Gabriele Kucsko-Stadlmayer, Universität Wien

 

 

Auskunftspflicht

 

Formulierungsvorschlag für Art 20 Abs. 3 und 4 B-VG

 

 

(3) Jede Person[i] hat ein Recht auf Auskunft[ii] gegenüber den Organen der Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit.[iii] Dieses Recht schließt den Zugang zu Dokumenten[iv] mit ein. Es erstreckt sich auf den jeweiligen Wirkungsbereich der Organe. Seine Ausübung wird durch Bundesgesetz geregelt. Abweichende Regelungen können in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind.[v]

 

(4) Das Auskunftsrecht kann durch Gesetz Bedingungen und Einschränkungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit, der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und Verbrechensverhütung, zum Schutz der Gesundheit und der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer oder zum Schutz von Ansehen und Unparteilichkeit der Recht-sprechung notwendig sind.[vi] Berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird.

 

 



[i] Das Recht sollte – entsprechend der geltenden Rechtslage – nicht nur natürlichen, sondern auch juristischen Personen zustehen. Die Staatsangehörigkeit sollte wie bisher keine Voraussetzung für das Auskunftsrecht sein.

 

[ii] Damit soll erstmals ein subjektives Recht auf Auskunft verfassungsgesetzlich gewährleistet werden.

 

[iii] Mit dieser Formulierung sind alle Staatsfunktionen und damit alle Organe der Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) im funktionellen Sinn erfasst. Die Organe selbständiger Rechtsträger, also auch juristischer Personen des öffentlichen Rechts, sind von der Auskunftspflicht nur insofern betroffen, als sie hoheitliche Aufgaben besorgen (insb. Selbstverwaltungskörper und Beliehene). Für andere ausgegliederte Rechtsträger kann die Auskunftspflicht differenziert geregelt werden.

 

[iv] Als abstrakte Umschreibung der zugänglichen Datenarten bietet sich der Begriff der „Dokumente“ an: Dieser ist als Überbegriff für alle Arten von Akten und elektronischen Datenträgern zweckmäßig. Näheres, wie zB. eine Differenzierung zwischen verschiedenen Arten des Zugangs zu diesen, auch zwischen dem Zugang zu dauerhaften und jenem zu nicht dauerhaften Datenträgern, kann einfachgesetzlich normiert werden.

 

[v] Eine solche Kompetenzregelung ist – zur Vereinheitlichung der Bestimmungen über die Auskunftspflicht – zweckmäßiger als die jetzt geltende.

 

[vi] Damit wird der einfache Gesetzgeber zur Normierung von Verschwiegenheitspflichten ermächtigt, aber nicht verpflichtet. Zur Einschränkung dieser Ermächtigung kann der in Art 10 Abs 2 EMRK enthaltene Gesetzesvorbehalt übernommen werden; dies ist zur Koordinierung mit dieser – ebenfalls in Verfassungsrang geltenden – Bestimmung zweckmäßig.