär Rechtsschutzbehörden

-               Disziplinarbehörden der freien Berufe

-               Schulbehörden, Akademische Behörden

      (vgl Aufsatz Grabenwarter; spricht von ca. 60 Bundes- u. Landesbehörden)

-     Soll der VwGH grundsätzlich immer für die Einheitlichkeit der Rechtssprechung sorgen?

-     Alle „Sondersenate“ inkorporieren? (eigenes Hauptstück? Oder in VI. Hauptstück „Garantien der Verfassung und der Verwaltung“?)

 

 

VI.)   Amtshaftung, Organhaftung, Staatshaftung

 

Haftung für legislatives/judikatives Unrecht in der Verfassung verankern?

(vgl Jud, ecolex 2003; Klagian; ZfRV 1997); insbesondere Haftung für Nichtumsetzung von EU-Richtlinien und für Verletzung der Vorlagepflicht durch Höchstgerichte?

 

 

VIII.)            Zeitplan

 

Der Ausschuss hat dem Präsidium spätestens 4 Monate nach seiner konstituierenden Sitzung einen schriftlichen Bericht (mit Textvorschlägen für eine neue Verfassung) über die Ergebnisse der Beratungen vorzulegen.