Sozialdemokratische Initiativen

im Österreich-Konvent

 

 

Textvorschläge und Dokumente der mit der Sozialdemokratie zusammenarbeitenden Mitglieder im Österreich-Konvent

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zusammengestellt von Dr. Ronald Faber LL.M. und Eva Strodl

Jänner 2005

 

 


 

 

Vorbemerkung:

Diese Sammlung enthält im Österreich-Konvent eingebrachte schriftliche Textvorschläge, Positionspapiere und weitere Dokumente aus dem Kreis der mit der Sozialdemokratie im Konvent zusammenarbeitenden Konventsmitglieder. Sie dokumentiert das Bemühen der Sozialdemokratie um eine umfassende und zukunftsweisende Reform der österreichischen Bundesverfassung.

 

Die Zusammenstellung folgt der Gliederung des Konvents in Arbeitsausschüsse und das Präsidium. Bei jedem Dokument ist die Sitzung vermerkt, in der das Papier eingebracht wurde. Nicht aufgenommen wurden – von Ausnahmen abgesehen – die schriftlichen Vorarbeiten und Anmerkungen zu den Ausschussberichten.

 

 

 

 

 

 


 

INHALTSVERZEICHNIS

 

1      Ausschuss 1 – Staatsaufgaben und Staatsziele   8

1.1       Häupl Michael, Dr. 8

1.1.1        Stellungnahme Mandat 8

1.1.2        Erster Textvorschlag zur Verankerung der Daseinsvorsorge in der Bundesverfassung  11

1.1.3        3. Textvorschlag zur Verankerung der Leistungen im allgemeinen Interesse in der Bundesverfassung  12

1.2       Häupl Michael, Dr./Wittmann Peter, Dr. 15

1.2.1        Weiterer Textvorschlag zur Verankerung der Daseinsvorsorge in der Bundesverfassung  15

1.3       Öhlinger Theo, Dr. Univ. Prof. 18

1.3.1        Stellungnahme Mandat 18

1.3.2        Stellungnahme zur Neutralität 20

1.4       Specht Leopold, Dr. 22

1.4.1        Stellungnahme zur Vorgangsweise des Ausschusses 1  22

1.4.2        Textvorschlag zur Neutralität 24

1.5       Verzetnitsch Fritz  26

1.5.1        Stellungnahme Mandat 26

1.5.2        Textvorschlag zur Sozialen Sicherheit und Arbeit 27

1.5.3        Formulierungsvorschlag zum Staatsziel Bildung  27

1.5.4        Formulierungsvorschlag zur Sozialen Sicherheit und Arbeit 29

1.5.5        Formulierungsvorschlag zum Gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht 29

1.5.6        Textvorschlag zumUmfassenden Umweltschutz  29

1.5.7        Textvorschlag zur Sozialpartnerschaft 30

1.5.8        Stellungnahme zur Sozialpartnerschaft 30

1.6       Verzetnitsch Fritz (gemeinsam mit Lichtenberger Eva, Dr.) 30

1.6.1        Textvorschlag Gleichstellung von Behinderten  30

1.7       Wittmann Peter, Dr. 31

1.7.1        Stellungnahme Mandat 31

1.7.2        Textvorschlag zur Daseinsvorsorge  32

1.7.3        Stellungnahme zur Neutralität 35

1.7.4        Textvorschlag zur Gleichstellung von Mann/Frau  36

1.7.5        Textvorschlag zum Staatsziel Volksgruppen  36

1.7.6        Textvorschlag zum Staatsziel Medienvielfalt 36

1.7.7        Textvorschlag zum Staatsziel „Friedenspolitik“  36


 

2      Ausschuss 2 – Legistische Strukturfragen   37

2.1       Jabloner Clemens, Dr. Univ.Prof. 37

2.1.1        Legistische Missstände  37

2.2       Öhlinger Theo, Dr. Univ. Prof. 39

2.2.1        Formulierungsvorschlag - Stellung Österreichs in der EU   39

2.2.2        Was soll eine Verfassungsurkunde enthalten?  42

2.2.3        Neufassung der Art. 9 Abs. 2 und 50 B-VG   47

2.2.4        Neuformulierung Bundes- und Landesgrenzen  50

2.2.5        Genehmigung von Staatsverträgen  53

2.2.6        Mitgliedschaft UNO   58

2.3       Schnizer Johannes, Dr. 61

2.3.1        Staatsgrenze  61

2.3.2        Vermögenssubstanzsicherung Elektrizitätsunternehmen  64

2.4       Wiederin Ewald, Dr. Univ. Prof. 65

2.4.1        Diskussionspapier zur Legistischen Binnenstruktur der neuen Verfassung  65

2.4.2        „Inhaltsverzeichnis“ einer neuen Bundesverfassung  94

2.4.3        Legistik  100

2.4.4        Vermögenssubstanzsicherung  105

3      Ausschuss 3 – Staatliche Institutionen   106

3.1       Hatzl Johann  106

3.1.1        Stellungnahme zum Mandat 106

3.2       Häupl Michael, Dr. 107

3.2.1        Gemeinden  107

3.3       Konecny Albrecht, Prof. 116

3.3.1        Stellungnahme Mandat 116

3.4       Kostelka Peter, Dr. 118

3.4.1        Textvorschlag Art. 26 – 33 B-VG samt Begleitschreiben  118

3.5       Matzka Manfred, Dr. 128

3.5.1        Stellungnahme Mandat 128

3.6       Schnizer Johannes, Dr. 130

3.6.1        Textvorschlag Gemeinden  130

3.6.2        Legalitätsprinzip  136

4      Ausschuss 4 – Grundrechtskatalog   137

4.1       Das Sozialdemokratische Grundrechtsforum   137

4.1.1        Bericht über das Sozialdemokratische Grundrechtsforum   137

4.1.2        Grundrechtskatalog des Sozialdemokratischen Grundrechtsforums  138

4.2       Berger Maria, Dr. 149

4.2.1        Diskussionsvorschläge zu Rundfunk- und Meinungsfreiheit 149

4.3       Funk Bernd-Christian, Dr. Univ. Prof. 150

4.3.1        Strategiepapier 150

4.3.2        Privatsphäre  153

4.3.3        Verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrechte – Rechtsgrundlagen  155

4.3.4        Vorschlag Meinungsfreiheit 164

4.3.5        Vorschlag Vereins- und Versammlungsfreiheit 165

4.3.6        Sozialstaatliche Gewährleistungen und soziale Grundrechte  169

4.3.7        Textvorschlag für die Einleitung zum Ausschussbericht 171

4.4       Schnizer Johannes, Dr. 172

4.4.1        Volksgruppenschutz  172

5      Ausschuss 5 – Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden   173

5.1       Brauner Renate  173

5.1.1        Stellungnahme zum „Drei-Säulen-Modell“  173

5.2       Funk Bernd-Christian, Dr. Univ. Prof. 175

5.2.1        Vorschläge zur Neuformulierung und  Aufteilung von Gesetzgebungszuständigkeiten  175

5.3       Holzinger Gerhart, Dr. Univ. Prof. 178

5.3.1        Stellungnahme zum „Drei-Säulen-Modell“ einer künftigen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern  178

5.4       Konecny Albrecht, Prof. 180

5.4.1        „Formulierung eines Teileinspruchsrechtes des Bundesrates“  180

5.5       Öhlinger Theo, Dr. Univ. Prof. 180

5.5.1        Stellungnahme zum „Drei-Säulen-Modell“  180

5.6       Prior Walter  184

5.6.1        Stellungnahme zum „Drei-Säulen-Modell“  184

5.7       Schnizer Johannes, Dr. 186

5.7.1        Punktation für eine aufgabenorientierte Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen nach dem Drei-Säulenmodell 186

5.7.2        Diskussionsvorschlag für die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen  190

5.8       Wiederin Ewald, Dr. Univ. Prof. 202

5.8.1        Stellungnahme zum „Drei-Säulen-Modell“  202

5.8.2        Textvorschlag zu „Kompetenzzuordnungen“  207

5.8.3        Kompetenztatbestände und ihre Zuordnung zu den drei Säulen  209


 

6      Ausschuss VI – Reform der Verwaltung   209

6.1       Burgstaller Gabi, Mag. 209

6.1.1        Textvorschlag zu den Grenzen der Ausgliederung  209

6.2       Häupl Michael, Dr. 209

6.2.1        Positionspapier zu Beratungen im Ausschuss  209

6.2.2        Stellungnahme zur Sicherheitsverwaltung  209

6.3       Jabloner Clemens, Dr. Univ.Prof. 209

6.3.1        Reformaspekte zur allgemeinen Verwaltungsorganisation  209

6.3.2        Schreiben an den Ausschussvorsitzenden  209

6.3.3        Stellungnahme zur Weisung samt Textvorschlag  209

6.3.4        Schreiben an den Ausschussvorsitzenden  209

6.3.5        Diensthoheit 209

6.3.6        Stellungnahme zum Berichtsentwurf 209

6.3.7        Stellungnahme zum Ausschussbericht samt Textvorschlag zur Ausgliederung  209

6.3.8        Stellungnahme zu den Vorschlägen der WKÖ   209

6.4       Matzka Manfred, Dr. 209

6.4.1        Diskussionsbeitrag zum öffentlichen Dienst 209

6.5       Matzka Manfred, Dr./Schnizer Johannes, Dr. 209

6.5.1        Gesundheitsverwaltung  209

6.6       Schnizer Johannes, Dr. 209

6.6.1        Diskussionsvorschlag Bildungsreform/Schulverfassung  209

6.6.2        Auskunftspflicht/Amtsverschwiegenheit 209

6.6.3        Vorschlag zur Neuregelung der Vollziehung des Landes  209

6.6.4        Vorschlag Sicherheitsregionen  209

6.6.5        Vorschlag zur Neuregelung der Sicherheitsverwaltung  209

7      Ausschuss VII – Strukturen besonderer Verwaltungseinrichtungen   209

7.1       Burgstaller Gabi, Mag. 209

7.1.1        Textvorschlag zu den Grenzen der Ausgliederung  209

7.2       Matzka Manfred, Dr. 209

7.2.1        Reformaspekte zur Privatwirtschaftsverwaltung  209

8      Ausschuss VIII – Demokratische Kontrollen   209

8.1       Hatzl Johann  209

8.1.1        Textvorschlag Artikel 19 Abs. 1 bis 7  209

8.2       Häupl Michael, Dr. 209

8.2.1        Kontrollrechte der Gemeinden  209

8.3       Prammer Barbara Mag  209

8.3.1        Textvorschlag Artikel 52 Absatz 1 bis 4  209

8.3.2        Textvorschlag Artikel 20 Absatz 3 und 4  209

8.3.3        Textvorschlag Artikel 44 Absatz 4  209

8.3.4        Textvorschlag Artikel 57a Absatz 1 und 2  209

8.3.5        Textvorschlag Artikel 98 Absatz 5  209

8.3.6        Textvorschlag Artikel 148e  209

9      Ausschuss IX – Rechtsschutz, Gerichtsbarkeit   209

9.1       Jabloner Clemens, Dr. Univ. Prof. (gemeinsam mit Grabenwarter Christoph, Dr. Univ. Prof. und Johann Rzeszut, Dr.) 209

9.1.1        Die Gesetzesbeschwerde als systematische Fortentwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit 209

9.2       Schnizer Johannes, Dr. (gemeinsam mit Stoisits Terezija, Dr.) 209

9.2.1        Verfassungsbeschwerde (1. Fassung) 209

9.2.2        Verfassungsbeschwerde (2. Fassung) 209

9.3       Schnizer Johannes, Dr. 209

9.3.1        Weisungsfreier Bundesstaatsanwalt 209

9.3.2        Kollegialorgan der Richter 209

9.3.3        Staatshaftung  209

10        Ausschuss X – Finanzverfassung   209

10.1     Häupl Michael, Dr. 209

10.1.1      Stellungnahme  209

10.1.2      Daseinsvorsorge  209

10.1.3      Vorschlag Parität 209

10.1.4      Kostenüberwälzung  209

10.1.5      Gender Budgeting  209

10.1.6      Konsultationsmechanismus  209

10.1.7      Kostentragung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag  209

11        Präsidium   209

11.1     Kahr Claudia, Dr./Kostelka Peter, Dr. 209

11.1.1      Positionen zur Sicherheitspolitik  209

11.1.2      Überlegungen zum Endbericht 209

11.2     Kostelka Peter, Dr. 209

11.2.1      Auflistung fehlende Punkte  209

11.2.2      Weisungsfreie Verwaltung mit Ausgliederung  209

11.2.3      Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitenrecht mit „Organstreitverfahren“  209

11.2.4      Universitätsrecht 209

 


 

1              Ausschuss 1 – Staatsaufgaben und Staatsziele

 

 

1.1       Häupl Michael, Dr.

1.1.1   Stellungnahme Mandat

Eingebracht im Ausschuss 1, 2. Sitzung, 8.10.2003

 

 

An den

Vorsitzenden des Ausschuss 1

des Österreich-Konvents

Univ. Prof. DDr. Heinz Mayer

Schottenbastei 10-16

1010 Wien

per email

 

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

  

Gerne übermittle ich Ihnen, als Vertreter des Österreichischen Städtebundes im Österreich-Konvent, eine Stellungnahme verbunden mit inhaltlichen Schwerpunkten zu dem vom Präsidium am 11.9.2003 beschlossenen Mandat für den Ausschuss 1.

 

1. Ausgangslage:

 

Die geltende Verfassung enthält primär Bestimmungen über die Machtverteilung, jedoch trifft sie kaum Aussagen über die ihr zu Grunde liegenden Werte. Die Österreichische Bundesverfassung enthält keine Definition sogenannter Kernaufgaben, abgesehen von der Kompetenzverteilung nur wenige Aussagen über staatliche Aufgaben und erst in den letzten Jahren haben einige wenige Staatszielbestimmungen Eingang in die Verfassung gefunden.

Aus diesem Grund wird das B-VG auch vielfach als "Spielregelverfassung" bezeichnet.

 

Im Rahmen des Österreich-Konvents ist daher darüber zu beraten, ob die zukünftige Bundesverfassung einen eigenen Katalog von Kernaufgaben, Staatsaufgaben bzw. Staatszielen enthalten soll.

 

2. Kernaufgaben

 

Aus der Sicht des Österreichischen Städtebundes sollte die Österreichische Bundesverfassung einen eigenen Katalog von Kernaufgaben enthalten. Dieser Kernaufgabenkatalog soll Angelegenheiten festlegen, welche - unabhängig von parlamentarischen Mehrheiten - unter allen Umständen von staatlichen Organen, dies sind Organe, die organisatorisch den Gebietskörperschaften eingegliedert sind oder zumindest in deren Auftrag, unter deren Kontrolle und unter deren Verantwortung tätig werden, zu besorgen sind. Dabei kann auch normiert werden, dass bestimmte, eng abgegrenzte Angelegenheiten von den Organen ausschließlich durch hoheitliches und nicht durch privatwirtschaftliches Handeln zu vollziehen sind. Damit ist aber zwangsläufig eine Beschränkung des rechtspolitischen Handlungsspielraums des einfachen Gesetzgebers verbunden.

 

Bei der Festlegung von staatlichen Kernaufgaben sollte aber Zurückhaltung geübt werden. Es soll insbesondere vermieden werden, dass eine taxative Aufzählung die staatliche Tätigkeit verfassungsrechtlich begrenzen könnte, etwa aufgrund von neoliberalen Vorstellungen.

 

Jedenfalls als Kernaufgaben müssen die allgemein zur Daseinsvorsorge gezählten Aufgaben der Gebietskörperschaften definiert werden.

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse auch im EU-Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents vom 18. Juli 2003, Zl. CONV 850/03, in Art III-6 weiterhin Erwähnung finden. Die EU gibt somit zu erkennen, dass sie die Leistungen der Daseinsvorsorge als Grundpfeiler des Europäischen Gesellschaftsmodells betreffend die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit auf hohem Niveau und die finanzielle Verträglichkeit der genannten Dienstleistungen für die Bürger respektiert.

 

Leistungen des Daseinsvorsorge sind jene Dienstleistungen, die im öffentlichen Interesse erbracht werden und mit einer Gemeinwohlverantwortung verbunden sind. Die Daseinsvorsorge umfasst solche Aufgaben die hinsichtlich ihrer Aufgabenerfüllung anderen Gesetzen als denen des Freien Marktes gehorchen und insbesondere Kriterien wie der Versorgungssicherheit, der sozialen Erschwinglichkeit, der Gesundheit oder der Nachhaltigkeit unterliegen. Bei diesen Leistungen muss aus der Sicht des Österreichischen Städtebundes die Sicherung und Verbesserung, nicht aber die Privatisierung im Vordergrund stehen.

 

Bei der Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge nehmen die Gebietskörperschaften, allen voran die Städte und Gemeinden, eine zentrale Rolle ein. Die Städte und Gemeinden sind neben der tatsächlichen Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge auch dafür verantwortlich, dass die notwendige Infrastruktur zur Aufgabenerfüllung vorhanden ist.

 

Der Österreichische Städtebund spricht sich dafür aus, das Recht auf eine optimale Versorgung, mit den Leistungen der Daseinsvorsorge (Trinkwasserversorgung, Verkehr, Energie, Gesundheits- und Sozialdienstleistungen), verbunden mit der Erhaltung der notwendigen Infrastruktur, in der Bundesverfassung als Kernaufgabe zu verankern.

Damit soll festgelegt werden, dass die öffentliche Hand zum einen nicht gezwungen werden kann, sich ihrem Eigentum an Infrastruktur entledigen zu müssen und zum anderem, dass sie sich aufgrund von steigenden Privatisierungstendenzen dieser Verantwortung zur Leistungserbringung nicht völlig entziehen kann.

 

Leistungen der Daseinsvorsorge sind Angelegenheiten, die von den Gebietskörperschaften sowohl privatwirtschaftlich als auch hoheitlich (vgl. Wiener Wasserversorgungsgesetz), jedoch auch in Form der Ausgliederung oder Belehnung von Privaten besorgt werden können. Durch die Verankerung der Daseinsvorsorge in der Bundesverfassung soll sichergestellt werden, dass die Leistungen der Daseinsvorsorge nicht völlig unabhängig von staatlicher Einflussnahme durch Private in freier Konkurrenzwirtschaft erbracht werden können.


  

3. Staatsaufgaben

 

Staatsaufgaben, die keine Kernaufgaben darstellen, sollten weiterhin als Gesetzgebungskompetenzen verstanden werden, d.h. als Ermächtigung für den Gesetzgeber. Hier wird es angebracht sein, jeden einzelnen Tatbestand des bestehenden Kompetenzkatalogs zu prüfen und festzulegen, welche Staatsaufgaben weiterhin im neuen Kompetenzkatalog festgelegt werden sollten und welcher sich der Staat entledigen könnte.

 

4. Abgrenzung Kernaufgaben – Staatsaufgaben

 

Die Abgrenzung der Kernaufgaben des Staates, die im Mandat an den Ausschuss gefordert wird, von anderen Aufgaben, die für das Gemeinwesen zu erfüllen sind, ist – ausgenommen bei solchen, über die praktisch keine Differenzen bestehen (wie bei der Rechtspflege oder der Sicherheitspolizei), – eine Frage der ideologischen Positionen jener, die darüber zu befinden haben. Das Gleiche gilt für die Abgrenzung der Angelegenheiten, die ausschließlich in Formen der hoheitlichen Vollziehung zu besorgen sind, von jenen, für die privatrechtliche Handlungsweisen vorgesehen sein sollen. Eine Durchsicht des Kompetenzkatalogs des B-VG lässt erkennen, dass allgemeine Kriterien für eine Zuordnung zur einen oder anderen Kategorie kaum zu finden sind. Aus der Sicht des Österreichischen Städtebundes sollte die  Abgrenzung nicht nur aufgrund von Kostenüberlegungen erfolgen, sondern entscheidend sollten auch Bürgerserviceaspekte, demokratiepolitische und gesellschaftspolitische Überlegungen sein.

 

Was die Problematik betrifft, ob die Verfassung – sozusagen als Negativkatalog – von vornherein Angelegenheiten festlegen soll, die überhaupt nicht als Staatsaufgaben in Betracht kommen oder nur einer ausgelagerten, privaten Besorgung zugänglich sein sollen, vertritt der Österreichische Städtebund die Ansicht, dass eine solche Vorgangsweise den rechtspolitischen Handlungsspielraum des einfachen Gesetzgebers in noch höherem Maße Grenzen setzen würde als dies aufgrund der großen Regelungsdichte des Österreichischen Bundesverfassungsrechts ohnedies schon derzeit der Fall ist.

 

Bei einer bundesverfassungsgesetzlichen Regelung der Auslagerung, sollte man sich jedenfalls darauf beschränken, einen Verfassungsrahmen vorzugeben (Ermächtigung, Rechtsformen, Kontrolle, Verantwortlichkeiten). Die Festlegung der Grundzüge ist Aufgabe des Ausschusses 7!

 

5. Staatsziele

 

Die Festlegung von Staatszielen bedeutet einerseits, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber seinem Regelungswerk ein Programm voranstellt, das er in der Folge in den materiellen Bestimmungen einzulösen gedenkt. Staatsziele beinhalten Wertvorstellungen, die die Gestaltung des Gemeinschaftslebens im Staat betreffen.

 

Einerseits stehen solche programmatischen Ziele mit der Wertneutralität eines Verfassungswerkes im Spannungsverhältnis, andererseits sind darin Versprechungen und Ankündigungen von Staatshandeln enthalten, die – ausgenommen, wo Gesetzeskompetenzen zur Verfügung stehen – nicht umsetzbar sind und dem Einzelnen auch keine subjektiven Rechte eröffnen; sie stellen sich als bloß schmückendes Beiwerk dar. Andererseits bergen sie aber die Gefahr in sich, dass sie in der Judikatur als Auslegungsregeln der Entscheidungspraxis zugrunde gelegt werden und dadurch dennoch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, die auch budgetär ins Gewicht fallen können.

 

Aus der Sicht des Österreichischen Städtebundes ist daher bei der Aufnahme von Staatszielbestimmung eher Zurückhaltung geboten. Jedoch sollten sich Werte/Ziele wie etwa Vollbeschäftigung, sozialer Fortschritt, die Gleichstellung von Mann und Frau, Umweltschutz in einem Staatszielkatalog finden. Diese Staatsziele sollten in Zukunft auch eine gewisse Bindungswirkung für den Staat entfalten und nicht nur bekenntnishaften Charakter haben.

 

6. Präambel

 

Die Voranstellung einer Präambel vor ein Gesetzeswerk entspricht nicht der österreichischen Rechtstradition. Sie ist – mit noch geringerer rechtlicher Wirksamkeit – nur Ausdruck der Intentionen der verfassungsgebenden Körperschaft, die in der Regel von ideologischen oder religiösen (vgl. Streit um „Gott“ im EU-Verfassungsvertrag) Wertvorstellungen geprägt ist, und sollte in eine Verfassung, die sich doch noch eine gewisse Wertneutralität bewahren will, nicht Eingang finden.

Entschließen sich die Mitglieder im Konvent im Zuge der Beratungen dennoch dazu, der Verfassung eine Präambel voranzustellen, sollte diese insbesondere Werte wie Demokratie, Rechtsstaat, Freiheit, Toleranz und soziale Sicherheit enthalten.

 

 

1.1.2   Erster Textvorschlag zur Verankerung der Daseinsvorsorge in der Bundesverfassung

Eingebracht im Ausschuss 1, 4. Sitzung, 21.10.2003

 

 

I. Definition als Staatszielbestimmung

 

(1)               Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich im Rahmen der Gesetzgebung und Vollziehung zu ihrer Verantwortung für die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse (Daseinsvorsorge).

 

(2)               Leistungen im allgemeinen Interesse sind insbesondere solche, die aus Gründen der Versorgungssicherheit, der sozialen Erschwinglichkeit, der Gesundheit, der Nachhaltigkeit und des territorialen und sozialen Zusammenhalts der Gesellschaft erbracht werden.

 

II. Definition als Staatsaufgabe

 

(1)               Es ist Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden, Leistungen im allgemeinen Interesse selbst zu erbringen oder für deren Erbringungen durch Dritte zu sorgen.

 

(2)               Leistungen im allgemeinen Interesse sind insbesondere solche, die aus Gründen der Versorgungssicherheit, der sozialen Erschwinglichkeit, der Gesundheit, der Nachhaltigkeit und des territorialen und sozialen Zusammenhalts der Gesellschaft erbracht werden.

 

(3)               Bei der Erbringung durch Dritte haben Bund, Länder und Gemeinden durch entsprechende Kontrolle oder Einflussnahme die Qualität der Leistungserbringung zu gewährleisten.

 

 

1.1.3   3. Textvorschlag zur Verankerung der Leistungen im allgemeinen Interesse in der Bundesverfassung

Eingebracht im Ausschuss 1, 7. Sitzung, 19.11.2003

 

 

          (1)         Bund, Länder und Gemeinden gewährleisten die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse (Daseinsvorsorge).

 

          (2)         Derartige Leistungen stellen einen anerkannten, nicht diskriminierenden Mindeststandard der Teilhabe an jenen Lebensbereichen sicher, die gesellschaftlich regelmäßig vorkommen.

 

          (3)         Es sind dies sowohl marktbezogene als auch nicht marktbezogene Leistungen, die so zu erbringen sind, dass dabei insbesondere die Versorgungssicherheit, die soziale Erreichbarkeit, der Verbraucherschutz, der Gesundheitsschutz und die Nachhaltigkeit sicher gestellt sind.

 

Erläuterungen:

 

Die Verankerung der Verantwortlichkeit von Bund, Ländern und Gemeinden für die Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge in der Österreichischen Bundesverfassung soll zum Ausdruck bringen, dass die Gebietskörperschaften bestrebt sind, die von ihnen eingeführten und erbrachten Leistungen der Daseinsvorsorge auch in Zukunft aufrecht zu erhalten. Mit der Erbringung dieser Leistungen werden grundlegende Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllt. Leistungen der Daseinsvorsorge stehen der gesamten Gesellschaft, also allen Bürgern zu gleichen Bedingungen zur Verfügung und werden aufgrund gemeinwohlbezogener Überlegungen erbracht. Gemeinwohlorientierte Leistungen sollen einerseits die Grundversorgung der Bevölkerung sichern, anderseits sind sie feste Bezugspunkte des Gemeinwesens und begründen die Zugehörigkeit der Bürgerinnen und Bürger zu diesem. Die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse und/oder deren Qualitätssicherung durch die öffentliche Hand bringen darüber hinaus auch die Verantwortlichkeit des Staates für die Ziele des Gemeinwohls zum Ausdruck. Die Verfassung hat heute nicht mehr die ausschließliche Aufgabe, die Bevölkerung vor Eingriffen durch den hoheitlichen Staat zu schützen bzw. den Staatsaufbau zu regeln, vielmehr soll eine moderne Verfassung, wie etwa die Schweizer Verfassung dies zeigt, auch die Verantwortung des Staates für seine Bewohner zum Ausdruck bringen. Der Staat hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Leistungsstaat entwickelt, der für seine Bevölkerung verantwortlich ist und genau das sollte auch in der Verfassung festgeschrieben werden. Seit einigen Jahren wird insbesondere von der Europäischen Union (siehe etwa das Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse) und im Rahmen der GATS-Verhandlungen der Trend zur Privatisierung und Liberalisierung ("Weniger Staat, mehr Markt") mit der Begründung prolongiert, dass einerseits die Öffentliche Hand einsparen kann und anderseits das Preisniveau für die Verbraucher gesenkt werden könnte.

Beispiele aus Europa zeigen aber, dass Liberalisierungen nur dann zu Einsparungen bzw. Preissenkungen geführt haben, wenn die Definition hoher Qualitätskriterien vernachlässigt wurde.

Gerade die Leistungen der Daseinsvorsorge gehorchen jedoch hinsichtlich ihrer Aufgabenerfüllung anderen Gesetzen als den Mechanismen des Freien Marktes. Im Gegenteil, sie sind in erhöhtem Maß, Kriterien wie der Versorgungssicherheit, der Kontinuität, der sozialen Erschwinglichkeit, der Gesundheit, der Nachhaltigkeit etc verpflichtet.

Leistungen der Daseinsvorsorge, wie etwa Wasser, Strom, Gas, Telekommunikation, Rundfunk und Postdienste, aber auch Sozial- Gesundheits- oder Bildungsleistungen sind Dienstleistungen, die als wesentlich für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft angesehen werden. Obwohl sie als wesentlich gelten, können diese Dienstleistungen sowohl von privaten als auch von öffentlichen Unternehmen oder von Bund, Ländern und Gemeinden selbst, teilweise hoheitlich, erbracht werden. Die Verfügbarkeit, der Preis und die Qualität der Leistungen der Daseinsvorsorge sind per definitionem von größter Bedeutung für die Verbraucher.

Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse unterscheiden sich insofern von normalen Dienstleistungen, als sie in den Augen des Staates auch dann erbracht werde müssen, wenn der Markt unter Umständen nicht genügend Anreize dafür bietet. Der Begriff der Leistungen der Daseinsvorsorge beruht auf dem Anliegen, überall gute und für alle erschwingliche Dienstleistungen zu gewähren. Diese Dienste tragen zur Verwirklichung der Ziele der Solidarität und Gleichbehandlung bei, die dem europäischen Gesellschaftsmodell zu Grunde liegen.

Gerade deshalb hat auch die Europäische Union die Bedeutung der Leistungen der Daseinsvorsorge anerkannt und haben sie Eingang in den Entwurf der Europäischen Verfassung gefunden.

 

Zum Textvorschlag im Detail:

 

Die Aufzählung der einzelnen Gebietskörperschaften soll zum Ausdruck bringen, dass Leistungen der Daseinsvorsorge von Bund, Ländern und Gemeinden erbracht werden und soll die entsprechenden Kompetenzen auch unterstreichen.

 

Der Begriff "gewährleisten" ist so zu verstehen, dass die zuständige Gebietskörperschaft die Leistung selbst oder durch Dritten erbringen lassen kann. Darüber hinaus ist die Öffentliche Hand aufgrund der Bedeutung dieser Leistungen dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass im Fall des Versagens der Leistungserbringung durch Dritte, der Staat die Leistungen auf jeden Fall in einer Art Reservefunktion bzw. Auffangverantwortung zu erbringen hat.

Die zuständige Gebietskörperschaft kann und muss bei jeder Leistung andere Kriterien heranziehen, um beurteilen zu können, in welcher Form sie die Leistungserbringung gewährleistet. Die Erbringung der Wasserversorgung ist anders zu beurteilen als die Telekommunikation oder der Postdienst. Im Bereich der Telekommunikation oder der Postdienste kann tatsächlich gänzlich privatisiert werden, wie dies auch bereits erfolgt ist  (auch an ausländische Unternehmen). Es reicht hier, um die Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können, z.B. eine Universaldienstverordnung aus, die festschreibt, dass der Anbieter eine flächendeckende Versorgung anbieten muss und der Staat evt. die Kosten durch Subventionen trägt. Im Bereich der Wasserversorgung ist nach anderen Kriterien vorzugehen, da es sich dabei um natürliche Ressourcen handelt, bzw. ein europäisches, großflächiges Netz aufgrund geographischer Hürden nicht funktionieren kann. (Trink-)Wasserversorgung bedeutet nicht nur die Leitungen/Infrastruktur zu errichten, sondern heißt im erhöhten Maße vor allem Qualitätssicherung, sprich die Versorgung mit einwandfreien Trinkwasser und auch die soziale Erreichbarkeit zu gewährleisten. Im Bereich der Wasserversorgung ist auch der Gedanke der Nachhaltigkeit von großer Bedeutung. Im Sinne der Gewährleistungspflicht ist die Grundsicherung in diesem Bereich im Gegensatz etwa zur Versorgung mit Strom nicht durch die Errichtung und Wartung des Netzes/Leitungen erbracht.

Gewährleisten bedeutet die Leistungen auch in entsprechender Qualität zu erbringen. Was bedeutet, dass Bund, Länder und Gemeinden sich bei der Erbringungen der Leistungen - vor allem durch Dritte - einen Einfluss in der Form sichern müssen, dass wenn die Qualität der Leistungen nachlässt, sie eine sogenannte Rückholmöglichkeit haben. Sprich sie können die Leistungserbringung wieder an sich ziehen und selbst besorgen oder durch ein anderen, besser geeigneten  Dritten. Diese Qualitätssicherung ist gerade im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich, ferner auch in der Wasserver- und entsorgung unerlässlich.

 

Abs 2 soll dem Begriff "Leistungen im allgemeinen Interesse" einen Interpretationsrahmen geben. "Leistungen im allgemeinen Interesse" ist ein unbestimmter Gesetzesbegriff, der sich aufgrund gesellschaftlicher Gegebenheiten ergibt und sich durch die fortschreitende gesellschaftliche Entwicklung verändert, vom öffentlichen Diskurs bestimmt, vom einfachen Gesetzgeber beeinflusst und schließlich von Entscheidungen der Höchstgerichte ausgelegt wird.

Leistungen im allgemeinen Interesse sind Leistungen die aus Gründen des Gemeinwohls erbracht werden. Gemeinwohl ist ein Begriff, der in der österreichischen Verfassung nicht vorkommt, der aber unter Berücksichtigung der Judikatur zum öffentlichen Interesse ausgelegt werden kann bzw. kann Gemeinwohl auch als Gegenbegriff zum Privatinteresse verstanden werden. Leistungen im allgemeinen Interesse werden insbesondere deshalb erbracht, um für die Gesellschaft eine diskriminierungsfreie Grundsicherung zu gewährleisten.

Die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse ist von dem Grundgedanken getragen, dass in jeder Gesellschaft unterschiedliche Lebensbereiche vorherrschen. Davon gibt es Lebensbereiche die so regelmäßig vorkommen, dass die Gesellschaft erwartet, dass daran jedes Mitglied der Gesellschaft auch teilnehmen darf. Derartige Lebensbereiche sind etwa die Bereiche Sozial-, Gesundheitswesen oder Kultur- und Bildungswesen oder der Zugang zu natürlichen Ressourcen wie Wasser, damit verbunden aber die Entsorgung von Abwasser oder Abfällen. Ob ein Lebensbereich als anerkannt bzw. als regelmäßig vorkommend betrachtet wird ist ein dynamischer Prozess. War es vor einem Jahrhundert nicht vorstellbar, dass die ganze Bevölkerung mit Telefon, Radio oder Fernsehen ausgestattet sein wird, ist es heute anerkannt, dass jedem und jeder Telekommunikation zur Verfügung gestellt werden muss und die Benutzung dieser Medien ist auch eine regelmäßige Erscheinung in der Gesellschaft.

 

Abs 3 legt fest welche Kriterien die einzelnen Gebietskörperschaften bei der Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interessen zu beachten haben. Leistungen im allgemeinen Interesse sind gemäß Abs.3 so zu erbringen, dass insbesondere die Kriterien Versorgungssicherheit, soziale Erreichbarkeit, Gesundheitsschutz und die Nachhaltigkeit erfüllt sind.

 

Versorgungssicherheit bedeutet, dass die Bevölkerung darauf vertrauen kann, dass die zuständige Gebietskörperschaft nach Maßgabe unterschiedlicher Kriterien dafür Sorge trägt, dass ihr etwa Sozial-, Gesundheits-, Bildungsleistungen, Trinkwasser, Telekommunikation, Postdienste, Strom, Gas und Rundfunk zur Verfügung stehen bzw. die Abwasser- und Abfallentsorgung sichergestellt sind.

 

Soziale Erreichbarkeit, im Grünbuch zu den Leistungen von allgemeinen Interesse als Erschwinglichkeit bezeichnet, stellt klar, dass Leistungen der Daseinsvorsorge für die Bevölkerung entweder zu angemessenen und vor allem erschwinglichen Preisen (insb. bei netzgebundene Einrichtungen) zur Verfügung stehen oder vom Staat unter Umständen unentgeltlich geleistet werden (Gesundheits- und Sozialbereich), damit sie für jedermann zugänglich sind. Besonderes Augenmerk sollte dabei den Bedürfnissen und Möglichkeiten von einkommensschwachen Personen und Randgruppen gelten. Die Anwendung des Grundsatzes der sozialen Erreichbarkeit trägt zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft bei.

Die Leistungen im allgemeinen Interesse sind auch unter Bedachtnahme auf den Gesundheitsschutz zu erbringen. Gesundheitsschutz ist ein umfassender Begriff und bei jeder einzelnen Leistungen ist nach unterschiedlichen Kriterien vorzugehen. Im Bereich der Trinkwasserversorgung etwa ist dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen der Gewährleistungspflicht die Versorgung der Bevölkerung mit einwandfreiem (frei von gesundheitsgefährdenden Stoffen) Trinkwasser erfolgt.

 

Der Begriff der Nachhaltigkeit kommt vor allem aus dem Bereich des Umweltrechts. Das Prinzip der Nachhaltigkeit beruht auf der Erwägung, dass die den Menschen zur Verfügung stehenden Ressourcen begrenzt sind, dass aber deren Nutzung auch künftigen Generationen ermöglicht werden soll. Die Leitidee, dass eine Befriedigung der Bedürfnisse der Gegenwart möglich sein muss, ohne zu riskieren, dass zukünftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können, schlägt sich auch in einer Vielzahl politischer Programme nieder: z.B. Agenda 21, Fünftes Aktionsprogramm der EU, Österreichischer Nationaler Umweltplan und Amsterdamer Vertrag. Seit Abschluss des Amsterdamer Vertrags sind Aktivitäten sowohl der öffentlichen Hand, wie auch jene von Privaten auf ihre Nachhaltigkeit zu prüfen (Art 2 und 6 EGV, Art 2 EUV).

 

Die Unterscheidung zwischen marktbezogenen und nicht marktbezogenen Leistungen stellt einen Hinweis darauf dar, dass Leistungen im allgemeinen Interesse teilweise den Regeln des Marktes gehorchen und diesen auch weitgehend unterworfen werden können (z.b. Telekommunikation, Strom, Gas) und andere Leistungen, wie Sozial- und Gesundheitsleistungen aber anderen Regeln als denen des Marktes unterliegen. Je nach Art der Leistung muss daher die zuständige Gebietskörperschaft abwägen, ob sie die Leistung selbst erbringen muss oder ob ein Dritter diese erbringen kann.

 

 

1.2       Häupl Michael, Dr./Wittmann Peter, Dr.

1.2.1   Weiterer Textvorschlag zur Verankerung der Daseinsvorsorge in der Bundesverfassung

Eingebracht im Ausschuss 1, 6. Sitzung, 10.11.2003

 

 

          (1)         Bund, Länder und Gemeinden haben die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse (Daseinsvorsorge) zu gewährleisten und deren Qualität zu sichern.

 

          (2)         Leistungen im allgemeinen Interesse sind insbesondere solche, die aus Gründen der Versorgungssicherheit, des Verbraucherschutzes, der sozialen Erreichbarkeit, der Gesundheit, der Bildung, der Nachhaltigkeit und des territorialen und sozialen Zusammenhalts der Gesellschaft erbracht werden.

 Erläuterungen:

 

Die Verankerung der Verantwortlichkeit von Bund, Ländern und Gemeinden für die Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge in der Österreichischen Bundesverfassung soll zum Ausdruck bringen, dass die Gebietskörperschaften bestrebt sind, die von ihnen eingeführten und erbrachten Leistungen der Daseinsvorsorge auch in Zukunft aufrecht zu erhalten. Mit der Erbringung dieser Leistungen werden grundlegende Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllt. Leistungen der Daseinsvorsorge stehen der gesamten Gesellschaft, also allen Bürgern zu gleichen Bedingungen zur Verfügung und werden aufgrund gemeinwohlbezogener Überlegungen erbracht. Gemeinwohlorientierte Leistungen sollen einerseits die Grundversorgung der Bevölkerung sichern, anderseits sind sie feste Bezugspunkte des Gemeinwesens und begründen die

 

Zugehörigkeit der Bürgerinnen und Bürger zu diesem. Die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse und/oder deren Qualitätssicherung durch die öffentliche Hand bringen darüber hinaus auch die Verantwortlichkeit des Staates für die Ziele des Gemeinwohls zum Ausdruck.

Die Verfassung hat heute nicht mehr die ausschließliche Aufgabe, die Bevölkerung vor Eingriffen durch den hoheitlichen Staat zu schützen bzw. den Staatsaufbau zu regeln, vielmehr soll eine moderne Verfassung, wie etwa die Schweizer Verfassung dies zeigt, auch die Verantwortung des Staates für seine Bewohner zum Ausdruck bringen. Der Staat hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Leistungsstaat entwickelt, der für seine Bevölkerung verantwortlich ist und genau das sollte auch in der Verfassung festgeschrieben werden.

Seit einigen Jahren wird insbesondere von der Europäischen Union (siehe etwa das Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse) und im Rahmen der GATS-Verhandlungen der Trend zur Privatisierung und Liberalisierung ("Weniger Staat, mehr Markt") mit der Begründung prolongiert, dass einerseits die Öffentliche Hand einsparen kann und anderseits das Preisniveau für die Verbraucher gesenkt werden könnte.

Beispiele aus Europa zeigen aber, dass Liberalisierungen nur dann zu Einsparungen bzw. Preissenkungen geführt haben, wenn die Definition hoher Qualitätskriterien vernachlässigt wurde.

Gerade die Leistungen der Daseinsvorsorge gehorchen jedoch hinsichtlich ihrer Aufgabenerfüllung anderen Gesetzen als den Mechanismen des Freien Marktes. Im Gegenteil, sie sind in erhöhtem Maß, Kriterien wie der Versorgungssicherheit, der Kontinuität, der sozialen Erschwinglichkeit, der Gesundheit, der Nachhaltigkeit, etc verpflichtet.

Leistungen der Daseinsvorsorge, wie etwa Wasser, Strom, Gas, Telekommunikation, Rundfunk und Postdienste, aber auch Sozial- Gesundheits- oder Bildungsleistungen sind Dienstleistungen, die als wesentlich für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft angesehen werden. Obwohl sie als wesentlich gelten, können diese Dienstleistungen sowohl von privaten als auch von öffentlichen Unternehmen oder von Bund, Ländern und Gemeinden selbst, teilweise hoheitlich, erbracht werden. Die Verfügbarkeit, der Preis und die Qualität der Leistungen der Daseinsvorsorge sind per definitionem von größter Bedeutung für die Verbraucher.

Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse unterscheiden sich insofern von normalen Dienstleistungen, als sie in den Augen des Staates auch dann erbracht werde müssen, wenn der Markt unter Umständen nicht genügend Anreize dafür bietet. Der Begriff der Leistungen der Daseinsvorsorge beruht auf dem Anliegen, überall gute und für alle erschwingliche Dienstleistungen zu gewähren. Diese Dienste tragen zur Verwirklichung der Ziele der Solidarität und Gleichbehandlung bei, die dem europäischen Gesellschaftsmodell zu Grunde liegen.

Gerade deshalb hat auch die Europäische Union die Bedeutung der Leistungen der Daseinsvorsorge anerkannt und haben sie Eingang in den Entwurf der Europäischen Verfassung gefunden.

 

Zum Textvorschlag im Detail:

 

Die Aufzählung der einzelnen Gebietskörperschaften soll zum Ausdruck bringen, dass Leistungen der Daseinsvorsorge von Bund, Ländern und Gemeinden erbracht werden und soll die entsprechenden Kompetenzen auch unterstreichen.

 

Der Begriff "gewährleisten" ist so zu verstehen, dass die zuständige Gebietskörperschaft die Leistung selbst oder durch Dritten erbringen lässt. Darüber hinaus ist die öffentliche

 

Hand aufgrund der Bedeutung dieser Leistungen dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass im Fall des Versagens der Leistungserbringung durch Dritte, der Staat die Leistungen auf jeden Fall in einer Art Reservefunktion bzw. Auffangverantwortung zu erbringen hat.

Die zuständige Gebietskörperschaft kann und muss bei jeder Leistung andere Kriterien heranziehen, um beurteilen zu können, in welcher Form sie die Leistungserbringung gewährleistet. Die Erbringung der Wasserversorgung ist anders zu beurteilen als die Telekommunikation oder der Postdienst. Im Bereich der Telekommunikation oder der Postdienste kann tatsächlich gänzlich privatisiert werden, wie dies auch bereits erfolgt ist  (auch an ausländische Unternehmen). Es reicht hier, um die Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können, z.B. eine Universaldienstverordnung aus, die festschreibt, dass der Anbieter eine flächendeckende Versorgung anbieten muss und der Staat evt. die Kosten durch Subventionen trägt. Im Bereich der Wasserversorgung ist nach anderen Kriterien vorzugehen, da es sich dabei um natürliche Ressourcen handelt, bzw. ein europäisches, großflächiges Netz aufgrund geographischer Hürden nicht funktionieren kann .

 

Qualität sichern heißt u.a., dass Bund, Länder und Gemeinden sich bei der Erbringungen der Leistungen - vor allem durch Dritte - einen Einfluss in der Form sichern müssen, dass wenn die Qualität der Leistungen nachlässt, sie etwa eine sogenannte Rückholmöglichkeit haben. Sprich sie können die Leistungserbringung wieder an sich ziehen und selbst besorgen oder durch ein anderen Dritten. Diese Qualitätssicherung ist gerade im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich, ferner auch in der Wasserver- und entsorgung unerlässlich.

 

Eine Definition des Begriffes "Leistungen von allgemeinen Interesse" ist insbesondere deshalb notwendig, um den Interpretationsspielraum dieses weiten und unklaren Begriffes einzugrenzen und einen Rahmen abzustecken (Die Sorge für das Gemeindeschwimmbad kann dann nicht mehr abgeleitet werden). Dies ist deshalb erforderlich, da der Inhalt dieses Staatsziels den Maßstab einer möglichen Gesetze- bzw. Verordnungsprüfung durch den Verfassungsgerichtshof bilden soll.

 

Versorgungssicherheit bedeutet, dass die Bevölkerung darauf vertrauen kann, dass die zuständige Gebietskörperschaft nach Maßgabe unterschiedlicher Kriterien dafür Sorge trägt, dass ihr Sozial-, Gesundheits-, Bildungsleistungen, Trinkwasser, Telekommunikation, Postdienste, Strom, Gas und Rundfunk zur Verfügung stehen bzw. die Abwasser- und Abfallentsorgung sichergestellt ist.

 

Soziale Erreichbarkeit stellt klar, dass Leistungen der Daseinsvorsorge für die Bevölkerung entweder zu angemessenen Preisen (insb. bei netzgebundene Einrichtungen) zur Verfügung stehen oder vom Staat unter Umständen unentgeltlich geleistet werden (Gesundheits- und Sozialbereich). Besonderes Augenmerk sollte dabei den Bedürfnissen und Möglichkeiten von einkommensschwachen Personen und Randgruppen gelten.

 

 

1.3       Öhlinger Theo, Dr. Univ. Prof.

1.3.1   Stellungnahme Mandat

Eingebracht im Ausschuss 1, 2. Sitzung, 8.10.2003

 

 

Staatsziele und Staatsaufgaben

Einige vorläufige Thesen

zum "Mandat" des Ausschusses

 

1. Zu unterscheiden ist zwischen

– Staatszielen und Staatsaufgaben in einem allgemeinen, dem positiven Verfassungsrecht vorgelagerten Sinn

– und verfassungsrechtlichen Staatszielbestimmungen und Verfassungsaufträgen.

 

Zwischen den Begriffen Staatszielen und Staatsaufgaben bzw. Staatszielbestimmungen und Verfassungsaufträgen lassen sich jeweils keine scharfen Grenzen ziehen. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass Staatsziele bzw. Staatszielbestimmungen abstrakter, Staatsaufgaben bzw. Verfassungsaufträge konkreter sind; doch ist die Abgrenzung fließend und die Terminologie in der Literatur uneinheitlich. Eine präzise Definition ist für die Zwecke dieses Ausschusses aber auch nicht notwendig.

 

2. Eine verfassungsrechtliche Positivierung von Staatszielen und Staatsaufgaben (im Sinne von Staatszielbestimmungen und Verfassungsaufträgen) kann einen doppelten Sinn haben:

a. Sie kann eine Handlungs- oder Gewährleistungspflicht des Staates zum Ausdruck bringen.

b. Sie kann aber auch als Begrenzung des Staates verstanden werden – etwa in dem Sinn, dass staatliche Aktivitäten durch die verfassungsrechtlich festgelegten Aufgaben beschränkt werden.

Beide Ziele heben sich wechselseitig auf.

 

3. "Staatsaufgaben" ist – pointiert formuliert – ein anderes Wort für Politik. Die Auffassung darüber, welche Aufgaben der Staat besorgen und welche Ziele er anstreben soll, ist daher ständig im Fluss und Gegenstand politischer Auseinandersetzung zwischen den Parteien. Es ist der Sinn einer rechtsstaatlichen-demokratischen Verfassung, diesem politischen Prozess einen festen Rahmen zu geben, nicht aber, diesen Prozess verfassungsrechtlich zu fixieren und zu versteinern.

Gleiches gilt für den engeren Begriff der "Kernaufgaben".

 

Es gibt freilich Themen, die im politischen Alltag gewissermaßen außer Streit zu stellen durchaus sinnvoll sein kann. Das gilt vor allem für Ziele und Werte, die in einem auf der Mehrheitsregel beruhenden demokratischen Willensbildungsprozess nicht über ausreichende Artikulations- und Durchsetzungskraft verfügen. Ein illustratives Beispiel ist der Umweltschutz, dessen langfristige Komponente Gefahr läuft, in dem durch kurzfristige Legislaturperioden geprägten politischen Prozess unzulänglich berücksichtigt zu werden. Dazu eignen sich Staatszielbestimmungen.

Das – wohl nicht nachahmenswerte – amerikanische Beispiel zeigt ferner, dass auch elementare Leistungen der Daseinsvorsorge und der sozialen Sicherheit unter den aktuellen Sparzwängen des Staates und einer sozioökonomischen Entwicklung, die gesellschaftliche Ungleichheiten verstärkt, in der politischen Auseinandersetzung um parlamentarische Mehrheiten in Gefahr sind, "unter die Räder" zu kommen. Das "europäische Modell" des sozialen Rechtsstaates als Staatszielbestimmung verfassungsrechtlich zu verankern, macht daher einen guten Sinn. Auf der Ebene der EU ist dies durch das Kapitel "Solidarität" der EU-Grundrechtecharta (2. Teil des Entwurfs einer Verfassung der Union) bereits erfolgt.

 

4. Die geltende österreichische Bundesverfassung enthält punktuell und unsystematisch eine Reihe von Staatszielbestimmungen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien genannt:

-     das Verbot nazistischer Tätigkeit (VerbotsG)

-     die dauernde Neutralität (NeutralitätsBVG)

-     umfassende Landesverteidigung (Art 9a B-VG)

-     Umweltschutz (UmweltschutzBVG)

-     Gleichbehandlung von Behinderten und Gleichstellung von Mann und Frau (Art 7 Abs 1 B-VG)

-     Schutz der Volksgruppen (Art 8 Abs 2 B-VG)

-     Rundfunk als öffentliche Aufgabe (RundfunkBVG)

-     Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht (Art 13 Abs 2 B-VG).

Über eine Streichung dieser Bestimmungen dürfte kaum ein Konsens herstellbar sein. Es wird daher eine Aufgabe des Ausschusses sein, über den Einbau dieser Bestimmungen in den Text einer geschlossenen Verfassungsurkunde – wie sie das Ziel des Konvents ist – zu beraten. Mögliche legistische Alternativen sind:

a. Die Zusammenfassung in einem Katalog, etwa als Unterabschnitt des Ersten
    Hauptstücks des B-VG. Dabei stellt sich die Frage nach einer Ergänzung im
    Sinn einer Abrundung dieses Katalogs.

b. Die Zuordnung zu anderen Teilen der (künftigen) Bundesverfassung. Dabei
    bietet sich in einer Reihe von Fällen der Einbau in einen allfälligen
    Grundrechtekatalog an.

5. Die Frage weiterer Staatszielbestimmungen oder Verfassungsaufträge wird sich jedenfalls auch im Rahmen des Grundrechtsausschusses stellen, vor allem unter dem Aspekt sozialer Grundrechte (siehe v.a. den bereits erwähnten Abschnitt "Solidarität" der EU-Grundrechtecharta, der einen Mindeststandard für die Mitgliedstaaten vorgibt).

6. Der normative Gehalt von Staatszielbestimmungen ist allerdings gering, wie sich am Beispiel des UmweltschutzBVG oder des Art 13 B-VG (gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht) leicht zeigen ließe. Das liegt zum einen daran, dass die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zwangsläufig groß bleiben muss, zum anderen aber auch daran, dass solche Verfassungsregelungen kaum gerichtlich durchsetzbar sind. Ein (Verfassungs-)Gericht ist auf die Feststellung einer mangelnden Umsetzung von Staatszielbestimmungen und Verfassungsaufträgen beschränkt, kann aber diese Unterlassung nicht durch seine Entscheidung substituieren. Allerdings hat der VfGH Techniken der Gesetzesaufhebung entwickelt, mit denen auch auf ein Unterlassen des Gesetzgebers reagiert werden kann (VfGH Slg 8017/1977, 13.477/1993, 14.075/1995; 16.316/2001 u.a.). Eine gänzliche Untätigkeit des Gesetzgebers kann aber vom VfGH nicht aufgegriffen werden (VfGH Slg 14.453/1996 zur fehlenden gesetzlichen Grundlage für das – nach Art 10 EMRK zu ermöglichende – private terrestrische Fernsehen).

Eine explizite Ermächtigung des VfGH zu einem Feststellungserkenntnis nach dem Beispiel der portugiesischen Verfassung (Art 238) dürfte gegenüber dieser Judikatur kaum Verbesserungen bringen.

7. Präambeln entsprechen nicht dem herkömmlichen Stil österreichischer Verfassungsgesetzgebung. Das ist kein hinreichendes Argument gegen eine Präambel in einer neuen Verfassung. Aber der normative Gehalt von Präambeln steht in keinem Verhältnis zu dem dadurch im Regelfall provozierten ideologischen Streit. Die Schaffung einer neuen Verfassung steht vor vielen Hürden. Es sollte nicht künstlich eine weitere Hürde durch die Forderung nach einer Präambel konstruiert werden.

 

 

1.3.2   Stellungnahme zur Neutralität

Eingebracht im Ausschuss 1, 10. Sitzung, 14.1.2004

 

 

Neutralität als Staatszielbestimmung in einer

künftigen Bundesverfassung

I.

Die österreichische Neutralität ist im Jahre 2004 gewiss nicht mehr das, was sie zwischen 1955 und 1990 war. Geändert haben sich zum einen die außenpolitischen Rahmenbedingungen, vor allem durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und des Warschauer Paktes. Verändert haben sich ferner rechtliche Überzeugungen wie jene über das Verhältnis von UN-Mitgliedschaft und Neutralität: Während die ältere österreichische Lehre im Sinne der so genannten Verdroß-Doktrin von einem Vorrang der Neutralitätspflichten gegenüber den Pflichten aus der UN-Satzung ausging, gilt heute unbestritten eine Teilnahme an vom Sicherheitsrat legitimierten militärischen Aktionen als mit der Neutralität vereinbar.

Eine markante Änderung hat schließlich die EU-Mitgliedschaft bewirkt. Zu den Zielen der EU gehört auch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Diese umfasst sämtliche Fragen der äußeren Sicherheit inklusive einer "schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik …, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte, falls der Europäische Rat dies beschließt" (Art 17 Abs 1 EUV). Dies schließt auch "Kampfein­sätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen" ein (Art 17 Abs 2 EUV). Ziel der GASP ist ua die "Wahrung der gemeinsamen Werte, der grundlegenden Interessen, der Unabhängigkeit und der Unversehrtheit der Union" sowie "die Wahrung des Friedens und die Stärkung der internationalen Sicherheit", dies im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen (Art 11 Abs 1 EUV). Damit ist – da sich Neutralität und eine gemeinsame Verteidigungspolitik widersprechen – in die "immerwährende" Neutralität Österreichs ein Ablauftermin eingebaut, der nur noch kein festes Datum hat (certus quam, incertus quando).

Allerdings lässt die Realität der GASP Spielräume für die Mitgliedstaaten offen. Derzeit erscheint es noch durchaus möglich, innerhalb der EU so etwas wie eine Neutralitäts­politik zu verfolgen. Zu beachten ist freilich auch die Gemeinsame Erklärung Nr. 1 zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in der Schlussakte zum Beitrittsvertrag von 1994, wonach u.a.

-- die neuen Mitgliedstaaten ab dem Zeitpunkt ihres Beitritts bereit und fähig sein werden, sich in vollem Umfang und aktiv an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, so wie sie im Vertrag über die Europäische Union definiert ist, zu beteiligen;

-- die neuen Mitgliedstaaten mit dem Beitritt alle Ziele des Vertrags, die Bestimmungen in Titel V des Vertrags und die ihm beigefügten einschlägigen Erklärungen vollständig und vorbehaltlos übernehmen werden.

Auch im EUV selbst wird festgehalten, dass die Mitgliedstaaten "die Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität" unterstützen (Art 11 Abs 2 EUV). Andererseits heißt es auch im Art 17 Abs 1 2. Unterabsatz EUV, dass die "Politik der Union nach diesem Artikel … nicht den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten (berührt)" (sog. "Irische Klausel").

II.

Der Bundesverfassungsgesetzgeber hat auf diese Entwicklung durch Art 23f B-VG reagiert. Danach wirkt Österreich an der GASP mit, und zwar einschließlich der Petersberger Aufgaben ("Aufgaben gemäß Art. 17 Abs. 2" EUV) sowie wirtschaftlicher Sanktionen gegenüber Drittstaaten. Art 23f Abs 1 letzter Satz, Abs 2, Abs 3 und Abs 4 B-VG enthalten lediglich verfahrensrechtliche Regelungen (Genehmigung gewisser Beschlüsse durch den Nationalrat mit qualifizierter Mehrheit – was sich auch schon aus Art 50 Abs 3 B-VG ergeben würde; Recht des Nationalrats zu verbindlichen Stellungnahmen gemäß Art 23e B-VG; Einvernehmen zwischen Bundeskanzler und Außenminister bei einschlägigen Beschlüssen der EU über friedenserhaltende und friedensschaffende Aufgaben sowie den Aufbau einer gemeinsamen Verteidigungspolitik; Mitwirkung des Nationalrats bei Entsendung von Militärs). Er normiert aber expressis verbis keine inhaltlichen Beschränkungen der im ersten Satz des Art 23f Abs 1 B-VG proklamierten "Mitwirkung".

Inwieweit dabei eine Bindung Österreichs an die dauernde Neutralität besteht, ist strittig und wird von einem Teil der Lehre (im Einklang mit den Materialien zu Art 23f B-VG) verneint. Eine Vereinbarkeit mit der österreichischen Neutralität könnte allenfalls im Zusammenhang mit der in Art 11 Abs 1 EUV normierten Bindung der EU an die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen (siehe zuvor) argumentiert werden: Nur solche "friedensschaffende" Einsätze mit Militärgewalt sind der EU erlaubt, die durch den Sicherheitsrat legitimiert sind. Die Beteiligung an solchen Maßnahmen steht aber nach heutiger Auffassung ohnehin nicht im Widerspruch zur Neutralität.

Weitgehend unbestritten ist, dass gewisse "Kernelemente" der ursprünglichen Neutralität für Österreich auch weiterhin – jedenfalls innerstaatlich – verbindlich sind. Es ist dies zum einen die generelle Verpflichtung eines Neutralen, nicht an einem "Krieg" teilzunehmen (soweit militärische Aktionen nicht durch den Sicherheitsrat legitimiert sind). Es sind dies ferner die im Art I Abs 2 NeutralitätsBVG angesprochenen Verpflichtungen, nicht einem militärischen Bündnis beizutreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf österreichischem Territorium nicht zu dulden. Ungeachtet der Fraglichkeit der österreichischen Neutralität aus internationaler und völkerrechtlicher Sicht bewirken diese Bestimmungen des NeutralitätsBVG im innerstaatlichen Bereich, dass jede weitere Einschränkung der Neutralität, vor allem auch der Beitritt zu einem Verteidigungsbündnis, als verfassungsändernd zu qualifizieren ist und daher einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat bedarf.

III.

Wie immer man den Stellenwert der Neutralität für Österreichs Außenpolitik bewertet, er ist jedenfalls innenpolitisch äußerst kontroversiell. Das ist erst jüngst im Zusammenhang mit einer im EU-Verfassungsvertrag zur Diskussion gestellten Beistandspflicht auf europäischer
Ebene deutlich geworden. Es stellt aber keine Aufgabe eines Ausschusses des Konvents
- dessen Arbeitsweise nach § 21 Abs 3 der Geschäftsordnung auf Konsens ausgerichtet ist - dar, dieses strittige Thema zu entscheiden. Der Ausschuss 1 ist weder der geeignete Ort, die Neutralität zu reanimieren noch sie zu entsorgen. Insofern empfiehlt es sich, inhaltlich am bestehenden Verfassungsrecht vorerst festzuhalten.

Dies könnte am einfachsten durch Aufrechterhaltung des geltenden NeutralitätsBVG geschehen. Im Ausschuss 2 zeichnet sich die Auffassung ab, dass es auch in Zukunft neben der Stammurkunde der Bundesverfassung einige weitere Bundesverfassungsgesetze geben wird. Mehrere Mitglieder des Präsidiums haben dies bereits vorgeschlagen. Im Ausschuss 2 wurde das NeutralitätsBVG als ein Kandidat für ein solches außerhalb der Stammurkunde bestehendes Bundesverfassungsgesetz genannt. Offen ist dabei noch die Frage, wie diese Bundesverfassungs­gesetze mit der Verfassungsurkunde verknüpft werden sollen. Doch ist dies eine Frage, die im Ausschuss 2 zu klären sein wird.

Es handelt sich auch um einen Kompromiss der Sache nach: Die Befürworter der Neutralität verzichten damit auf deren Verankerung im Haupttext der (künftigen) Bundesverfassung, ihre Kritiker auf die gänzliche Eliminierung aus dem Verfassungsrecht.

Für diese Lösung spricht weiters, dass die Entwicklung auf europäischer Ebene im Fluss ist und eine Anpassung der Bundesverfassung zweckmäßigerweise zu jenem Zeitpunkt erfolgen soll, an dem sich diese Entwicklung klarer konturiert.

Es wird daher vorgeschlagen, das NeutralitätsBVG unverändert neben der künftigen Verfassungsurkunde aufrecht zu erhalten und den Ausschuss 2 um die Klärung der Frage zu ersuchen, wie dieses Nebeneinander legistisch zu gestalten wäre. Eine andere Lösung scheint nicht konsensfähig zu sein.

 

 

1.4       Specht Leopold, Dr.

1.4.1   Stellungnahme zur Vorgangsweise des Ausschusses 1

Eingebracht im Ausschuss 1, 3. Sitzung, 15.10.2003

 

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

 

Ich darf versuchen, meine Überlegungen zur Konkretisierung von Staatszielen und –aufgaben weiter zu präzisieren:

 

(1)   Tatsächlich wurde anlässlich der Ausschusssitzung vom 08. 10. 2003 lediglich oberflächlich Konsens erzielt, sich nicht an einem umfassenden Katalog von Staatszielen und –aufgaben zu versuchen. Ich sehe in einem – selbst taxativen – Katalog derartiger Ziele und Aufgaben mehr eine Verengung denn eine Erweiterung des Prozesses der Formulierung neuer und der inhaltlichen Gestaltung bestehender Staatsziele. Die bereits normierten Staatsziele und –aufgaben sollten jedoch in einer Norm zusammengefasst werden, mit dem Verweis, dass als solche festgestellte Staatsziele und –aufgaben verpflichtend für Gesetzgebung und Vollziehung sind.

(2)   Daher plädiere ich weiters für den Versuch, Staatsziele und –aufgaben allgemein anzusprechen, deren Wahrung und Realisierung der gesamten Vollziehung (Verwaltung und Gerichtsbarkeit) auf zu tragen und die Gesetzgebung in diesem Sinne zu verpflichten.

(3)   Überlegungen zur Aufnahme von Staatszielen und –aufgaben alleine unter dem Gesichtspunkt der Sanktionierung von Behördenverhalten anzustellen, hieße, lediglich einen Aspekt des Problems zu reflektieren. Einerseits finden im Wege des Gemeinschaftsrechts – welches, soweit unmittelbar anzuwenden, bereits derzeit (etwa) von der Verwaltung zu vollziehen ist, wenn eine gesetzliche Grundlage iSd Art 18 B-VG fehlt – Zielvorstellungen (die Grundfreiheiten) Eingang in die Rechtsordnung und binden die Vollziehung. Derartige Zielvorstellungen konditionieren den politischen Prozess, sie binden den Gesetzgeber und die Vollziehung. Die Konkretisierung obliegt – derzeit – vor allem dem Europäischen Gerichtshof.

(4)   Im Wege der Ziele der EU und konkretisiert durch den EuGH verlieren traditionelle Unterscheidungen – etwa zwischen Verwaltung und Gerichtsbarkeit; oder zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht – zusehends an Schärfe. Beispielsweise verweise ich auf die derzeitige Diskussion über Eingriffsnormen im Privatrecht im Gefolge der Ingmar-Entscheidung [EuGH, Urt. v. 09. 11. 2000 – Rs. C-381/98 (Ingmar GB Ltd. v. Eaton Leonhard Technologies Inc.)]. Diese Diskussion kristallisiert um den Ausspruch des Gerichtshofes, die Handelsvertreter-Richtlinie (RL 85/653/EWG vom 18.12. 1986) ziele auf den Schutz der Niederlassungsfreiheit und des unverfälschten Wettbewerbs.

Die an dieses Urteil anknüpfende Diskussion hält mittlerweile bei Folgendem: (a) die Anwendung von Eingriffsnormen verlange die Beachtung „rechtlicher policies“ (Staudinger, Kommentar des BGB, 13. Aufl. 2002, RZ 36 zu Art 34 EGBGB); (b) Art 34 EGBGB normiere eine „grundrechtsspezifische Eingriffsnorm“ der unterlegenen Partei in einer Situation gestörter Vertragsparität (Reich, „Grundgesetz und internationales Vertragsrecht“, NJW 1994, Heft 33); (c) „internrechtliche Abgrenzungen von öffentlichem Recht und Privatrecht“ seien nicht geeignet, das Phänomen der Eingriffsnormen zu erfassen. Trotzdem verschwimmen Eingriffsnormen nicht zu einer „nebulöse(n) Masse von Rechtsnormen, die nur formal durch die Unverzichtbarkeit ihrer Anwendung (....) oder durch ihre Zugehörigkeit zum öffentlichen Recht umschrieben werden können. Vielmehr ist man sich überwiegend einig, dass eine Definition nur anhand materieller Kriterien in Betracht kommt: Die Bestimmung erfolgt auf Grund der Sachnormzwecke.“ (Sonnenberger, „Das trojanische Pferd im IPR oder notwendige Ergänzung?“, IPRax 2003, Heft 2).

 

 

(5)   Die Alternative zur Formulierung eines Kataloges von Zielen und Aufgaben ist in der Erarbeitung von Vorgaben zu sehen. Das von Funk angesprochene Koordinatensystem aus Grundsätzen unterschiedlicher Ordnung erscheint mir eine erste Annäherung an die Lösung der Frage, wie ein offenes Verfahren der Konkretisierung und (normativen) Kristallisierung von Staatszielen und –aufgaben gefasst werden kann. Allgemeine Bestimmungen von Zielen und Aufgaben des Staates (besser: Anforderungen an das Gemeinwesen) – im politischen Prozess – und die normative Fassung – verfassungsgesetzlich – vorgegebene Prinzipien werden durch die Erfordernisse jeweiliger Sachverhalte – im Wege von Verfahren und, wenn notwendig, in Entscheidungen – konkretisiert. Derartige Prinzipien – Ziele „zweiter Ordnung“? – können beispielsweise sein: Legalität, Nachhaltigkeit, Effizienz, Nichtdiskriminierung, Ressourcenschonung, Verhältnismäßigkeit, Zugang zu Lebenschancen.

Wichtig erscheint mir der Gedanke, dass derart Entscheidungsgrundlagen nicht nur im Sinne der Sanktion ex-post, sondern – vor allem – im Sinne einer Gestaltung formulierbar sind.

 

Da ich an der Teilnahme an der Ausschusssitzung vom 15. Oktober 2003 verhindert bin, darf ich Sie, sehr geehrter Herr Vorsitzender, ersuchen, mein (kurzes) Papier zur Diskussion zu stellen und Herrn Prof. Raschauer, es gegebenen Falls vorzutragen.

 

 

1.4.2   Textvorschlag zur Neutralität

Eingebracht im Ausschuss 1, 10. Sitzung, 14.1.2004

 

 

Neutralität als Staatszielbestimmung

 

(1) Nicht ein weniger an Neutralität, sondern ein anderes Verständnis von immerwährender Neutralität greift im Gefolge der Mitgliedschaft Österreichs in der EU Platz. Ein älteres Verständnis von immerwährender Neutralität normiert sekundäre Verpflichtungen sehr weitgehend: etwa die Verpflichtung zu wirtschaftlicher Vorsorge für den Krisenfall; oder Handelspolitik als von immerwährender Neutralität schon zu Friedenszeiten bestimmt. Nunmehr ist immerwährende Neutralität auf den Kern beschränkt, der im BVG Neutralität formuliert ist: kein Beitritt zu militärischem Bündnis und Verbot der Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiet.

 

(2) Dogmatisch bedingt immerwährende Neutralität – im Sinne eines jüngeren Verständnisses -- auch „ein Mehr“ als Neutralität und ist nicht Bündnisfreiheit gleich zu setzen. Neutralität beschreibt zunächst den völkerrechtlichen Status eines Staates im Kriegsfall. Die Entscheidung eines Staates, sich nicht an einem militärischen Konflikt zu beteiligen, begründet dessen Neutralität. Die Pflichten des Neutralen sind: (i) Enthaltungspflicht; (ii) Verhinderungspflicht; (iii) Unparteilichkeit; (iv) Duldungspflichten. Unter Blockfreiheit ist dagegen völkerrechtlich die Entscheidung eines Staates zu verstehen, sich keinem militärischen Bündnis anzuschließen. Diese Entscheidung determiniert jedoch nicht das Verhalten des Blockfreien im Falle kriegerischer Auseinandersetzung.

 

(3) Die Ausgestaltung des Instituts der immerwährenden Neutralität alleine durch die Bundesregierung legt nahe, die immerwährende Neutralität in ihrem rechtlich argumentierbaren Gehalt verbindlich zu formulieren. Dies ermöglichte gegebenen falls auch den korrigierenden Eingriff des VfGH.

 

(4) Ein älteres Verständnis von immerwährender Neutralität ist mit den Verpflichtungen Österreichs aus dem EUV nicht vereinbar. Dies jedoch aus den von der älteren Lehre formulierten Vorkehrungs- und Vorbereitungspflichten des immerwährend neutralen Staates. Das Argument, die Mitgliedschaft in der EU verpflichte etwa zur Teilnahme an Embargos – und führe zur Parteinahme in Friedenszeiten – überzeugt dagegen nicht (siehe unten). Würde das Argument, Österreich sei an Embargobeschlüsse der EU gebunden, auch auf den Falle kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Drittstaaten erweitert, kann von immerwährender Neutralität nicht mehr die Rede sein; nicht einmal mehr von Neutralität.

Das Argument, Österreich sei aus dem EUV verpflichtet, etwa Embargobeschlüsse mit zu tragen, ist jedoch verfehlt. Dieses Argument ist auf Art 301 EGV gestützt und übersieht, dass Art 23 EUV ein spezielles procedere für Beschlüsse über Maßnahmen im Rahmen der GASP normiert. Art 301 EGV normiert das Verfahren nachdem ein gemeinsamer Standpunkt eingenommen oder gemeinsame Aktionen durch den Rat beschlossen wurden. Die Beschlussfassung von gemeinsamen Standpunkten und gemeinsamen Aktionen folgt jedoch dem Verfahren des Art 23 EUV. Österreich ist daher berechtigt -- und aus dem BVG Neutralität verpflichtet --, bei Beschlussfassungen gem Art 23 EUV, sich der Stimme zu enthalten, sollten Beschlüsse des Rates den neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen Österreichs entgegen stehen. Österreich ist in diesem Fall weiters verpflichtet, eine Erklärung abzugeben, die Stimmenthaltung sei den neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen Österreichs geschuldet. Dies mit der Konsequenz, dass Österreich nicht verpflichtet ist, einen entsprechenden Beschluss durch zu führen oder sich an Aktionen zu beteiligen. Die in Art 23 Abs 1 EUV normierte Verpflichtung, alles zu unterlassen, „was dem auf diesen Beschluss beruhenden Vorgehen der Union zuwiderlaufen und es behindern könnte“, ist im Sinne der Enthaltungspflicht des Neutralen zu interpretieren und zu handhaben. Sowohl der erste als auch der zweite Absatz des Art 23 EUV räumen Österreich ausreichenden Spielraum zur Erfüllung der neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen ein.

 

(5) Die Mitwirkung Österreichs an „Maßnahmen (..), mit denen die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten Ländern ausgesetzt, eingeschränkt oder vollständig eingestellt werden“ (Art 23 f B-VG) ist im Lichte der Verpflichtungen Österreichs aus der Charta der Vereinten Nationen zu interpretieren. Dieser Interpretationsrahmen ist dem EUV immanent. Verwiesen sei auf Art 11 EUV. Die Wahrung der Interessen der EU hat ebenso „im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen“ zu erfolgen, wie die Wahrung des Friedens und die Stärkung der internationalen Sicherheit.

Die Teilnahme Österreichs an Maßnahmen der UN in der schon vor dem Beitritt Österreichs zur EU praktizierten Weise ist jedenfalls auch innerhalb der EU – soweit in Einklang mit der Charta der UN – unbedenklich. Ebenso erscheint die Teilnahme an Maßnahmen der EU möglich, soweit diese in Erfüllung von Beschlüssen der UN erfolgen. Dies auch an Maßnahmen, welche der Qualität nach über die vor 1995 eingehaltenen Restriktionen hinausgehen. Dies sind „friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen“ (Art 23 f B-VG). Qualität und Quantität der zur Teilnahme an derartigen Maßnahmen von Österreich bereitgestellten Ressourcen bestimmt Österreich (Helsinki Accords).

 

(6) Die immerwährende Neutralität bestimmt die Teilnahme Österreichs an der GASP demnach inhaltlich. Der Inhalt dieser Neutralität wird im Sinne der Friedensordnung der UN konkretisiert, soweit Österreich die Teilnahme an Maßnahmen im Rahmen der GASP, gem Art 17 EUV zu erwägen hat.

Bei Beibehaltung des BVG Neutralität sollte eine Novelle des Art 23 f B-VG dies präzisieren:

 

Art 23 f. (1) (.....) Dies schließt die Mitwirkung an Aufgaben gemäß Art 17 Abs. 2 dieses Vertrages sowie an Maßnahmen ein, mit denen die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten Ländern ausgesetzt, eingeschränkt oder vollständig eingestellt werden, soweit diese Maßnahmen in Erfüllung eines Mandates der Vereinten Nationen erfolgen. (.....).

(2) (.....)

(3) An Beschlüssen betreffend friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen kann Österreich mitwirken, soweit derartige Beschlüsse in Erfüllung eines Mandates der Vereinten Nationen gefasst werden.

(4) (.....).

 

 

1.5       Verzetnitsch Fritz

1.5.1   Stellungnahme Mandat

Eingebracht im Ausschuss 1, 3. Sitzung, 15.10.2003

 

 

Verantwortungsbereiche des modernen Wohlfahrtsstaates

 

 

Anstelle einer Diskussion über Staatsaufgaben – gegebenenfalls in Abgrenzung zu Staatszielen – fordern wir eine klare Festlegung von Verantwortungsbereichen des Staates. Es geht darum, den Wohlfahrtsstaat des 21. Jahrhunderts in eine zeitgemäße Verfassung zu bringen. Dies erscheint uns weniger missverständlich als die Festschreibung von Staats- bzw. Kernaufgaben.

 

Verantwortungsbereiche des Staates sind insbesondere:

 

-      Stabilisierung und Aufrechterhaltung von Wachstum und Beschäftigung, insbesondere die wirtschaftspolitische Verantwortung für Vollbeschäftigung unter Beachtung der Lebensstandardsicherung (Lebensunterhaltsprinzip) und der Qualität von Arbeitsplätzen

-                 Verbesserung von Produktionsbedingungen

-      Förderung der Bildungschancen unabhängig vom Einkommen durch ein öffentliches Bildungswesen

-      Solidarische Absicherung gegen Grundrisiken wie Krankheit, Unfall, Alter, Arbeitslosigkeit, Behinderung

-                 Bekämpfung sozialer Ungleichheit sowie sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung

-                 Förderung des sozialen Zusammenhaltes und der Solidarität

-                 Föderung der Gleichstellung von Mann und Frau

-                 Sicherung der Nachhaltigkeit im Bereich der Umwelt

-                 Förderung der Mobilität und Kommunikation der Bürgerinnen und Bürger

-                 Ausbau von Infrastruktur einschließlich der Förderung von Forschung und Entwicklung und Ausbau anderer öffentlicher Dienstleistungen wie Wasserver- und Abwasserentsorgung, Verkehrswesen, Energieversorgung, Abfallwirtschaft, Postdienste, Telekommunikation

 

Grundsätzlich davon zu trennen ist die Frage, in welcher Form der Staat seiner Verantwortung nachkommt. Im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung (öffentlich, erwerbswirtschaftlich, gemischt, autonomer Sektor) darf jedoch der Gegensatz zwischen rein erwerbswirtschaftlichen und gemeinwohlorientierten Zielen nicht aus den Augen gelassen werden. Die zuständigen Ressorts tragen in jedem Fall eine adäquate Ergebnisverantwortung. Zu deren Sicherung und Überprüfbarkeit sind Erfolgskontrollen durch den Rechnungshof vorzusehen, deren Ergebnisse dem Nationalrat vorzulegen sind.

 

In Fragen der Ausgliederung ist eine Abstimmung mit dem Ausschuss 7 erforderlich. Die Koordinierung sollte bereits in einem frühen Stadium der Beratungen erfolgen.

 

 

 

1.5.2   Textvorschlag zur Sozialen Sicherheit und Arbeit

Eingebracht im Ausschuss 1, 6. Sitzung, 10.11.2003

 

 

Artikel soziale Sicherheit

(1)   Österreich ist ein Wohlfahrtsstaat und bekennt sich zu sozialer Gerechtigkeit und zur Sicherstellung eines hohen sozialen Schutzes.

(2)   Diese Verantwortung umfasst insbesondere
- die solidarische Absicherung bei Krankheit, Unfall, Alter, Arbeitslosigkeit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit und Mutterschaft;
- die Herstellung von Chancengleichheit;
- die Verbesserung der allgemeinen Lebens- und Arbeitsbedingungen;
- die Bekämpfung sozialer Ungleichheit, Armut, Ausgrenzung und Diskriminierung;
- die Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau sowie des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

 

 

Artikel Arbeit

(1)   Österreich bekennt sich zur Bedeutung der menschlichen Arbeit als Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur Entfaltung der Persönlichkeit der Menschen.

(2)   Diese Verantwortung umfasst insbesondere
- die Ausrichtung der Sozial- und Wirtschaftspolitik am Ziel der Vollbeschäftigung unter Berücksichtigung hoher Qualität der Arbeit;
- die Bereitstellung unentgeltlicher Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und sonstiger Maßnahmen zur Wiedereingliederung in das Arbeitsleben;
- die Gewährleistung sicherer, gesunder, gerechter und den menschlichen Bedürfnissen auch sonst entsprechender Arbeitsbedingungen, sowie deren wirksame Kontrolle;
- die Förderung des sozialen Dialogs auf betrieblicher und überbetrieblicher Ebene.

 

 

1.5.3   Formulierungsvorschlag zum Staatsziel Bildung

Eingebracht im Ausschuss 1, 9. Sitzung, 10.12.2003

 

 

 

Staatsziel Bildung

 

 

Textvorschlag BM Gehrer:

 

Die Republik Österreich strebt eine umfassende Bildung ihrer Bürger an.

 

Die Sicherung von leistungsorientierten, chancengerechten, leistungsstarken Bildungsangeboten und deren Qualität ist eine öffentliche Aufgabe.

 

Anmerkungen:

Der Begriff „leistungsorientiert“ sollte nicht im Staatsziel vorkommen, da es keine objektive Leistungsbeurteilung gibt. Sehr wohl wird aber eine Leistungsförderung für leistungsschwächere aber auch für leistungsstarke SchülerInnen innerhalb des Bildungssystems befürwortet. Zudem fehlen wichtige Aussagen zur Finanzierung und Verantwortlichkeit.

 

Gegenvorschlag:

 

Die Republik Österreich strebt eine umfassende, chancengleiche Bildung ihrer BürgerInnen an und hat ein ausreichendes, leistungsstarkes Angebot für die Aus- und Weiterbildung zu gewährleisten.

 

Die Aufgabe der öffentlichen Hand ist die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel für Infrastruktur und Personal zur Sicherstellung eines qualitativen, chancengleichen, sowie bedarfs- und bedürfnisgerechten Bildungsangebots. Alle Bürger haben ohne Einschränkungen* das Recht auf einen freien und unentgeltlichen Zugang zu allen öffentlich finanzierten Bildungseinrichtungen.

 

* d.h. unabhängig vom Geschlecht, Behinderung, Herkunft, Sprache, Religion, politische und sonstiger Weltanschauung, Minderheitenzugehörigkeit, Vermögen, Geburt, Alter oder sexuelle Ausrichtung, Staatszugehörigkeit

 

Begründung:

 

Das Recht auf Bildung beginnt mit der Geburt und erstreckt sich über die gesamte Lebensspanne (lebensbegleitendes Lernen). Eine umfassende, chancengleiche Bildung zielt darauf ab, Benachteiligungen und Diskriminierungen zu verhindern, abzubauen bzw. zu beseitigen, das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe am Leben der Gesellschaft zu gewährleisten und eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.

 

Die drei Grundprinzipien einer umfassenden Bildung sind:

Gleichstellung in der Bedeutung von Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit und somit Chancengleichheit

 

§         Barrierefreiheit  - inhaltlich, räumlich, zeitlich, finanziell, personell, organisatorisch

 

§         Qualitätssicherung

 

In Österreich muss gewährleistet sein, dass jedes Kind/Jugendlicher Zugang zu einer umfassenden, ausreichenden, qualitativ hochwertigen und zukunftsweisenden Bildung erhält – ohne große Belastungen durch weite Wege, hohe Kosten oder besondere Auswahlkriterien. Die Chance zwischen verschiedenen Bildungswegen und guten Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten zu wählen, muss flächendeckend gewährleistet sein, damit der Blick in die Zukunft jedes einzelnen Kindes Sinn macht und überzeugende Perspektiven anbietet.

 

Die Lehrinhalte und die Lehrenden für Kinder und Jugendliche müssen a) den jeweiligen entwicklungsbedingten Bedürfnissen junger Menschen entsprechen und b) den Kriterien eines demokratischen, humanistischen, sozialen, selbstwertstärkenden und werteorientierten Bildungskonzeptes für die Zukunft folgen.

 

 

1.5.4   Formulierungsvorschlag zur Sozialen Sicherheit und Arbeit

Eingebracht im Ausschuss 1, 9. Sitzung, 10.12.2003

 

 

1. Soziale Sicherheit

Österreich ist ein Sozialstaat (Wohlfahrtsstaat) und bekennt sich als Ausdruck der Menschenwürde zu einem hohen Standard an sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit unter Berücksichtigung der Prinzipien der Solidarität und Chancengleichheit. Der Staat bekämpft aktiv alle Formen der Armut, sozialen Ausgrenzung und Diskriminierung.

 

2. Arbeit

Österreich bekennt sich zur Bedeutung der Arbeit als Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts unter menschenwürdigen Bedingungen und zum sozialpartnerschaftlichen Dialog. Der Staat fördert die Vollbeschäftigung und schafft geeignete Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

 

Anmerkung: Gewährleistungsverpflichtungen für die menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sollen in die Grundrechte kommen (Durchsetzbarkeit)!

 

Ergänzungen zum Wirtschaftlichen Staatsziel:

                                  Einbau der Vollbeschäftigung in den Vorschlag der WKÖ, wenn dort       

                                  nicht möglich dann in die Staatszielbestimmung Arbeit

                                  statt Marktwirtschaft ökosoziale Marktwirtschaft

 

 

1.5.5   Formulierungsvorschlag zum Gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht

Eingebracht im Ausschuss 1, 10. Sitzung, 14.1.2004

 

Der Staat bekennt sich zur Finanzpolitik als Mittel zur Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Bund, Länder und Gemeinden koordinieren im Rahmen der Erstellung und des Vollzugs ihrer Haushalte ihre finanz- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.

 

 

1.5.6   Textvorschlag zumUmfassenden Umweltschutz

Eingebracht im Ausschuss 1, 10. Sitzung, 14.1.2004

 

 

(1)   Die Republik Österreich bekennt sich zum umfassenden Natur- und Umweltschutz und sorgt für dessen Einhaltung.

Umfassender Naturschutz ist die Bewahrung ökologischer Systeme und ihrer Vielfalt. Umfassender Umweltschutz ist die Vorsorge vor nachteiligen (anstatt schädlichen) Einwirkungen und die Behebung („tunlich“ ist zu streichen) bestehender nachteiliger (anstatt schädlicher) Einwirkungen. Die Kosten der Vorsorge und Behebung tragen die Verursacher

 

 

1.5.7   Textvorschlag zur Sozialpartnerschaft

Eingebracht im Ausschuss 1, 10. Sitzung, 14.1.2004

 

 

Vorschlag für Staatsziel „Sozialpartnerschaft“:

 

„Österreich anerkennt und fördert  (den sozialen Dialog,) die Rolle der Sozialpartner und achtet deren Autonomie und Handlungsformen.“

 

 

1.5.8   Stellungnahme zur Sozialpartnerschaft

Eingebracht im Ausschuss 1, 12. Sitzung, 27.1.2004

 

 

Verankerung der Sozialpartnerschaft als Staatsziel

 

Der Ausschuss vertritt hiezu die Meinung, dass es zunächst darum gehen muss, die Grundlagen der sozialpartnerschaftlichen Einrichtungen in der Verfassung zu regeln (Schnittstellen zu Ausschuss 7 und 4).

 

Dies betrifft insbesondere

 

1.             die Verankerung der sozialen und wirtschaftlichen Selbstverwaltung in der Verfassung (Thematik im Ausschuss 7) und

2.                  die Garantie der Koalitionsfreiheit als Teil des Grundrechtskataloges.

 

In der Folge könnte bei den weiteren Arbeiten des Konvents – gleichsam als gemeinsame Klammer eine Staats-Ziel-Bestimmung geschaffen werden, in der Österreich die Rolle, die Autonomie und die Handlungsformen der Sozialpartnerschaft anerkennt. Die Formulierung des Staatszieles muss dabei auf die Arbeiten in den genannten Ausschüssen Rücksicht nehmen.

 

 

1.6       Verzetnitsch Fritz (gemeinsam mit Lichtenberger Eva, Dr.)

1.6.1   Textvorschlag Gleichstellung von Behinderten

Eingebracht im Ausschuss 1, 11. Sitzung, 21.1.2004

 

Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) ist verpflichtet, die Gleichstellung von behinderten und nicht behinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. Sie sorgt für die gerichtliche Durchsetzung von Vorschriften zum Schutz behinderter Menschen.

 

 

1.7       Wittmann Peter, Dr.

1.7.1   Stellungnahme Mandat

Eingebracht im Ausschuss 1, 2. Sitzung, 8.10.2003

 

Thesenpapier zum Ö-Konvent Ausschuss 1 – Staatsziele und - aufgaben

Ein Staat, der wenige Aufgaben erwartungsgemäß erfüllt, scheint für seine BürgerInnen mächtiger als jener Staat der viele Aufgaben trotz größerer Leistung nicht erwartungsgemäß erfüllt. Also Macht und Sinn eines Staates hängen nicht nur von den ihm zugedachten und von ihm übernommenen Aufgaben ab, sondern auch von deren Erfüllung. Scheinbare Entmachtung des Staates kann sich viel mehr als Enttäuschung überzogener Erwartungen an den Staat herausstellen. Daher ist es auch notwendig, dass sich die Verfassung an die Bürger und Bürgerinnen richtet und nicht an die Verwaltungsbeamtenschaft, die die Gesetze zu vollziehen hat. Akzeptanz der Verfassung durch die BürgerInnen ist zukünftig unerlässlich.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass von der bestehenden Verfassung ausgegangen werden soll. Ein völliger Neuentwurf ist nicht notwendig. Jeder Eingriff und jede Reform der bestehenden Verfassung soll von konkreten Problemen und Fragestellungen aus gedacht werden: Durch die rasante politische, soziale, wirtschaftliche und rechtliche Veränderung der Gesellschaft in der bestehenden Verfassung überflüssig Gewordenes soll beseitigt, Fehlendes ergänzt und sinnvoll Bestehendes angepasst werden.

Staatsziele sollen weit gefasst werden, damit durch taxative Zieldefinitionen die Dynamik einer modernen Gesellschaft nicht eingeschränkt wird. Grundsätzlich bildet das Legalitätsprinzip die erforderliche demokratische Legitimation für die Vollziehung. Hierbei sollen sich die Gesetze, wie im österreichischen Rechtsalltag, allerdings nicht an die Beamten sondern an die Bürger richten. Das „Wie“ der Umsetzung soll im Hintergrund bleiben. Vielmehr genügen Gewährleistungsstandards die Grundaufgaben und Grundbedürfnisse identifizieren, für die der Staat die Verpflichtung zur Umsetzung und Erfüllung übernimmt. Wer diese Grundaufgaben (z.B. freier Bildungszugang) wie anbietet und umsetzt ist nach effizienten Gesichtspunkten und grundlegenden Qualitätsnormen zu entscheiden. Der Gesetzgeber kann sich so auf die wesentlichen Dinge konzentrieren und diese in allgemein verständlichen Gesetzen darstellen.

Die Verwaltung kann selbst verantwortlich die beste und kostengünstigste Methode wählen um die im Gesetz festgelegten Ziele zu gewährleisten. Generell ist hier der Subsidiarität zu folgen, so dass alle Regelungen auf jener Ebene getroffen werden sollen, auf der die Umsetzung mit den geringsten Transaktionskosten verbunden ist und am Angemessensten für die Betroffenen vorgenommen und gewährleistet werden kann.

Ebenso die Ebene er Europäischen Union muss effizient eingebunden, so wie deren Vorgaben effizient umgesetzt werden.

 

Es gibt bei diesem Ausschuss wichtige Themenbereiche, die unbedingt behandelt werden sollten und welche, die sich mit jenen anderer Ausschüsse überschneiden, aber dennoch Beachtung finden sollten. Hier ist auch die Vorarbeit der zuständigen Ausschüsse zu beachten:

 

1) Die Grundrechte sollen auf Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention ausformuliert und an den Anfang der Verfassung gestellt werden. (Ausschuss 4)

2) Zusammenfassung der Gesetzgebungskompetenzen nach Aufgabenbereichen. Aufgabenbereiche sind zu schaffen, in denen zusammengehörende Rechtsgebiete umfassend geregelt werden. (Ausschuss 5)

3) Festschreibung der Subsidiarität in der Verwaltung. Regelungen sollen auf der Ebene getroffen werden, wo sie mit den geringsten Transaktionskosten verbunden sind und am Angemessensten für die Betroffenen vorgenommen werden können. (Ausschuss 6)

4) Zusammenführung von Kosten- und Finanzierungsverantwortung in der Verwaltung. (Ausschuss 6)

5) Festschreibung eines „Harmoniegebots“: Sobald Bund eine Aufgabe regelt, dürfen Länder keine widersprechende Regelungen erlassen. Wenn der Bund umfassend regelt, sind Regelungen der Länder von vornherein ausgeschlossen. (Ausschuss 3)

6) Verfassungsrechtliche Verankerung „unabhängige Einrichtungen (z.B. Unabhängiger ORF nach Muster BBC, Unabhängiger Bundesstaatsanwalt)

7) Änderung des Legalitätsprinzips. Die Verwaltung kann selbst verantwortlich die beste und kostengünstigste Methode wählen, um die im Gesetz festgelegten Ziele zu erreichen. (Ausschuss 6)

8) Verankerung des Sozialstaats in der Verfassung. So wie Gesetze an Effizienz gemessen werden sollen, sollen Gesetze auch sozialer Verträglichkeit gemessen werden. Gesetzgebung und Vollziehung sollen die soziale Sicherheit und Chancengleichheit der in Österreich lebenden Menschen als eigenständige Ziele berücksichtigen.

9) Die Verankerung der nachhaltigen Daseinsvorsorge soll in der Verfassung enthalten sein. Gerade in Hinblick auf GATTS und auf die demokratiepolitische Bedeutung der Gemeinden und Städte, da ab einem Maß an Ausdünnung der Staat zu schlank geworden ist, um vom Bürger noch als nützlich anerkannt zu werden.

 

 

1.7.2   Textvorschlag zur Daseinsvorsorge

Eingebracht im Ausschuss 1, 4. Sitzung, 21.10.2003

 

 

Was ist Daseinsvorsorge:

 

„In a world of change, services of general interest remain an essential building block of the European model of society.”

(Commission of the European Communities, Report to the Laeken European Council. 17. 10. 2001)

 

„Leistungen der Daseinsvorsorge“ (LdD) sind Dienstleistungen wie Transport, Wasser, Strom, Gas, Telekommunikation, Rundfunk- und Postdienste, die als wesentlich für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft angesehen werden. Obwohl sie als ‚wesentlich’ gelten, können diese Dienstleistungen sowohl von privaten als auch von öffentlichen Unternehmen erbracht werden. Die Verfügbarkeit, der Preis und die Qualität der Leistungen der Daseinsvorsorge sind per definitionem von größter Bedeutung für die Verbraucher

Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse unterscheiden sich insofern von normalen Dienstleistungen, als sie in den Augen des Staates auch dann erbracht werden müssen, wenn der Markt unter Umständen nicht genügend Anreize dafür bietet. Der Begriff der Leistungen der Daseinsvorsorge beruht nämlich auf dem Anliegen, überall gute und für alle erschwingliche Dienstleistungen zu gewährleisten. Diese Dienste tragen zur Verwirklichung der Ziele der Solidarität und Gleichbehandlung bei, die dem europäischen Gesellschaftsmodell zu Grunde liegen.

 

Begriffdefinitionen der EU:

Leistungen der Daseinsvorsorge

Diese sind gemeinwohlorientierte markt- oder nicht marktbezogene Leistungen wirtschaftlicher oder nicht wirtschafts-, gesellschafts-, sozial- oder kulturpolitischer Art, an deren Erbringung die Allgemeinheit und der Staat ein besonderes Interesse haben. Sie erfassen wesentliche Teile der Grundversorgung. Zu den Leistungen der Daseinsvorsorge können die öffentlich zugängliche Versorgung mit Energie, Wasser, Abfallbeseitigung, Transport, Telekommunikation, Post, Informationsmedien, Finanzdienst- und Versicherungsleistungen, Bereitstellung eines grundlegenden Sozial- und Bildungswesens, soziale Dienste sowie äußere und innere Sicherheit, Justiz- und Personenstandswesen gerechnet werden.

Dienstleistungen von allgemeinem Interesse

Der Begriff „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ ist im EU-Vertrag selbst nicht enthalten. In der Gemeinschaftspraxis wurde er aus dem im Vertrag verwendeten Begriff „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ abgeleitet. Dieser Begriff umfasst sowohl die marktbezogenen als auch die nichtmarktbezogenen Dienstleistungen, die von staatlichen Stellen im Interesse der Allgemeinheit erbracht und von ihnen daher mit spezifischen Gemeinwohlverpflichtungen verknüpft werden.

Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse

Der Begriff „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ bzw. „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ wird in Artikel 16 und Artikel 86 Absatz 2 des Vertrags verwendet. Er ist weder im Vertrag noch im abgeleiteten Recht näher bestimmt. In der Gemeinschaftspraxis herrscht jedoch weit gehende Übereinstimmung dahingehend, dass er sich ausschließlich auf wirtschaftliche Tätigkeiten bezieht, die von den Mitgliedstaaten oder der Gemeinschaft mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden werden und für die das Kriterium gilt, dass sie im Interesse der Allgemeinheit erbracht werden. Das Konzept der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse umfasst daher insbesondere bestimmte Leistungen der großen netzgebundenen Wirtschaftszweige, wie des Verkehrswesens, der Postdienste, des Energiesektors und der Telekommunikation. Der Begriff gilt jedoch auch für jede sonstige wirtschaftliche Tätigkeit, die mit Gemeinwohlverpflichtungen verknüpft ist.

Beide Begriffe sollen nicht mit dem Begriff „öffentlicher Dienst“ verwechselt werden.

Wirtschaftliche Tätigkeiten

Jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten.

Nicht-Wirtschaftliche Tätigkeiten

Betreffen insbesondere Aufgaben, die per se dem Staat vorbehalten sind, Leistungen wie die Volksbildung oder die mit der Pflichtmitgliedschaft verbundenen Grundversorgungssysteme der sozialen Sicherheit und eine Reihe von Tätigkeiten, die von Organisationen ausgeübt werden, die hauptsächlich soziale Aufgaben erfüllen, deren Zweck nicht in der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit besteht.

Universaldienst

Dieser Begriff bezeichnet eine Reihe gemeinwohlorientierter Anforderungen an die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, durch die sichergestellt wird, dass bestimmte Dienste in einer bestimmten Qualität gemeinschaftsweit erfüllt sein sollten, z. B. durch die Telekommunikations- und Postunternehmen. Sie betreffen Allgemeinwohlverpflichtungen, die den Umfang, die Mindestqualität und die Höchstpreise der öffentlichen Grundversorgung festlegen.

 

Daseinsvorsorge:

Im weitem Sinne: Staatliche Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Infrastrukturleistungen.

Im engeren Sinne: Staatliche Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit netzgebundenen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. (nach: Michael Holoubek, Daseinsvorsorge? – Weniger Staat, mehr Markt?, http://fgr.wu-wien.ac.at/holoubek.hat)

 

„Es steht den nationalen, regionalen und örtlichen Behörden eines jeden Mitgliedstaates grundsätzlich frei, was sie als Dienstleistung von allgemeinem Interesse ansehen. Diese Entscheidungsfreiheit schließt die Freiheit ein, den Erbringern solcher Leistungen Pflichten aufzuerlegen, vorausgesetzt, dass diese Pflichten mit den Gemeinschaftsvorschriften vereinbar sind. Da kein spezielles Gemeinschaftsrecht existiert, bleibt es grundsätzlich den Mitgliedsstaaten überlassen, Anforderungen wie die Universalverpflichtungen, Versorgungsgebiet, Qualitäts- und Sicherheitsstandards, Nutzer- und Verbraucherrechte sowie die einzuhaltenden Umweltvorschriften festzulegen.“ (Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, S. 27)

 

Der Staat hat die Gewährleistungsverantwortung zu übernehmen. Das heißt: Der Staat hat die Leistungen der Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Diese Leistungen können staatlich oder privat erbracht werden. Die Organisation der Gewährleistung steht von Bedarf und Situation frei. Erst im Augenblick des Versagens der Leistungserbringung muss der Staat die Leistungen auf jeden Fall erbringen in einer Art „Reservefunktion“ und „Auffangverantwortung“

 

....“der Staat hat die nachhaltige Entwicklung und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, ohne die menschliches Leben nicht möglich ist, zu gewährleisten“

....“der Staat hat Leistungen der Daseinsvorsorge, also gemeinwohlorientierte markt- oder nicht marktbezogene Leistungen wirtschaftlicher oder nicht wirtschafts-, gesellschafts-, sozial- oder kulturpolitischer Art, an deren Erbringung die Allgemeinheit und der Staat ein besonderes Interesse haben zu gewährleisten.

 


 

1.7.3   Stellungnahme zur Neutralität

Eingebracht im Ausschuss 1, 6. Sitzung, 10.11.2003

 

 

1.7.4   Textvorschlag zur Gleichstellung von Mann/Frau

Eingebracht im Ausschuss 1, 10. Sitzung, 14.1.2004

 

„Frauen und Männer haben das Recht auf tatsächliche Gleichstellung.

Menschen des benachteiligten Geschlechts haben Anspruch auf Maßnahmen, die bestehenden Benachteiligungen zu beseitigen.“

 

 

1.7.5   Textvorschlag zum Staatsziel Volksgruppen

Eingebracht im Ausschuss 1, 13. Sitzung, 11.2.2004

 

Die Republik Österreich bekennt sich zu ihren Volksgruppen und der sich aus deren Bestehen ergebenden historisch gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt und zu deren besonderen Schutz und Förderung.

 

 

1.7.6   Textvorschlag zum Staatsziel Medienvielfalt

Eingebracht im Ausschuss 1, 13. Sitzung, 11.2.2004

 

Die Republik Österreich achtet, fördert und schützt die Vielfalt der Medien.

 

 

1.7.7   Textvorschlag zum Staatsziel „Friedenspolitik“

Eingebracht im Ausschuss 1, 15. Sitzung, 6.10.2004

 

Artikel sx. Die Republik Österreich bekennt sich zu einer aktiven Friedenspolitik auf der Grundlage der Neutralität und des solidarischen Zusammenwirkens in der Europäischen Union. Österreich nimmt an Kampfeinsätzen im Ausland zur Herbeiführung von Frieden nur aufgrund von Beschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen teil, die zu solchen ermächtigen.“  

·        Aufrechterhaltung des Art. 9a B-VG: In Anbetracht der in der Sitzung des Ausschusses am 18. Juni 2004 erfolgten Diskussion über die vom BMLV vorgelegten Textvorschläge für ein Prinzip der „Umfassenden Sicherheitsvorsorge“, die im wesentlichen die – ohne Verfassungsmehrheit beschlossene – Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin des Jahres 2001 übernimmt, bin ich zu der Auffassung gekommen, dass an der geltenden Fassung des Art. 9a Abs. 1 und 2 B-VG festgehalten werden sollte.

 

·        Aufrechterhaltung des Neutralitäts-BVG als Verfassungstrabant (im Präsidium bereits konsentiert)

 

·        Integration des KSE-BVG in den Verfassungstext

 

 

 


 

2              Ausschuss 2 – Legistische Strukturfragen

 

 

2.1       Jabloner Clemens, Dr. Univ.Prof.

2.1.1   Legistische Missstände

Eingebracht im Ausschuss 2, 19. Sitzung, 26.11.2004

 

 

Vorschläge für verfassungsrechtliche Vorkehrungen gegen legistische Missstände

 

I.

Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I ......, wird wie folgt geändert:

1. Artikel 41 Abs. 1 lautet:

"Artikel 41. (1) Gesetzesvorschläge gelangen an den Nationalrat als Anträge seiner Mitglieder, des Bundesrates oder eines Drittels der Mitglieder des Bundesrates sowie als Vorlagen der Bundesregierung. Vorlagen der Bundesregierung sind so zu gestalten, dass ihre Vorberatung durch die nach der Geschäftsordnung des Nationalrates allenfalls eingerichteten jeweiligen Ausschüsse möglich ist".

2. Nach Artikel 49 b wird eingefügt:

"Artikel 49c. (1) Jedes Bundesgesetz, das durch ein späteres Bundesgesetz geändert oder aufgehoben wird, ist in dessen Titel anzuführen.

(2) In einem Bundesgesetz dürfen Bestimmungen, durch die bestehende Bundesgesetze abgeändert oder aufgehoben werden, nicht mit anderen Bestimmungen zusammengefasst werden. (Bestimmungen über das Inkrafttreten und den Vollzug bleiben davon unberührt)."

 

(Alternative zu 2.

"Artikel 49c. Über die rechtstechnische Gestaltung der Bundesgesetze ergeht ein besonderes Bundesgesetz.")

 

II.

1. Den Vorschlägen liegt die Überlegung zugrunde, dass die Erlassung von umfangreichen Bundesgesetzen, die zum einen Sammelnovellen sind und zum andern "selbstständige" Bestimmungen enthalten, zu groben legistischen Missständen führt. Gemeint sind vor allem die seit den späten 90er-Jahren regelmäßig erlassenen "Budgetbegleitgesetze". Gegenzusteuern wäre zunächst im parlamentarischen Verfahren, das durch derartige Regierungsvorlagen überstürzt wird. Dazu könnten Regelungen für das Erscheinungsbild der erzeugten Bundesgesetze treten.


 

2. Es erscheint wenig aussichtsreich - und das gilt sowohl für die verfahrensrechtliche Regelung als auch für das Produkt - vorzuschreiben, dass nur inhaltlich verwandte Materien verbunden werden können, da dieser Begriff nicht judizierbar ist.

 

3. Der Vorschlag enthält daher zunächst eine Bestimmung für die Gestaltung von Regierungsvorlagen. Sammelnovellen entstehen typischerweise nicht über parlamentarische Initiativen, sondern im Wege von Regierungsvorlagen. Wenn angeordnet wird, dass RV die Struktur der im Nationalrat eingerichteten Ausschüsse zu reflektieren haben, ist dies freilich nur eine relative Vorkehrung, kann der Nationalrat doch allenfalls flexibel reagieren. Aber mehr ist hier wohl kaum möglich. Es soll allem verhindert werden, dass im Rahmen von "Sammelnovellen" selbstständige Stammgesetze entstehen, die dann ihrerseits wiederum novelliert werden können. Schon dies zu verhindern, wäre ein gewisser Fortschritt.

Die im zweiten Absatz getroffene Regelung soll "leges fugitivae" verhindern.

 

4. Wurden diese Regeln nicht eingehalten, tritt nicht absolute Nichtigkeit ein. Vielmehr wäre, wie schon von Prof. Wiederin aufgeworfen, zu fragen, welche Teile der so erzeugten Gesetze verfassungswidrig werden. Meines Erachtens würde die Verfassungswidrigkeit das Bundesgesetz schlechthin treffen (auch beim verfehlten Titel nach Abs. 1).

 

5. Zu den Regelungen über das Inkraftsetzen und die Vollzugsklauseln, ist Folgendes zu sagen: Soweit Gesetze geändert werden, sind eigenständige Vollziehungsklauseln im Grunde überflüssig, da es ja schon eine Vollzugsklausel zum Stammgesetz gibt. Ähnliches gilt auch für die Bestimmungen über das Inkrafttreten.

 

6. Eine Alternative zu 2. könnte die Ermächtigung für ein "Bundeslegistikgesetz" bilden -  allenfalls ein "Verfassungsausführungsgesetz" - , das seinerseits unter Kodifikationszwang steht. Als Erzeugungsbedingung würde es so wie das BGBlG funktionieren. Auch ein Einbau in das zuletzt genannte Gesetz wäre möglich.

 


 

2.2       Öhlinger Theo, Dr. Univ. Prof.

2.2.1   Formulierungsvorschlag - Stellung Österreichs in der EU

Eingebracht im Ausschuss 2, 4. Sitzung, 6.3.2004


 

 

2.2.2   Was soll eine Verfassungsurkunde enthalten?

Eingebracht im Ausschuss 2, 6. Sitzung, 18.32003

 

Was soll eine Verfassungsurkunde an für den Staat und die Gesellschaft elementaren Regelungsbereichen enthalten?

1. Fragestellung

Das Präsidium hat dem Ausschuss 2 u.a. die Frage gestellt, was die Verfassungsurkunde "an für den Staat und die Gesellschaft elementaren Regelungsbereichen enthalten" soll. Diese Frage soll "auf Basis der Analyse des gesamten Bestandes an formellem Verfassungsrecht und unter Bedachtnahme auf ausländische Verfassungsurkunden" beantwortet werden.

A. Verfassungsvergleichende Aspekte

Verfassungen jenes Typus, dem die geltende und wohl auch die künftige Bundesverfassung zuzuordnen sind, enthalten regelmäßig zwei – miteinander verschränkte, aber doch differenzierbare – Regelungsbereiche: die grundsätzlichen Regelungen der Staatsorganisation (in einem Bundesstaat allenfalls beschränkt auf den Gesamtstaat bzw den Bund) und Grundrechte (vgl auch die Teilung des Entwurfs eines Verfassungsvertrags der EU). Ein Bereich, der sich mit diesem Schema überschneidet, sind Aussagen über Grundprinzipien und Staatszielbestimmungen.

1. Staatsorganisation

a. Hierher gehören Festlegungen der Staatsform: Republik oder Monarchie. Sie sind regelmäßig begleitet von einer proklamatorischen Aussage über das Volk als Bezugspunkt aller staatlichen Funktionen. Dem entspricht in Österreich Art 1 B-VG, der aber heute ergänzt ist durch Verfassungsbestimmungen im Wiener Staatsvertrag.

b. Ein Strukturelement einer Verfassung des Typs einer "westlichen" Demokratie ist die Gewaltenteilung, meistens basierend auf der Unterscheidung von Legislative, Exekutive und Judikative. Demnach gibt es mehrere oberste Organe, typischerweise jedenfalls ein Parlament und eine Regierung sowie ein Staatsoberhaupt (zur Gerichtsbarkeit siehe unten).

aa. Was das Parlament betrifft, so hat eine Verfassung Aussagen zu enthalten über

-    die Struktur des Parlaments (eine oder zwei Kammern);

-    allenfalls die Zahl der Mitglieder der Kammer(n);

-    die Art der Bestellung der Mitglieder dieser Kammer(n);

-    was im Besonderen die "Volkskammer" betrifft: Aussagen über das
 Wahlsystem; doch ist dazu anzumerken, dass viele Verfassungen dabei
 sehr zurückhaltend sind (so begnügt sich zB die französische Verfassung
 mit dem Grundsatz der unmittelbaren Wahl);

-    den Kreis der aktiv und passiv Wahlberechtigten;

-    die Amtsdauer der Kammer(n) bzw. Legislaturperiode;

-    allenfalls auch Aussagen über Sitzungsperioden und Tagungen und die
 Art und Weise ihrer Einberufung;

-    Ausschüsse (Zusammensetzung, Funktionen);

-    typisch sind auch Aussagen über besondere Rechte und Pflichten der
 Abgeordneten
(Immunität, "freies Mandat"; finanzielle Entschädigung,
 Unvereinbarkeit etc).

bb. Im Zusammenhang mit dem Parlament sind auch Aussagen über dessen Funktionen zu treffen:

-    Gesetzgebung (Grundzüge des Verfahrens wie Initiativrecht, Lesungen,
 Beurkundung, Publikation);

-    Haushaltsgesetz;

-    Mitwirkung des Parlaments am Abschluss völkerrechtlicher Verträge;

-    Kontrollaufgaben;

-    allenfalls weitere Aufgaben/Befugnisse des Parlaments.

c. Zum Thema Regierung ist anzumerken, dass jedenfalls eine Regelung der Bestellung erforderlich ist. Regelmäßig finden sich auch Aussagen über die spezifischen Funktionen des Regierungschefs.

d. Das führt zur Frage des Verhältnisses von Parlament und Regierung: In dem für westeuropäische Verfassungen typischen parlamentarischen Regierungssystem bedarf es einer Regelung über die Abberufbarkeit der Regierung durch einen Akt des Parlaments ("Misstrauensvotum" oder äquivalente Regelung).

e. Für ein parlamentarisches Regierungssystem ist ferner die Trennung der Funktion von Regierungschef und Staatsoberhaupt wesentlich. Insofern bedarf es einer Regelung über die Bestellung, Amtsdauer und Abberufbarkeit des Staatsoberhauptes sowie über dessen Funktionen, ferner über das Zusammenwirken von Parlament, Regierung und Staatsoberhaupt (Auflösungsrechte des Staatsoberhauptes, allenfalls Abwählbarkeit durch das Parlament; Vorschlagsrechte der Regierung und Gegenzeichnung etc).

Typisch sind auch Regelungen über die (eingeschränkte) Verantwortlichkeit des Staatsoberhauptes sowie Unvereinbarkeitsbestimmungen.

f. Typisch sind weiters verfassungsrechtliche Aussagen über Möglichkeiten, allenfalls auch Grenzen direkt-demokratischer Einrichtungen.

g. Verfassungen enthalten regelmäßig auch Aussagen über die Unabhängigkeit der Gerichte, allenfalls auch über Grundzüge der Organisation der Gerichtsbarkeit. Sieht man von der US-amerikanischen Bundesverfassung ab, so erscheint jedenfalls eine Regelung über die richterliche Gesetzesprüfung auf Verfassungsebene erforderlich. Eine abschließende Regelung der Aufgaben der Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit nach Muster des B-VG ist dagegen atypisch.

h. Bestimmte Aussagen über die Organisation der Verwaltung unterhalb der Ebene der Regierung sind nicht typisch für eine Verfassung, finden sich aber in unterschiedlichem Ausmaß in zahlreichen Verfassungen (siehe etwa die Finnische Verfassung, §§ 119-126).

In der Mehrzahl europäischer Verfassungen finden sich auch Aussagen über das Beamtentum.

Typisch sind ferner Regelungen über das Heer.

2. Bundesstaat

Für einen Bundesstaat ist die Regelung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern essentiell. Sonderregelungen bestehen meist über die Kompetenzen auf dem Gebiet der Finanzen. Typisch sind auch Regelungen über wechselseitige Mitwirkungsmöglichkeiten an der Gesetzgebung und/oder Vollziehung der Gegenseite (wobei für den Bundesstaatsbegriff essentiell lediglich eine Mitwirkung der Gliedstaaten an der Gesetzgebung des Oberstaates ist). Untypisch sind detaillierte Regelungen über die Organisation der Landesverwaltung, ebenso über die Gemeinden (deren Regelung regelmäßig Sache der Gliedstaaten ist).

Typisch sind auch Aussagen der Bundesverfassung über Schranken der Verfassungsautonomie der Gliedstaaten (Länder), die ein gewisses – im Einzelnen freilich sehr divergierendes – Maß an Verfassungshomogenität sichern.

3. Völkerrecht und Europäische Union

Regelmäßig enthalten Verfassungen auch Aussagen über das Verhältnis zum Völkerrecht. Die österreichische Bundesverfassung (Art 9, 50 und 65 Abs 1 B-VG) entspricht in dieser Hinsicht – trotz einiger Besonderheiten (wie des "Erfüllungsvorbehaltes" oder der sehr restriktiven Möglichkeit der Übertragbarkeit staatlicher Hoheitsaufgaben auf internationale Einrichtungen) – dem Standard europäischer Verfassungen.

Fast alle Verfassungen der Mitgliedstaaten enthalten Aussagen zur EU, die aber im Einzelnen sehr unterschiedliche Aspekte betreffen. Keine Verfassung enthält jedoch auch nur annähernd so detaillierte Regelungen wie das B-VG.

4. Grundrechte und Staatsaufträge

Ein Grundrechtskatalog ist eine Selbstverständlichkeit einer rechtsstaatlich-demo­kratischen Verfassung, die Ausgestaltung im Einzelnen aber sehr variierbar. Ein einheitlicher Standard lässt sich nur im Bereich der Freiheitsrechte (liberale Grundrechte) feststellen. Umfang und Intensität der Aussagen über soziale Grundrechte differieren dagegen erheblich. Ein gewisser Maßstab wird heute durch die EU-Grundrechtecharta vorgegeben, die auch ohne Rechtsverbindlichkeit den zeitgemäßen Standard widerspiegelt.

In vielen Grundrechtekatalogen finden sich auch Regelungen, die nicht justiziabel in dem Sinn sind, dass sie unmittelbar einklagbar wären. Insofern verschwimmt die Grenze zwischen Grundrechten im engeren Sinn und Staatszielbestimmungen.

Im Übrigen gibt es keinen einheitlichen Standard bezüglich Anzahl und Umfang verfassungsrechtlicher Staatszielbestimmungen und Staatsaufträge. Eigene Staatszielkataloge sind die Ausnahme (siehe etwa die Spanische Verfassung, Art 39-52). In der Mehrzahl der europäischen Verfassungen gibt es heute Aussagen zum Umweltschutz.

In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass sich in fast allen europäischen Verfassungen grundsätzliche Aussagen zur Staatsbürgerschaft finden.

5. Verfassungsänderungen

Jede Verfassung bedarf einer Regelung ihrer eigenen Abänderbarkeit bzw allenfalls einer Aussage über unabänderliche oder nur unter besonderen Bedingungen abänderbare Teile.

6. Resümee

Insgesamt ergibt eine verfassungsvergleichende Analyse, dass das österreichische Bundesverfassungsrecht in seinem Kern, vor allem dem B-VG selbst, im Wesentlichen dem Typus einer Verfassung im Sinne der europäisch-nordamerikanischen Tradition entspricht. Atypisch ist nur der Umfang und die Dichte einzelner Regelungsbereiche. Vom Trend neuerer Verfassungen dieses Typs abweichend sind gewisse Defizite im Grundrechtsbereich feststellbar.


B. Österreichische Verfassungstradition

 

Der Verfassungsvergleich ergibt aber auch die Einsicht, dass jede Verfassung eine spezielle Eigenart aufweist, die sich aus der Geschichte und der spezifischen Rechtskultur des jeweiligen Staates heraus erklären lässt. Insofern kann der Verfassungsvergleich nur einen Überblick über den Minimalgehalt einer rechtsstaatlich-demokratischen Bundesverfassung ergeben.

Aus der Sicht der österreichischen Verfassungstradition können wohl auch noch zusätzlich folgende – in der Terminologie der Fragestellung (siehe oben 1.) – "für den Staat und die Gesellschaft elementare Regelungsbereiche" aufgelistet werden:

1. Eine Aussage über das Verhältnis von Gesetzgebung und Verwaltung im Sinne des "Legalitätsprinzips". Der Inhalt dieses Prinzips ist zweifellos variierbar, doch würde es der gesamten österreichischen Rechtstradition widersprechen, auf eine Aussage zum Verhältnis von Gesetzgebung und Vollziehung überhaupt zu verzichten. Gleiches gilt für das Weisungsprinzip im Sinne des Art 20 B-VG, auf das sich nicht nur die verfassungsrechtliche Unterscheidung von Verwaltung und Gerichtsbarkeit in der österreichischen Verfassungstradition stützt, sondern dem auch ein zentraler Stellenwert in dem vom B-VG vorausgesetzten Konzept der Demokratie zukommt.

2. Typisch für eine – bereits auf die Dezemberverfassung von 1867 zurückreichende – österreichische Verfassungstradition sind auch vergleichsweise umfangreiche Aussagen über die Gerichtsbarkeit: Der Abschnitt B des 3. Hauptstückes geht in großen Teilen auf das Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt (als Teil der Dezemberverfassung von 1867) zurück und bildet heute einen wesentlichen Bestandteil des österreichischen Rechtssystems.

3. Charakteristisch für das österreichische Verfassungsrecht sind auch vergleichsweise detaillierte und zum Teil taxativ zu verstehende Regelungen über:

-    die Verfassungsgerichtsbarkeit,

-    die Verwaltungsgerichtsbarkeit einschließlich der UVS,

-    den Rechnungshof,

-    die Volksanwaltschaft.

Diese Institutionen bilden aus bundesstaatlicher Sicht "gemeinsame" Einrichtungen von Bund und Ländern, wobei es sich um eine Eigenheit des österreichischen Bundesstaates handelt, die wohl nicht ernsthaft zur Debatte steht. Schon aus diesem bundesstaatlichen Grund sollten diese Institutionen auch in Zukunft in vergleichsweise eingehender Weise auf der Ebene des Bundesverfassungsrechts geregelt bleiben.

4. Im System des österreichischen Bundesstaates kommt den Gemeinden ein allgemein anerkannter hoher Stellenwert zu. Dem entspricht eine – in rechtsvergleichender Hinsicht atypische – eingehende Regelung der Rechtsstellung, Organisation und Aufgaben der Gemeinde in der Bundesverfassung. Es ist kein Grund ersichtlich, diesen Regelungsstandard in Frage zu stellen.


5. Die Gliederung des B-VG in seiner ursprünglichen Gestalt ist in gewisser Weise durch die Systematik der Dezemberverfassung von 1867 – die sich aus fünf Staatsgrundgesetzen zusammensetzte – vorgeprägt. Diese Gliederung entspricht also einer langen Verfassungstradition, die sich aber als solche durchaus bewährt hat und zu den Vorzügen des B-VG gezählt werden kann. Es spricht insofern vieles dafür, an dieser Systematik festzuhalten. Sie bedarf freilich einer Ergänzung durch ein weiteres Hauptstück, das die Grundrechte enthält.

 

 

2.2.3   Neufassung der Art. 9 Abs. 2 und 50 B-VG

Eingebracht im Ausschuss 2, 11. Sitzung, 10.5.2004

 

 

Neufassung der Art 9 Abs 2 und 50 B-VG zur Lösung des Problems der Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen

 

1. Art 9 Abs 2 B-VG hat zu lauten:

Durch Gesetz oder durch einen gemäß Artikel 50 Absatz 1[1] zu genehmigenden Staatsvertrag können einzelne Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen[2] oder fremde Staaten übertragen und kann die Tätigkeit von Organen fremder Staaten oder zwischenstaatlicher Einrichtungen im Inland sowie die Tätigkeit österreichischer Organe im Ausland geregelt werden. [Es kann dabei auch vorgesehen werden, dass österreichische Organe der Weisungsbefugnis der Organe fremder Staaten oder zwischenstaatlicher Einrichtungen oder diese der Weisungsbefugnis österreichischer Organe unterstellt werden.][3]

2. Art 50 Abs 2a[4] hat zu lauten:

Die Genehmigung nach Absatz 1 ist nicht in einem Verfahren erforderlich, das in einem gesetzesändernden oder gesetzesergänzenden Staatsvertrag zur Abänderung oder Ergänzung dieses Vertrages vorgesehen ist.

3. Im Artikel 50 Absatz 3 sind die Worte "und, wenn durch den Staatsvertrag Verfassungsrecht geändert oder ergänzt wird, Artikel 44 Absatz 1 und 2" sowie der zweite Halbsatz zu streichen.

 

Erläuterungen

1981 wurde Art 9 Abs 2 B-VG eingeführt, um die Fülle von Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen zu reduzieren. Der Versuch ist nur teilweise gelungen. Nach wie vor findet sich eine Fülle von Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen.

 

1. Das Hauptproblem: Hoheitsrecht der Länder

 

Der Hauptmangel des Art 9 Abs 2 B-VG besteht unter diesem Aspekt in seiner Beschränkung auf "Hoheitsrechte des Bundes", die erst in den Ausschussberatungen des NR eingefügt wurde. Sie ist systemwidrig: Der Bund ist zum Abschluss von Staatsverträgen ohne kompentenzrechtliche Beschränkungen berechtigt (Art 10 Abs 1 Z 2 B‑VG). Es wäre dann nur konsequent, auch die Übertragung einzelner (!) hoheitlicher Befugnisse auf internationale Einrichtungen durch Staatsverträge nicht an die bundesstaatliche Kompetenzverteilung zu binden. Zum einen ist dies heute eine weitverbreitete Praxis des Völkerrechts, zum anderen kann dies nur dem Bund obliegen, weil die Länder keine allgemeine völkerrechtliche Vertragsschließungskompetenz haben. Die Interessen der Länder, dass der Bund auf diese oder andere Weise durch Staatsverträge in ihre (Gesetzgebungs-)Kompetenz eingreift, müsste durch andere Instrumente – wie das auch auf Staatsverträge anzuwendende Zustimmungsrecht des Bundesrates gemäß Art 44 Abs 2 B-VG – gewahrt werden.

Um Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen in Zukunft vermeiden zu können, müsste also die Beschränkung auf Hoheitsrechte des Bundes beseitigt werden.

 

2. Weitere Probleme der Praxis seit 1981

 

a. Art 9 Abs 2 B-VG sieht nur eine Übertragung von Hoheitsrechten auf "zwischenstaatliche Einrichtungen und ihre Organe" vor. Vereinzelt kommt es in neuerer Zeit auch zu dem Bedürfnis, Hoheitsrechte auf Organe eines anderen Staates zu übertragen (zB die Ausstellung kurzfristiger Visas; hierher gehört auch das Problem der einem anderen Staat zuzurechnenden Einräumung polizeilicher Befugnisse privater Organe, zB in Luftfahrzeugen). Dies ist durch den Wortlaut des geltenden Art 9 Abs 2 B-VG nicht gedeckt und sollte durch eine Erweiterung des ersten Tatbestandes ermöglicht werden. Eine explizite verfassungsrechtliche Ermächtigung, dass auch österreichische Organe gleichartige Befugnisse für fremde Staaten auf der Grundlage eines formellen (österreichischen) Gesetzes oder gesetzändernden Staatsvertrages ausüben können, erscheint dagegen nicht erforderlich.

b. Art 9 Abs 2 B-VG sieht ferner nur die Tätigkeit von Organen fremder Staaten im Inland vor, nicht aber auch die Tätigkeit von Organen zwischenstaatlicher Einrichtungen. Es wird vorgeschlagen, Art 9 Abs 2 B-VG in diesem Sinn zu erweitern.

c. Bei der Tätigkeit österreichischer Organe im Ausland stellt sich das Problem der – im Text des Art 9 Abs 2 nicht explizit vorgesehenen – Unterstellung unter die Weisungsgewalt ausländischer Organe. Umgekehrt werden auch ausländische Organe österreichischer Hoheit unterstellt. Derartige Regelungen finden sich vor allem in bilateralen Katastrophenhilfeabkommen. Die bisherige Praxis geht in solchen Fällen davon aus, dass dies durch Verfassungsbestimmungen "abgesichert" werden müsse. Es kann allerdings auch mit guten Gründen und in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Novak/Wieser, Zur Neukodifikation des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 1994, 177 f; Öhlinger, Art 9 Abs 2 B-VG, in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, Rz 10) die These vertreten werden, dass die Einräumung einer derartigen Befugnis bzw Bindung schon in der Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten inkludiert ist. Insofern wäre der zweite Satz in der hier vorgeschlagenen Fassung des Art 9 Abs 2 B-VG überflüssig und würde eine entsprechende Klarstellung in den EB ausreichen. Daher wurde die entsprechende Ergänzung des Art 9 Abs 2 B-VG in Klammern gesetzt.

d. Keine praktische normative Bedeutung kommt der Formel "im Rahmen des Völkerrechts" zu. Diese Worte können gestrichen werden.

e. Angemerkt sei, dass aus dem geltenden und dem neu vorgeschlagenen Text des Art 9 Abs 2 B-VG nicht zwingend hervorgeht, dass Österreich Mitglied jener zwischenstaatlichen Organisation sein muss, der einzelne hoheitliche Aufgaben übertragen werden können. Insofern wäre auch eine Übertragung auf eine solche Organisation verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen.

f. In Übereinstimmung mit der Lehre (vgl Novak/Wieser, aaO, 174 f) ist davon auszugehen, dass auch sogenannte "Zuwarte- und Bedachtnahmeregeln" – die Vertragsparteien verpflichten sich, Entwürfe technischer Vorschriften einer zwischenstaatlichen Einrichtung bekannt zu geben und ab dem Zeitpunkt dieser Notifikation eine vertraglich vereinbarte Stillhaltezeit einzuräumen –, schon auf Grund eines aus Art 9 Abs 2 B-VG ableitbaren Größenschlusses nicht als verfassungsändernd anzusehen sind. Es handelt sich dabei um eine geringfügigere Beschränkung der staatlichen Rechtsetzungsbefugnisse als es die "Übertragung" solcher Befugnisse auf eine zwischenstaatliche Einrichtung darstellen würde. Es ist zwar richtig, dass der eine solche Vertragsbestimmung genehmigende Gesetzgeber nicht sich selbst für die Zukunft binden kann; der Gesetzgeber ist aber auch nicht daran gehindert, im Einklang mit einer solchen Vertragsbestimmung zu handeln und eine Völkerrechtsverletzung zu vermeiden, auch wenn diese nicht zugleich eine Verfassungsverletzung bildet.

 

3. Vereinfachte Vertragsänderungsverfahren

 

Ein spezielles Problem bilden die in multilateralen Staatsverträgen häufig vorgesehenen Regelungen über eine künftige vereinfachte Abänderung (Ergänzung) von Textteilen (Anhängen, Annexen) eines solchen Vertrages. Die (neuere) Praxis versteht richtig die Befugnis einer Staatenmehrheit zur künftigen Abänderung (von Teilen) des jeweiligen Vertrages als eine Übertragung von Hoheitsrechten auf eine zwischenstaatliche Einrichtung iSd Art 9 Abs 2 B-VG und verlangt daher für solche Regelungen nicht den Verfassungsrang. Anders verhält es sich, wenn ein solcher Beschluss nur unter Mitwirkung Österreichs zustande kommen kann: Dafür wird in der Praxis eine Verfassungsbestimmung als erforderlich erachtet (vgl etwa die EB zu Art 8 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle BGBl 1990/496, 1189 Blg Nr XVII. GP).

Dieser im Lichte des Art 9 Abs 2 B-VG offensichtliche Widersinn findet seine Erklärung darin, dass es hier nicht eigentlich um das Problem einer Übertragung von Hoheitsrechten geht, sondern um die Frage nach den Organen, die auf österreichischer Seite in einem solchen Vertragsänderungsverfahren mitzuwirken haben: Muss der österreichische Willensakt (Zustimmung, Ablehnung) dem Nationalrat gemäß Art 50 B-VG zur Genehmigung unterbreitet werden? Die Fristen, innerhalb der derartige Erklärungen regelmäßig abzugeben sind, oder auch sonstige Verfahrensmodalitäten machen eine Einschaltung des Bundesparlaments praktisch kaum möglich. Andererseits geht es aber um die Abänderung eines vom Bundesparlament genehmigten und daher auf Gesetzesstufe stehenden Staatsvertrags, die daher nach österreichischem Rechtsverständnis ihrerseits als gesetzändernd zu qualifizieren ist. Die Praxis nimmt an, dass die Hebung derartiger Klauseln in den Verfassungsrang von der künftigen Beteiligung des Nationalrats und Bundesrats dispensiert. Dies kommt zwar oft gar nicht im Text solcher Klauseln selbst zum Ausdruck, entspricht aber dem Sinn solcher Klauseln.

Die generelle Lösung dieses Problems kann nicht bei Art 9 Abs 2 B-VG, sondern muss bei Art 50 B-VG ansetzen.

 

 

4. Die Zukunft verfassungsändernder Staatverträge

 

Ziel dieser Vorschläge ist es, in Zukunft Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen zur Gänze zu vermeiden. Durch solche Verfassungsbestimmungen wird kein Problem gelöst, das allenfalls in der Abgabe von Hoheitsrechten und anderen Beschränkungen der nationalen Souveränität gesehen werden könnte. Solche Probleme sind vielmehr in den Verhandlungen über den jeweiligen ("souveränitätsbeschränkenden") Staatsvertrag zu berücksichtigen. Die Bundesverfassung sollte aber für solche Verhandlungen einen sinnvollen Spielraum im Rahmen des international Üblichen vorgeben.

Sollte in Zukunft eine staatvertraglich Regelung mit dem Bundesverfassungsrecht nicht kompatibel sein, so wäre vorweg oder spätestens bei Abschluss des Vertrages der Text der Bundesverfassung so zu ändern, dass diese Kompatibilität hergestellt wird. Um dies an einem Beispiel zu illustrieren: Enthält ein Staatsvertrag eine die Immunität von Abgeordneten einschränkende Bestimmung (vgl zB Art 27 des Statuts über den Internationalen Strafgerichtshof BGBl III 2002/180), so wäre die dem entgegenstehende bundesverfassungsgesetzliche Regelung (heute: Art 57 B-VG) entsprechend zu adaptieren (etwa durch einen Vorbehalt wie: "unbeschadet völkerrechtlicher Regelungen"). Die Vereinbarkeit einer staatsvertraglichen Regelung mit der Bundesverfassung unterliegt der Kontrolle des VfGH nach Art 140a B-VG. (Daran sollte nichts geändert werden.) Stellt der VfGH eine solche Unvereinbarkeit nachträglich fest, so hat er die unmittelbare Anwendung dieses Vertrages, allenfalls unter Setzung einer aufschiebenden Frist bis zu zwei Jahren, zu suspendieren. In dieser Zeit wäre entweder der Staatsvertrag nach völkerrechtlichen Regeln zu kündigen oder die Bundesverfassung entsprechend zu ändern.

Angemerkt sei allerdings, dass der Ausschuss 2 vorerst die Frage des Verfassungsrangs der Staatsverträge mit grundrechtlichem Gehalt – zB die EMRK – nicht behandelt hat. Diesbezüglich wäre die Beratung mit dem Ausschuss 4 zu koordinieren.

Was grenzändernde Staatsverträge betrifft, wird auf die vorgeschlagene Neufassung der Art 2 und 3 B-VG verwiesen.

 

 

2.2.4   Neuformulierung Bundes- und Landesgrenzen

Eingebracht im Ausschuss 2, 11. Sitzung, 10.5.2004

 

 

Neuformulierung der verfassungsrechtlichen Regelungen
über Bundes- und Landesgrenzen

(Fassung 26. 4. 2004)

Ausschuss 2

Tischvorlage für 10. Sitzung 26.4.2004

Tischvorlage für 11. Sitzung 10.5.2004

Tischvorlage für 12. Sitzung 24.5.2004

 

Art 2 B-VG:

(1) … (wie bisher)

(2) … (wie bisher)

(3) Veränderungen im Bestand der Länder oder wesentliche Änderungen eines Landesgebietes bedürfen einer Neuerlassung des Absatz 2 und verfassungsgesetzlicher Regelungen der betroffenen Länder.

 

Art 3 B-VG:

(1) Das Bundesgebiet umfasst die Gebiete der Bundesländer.

(2) Völkerrechtliche Verträge, mit denen die Bundesgrenzen geändert  werden, bedürfen der Zustimmung der betroffenen Länder.

(3) Grenzänderungen innerhalb des Bundesgebietes bedürfen übereinstimmender Gesetze oder Verträge des Bundes und der beteiligten Länder.

 

Begründung

1. Allgemeines

a. Der gegenständliche Vorschlag beruht auf zwei Grundgedanken:

1. Die geltende Fassung des Art 3 B-VG verlangt paktierte Verfassungsgesetze
              des Bundes (und der Länder). Dies widerspricht einem prinzipiellen Inkorpora-
              tionsgebot, wie es für eine künftige Bundesverfassung vorgesehen ist.

2. Eine rechtsvergleichende Sicht macht deutlich, dass Staats- und Landesgrenzen
             kein Thema des Verfassungsrechts sind. Das Verfassungsrecht bezieht sich auf
             "Gebiete", überlässt aber regelmäßig die exakte Bestimmung der Grenzen ge-
             genüber Drittstaaten völkerrechtlichen Verträgen, der Grenzen im Staatsinneren
             der einfachen Gesetzgebung.

Im Lichte dieser Grundgedanken bedarf Art 3 B-VG einer grundlegenden Revision.

b. Der gegenständliche Vorschlag verfolgt dabei drei Ziele:

1. eine Bestandsgarantie der Länder als Ausdruck des bundesstaatlichen
    Prinzips der Verfassungsordnung, darüber hinaus auch eine bundesverfas-
    sungsrechtliche Garantie des Territoriums der Länder;

2. eine verfassungsrechtlich erforderliche Mitwirkung der betroffenen
    Länder bei der Festlegung oder Änderung ihrer Grenzen gegenüber
    Drittstaaten;

3. eine verfassungsrechtlich erforderliche Zustimmung der betroffenen
    Länder auch zu geringfügigen Änderungen der Landesgrenzen.

c. Ein Vorbehalt zugunsten von "Friedensverträgen" (Art 3 Abs 2 B-VG in der geltenden Fassung) erscheint heute entbehrlich, ebenso ein verfassungsgesetzlicher Rahmen für großflächige Änderungen des Bundesgebietes (eine Änderung des Bundesgebietes, die nicht auch die Änderung eines Landesgebietes impliziert: vgl die einleitenden Worte im geltenden Art 3 Abs 2 B-VG). Gewiss können solche Änderungen nicht für alle Zukunft ausgeschlossen werden, sie sind aber nur in Situationen vorstellbar, die schon aus anderen Gründen tiefgreifende Verfassungsänderungen erfordern würden. Einen verfassungsgesetzlichen Rahmen dafür vorzusehen, ist daher derzeit nicht notwendig und auch nicht sinnvoll.

 

2. Zu Art 2 Abs 3 B-VG

Diese Bestimmung knüpft an die im geltenden Art 3 Abs 2 B-VG enthaltene Regelung an, dass eine Änderung des Bundesgebietes und der Landesgebiete durch übereinstimmende Bundes- und Landesverfassungsgesetze zu erfolgen habe. Diese Regelung ist von großer bundesstaatstheoretischer Bedeutung, stellt sie doch den Bestand und das jeweilige Territorium der Länder unter einen ganz besonderen verfassungsrechtlichen Schutz, der auch vom "einfachen" Bundesverfassungsgesetzgeber nicht ohne weiteres übergangen werden dürfte. Letzteres kommt im Erfordernis eines gleichberechtigten Zusammenwirkens der Verfassungsgesetzgebung des Bundes und der Länder zum Ausdruck, die nach begründeter Auffassung vom Bundesverfassungsgesetzgeber, jedenfalls ohne Volksabstimmung im Sinne des Art 44 Abs 3 B-VG, nicht einseitig aufgehoben werden dürfte.

In praktischer Hinsicht bedeutet diese Regelung allerdings die Notwendigkeit spezieller bundesverfassungsrechtlicher Regelungen außerhalb des B-VG, was – wie schon gesagt – einem prinzipiellen Inkorporationsgebot zuwiderlaufen würde. Außerdem wird in der Praxis Art 3 Abs 2 B-VG äußerst strikt interpretiert und auf alle Bundes- und Landesgrenzen betreffenden Regelungen – auch auf bloße Feststellungen der gegebenen Grenzen – angewendet, was zu einer Fülle bundesverfassungsrechtlicher Regelungen geführt hat. Diese sind überdies sehr heterogen und umfassen Staatsverträge, Bundesverfassungsgesetze sowie Verfassungsbestimmungen in einfachen Bundesgesetzen und Staatsverträgen. Es ist nicht übertrieben, in diesem Zusammenhang von einem "verfassungsrechtlichen Wildwuchs" (Poier) zu sprechen.

Der vorliegende Entwurf belässt es beim Erfordernis übereinstimmender Verfassungsgesetze des Bundes und der Länder, schränkt diese aber auf Änderungen im Bestand (Aufteilung eines Landes auf andere Länder oder Vereinigung zweier oder mehrerer Länder) sowie auf wesentliche Änderungen des Gebietes der einzelnen Länder ein. Die entsprechende Regelung auf Bundesseite kann sich in einer Änderung des Art 2 Abs 2 B-VG erschöpfen und entspricht damit einem Inkorporationsgebot. Der Bundesverfassungsgesetzgeber müsste Art 2 Abs 2 B-VG neu, allenfalls auch unverändert, beschließen. Der Sinn dieser allenfalls auf eine wortgleiche Neuerlassung des Art 2 Abs 2 B-VG beschränkten Mitwirkung des Bundesverfassungsgesetzgebers ist es, über den Bestand hinaus auch gewissermaßen die Identität eines Landes zu garantieren.

Als "wesentliche Änderung des Landesgebietes" ist nur eine Gebietsänderung anzusehen, die mindestens das gesamte Gebiet einer Gemeinde umfasst. Kleinere Gebietsänderungen fallen unter die Regelung des hier vorgeschlagenen Art 3 Abs 2 oder Abs 3 B-VG (siehe dazu sogleich).

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die genaue Festlegung der neuen Grenze auch auf Bundesseite eine Anpassung bestehender Vorschriften verlangt. Insofern wird im Fall einer wesentlichen Gebietsänderung neben der Neuerlassung des Art 2 Abs 2 B-VG auch eine Änderung bestehender Verträge oder Bundesgesetze erforderlich sein. Dies läuft auf eine kumulative Anwendung der Bestimmungen des Art 2 Abs 3 und Art 3 Abs 2 (bei Änderungen der Außengrenze) oder 3 (bei Änderungen der Binnengrenzen) B-VG hinaus.

Festzuhalten ist auch, dass eine Schmälerung des in dieser Bestimmung vorgesehenen Mitwirkungsrechtes der Länder – im Sinne der zuvor skizzierten Bundesstaatstheorie – als eine Gesamtänderung der Bundesverfassung anzusehen wäre.

 

3. Zu Art 3 B-VG

Abs 1 entspricht der geltenden Regelung.

Eine Zustimmung im Sinne des 2. Absatzes könnte auch in der Weise erfolgen, dass die Länder auf österreichischer Seite am Abschluss des Staatsvertrages als Vertragsparteien mitwirken (vgl zu solchen "trilateralen" Verträgen Jabloner, Gliedstaatsverträge in der österreichischen Rechtsordnung, ZÖR 1989, 225 [329 f]). Es kann allerdings aus außenpolitischen oder diplomatischen Gründen nicht immer möglich sein, ein Land in dieser oder auch in anderer Weise am Abschluss des völkerrechtlichen Vertrages direkt zu beteiligen. In diesem Fall hat die erforderliche Zustimmung der betroffenen Länder in anderer Weise zu erfolgen. Die Art und Weise einer solchen Zustimmung könnte landesverfassungsgesetzlich näher ausgestaltet werden: Die Länder könnten die Zustimmung an – allenfalls auch qualifizierte – parlamentarische Mehrheiten oder sogar an Volksabstimmungen binden.

Bloße Grenzänderungen zwischen zwei Ländern sollen lediglich an die Rechtsform einfacher Gesetze oder Verträge zwischen dem Bund und den beteiligten Ländern (im Sinne des geltenden Art 15a B-VG) gebunden werden (Abs 3). Das Erfordernis der Mitwirkung der Länder kann aber auch in diesem Fall – im Sinne der zuvor skizzierten Bundesstaatstheorie – als Element des bundesstaatlichen Prinzips angesehen werden. Es dürfte daher nicht durch eine einseitige bundesverfassungsgesetzliche Regelung (die gemäß dem in Aussicht genommenen Inkorporationsgebot nur in einer Abänderung des hier vorgeschlagenen Art 3 Abs 3 bestehen könnte) ersetzt werden.

Der Begriff der Änderungen der Bundesgrenzen (Abs 2) bzw Grenzänderungen innerhalb des Bundesgebietes (Abs 3) ist im Einklang mit der Praxis zum geltenden Art 3 B-VG zu verstehen und umfasst auch bloße Berichtigungen und Feststellungen.

 

4. Zusammenfassung

Gegenüber der geltenden Regelung des Art 3 B-VG bringt die hier vorgeschlagene Neuregelung folgende Neuerungen. Das Erfordernis paktierter Verfassungsgesetze des Bundes und der Länder wird auf die Zusammenlegung oder Teilung von Ländern oder bedeutsame Änderungen des Territoriums eines Landes beschränkt. Geringfügige Änderungen (Berichtigungen oder Feststellungen) der Bundesgrenzen gegenüber Drittstaaten können in (gesetzesrangigen) Staatsverträgen des Bundes vereinbart werden, bedürfen aber einer (landesverfassungsrechtlich ausgestaltbaren) Zustimmung der betroffenen Länder. Geringfügige Änderungen der Grenzen der Länder innerhalb des Bundesgebietes erfordern übereinstimmende Rechtsakte des Bundes und der Länder, die jedenfalls auf der Seite des Bundes keines Verfassungsranges bedürfen.

In den in der Praxis relevanten Fällen bedarf es demgemäß in Hinkunft keines
Aktes des Verfassungsgesetzgebers mehr. Obwohl die Regelung nach wie vor aufwendig erscheint, stellt sie doch gegenüber der geltenden Verfassungslage eine erhebliche Vereinfachung dar.

 

 

2.2.5   Genehmigung von Staatsverträgen

Eingebracht im Ausschuss 2, 12. Sitzung, 24.5.2004

 

 

Neufassung der Art 9 Abs 2 und 50 B-VG
zur Lösung des Problems
der Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen

(Fassung 11. Mai 2004)

 

1. Artikel 9 Absatz 2 B-VG hat zu lauten:

Durch Gesetz oder Staatsvertrag können einzelne Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen[5] oder fremde Staaten übertragen werden. Weiters kann die Tätigkeit von Organen zwischenstaatlicher Einrichtungen oder fremder Staaten im Inland sowie die Tätigkeit österreichischer Organe im Ausland geregelt werden. [Dabei kann auch vorgesehen werden, dass österreichische Organe der Weisungsbefugnis der Organe fremder Staaten oder zwischenstaatlicher Einrichtungen oder diese der Weisungsbefugnis österreichischer Organe unterstellt werden.][6]

 

2. Artikel 50 Absatz 2a[7] hat zu lauten:

Soweit ein Staatsvertrag zu seiner Änderung ermächtigt, bedarf eine derartige Änderung keiner Genehmigung nach Absatz 1, es sei denn dass sich der Nationalrat dies vorbehält.

 

3. Im Artikel 50 Absatz 3 sind die Worte "und, wenn durch den Staatsvertrag Verfassungsrecht geändert oder ergänzt wird, Artikel 44 Absatz 1 und 2" sowie der zweite Halbsatz zu streichen.

 

Erläuterungen

 

1981 wurde Art 9 Abs 2 B-VG eingeführt, um die Fülle von Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen zu reduzieren. Der Versuch ist nur teilweise gelungen. Nach wie vor findet sich eine Fülle von Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen.

 

1. Das Hauptproblem: Hoheitsrecht der Länder

 

Der Hauptmangel des Art 9 Abs 2 B-VG besteht unter diesem Aspekt in seiner Beschränkung auf "Hoheitsrechte des Bundes", die erst in den Ausschussberatungen des NR eingefügt wurde. Sie ist jedoch systemwidrig, weil der Bund zum Abschluss von Staatsverträgen ohne kompetenzrechtliche Beschränkungen berechtigt ist (Art 10 Abs 1 Z 2 B‑VG). Der Bund kann daher die Kompetenzen der Länder durch einen von ihm abgeschlossenen Staatsvertrag viel intensiver beschränken, als es durch die Übertragung einzelner (!) Hoheitsrechte auf fremde Organe in dem völkerrechtlich allgemein üblichen Ausmaß regelmäßig geschieht. Die Wahrung der berechtigten Interessen der Länder müsste auf andere Weise erfolgen, etwa durch das Zustimmungsrecht des Bundesrates gemäß Art 50 Abs 1 letzter Satz B-VG oder durch andere, in der künftigen Verfassung vorgesehe Mitwirkungsrechte der Länder (siehe etwa das Modell des Art 23d B‑VG).

 

2. Weitere Probleme der Praxis seit 1981

 

a. Art 9 Abs 2 B-VG sieht nur eine Übertragung von Hoheitsrechten auf "zwischenstaatliche Einrichtungen und ihre Organe" vor. Vereinzelt kommt es in neuerer Zeit auch zu dem Bedürfnis, Hoheitsrechte auf Organe eines anderen Staates zu übertragen (zB die Ausstellung kurzfristiger Visas; hierher gehört auch das Problem der einem anderen Staat zuzurechnenden Einräumung polizeilicher Befugnisse an private Organe, zB in Luftfahrzeugen). Dies ist durch den Wortlaut des geltenden Art 9 Abs 2 B-VG nicht gedeckt und sollte durch eine Erweiterung des ersten Tatbestandes ermöglicht werden. Eine explizite verfassungsrechtliche Ermächtigung, dass auch österreichische Organe gleichartige Befugnisse für fremde Staaten auf der Grundlage eines formellen (österreichischen) Gesetzes oder gesetzändernden Staatsvertrages ausüben können, erscheint dagegen nicht erforderlich.

b. Art 9 Abs 2 B-VG sieht ferner nur die Tätigkeit von Organen fremder Staaten im Inland vor, nicht aber auch die Tätigkeit von Organen zwischenstaatlicher Einrichtungen. Es wird vorgeschlagen, Art 9 Abs 2 B-VG in diesem Sinn zu erweitern.

c. Bei der Tätigkeit österreichischer Organe im Ausland stellt sich das Problem der – im Text des Art 9 Abs 2 nicht explizit vorgesehenen – Unterstellung unter die Weisungsgewalt ausländischer Organe. Umgekehrt werden auch ausländische Organe österreichischer Hoheit unterstellt. Derartige Regelungen finden sich vor allem in bilateralen Katastrophenhilfeabkommen. Die bisherige Praxis geht in solchen Fällen davon aus, dass dies durch Verfassungsbestimmungen "abgesichert" werden müsse. Es kann allerdings auch mit guten Gründen und in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Novak/Wieser, Zur Neukodifikation des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 1994, 177 f; Öhlinger, Art 9 Abs 2 B-VG, in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, Rz 10) die These vertreten werden, dass die Einräumung einer derartigen Befugnis bzw Bindung schon in der Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten inkludiert ist, zumal der hier vorgelegte Entwurf ausdrücklich auch eine Übertragung von Hoheitsrechten an fremde Staaten vorsieht. Insofern wäre der zweite Satz in der hier vorgeschlagenen Fassung des Art 9 Abs 2 B-VG überflüssig und würde eine entsprechende Klarstellung in den EB ausreichen. Daher wurde die entsprechende Ergänzung des Art 9 Abs 2 B-VG vorerst in Klammern gesetzt.

d. Keine praktische normative Bedeutung kommt der Formel "im Rahmen des Völkerrechts" zu. Diese Worte können gestrichen werden.

e. Angemerkt sei, dass aus dem geltenden und dem neu vorgeschlagenen Text des Art 9 Abs 2 B-VG nicht zwingend hervorgeht, dass Österreich Mitglied jener zwischenstaatlichen Organisation sein muss, der einzelne hoheitliche Aufgaben übertragen werden können. Insofern wäre auch eine Übertragung auf eine solche Organisation verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen.

f. In Übereinstimmung mit der Lehre (vgl Novak/Wieser, aaO, 174 f) ist davon auszugehen, dass auch sogenannte "Zuwarte- und Bedachtnahmeregeln" – die Vertragsparteien verpflichten sich, Entwürfe technischer Vorschriften einer zwischenstaatlichen Einrichtung bekannt zu geben und ab dem Zeitpunkt dieser Notifikation eine vertraglich vereinbarte Stillhaltezeit einzuräumen –, schon auf Grund eines aus Art 9 Abs 2 B-VG ableitbaren Größenschlusses nicht als verfassungsändernd anzusehen sind. Es handelt sich dabei um eine geringfügigere Beschränkung der staatlichen Rechtsetzungsbefugnisse als es die "Übertragung" solcher Befugnisse auf eine zwischenstaatliche Einrichtung darstellen würde. Es ist zwar richtig, dass der eine solche Vertragsbestimmung genehmigende Gesetzgeber nicht sich selbst für die Zukunft binden kann; der Gesetzgeber ist aber auch nicht daran gehindert, im Einklang mit einer solchen Vertragsbestimmung zu handeln und eine Völkerrechtsverletzung zu vermeiden, auch wenn diese nicht zugleich eine Verfassungsverletzung bildet.

 

3. Zur Rechtsform der Übertragung

 

Der geltende Art 9 Abs 2 B-VG sieht eine Übertragung (1. Tatbestand) bzw Regelung (2. Tatbestand) "durch Gesetz oder durch eine gemäß Art 50 Abs 1 B-VG zu genehmigenden Staatsvertrag" vor. Das Wort "Gesetz" deutet an, dass eine solche Regelung durch den Bundes- oder Landesgesetzgeber – entsprechend der bundesverfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung – erfolgen kann. Ausgeschlossen wird damit aber die Rechtsform eines Staatsvertrages nach Art 16 Abs 1 B-VG, was durch den Entstehungszeitpunkt des Art 9 Abs 2 B-VG (1981) erklärbar (Art 16 Abs 1-3 B-VG wurde erst später – 1988 – geschaffen), aber nicht konsequent ist. Durch Streichung des Verweises auf Art 50 B-VG werden auch staatsvertragliche Regelungen auf der Ebene der Länder (im Rahmen ihres Wirkungsbereichs) ermöglicht.

 

4. Vereinfachte Vertragsänderungsverfahren

 

Ein spezielles Problem bilden die in multilateralen Staatsverträgen häufig vorgesehenen Regelungen über eine künftige vereinfachte Abänderung (Ergänzung) von Textteilen (Anhängen, Annexen) eines solchen Vertrages. Die (neuere) Praxis versteht richtig die Befugnis einer Staatenmehrheit zur künftigen Abänderung (von Teilen) des jeweiligen Vertrages als eine Übertragung von Hoheitsrechten auf eine zwischenstaatliche Einrichtung iSd Art 9 Abs 2 B-VG und verlangt daher für solche Regelungen nicht den Verfassungsrang. Anders verhält es sich, wenn ein solcher Beschluss nur unter Mitwirkung Österreichs zustande kommen kann: Dafür wird in der Praxis eine Verfassungsbestimmung als erforderlich erachtet (vgl etwa die EB zu Art 8 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle BGBl 1990/496, 1189 Blg Nr XVII. GP).

Dieser im Lichte des Art 9 Abs 2 B-VG offensichtliche Widersinn findet seine Erklärung darin, dass es hier nicht eigentlich um das Problem einer Übertragung von Hoheitsrechten geht, sondern um die Frage nach den Organen, die auf österreichischer Seite in einem solchen Vertragsänderungsverfahren mitzuwirken haben: Muss der österreichische Willensakt (Zustimmung, Ablehnung) dem Nationalrat gemäß Art 50 B-VG zur Genehmigung unterbreitet werden? Die Fristen, innerhalb der derartige Erklärungen regelmäßig abzugeben sind, oder auch sonstige Verfahrensmodalitäten machen eine Einschaltung des Bundesparlaments praktisch kaum möglich. Andererseits geht es aber um die Abänderung eines vom Bundesparlament genehmigten und daher auf Gesetzesstufe stehenden Staatsvertrags, die daher nach österreichischem Rechtsverständnis ihrerseits als gesetzändernd zu qualifizieren ist. Die Praxis nimmt an, dass die Hebung derartiger Klauseln in den Verfassungsrang von der künftigen Beteiligung des Nationalrats und Bundesrats dispensiert. Dies kommt zwar oft gar nicht im Text solcher Klauseln selbst zum Ausdruck, entspricht aber ihrem Sinn.

Die generelle Lösung dieses Problems kann nicht bei Art 9 Abs 2 B-VG, sondern muss bei Art 50 B-VG ansetzen. Es wird vorgeschlagen, in einem neuen Absatz für solche vereinfachte Vertragsänderungen oder -ergänzungen von der Genehmigung des Nationalrats zu dispensieren, sofern sich dies der Nationalrat nicht anlässlich der Genehmigung des "Stammvertrages" ausdrücklich vorbehält. Ein solcher Vorbehalt soll den gleichen Regeln unterliegen wie ein Erfüllungsvorbehalt gemäß Art 50 Abs 2 B-VG (geltende Fassung) oder ein Beschluss gemäß Art 49 Abs 2 B-VG.

 

5. Die Zukunft verfassungsändernder Staatverträge

 

Ziel dieser Vorschläge ist es, in Zukunft Verfassungsbestimmungen in Staatsverträgen zur Gänze zu vermeiden. Durch solche Verfassungsbestimmungen wird kein Problem gelöst, das allenfalls in der Abgabe von Hoheitsrechten und anderen Beschränkungen der nationalen Souveränität gesehen werden könnte. Solche Probleme sind vielmehr in den Verhandlungen über den jeweiligen ("souveränitätsbeschränkenden") Staatsvertrag zu berücksichtigen. Die Bundesverfassung sollte aber für solche Verhandlungen einen sinnvollen Spielraum im Rahmen des international Üblichen vorgeben.

Sollte in Zukunft eine staatvertraglich Regelung mit dem Bundesverfassungsrecht nicht kompatibel sein, so wäre vorweg oder spätestens bei Abschluss des Vertrages der Text der Bundesverfassung so zu ändern, dass diese Kompatibilität hergestellt wird. Um dies an einem Beispiel zu illustrieren: Enthält ein Staatsvertrag eine die Immunität von Abgeordneten einschränkende Bestimmung (vgl zB Art 27 des Statuts über den Internationalen Strafgerichtshof BGBl III 2002/180), so wäre die dem entgegenstehende bundesverfassungsgesetzliche Regelung (heute: Art 57 B-VG) entsprechend zu adaptieren. Die Vereinbarkeit einer staatsvertraglichen Regelung mit der Bundesverfassung unterliegt der Kontrolle des VfGH nach Art 140a B-VG. (Daran sollte nichts geändert werden.) Stellt der VfGH eine solche Unvereinbarkeit nachträglich fest, so hat er die unmittelbare Anwendung dieses Vertrages, allenfalls unter Setzung einer aufschiebenden Frist bis zu zwei Jahren, zu suspendieren. In dieser Zeit wäre entweder der Staatsvertrag nach völkerrechtlichen Regeln zu kündigen oder die Bundesverfassung entsprechend zu ändern.

Angemerkt sei allerdings, dass der Ausschuss 2 vorerst die Frage des Verfassungsrangs der Staatsverträge mit grundrechtlichem Gehalt – insbesondere der EMRK – nicht behandelt hat. Diesbezüglich wäre die Beratung mit dem Ausschuss 4 zu koordinieren.

Was grenzändernde Staatsverträge betrifft, wird auf die vorgeschlagene Neufassung der Art 2 und 3 B-VG verwiesen.

 

 


 

2.2.6   Mitgliedschaft UNO

Eingebracht im Ausschuss 2, 16. Sitzung, 12.10.2004

 

 

Überlegungen zur Frage, ob die Mitgliedschaft Österreichsin den Vereinten Nationen verfassungsgesetzlich verankert werden soll

 

1. Rechtsqualität der UN-Satzung aus verfassungsrechtlicher Sicht

 

Österreich wurde im Dezember 1955 in die Vereinte Nationen (VN) aufgenommen. Die Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art 50 B-VG erfolgte bereits im Jahr 1952 (siehe StenProtNR, 6. GP, 3634 ff; StenProtBR, 1635). Dieser Beitritt und seine parlamentarische Behandlung geschahen damit in einer Zeit, als das Theorem über den verfassungsändernden Gehalt der Übertragung von Hoheitsrechten auf Internationale Organisationen noch nicht bekannt war. (Dieses Theorem wurde erst im Zusammenhang mit der Errichtung der EFTA 1960 entwickelt; siehe 156 BlgNR 9. GP, S. 318). Die Satzung der VN wurde daher vom Nationalrat als gesetzändernder Staatsvertrag genehmigt und steht seitdem in der österreichischen Rechtsordnung auf der Rangstufe eines einfachen Bundesgesetzes.

Die merkwürdige Diskrepanz, dass in der österreichischen Rechtsordnung völkerrechtliche Verträge mit geringfügiger politischer Bedeutung partiell auf Verfassungsstufe stehen, dagegen nicht ein so zentraler völkerrechtlicher Vertrag wie die UN-Satzung, besteht seit den sechziger Jahren bis heute und konnte bekanntlich auch durch die 1981 geschaffene Ermächtigung des Art 9 Abs 2 B-VG nicht endgültig gelöst werden. Der Versuch, dieses Problem durch ein "Staatsverträge-Sanierungsgesetz" (1971, siehe die RV eines "Ersten Staatsverträge-Sanierungsgesetzes" 122 BlgNR 13. GP) zu bereinigen, kam nicht zustande (dazu ausführlicher Öhlinger, Der völkerrechtliche Vertrag im staatlichen Recht, 1973, 202 ff). Die UN-Satzung war allerdings in dieser RV – anders als noch im zur Begutachtung ausgesandten Entwurf des BKA-VD GZ 44.760-2d/7c vom 11.5.1971 – nicht enthalten (vermutlich wegen offener Neutralitätsfragen); sie sollte einem "Zweiten Staatsverträge-Sanierungsgesetz" vorbehalten bleiben (siehe 122 BlgNr 13. GP, S. 6).

 

2. Die UNO-Charta als "Weltverfassung"

 

Die VN nehmen heute unter allen weltweiten Internationalen Organisationen zweifellos eine herausragende Stellung ein. Ihre Satzung ist die Grundlage einer umfassenden Weltorganisation und einer neuen universellen Ordnung des Völkerrechts (siehe Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl 1984, 72). Diese Satzung hat daher in einem nicht nur ganz allgemeinen Sinn Verfassungscharakter. Sie bildet ein wesentliches Element in dem bereits oft konstatierten Prozess einer Konstitutionalisierung des Völkerrechts. Sie enthält Verpflichtungen, die nicht nur zwischen den Mitgliedern bestehen, sondern einen Anspruch auf absolute Geltung gegenüber der gesamten Staatengemeinschaft erheben. Dazu gehören das zwischenstaatliche Gewaltverbot (Art 2 Z 4 UN-Satzung) sowie die Achtung der sich aus der Würde des Menschen ergebenden grundlegenden Menschenrechte (siehe Verdross/Simma, aaO, 75 ff). Nach Art 103 UN-Satzung haben die Pflichten aus der Satzung Vorrang vor anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen.

Das Potential der UN-Satzung ist bislang – vor allem durch die wechselseitigen Blockaden der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates und ihres Veto-Rechts – nicht vollständig ausgeschöpft worden. Potentiell bildet aber die UN-Satzung so etwas wie eine "Weltverfassung" (Tomuschat, Vereinte Nationen, in: Seidl-Hohenveldern (Hrsg), Völkerrecht, 3. Aufl. 2001, 454), auf deren Grundlage sich die VN aus einer weltweiten zwischenstaatlichen Organisation zu einem "Organ der Menschheit" (so Verdross/Simma, aaO, 79) entwickeln könnten (zur UN-Satzung als "Verfassung der Weltgemeinschaft" siehe auch Ress, in: Simma [Hrsg], Charta der Vereinten Nationen, Kommentar [1991] XLVII, LXIII).

Eine solche Entwicklung hätte durchaus auch Rückwirkungen auf die nationalen Verfassungen, die nicht ihrem Umfang, aber ihrer Qualität nach mit jenen der Mitgliedschaft Österreichs in der EU vergleichbar sind. So gibt es auch bereits in der völkerrechtlichen Literatur Ansätze, die den Beschlüssen des Sicherheitsrates unmittelbare Wirkung und Vorrang innerhalb der staatlichen Rechtsordnungen zuerkennen (vgl etwa Dicke, Erscheinungsformen und Wirkungen von Globalisierung in Struktur und Recht des internationalen Systems auf universaler und regionaler Ebene sowie gegenläufige Renationalisierungstendenzen, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Bd 39 (2000) 13 [36]; sehr weitgehend in diese Richtung und so zweifellos noch nicht konsensfähig A. Balthasar, Die österreichische bundesverfassungsrechtliche Grundordnung unter besonderer Berücksichtigung des demokratischen Prinzips, noch unveröffentlichte Wiener Habilitationsschrift [2004]).

Mit einer Verankerung der UN-Mitgliedschaft in der Bundesverfassung würde sich Österreich solchen Entwicklungen gegenüber öffnen. Potentielle Konflikte mit österreichischem Verfassungsrecht wären von vornherein reduziert und auf Interpretationsfragen eingegrenzt.

 

3. Vereinte Nationen und dauernde Neutralität Österreichs

 

Ein spezifischer Zusammenhang besteht zwischen der Mitgliedschaft Österreichs in den VN und dem verfassungsrechtlichen Status eines dauernd neutralen Staates.

Der potentielle Widerspruch zwischen dauernder Neutralität und den in der UN-Satzung verankerten Pflichten der kollektiven Sicherheit wurde in Österreich zunächst im Sinne eines Vorrangs der Neutralitätspflichten gelöst, die von der VN mit der widerspruchslosen Aufnahme Österreichs als dauernd neutraler Staat im Sinne der sog. "Verdross-Doktrin" implizite anerkannt worden seien (vgl Verdross/Simma, aaO, 147): Die Organe der VN übernahmen mit dieser vorbehaltlosen Aufnahme Österreichs "die Verpflichtung, Österreich nie zu neutralitätswidrigen Zwangsmaßnahmen heranzuziehen" (Hummer, in: Neuhold/Hummer/Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Bd 1, Rz 2859). Anlässlich des ersten, auf einem Sicherheitsratsbeschluss basierenden Irakkrieges 1991 wurde diese Doktrin von der herrschenden Lehre und Praxis in Österreich mit unterschiedlichen, aber im Ergebnis einhelligen Begründungen "umgedreht": Die Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft in den VN gehen den Neutralitätspflichten vor.

Eine Verankerung der UN-Mitgliedschaft in der Bundesverfassung und damit auf gleicher rechtlicher Ebene wie die Neutralität könnte diesem – aus verfassungsrechtlicher Sicht doch sehr überraschenden (siehe dazu Öhlinger, BVG Neutralität, in: Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht, Kommentar, Rz 9) – Interpretationswandel eine verfassungsrechtliche Grundlage geben.

 

4. Rechtsvergleichende Hinweise

 

In rechtsvergleichender Sicht ist anzumerken, dass sich in europäischen Verfassungen explizite Hinweise auf die VN kaum finden. Ein seltenes Beispiel bildet Sektion 1 der Verfassung von Malta, das eine Ausnahme vom neutralitätsrechtlich bedingten Verbot der Nutzung militärischer Anlagen für Aktionen des Sicherheitsrates vorsieht.

Häufig sind jedoch Bekenntnisse zu Frieden und internationaler Zusammenarbeit. Siehe etwa folgende Beispiele:

Art 11 der Italienischen Verfassung:

Italien verwirft den Krieg als Mittel des Angriffs auf die Freiheit anderer Völker und als Mittel zur Lösung internationaler Streitfragen. Unter der Bedingung der Gleichstellung mit den anderen Staaten stimmt es Souveränitätsbeschränkungen zu, die für eine Ordnung notwendig sind, welche den Frieden und die Gerechtigkeit unter den Nationen gewährleistet. Es fördert und begünstigt internationale Organisationen, die diesem Zweck dienen.

Art 2 Abs 2 der Griechischen Verfassung:

Griechenland ist bestrebt, unter Beachtung der allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts, den Frieden, die Gerechtigkeit und die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Völkern und Staaten zu fördern.

Art 29 Abs 1 der Irischen Verfassung:

Irland bekräftigt seine Ergebenheit gegenüber dem Ideal des Friedens und der freundschaftlichen Zusammenarbeit unter den Völkern auf der Grundlage internationaler Gerechtigkeit und Moral.

Art 7 Abs 2 der Portugiesischen Verfassung:

Portugal unterstützt die Abschaffung des Imperialismus, des Kolonialismus und jeglicher anderer Form der Aggression, der Beherrschung und der Ausbeutung unter den Völkern ebenso wie die allgemeine ausgewogene und kontrollierte Abrüstung, die Auflösung der militärisch-politischen Blöcke und die Einrichtung eines internationalen Sicherheitssystems zur Schaffung einer internationalen Ordnung, die den Frieden und die Gerechtigkeit in den Beziehungen zwischen den Völkern zu gewährleisten imstande ist.

Art 7 Abs 3 der Slowakischen Verfassung (idF 2002):

The Slovak Republic may for purpose of maintaining peace, security and democratic order, under conditions established by an international treaty, join an organization of mutual collective security.

§ 1 Abs 2 der Finnischen Verfassung vom 11.6.1999:

Finnland beteiligt sich an der internationalen Zusammenarbeit in der Absicht, Frieden und Menschenrechte sicherzustellen, und in der Absicht, die Gesellschaft zu entwickeln.

Siehe ferner die Präambeln des Bonner Grundgesetzes und der Spanischen Verfassung.

 

5. Zusammenfassung und Vorschlag einer Formulierung

 

Ein dringender Bedarf nach einer verfassungsgesetzlichen Verankerung der Mitgliedschaft in den VN lässt sich nicht feststellen, doch gibt es Argumente, die dafür sprechen (siehe zuvor 2. und 3.). Sollte eine solche Verankerung erfolgen, könnte die Formulierung lauten:

Österreich ist Mitglied der Vereinten Nationen und unterstützt deren Ziele, insbesondere der Erhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit sowie der weltweiten Achtung der Menschenrechte.

Oder:

Österreich bekennt sich zu den Verpflichtungen, die sich aus der Satzung der Vereinten Nationen ergeben, und unterstützt insbesondere die Ziele der Wahrung des Friedens und der internationalen Sicherheit sowie der weltweiten Achtung der Menschenrechte.

 

 

2.3       Schnizer Johannes, Dr.

2.3.1   Staatsgrenze

Eingebracht im Ausschuss 2, 8. Sitzung, 30.3.2004

 

 

Information zur Staatsgrenze

 

Meine Gespräche betreffend die Problematik der Staatsgrenze haben folgendes ergeben:

 

I.       Allgemeines und derzeitiger Stand

 

1.       Grundsätzlich sind sowohl von der Darstellung als auch der normativen Wirkung zwei verschiedene Arten von Staatsgrenzen zu unterscheiden:

 

·               Feste Grenzen: Bei diesen befindet sich die Grenze unveränderlich an einem bestimmten Punkt in der Natur, und zwar letztlich bezogen auf ein gedachtes Koordinatensystem; ändert sich die Natur, bleibt der Punkt trotzdem bezogen auf das Koordinatensystem bezogen auf den Ort; der Punkt wird mit seinem Koordinaten bzw. in einer planlichen Darstellung, er kann auf Grund dieser Festlegung in der Natur aufgefunden und ersichtlich gemacht werden (z.B. Grenzsteine); der Grenzverlauf ergibt sich letztlich aus der Verbindung der so festgelegten Punkte. Normativ ist letztlich die festgelegte Punkte bzw. deren Verbindung.

 

·               Bewegliche Grenzen: Maßgeblich sind Anhaltspunkte in der Natur, die in einer normativen Beschreibung festgehalten sind; ändern sich die Gegebenheiten in der Natur, sind die neuen Gegebenheiten maßgeblich, z.B. Wasserläufe, Wasserscheiden, Hangkanten und ähnliches. Normativ ist die Beschreibung der Gegebenheiten in der Natur in Verbindung mit der tatsächlichen Lage dieser Gegebenheiten; ändert sich die Lage ist die neue Lage maßgeblich.

 

Die österreichische Staatsgrenze ist sowohl durch feste Grenzen als auch durch bewegliche Grenzen festgelegt. An diesem System änderten auch neuere Staatsverträge und werden auch künftige Staatsverträge nichts ändern, weil bewegliche Grenzen für die Praxis sehr zweckmäßig sind: Wasserläufe sind beispielsweise für die landwirtschaftliche Nutzung relevant (kleine Bäche ändern sich weit stärker als große), sonstige Gegebenheiten für den Verlauf von Wegen usw.. Beweglichen Grenzen sind auch entsprechend markant, sodass sie auf Grund der Beschreibung in der Natur für jedermann ersichtlich sind, was z.B. die Kontrolle erleichtert.

 

2.       Grundsätzlich können Grenzen normativ entweder durch eine Verbalbeschreibung (von Gegebenheiten in der Natur), durch Pläne (die letztlich auf eine Koordinatensystem basieren) oder durch die Angabe von Koordinaten und deren Verbindungen festgelegt werden. Alle drei Methoden kommen zur Festlegung der österreichischen Staatsgrenze vor.

 

3.       Für die Festlegung dieser Staatsgrenze sind derzeit folgende Akte relevant:

 

·               Der größte Teil der Grenze ergibt sich aus Staatsverträgen mit den jeweiligen Nachbarstaaten, genau genommen aus den Anlagen zu diesen Staatsverträgen; diese Anlagen sind nicht im BGBl. enthalten, sondern wurden gem. Art. 49 Abs. 2 B-VG durch Auflage in BKA und bei den Ämtern der Landesregierungen kundgemacht. Die Bundesverfassungsgesetze und Landesverfassungsgesetze gem. Art. 3 B-VG verweisen im Wesentlichen auf diese Anlagen.

 

·               Für einen geringen Teil der Staatsgrenze ist noch der Staatsvertrag von St. Germain maßgeblich, wobei zwei Fälle zu unterscheiden sind:

- Slowenien: Ein Teil der Grenze zu Slowenien ist nicht vom neueren Staatsvertrag erfasst, sodass der StV St. Germain gilt, dieser enthält nicht den exakten Grenzverlauf, dieser wurde erst von verschiedenen Kommissionen in verschiedenen Dokumenten festgelegt, die als solche nicht publiziert sind; ein Abschluss eines neuen Staatsvertrages für diesen Teil ist innerhalb der nächsten drei Jahre zu erwarten.

- Italien: Hier wurde der exakte Grenzverlauf bereits durch einen neuen Staatsvertrag festgelegt, der vom österreichischen Parlament, nicht aber vom italienischen Parlament genehmigt wurde. Rechtlich ergibt sich derzeit daher der Grenzverlauf noch aus dem StV von St. Germain mit der gleichen Problematik wie bei Slowenien, der korrekte Grenzverlauf ist aber bereits aus der Anlage ersichtlich, die innerstaatlich verbindlich erklärt werden könnte (verbunden mit einer entsprechenden Kundmachung).

 

·               In diesem Zusammenhang sei der Sonderfall Bodensee erwähnt, bei dem der Grenzverlauf völkerrechtlich umstritten ist, ohne dass jemals eine Lösung absehbar ist (die Lehre des Völkerrechts würde dadurch wesentlich ärmer); praktisch relevante Probleme verursacht diese „Lücke“ im Bundesgebiet nicht; jedenfalls könnte nur eine innerstaatliche Variante festgelegt werden.

 

II.      Festlegung des derzeitigen Zustandes

 

Um zu einer innerstaatlich verbindlichen, einfachen und klaren Festlegung der Staatsgrenze zu kommen, bieten sich folgende Vorgangsweisen an:

 

1.       Im Übergangsgesetz werden folgende Dokumente für verbindlich erklärt (und zweckmäßigerweise auch in der Anlage kundgemacht, wobei auch eine ausschließlich elektronische Kundmachung im RIS zweckmäßig wäre):

·               Die Anlagen zu den neueren Staatsverträgen

 

·               Die Anlage zum noch nicht abgeschlossenen StV mit Italien (Kundmachung der Anlage zwingend)

 

·               Eine neu angefertigte Anlage für den innerstaatlichen Ersatz der alten Dokumente für den Grenzverlauf gegenüber Slowenien (diese könnte bei einem entsprechenden Auftrag zeitgerecht angefertigt werden); Kundmachung ebenfalls zwingend.

 

Die Bundesverfassungsgesetze und (allenfalls auch Landesverfassungsgesetze) zur Umsetzung dieser Staatsverträge könnten ersatzlos aufgehoben werden.

 

2.       Grundsätzlich könnte die Staatsgrenze (für den innerstaatlichen Rechtsbereich) einheitlich auch zur Gänze durch Angabe von Koordinaten festgelegt werden, wobei diese aus der Neuvermessung des Bundesgebietes abgeleitet werden könnten, die weitgehend abgeschlossen ist. Das BMWA prüft derzeit, ob bis Jahresende eine vollständige Beschreibung der Staatsgrenze mit solchen Koordinaten möglich wäre. Die Staatsgrenze wäre dann aus einem einheitlichen – zweckmäßigerweise elektronisch darzustellenden - Dokument ableitbar, an das auch Änderungen anknüpfen würden; das Übergangs B-VG (oder das B-VG selbst) müsste dann dieses Dokument für verbindlich erklären.

 

Zur Beibehaltung der (völkerrechtlich verbindlichen und zweckmäßigen) Unterscheidung zwischen festen und beweglichen Grenzen, hätte diese Koordinaten unterschiedliche Funktion und wären entsprechend zu kennzeichnen: Bei den festen Grenzen sind die Koordinaten konstitutiv; bei den beweglichen Grenzen machen die Koordinaten lediglich den derzeitigen Stand sichtbar und sind bei Änderungen in der Natur entsprechend anzupassen (in einem vereinfachten Verfahren der Kundmachung, ähnlich dem der Berichtigung). Für den Bereich der beweglichen Grenzen müsste zusätzlich die Beschreibung kundgemacht werden.

 

III.    Künftige Grenzänderungen

 

Echte Grenzänderungen im Sinne einer quantitativen und qualitativen Änderung des Bundesgebietes sind in der Zweiten Republik nicht vorgekommen und sind in mittlerer Zukunft auch nicht zu erwarten. Die bisherigen Grenzänderungen dienten entweder der Klarstellung des Grenzverlaufes oder der Herbeiführung eines zweckmäßigeren Grenzverlaufes (z.B. im Zusammenhang mit Wegen, natürlichen Gegebenheiten, Grenzübergängen usw.), wobei diese Änderungen stets flächentreu erfolgten. Alle diese Änderungen erfolgen schon aus völkerrechtlichen Gründen stets mit Staatsverträgen. Es bietet sich daher für die Zukunft folgendes an:

 

·               Für echte Änderungen des Bundesgebietes bleibt es beim bisherigen System gem. Art. 3 Abs. 2 B-VG mit allen hier erörterten bundesstaatlichen Implikationen.

 

·               Für sonstige Änderungen der Staatsgrenze wird ein vereinfachtes Verfahren geschaffen, das für solche „Grenzbereinigungen“ gilt: Grenzbereinigungen sind Änderungen der Staatsgrenze, die einen zweckmäßigen Grenzverlauf bezwecken und zu keiner flächenmäßigen Änderung des Bundesgebietes führen. Derartige Änderungen der Staatsgrenze erfolgen durch einen Staatsvertrag, der mit Zustimmung der Länder abzuschließen und mit einfacher Mehrheit des Nationalrates und des Bundesrates zu genehmigen ist. Die Kundmachung der Änderung erfolgt entsprechend dem unter II. gewählten System. In dem Staatsvertrag wäre auch ersichtlich zu machen zu welchen Landesgebiet die jeweilige Staatsgrenze gehört.

 


 

2.3.2   Vermögenssubstanzsicherung Elektrizitätsunternehmen

Eingebracht im Ausschuss 2, 17. Sitzung, 5.11.2004

 

Diskussionsvorschlag

Vermögenssubstanzsicherung

Elektrizitätsunternehmen

 

„Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft geregelt werden

 

Artikel 1

 

(1) Vom Aktienkapital der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft (VERBUND) muss mindestens 51 vH im Eigentum des Bundes stehen. Mit Ausnahme von Gebietskörperschaften und Unternehmungen, an denen Gebietskörperschaften mit mindestens 51 vH beteiligt sind, ist das Stimmrecht jedes Aktionärs in der Hauptversammlung mit 5 vH des Grundkapitals beschränkt.

 

(2) Von

 

          a) den Anteilsrechten an der Gesellschaft zur Erzeugung von elektrischer Energie aus Wasserkraft VERBUND Austrian Hydro Power Aktiengesellschaft, Wien,

 

          b) der Beteiligung an der Firma zur Erzeugung elektrischer Energie in VERBUND Austrian- Thermal Power Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Co KG (vormals Aktiengesellschaft), Graz, sowie

 

          c) den Anteilsrechten an der Gesellschaft zur Errichtung, Betreibung von elektrischen Leitungsanlagen und dem Regelzonenführer der VERBUND- Austrian Power Grid Aktiengesellschaft, Wien,

 

müssen mindestens 51 vH im Eigentum des Bundes oder des VERBUND stehen.

 

(3) Von den Anteilrechten an den Sondergesellschaften

 

a)           Donaukraftwerk Jochenstein Aktiengesellschaft, Passau;

b)           Ennskraftwerke Aktiengesellschaft, Steyr;

c)           Österreichisch- Bayerische Kraftwerke Aktiengesellschaft, Simbach/Inn

 

müssen mindestens 50 vH im Eigentum des Bundes oder des VERBUND stehen.

 

Artikel 2

 

Von den Anteilsrechten an den Landesgesellschaften

 

          a)       Burgenländische Elektrizitätswirtschafts- Aktiengesellschaft für das Bundesland Burgenland;

          b)      Kärntner Elektrizitäts- Aktiengesellschaft für das Bundesland Kärnten;

          c)       EVN Energieversorgung Niederösterreich Aktiengesellschaft für das Bundesland Land Niederösterreich;

          d)      Energie Aktiengesellschaft Oberösterreich für das Bundesland Oberösterreich;

          e)       Salzburg Aktiengesellschaft für das Bundesland Salzburg;

          f)       STEWEAG- STEG Gesellschaft mit beschränkter Haftung für das Bundesland Steiermark;

          g)       Tiroler Wasserkraft Aktiengesellschaft sowie Tiroler Regelzonen Aktiengesellschaft für das Bundesland Tirol;

          h)       Illwerke Aktiengesellschaft, Vorarlberger Kraftwerke (VKW) Aktiengesellschaft sowie die VKW- Übertragungsnetz Akteingesellschaft für das Bundesland Vorarlberg;

          i)        Wienstrom Gesellschaft mit beschränkter Haftung für das Bundesland Wien

 

müssen 51 vH im Eigentum von Gebietskörperschaften oder von Unternehmungen stehen, an denen Gebietskörperschaften mit mindestens 51 vH beteiligt sind.“

 

 

2.4       Wiederin Ewald, Dr. Univ. Prof.

2.4.1   Diskussionspapier zur Legistischen Binnenstruktur der neuen Verfassung

Eingebracht im Ausschuss 2, 1. Sitzung, 22.11.2003

Diskussionsunterlage
zu Punkt I.) 4) des Mandats

„Die sog. ‚Codifikationsfrage’ ist eine der verrufensten in der ganzen Rechtspolitik, und es stehen sich die Meinungen auf das Schroffste entgegen. Auf der einen Seite wird von Unzähligen fast alles Heil im Rechte, beinahe im Staate, von der Einführung solcher allgemeiner Gesetzbücher erwartet, die Vornahme der Arbeit als ein höchstes Verdienst der Regierung, als ein Beweis hoher Gesittigung des Volkes, als ein Ehrendenkmal für einen Zeitabschnitt betrachtet. Auf der anderen Seite erklären Männer, deren Stimme in Rechtsfragen vor Allen gehört zu werden verdient, nur Unheil für Recht und Bildung von solchem Unternehmen zu erwarten, sprechen namentlich unserer Zeit alle Befähigung zur Zustandebringung eines guten Gesetzesbuches ab.“[8]

Punkt I.) 4) des Mandats trägt dem Ausschuss „Legistische Strukturfragen“ auf, über die „Legistische Binnenstruktur der neuen Verfassung“ zu beraten und hiezu Vorschläge zu erstatten. Die folgenden drei Unterpunkte sind explizit angesprochen:

      Abänderungserfordernisse und innere Stufung (a);

      Überlegungen zur Verankerung eines Inkorporationsgebots (b);

      sonstige Überlegungen zur Verbesserung des status quo (c).

Diese Unterlage soll den Beratungen des Ausschusses als Basis dienen. Sie gliedert sich in vier Abschnitte.

Der erste Abschnitt ist dem Inkorporationsgebot gewidmet. Sowohl die Diskussionen im Rahmen der Einsetzung des Konvents als auch das Mandat selbst zeigen, dass die Zusammenführung des gesamten Verfassungsrechts in eine einzige Urkunde den Fluchtpunkt der Arbeiten des Ausschusses – wenn nicht des Konvents insgesamt – bildet. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, Erwägungen über internationale Verbreitung, dogmatische Konsequenzen und praktische Auswirkungen von Inkorporationsgeboten an den Beginn der Unterlage zu stellen. Dabei ließ es sich nicht vermeiden, auch die in Punkt I.) 3) c) des Mandats aufgeworfene Frage zu streifen, wie andere Verfassungen das Problem ihrer Durchbrechung durch den einfachen Gesetzgeber lösen.

Der zweite Abschnitt untersucht, welche anderen Instrumente im internationalen Vergleich begegnen, um den inneren und äußeren Zustand der Verfassung zu wahren oder zu verbessern. Da er von der begrenzten Leistungsfähigkeit eines Kodifikationszwanges ausgeht und mögliche Ergänzungsmaßnahmen aufzeigt, folgt er unmittelbar auf die Ausführungen zum Inkorporationsgebot.

Im dritten Abschnitt wird in einem rechtsvergleichenden Streifzug dargestellt, wie Verfassungen aufgebaut sind und über welche vielfältigen Binnenstrukturen sie verfügen. Nachdem das Mandat dem Ausschuss derartige Überlegungen nicht zur Pflicht macht, hat er die Funktion eines Exkurses. Sein Sinn liegt darin, das außerordentlich breite Spektrum an Möglichkeiten aufzuzeigen, die zur Verfügung stehen, um eine Verfassung mit Stabilität auszustatten, ohne ihr die notwendige Flexibilität zu nehmen.

Der vierte Abschnitt versucht, auf diesen Fundamenten Vorschläge de constitutione ferenda zu unterbreiten, die sich auf die Erfordernisse der Abänderung der neuen Verfassung, auf ihre innere Stufung und auf ihre äußere Einkleidung beziehen. Dabei versteht sich von selbst, dass in die diesbezüglichen Überlegungen auch zwangsläufig subjektiv gefärbte Bewertungen eingeflossen sind.

 

I. Internationale Verbreitung, dogmatische Konsequenzen und praktische Auswirkungen von Inkorporationsgeboten

 

1. Die äußere Form von Verfassungen im internationalen Vergleich

Inkorporationsgebote in Verfassungen sind weniger verbreitet, als es zunächst den Anschein haben mag. Die Gruppe jener Staaten, deren Verfassung eine ausdrückliche Anordnung des Inhalts enthält, dass das gesamte Verfassungsrecht in einer Urkunde konzentriert werden muss, ist eng begrenzt.

Die bekannteste und wirkmächtigste Formulierung enthält das Bonner Grundgesetz 1949. Dort findet sich in Art 79 Abs 1 erster Satz folgende Anordnung:

„Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt.“

Eine vergleichbare Klausel begegnet in der Verfassung der Republik Portugal 1976. Sie ordnet in Art 286 an, dass Änderungen der Verfassung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen beschlossen werden und dass die verabschiedeten Verfassungsänderungen in einem einzigen Revisionsgesetz zusammengefasst werden müssen. Sodann heißt es in Art 287:

„(1) Die Verfassungsänderungen erfolgen durch den erforderlichen Austausch, die erforderlichen Auslassungen oder Ergänzungen der jeweiligen Textstellen.

(2) Der neue Wortlaut der Verfassung wird zusammen mit dem Revisionsgesetz veröffentlicht.“

Mitunter wird auch Art 141 der Verfassung des Königreiches der Niederlande von 1983 als Beispiel für ein Inkorporationsgebot angeführt.[9] Diese Bestimmung lautet:

„Der Wortlaut der geänderten Verfassung wird mit Königlichem Erlass verkündet; dabei können Kapitel, Paragraphen und Artikel umnummeriert und Verweise entsprechend geändert werden.“

Näheres Hinsehen zeigt freilich in meinen Augen, dass es sich um eine Art Wiederverlautbarungsverpflichtung handelt. Ein Inkorporationsgebot dürfte implizit aber in den Art 137 und 138 enthalten sein.

Ebenfalls nicht ganz klar ist, wie die Verfassung der Republik Irland 1937 einzuordnen ist. Sie verlangt in Art 46 Abs 2, dass jeder Vorschlag einer Änderung der Verfassung als Gesetzesvorlage im Parlament eingebracht werden und nach Verabschiedung durch beide Häuser einer Entscheidung des Volkes unterbreitet werden muss. Sodann heißt es in Abs 3:

„Eine jede solche Gesetzesvorlage wird als ein ‚Gesetz zur Änderung der Verfassung’ gekennzeichnet.“

Das Ensemble dieser Vorschriften kann als Gebot einer formellen Textänderung, es kann aber auch als bloße Pflicht zur Bezeichnung eines die Verfassung inhaltlich ändernden Gesetzes als verfassungsändernd gedeutet werden.

Schon diese wenigen Beispiele zeigen eine erste Schwierigkeit auf: Die Textanalyse der Verfassungen allein gibt auf die Frage, ob sie ein Inkorporationsgebot enthalten, selten eine Antwort, weil die einschlägigen Revisionsnormen regelmäßig nach beiden Richtungen interpretierbar sind und unterschiedlich gedeutet werden. Die Verfassung des Deutschen Reiches 1871 und die Verfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1874 enthielten beispielsweise durchaus vergleichbare Formulierungen. Dennoch setzte sich nördlich von Bodensee und Rhein die Auffassung durch, auch Verfassungsänderungen außerhalb der Urkunde seien zulässig, während südlich davon Verfassungsrecht außerhalb der Urkunde überwiegend als unstatthaft betrachtet wurde.[10]

Auf Einzelheiten kommt es hier indes nicht an. Für die Zwecke dieser Untersuchung genügen die Feststellungen, dass ausdrückliche Inkorporationsgebote die Ausnahme sind, dass in Wissenschaft und Staatspraxis vielfach aber auch Verfassungen, die keine diesbezügliche explizite Anordnung enthalten, auf interpretativem Wege ein Gebot der Textintegration von Änderungen entnommen wird.

Dieser ersten Gruppe von Staaten, in denen das Verfassungsrecht in einer Urkunde konzentriert ist, steht eine zweite Gruppe gegenüber, in denen es funktionale Äquivalente gibt. Als Beispiel sei die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika 1789 genannt, die sich aus einer Stammurkunde und 27 weiteren Urkunden, den sogenannten Amendments zusammensetzt. Nachdem die Novellierungstechnik in der anglo-amerikanischen Tradition nicht üblich (um nicht zu sagen: unbekannt) ist, stehen diese Amendments neben der Stammverfassung und fügen ihr Inhalte hinzu oder ändern sie ab, ohne in den Text des ursprünglichen Dokuments einzugreifen. Der Unterschied zum Inkorporationsgebot ist allerdings nicht allzu groß: Statt Novellen, die sich auf die Stammurkunde rückbeziehen, haben wir es mit Ergänzungen zu tun, die gleichsam hintereinander in einer Reihe stehen, aber ein und derselben Textsorte angehören.

Eine dritte Gruppe bilden jene Staaten, deren Verfassung sich in einer Stammurkunde und einigen wenigen weiteren Urkunden zusammensetzt. Viele Monarchien sind dieser Gruppe zuzurechnen, weil in ihnen auch die Hausgesetze des öfteren als Teil der Verfassung gelten.[11] Unter den Republiken sei Frankreich erwähnt, wo neben der Verfassung 1958 auch die Erklärung der Menschen‑ und Bürgerrechte 1789 und die Präambel der Verfassung 1946 Bestandteile des Verfassungsrechts sind.

In einer vierten Gruppe lassen sich jene Staaten zusammenfassen, die wie Österreich keinen Urkundenzwang, aber immerhin eine Verpflichtung zur Bezeichnung des Verfassungsrechts als Verfassungsrecht kennen. Als Beispiel für solche Verfassungen sei auf die Verfassung der Republik Tschechien 1992 verwiesen, die neben der Verfassungsurkunde selbst weitere Verfassungsgesetze (nicht aber Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen) zulässt,[12] sowie auf die Verfassung der Republik Italien 1947, die verfassungsändernde Gesetze und andere Verfassungsgesetze kennt.[13] Auch die Verfassung des Königreiches Schweden von 1975 und Finnlands Grundgesetz von 1999 rechnen zu dieser Gruppe, weil sie ein eigenes Verfahren zur Grundgesetzgebung vorsehen.[14]

In eine kleine fünfte Gruppe fallen schließlich jene Staaten, die über kein nach formellen Gesichtspunkten abgegrenztes Verfassungsrecht verfügen. Staaten mit ungeschriebener Verfassung zählen ebenso hierher wie Staaten, deren Verfassung sich aus einem Ensemble von Gesetzen, Proklamationen und Statuten zusammensetzt, das nicht durch äußere Merkmale, sondern nur durch Konvention umgrenzt wird.[15]

 

2. Rechtsprobleme von Inkorporationsgeboten am Beispiel des Bonner Grundgesetzes 1949

Was ein Inkorporationsgebot zu leisten vermag und welche Rechtsfragen es aufwirft, lässt sich am Bonner Grundgesetz exemplifizieren.

 

a) Der rechtsgeschichtliche Hintergrund

Es zählt zum basalen Lehrbuchwissen, dass das Grundgesetz mit seinem Art 79 Abs 1 GG einer Gesetzgebungstechnik eine Absage erteilt, die unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung ständige Praxis war und die von ihren Gegnern als Durchbrechung oder als Aushebelung der Verfassung bezeichnet wurde. Weniger bekannt ist hingegen, dass die Weimarer Verfassung in diesem Punkt lediglich eine eingelebte Tradition fortgesetzt hatte. Schon unter der Bismarckschen Reichsverfassung 1871 war es ständige Übung, durch einen mit den für Verfassungsänderung erforderlichen Mehrheiten gefassten Gesetzesbeschluss bestimmte Inhalte einer Prüfung am Maßstab der Verfassung zu entziehen und doch im Übrigen die Verfassung inhaltlich unverändert zu lassen. Die Praxis, gegen welche Art 79 Abs 1 GG gerichtet ist und ihres Antwortcharakters wegen Rückschlüsse auf Sinn und Zweck des Inkorporationsgebotes zulässt, ist allerdings mit der Zersplitterung des österreichischen Verfassungsrechts nur mittelbar vergleichbar. Das zeigt sich vor allem am geschichtlichen Ursprung, der aus diesem Grund kurz skizziert sei.

Am Anfang stand ein Antrag des Abgeordneten Franckenstein aus dem Jahre 1879, in § 8 des Zolltarifgesetzes einen Klausel aufzunehmen, nach der jener Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer, der die jährliche Summe von 130.000 Mark überstieg, den einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerung zu überweisen war. Der politische Sinn und Zweck dieser Regelung bestand darin, das Reich von originären Einnahmequellen abzuschneiden und es auf diese Weise weiterhin in Abhängigkeit von Matrikularbeiträgen zu belassen, die von den Ländern nach einem Bevölkerungsschlüssel geleistet wurden.[16] Ihre verfassungsrechtliche Problematik lag darin, dass Zolleinnahmen gemäß Art 38 der Reichsverfassung in die Reichskasse flossen.[17]

Politisch war die Franckensteinsche Klausel heftig umkämpft. Der Verteidigung Bismarcks, schon die Existenz eines Konflikts mit der Verfassung in Abrede zu stellen, wurde von den Gegnern der Klausel entgegengehalten, sie ändere „dieses Verhältnis und dieses Recht gänzlich um“.[18] Gleichzeitig lobte die Opposition den Reichskanzler jedoch dafür, dass er die Klausel nicht als Verfassungsänderungsantrag betrachtet und eingebracht hatte. Hänel etwa hielt fest, dass „dieses Amendement dem Geist und Sinn der Verfassung widerspricht“; gleichzeitig verwehrte er sich aber gegen die „Ansicht von rein formalistischem Standpunkt aus, daß hier eine Verfassungsänderung vorliegt.“[19]

Ein Widerspruch zur Verfassung, der ohne ihre Änderung vonstatten gehen sollte? Was in begrifflicher Hinsicht prima facie als inkonsistent erscheinen mag, ergab politisch seinen guten Sinn. Denn bei aller Vehemenz, mit denen die Gegner die Franckensteinsche Klausel bekämpften, wollten sie doch auch verhindern, sie in der Verfassung selbst festzuschreiben. Der gewählte Weg, sie durch einen mit verfassungsändernden Mehrheiten gefassten Beschluss in § 8 Zolltarifgesetz zu integrieren, sollte wenigstens die Möglichkeit offen lassen, die Überweisungsklausel zu einem späteren Zeitpunkt mit einfachen Mehrheiten wieder aus der Rechtsordnung zu eliminieren.[20].

Anders gewendet: Die gewählte Technik zielte zwar zum einen darauf ab, den mit qualifizierten Mehrheiten beschlossenen Rechtstext einer inhaltlichen Überprüfung am Maßstab der Verfassung zu entziehen; zum anderen wollte sie aber gleichzeitig verhindern, dass eben dieser Rechtstext seinerseits an der erhöhten Bestandskraft des Verfassungsrechts Anteil hatte und für sonstige Gesetzesbestimmungen als Prüfungsmaßstab fungierte.

Sieht man von vereinzelten Gegenstimmen ab, hieß die Staatsrechtslehre die mit diesem Präzedenzfall aus der Taufe gehobene Praxis gut. Politische Probleme warf sie in weiterer Folge offenbar nicht auf. Die Weimarer Nationalversammlung sah jedenfalls keinen Anlass, ihr in der neuen republikanischen Verfassung eine Absage zu erteilen.[21]

Unter der Weimarer Verfassung bildete eine Regelung über die Bannmeile den ersten Konfliktfall. Ihre Einfügung in das Versammlungsrecht[22] wurde mit verfassungsändernden Mehrheiten beschlossen, da Art 123 WRV Meldepflichten und behördliche Untersagungen, nicht aber generelle Versammlungsverbote zuließ, von welchen im Einzelfall durch Bewilligung Ausnahmen verfügt werden konnten. Anders als unter dem Kaiserreich mehrten sich jedoch die Stimmen aus der Wissenschaft, die gegen diese Art der stillschweigenden Verfassungsänderung Bedenken erhoben.[23] Das hängt wohl auch damit zusammen, dass die Technik impliziter Änderung zunehmend zur Erzeugung von Verfassungsrecht im materiellen Sinn genutzt wurde. Ein Beispiel bildete das Ermächtigungsgesetz 1923, das die Regierung mit Vollmachten zur Erlassung weitreichender Verordnungen ausstattete, die mit dem Legalitätsprinzip der Weimarer Verfassung brachen.[24]

Im Jänner 1932 erhielt der Gelehrtenstreit im Zusammenhang mit den Bemühungen um eine Fortsetzung der Präsidentschaft von Hindenburg eine politische Dimension. Die Regierung Brüning war bestrebt, dem greisen Hindenburg einen Wahlkampf zu ersparen, und warb für ein verfassungsänderndes Gesetz, mit welchem sein Mandat abweichend von Art 41 Abs 1 WRV[25] ohne Volkswahl für eine volle Amtsperiode verlängert werden sollte. Nach der Absage Hugenbergs war sie auf die Kooperation der Nationalsozialisten angewiesen. Hitler nutzte die Gelegenheit, sich in der Öffentlichkeit als Verfassungsschützer zu präsentieren, und machte sich in zwei Denkschriften an Brüning die Argumente der Kritiker impliziter Verfassungsänderungen zu eigen.[26] Kurz darauf selbst an die Macht gelangt, hinderte ihn das freilich nicht, sich diese Macht im Wege eines Ermächtigungsgesetzes auf Dauer zu sichern. Das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933, das der Herrschaft Hitlers und seiner Regierung als Basis diente, ließ die Weimarer Reichsverfassung in formeller Hinsicht unangetastet und wurde dementsprechend als verfassungsänderndes Gesetz verabschiedet.[27]

Die Technik impliziter Verfassungsänderung erschien nach dem Zweiten Weltkrieg als Achillesferse der Weimarer Reichsverfassung, die ihr vollständiges Aushebeln ermöglicht hatte. Um solches in Hinkunft zu verhindern, schrieb Art 85 der Verfassung von Württemberg-Baden 1946 in Art 85 Abs 4 Folgendes vor:

„Ohne vorherige Änderung der Verfassung können Gesetze, durch die Bestimmungen der Verfassung durchbrochen würden, nicht beschlossen werden.“

Diese Bestimmung diente den Beratungen auf Herrenchiemsee[28] und im parlamentarischen Rat als unmittelbares Vorbild.[29]

 

b) Dogmatische Probleme um Art 79 Abs 1 GG

Der Gehalt des Art 79 Abs 1 GG erscheint in einem Maße klar, das den Eindruck vermittelt, für juristische Spitzfindigkeiten bleibe kein Raum. Und doch rankt sich um das Textänderungsgebot so manche Kontroverse.

Gemeinsamer Ausgangspunkt aller Erörterungen ist die Einsicht, dass Art 79 Abs 1 GG ein Gebot der kodifikatorischen Geschlossenheit der Verfassungsurkunde enthält.[30] Das Grundgesetz duldet keine anderen Verfassungen neben sich.[31] Es ist die Verfassungsurkunde selbst, die über den Bestand des geltenden Verfassungsrechts erschöpfend Auskunft gibt.[32]

Was aus diesem Telos folgt, ist hingegen alles andere als evident. Es sind vor allem sechs Punkte, in denen die Auffassungen auseinandergehen.

    Einer Strömung im Schrifttum zufolge soll Art 79 Abs 1 GG ein Verbot von Verfassungsdurchbrechungen enthalten, das es unzulässig macht, die Verfassung im Einzelfalle beiseite zu schieben.[33] Die herrschende Gegenauffassung, die Art 79 Abs 1 GG nur auf die technisch-formelle Seite von Verfassungsänderungen bezieht, hält Durchbrechungen für zulässig, sofern sie nur im Text des Grundgesetzes integriert werden.[34] Ermächtigungen zur „Verfassungsdurchbrechung“ innerhalb der Stammurkunde, wie sie im Grundgesetz des öfteren begegnen, werden dementsprechend überwiegend als unproblematisch angesehen.

    Einige Autoren entnehmen dem Inkorporationsgebot ein Gebot der Verfassungsklarheit, das gewährleisten soll, dass jeder Leser ohne Schwierigkeiten erkennen kann, was de constitutione lata gilt.[35] Dementsprechend müsse die Technik einer „artikelmäßigen Einzel-Kundmachung“ gewählt werden,[36] oder anders gewendet: die durch die Änderung unmittelbar erfassten Bestimmungen des Grundgesetzes seien durch Anführung im Änderungsgesetz gesondert auszuweisen.[37] Der Rechtsprechung wie der herrschenden Lehre gehen diese Forderungen sichtlich zu weit.[38] Die Kontroverse hat sich vor allem am Beispiel der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft[39] entzündet.

    Die herrschende Meinung trifft sich aber mit den von ihr abgelehnten Auffassungen dort, wo es um die Beurteilung von Verweisungen geht. Zumindest „unspezifische Globalverweisungen“ gelten vielen Autoren als unzulässig;[40] andere gehen einen Schritt weiter und fordern, dass dynamische Verweisungen bei sonstiger Verfassungswidrigkeit unterbleiben müssen.[41] Nach der Gegenposition genügt es, dass im Grundgesetz selbst zum Ausdruck kommt, ob und wieweit Inhalte des einfachen Gesetzesrechts, des Völkerrechts oder außerrechtlicher Standards als Gebote der Verfassung rezipiert oder inkorporiert werden, ohne dass es darauf ankäme, ob die Bezugnahme statisch oder dynamisch ist.[42]

    Viertens wird unterschiedlich eingeschätzt, ob Art 79 Abs 1 GG vom Schutz des Art 79 Abs 3 GG erfasstes ewiges Verfassungsrecht darstellt[43] oder ob er auf dem von ihm vorgeschriebenen Weg der Textänderung wieder aus dem Grundgesetz eliminiert werden kann.[44]

    Eine fünfte Divergenz besteht bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Verfassungsänderungen im Wege eines völkerrechtlichen Vertrages, der in Deutschland eines Zustimmungsgesetzes bedarf. So gut wie alle denkbaren Positionen werden vertreten.[45] Das BVerfG hat die Grundgesetzänderungen im Einigungsvertrag mit einer Begründung gebilligt, die die historische Sondersituation in das Zentrum rückt.[46]

    Sechstens schließlich gibt das Verhältnis des Inkorporationsgebots zu den Bestimmungen des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts zu Diskussionen Anlass. Der überwiegende Teil der Lehre qualifiziert die Öffnungsklauseln, mit denen Hoheitsgewalt auf die Gemeinschaftsorgane übertragen wird, als Ausnahmen zu Art 79 Abs 1 GG;[47] die Gegenmeinung sieht das Inkorporationsgebot durch die „Verfassungsänderungen“ im Wege primären oder sekundären Gemeinschaftsrechts von vornherein nicht betroffen, weil es lediglich die formelle Seite betrifft und kein Gebot enthält, Einschränkungen der Reichweite grundgesetzlicher Normen im Verfassungstext sichtbar zu machen.[48]

Die Verwirrung im Schrifttum hat seine Ursache in einem Begriff, der von den meisten Autoren verwendet wird, über dessen Inhalt aber alles andere als Klarheit herrscht. Zunächst wird Art 79 Abs 1 GG übereinstimmend als Verbot von Verfassungsdurchbrechungen gelesen, und sodann wird unter Verfassungsdurchbrechung ganz Verschiedenes verstanden.[49]

Nach gängigem Verständnis setzt sich bei einer Verfassungsdurchbrechung „der Gesetzgeber unter Wahrung der Voraussetzungen einer Verfassungsänderung im Einzelfall über einen Verfassungssatz hinweg, ohne daß der Text des Verfassungsgesetzes geändert und ohne daß die Geltung des durchbrochenen Verfassungssatzes im übrigen berührt wird“.[50][43] In dieser Definition stehen formelle Kriterien neben materiellen Bestimmungsgründen. Ihre Trennung durch Bildung eines formellen und eines materiellen Begriffs vermag einen guten Teil der Konfusion zu vermeiden.

In der Weimarer Debatte bezeichnet der Begriff Verfassungsdurchbrechung primär ein inhaltliches Phänomen: Das Beiseiteschieben von Normen der Verfassung im und für den „Einzelfall“, die Aushebelung der generellen und/oder abstrakten Regel der Verfassung durch die individuelle und/oder konkrete als verfassungsändernd beschlossene Ausnahme. Eine solche Durchbrechung konnte und kann durchaus auch durch Normen bewirkt werden, die in die Stammurkunde integriert werden. Kaum eine Verfassung kommt ohne sie aus, weil im Rahmen von Übergangsbestimmungen regelmäßig Abstriche vom eigenen Normenprogramm gemacht werden.

Zu solchen materiellen Verfassungsdurchbrechungen sagt Art 79 Abs 1 GG schlicht und ergreifend nichts aus, weil er sich lediglich auf die Verfassungsdurchbrechung in einem formellen Sinn bezieht.[51] Alles, was zum Verfassungsrecht zählen soll, muss bei sonstiger Unwirksamkeit in die Verfassungsurkunde Eingang finden. Das bedeutet weder ein Gebot, Ausnahmen von einer Regel im Text der Regel als solche zu kennzeichnen oder die Bestimmung an systematisch passendem Ort einzufügen, noch macht es Festsetzungen im Einzelfall zulässig, die von allgemeinen Regeln abweichen.

Im Übrigen bleibt auch völlig im Vagen, aus welcher Quelle sich ein Verbot materieller Durchbrechungen speisen sollte. Art 79 Abs 3 GG, auf den mitunter Bezug genommen wird, scheidet aus mehreren Gründen aus: Erstens zählt ein Inkorporationsgebot weder zu den Essentialia einer rechtsstaatlichen Demokratie, noch wird in der Ewigkeitsklausel des Art 79 Abs 3 GG auf Art 79 Abs 1 GG Bezug genommen, was nahegelegen hätte, weil die Verfassung von Württemberg-Baden 1946 in Art 85 Abs 5 auch das Inkorporationsgebot als Teil des unabänderlichen Verfassungskerns ausgewiesen hatte. Zweitens vermöchte auch eine Bestandsgarantie des Art 79 Abs 1 GG nichts daran zu ändern, dass er sich nur auf die äußere Form bezieht und zu Fragen des Inhalts schweigt. Aus diesem Grund münden alle Versuche einer Ableitung eines materiellen Durchbrechungsverbots früher oder später in Überlegungen, die das positive Recht transzendieren.[52]

Die übrigen Streitfragen um die richtige Auslegung des Art 79 Abs 1 GG sind weniger leicht zu beantworten, und sie können für die Zwecke dieser Untersuchung auf sich beruhen. Denn es ist eine in Österreich de constitutione lata zu entscheidende Frage, ob jedwede Bezugnahme genügen soll oder ob Verweisungen und Rezeptionen Grenzen gesetzt sein sollen. Um einen Eindruck zu vermitteln, welche Phänomene angesprochen sind, seien einige Vorschriften des Grundgesetzes wiedergegeben, gegen die in der literarischen Diskussion der Vorwurf erhoben wurde, die Grenzen des nach Art 79 Abs 1 GG Zulässigen zu überschreiten.

Am stärksten unter Druck geraten ist fraglos Art 142a GG, der bis zu seiner Aufhebung im Jahre 1968 Folgendes feststellte:

„Die Bestimmungen dieses Grundgesetzes stehen dem Abschluß und dem Inkraftsetzen der am 26. und 27. Mai 1952 in Bonn und Paris unterzeichneten Verträge (Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten und Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft) mit ihren Zusatz‑ und Nebenabkommen, insbesondere dem Protokoll vom 26. Juli 1952, nicht entgegen.“

Diese Bestimmung wird bis heute von namhaften Autoren aus durchaus verschiedenen Gründen als verfassungswidriges Verfassungsrecht betrachtet.[53]

Einhellig als verunglückt und teilweise auch als problematisch erachtet wird sodann eine im Jahre 1954 gemeinsam mit Art 142 in das Grundgesetz eingefügte Klarstellung im zweiten Satz des Art 79 Abs 1, nach welcher es heißt:

„Bei völkerrechtlichen Verträgen, die eine Friedensregelung, die Vorbereitung einer Friedensregelung oder den Abbau einer besatzungsrechtlichen Ordnung zum Gegenstand haben oder der Verteidigung der Bundesrepublik zu dienen bestimmt sind, genügt zur Klarstellung, daß die Bestimmungen des Grundgesetzes dem Abschluß und dem Inkraftsetzen der Verträge nicht entgegenstehen, eine Ergänzung des Wortlautes des Grundgesetzes, die sich auf diese Klarstellung beschränkt.“

Bei unbefangener Lektüre drängt sich der Eindruck auf, diese Klausel wolle als Ausnahme etwas erlauben, was die Regel im ersten Absatz verbietet: die Herstellung der Übereinstimmung der Verfassung durch Bezugnahme auf unterverfassungsrechtliche Bestimmungen. Die wohl herrschende Auffassung erachtet diese Technik jedoch nicht als durch Art 79 Abs 1 erster Satz GG verpönt, weil sie als Wortlautänderung dem Urkundlichkeitsgebot Genüge tut, und sieht in der Klarstellung daher eine überflüssige Bestimmung, die nur Verwirrung gestiftet anstatt Interpretationsunsicherheiten beseitigt hat.[54] Es gibt jedoch auch Stimmen, die den zweiten Satz als verfassungsrechtlich bedenklich einstufen,[55] und Stellungnahmen, die sich um den Nachweis eines originären Gehalts bemühen.[56]

Ebenfalls geteilte Aufnahme hat Art 143 GG gefunden.[57] Er hat heute folgende Fassung:

„(1) Recht in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet kann längstens bis zum 31. Dezember 1992 von Bestimmungen dieses Grundgesetzes abweichen, soweit und solange infolge der unterschiedlichen Verhältnisse die völlige Anpassung an die grundgesetzliche Ordnung noch nicht erreicht werden kann. Abweichungen dürfen nicht gegen Artikel 19 Abs. 2 verstoßen und müssen mit den in Artikel 79 Abs. 3 genannten Grundsätzen vereinbar sein.

(2) Abweichungen von den Abschnitten II, VIII, VIIIa, IX, X und XI sind längstens bis zum 31. Dezember 1995 zulässig.

(3) Unabhängig von Absatz 1 und 2 haben Artikel 41 des Einigungsvertrags und Regelungen zu seiner Durchführung auch insoweit Bestand, als sie vorsehen, daß Eingriffe in das Eigentum auf dem in Artikel 3 dieses Vertrags genannten Gebiet nicht mehr rückgängig gemacht werden.“

Manche Stimmen im Schrifttum sehen hierin eine Durchbrechung von Art 79 Abs 1 GG, die jedoch deshalb verfassungsrechtlich zulässig sei, weil sie in Übereinstimmung mit der durchbrochenen Vorschrift im Text des Grundgesetzes ausgewiesen wird.[58]

Last, not least sind die Art 23 und 24 GG zu erwähnen, die zur Teilnahme an der Integration bzw zur Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen und zur Teilnahme an einem System der kollektiven Sicherheit ermächtigen. Zahlreiche Autoren sehen hierin einen zweiten Weg der Verfassungsänderung, manche beklagen, dass die Integrationsoffenheit der Bundesrepublik die kodifikatorische Geschlossenheit ihrer Verfassung nicht mehr zulasse, und einige wenige leiten hieraus verfassungsrechtliche Bedenken ab.[59]

Ein weiteres Beispiel gilt als unproblematisch und verdeutlicht, dass jedenfalls statische Verweisungen durch Art 79 Abs 1 GG nicht verboten sind.[60] In Art 140 heißt es seit dem Jahre 1949:

„Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.“

Zur sich aufdrängenden Frage, auf welche Art und Weise die durch diese Bestimmung rezipierten Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung abgeändert werden können, konnte im Schrifttum keine Stellungnahme aufgefunden werden. Es erscheint aber zwingend, dass Änderungen nicht im Wortlaut der rezipierten WRV-Artikel, sondern im Grundgesetz selbst vorgenommen werden müssen – etwa, indem ein Art 140 Abs 2 GG eingefügt wird, der die Geltung des Art 137 WRV in einer modifizierten Fassung anordnet. Das zeigt, dass Art 79 Abs 1 GG ein durchaus zweischneidiges Schwert ist: Er enthält nicht nur ein Novellierungsgebot, sondern in Bezug auf rezipierte Verfassungsgehalte auch ein Verbot von Novellen, welches zu einer umständlichen Amendment-Technik zwingt, wenn es um die Abänderung von Rechtsvorschriften geht, die das Grundgesetz zwar adoptiert, aber nicht vollständig in seinen Text aufgenommen hat.

Schließlich sei darauf hingewiesen, dass auch Gesetzesvorbehalte die Verfassung in eine Abhängigkeit von Standards und Festsetzungen außerhalb der Verfassung bringen: Sie ermächtigen den Gesetzgeber vielfach, verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte zu beschneiden oder sonst über die sachliche Reichweite von Geboten zu disponieren.[61] Der Vorwurf, solches verstoße gegen Art 79 Abs 1 GG, ist aus verständlichem Grund bis heute nicht erhoben worden.

 

3. Praktische Auswirkungen

Die Leistungsfähigkeit von Inkorporationsgeboten lässt sich empirisch schwer evaluieren. Dennoch sei hier der reichlich spekulative Versuch gemacht, ihren Nutzen wie ihren Schaden anhand zweier Beispiele zu illustrieren.

 

a) Bonner Grundgesetz 1949

Die mittlerweile ebenfalls schon in ein gesetztes Alter eingetretene deutsche Verfassung hat nicht nur die Geschlossenheit der Form gewahrt, sondern weitgehend auch ihre inhaltlich-systematische Konsistenz. Unübersehbar ist allerdings, dass sich ältere und jüngere Bestimmungen in Sprache und Duktus fundamental unterscheiden.[62] Die neueren Artikel haben regelmäßig mehr Absätze und wesentlich längere Absätze als die älteren Bestimmungen; sie gehen mit technischem Zugriff auf Einzelheiten ein; und es kommt auch vor, dass sie auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts reagieren.[63] Dennoch hält sich die inhaltliche Zersplitterung in Grenzen.

Bewährt haben sich insbesondere die Artikel über die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern. Sie dürften einen Systemzwang entfaltet haben, der Begleitregelungen zu Kompetenzübertragungen auf den Bund ebenso verhindert hat[64] wie Teilungen von Materien und die Verbreitung von Sondertypen, von denen es im österreichischen Verfassungsrecht (im Gefolge des Sündenfalles von 1929 auch im B‑VG) nur so wimmelt.

 

b) Schweizerische Bundesverfassung 1874

Inkorporationsgebote müssen sich allerdings nicht notwendigerweise als heilsame Therapie auswirken. Am Beispiel der Bundesverfassung der Schweizerischen Bundesverfassung 1874 lässt sich zeigen, dass sie mitunter auch kontraproduktive Effekte haben.

Das Verfassungsrecht der Schweiz ist seit jeher in einer Urkunde konzentriert. Dennoch oder gerade deshalb war sein Zustand dermaßen desaströs, dass Ende des 20. Jahrhunderts eine Totalrevision in Angriff genommen wurde, weil trotz Inkorporation der Änderungen in die Urkunde ihre systematische Geschlossenheit im Laufe der Jahre abhanden gekommen war. So wurden einzelne Grundrechte in die Verfassung integriert,[65] andere nicht; die Kompetenzverteilung entbehrte als Aneinanderreihung der Zentralisierungsschübe jeder inneren Systematik, und bei den Staatszielen folgte ihre Verankerung in der Konstitution ebenfalls keinem durchgängigen Konzept.[66] Hinzu kamen detailversessene Bestimmungen, die den Stempel ihrer Entstehungszeit überdeutlich auf der Stirn trugen,[67] und die Neigung, die Ergänzungsartikel immer technischer und länger zu textieren und sie mit nicht in den systematischen Kontext passenden Begleitregelungen zu überfrachten, weil in politisch kontroversen Punkten Kompromisse nur auf diesem Wege erzielbar waren. Dementsprechend enthielt die Verfassung ebenso viele unsinnige Einzelfestlegungen, die in einer Verfassung keinen rechten Platz haben, wie das heute im österreichischen Verfassungsrecht der Fall ist.[68] Infolgedessen war die Bundesverfassung 1874 am Ende ihrer Geltung insbesondere im ersten Abschnitt nahezu unlesbar. Dieses Schicksal ist dem B‑VG erspart geblieben. Da es Nebenverfassungen zulässt, musste und muss nicht jede Verfassungsänderung in die vorgegebene Systematik eingezwängt werden.

 

II. Andere Maßnahmen zur Sicherung der Einheit der Verfassung

Inkorporationsgebote zwingen den Verfassungsgesetzgeber dazu, Änderungen der Verfassung in Novellen zur Stammurkunde zu kleiden. Der Unterschied zur anglo-amerikanischen Amendment-Technik ist allerdings nicht so groß, wie man nach einem ersten Blick meinen könnte. Denn die Einheit der Urkunde, deren Schutz Art 79 Abs 1 GG bezweckt, ist im Grunde reine Fiktion. In den amtlichen Verlautbarungen ist von ihr nichts zu bemerken, und sie ist deshalb für den Bürger nicht greifbar.

Der Algorithmus, nach dem vorzugehen ist, wenn das geltende Verfassungsrecht erhoben werden soll, ist in Deutschland und in Österreich im Grunde der gleiche. Es gilt, die amtlichen Gesetzblätter von Beginn, dh von 1949 bzw von 1920 an zu durchforsten und sie daraufhin zu sichten, ob sie Abänderungen des Grundgesetzes bzw als Verfassungsgesetze oder Verfassungsbestimmungen ausgewiesene Vorschriften enthalten. Das Inhaltsverzeichnis hilft bei dieser mühsamen Arbeit nur beschränkt weiter: in Österreich nicht, weil Verfassungsbestimmungen in einfachen Bundesgesetzen zwar als solche bezeichnet werden müssen, aber ihr Verfassungsrang im Titel des Kundgemachten (im Unterschied zu Bundesverfassungsgesetzen[69]) nicht zum Ausdruck kommt; in Deutschland nicht, weil Änderungen des Grundgesetzes auch in einer Sammelnovelle versteckt sein können, deren Titel über die erfolgten Grundgesetzänderungen keinen Aufschluss gibt.[70]

 

1. Äußere Einheit: Neukundmachungsermächtigungen und ‑verpflichtungen

„Verfassungsänderungen sollten eigentlich – im Idealfall – so geschehen, dass sämtliche alten Ausgaben eingezogen, eingestampft und neue Texte gedruckt werden.“ Diese Wortmeldung von Carlo Schmid, dem Vorsitzenden des Bonner Parlamentarischen Rats, die im Zuge der Beratungen über den späteren Art 79 Abs 1 GG gefallen ist,[71] bringt auf den Punkt, dass es mit einem Inkorporationsgebot allein nicht getan ist. Es muss durch eine Verpflichtung zur Neukundmachung oder Wiederverlautbarung der geänderten Verfassung ergänzt werden, um seine volle Wirkung entfalten zu können.

Wenn man sich durch den Umstand, dass die Einheit der Urkunde durch Textausgaben hergestellt wird, die von privater Hand herausgegeben werden, nicht bluffen lässt, zeigt sich rasch, dass es auch mit dem äußeren Zustand des Grundgesetzes nicht zum Besten steht. Der letzte amtliche Text des Grundgesetzes stammt aus dem Jahr 1964 und findet sich im Teil III des Bundesgesetzesblattes, also „nicht in der Beletage des Bundesgesetzblattes, sondern in dessen tristen Hinterhof, der zusehends zu einer ‚Bereinigungs’-Ruine verkommt“.[72] Seither sind ungefähr 40 Novellen ergangen, die tiefe Einschnitte in die Substanz der Verfassung bewirkt haben. Eine Verbesserung dieses Zustandes ist nicht in Sicht.

Andere Verfassungen sind andere Wege gegangen. Neukundmachungsverpflichtungen stellen zwar heute noch keinen internationalen Standard dar, sie haben aber in Europa eine gewisse Verbreitung. Auf die einschlägigen Bestimmungen in den Verfassungen der Niederlande (Art 141) und Portugals (Art 287 Abs 2) wurde bereits unter I. hingewiesen. Weiters sind Art 25 Abs 5 der Verfassung Irlands und Art 198 der koordinierten Verfassung Belgiens 1994 zu nennen, die zwar keine Verpflichtung, aber immerhin eine Ermächtigung zur Neukundmachung der Verfassung durch den Präsidenten bzw im Zusammenwirken von verfassungsgebenden Kammern und König enthalten.

Auch Österreich lässt sich in der Reihe der Beispiele anführen. In der Zwischenkriegszeit hatte das B‑VG in diesem Punkt regelrecht Pioniercharakter, weil nach den beiden großen Novellen 1925 und 1929 die Verfassung auf Basis von Ermächtigungen in den Übergangsnovellen[73] in ihrer geänderten Fassung durch die Bundesregierung wiederverlautbart worden war.[74].

 

2. Innere Einheit: Zeitliche Revisionserschwernisse

Neben der Neukundmachung oder Wiederverlautbarung, die die äußere Einheit der sich wandelnden Verfassung sichern soll, und dem Inkorporationsgebot, das an der äußeren Form ansetzt, aber sich durch dieses Mittel eine Wahrung der systematischen Geschlossenheit verspricht, finden sich weitere Instrumente, die dazu beitragen können, dass Verfassungen ihre innere Einheit und ihre Maßstabsfunktion behalten.

In erster Linie ist es natürlich die innere Stufung der Verfassung und zuvörderst die Ausgestaltung der Abänderungserfordernisse, die über die Stabilität bzw Flexibilität der Verfassung Auskunft geben. Auf sie wird unter III. eigens eingegangen werden. Schon in diesem Abschnitt will ich jedoch, Überschneidungen und eine gewisse Beliebigkeit der Zuordnung in Kauf nehmend, Bestimmungen vorstellen, die unabhängig von Quoren und unabänderlichen Verfassungsgehalten durch zeitliche Schranken gewährleisten wollen, dass Verfassungen im Spannungsfeld zwischen Bewahrung und Wandel das rechte Maß nicht verfehlen.

 

a) Sperrfristen

Speed kills. Was für Legistik ganz allgemein zutrifft, gilt für die Verfassungslegistik in erhöhtem Maße. Um eine Konstitution vor dem vorschnellen Zugriff des Verfassungsgesetzgebers zu schützen, bietet es sich an, die Verfassungsrevision nur in gewissen Abständen zuzulassen oder sie durch Fristen zu bremsen. Solche zeitlichen Begrenzungen können Räume für öffentliche Debatten eröffnen; sie können dazu beitragen, dass sich Änderungen auf das Wesentliche konzentrieren; und sie können den Verfassungsrevisionen sogar einen zeitlichen Rhythmus vorgeben.

Einige Verfassungen lassen Änderungen nur in periodischen Abständen zu. So heißt es beispielsweise in Art 110 Abs 6 der Verfassung der Republik Griechenland 1975:

„Eine Verfassungsänderung vor dem Ablauf von fünf Jahren nach dem Abschluss der vorhergehenden ist unzulässig.“

Auch die portugiesische Verfassung gestattet in Art 284 Abs 1 ihre Abänderung nur alle fünf Jahre. Nach Art 284 Abs 2 kann jedoch die Versammlung der Republik während der „Sperrzeit“ durch Vier-Fünftel-Mehrheit eine Sonderrevision beschließen.

 

b) Revisionsverbote in Krisenzeiten

Während solche absoluten zeitlichen Grenzen die Ausnahme bilden, begegnen recht häufig Bestimmungen, die Verfassungsrevisionen während bestimmter Zeiten verbieten: Im Krieg, während des Ausnahmezustandes oder in Zeiten der Bundesintervention gegen renitente Gliedstaaten sollen die Fundamente der staatlichen Ordnung konstant bleiben.[75]

 

c) Zeitlich-prozedurale Schranken

Eine ähnliche Funktion haben Verfassungsbestimmungen, die die Revision der Verfassung durch eine Kombination von Verfahrenserfordernissen mit zeitlichen Elementen erschweren. Die Verfassungen bieten insoweit ein buntes Bild. Art 165 der Verfassung der Republik Aserbeidschan 1995 verlangt für die Verfassungsänderungen zwei übereinstimmende Beschlüsse des Parlaments, zwischen welchen sechs Monate verstreichen müssen. Nach der Bulgarischen Verfassung 1991 müssen es gemäß Art 155 sogar drei Beschlüsse sein, die an verschiedenen Tagen zu fassen sind. Finnlands Grundgesetz sieht in § 73 nach der Annahme eines Revisionsvorschlags ein Ruhen der Vorlage bis zur ersten Parlamentssitzung ein Jahr nach den Reichstagswahlen vor, wenn der Reichstag nicht durch eine Fünf-Siebtel-Mehrheit die Vorlage als dringlich erklärt.

Die Verfassung der Republik Estland 1992 verlangt wiederum in Art 164, dass zwischen Parlamentsbeschluss und der verpflichtend vorgesehenen Volksabstimmung über die Verfassungsänderung drei Monate liegen. Eine vergleichbare zeitliche Eingrenzung des Referendums findet sich in Art 128 der Australischen Verfassung von 1900: Die Zeitspanne von zwei bis sechs Monaten nach dem Parlamentsbeschluss soll sicherstellen, dass einerseits für eine öffentliche Diskussion genügend Zeit bleibt, aber andererseits wiederum auch nicht so viel Zeit vergangen ist, dass das Volk im Zeitpunkt der Abstimmung das Interesse am Thema verloren hat.

Andere Verfassungen setzen schon dem Parlamentsbeschluss Fristen. Beispielsweise darf nach Art 102 Abs 2 der Verfassung Georgiens das Parlament über einen Antrag auf Verfassungsänderung erst einen Monat nach dessen Einlangen entscheiden.

 

3. Innere Konsistenz: Revisionspflichten

Nicht nur Häufigkeit und Geschwindigkeit von Änderungen, auch die Überalterung einer Konstitution kann ihre normative Kraft und ihre Funktionen gefährden. Eine Verfassung wird irrelevant, wenn sie auf drängende Fragen keine Antworten bereithält und dem tagespolitischen Druck nichts entgegenzusetzen vermag.

Aus diesem Grund beugen einzelne Verfassungen ihrer Verkrustung dadurch vor, dass sie die eigene Revision nicht bloß ermöglichen, sondern sie aktiv befördern. Die Konstitution des Staates Florida von 1968 sieht zB in dem im Jahr 1988 eingefügten Art XI Sect 2 vor, dass erstmals im Jahre 2017 und sodann alle zwanzig Jahre eine Revisionskommission einberufen werden muss.[76] Diese Kommission hat den Auftrag, die Verfassung zu prüfen, öffentliche Anhörungen durchzuführen und gegebenenfalls Änderungsvorschläge zu erstatten, die den Wählern bei den nächsten allgemeinen Wahlen zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt werden müssen.

Die Verfassung des Staates Alaska 1956 verpflichtet in Art XIII Sect 3 den Statthalter, wenn zehn Jahre lang kein Verfassungskonvent stattgefunden, dem Volk die Frage zur Abstimmung vorzulegen, ob ein Konvent einberufen werden soll. Wenn sich das Volk dafür ausspricht, sind spätestens bei den nächsten landesweiten Wahlen Delegierte für den Konvent zu wählen, die die Revision der Verfassung in die Hand zu nehmen haben.

 

III. Die innere Struktur von Verfassungen im internationalen Vergleich

Nachdem gemäß Punkt I.4.a) des Mandats auch Vorschläge zur inneren Stufung der künftigen Verfassung zu den Pflichtaufgaben des Ausschusses zählen, sei vor Überlegungen über die Ausgestaltung einer neuen österreichischen Bundesverfassung in der gebotenen Kürze dargestellt, welche Binnenhierarchien andere Verfassungen kennen und welche Besonderheiten bei der Verfassungsrevision begegnen

 

1. Unabänderliche Gehalte

Eine erste hierarchische Stufung ergibt sich in vielen Verfassungen aus dem Umstand, dass sie die Aufhebung oder Abänderung mancher Inhalte verbieten. Derartige ewigen Verfassungsartikel sind allgemein bekannt; als Beispiele sei auf Art 79 Abs 3 GG[77] und auf Art 89 Abs 5 der französischen Verfassung[78] verwiesen.[79]

 

2. Differenzierung zwischen Gesamtänderung und Teiländerung

Weiters wird mitunter zwischen Gesamtänderungen und Teiländerungen der Verfassung unterschieden.[80] Dass uns diese Differenzierung nur allzu vertraut ist, verstellt allerdings den Blick dafür, dass es sich hiebei regelmäßig gerade nicht um eine innere Strukturierung der Verfassung handelt, die sich im Stufenbau nach der derogatorischen Kraft in zwei Ebenen niederschlagen muss. Ideengeschichtlich ist die Unterscheidung vielmehr der Lehre vom pouvoir constituant und den pouvoirs constitués verpflichtet, die Verfassungsänderung und Verfassunggebung voneinander scharf abgrenzt, um daraus im Übergang zu einer neuen Verfassung das Gebot der Einbindung des Volkes abzuleiten bzw – an der historischen Wurzel – dem Monarchen die Mitwirkung zu versagen.[81]

Interessanter als die staatsphilosophische Folie ist im vorliegenden Zusammenhang aber ein spezifisch juristisch-technischer Hintergrund der Unterscheidung. In einigen Verfassungen, die sich der Differenzierung bedienen, ist sie als Konsequenz und Ergänzung eines (expliziten oder impliziten) Inkorporationsgebotes konzipiert: Wenn eine Verfassung Änderungen ihrer selbst nur im Wege der Novellierung zulässt, dann verhindert sie dadurch zwangsläufig auch, dass sie zugunsten einer völligen neuen Verfassung über Bord geworfen werden kann. Wenn es trotz Kodifikationsgebot möglich bleiben soll, die Urkunde auszutauschen, dann muss dieser Weg durch eine Totalrevisionsnorm eröffnet werden. In Deutschland ist es zB Art 146 GG, der die Ablösung des Grundgesetzes durch eine neue gesamtdeutsche Verfassung eröffnet, in der Schweiz der Art 193 über die Totalrevision und in Spanien der Art 168 über die Gesamtrevision.

 

3. Zwischenstufen zwischen Verfassungsrecht und einfachen Gesetzen

Die Unterscheidung zwischen Verfassungsrecht und einfachem Gesetzesrecht ist so alt wie der Konstitutionalismus selbst. Es gibt kaum einen Staat, in dem Änderungen seiner Verfassung nach den auch für einfache Gesetze geltenden Regeln ablaufen, und in den jungen Demokratien Osteuropas ist der Vorrang der Verfassung nahezu durchwegs durch eine über ihre Einhaltung wachende Verfassungsgerichtsbarkeit mit der Kompetenz zur Gesetzesprüfung abgesichert.

Gleichwohl ist der Dualismus zwischen Verfassungsrecht und Gesetzesrecht nicht überall eine schroffe Alternative. Viele Verfassungen kennen Zwischenformen, welche den Detailreichtum und die juristische Präzision von Gesetzesrecht mit dem besseren Bestandschutz von Verfassungsrecht verbinden.

Bei Lichte besehen bedeutet schon das Nebeneinander einer Haupturkunde und sonstigen Verfassungsgesetze die Trennung der Verfassung in einen strategischen und einen operativen Teil. In Staaten, in denen dieser Weg versperrt ist, weil sie ihr Verfassungsrecht in einer einzigen Urkunde konzentrieren, begegnen des öfteren funktionale Äquivalente in Form von Zwischenstufen zwischen Verfassungsgesetz und einfachem Gesetz. Und es kommt nicht überraschend, dass sie meist dort zum Einsatz gelangen, wo es um die Erlassung von Verfassungsrecht im materiellen Sinne geht.

 

a) Zwei-Drittel-Gesetze

Standardfall ist hiebei die Geschäftsordnung des Parlaments. Sie muss nicht nur in Österreich mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten verabschiedet werden.[82]. Auch in Schweden[83] und im Iran[84] werden diese Quoren verlangt. Ebenfalls verbreitet sind solche qualifizierte Mehrheiten im Wahlrecht,[85] bei Änderungen der Staatsgrenze,[86] im Zusammenhang mit Amnestien und dem Erlass von Strafen,[87] bei Minderheitenrechten[88] sowie bei der Einräumung von Autonomie an Gliedstaaten oder Regionen.[89]

Nicht selten wird das Zwei-Drittel-Erfordernis mit anderen Erschwernissen kombiniert. In Belgien können die Grenzen der vier Sprachgebiete nach Art 4 nur durch ein Gesetz geändert werden, das in beiden Kammern von einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Abgeordneten der betroffenen Sprachgruppen gebilligt wird, wobei in jeder Kammer von jeder dieser Sprachgruppen die Mehrheit ihrer Mitglieder versammelt sein muss. Dieses Verfahren findet außerdem Anwendung, wenn durch Gesetz der in Art 77 Abs 1 enthaltene Katalog jener Angelegenheiten erweitert werden soll, in welchen Abgeordnetenkammer und Senat gleichermaßen zuständig sind.

Wohl am weitesten ist der Kreis der Zwei-Drittel-Materien in Portugal gezogen. Art 168 Abs 6 der Verfassung fordert eine solche qualifizierte Mehrheit für das Gesetz über das Wahlrecht der Auslandsportugiesen (Art 121 Abs 2), für das Wahlgesetz (Art 149) und für Gesetze über sonstige in Art 164 angeführte Angelegenheiten. Zu den letzteren zählen die Amtsträgerwahl und der Volksentscheid, die Organisation, die Tätigkeit und das Verfahren des Verfassungsgerichts, Regelungen über den Belagerungs‑ und Ausnahmezustand, über kommunale Selbstverwaltung, über den Geheimdienst uvam. Zwei-Drittel-Gesetze haben gemäß Art 112 Abs 3 im Vergleich zu einfachen Gesetzen eine verstärkte Geltung.

Ebenfalls der Erwähnung wert ist eine Konstruktion in der Verfassung von Kasachstan. Sie unterscheidet zwischen Änderungen und Ergänzung der Verfassung, die einer Drei-Viertel-Mehrheit bedürfen, und Verfassungsgesetzen, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit genügt.[90]

 

b) Verfassungsausführende Gesetze

Mit Zwei-Drittel-Gesetzen vergleichbar ist die vor allem im romanischen Rechtskreis beheimatete Institution von Organgesetzen oder verfassungsausführenden Gesetzen. Darunter fallen jene Gesetze, auf die in der Verfassung eigens Bezug genommen wird – sei es, weil sie zur Effektuierung der Verfassung notwendig sind, sei es, weil die zu regelnde Angelegenheit politisch als besonders wichtig erachtet wird. Für solche verfassungsausführenden Gesetze wird regelmäßig die Zustimmung der absoluten Mehrheit der Abgeordneten verlangt,[91] und sie werden mitunter ausdrücklich mit verstärkter Geltung ausgestattet.[92]

Die Angelegenheiten, für welche dieser Gesetzestypus verpflichtend vorgesehen ist, gleichen jenen Materien, für die andere Verfassungen Zwei-Drittel-Mehrheiten einfordern, und dort, wo beide Typen vorkommen, überschneiden sie sich zum Teil.[93] Als Beispiel sei auf die spanische Verfassung verwiesen. Nach ihr zählen zu den verfassungsausführenden Gesetzen

    das allgemeine Wahlgesetz (Art 81 Abs 2 iVm Art 70) sowie die Gesetze über Volksinitiativen (Art 87 Abs 3) und Referenda (Art 92 Abs 3),

    die Gesetze über die Entwicklung der Grundrechte (Art 81 Abs 1 iVm Art 55 Abs 2),

    das Gesetze über die Einrichtung des Volksanwalts (Art 54), über Zusammensetzung, Organisation und Funktionen des Rechnungshofes (Art 136 Abs 4), über die Gerichtsbarkeit (Art 122), über das Verfassungsgericht (Art 165) und über den Staatsrat (Art 107),

    die Gesetze über den Autonomiestatus (Art 144), über die Übertragung von Hoheitsrechten auf die autonomen Gemeinschaften (Art 150 Abs 2) und über deren finanzielle Zuständigkeiten (Art 157 Abs 3),

    Zustimmungsgesetze zur Übertragung von Hoheitsrechten auf internationale Organisationen (Art 93),

    die Gesetze über den Alarm‑, Belagerungs‑ und Ausnahmezustand (Art 116 Abs 1),

    die Gesetze über die Sicherheitskräfte und ‑körperschaften (Art 104 Abs 2) und über die Grundlagen der Militärorganisation (Art 8 Abs 2).

Eine ebenso prominente Rolle nehmen verfassungsausführende Gesetze in der Verfassung der Republik Frankreich ein. Sie dienen ihr ebenfalls als Mittel, um die Stammurkunde zu entlasten und zugleich ein hohes Maß an Flexibilität zu wahren, und auch der Kreis jener Angelegenheiten, die durch verfassungsausführendes Gesetz zu regeln sind, ist weit gezogen.[94] Bemerkenswert ist indessen, dass man sich der Risken einer solchen Nebenverfassung durchaus bewusst war und deswegen eine institutionelle Sicherung eingebaut hat. Verfassungsausführende Gesetze können in Frankreich gemäß Art 46 Abs 5 der Verfassung erst verkündet werden, nachdem der Conseil constitutionel ihre Verfassungsmäßigkeit festgestellt hat.

 

c) Differenzierung zwischen Plenargesetzen und Ausschussgesetzen

In einigen Verfassungen wird materielles Verfassungsrecht (auch) dadurch hervorgehoben, dass die ihm gewidmeten Gesetze zwingend durch das Plenum des Parlaments behandelt werden müssen, während die übrigen Angelegenheiten einer Behandlung im Ausschuss überlassen werden (können).

In Italien wird beispielsweise durch Art 72 Abs 4 der Verfassung das normale Verfahren der Gesetzgebung verpflichtend vorgeschrieben in Verfassungs‑ und Wahlfragen, für die Übertragung von Gesetzgebungsbefugnissen, für Ermächtigungen zur Ratifikation internationaler Verträge und in Budgetfragen. Eine vergleichbare Liste findet sich in Art 75 Abs 3 der Verfassung Spaniens sowie in Art 72 der Verfassung Griechenlands.

 

4. Revisionsverfahren

Das österreichische B‑VG zählt zu den flexiblen Verfassungen, weil im Normalfall einer Teiländerung letztlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat den Ausschlag gibt. Andere Verfassungen weisen mehr Beharrungsvermögen auf. Den folgenden Bemerkungen geht es nicht darum, die Vielfalt möglicher Ausgestaltungen in ihrer ganzen Breite darzustellen; sie wollen lediglich kurz in Erinnerung rufen, welcher Elemente sich die Verfassungen zu diesem Zweck bedienen.

 

a) Bundesstaatliche Elemente

In Bundesstaaten werden Verfassungsänderungen vielfach schon dadurch erschwert, dass auch die Länder in den Revisionsprozess eingebunden sind. Bei aller Vielfalt der Ausgestaltung können staatenbündische und unitarische Verfahren unterschieden werden. In staatenbündischen Verfahren sind die Länder als Gliedstaaten an der Verfassungsänderung im Bund beteiligt;[95] bei unitarisch akzentuierten Ausgestaltungen ist die Länderkammer in den Prozess involviert.[96]

 

b) Plebiszitäre Elemente

Ebenfalls verbreitet ist die Einbindung des Volkes in das Verfahren von Verfassungsgebung und Verfassungsänderung. Mitunter sind Volksabstimmungen verpflichtend vorgesehen,[97] mitunter können sie von einer Minderheit im Parlament verlangt werden.[98] Vereinzelt werden auch bundesstaatliche mit plebiszitären Elementen kombiniert.[99]

 

c) Parlamentsauflösungsverfahren

Unserer Rechtstradition weniger bekannt, wenngleich nicht weniger verbreitet sind prozedurale Elemente, die mit den schon unter II. dargestellten Erschwernissen verwandt sind. Unter anderem die nordischen Staaten und die Benelux-Staaten sehen vor, dass nach Annahme eines Verfassungsänderungsvorschlags das Parlament aufzulösen ist, dass Neuwahlen auszuschreiben sind und dass das neu gewählte Parlament den Vorschlag in unveränderter Fassung annehmen muss.[100]

 

d) Konventsverfahren

Schließlich ist die Einberufung eines Verfassungskonvents zu erwähnen, die vor allem in der Verfassungstradition der amerikanischen Gliedstaaten als alternativer Weg zur Ausarbeitung von Vorschlägen zur Verfassungsänderung begegnet[101] und zur Zeit auch in Europa Fuß zu fassen beginnt.

 

IV. Überlegungen de constitutione ferenda

 

1. Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen

Im rechtsvergleichenden Überblick hat sich gezeigt, dass Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen eine Besonderheit der österreichischen Verfassung darstellen. Zwar begegnen Ermächtigungen zur „Verfassungsdurchbrechung“ auch in anderen Verfassungssystemen. Diese sind allerdings meist so konzipiert, dass nur die klandestine Verfassungsänderung selbst einer verfassungsändernden Mehrheit bedarf, nicht hingegen die Aufhebung der auf diesem Wege erzeugten Bestimmung. Mir will scheinen, als habe die im Jahre 1920 eher spontan gewählte Lösung des Art 44 Abs 1 B‑VG die Nachteile beider Welten kombiniert: Sie beeinträchtigt die Steuerungskraft der Verfassung, weil sie große Koalitionen dazu einlädt, auf verfassungsrechtliche Bedenken hin zum „Klammerausdruck“ zu greifen, um ihre politischen Vorhaben verfassungsrechtlich abzusichern, statt über allgemeine Regeln und ihre Sinnhaftigkeit nachzudenken; und sie leistet gleichzeitig einer Verblockung der politischen Landschaft Vorschub, weil die ad hoc mit Verfassungsrang ausgestatteten Bestimmungen der Disposition einer einfachen Mehrheit entzogen und dadurch weitgehend reformfest sind.

Die Möglichkeit, einzelne Bestimmungen eines einfachen Bundesgesetzes mit Verfassungsrang auszustatten, sollte in eine neue Verfassung nicht übernommen werden. Für ihre Abschaffung können nicht nur ästhetische und funktionale, sondern auch pragmatische Gründe ins Treffen geführt werden. Mit diesem Schritt wäre nicht zuletzt gesichert, dass Verfassungsänderungen künftig ausnahmslos in die Ressortzuständigkeit des BKA fallen, wo eine professionelle Betreuung durch den Verfassungsdienst gewährleistet ist, und dass sie im Verfassungsausschuss des Nationalrats behandelt werden müssen.

 

2. Bewältigung des Übergangs für Verfassungsbestimmungen in einfachen Bundesgesetzen

Die in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland so verpönte Technik der „Verfassungsdurchbrechung“ unter der RV 1871 und unter der WRV lohnt jedoch einen zweiten Blick. Zwar stellt es gewiss keine sinnvolle rechtspolitische Option dar, in die neue Verfassung eine eigene Normstufe „Verfassungsdurchbrechungen“ einzuführen, die nur hinsichtlich ihres verfassungsmäßigen Zustandekommens am Maßstab der neuen Verfassung geprüft werden darf, ohne aber den Maßstab für eine inhaltliche Prüfung anderer Gesetze und Verordnungen abzugeben und die mit einfacher Mehrheit wieder aufgehoben werden kann. Im Übergang zur neuen Verfassung könnte diese Konstruktion jedoch sinnvolle Funktionen erfüllen. Gewiss ist in erster Linie erstrebenswert, so viele Verfassungsbestimmungen wie möglich ihres Verfassungsranges zu entkleiden. Wenn dies (aus welchen Gründen immer) jedoch nicht vollständig gelingen sollte, könnte erwogen werden, altes Verfassungsrecht zwar als Verfassungsrecht zu übernehmen, es aber gleichzeitig dem einfachen Gesetzgeber zu ermöglichen, die rezipierten Bestimmungen ungeachtet ihres Verfassungsrangs außer Kraft zu setzen. Dieser Weg könnte mit einer Befristung der Fortgeltung als Verfassungsrecht verbunden werden.

 

3. Unvermeidbarkeit technischen Verfassungsrechts

Ob dem ersten Schritt – der Beseitigung von Verfassungsbestimmungen in einfachen Bundesgesetzen – in Form der von vielen Seiten geforderten Abschaffung von Bundesverfassungsgesetzen ein zweiter Schritt folgen soll, will reiflich überlegt sein.

Einem bekannten, meist Kardinal Richelieu zugeschriebenen Wort zufolge sollen Verfassungen kurz und unklar sein. Diese Technik bietet Gewähr für Flexibilität, und sie hatte vor allem den angenehmen Vorteil, die Macht der Exekutive zu sichern, weil im Konfliktfall der Monarch und seine Regierung das Heft in der Hand hielten und die Unschärfen der Verfassung zu instrumentalisieren wussten.

Heute orientieren sich die Verfassungen immer weniger an diesem Paradigma. Kürze und Knappheit der Sprache gilt zwar immer noch als Wert, und auch die Offenheit der Formulierungen wird nicht grundsätzlich abgelehnt. Die erzeugten Produkte sprechen indessen eine andere Sprache als die offiziellen Beteuerungen. In den letzten Jahrzehnten haben Verfassungen an Umfang signifikant zugelegt.

Dieser Wandel in der Verfassungslegistik lässt sich meiner Einschätzung nach durch Inkorporationsgebote nicht bannen. Das liegt weniger daran, dass in einer an Komplexität stetig zunehmenden Welt, in der sich schon Gebrauchsanweisungen für Telefone zu Büchern auswachsen, Verfassungen nicht mehr so schlank konzipiert werden könnten wie vor hundert Jahren. Entscheidend ist vielmehr, dass sich mit dem Siegeszug der Verfassungsgerichtsbarkeit die Gewichte verschoben haben. Erstens ist sowohl die Neigung als auch die Notwendigkeit gestiegen, alles von Wert in der Verfassung zu verankern, auf dass es vom Verfassungsgericht im Rahmen von Abwägungen entsprechend berücksichtigen kann. Zweitens hat sich ein Bedürfnis nach präziseren Maßstäben ergeben. Je vager eine Verfassung formuliert ist, umso größer wird der diskretionäre Spielraum des Grenzorgans. Was vormals der Exekutive genützt hat, kann dem Verfassungsgericht hingegen durchaus zum Schaden gereichen. Ob es will oder nicht, und völlig unabhängig davon, ob es zurückhaltend agiert oder von seinen Kompetenzen aktiven Gebrauch macht: Wo die Richtschnur nicht sichtbar ist, kann man über die Entscheidungen juristisch trefflich streiten. Dies mag den Trend erklären, der Verfassungsgerichtsbarkeit klare Maßstäbe an die Hand zu geben und ihr dadurch auch Grenzen zu setzen. Drittens hat sich mit der Vermehrung der Zahl der Verfassungsorgane, die für wechselseitige checks und balances sorgen, auch jene Grundordnung verbreitert, die es vom normalen politischen Prozess abzuschichten und ihm gegenüber abzusichern gilt.

Aus diesen Gründen halte ich es teilweise für naiv und teilweise für gefährlich zu glauben, man könne die Verfassung radikal verschlanken und gleichzeitig alles Weitere dem einfachen Gesetzgeber überlassen. Wer die Verfassung von technischem Recht entlasten und das in ihr beträchtlichen Raum einnehmende Organisations‑, Zuständigkeits‑ und Verfahrensrecht verbannen will, muss zwangsläufig in Kauf nehmen, dass „Details“ wie die Regelung der Amtsdauer der Verfassungsrichter, die Festlegung der Zuständigkeiten des Rechnungshofes zur Gebarungsprüfung, der Zahl und des Bestellungsmodus der Volksanwälte, die Entscheidung über das Wahlsystem und vieles andere mehr eine Domäne der Tagespolitik wird. Das ist politisch nicht durchsetzbar und auch nicht erstrebenswert. Aus diesem Grund haben sich einige Ausschüsse bereits über die Einführung einer adäquaten Rechtsform für operatives Verfassungsrecht Gedanken gemacht.

Wenn dieser Befund zutrifft, dann sind einer Verringerung der Fülle wie der Dichte des Verfassungsrechts von vornherein Grenzen gesetzt. Das Parlament in dieser Situation vor die harte Alternative zu stellen, eine bestimmte Angelegenheit entweder in der Verfassungsurkunde zu regeln oder sie dem politischen Prozess zu überlassen, würde mittel‑ und langfristig entweder der Verfassungsurkunde oder dem Zustand des Gemeinwesens nicht gut tun. Ein Blick auf die jüngeren Verfassungen in Afrika zeigt, dass unter dem Kodifikationsansatz häufig unübersichtliche Konstitutionen von beträchtlichem Umfang entstehen, die nicht leicht verständlich und schon gar nicht bürgernahe sind. Da sich die legistische Qualität und die systematische Geschlossenheit von Rechtstexten im Zuge von Novellierungen noch selten verbessert haben, kann man sich die Halbwertzeit solcher Produkte leicht ausmalen.

Hinzu kommt, dass unsere Rechtstradition der Rechtssicherheit einen hohen Wert einräumt. Der Gesetzesvorbehalt wird in Österreich ernster genommen als anderswo, und auch das Verfassungsrecht ist im internationalen Vergleich von ungewöhnlicher Schärfe und Dichte. In dieser Situation mit der Therapie „Inkorporationsgebot“ eine radikale Formenkur zu verordnen, könnte leicht in eine aufgeblähte Verfassung münden, die nach einigen Novellen aussieht wie ein unregelmäßig gespickter Hase.[102] Dass diese Gefahr nicht an die Wand gemalt ist, zeigt der „Wiederverlautbarungsentwurf“ des BKA-VD aus dem Jahr 1995. Statt des radikalen Bruchs mit der eigenen Vergangenheit empfiehlt sich deshalb eine evolutive Vorgangsweise, die an die bisherige Tradition anzuknüpfen und sie sinnvoll weiterzuentwickeln versucht.

 

4. Zwei denkbare Wege: Gleichberechtigte Nebenverfassungen oder nachgeordnete Bereichsverfassungen

Hiefür bieten sich zwei grundsätzliche Optionen an. Eine Möglichkeit besteht darin, abgesehen von der Abschaffung von Verfassungsbestimmungen in einfachen Bundesgesetzen alles beim Alten zu belassen und die neue Verfassung als Stammurkunde zu konzipieren, die zwar im Zentrum steht, die aber neben sich gleichberechtigte Nebenverfassungen duldet. Die andere Lösung könnte darin liegen, eine Zwischenstufe zwischen Verfassung und einfachem Gesetzesrecht einzuführen, die das materielle Verfassungsrecht in sich aufnehmen und ihm damit zu auch formeller Relevanz verhelfen soll.

Die letzterwähnte Lösung ist, wie die rechtsvergleichende Übersicht unter III.3. ergeben hat, mittlerweile international weit verbreitet. Insbesondere Frankreich und Spanien haben durch Einführung der „verfassungsausführenden Gesetze“ ihre Verfassungen dauerhaft zu entlasten vermocht. Sie hat aber auch genuin österreichische Wurzeln. Schon die Stammfassung des B‑VG fordert für den Beschluss des Gesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrats eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Nationalrats. In der Folge ist dieses Instrument wiederholt herangezogen worden, um auch jenseits der Verfassungsform politische Stabilität zu garantieren: beginnend vom Schulrecht über das Bankgeheimnis bis hin zur Regelung der Stimmabgabe im Ausland bei Wahlen zum Nationalrecht.[103]

Eine solche Zwischenform muss nicht unbedingt, wie dies bei verfassungsausführenden Gesetzen schon die Bezeichnung suggeriert, näher bei der Gesetzes‑ als bei der Verfassungsebene angesiedelt sein. Es ist ohne weiteres denkbar, solche Gesetze als Verfassungsgesetze zu bezeichnen und sie dadurch als Teil der verfassungsrechtlichen Ordnung auszuweisen.[104]

Beide Lösungen haben ihre Vor‑ und Nachteile. Ich habe jedoch den Eindruck, dass sie in Wahrheit gar nicht weit auseinander liegen. Hält man am status quo fest, so gibt es zwar zwischen Verfassungsrecht innerhalb und außerhalb der Stammurkunde keinen Rangunterschied; mit der traditionellen Differenzierung zwischen Gesamt‑ und Teiländerung bei der Verfassungsänderung besteht aber erst wieder eine hierarchische Schichtung. Und von dieser inneren Stufung könnte und sollte Abstand genommen werden, wenn eine schlanke Verfassungsurkunde mit Inkorporationsgebot sonstigem Verfassungsrecht im materiellen Sinn gegenüber gestellt wird. Denn in diesem Modell könnte und sollte die neue Bundesverfassung auf die staatliche Grundordnung beschränkt bleiben, während die übrigen Gehalte, also das technische Verfassungsrecht, in die verfassungsausführenden Gesetze bzw Verfassungsgesetze ausgelagert würden. Eine nochmalige Differenzierung innerhalb der zentralen Verfassungsurkunde nach Kern‑ und Randgehalten wäre hypertroph und juristisch kaum operationabel.

Geht man den ersten Weg, so hat man sich gegen ein Inkorporationsgebot entschieden. Schlägt man den zweiten ein, bleibt zu überlegen, wie ein solches Gebot ausgestaltet werden soll.

 

5. Die Ausgestaltung des Inkorporationsgebots

Das Mandat trägt dem Ausschuss auf, Vor‑ und Nachteile eines absoluten Inkorporationsgebots, verschiedener Varianten eines relativen Inkorporationsgebots sowie eines Verfassungsbegleitgesetzes oder eines Anhanges zur neuen Verfassung zu evaluieren. Den diesbezüglichen Überlegungen seien einige Bemerkungen zur Wirkungsweise von Inkorporationsgeboten vorangestellt.

 

a) Wirkungsweise

Aus der rechtsvergleichenden Skizze unter II, insbesondere aus den Auseinandersetzungen rund um Art 79 Abs 1 GG, lassen sich für unsere Diskussion einige Lehren ziehen. Ich will die mir wichtig erscheinenden Punkte herausgreifen.

Erstens zeigen die deutschen und die schweizerischen Erfahrungen, dass Inkorporationsgebote an der äußeren Form ansetzen und deshalb (wie andere formellen Sicherungen auch) politischen Unsinn bestenfalls erschweren, nicht aber verhindern können. Schon deshalb stellen sie kein Allheilmittel dar, das automatisch segensreiche Wirkungen entfaltet und alles zum Besseren wendet.[105] Falsch eingesetzt, können sie sich auch als Prokrustesbett erweisen.

Zweitens habe ich den Eindruck, dass Inkorporationsgebote auf einer ganz elementaren, basalen Ebene wirken. Auch wenn die Stellungnahmen im deutschen Schrifttum in andere Richtungen gehen: Art 79 Abs 1 GG stellt letzten Endes keine Vorschrift dar, gegen die verstoßen werden könnte. Im Kern handelt es sich um eine Regelung, die eingehalten werden muss, wenn die Erzeugung von Verfassungsrecht gelingen soll, und deren Verletzung zunächst nur das Scheitern eines Normsetzungsversuchs zur Folge hat: Recht außerhalb der einen und einzigen Verfassungsurkunde ist kein Verfassungsrecht, mag es sich auch durch eine falsche Bezeichnung als solches ausgeben. Deshalb muss es sich eine inhaltliche Prüfung am Maßstab der Verfassungsurkunde gefallen lassen.

Drittens ist sichtbar geworden, dass Inkorporationsgebote für den Gesetzgeber kein Hindernis mit Dauerwirkung darstellen, sondern dort, wo sie dem Parlament Restriktionen auferlegen, im Grunde nur zu einem Zwischenschritt zwingen: „Verfassungsänderungen“ außerhalb der Urkunde bleiben möglich, wenn sie zuvor in der Urkunde sichtbar gemacht werden. Aufgrund dieser Funktionslogik kann schon die Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Inkorporationsgeboten mit guten Gründen angefochten werden. Und aus diesem Grund vermag ein Inkorporationsgebot allein den Verfassungsgesetzgeber nicht daran zu hindern, es morgen wieder über Bord zu werfen, sofern er nur den gebotenen Weg über die Urkunde geht. Die folgenden Überlegungen über die Ausgestaltung eines Inkorporationsgebots beschränken sich daher darauf, über eine sinnvolle Konzeption in der Stammfassung nachzudenken. Mit der ersten Novelle steht sie schon wieder zur Disposition.

 

b) Absolutes oder relatives Inkorporationsgebot?

Ein Inkorporationsgebot kann nicht in dem Sinne absolut sein, dass eine Lektüre allein der Verfassungsurkunde abschließende Aussagen über den Inhalt und die Reichweite des Verfassungsrechts erlaubt. Solches liefe auf einen Verfassungsvorbehalt hinaus, der die Legislative auf reine Durchführungsgesetzgebung reduziert. Gesetzesvorbehalte und Klauseln, die die Verfassung dem Gemeinschaftsrecht gegenüber öffnen, können und sollen neben einem Inkorporationsgebot bestehen.

Außerdem setzt schon das Übergangsrecht einem Inkorporationsgebot sachliche Grenzen. Alte Verfassungsbestimmungen, die nicht ins Dauerrecht übernommen werden, sollten nicht in die Verfassungsurkunde aufgenommen werden, sondern in ein Begleitgesetz oder in einen Anhang. Da es sinnvoll ist, für eine Übergangszeit ihre Invalidation zu verhindern, wird an einer Bestimmung in der Stammurkunde, die den Geltungsanspruch der neuen Verfassung (einstweilen) zurücknimmt, kaum kein Weg vorbeiführen.

Wenig empfehlenswert ist hingegen, ein Inkorporationsgebot auf die Regelungsbereiche der neuen Verfassung zu beschränken. Eine Verfassung, die diesen Namen verdient, bezieht sich auf alle Aspekte des staatlichen Lebens, sodass Berührungspunkte zu ihren sachlichen Gehalten stets vorhanden sein werden. Wenn es außerhalb der Urkunde Verfassungsrecht geben sollte, das der Stammurkunde gleichgeordnet ist, dann ist ein Inkorporationsgebot in der Stammurkunde wirkungslos, weil es ohne Abänderungen der Stammurkunde eingeschränkt werden kann. Gleiches gilt für einen numerus clausus zulässiger externer Verfassungsgesetze. Wenn hingegen externes Verfassungsrecht der Stammurkunde untergeordnet ist, dann wird ein Inkorporationsgebot schon durch die (in der Stammurkunde erfolgende) Inthronisation solcher Verfassungsgesetze oder verfassungsausführender Gesetze relativiert.

Denkbar ist hingegen, für völkerrechtliche Verträge eine Ausnahme zu machen. Denn die Aufnahme eines Inkorporationsgebotes in die neue Verfassung hat ohne eine solche Ausnahme zur zwingenden Folge, dass das österreichische System der Rangzuweisung an Staatsverträge in Analogie zu den Rechtssatzformen des innerstaatlichen Rechts nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Mir scheint jedoch, dass ein Mischsystem weder Fisch noch Fleisch wäre, weil es für eine Sonderbehandlung völkerrechtlicher Verträge keine hinreichenden Gründe gibt. Soweit solche Verträge als Menschenrechtspakte verfassungsmäßig gewährleistete Rechte verbürgen sollen, können sie im Verweisungsweg rezipiert werden. Soweit hingegen solche Verträge strukturelle verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen (Gebietshoheit, Übertragung von Hoheitsrechten), müssen diese Probleme durch Änderung des Verfassungsrechts ausgeräumt werden. Im übrigen stellt die Zuweisung von Verfassungsrang an Bestimmungen in Staatsverträgen einen österreichischen Sonderweg dar, der in meinen Augen mit der Zulassung von Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen steht und fällt.

 

c) Rezeption von Recht als Verfassungsrecht?

Die deutsche Diskussion rund um Art 140 GG zeigt, dass die Rezeption von Recht außerhalb der Stammurkunde als Verfassungsrecht mit einem Inkorporationsgebot kompatibel ist. Meines Erachtens ist jedoch zwischen Rezeption und Inkorporation zu unterscheiden. Im Fall der Rezeption wird ein Rechtstext außerhalb der Urkunde als Teil der Urkunde fingiert; im Falle der Inkorporation wird dieser Rechtstext in seinem vollen Wortlaut in die Urkunde eingearbeitet. Rezeptionen à la Art 140 GG stellen daher Ausnahmen vom Inkorporationsgebot dar, die seine Geltung einschränken, aber deshalb keine Probleme aufwerfen, weil sie dem Inkorporationsgebot als leges speciales vorgehen.

Beide Techniken haben ihre Vor‑ und Nachteile. Rezeptionen entlasten den Text der Stammurkunde und erleichtern es, Brüche in Sprache, Stil und Systematik zu vermeiden, die bei Einarbeitung von Texten aus anderen Epochen und Rechtstraditionen unvermeidlich sind. Sie haben allerdings den Nachteil, dass Änderungen unter der Geltung eines Inkorporationsgebotes nicht mehr im rezipierten Text, sondern nur mehr in der Stammurkunde selbst möglich sind. Daher empfiehlt es sich, nur solche Texte zu rezipieren, die gegen Abänderungen weitgehend immun sind. Dies ist vor allem bei völkerrechtlichen Verträgen der Fall. Bei ihnen ist die Rezeption in der Stammurkunde im Vergleich zur Einarbeitung in die Stammurkunde, die einen innerstaatlichen Klon zu generieren versucht, der elegantere und sachadäquatere Weg.

Bei Bewältigung des Übergangsproblems ist hingegen sorgfältig abzuwägen, ob mit Rezeptionen das Auslangen gefunden werden kann oder ob Inkorporationen vorzuziehen sind. Die Erfahrungen mit den Übergangsgesetzen 1920 und 1929 zeigen, dass es auch im Übergangsrecht beträchtlichen Änderungsbedarf gibt. Zumindest das allgemeine Übergangsrecht sollte daher in die Stammurkunde inkorporiert werden, um es dort gegebenenfalls novellieren zu können. Wenn es hingegen nur darum geht, alte Verfassungsbestimmungen aufzuzählen, die während einer Übergangszeit gegen eine verfassungsgerichtliche Prüfung am Maßstab der neuen Verfassung immunisiert werden sollen, reicht ein Anhang in den Übergangsbestimmungen völlig aus.

 

d) Verhinderung der ewigen Urkunde

Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass ein Inkorporationsgebot auf eine Art und Weise konzipiert werden sollte, die eine Totalrevision im formellen Sinn, also die Erlassung einer komplett neuen Verfassung, nicht von vornherein versperrt. Neben der Novellierung der Stammurkunde muss auch der Austausch der Stammurkunde zulässig bleiben, weil es nicht angeht, künftige Generationen in ein Korsett zu zwängen, dem sie nur auf revolutionärem Wege entkommen können.

 

6. Verpflichtung zur Kundmachung der geänderten Bundesverfassung

Unabhängig von einer Entscheidung für oder gegen ein Inkorporationsgebot sollte die Einführung einer Verpflichtung zur Neukundmachung oder zur Wiederverlautbarung der Verfassung im Gefolge von Änderungen ernstlich erwogen werden. Dadurch stünde die geltende Verfassung jederzeit in einer amtlichen Fassung zu Verfügung.

Mit dem Übergang zur elektronischen Kundmachung von Rechtstexten sind die Kosten einer solchen Kundmachung des bereinigten Textes kein entscheidendes Gegenargument mehr. In demokratiepolitischer Hinsicht entbehrt das in Art 49a Abs 1 B‑VG enthaltene Verbot der Wiederverlautbarung des B‑VG in meinen Augen schon heute der Berechtigung. Gewiss stellt die Wiederverlautbarung eine Domäne der Exekutive dar; Missbräuche sind jedoch bislang nicht bekannt geworden und würden durch den VfGH wirksam abgestellt werden. Außerdem muss die Neukundmachung technisch nicht als Wiederverlautbarung ausgestaltet werden. Denkbar ist auch, den Bundeskanzler zu einer Doppelkundmachung von Verfassungsänderungen zu verpflichten: einmal in Form der Verfassungsänderung und einmal in Form der geänderten Verfassung.

 

7. Völkerrecht

Wenn es tatsächlich zur Verankerung eines Inkorporationsgebotes in die neue Verfassung kommen sollte, dann wird sich die Synchronisation des Völkerrechts mit dem staatlichen Recht im Stufenbau der Rechtsordnung nicht mehr aufrechterhalten lassen, weil Völkerrecht im Verfassungsrang entweder völlig der Vergangenheit angehören oder nur mehr in Form von rezipierten Menschenrechtspakten begegnen wird. Eine solche Systemumstellung von der Gleichordnung zur Unterordnung des Völkerrechts unter die Verfassung sollte auch im Rechtsschutzsystem, insbesondere bei der verfassungsgerichtlichen Kontrolle von Staatsverträgen, Berücksichtigung finden. Ein möglicher Weg könnte darin bestehen, die österreichischen Begründungsakte schon ex ante, dh vor der völkerrechtlichen Perfektion des Vertrages, einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen,[106] um zu verhindern, dass völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Bindung in unauflösbare Konflikte geraten.

 

 

2.4.2   „Inhaltsverzeichnis“ einer neuen Bundesverfassung

Eingebracht im Ausschuss 2, 11. Sitzung, 10.5.2004

 

 

„Inhaltsverzeichnis“ einer neuen Bundesverfassung samt Gliederungen

 

Grundprinzipien

Demokratie, Republik, Bundesstaat, EU-Mitgliedschaft?, Rechtsstaat?, Sozialstaat?, liberales Prinzip?

politische Parteien?, Verbot nationalsozialistischer Wiederbetätigung?

Grundrechte

Existenzielle Rechte, Gleichheitsrechte, Freiheitsrechte, Verfahrensgarantien, politische Rechte, soziale Rechte?

Staatsziele

Neutralität, Umweltschutz, Atomfreiheit, Wiederbetätigungsverbot, Behindertenschutz, Volksgruppenschutz, Rundfunk als öffentliche Aufgabe, Förderung konfessioneller Schulen, faktische Gleichstellung von Mann und Frau, gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht?, umfassende Landesverteidigung?, Daseinsvorsorge? uam

Bundesforste?

Bund und Länder

Grenzänderungen, Bestand der Bundesländer?, Staats‑ und Landesbürgerschaft, Einheit des Währungs‑, Wirtschafts‑ und  Zollgebiets, Staatssprache, Hauptstadt, Staatssymbole

Kompetenzverteilung einschließlich Finanzverfassung und „Privatwirtschaftsverwaltung“, Verpflichtung der Länder zur EU- und Völkerrechtsumsetzung, Kompetenzdevolution, Bundesaufsicht

Gliedstaatsverträge, Bund-Länder-Einrichtungen, Informationspflichten, Konsultationsmechanismus, sonstige Koordinationsinstrumente

Österreich in der Staatengemeinschaft

Verhältnis Völkerrecht und innerstaatliches Recht, insbesondere allgemeine Grundsätze des Völkerrechts, Übertragung von Hoheitsrechten, Ächtung des Krieges?, Beteiligung an der internationalen Zusammenarbeit zur Sicherung des Friedens und der Menschenrechte?

Wahlen zum EP, Freistellung öffentlich Bediensteter, Ernennung von Mitgliedern der EU-Organe, Mitwirkung des Parlaments und der Länder, GASP

Die Staatsfunktionen und ihr wechselseitiges Verhältnis

Legalitätsprinzip, Verordnungsrecht, Weisungsbindung, oberste Organe, wirtschaftliche Unvereinbarkeit, Bezügebegrenzung, Amtsverschwiegenheit?, Dienstrecht, Amtshilfe, Amtshaftung, Organhaftung, Trennung von Justiz und Verwaltung

Gesetzgebung des Bundes

Festlegung des Zweikammersystems

Nationalrat: Wahlen, Organisation einschließlich Präsidium, Hauptausschuss und ständiger Unterausschuss, Auflösung, Quoren, Öffentlichkeit, sachliche Immunität

Bundesrat: Zusammensetzung, Organisation, Quoren, Öffentlichkeit, sachliche Immunität

Bundesversammlung: Zusammensetzung, Befugnisse, Quoren, Öffentlichkeit, sachliche Immunität

Weg der Bundesgesetzgebung: Gesetzesbegutachtung?, Gesetzesinitiative, Instrumente der direkten Demokratie; Gesetzgebungsverfahren einschließlich Mitwirkung des Bundesrates, Beurkundung und Gegenzeichnung, Kundmachung

Wiederverlautbarung

Mitwirkung des Nationalrats an der Vollziehung: Genehmigung von Staatsverträgen, Budgetrecht, Kontrollrechte (Frage‑, Resolutions‑, Untersuchungsrecht, besondere Untersuchungsausschüsse?), Mitwirkung an Verwaltungsakten

Stellung der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates: Freies Mandat, „Mandat auf Zeit“, Immunität, Unvereinbarkeiten, öffentlich Bedienstete

Vollziehung des Bundes

Bundespräsident: Wahl, Angelobung, Absetzung, Immunität, Verantwortlichkeit, Vertretung, Kompetenzen, Vorschlagsbindung, Gegenzeichnung, rechtliche und politische Verantwortlichkeit

Bundesregierung: Vertretung, Quoren, Ernennung der Mitglieder, Angelobung, Enthebung und Entlassung, rechtliche und politische Verantwortlichkeit

Staatssekretäre, Bundesministerien

Bundesheer: Aufgaben, Oberbefehl und Befehlsgewalt, Ländermitwirkung, Auslandseinsätze

Sonstige Bundesbehörden: Schulbehörden, Sicherheitsbehörden

Ordentliche Gerichtsbarkeit: Organisation, Abschaffung der Militärgerichtsbarkeit, Ernennung, Unabhängigkeit, Versetzung und Enthebung, Sprengelrichter, Mitwirkung des Volkes, OGH, Amnestien?

Gesetzgebung und Vollziehung der Länder

Festlegung auf das Einkammersystem, Wahlrechtsgrundsätze, Sonderregeln für öffentliche Bedienstete, Immunität, Auflösung, Weg der Landesgesetzgebung, Mitwirkung der Bundesregierung?, Verfassung und Verfassungsänderung

Landeshauptmann, Landesregierung, Amt der Landesregierung, Landesamtsdirektor, mittelbare Bundesverwaltung

Sonderbestimmungen für Wien

Selbstverwaltung

Gemeinde: Ortsgemeinde, Rechte der Gemeinde, eigener und übertragener Wirkungsbereich, Organe, Statutarstädte, Gebietsgemeinden?, Gemeindeverbände, Gemeindeaufsicht, Gemeindebund und Städtebund?

Ermächtigung zur Einrichtung nicht-territorialer Selbstverwaltung, allgemeine  Bestimmungen über den eigenen Wirkungsbereich und Aufsicht

Kontrolle

Rechnungskontrolle: Zuständigkeiten und Organisation des Rechnungshofes, Landesrechnungshöfe

Misstandskontrolle: Zuständigkeiten und Organisation der Volksanwaltschaft, Landesvolksanwälte

Unabhängige Verwaltungsbehörden mit Kontrollaufgaben, soweit sie nicht in Gerichte transformiert werden und im Verfassungsrecht verankert bleiben sollen (UFS, Umweltsenat); Rechtsschutzbeauftragte?, Anwälte des öffentlichen Rechts?

Garantien der Verfassung und Verwaltung

Verwaltungsgerichtsbarkeit: Zuständigkeiten und Organisation der Landes‑ und Bundesverwaltungsgerichte, Verwaltungsgerichtshof

Verfassungsgerichtsbarkeit: Zuständigkeiten und Organisation des Verfassungsgerichtshofes

Verfassungsänderung

Verfassungsinitiative, Beschlusserfordernisse, Mitwirkung des Bundesvolkes, Kundmachung, Inkorporationsgebot?

Übergangsbestimmungen

Erklärung bestehender Verfassungsgesetze zum Bestandteil der Bundesverfassung („Trabanten“), Übergangsrecht (oder Verweis auf ein Übergangs-BVG), Vollzugsklausel?, Inkrafttreten

 

 

Nachbemerkungen

 

Das vorstehende „Inhaltsverzeichnis“ will einer Gliederung der künftigen Verfassung nicht vorgreifen – und muss doch mit Notwendigkeit eine bestimmte Gliederung voraussetzen. Ich habe mich um eine Unterteilung bemüht, die sich an der Gliederung von Poier orientiert, aber auf eine Gliederungsebene beschränkt bleibt. Gleichwohl kann (und muss) man über die zugrundegelegte Rohgliederung ebenso diskutieren wie über die Zuordnung konkreter Inhalte.

Wesentlich und unhintergehbar ist jedoch, dass jede Gliederung einen Systemzwang ent­faltet, dem sich die Inhalte fügen müssen, wenn das Produkt verständlich sein soll. Die Ausarbeitung einer sachgerechten Gliederung, die den zu erwartenden Regelungen adäquat ist, muss deshalb dem Konvent ein wichtiges Anliegen sein. Im Zuge der Ausarbeitung des Inhaltsverzeichnisses habe ich dazu zwangsläufig Überlegungen angestellt, die ich hier in Form von drei Gliederungsvarianten zur Diskussion stellen will.

Version I orientiert sich ebenso wie das „Inhaltsverzeichnis“, das es weitgehend wider­spiegelt, an der Gliederung von Poier, setzt aber manchen Akzent anders. Leitlinie war hiebei, die Gliederung einerseits zu straffen (Kontrolle) und sie andererseits zu öffnen, um bestimmten Inhalte Raum zu geben. Einen neuralgischen Punkt bilden insoweit die im ersten Hauptstück des B‑VG unter A. versammelten Artikel. Derzeit bilden die „Allgemeine Bestim­mungen“ einen Korb, der Regelungen verschiedenster Art aufzunehmen in der Lage ist. Wenn aber einerseits an den Öffnungsartikeln des B‑VG (demokratische Republik, Bundes­staat) festgehalten werden soll und andererseits die Grundrechte eine prominente Rolle im vorderen Teil der Verfassung erhalten sollen, dann muss der Teil vor den Grundrechten den Grundprinzipien vorbehalten werden. (Dies gilt unabhängig davon, ob man die Differen­zierung zwischen Gesamtänderungen und Teiländerungen der Verfassung beibehält oder ob man sie abschafft, wofür bei Einführung einer Kategorie für „operatives Verfassungsrecht“ in der Form verfassungsausführender Gesetze in meinen Augen die besseren Gründe sprechen). Die „Allgemeinen Bestimmungen“ müssen deshalb in mehrere Teile zerschlagen werden. Das aber bereitet Schwierigkeiten, weil ein Auffangbecken, das alles und jedes aufnehmen könnte, nach erfolgter Aufspaltung fehlt, sofern man nicht zur Verlegenheits­lösung greift, nach nicht als solche ausgewiesen allgemeinen Teilen in der Mitte der Verfassung einen Teil „Allgemeine Bestimmungen“ zu taufen.

Version II orientiert sich an der ursprünglichen Kelsen-Gliederung und schreibt damit die Systematik des B-VG fort.

Version III versucht schließlich, einerseits Gliederungselemente jüngerer Verfassungen (wie zB die Zusammenfassung von Verfassungssicherung und Verfassungsänderung in einem Teil) aufzunehmen und andererseits Platz für „allgemeine Teile“ zu schaffen, die als Gesamtver­fassungsrecht für Bund und Länder gleichermaßen Richtschnur sind.

Alle drei Versionen sind bzw bleiben der österreichischen Tradition verpflichtet, indem sie einerseits die Staatsfunktionen (und ihr wechselseitiges Verhältnis) zum Leitgesichtspunkt erheben und andererseits Aspekte der Kontrolle durch Verselbständigung betonen, um nicht zu sagen: die Kontrolle zu einer vierten Staatsfunktion machen.

Bei allen Vorteilen ist ein Nachteil nicht zu übersehen. Materiell-themenbezogene Teile stellten in allen drei Versionen einen Fremdkörper dar, obschon nach ihnen mitunter echter Bedarf besteht. Als Beispiel sei auf die Finanzen hingewiesen.

 

Version I

 

Erster Teil. Grundprinzipien

Zweiter Teil. Grundrechte

Dritter Teil. Staatsziele

Vierter Teil. Bund und Länder

1. Abschnitt: Staatsgebiet und Staatsvolk

2. Abschnitt: Aufgabenverteilung

3. Abschnitt: Instrumente der Koordination

Fünfter Teil. Österreich in der Staatengemeinschaft

1. Abschnitt: Österreich in der Völkerrechtsgemeinschaft

2. Abschnitt: Österreich in der Europäischen Union

Sechster Teil. Die Staatsfunktionen und ihr wechselseitiges Verhältnis

Siebenter Teil. Gesetzgebung des Bundes

1. Abschnitt: Nationalrat

2. Abschnitt: Bundesrat

3. Abschnitt: Bundesversammlung

4. Abschnitt: Der Weg der Bundesgesetzgebung

5. Abschnitt: Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates an der Vollziehung des Bundes

6. Abschnitt: Stellung der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates

Achter Teil. Verwaltung des Bundes

1. Abschnitt: Bundespräsident

2. Abschnitt: Bundesregierung

3. Abschnitt: Sonstige Bundeseinrichtungen

Neunter Teil. Gesetzgebung und Verwaltung der Länder

1. Abschnitt: Landtag

2. Abschnitt: Landeshauptmann und Landesregierung

3. Abschnitt: Bundeshauptstadt Wien

Zehnter Teil. Selbstverwaltung

1. Abschnitt: Gemeinden

2. Abschnitt: Sonstige Selbstverwaltung

Elfter Teil. Kontrolle

1. Abschnitt: Rechnungskontrolle

2. Abschnitt: Volksanwaltschaft

3. Abschnitt: Sonstige Kontrolleinrichtungen

Zwölfter Teil. Justiz

Dreizehnter Teil: Garantien der Verfassung und Verwaltung

1. Abschnitt: Verwaltungsgerichtsbarkeit

2. Abschnitt: Verfassungsgerichtsbarkeit

Vierzehnter Teil. Verfassungsänderung

Fünfzehnter Teil. Übergangsbestimmungen

 

Version II

 

Erster Teil. Allgemeine Bestimmungen

1. Abschnitt. Grundprinzipien

2. Abschnitt: Staatsziele

3. Abschnitt: Bund und Länder

4. Abschnitt: Österreich in der Völkerrechtsgemeinschaft und in der Europäischen Union

5. Abschnitt: Die Staatsfunktionen und ihr wechselseitiges Verhältnis

Zweiter Teil. Gesetzgebung des Bundes

1. Abschnitt: Nationalrat

2. Abschnitt: Bundesrat

3. Abschnitt: Bundesversammlung

4. Abschnitt: Weg der Bundesgesetzgebung

5. Abschnitt: Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates an der Vollziehung des Bundes

6. Abschnitt: Stellung der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates

Dritter Teil. Vollziehung des Bundes

1. Abschnitt: Bundespräsident

2. Abschnitt. Bundesregierung

3. Abschnitt: Bundesheer

4. Abschnitt: Sicherheitsbehörden

5. Abschnitt: Schulbehörden

6. Abschnitt. Ordentliche Gerichtsbarkeit

Vierter Teil. Gesetzgebung und Vollziehung der Länder

1. Abschnitt: Landtag

2. Abschnitt: Landeshauptmann und Landesregierung

3. Abschnitt: Bundeshauptstadt Wien

4. Abschnitt: Gemeinden

Fünfter Teil. Kontrolle

1. Abschnitt: Rechnungskontrolle

2. Abschnitt: Volksanwaltschaft

3. Abschnitt: Sonstige Kontrolleinrichtungen

Sechster Teil. Grundrechte

Siebenter Teil. Garantien der Verfassung und Verwaltung

1. Abschnitt: Verwaltungsgerichtsbarkeit

2. Abschnitt: Verfassungsgerichtsbarkeit

Achter Teil. Übergangsbestimmungen

 

Version III

Erster Teil. Grundprinzipien

Zweiter Teil. Grundrechte

1. Abschnitt: Existenzielle Rechte

2. Abschnitt: Gleichheitsrechte

3. Abschnitt: Freiheitsrechte

4. Abschnitt: Verfahrensrechte und justizielle Rechte

5. Abschnitt: Politische Rechte

6. Abschnitt: Soziale Rechte

Dritter Teil. Staatsziele

Vierter Teil. Bund und Länder

1. Abschnitt: Staatsgebiet und Staatsvolk

2. Abschnitt: Aufgabenverteilung

3. Abschnitt: Instrumente der Koordination

Fünfter Teil. Österreich in der Staatengemeinschaft

1. Abschnitt: Österreich in der Völkerrechtsgemeinschaft

2. Abschnitt: Österreich in der Europäischen Union

Sechster Teil. Die Staatsfunktionen und ihr Verhältnis zueinander

1. Abschnitt: Grundsätze der Gesetzgebung

2. Abschnitt: Grundsätze der Vollziehung

3. Abschnitt: Trennung von Verwaltung und Gerichtsbarkeit

4. Abschnitt: Mitwirkung der Gesetzgebung an der Verwaltung

Siebenter Teil. Gesetzgebung des Bundes

1. Abschnitt: Nationalrat

2. Abschnitt: Bundesrat

3. Abschnitt: Bundesversammlung

4. Abschnitt: Weg der Bundesgesetzgebung

Achter Teil. Verwaltung des Bundes

1. Abschnitt: Bundespräsident

2. Abschnitt. Bundesregierung

3. Abschnitt: Bundesheer

Neunter Teil. Gesetzgebung und Verwaltung der Länder

1. Abschnitt: Landtag

2. Abschnitt: Landeshauptmann und Landesregierung

3. Abschnitt: Bundeshauptstadt Wien

Zehnter Teil. Selbstverwaltung

1. Abschnitt: Gemeinden

2. Abschnitt: Sonstige Selbstverwaltung

Elfter Teil. Gerichtsbarkeit

1. Abschnitt: Justiz

2. Abschnitt: Verwaltungsgerichtsbarkeit

Zwölfter Teil. Kontrolle

1. Abschnitt: Rechnungskontrolle

2. Abschnitt: Volksanwaltschaft

Dreizehnter Teil. Sicherung und Änderung der Verfassung

1. Abschnitt: Verfassungsgerichtsbarkeit

2. Abschnitt: Verfassungsänderung

Vierzehnter Teil. Übergangsbestimmungen

 

 

2.4.3   Legistik

Eingebracht im Ausschuss 2, 19. Sitzung, 26.11.2004

 

Textvorschläge
zur Verfassungsänderung, zu verfassungsausführenden Gesetzen
und zur Beschränkung von Sammelgesetzen

 

I. Vorbemerkungen

Um Bestimmungen über die Änderung der neuen Verfassung textieren zu können, muss ihr Titel bekannt sein. In weiterer Folge wird die neue Verfassung wie die derzeit geltende als „Bundes-Verfassungsgesetz“ bezeichnet und mit „B‑VG 200¾“ abgekürzt, ohne damit die auf politischer Ebene zu fällende Entscheidung präjudizieren zu wollen.

Die Wahl des Titels verfügt jedoch auch über eine verfassungsrechtliche Dimension. Auch eine neue Verfassung muss sich an den Rechtserzeugungsregeln der alten Verfassung messen lassen, wenn sie nicht auf revolutionärem Wege ergeht, sondern unter Wahrung der Rechtskontinuität in Kraft treten will. Nach Art. 44 Abs. 1 B‑VG sind Verfassungsgesetze ausdrücklich als solche zu bezeichnen. Diese Regel schließt es aus, die neue Verfassung in aller Schlichtheit als „Bundesverfassung der Republik Österreich“ zu benennen, sofern man mit der völlig herrschenden Auffassung eine formelle Deutung des Begriffs „Gesamtänderung“ in Art. 44 Abs. 3 ablehnt.

Das eben Gesagte gilt auch für das Verfassungsbegleitgesetz. Es wird in weiterer Folge in Fortführung der österreichischen Tradition als „Bundesverfassungsgesetz betreffend den Übergang zum Bundes-Verfassungsgesetz 200¾“ bezeichnet und mit „Verfassungsübergangsgesetz 200¾ – VÜG“ abgekürzt.

 

II. Erzeugungsbedingungen für Verfassungsrecht

 

Variante 1: Orientierung an den Vorbildern

Die klassische Formulierung des Inkorporationsgebots ist jene in Art. 79 Abs. 1 GG. Fügt man sie mit Art. 44 B‑VG zusammen und baut man das Verbot von Verfassungsänderungen in Sammelnovellen in den Text ein, so ergibt sich folgende Fassung (Varianten in eckigen Klammern):

Art. X. (1)  Dieses Bundes-Verfassungsgesetz kann nur durch ein Bundesgesetz geändert werden, das seinen Text – und ausschließlich diesen [und nur seinen Text] – ausdrücklich ändert oder ergänzt.

(2) Ein solches Gesetz kann vom Nationalrat nur mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Sofern es die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung oder Vollziehung einschränkt, bedarf es überdies der mit qualifizierter Mehrheit zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

(3) Jede Gesamtänderung der Bundesverfassung, eine Teiländerung nur, wenn dies von einer qualifizierten Minderheit im Nationalrat oder im Bundesrat verlangt wird, ist vor ihrer Beurkundung durch den Bundespräsidenten einer Volksabstimmung zu unterziehen.

 

Diese Formulierung stellt einzig auf die Stammurkunde ab. Dass auch das Verfassungsbegleitgesetz und die Trabanten zur Verfassung zählen und Verfassungsänderungen auch im Wege der Textänderung von Verfassungsbegleitgesetz und Trabanten erfolgen können, wird durch folgende Bestimmung sichergestellt:

Art. Y.  Folgende Gesetze gelten [in jeder Hinsicht] als Bestandteil dieses Bundes-Verfassungsgesetzes:

1.     das Gesetz vom 3. April 1919, betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen, StGBl. Nr. 209;

2.     das Gesetz vom 3. April 1919, über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter‑ und Damenorden und gewisser Titel und Würden, StGBl. Nr. 211;

3.     Artikel I des Verbotsgesetzes 1947, StGBl. Nr. 13/1945 i.d.F. BGBl. Nr. 148/1992;

4.     das Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs, BGBl. 211;

5.     das Bundesverfassungsgesetz betreffend den Übergang zum Bundes-Verfassungsgesetz 200¾ (Verfassungsübergangsgesetz 200¾ – VÜG), BGBl. I Nr. ¾.

 

Alternativ könnte auch bereits in Art. X Abs. 1 auf die Trabanten (unter Einschluss des Verfassungsbegleitgesetzes) Bezug genommen werden. Dazu müsste allerdings der „Bonner Eingang“ („Dieses Grundgesetz …“) durch eine neutralere Fassung ersetzt werden:

Art. X.’ (1) Änderungen der Verfassung erfolgen durch ein Gesetz, das sich darauf beschränkt, den Text dieses Bundes-Verfassungsgesetzes oder der in Art. Y genannten Gesetze ausdrücklich abzuändern oder zu ergänzen.

In Art. X Abs. 2 ist zudem vorausgesetzt, dass die Begriffe qualifizierte Mehrheit und qualifizierte Minderheit an anderer Stelle der Verfassung entsprechend definiert werden. Hiefür und für die sonstigen Quorenregelungen böten sich folgende Formulierungen an:

Art. Z. (1)  Sofern nicht anders bestimmt, bedürfen Beschlüsse allgemeiner Vertretungskörper [von Kollegialorganen] der Anwesenheit von mindestens einem Drittel ihrer Mitglieder und der unbedingten Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

(2)  Wenn dieses Bundes-Verfassungsgesetz für Beschlüsse die qualifizierte Mehrheit verlangt, ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und die Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

(3)  Eine qualifizierte Minderheit liegt vor, wenn wenigstens ein Drittel der abgegebenen Stimmen auf den Antrag entfällt.

 

Variante 2: Ein Alternativweg

Die Formulierung des Grundgesetzes hat jedoch den Nachteil, dass der Begriff „Änderung“ in ihr ambivalent verwendet wird: einmal materiell als Verfassungsänderung, einmal formell als Änderung der Urkunde. Diese Sinnverschiedenheit wird zwar dadurch offengelegt, dass die Änderung in der zweiten Bedeutung neben die Ergänzung gestellt wird („Dieses Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt.“); es bleibt aber eine terminologische Unsauberkeit. Vor allem aber: Die Ersetzung des Grundgesetzes durch eine neue deutsche Verfassung wird durch Art. 79 nicht erfasst und wäre deshalb unzulässig, gäbe es nicht den Art. 146 GG, der einen solchen Übergang ohne Bruch der Rechtskontinuität ausdrücklich eröffnet.

Der folgende Vorschlag versucht, beide Probleme dadurch zu lösen, dass der Begriff „Verfassungsänderung“ strikt materiell verwendet und bestimmten Textmanipulationen, in deren Wege Verfassungsänderungen bei sonstigem Scheitern des Erzeugungsversuchs ausschließlich erfolgen können, gegenübergestellt wird. Als solche Manipulationen kommen die Ergänzung, die Streichung und der Austausch von Text in Frage. Der Austausch wird deshalb eigens angeführt, um den Wechsel der Urkunde – oder, um es treffender zu sagen: die Gesamtänderung – zu ermöglichen. Denn ein solcher Wechsel lässt sich gedanklich nicht mehr in Streichungen und Ergänzungen ein und derselben Urkunde aufspalten.

Außerdem sieht der folgende Vorschlag in Abweichung von der geltenden Rechtslage ein generelles Zustimmungsrecht des Bundesrates zu Verfassungsänderungen vor. Das entspricht der politischen Realität, entschädigt die Länder für absehbare Kompetenzeinbußen, vereinfacht den Ablauf  und enthebt alle beteiligten Organe vom Bundesrat bis zum VfGH der Notwendigkeit, sich über die Grenzen der Zustimmungspflicht nach Art. 44 Abs. 2 B‑VG Gedanken zu machen.

Nach diesem Vorschlag hätte Art. X (bei unveränderten Art. Y und Z) folgendermaßen zu lauten:

Art. X. (1)  Verfassungsänderungen bedürfen eines Gesetzes, dessen Inhalt sich in Ergänzungen, in Streichungen oder im Austausch des Textes dieses Bundes‑Verfassungsgesetzes erschöpft.

(2) Ein solches Gesetz kann vom Nationalrat nur mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden und bedarf der mit qualifizierter Mehrheit zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

(3) Jede Gesamtänderung der Bundesverfassung, eine Teiländerung nur, wenn dies von einer qualifizierten Minderheit im Nationalrat oder im Bundesrat verlangt wird, ist vor ihrer Beurkundung durch den Bundespräsidenten einer Volksabstimmung zu unterziehen.


 

III. Erzeugungsbedingungen für Verfassungsausführungsgesetze

 

Hinsichtlich der Verfassungsausführungsgesetze hat der Ausschuss im Bericht sowohl eine Bezeichnungspflicht als auch eine Kennzeichnung in der Promulgationsklausel erwogen. In der anschließenden Beratungsphase hat er eine gewisse Präferenz für die zweiterwähnte Lösung geäußert. Damit ist freilich noch nicht entschieden, ob eine solche Lösung auch ein Zitiergebot enthalten soll. In der Folge werden für all diese Lösungen Formulierungen versucht.

Wenn daran gedacht ist, nicht nur den Charakter eines Gesetzes als verfassungsausführendes Gesetz offen zu legen, sondern auch den ausgeführten Artikel benennen zu müssen, könnte es heißen (Promulgationslösung mit Zitiergebot):

Art. VfAG1. Verfassungsausführende Bundesgesetze können vom Nationalrat nur mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Der ausgeführte Artikel dieses Bundes‑Verfassungsgesetzes ist in der Promulgationsklausel ausdrücklich zu bezeichnen.“

Eine korrekte Umsetzung könnte beispielsweise lauten: „Der Nationalrat hat in Ausführung des Art. 26 des Bundes-Verfassungsgesetzes beschlossen:“.

Bei Normierung einer Bezeichnungspflicht könnte die Bestimmung folgende Fassung erhalten:

Art. VfAG2. Verfassungsausführende Bundesgesetze können vom Nationalrat nur mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden; sie sind als solche („Bundesgesetz zur Ausführung des Art. … B-VG“) ausdrücklich zu bezeichnen.“

Bei Verzicht auf ein Zitiergebot könnten die Bestimmungen lauten:

Art. VfAG3. Verfassungsausführende Bundesgesetze können vom Nationalrat nur mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden; sie sind in der Promulgationsklausel als solche zu bezeichnen.“

bzw. in der Variante einer Bezeichnungspflicht:

Art. VfAG4. Verfassungsausführende Bundesgesetze können vom Nationalrat nur mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden; sie sind im Titel ausdrücklich als ‚Verfassungsausführungsgesetz’ zu bezeichnen.“

All diese Varianten werfen allerdings die Frage auf, ob Zitiergebot bzw. Bezeichnungspflicht auch für Novellen zu verfassungsausführenden Gesetzen Gültigkeit haben. Im Text auf diese Konstellation eigens einzugehen, hieße in Kasuistik abgleiten. In den Materialien sollte jedoch eine Klarstellung erfolgen.

In den Erläuterungen sollte außerdem erörtert werden, ob ein „Bepackungsverbot“ gilt oder ob es unschädlich ist, wenn das Verfassungsausführungsgesetz auch Regelungen enthält, die mit einfachen Mehrheiten hätten beschlossen werden können; für den Fall der Zulässigkeit einer Bepackung schließlich, ob solche nicht-verfassungsausführenden Bestimmungen mit einfachen Mehrheiten wieder aufgehoben werden können.


IV. Textvorschläge für die formale Bereinigung

 

Ausgehend von der Grundlinie des Ausschusses, bei der Textierung des Übergangsrechts den Akzent nicht auf die aufzuhebenden Bestimmungen zu legen, sondern auf jene Regelungen, die weiterhin als Verfassungsrecht (oder auch als Gesetzesrecht) gelten sollen und deshalb einer Überleitung bedürfen, kann die Regelung des Übergangs in aller Kürze erfolgen.

Für das „Entkleiden“ von Verfassungsbestimmungen (F07) könnte es heißen:

„Folgende Bundesverfassungsgesetze, Verfassungsbestimmungen in Bundesgesetzen und Staatsverträge im Verfassungsrang gelten im Rang einfacher Bundesgesetze weiter:

1. ...“

Die Rezeption von altem Verfassungsrecht in die neue Konstitution sollte im Text des Verfassungsbegleitgesetzes unter Anführung des Wortlauts erfolgen.

Im Übrigen könnten all jene zahlreichen Bestimmungen, die im Tabellenteil mit den Siglen F01-F04 bezeichnet sind, mit folgender Derogationsnorm enderledigt werden:

„Alle übrigen Bundesverfassungsgesetze und Verfassungsbestimmungen in Bundesgesetzen werden aufgehoben. Die Geltung von Bestimmungen, die durch sie in Kraft gesetzt oder eingeordnet worden sind, wird hiedurch nicht berührt.“

Staatsverträge sind in diese Formulierung bewusst nicht einbezogen, weil ihre völkerrechtliche Geltung nicht einseitig durch innerstaatliche Anordnung beendet werden kann und weil die innerstaatliche Geltung nicht von der völkerrechtlichen Geltung abgekoppelt werden sollte. Ein Erforderlichkeitsvorbehalt für die Derogationsanordnung („..., soweit sie noch in Geltung stehen“) erscheint denkbar, er ist aber in Ermanglung einer Aufzählung entbehrlich.

 

V. Beschränkung von Sammelgesetzen

 

1. Materieller Ansatz

Inhaltliche Schranken für Sammelnovellen sind einfach zu formulieren:

„Art. S1. Bundesgesetze müssen die Einheit der Materie wahren.“

 

2. Formeller Ansatz

Eine einschneidende, wohl allzu radikale Begrenzung von Sammelnovellen brächte folgender Vorschlag mit sich:

„Art. S2. Änderungen mehrerer Bundesgesetze in einem Bundesgesetz sind unzulässig.“

Nach dieser Formulierung könnte im Zuge der Erlassung eines neuen Stammgesetzes genau ein Bundesgesetz novelliert oder aufgehoben werden.

Alternativ bietet es sich an, auf den in der Anlage zu § 2 BMG geregelten Wirkungsbereich der Ministerien abzustellen:

„Art. S3. Sammelnovellen sind unzulässig, sofern sie Bundesgesetze betreffen, deren legistische Betreuung in den Wirkungsbereich verschiedener Bundesministerien fällt.“

oder die Zuständigkeit der Nationalratsausschüsse zum Kriterium zu machen:

„Art. S4. Sammelnovellen sind lediglich zulässig, wenn zur Vorberatung der Änderung aller betroffenen Bundesgesetze derselbe Ausschuss des Nationalrates zuständig ist.“

 

 


 

2.4.4   Vermögenssubstanzsicherung

Eingebracht im Ausschuss 2

 

 

Textvorschlag zur Vermögenssubstanzsicherung

 

Art. V. (1) Rechtsgeschäfte, durch die der Anteil

1.         des Bundes an der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts‑Aktiengesellschaft (VERBUND)

2.         des Bundes und der VERBUND an Unternehmungen zur Erzeugung und Übertragung elektrischer Energie, die sich am …. im Allein‑ oder Mehrheitseigentum des Bundes oder der VERBUND befinden,

3.         der Gebietskörperschaften an den Landeselektrizitätsgesellschaften mit Ausnahme der Illwerke AG

unter 51 v.H. sinkt, bedürfen der Zustimmung des Nationalrates, des Landtages oder des Gemeinderates.

(2) Die Veräußerung von Liegenschaften des Bundes, die von der Österreichischen Bundesforste AG auf Grundlage eines entgeltlichen Fruchtgenussrechts für den Bund verwaltet werden, bedarf der Zustimmung des Nationalrates, sofern der Erlös nicht zum Ankauf neuer Liegenschaften verwendet wird.

(3) Zustimmungen nach Abs. 1 und 2 bedürfen der qualifizierten Mehrheit. Die Geschäftsordnung des Vertretungskörpers kann mit der Zustimmung einen Ausschuss betrauen.

 


 

3              Ausschuss 3 – Staatliche Institutionen

 

3.1       Hatzl Johann

3.1.1   Stellungnahme zum Mandat

Eingebracht im Ausschuss 3, 2. Sitzung, 14.10.2003

 

 

Herrn Universitätsprofessor

Dr. Gerhart Holzinger

Österreich Konvent

 

Judenplatz 11

1010 Wien

 

 

Sehr geehrter Herr Universitätsprofessor!

 

Zu den Themen des Ausschusses 3 gestatte ich mir einige Anmerkungen bzw. Anregungen vorzunehmen.

 

So z. B.

soll die Festlegung und Zuteilung der Nationalratsmandate zu den einzelnen Wahlkreisen künftig nach der Bevölkerungszahl erfolgen;

 

soll das Wahlalter zur Wahl des Nationalrates (bzw. Bundespräsidenten) auf das vollendete 16. Lebensjahr herabgesetzt werden. (Wahlberechtigt sind alle Männer und Frauen die vor den 1. Jänner d.J. der Wahl das 16. Lebensjahr vollendet haben);

 

kann das E-Voting vielleicht langfristig eine Möglichkeit sein, gegenwärtig bin ich nicht der Auffassung, dass man dieses System aufgreifen sollte;

 

sollen die Länder und Gemeinden unabhängig von Bundesgesetzen für Landtags- und Gemeinderatswahlen die Möglichkeit der Stimmabgabe außerhalb des Landes- oder Gemeindegebietes vorsehen können.

 

Ich bin auch dafür, dass künftig langjährig in Österreich lebende nicht österreichische Staatsbürger, die Wahlberechtigung auf allen Ebenen erhalten sollen.

 

Bezüglich des Wahlrechtes für die Länder sollte die Verfassung mehr Möglichkeiten des Mehrheitswahlrechtes zulassen. (Sofern in den Bundesländern eine qualifizierte Mehrheit dafür ist.)

 

Bezüglich des Weges der Bundesgesetzgebung würde ich vorschlagen, dass eine noch zu bestimmende Anzahl von Städten oder Gemeinden das Recht bekommen einen gleichlautenden Antrag in einer bestimmten Frist vorzulegen, der dann vom Nationalrat in Behandlung zu nehmen ist. Gleiches gilt auch, wenn sich zumindest drei Landtage mit gleichlautenden Gesetzestexten an das Parlament wenden.

 

Für die Begutachtung von Gesetzen soll in der Verfassung ein Mindestzeitraum vorgeschrieben werden.

 

Auch der österreichische Städtebund und der österreichische Gemeindebund sollen ein grundsätzliches Begutachtungsrecht aller Gesetzesentwürfe erhalten.

 

Bezüglich der einstweiligen Bundesregierung wäre meiner Meinung nach die Verweildauer nach einer Nationalratswahl zu begrenzen. Spätestens 100 Tage nach der Wahl sollte, falls keine „normale neue Regierung“ gebildet werden kann, die

Tätigkeit der bisherigen Bundesregierung erlöschen und der Bundespräsident hat ein „Übergangskabinett“ mit einem neuen Bundeskanzler zu berufen.

 

Ich würde auch anregen den Zeitraum der ordentlichen Tagungen des Nationalrates zu verlängern, (d.h. die „Sommerpause“ zu verkürzen).

 

Auch für den Bundesrat soll die Zahl der Vertretungen nach der Bewohnerzahl und nicht nach der Bürgerzahl festgelegt werden.

 

Zu überlegen wäre, dass an den Verhandlungen des Bundesrates so wie die Landeshauptmänner, auch die Landtagspräsidenten gleiches Recht erhalten.

 

Das bisherige Recht der Bundesregierung gegen Gesetzesbeschlüsse eines Landtages Einspruch erheben zu können, sollte um zwei Wochen verkürzt werden. Meiner Überlegung nach könnte auch das Recht des Bundespräsidenten auf Antrag der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates, die Auflösung eines Landtages vorzunehmen, restlos gestrichen werden.

 

Dies sind nur einige Punkte, zu anderen Fragen werde ich in der Diskussion des Ausschusses Stellung beziehen.

 

 

3.2       Häupl Michael, Dr.

3.2.1   Gemeinden

Eingebracht im Ausschuss 3, 9. Sitzung, 21.9.2004

 

 

C Gemeinden

 

Neu

Alt

Art. 115

 

   (1) Jedes Land gliedert sich in Gemeinden. Die Gemeinde ist Gebietskörperschaft mit dem Recht auf Selbstverwaltung und zugleich Verwaltungssprengel. Jedes Grundstück muss zu einer Gemeinde gehören.
 
(Art. 116 Abs. 1 wird in Art. 115 übernommen)
 
   (2) Die Zuständigkeit zur Regelung der gemäß den Art. 118, 118a und 119 von den Gemeinden zu besorgenden Angelegenheiten bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften dieses Bundesverfassungsgesetzes.
(Anmerkung: Der erste Satz, sollte von der allgemeinen Kompetenzverteilung erfasst werden: Kompetenzfeld: Organisation der Länder und Gemeinden)
  

   (3) Der Österreichische Gemeindebund und der Österreichische Städtebund sind berufen, die Interessen der Gemeinden zu vertreten.

 

Artikel 115 
 
   (1) Soweit in den folgenden Artikeln von Gemeinden die Rede ist, sind darunter die Ortsgemeinden zu verstehen.
 
 
 
  
   (2) Soweit nicht ausdrücklich eine Zuständigkeit des Bundes festgesetzt ist, hat die Landesgesetzgebung das Gemeinderecht nach den Grundsätzen der folgenden Artikel dieses Abschnittes zu regeln. Die Zuständigkeit zur Regelung der gemäß den Art. 118, 118a und 119 von den Gemeinden zu besorgenden Angelegenheiten bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften dieses Bundesverfassungsgesetzes.
 

   (3) Der Österreichische Gemeindebund und der Österreichische Städtebund sind berufen, die Interessen der Gemeinden zu vertreten.

Art. 116
 
   (1) Die Gemeinde ist selbständiger Wirtschaftskörper. Sie hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art. zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben. 
 (Könnte entfallen, sollte im Ausschuss 7 eine entsprechende Bestimmung geschaffen worden sein)
 

   (2) Einer Gemeinde mit mindestens 20 000 Einwohnern ist, auf ihren Antrag durch Landesgesetz ein eigenes Statut (Stadtrecht) zu verleihen.

Einer Gemeinde mit mindestens 10 000 Einwohnern kann auf ihren Antrag durch Landesgesetz ein eigenes Statut (Stadtrecht) verliehen werden. Eine Stadt mit eigenem Statut hat neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch die der Bezirksverwaltung zu besorgen.
 
   (3) Veränderungen im Bestand von Gemeinden bedürfen Volksabstimmungen in jeder der betroffenen Gemeinde. 

Variante: Veränderungen im Bestand von Gemeinden bedürfen der Zustimmung der Mehrheit der zum Gemeinderat Wahlberechtigten in jeder der
betroffenen Gemeinden.

- stellt eine Forderung des Gemeindebundes dar -

Artikel 116
 
   (1) Jedes Land gliedert sich in Gemeinden. Die Gemeinde ist Gebietskörperschaft mit dem Recht auf Selbstverwaltung und zugleich Verwaltungssprengel. Jedes Grundstück muss zu einer Gemeinde gehören.
 
 
 
 
 
  
   (2) Die Gemeinde ist selbständiger Wirtschaftskörper. Sie hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben.
 
 
   (3) Einer Gemeinde mit mindestens 20 000 Einwohnern ist, wenn Landesinteressen hiedurch nicht gefährdet werden, auf ihren Antrag durch Landesgesetz ein eigenes Statut (Stadtrecht) zu verleihen. Ein solcher Gesetzesbeschluss darf nur mit Zustimmung der Bundesregierung kundgemacht werden. Die Zustimmung gilt als gegeben, wenn die Bundesregierung nicht binnen acht Wochen von dem Tag, an dem der Gesetzesbeschluss bei dem zuständigen Bundesministerium eingelangt ist, dem Landeshauptmann mitgeteilt hat, dass diese verweigert wird.
Eine Stadt mit eigenem Statut hat neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch die der Bezirksverwaltung zu besorgen.
 

   (4) (Anm.: Aufgehoben durch Art. I Z 14 BVG, BGBl. Nr. 490/1984.)

 

Art. 116a
 

   (1) Zur gemeinsamen Besorgung von Angelegenheiten gleichArt.iger Aufgabengebiete des eigenen oder des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde können sich Gemeinden, sofern dies der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung dient, durch Vereinbarung zu Gemeindeverbänden zusammenschließen, deren örtlicher Wirkungsbereich auch Bezirks- und Landesgrenzen überschreiten darf. Eine solche Vereinbarung bedarf der Genehmigung durch Verordnung der Landesregierung, für den Fall dass Landesgrenzen überschritten werden, durch übereinstimmende Verordnungen der beteiligten Länder. Die Verordnungen sind zu erlassen, wenn eine dem Gesetz entsprechende Vereinbarung vorliegt, die Finanzierung der zu besorgenden Aufgaben gesichert ist und die Bildung des Gemeindeverbandes die Funktion der beteiligten Gemeinden als Selbstverwaltungskörper nicht gefährdet. 

 

   (2)  Im Interesse der Zweckmäßigkeit kann durch Bundes- oder Landesgesetz die Bildung von Gemeindeverbänden zur gemeinsamen Besorgung von Angelegenheiten gleichArt.iger Aufgabengebiete des eigenen oder des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde vorgesehen werden. Dabei darf die Funktion der Gemeinden als Selbstverwaltungskörper und Verwaltungssprengel nicht gefährdet werden. Werden Gemeindeverbände unmittelbar durch die Gesetzgebung oder durch die Vollziehung eingerichtet sind die beteiligten Gemeinden vor Kundmachung des Gesetzes oder vor Erlassung des Verwaltungsaktes zu hören.

 

   (3)  Die Organisation der Gemeindeverbände wird durch Landesgesetz geregelt, in dem insbesondere, die Vorgangsweise bei Weisungskonflikten in Landesgrenzen überschreitenden Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde festzulegen ist.
[Diese Bestimmung könnte entfallen und von der allgemeinen Organisationskompetenz der Länder für die Gemeinden ersetzt werden]
Den verbandsangehörigen Gemeinden ist ein maßgebender Einfluss auf die Besorgung der Aufgaben der Gemeindeverbände einzuräumen. Als Organe sind jedenfalls eine Verbandsversammlung, die aus gewählten Vertretern aller verbandsangehörigen Gemeinden zu bestehen hat und ein/e Vorsitzende/r der Verbandsversammlung vorzusehen. Die Stimmenverteilung in der Verbandsversammlung hat auf die Zusammensetzung des Gemeinderates aller beteiligten Gemeinden Bedacht zu nehmen

 

   (4) Für Gemeindeverbände, die durch Vereinbarung geschaffen werden, sind Bestimmungen über den Beitritt und den Austritt von Gemeinden sowie über die Auflösung des Gemeindeverbandes zu treffen.
 
 
 
 
 
 
 
   (5) Die Gemeinden haben das Recht, im Interesse der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der Besorgung von Angelegenheiten des eigenen und übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde sich auch anderer Formen der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, wie der Bildung von Verwaltungsgemeinschaften, zu bedienen.

 

Artikel 116a
 
   (1) Zur Besorgung einzelner Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches können sich Gemeinden durch Vereinbarung zu Gemeindeverbänden zusammenschließen. Eine solche Vereinbarung bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die Genehmigung ist durch Verordnung zu erteilen, wenn eine dem Gesetz entsprechende Vereinbarung der beteiligten Gemeinden vorliegt und die Bildung des Gemeindeverbandes
1. im Falle der Besorgung von Aufgaben der Hoheitsverwaltung die Funktion der beteiligten Gemeinden als Selbstverwaltungskörper nicht gefährdet,
2. im Falle der Besorgung von Aufgaben der Gemeinden als Träger von Privatrechten aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Interesse der beteiligten Gemeinden gelegen ist.
 
 
 
   (2) Im Interesse der Zweckmäßigkeit kann die zuständige Gesetzgebung (Art. 10 bis 15) zur Besorgung einzelner Aufgaben die Bildung von Gemeindeverbänden vorsehen, doch darf dadurch die Funktion der Gemeinden als Selbstverwaltungskörper und Verwaltungssprengel nicht gefährdet werden. Bei der Bildung von Gemeindeverbänden im Wege der Vollziehung sind die beteiligten Gemeinden vorher zu hören.
 
 
 
 
 
   (3) Soweit Gemeindeverbände Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde besorgen sollen, ist den verbandsangehörigen Gemeinden ein maßgebender Einfluss auf die Besorgung der Aufgaben des Gemeindeverbandes einzuräumen.
 
 
 
 
 
  
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   (4) Die Landesgesetzgebung hat die Organisation der Gemeindeverbände zu regeln, wobei als deren Organe jedenfalls eine Verbandsversammlung, die aus gewählten Vertretern aller verbandsangehörigen Gemeinden zu bestehen hat, und ein Verbandsobmann vorzusehen sind. Für Gemeindeverbände, die durch Vereinbarung gebildet worden sind, sind weiters Bestimmungen über den Beitritt und Austritt von Gemeinden sowie über die Auflösung des Gemeindeverbandes zu treffen.
 

   (5) Die Zuständigkeit zur Regelung der von den Gemeindeverbänden zu besorgenden Angelegenheiten bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften dieses Bundesverfassungsgesetzes.

Art. 117
 
   (1) Als Organe der Gemeinde sind jedenfalls vorzusehen:
a) der Gemeinderat, das ist ein von den Wahlberechtigten der Gemeinde zu wählender allgemeiner Vertretungskörper;
b) der Gemeindevorstand (Stadtrat), bei Städten mit eigenem Statut der Stadtsenat;
c) der Bürgermeister.
[Abs. 2 1. Satz kann entfallen, wenn es einheitliche Grundsätze für alle Wahlen geben sollte]
 
   (2) Die Wahlen in den Gemeinderat finden auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechts aller Staatsbürger statt, die in der Gemeinde den Hauptwohnsitz haben; die Landesgesetze können jedoch vorsehen, dass auch Staatsbürger, die in der Gemeinde einen Wohnsitz, nicht aber den Hauptwohnsitz haben, wahlberechtigt sind. In der Wahlordnung dürfen die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes nicht enger gezogen sein als in der Wahlordnung zum Landtag. Unter den von den Ländern festzulegenden Bedingungen steht das aktive und passive Wahlrecht auch den Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu. Die Wahlordnung kann bestimmen, dass die Wähler ihr Wahlrecht in Wahlkreisen ausüben, von denen jeder ein geschlossenes Gebiet umfassen muss. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig. [ Für den Fall, dass keine Wahlvorschläge eingebracht werden, kann in der Wahlordnung bestimmt werden, dass Personen als gewählt gelten, deren Namen auf den Stimmzetteln am häufigsten genannt werden.] – Könnte ebenfalls entfallen!
 
 
 
 
 
 
 
  
   (3) Zu einem Beschluss des Gemeinderates ist die einfache Mehrheit der in beschlussfähiger Anzahl anwesenden Mitglieder desselben erforderlich; es können jedoch für bestimmte Angelegenheiten andere Beschlussfassungserfordernisse vorgesehen werden.
 
   (4) Die Sitzungen des Gemeinderates sind öffentlich, es können jedoch Ausnahmen vorgesehen werden. Wenn der Gemeindevoranschlag oder der Gemeinderechnungsabschluss behandelt wird, darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden.
 
   (5) Im Gemeinderat vertretene Wahlparteien haben nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand.
 
   (6) Der Bürgermeister wird vom Gemeinderat gewählt. In der Landesverfassung kann vorgesehen werden, dass die zur Wahl des Gemeinderates Berechtigten den Bürgermeister wählen.
 
   (7) Die Geschäfte der Gemeinden werden durch das Gemeindeamt  (Stadtamt), jene der Städte mit eigenem Statut durch den Magistrat besorgt. Zum Leiter des inneren Dienstes des Magistrates ist ein rechtskundiger Verwaltungsbeamter als Magistratsdirektor zu bestellen.
 
   (8) In Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann der Landesgesetzgeber die unmittelbare Teilnahme und Mitwirkung der zum Gemeinderat Wahlberechtigten vorsehen.

  

Artikel 117
 
   (1) Als Organe der Gemeinde sind jedenfalls vorzusehen:
a) der Gemeinderat, das ist ein von den Wahlberechtigten der Gemeinde zu wählender allgemeiner Vertretungskörper;
b) der Gemeindevorstand (Stadtrat), bei Städten mit eigenem Statut der Stadtsenat;
c) der Bürgermeister.
  
 
 
   (2) Die Wahlen in den Gemeinderat finden auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechts aller Staatsbürger statt, die in der Gemeinde den Hauptwohnsitz haben; die Landesgesetze können jedoch vorsehen, dass auch Staatsbürger, die in der Gemeinde einen Wohnsitz, nicht aber den Hauptwohnsitz haben, wahlberechtigt sind. In der Wahlordnung dürfen die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes nicht enger gezogen sein als in der Wahlordnung zum Landtag. Es kann jedoch bestimmt werden, dass das aktive und passive Wahlrecht in den Gemeinderat Personen, die sich noch nicht ein Jahr in der Gemeinde aufhalten, dann nicht zukommt,  wenn ihr Aufenthalt in der Gemeinde offensichtlich nur vorübergehend ist. Unter den von den Ländern festzulegenden Bedingungen steht das aktive und passive Wahlrecht auch den Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu. Die Bestimmungen über die Wahlpflicht bei den Wahlen zum Landtag (Art. 95 Abs. 1 letzter Satz) finden für die Wahlen in den Gemeinderat sinngemäß Anwendung. Die Wahlordnung kann bestimmen, dass die Wähler ihr Wahlrecht in Wahlkreisen ausüben, von denen jeder ein geschlossenes Gebiet umfassen muss. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig. Für den Fall, dass keine Wahlvorschläge eingebracht werden, kann in der Wahlordnung bestimmt werden, dass Personen als gewählt gelten, deren Namen auf den Stimmzetteln am häufigsten genannt werden. 
 
   (3) Zu einem Beschluss des Gemeinderates ist die einfache Mehrheit der in beschlussfähiger Anzahl anwesenden Mitglieder desselben erforderlich; es können jedoch für bestimmte Angelegenheiten andere Beschlussfassungserfordernisse vorgesehen werden.
 
   (4) Die Sitzungen des Gemeinderates sind öffentlich, es können jedoch Ausnahmen vorgesehen werden. Wenn der Gemeindevoranschlag oder der Gemeinderechnungsabschluss behandelt wird, darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden.
 
   (5) Im Gemeinderat vertretene Wahlparteien haben nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand.
 
   (6) Der Bürgermeister wird vom Gemeinderat gewählt. In der Landesverfassung kann vorgesehen werden, dass die zur Wahl des Gemeinderates Berechtigten den Bürgermeister wählen.
 
   (7) Die Geschäfte der Gemeinden werden durch das Gemeindeamt  (Stadtamt), jene der Städte mit eigenem Statut durch den Magistrat besorgt. Zum Leiter des inneren Dienstes des Magistrates ist ein rechtskundiger Verwaltungsbeamter als Magistratsdirektor zu bestellen.
 

  (8) In Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann der Landesgesetzgeber die unmittelbare Teilnahme und Mitwirkung der zum Gemeinderat Wahlberechtigten vorsehen.

Art. 118
 
   (1) Der Wirkungsbereich der Gemeinde ist ein eigener und ein vom Bund oder vom Land übertragener.
 
   (2) Der eigene Wirkungsbereich umfasst neben den im Art. 116 Abs. 2 angeführten Angelegenheiten alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die Gesetze haben derArt.ige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu bezeichnen.
 
   (3) Der Gemeinde sind zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich die behördlichen Aufgaben insbesondere in folgenden Angelegenheiten gewährleistet:
1. Bestellung der Gemeindeorgane unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Wahlbehörden; Regelung der inneren Einrichtungen zur Besorgung der Gemeindeaufgaben;
2. Bestellung der Gemeindebediensteten und Ausübung der Diensthoheit unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Disziplinar-, Qualifikations- und Prüfungskommissionen;
3. örtliche Sicherheitspolizei (Art. 15 Abs. 2), örtliche Veranstaltungspolizei;
4. Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde, örtliche Straßenpolizei;
5. Flurschutzpolizei;
6. örtliche Marktpolizei;
7. örtliche Gesundheitspolizei, insbesondere auch auf dem Gebiet des Hilfs- und Rettungswesens sowie des Leichen- und Bestattungswesens;
8. Sittlichkeitspolizei;
9. örtliche Baupolizei, soweit sie nicht bundeseigene Gebäude, die öffentlichen Zwecken dienen (Art. 15 Abs. 5) zum Gegenstand hat; örtliche Feuerpolizei; örtliche Raumplanung;
10. öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten;
11. freiwillige Feilbietungen beweglicher Sachen.
 
   (4) Die Gemeinde hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen und - vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 119a Abs. 5 – unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen. Dem Bund und dem Land kommt gegenüber der Gemeinde bei Besorgung ihres eigenen Wirkungsbereiches ein Aufsichtsrecht (Art. 119a) zu. Die Bestimmungen des Art. 12 Abs. 2 bleiben unberührt.
 
   (5) Der Bürgermeister, die Mitglieder des Gemeindevorstandes  (Stadtrates, Stadtsenates) und allenfalls bestellte andere Organe der Gemeinde sind für die Erfüllung ihrer dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehörigen Aufgaben dem Gemeinderat verantwortlich.
 
   (6) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hat die Gemeinde das Recht, Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr und Beseitigung von Gefahren und Missständen, soweit dies im öffentlichen Interesse gelegen ist, zu erlassen. Die Gemeinde kann die Übertretung solcher Verordnungen zu Verwaltungsübertretungen erklären und Strafbestimmungen bis zu einer gesetzlich festzulegenden Strafhöhe erlassen. Die Gemeinde ist berechtigt, auch Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt anzuordnen und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der öffentlichen Aufsicht zur Mitwirkung an der Vollziehung zu ermächtigen. Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze des Bundes und des Landes verstoßen.
 
   (7) Auf Antrag einer Gemeinde kann die Besorgung einzelner Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches nach Maßgabe des Art. 119a Abs. 3 durch Verordnung der Landesregierung beziehungsweise durch Verordnung des Landeshauptmannes auf eine staatliche Behörde oder eine Stadt mit eigenem Statut übertragen werden. Soweit durch eine solche Verordnung eine Zuständigkeit auf eine Bundesbehörde übertragen werden soll, bedarf sie der Zustimmung der Bundesregierung. Soweit durch eine solche Verordnung des Landeshauptmannes eine Zuständigkeit auf eine Landesbehörde übertragen werden soll, bedarf sie der Zustimmung der Landesregierung. Soweit durch eine solche Verordnung eine Zuständigkeit auf eine Stadt mit eigenem Statut übertragen werden soll, bedarf sie der Zustimmung des Gemeinderates. Eine solche Verordnung ist jederzeit auf Verlangen der Gemeinde wieder aufzuheben. Die Übertragung erstreckt sich nicht auf das Verordnungsrecht nach Abs. 6.
 
   (8) Die Errichtung eines Gemeindewachkörpers oder eine Änderung seiner Organisation ist der Bundesregierung anzuzeigen.

 

Artikel 118
 
   (1) Der Wirkungsbereich der Gemeinde ist ein eigener und ein vom Bund oder vom Land übertragener.
 
   (2) Der eigene Wirkungsbereich umfasst neben den im Art. 116 Abs. 2 angeführten Angelegenheiten alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die Gesetze haben derartige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu bezeichnen.
 
   (3) Der Gemeinde sind zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich die behördlichen Aufgaben insbesondere in folgenden Angelegenheiten gewährleistet:
1. Bestellung von Gemeindeorgane unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Wahlbehörden; Regelung der inneren Einrichtungen zur Besorgung der Gemeindeaufgaben;
2. Bestellung der Gemeindebediensteten und Ausübung der Diensthoheit unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Disziplinar-, Qualifikations- und Prüfungskommissionen;
3. örtliche Sicherheitspolizei (Art. 15 Abs. 2), örtliche Veranstaltungspolizei;
4. Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde, örtliche Straßenpolizei;
5. Flurschutzpolizei;
6. örtliche Marktpolizei;
7. örtliche Gesundheitspolizei, insbesondere auch auf dem Gebiet des Hilfs- und Rettungswesens sowie des Leichen- und Bestattungswesens;
8. Sittlichkeitspolizei;
9. örtliche Baupolizei, soweit sie nicht bundeseigene Gebäude, die öffentlichen Zwecken dienen (Art. 15 Abs. 5) zum Gegenstand hat; örtliche Feuerpolizei; örtliche Raumplanung;
10. öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten;
11. freiwillige Feilbietungen beweglicher Sachen.
 
   (4) Die Gemeinde hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen und - vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 119a Abs. 5 – unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen. Dem Bund und dem Land kommt gegenüber der Gemeinde bei Besorgung ihres eigenen Wirkungsbereiches ein Aufsichtsrecht (Art. 119a) zu. Die Bestimmungen des Art. 12 Abs. 2 bleiben unberührt.
 
   (5) Der Bürgermeister, die Mitglieder des Gemeindevorstandes (Stadtrates, Stadtsenates) und allenfalls bestellte andere Organe der Gemeinde sind für die Erfüllung ihrer dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehörigen Aufgaben dem Gemeinderat verantwortlich.
 
   (6) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hat die Gemeinde das Recht, ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstände zu erlassen, sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären. Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landesverstoßen.
  
 
 
 
 
 
 
   (7) Auf Antrag einer Gemeinde kann die Besorgung einzelner Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches nach Maßgabe des Art. 119a Abs. 3 durch Verordnung der Landesregierung beziehungsweise durch Verordnung des Landeshauptmannes auf eine staatliche Behörde übertragen werden. Soweit durch eine solche Verordnung eine Zuständigkeit auf eine Bundesbehörde übertragen werden soll, bedarf sie der Zustimmung der Bundesregierung. Soweit durch eine solche Verordnung des Landeshauptmannes eine Zuständigkeit auf eine Landesbehörde übertragen werden soll, bedarf sie der Zustimmung der Landesregierung. Eine solche Verordnung ist aufzuheben, sobald der Grund für ihre Erlassung weggefallen ist. Die Übertragung erstreckt sich nicht auf das Verordnungsrecht nach Abs. 6.
 
 
 
 

 

  (8) Die Errichtung eines Gemeindewachkörpers oder eine Änderung seiner Organisation ist der Bundesregierung anzuzeigen.

Art. 118a 
 
   (1) Durch Bundes- oder Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Angehörigen eines Gemeindewachkörpers mit Zustimmung der Gemeinde zur Besorgung des Exekutivdienstes für die zuständige Behörde ermächtigt werden können.
 
   (2) Mit Zustimmung der Gemeinde kann die Bezirksverwaltungsbehörde Angehörige eines Gemeindewachkörpers ermächtigen, an der Handhabung des Verwaltungsstrafgesetzes im selben Umfang mitzuwirken wie die übrigen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Diese Ermächtigung kann nur erteilt werden, soweit die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in der den Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens bildenden Angelegenheit die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zu überwachen haben oder soweit diese Angelegenheit im Wirkungsbereich der Gemeinde zu besorgen ist.

 

Artikel 118a
 
   (1) Durch Bundes- oder Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Angehörigen eines Gemeindewachkörpers mit Zustimmung der Gemeinde zur Besorgung des Exekutivdienstes für die zuständige Behörde ermächtigt werden können. 
 

  (2) Mit Zustimmung der Gemeinde kann die Bezirksverwaltungsbehörde Angehörige eines Gemeindewachkörpers ermächtigen, an der Handhabung des Verwaltungsstrafgesetzes im selben Umfang mitzuwirken wie die übrigen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Diese Ermächtigung kann nur erteilt werden, soweit die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in der den Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens bildenden Angelegenheit die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zu überwachen haben oder soweit diese Angelegenheit im Wirkungsbereich der Gemeinde zu besorgen ist.

Art. 119
 
   (1) Der übertragene Wirkungsbereich umfasst die Angelegenheiten, die die Gemeinde nach Maßgabe der Bundesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Bundes oder nach Maßgabe der Landesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Landes zu besorgen hat.
 
   (2) Die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches werden vom Bürgermeister besorgt. Er ist hiebei in den Angelegenheiten der Bundesvollziehung an die Weisungen der zuständigen Organe des Bundes,  in den Angelegenheiten der Landesvollziehung an die Weisungen der zuständigen Organe des Landes gebunden und nach Abs. 4 verantwortlich.
 
   (3) Der Bürgermeister kann einzelne Gruppen von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches - unbeschadet seiner Verantwortlichkeit - wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches Mitgliedern des Gemeindevorstandes (Stadtrates, Stadtsenates), anderen nach Art. 117 Abs. 1 geschaffenen Organen oder bei Kollegialorganen deren Mitgliedern zur Besorgung in seinem Namen übertragen. In diesen Angelegenheiten sind die betreffenden Organe oder deren Mitglieder an die Weisungen des Bürgermeisters gebunden und nach Abs. 4 verantwortlich. 
 
   (4) Auf Antrag einer Stadt mit eigenen Statut kann die Besorgung einzelner Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches, nach Maßgabe des Art. 119a Abs. 3 durch Verordnung der Landesregierung bzw. Verordnung des Landeshauptmannes auf eine staatliche Behörde übertragen werden, deren Sitz im Gebiet einer Stadt mit eigenem Statut liegt. Unter den selben Voraussetzungen kann die Besorgung solcher Angelegenheiten von staatlichen Behörden auf eine Stadt mit eigenen Statut übertragen werden.
 
   (5) Wegen Gesetzesverletzung sowie wegen Nichtbefolgung einer Verordnung oder einer Weisung können die in den Abs. 2 und 3 genannten Organe, soweit ihnen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, wenn sie auf dem Gebiet der Bundesvollziehung tätig waren, vom Landeshauptmann, wenn sie auf dem Gebiet der Landesvollziehung tätig waren, von der Landesregierung ihres Amtes verlustig erklärt werden. Die allfällige Mitgliedschaft einer solchen Person zum Gemeinderat wird hiedurch nicht berührt.

 

Artikel 119
 
   (1) Der übertragene Wirkungsbereich umfasst die Angelegenheiten, die die Gemeinde nach Maßgabe der Bundesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Bundes oder nach Maßgabe der Landesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Landes zu besorgen hat.
 
   (2) Die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches werden vom Bürgermeister besorgt. Er ist hiebei in den Angelegenheiten der Bundesvollziehung an die Weisungen der zuständigen Organe des Bundes, in den Angelegenheiten der Landesvollziehung an die Weisungen der zuständigen Organe des Landes gebunden und nach Abs. 4 verantwortlich.
 
   (3) Der Bürgermeister kann einzelne Gruppen von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches - unbeschadet seiner Verantwortlichkeit - wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches Mitgliedern des Gemeindevorstandes (Stadtrates, Stadtsenates), anderen nach Art. 117 Abs. 1 geschaffenen Organen oder bei Kollegialorganen deren Mitgliedern zur Besorgung in seinem Namen übertragen. In diesen Angelegenheiten sind die betreffenden Organe oder deren Mitglieder an die Weisungen des Bürgermeisters gebunden und nach Abs. 4 verantwortlich.
 

  (4) Wegen Gesetzesverletzung sowie wegen Nichtbefolgung einer Verordnung oder einer Weisung können die in den Abs. 2 und 3 genannten Organe, soweit ihnen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, wenn sie auf dem Gebiet der Bundesvollziehung tätig waren, vom Landeshauptmann, wenn sie auf dem Gebiet der Landesvollziehung tätig waren, von der Landesregierung ihres Amtes verlustig erklärt werden. Die allfällige Mitgliedschaft einer solchen Person zum Gemeinderat wird hiedurch nicht berührt.

Art. 119a 
 
   (1) Der Bund und das Land üben das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahin aus, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt,  insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt.
 
   (2) Das Land hat ferner das Recht, die Gebarung der Gemeinde auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Gemeinden, die gemäß Art. 127a B-VG der Kontrolle durch den Rechnungshof unterliegen, sind vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausgenommen. Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Bürgermeister zur Vorlage an den Gemeinderat zu übermitteln. Der Bürgermeister hat die auf Grund des Überprüfungsergebnisses getroffenen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten der Aufsichtsbehörde mitzuteilen.
 
   (3) Das Aufsichtsrecht und dessen gesetzliche Regelung stehen, insoweit als der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde Angelegenheiten aus dem Bereich der Bundesvollziehung umfasst, dem Bund, im Übrigen den Ländern zu; das Aufsichtsrecht ist von den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung auszuüben.
 
   (4) Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, sich über jedwede Angelegenheit der Gemeinde zu unterrichten. Die Gemeinde ist verpflichtet, die von der Aufsichtsbehörde im einzelnen Fall verlangten Auskünfte zu erteilen und Prüfungen an Ort und Stelle vornehmen zu lassen.
 
   (5) soll aufgrund der Ergebnisse im Ausschuss 9 entfallen
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   (6) soll entfallen
 
 
 
   
 
 
 
   (7) Sofern die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) als Aufsichtsmittel die Auflösung des Gemeinderates vorsieht, kommt diese Maßnahme in Ausübung des Aufsichtsrechtes des Landes der Landesregierung, in Ausübung des Aufsichtsrechtes des Bundes dem Landeshauptmann zu. Die Zulässigkeit der Ersatzvornahme als Aufsichtsmittel ist auf die Fälle unbedingter Notwendigkeit zu beschränken. Die Aufsichtsmittel sind unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu handhaben.
 
 
   (8) Einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die auch überörtliche Interessen in besonderem Maß berührt werden, insbesondere solche von besonderer finanzieller Bedeutung, können durch die zuständige Gesetzgebung  (Abs. 3) an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden. Als Grund für die Versagung der Genehmigung darf nur ein Tatbestand vorgesehen werden, der die Bevorzugung überörtlicher Interessen eindeutig rechtfertigt.
 
 
   (9) Die Gemeinde hat im aufsichtsbehördlichen Verfahren PArt.eistellung; sie ist berechtigt, gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144) Beschwerde zu führen.
 
   (10) Die Bestimmungen dieses Artikels sind auf die Aufsicht über Gemeindeverbände, soweit diese Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde besorgen, entsprechend anzuwenden.  
 
Artikel 119a
 
   (1) Der Bund und das Land üben das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahin aus, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt. 
 
   (2) Das Land hat ferner das Recht, die Gebarung der Gemeinde auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Bürgermeister zur Vorlage an den Gemeinderat zu übermitteln. Der Bürgermeister hat die auf Grund des Überprüfungsergebnisses getroffenen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten der Aufsichtsbehörde mitzuteilen.
 
 
 
 
   (3) Das Aufsichtsrecht und dessen gesetzliche Regelung stehen, insoweit als der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde Angelegenheiten aus dem Bereich der Bundesvollziehung umfasst, dem Bund, im Übrigen den Ländern zu; das Aufsichtsrecht ist von den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung auszuüben.
 
   (4) Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, sich über jedwede Angelegenheit der Gemeinde zu unterrichten. Die Gemeinde ist verpflichtet, die von der Aufsichtsbehörde im einzelnen Fall verlangten Auskünfte zu erteilen und Prüfungen an Ort und Stelle vornehmen zu lassen.
  
   (5) Wer durch den Bescheid eines Gemeindeorgans in Angelegenheiten
des eigenen Wirkungsbereiches in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges (Art. 118 Abs. 4) innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides
dagegen Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben. Diese hat den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Für Städte mit eigenem Statut kann die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) anordnen, dass die Vorstellung an die Aufsichtsbehörde nicht stattfindet.
 
   (6) Die Gemeinde hat im eigenen Wirkungsbereich erlassene Verordnungen der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen. Die Aufsichtsbehörde hat gesetzwidrige Verordnungen nach Anhörung der
Gemeinde durch Verordnung aufzuheben und die Gründe hiefür der Gemeinde gleichzeitig mitzuteilen.
 
   (7) Sofern die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) als Aufsichtsmittel die Auflösung des Gemeinderates vorsieht, kommt diese Maßnahme in Ausübung des Aufsichtsrechtes des Landes der Landesregierung, in Ausübung des Aufsichtsrechtes des Bundes dem Landeshauptmann zu. Die Zulässigkeit der Ersatzvornahme als Aufsichtsmittel ist auf die Fälle unbedingter Notwendigkeit zu beschränken. Die Aufsichtsmittel sind unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu handhaben.
 
   (8) Einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die auch überörtliche Interessen in besonderem Maß berührt werden, insbesondere solche von besonderer finanzieller Bedeutung, können durch die zuständige Gesetzgebung  (Abs. 3) an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden. Als Grund für die Versagung der Genehmigung darf nur ein Tatbestand vorgesehen werden, der die Bevorzugung überörtlicher Interessen eindeutig rechtfertigt.
 
   (9) Die Gemeinde hat im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung; sie ist berechtigt, gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144) Beschwerde zu führen.
 

  (10) Die Bestimmungen dieses Artikels sind auf die Aufsicht über Gemeindeverbände, soweit diese Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde besorgen, entsprechend anzuwenden.

Art. 120 B-VG 
 
Die Zusammenfassung von Ortsgemeinden zu Gebietsgemeinden, deren Einrichtung nach dem Muster der Selbstverwaltung sowie die Festsetzung weiterer Grundsätze für die Organisation der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern ist Sache der Bundesverfassungsgesetzgebung; die Ausführung obliegt der Landesgesetzgebung. Die Regelung der Zuständigkeit in Angelegenheiten des Dienstrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Bediensteten der Gebietsgemeinden ist Sache der Bundesverfassungsgesetzgebung.
 

Artikel 120

 

Die Zusammenfassung von Ortsgemeinden zu Gebietsgemeinden, deren Einrichtung nach dem Muster der Selbstverwaltung sowie die Festsetzung weiterer Grundsätze für die Organisation der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern ist Sache der Bundesverfassungsgesetzgebung; die Ausführung obliegt der Landesgesetzgebung. Die Regelung der Zuständigkeit in Angelegenheiten des Dienstrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Bediensteten der Gebietsgemeinden ist Sache der Bundesverfassungsgesetzgebung.

 

 

3.3       Konecny Albrecht, Prof.

3.3.1   Stellungnahme Mandat

Eingebracht im Ausschuss 3, 2. Sitzung, 14.10.2003

 

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender !

 

Nachstehend versuche ich einige Themata, die mit persönlich besonders wichtig erscheinen, nicht nur aufzulisten, sondern auch mit Anmerkungen zu versehen, worin – meines Erachtens nach - das Problem besteht und in welche Richtung ich Lösungsansätze zu suchen vorschlage.

 

Sparsamkeit/Größe parlamentarischer Gremien: Es muss wohl von Anfang an klargestellt werden, dass der von vielen immer wieder betonte Aspekt der „Einsparungen“ hinsichtlich parlamentarischer Gremien ein höchst problematischer, wenn nicht sogar populistischer Ansatz ist. Deren Funktionsfähigkeit hinsichtlich Spezialisierung, zunehmender internationaler Aufgaben und nicht zuletzt „Ansprechbarkeit“ für BürgerInnen erscheint mir wesentlich bedeutsamer als die mögliche Einsparung durch die Reduzierung der Mitgliederzahlen.

 

Bundesrat: Dass ich hier auch Interessen vertrete, ist offenkundig. Im Sinne einer ökonomischen Arbeitsweise plädiere ich dafür, dass an diese Frage einvernehmlich mit der Arbeitsgruppe 5 herangegangen wird; eine Klärung der Vorgangsweise durch die beiden Ausschussvorsitzenden erschiene mir sinnvoll. Von der Logik her, hätte aber wohl die Arbeitsgruppe 5 einen gewissen Vorrang, da erst nach Herstellung des Einvernehmens über den künftigen Gesetzgebungsprozess eine Debatte über Bestellung und Organisation des Bundesrates zielführend sein kann.

 

Wahlsystem: Ich erachte das derzeitige System, dass die Zurechnung von Mandaten an Bundesländer und Wahlkreise nach der „Bürgerzahl“ vornimmt (übrigens auch bei der derzeitigen Bestellungsweise des Bundesrates) für extrem problematisch. Die einzige annehmbare Grundlage – wie auch alle internationalen Beispiele zeigen – ist die Wählerzahl.

Ausgehend von den berechtigten Wünschen nach einer stärkeren Bindung zwischen Wählern und Gewählten wäre ein Nationalratswahlsystem, das auf Einer-Wahlkreisen aufbaut und – nicht in den Bundesländern, aber bundeseinheitlich – für einen extremen Proporzausgleich sorgt, sowohl diesen Bedürfnissen entsprechend wie auch der österreichischen Tradition der extremen Repräsentativität entsprechend.

 

Wahlformen: Alle Möglichkeiten, die Stimmabgabe zu erleichtern, wären wohlwollend zu überprüfen. Das gilt für die – auch verfassungsrechtlich abgesicherte – vorzeitige Stimmabgabe, eventuell Briefwahl, Ausbau des Systems der Wahlkarten (Wahllokale ev. auch außerhalb des jeweiligen „Wahlgebietes“ bei Regionalwahlen), während e-voting wohl noch nicht hinlänglich ausgereift ist.

 

Wahlberechtigung: Die generelle Senkung des Wahlalters (auf 16 Jahre), die aktive Wahlberechtigung für EU-Bürger auch bei Landes- und Bundeswahlen, die Wahlberechtigung auf allen Ebenen für lange ansässige Nicht-Staatsbürger sind zumindest sachlich zu debattieren. Sonderprobleme wirft das Melderecht und die sich daraus ergebende Praxis auf: Inwieweit es mit dem Gleichheitsgrundsatz zu vereinbaren ist, dass Personen mit „mehreren Lebensmittelpunkten“ zu mehreren Gemeinderäten und Landtagen wahlberechtigt sind ist zumindest diskussionsbedürftig (zumindest in der gegenwärtigen Kreationsform des Bundesrates ergibt sich das Sonderproblem, dass Personen mit „mehreren Lebensmittelpunkten“ mehrfach – via Stimmabgabe für den Landtag – über dessen Zusamensetzung entscgheiden.

 

Gebietsgemeinden: Sicherlich nicht allein Thema dieser Arbeitsgruppe ist die Frage, inwieweit nicht freiwillige, wenn auch bundeseinheitlich normierten logischen Kriterien entsprechende Gemeindeverbände (Gebietsgemeinden) jene Aufgaben übernehmen könnten und sollten, die derzeit im Wesentlichen von den Bezirksverwaltungsbehörden ausgeübt werden, und zudem übertragene Aufgaben der Einzelgemeinden ökonomischer bearbeiten könnten.

 

In diesem Zusammenhang – wenn auch wiederum möglicherweise nicht nur in Arbeitsgruppe 3 zu beraten – erscheint mir eine Verfassungsnorm überlegenswert, die Bund und Länder verpflichtet, bei der „Aufteilung“ des Staatsgebietes (Bezirksgerichte, Dienststellen der Sicherheitsexekutive, Finanzämter etc.) auf solche Einheiten (Bezirke, Gebietsgemeinden) verpflichtend Rücksicht zu nehmen.     

 

Ich hoffe, dass diese Aufzählung in etwa dem entspricht, was Sie sich als „Initialzündung“ seitens der Mitglieder der Arbeitsgruppe erwarten.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Albrecht K. Konečny 

 

 


 

3.4       Kostelka Peter, Dr.

3.4.1   Textvorschlag Art. 26 – 33 B-VG samt Begleitschreiben

Eingebracht im Ausschuss 3, 4. Sitzung, 20.11.2003

 

 

                                                                                                          Wien, 7. November 2003

 

Herrn

Univ.Prof. Dr. Gerhart Holzinger

Vorsitzender des Ausschusses 3

 Sehr geehrter Herr Universitätsprofessor!

Lieber Gerhard!

Herzlichen Dank für Deinen Brief vom 29. Oktober 2003, in dem Du mich daran erinnerst, dass ich in der letzten Sitzung des Ausschusses Nr. 3 einen "Textvorschlag" für die Art. 27 ff B‑VG übernommen habe. Ich habe – zumindest den ersten Teil – meiner Tätigkeit abgeschlossen und übermittle Dir beiliegend das Ergebnis. Dazu möchte ich aber folgende Anmerkungen machen:

·         In der linken Spalte findest Du den geltenden Verfassungstext, von dem ich – subjektiv – der Meinung bin, dass er in der künftigen Verfassung Aufnahme finden soll. An den verba legalia des B-VG habe ich nur dort, wo dies unbedingt erforderlich erscheint, Änderungen vorgenommen. Diese "neuen" Textpassagen sind rot gedruckt.

·         In der mittleren Spalte befindet sich der geltende Verfassungstext, der in die neu zu schaffenden oder bestehenden 2/3-Mehrheitsgesetze Aufnahme finden soll. Sind diese Bestimmungen bereits in geltenden Gesetzen enthalten (insbesondere GOG NR), so ist dies gesondert angemerkt.

·         In der rechten Spalte finden sich die aus meiner Sicht notwendigen Anmerkungen.

·         In Deinem Brief verweist Du auf die von mir übernommene Arbeit beginnende mit Art. 27 B-VG. Ich habe einerseits bereits bei Art. 26 begonnen, aber – eher willkürlich – mit Art. 33 B-VG geendet. Mir ist klar, dass diese Arbeit auch in den nachfolgenden Bestimmungen über den Bundesrat und die Bundesversammlung und letztendlich bis zum Art. 59b B-VG fortzusetzen wäre. Im Hinblick auf den Umfang dieser Arbeiten erschiene es mir aber sinnvoll, vorerst einmal eine Diskussion über die vorbereiteten Unterlagen über den Nationalrat abzuführen. Erst wenn Klarheit über die sich hiebei ergebende Systematik besteht, können die erwähnten weiteren Arbeiten sinnvoll geleistet werden.

·         Letztlich erscheint klar, dass bei einer Neufassung der Art. 26 bis 59b B-VG auch die Gesetzesbegriffe teilweise geändert werden müssen. Im Interesse einer leichteren Entscheidbarkeit habe ich diesbezüglich jedoch keine Änderungen vorgenommen, sondern bin weitgehend beim bestehenden Verfassungstext verblieben. Diese sprachlichen Bereinigungen sind zudem wohl erst möglich, wenn ein neuer Verfassungstext samt Nebengesetzen im Lichte der Arbeitsergebnisse der übrigen Ausschüsse formuliert wird.

In der Hoffnung, eine taugliche Arbeitsgrundlage für die Arbeit Deines Ausschusses geleistet zu haben verbleibe ich

mit den besten Grüßen

Dr. Peter Kostelka e.h.

 

BUNDES-VERFASSUNGSGESETZ

          Verfassung                            2/3-Mehrheitsgesetz[107]                                                         Bemerkungen

Artikel 26

(1) Der Nationalrat (Art. X), die Landtage (Art. XX) und die Gemeinderäte (Art. XXX) werden wird vom Bundesvolk auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechtes, ... ......... .........  .............................. ........................ .......... ......... nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Durch Bundesgesetz werden die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren zum Nationalrat getroffen. Jene zu den Landtagen und den Gemeinderäten werden durch die Landtags- und Gemeinderatswahlordnungen getroffen. Sie dürfen jedoch die Bedingungen für die Ausübung des Wahlrechtes nicht enger ziehen als dieses Bundesgesetz und das Wahlrechtsgrundsatzgesetz[108][2]. Dieses kann vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Drittel der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. Gleiches gilt für die von den Landtagen zu beschließenden Landtags- und Gemeinderatswahlordnungen.

 

 

 

... der Männer und Frauen, die vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben, ...

 

 

 

Ziel ist eine kurze Wahlrechts-Zielbestimmung für alle direkt gewählten allgemeinen Vertretungskörper am Beginn der Verfassung (ev. Art 1 Abs 2). Daher sind in diese Bestimmung auch die Regelungen von Art 95 (Landtage) und 117 (Gemeinderäte) zu integrieren. Gegebenenfalls kann auch die Altersgrenze im das WahlrechtsgrundsatzG übernommen werden

 

          Verfassung                             2/3-Mehrheitsgesetz1                                   Bemerkungen

 

 

(2) Das Bundesgebiet wird in räumlich geschlossene Wahlkreise geteilt, deren Grenzen die Landesgrenzen nicht schneiden dürfen; diese Wahlkreise sind in räumlich geschlossene Regionalwahlkreise zu untergliedern. Die Zahl der Abgeordneten wird auf die Wahlberechtigten der Wahlkreise (Wahlkörper) im Verhältnis der Zahl der Staatsbürger, die nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung im jeweiligen Wahlkreis den Hauptwohnsitz hatten, vermehrt um die Zahl der Staatsbürger, die am Zähltag im Bundesgebiet zwar nicht den Hauptwohnsitz hatten, aber in einer Gemeinde des jeweiligen Wahlkreises in der Wählerevidenz eingetragen waren, verteilt; in gleicher Weise wird die Zahl der einem Wahlkreis zugeordneten Abgeordneten auf die Regionalwahlkreise verteilt. Die Wahlordnung zum Nationalrat hat ein abschließendes Ermittlungsverfahren im gesamten Bundesgebiet vorzusehen, durch das sowohl ein Ausgleich der den wahlwerbenden Parteien in den Wahlkreisen zugeteilten als auch eine Aufteilung der noch nicht zugeteilten Mandate nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgt. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig.

 

            

          Verfassung                            2/3-Mehrheitsgesetz[109]                                                         Bemerkungen

 

 

(3) Der Wahltag muss ein Sonntag oder ein anderer öffentlicher Ruhetag sein. Treten Umstände ein, die den Anfang, die Fortsetzung oder die Beendigung der Wahlhandlung verhindern, so kann die Wahlbehörde die Wahlhandlung auf den nächsten Tag verlängern oder verschieben.

 

 

 

          Verfassung                            2/3-Mehrheitsgesetz[110]                                 Bemerkungen

 

 

(4) Wählbar sind alle Männer und Frauen, die am Stichtag die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das 19. Lebensjahr vollendet haben.

 

Bleibt in Art 26 Abs 1 die Altersgrenze erhalten, so wäre ihm dieser Absatz als 2. Satz einzufügen. Hiebei wären die Begriffe "Bundesvolk" (Abs 1) und österr. Staatsbürgerschaft (Abs 4) zu vereinheitlichen.

 

 

 

(5) Die Ausschließung vom Wahlrecht und von der Wählbarkeit kann nur die Folge einer gerichtlichen Verurteilung sein.

 

Bei unveränderter Übernahme von Art 26 Abs 1 und 4 in die Verfassung sollte auch dieser Absatz in die Verfassung.

          Verfassung                            2/3-Mehrheitsgesetz[111]                                                                            Bemerkungen

 

 

(6) Zur Durchführung und Leitung der Wahlen zum Nationalrat, der Wahl des Bundespräsidenten und von Volksabstimmungen sowie zur Mitwirkung bei der Überprüfung von Volksbegehren und Volksbefragungen sind Wahlbehörden zu bestellen, denen als stimmberechtigte Beisitzer Vertreter der wahlwerbenden Parteien anzugehören haben, bei der Bundeswahlbehörde überdies Beisitzer, die dem richterlichen Stand angehören oder angehört haben[112][5]. Die in der Wahlordnung festzusetzende Anzahl dieser Beisitzer ist - abgesehen von den dem richterlichen Berufsstande entstammenden Beisitzern - auf die wahlwerbenden Parteien nach ihrer bei der letzten Wahl zum Nationalrat festgestellten Stärke aufzuteilen. Die Stimmabgabe im Ausland bei Wahlen zum Nationalrat, der Wahl des Bundespräsidenten sowie bei Volksabstimmungen muss nicht vor einer Wahlbehörde erfolgen. Die näheren Bestimmungen über die Stimmabgabe im Ausland können vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

 

 

 

 

          Verfassung                            2/3-Mehrheitsgesetz[113]                                                                            Bemerkungen

 

 

(7) Die Wählerverzeichnisse werden von den Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich angelegt.

 

 

          Verfassung                            2/3-Mehrheitsgesetz[114]                                                                            Bemerkungen

Artikel 27

 

(1) Die Gesetzgebungsperiode des Nationalrates dauert vier Jahre, vom Tag seines ersten Zusammentrittes an gerechnet, jedenfalls aber bis zu dem Tag, an dem der neue Nationalrat zusammentritt.

 

 

 

 

Auch diese Bestimmung könnte in die GOG NR aufgenommen werden. Sie betrifft aber den Parlamentarismus so zentral, dass sie in der Verfassung verbleiben sollte.

 

 

 

(2) Der neugewählte Nationalrat ist vom Bundespräsidenten längstens innerhalb dreißig Tagen nach der Wahl einzuberufen. Diese ist von der Bundesregierung so anzuordnen, dass der neugewählte Nationalrat am Tag nach dem Ablauf des vierten Jahres der Gesetzgebungsperiode zusammentreten kann.[115]

 

 

Der erste Satz von Abs 2 ist weitgehend ident in § 3 Abs 1 GOG NR enthalten. Der 2. Satz sollte Aufnahme in das WahlrechtsgrundsatzG finden, da er systematisch nicht in das GOG NR passt.

          Verfassung                             2/3-Mehrheitsgesetz1                                   Bemerkungen

 

Artikel 28

(1) Der Bundespräsident beruft den Nationalrat in jedem Jahr zu einer ordentlichen Tagung ein, die nicht vor dem 15. September beginnen und nicht länger als bis zum 15. Juli des folgenden Jahres währen soll.2

 

 

Wortident bereits in § 46 Abs 1 GOG NR enthalten.

          Verfassung                             2/3-Mehrheitsgesetz1                                   Bemerkungen

 

 

(2) Der Bundespräsident kann den Nationalrat auch zu außerordentlichen Tagungen einberufen. Wenn es die Bundesregierung oder mindestens ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates oder der Bundesrat verlangt, ist der Bundespräsident verpflichtet, den Nationalrat zu einer außerordentlichen Tagung einzuberufen, und zwar so, dass der Nationalrat spätestens binnen zwei Wochen nach Eintreffen des Verlangens beim Bundespräsidenten zusammentritt; die Einberufung bedarf keiner Gegenzeichnung. Zur Einberufung einer außerordentlichen Tagung auf Antrag von Mitgliedern des Nationalrates oder auf Antrag des Bundesrates ist ein Vorschlag der Bundesregierung nicht erforderlich.2

 

 

Wortident bereits in § 46 Abs 2 – mit Ausnahme der Worte: "die Einberufung bedarf keiner Gegenzeichnung" (2. Satz letzter Absatz) enthalten.

                                                   

 

(3) Der Bundespräsident erklärt die Tagungen des Nationalrates auf Grund Beschlusses des Nationalrates für beendet.2

 

 

Weitgehend wortident in § 46 Abs 3 GOG NR enthalten.

                                                   

 

4) Bei Eröffnung einer neuen Tagung des Nationalrates innerhalb der gleichen Gesetzgebungsperiode werden die Arbeiten nach dem Stand fortgesetzt, in dem sie sich bei der Beendigung der letzten Tagung befunden haben. Bei Beendigung einer Tagung können einzelne Ausschüsse vom Nationalrat beauftragt werden, ihre Arbeiten fortzusetzen.

 

 

Weitgehend wortident – mit Ausnahme des letzten Satzes – bereits in § 46 Abs 2 GOG NR enthalten.

 

          Verfassung                            2/3-Mehrheitsgesetz[116]                                 Bemerkungen

 

 

(5) Innerhalb einer Tagung beruft der Präsident des Nationalrates die einzelnen Sitzungen ein. Wenn innerhalb einer Tagung die im Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates festgesetzte Anzahl der Mitglieder des Nationalrates oder die Bundesregierung es verlangt, ist der Präsident verpflichtet, eine Sitzung einzuberufen. Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates, das auch eine Frist festzusetzen hat, innerhalb derer der Nationalrat zusammenzutreten hat.

 

 

Wenn auch detaillierter in § 46 Abs 5 bis 7 GOG NR enthalten.

 

 

 

(6) Für den Fall, dass die gewählten Präsidenten des Nationalrates an der Ausübung ihres Amtes verhindert oder deren Ämter erledigt sind, hat das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates Sonderbestimmungen über die Einberufung des Nationalrates zu treffen.

 

 

Diese Bestimmung ist in § 6 Abs 2 GOG NR enthalten und wird dort näher ausgeführt.

 

        Verfassung                            2/3-Mehrheitsgesetz[117]                                                                            Bemerkungen

Artikel 29

 

(1) Der Bundespräsident kann den Nationalrat auflösen, er darf dies jedoch nur einmal aus dem gleichen Anlass verfügen. ......................................... ................................................................. ........ .. ..................................... .................................... .. .......................................................

 

 

 

 

 

Die Neuwahl ist in diesem Fall von der Bundesregierung so anzuordnen, dass der neugewählte Nationalrat längstens am hundertsten Tag nach der Auflösung zusammentreten kann.

 

Vorerst wäre die Frage zu beantworten, ob diese Bestimmung weiterhin bestehen soll. Wenn dies bejaht wird, dann wäre der Platz in der Verfassung dafür zu bestimmen. Viel würde für das Dritte Hauptstück Artikel 60 ff sprechen.

Die Regelung über die Anordnung der Wahl wäre hingegen in ein "WahlrechtsgrundsatzG" zu übernehmen.  

 

 

(2) Vor Ablauf der Gesetzgebungsperiode kann der Nationalrat durch einfaches Gesetz seine Auflösung beschließen.

 

 

 

Das Selbstauflösungsrecht des NR sollte – zur Vermeidung einer e contrario Argumentation – in der Verfassung enthalten bleiben.

 

          Verfassung                            2/3-Mehrheitsgesetz[118]                                                                            Bemerkungen

 

 

(3) Nach einer gemäß Absatz 2 erfolgten Auflösung sowie nach Ablauf der Zeit, für die der Nationalrat gewählt ist, dauert die Gesetzgebungsperiode bis zum Tag, an dem der neugewählte Nationalrat zusammentritt.

 

 

 

Artikel 30

 

(1) Der Nationalrat wählt aus seiner Mitte den Präsidenten, den zweiten und dritten Präsidenten.

 

 

 

Wortident – mit Ausnahme der Schreibweise – in § 5 Abs 1 enthalten. Da dem Präsidium des NR in der Verfassung Staatsaufgaben zugewiesen werden (zB Vertretung des Bundespräsidenten gem. Art 64 B-VG) muss es wohl auch durch die Verfassung eingerichtet werden.

 

          Verfassung                            2/3-Mehrheitsgesetz[119]                                                                            Bemerkungen

 

2) Die Geschäfte des Nationalrates und des Bundesrates werden auf Grund eines besonderer Bundesgesetze geführt. Das Bundesgesetz, betreffend die Geschäftsordnung des, kann nur bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. Dies gilt auch für die Beschlussfassung der Geschäftsordnung des Bundesrates, bei der dem Nationalrat kein Mitwirkungsrecht zukommt[120].

 

 

 

Verfassungsgesetzlich muss das Erfordernis der 2/3-Mehrheit verankert werden. Dies wäre auch für den Bundesrat notwendig, der jedoch gemäß Art 37 Abs 2 noch eine nicht in Gesetzesrang stehende "autonome" GO besitzt. Offensichtlich soll auf diese Weise verhindert werden, dass dem NR hiebei ein Mitwirkungsrecht zukommt. Dies könnte aber auch ausdrücklich geregelt werden.

  

 

(3) Zur Unterstützung der parlamentarischen Aufgaben und zur Besorgung der Verwaltungsangelegenheiten im Bereich der Organe der Gesetzgebung des Bundes sowie gleichartiger Aufgaben und Verwaltungsangelegenheiten, die die von der Republik Österreich entsendeten Abgeordneten zum Europäischen Parlament betreffen, ist die Parlamentsdirektion berufen, die dem Präsidenten des Nationalrates untersteht. Für den Bereich des Bundesrates ist die innere Organisation der Parlaments­direktion im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des Bundesrates zu regeln, dem bei Besorgung der auf Grund dieses Gesetzes dem Bundesrat übertragenen Aufgaben auch das Weisungsrecht zukommt. Näheres bestimmen die Gesetze gemäß Absatz 2.

 

 

Art 69 Abs. 1 ließe den Schluss zu, dass es keine autonome Parlamentsverwaltung geben darf. Wird dies so gesehen, wäre verfassungsrechtlich vorzukehren. Dies könnte aber auch durch eine kurze Erwähnung in Art. 69 erfolgen.

 

          Verfassung                             2/3-Mehrheitsgesetz1                                   Bemerkungen

 

 

(4) Dem Präsidenten des Nationalrates stehen insbesondere auch die Ernennung der Bediensteten der Parlamentsdirektion und alle übrigen Befugnisse in Personalangelegenheiten dieser Bediensteten zu.

 

 

  

 

(5) Der Präsident des Nationalrates kann den parlamentarischen Klubs zur Erfüllung parlamentarischer Aufgaben Bedienstete der Parlamentsdirektion zur Dienstleistung zuweisen.

 

 

 

          Verfassung                            2/3-Mehrheitsgesetz[121]                                                                            Bemerkungen

 

 

(6) Bei der Vollziehung der nach diesem Artikel dem Präsidenten des Nationalrates zustehenden Verwaltungsangelegenheiten ist dieser oberstes Verwaltungsorgan und übt diese Befugnisse allein aus. Die Erlassung von Verordnungen steht dem Präsidenten des Nationalrates insoweit zu, als diese ausschließlich in diesem Artikel geregelte Verwaltungsangelegenheiten betreffen.

 

 

  

 

 

Artikel 31

 

Zu einem Beschluss des Nationalrates ist, soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt oder im Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates für einzelne Angelegenheiten nicht anderes festgelegt ist, die Anwesenheit von mindestens einem Drittel der Mitglieder und die unbedingte Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. 

 

Ausgeführt in § 82 GOG NR

 

          Verfassung                            2/3-Mehrheitsgesetz[122]                                                                            Bemerkungen

 

Artikel 32

 

(1) Die Sitzungen des Nationalrates sind öffentlich.

 

 

 

Wortident in § 47 Abs 1 GOG NR enthalten.

  

 

(2) Die Öffentlichkeit wird ausgeschlossen, wenn es vom Vorsitzenden oder von der im Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates festgesetzten Anzahl der Mitglieder verlangt und vom Nationalrat nach Entfernung der Zuhörer beschlossen wird.

 

 

In § 47 Abs 2 und 3 GOG NR enthalten.

 

Artikel 33

 

Wahrheitsgetreue Berichte über die Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Nationalrates und seiner Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortung frei.

 

 

 

Muss als Kernbestimmung der beruflichen Immunität und aus Gründen einer möglichen "Gleichheitswidrigkeit" in der Verfassung verbleiben.

 

 

 

3.5       Matzka Manfred, Dr.

3.5.1   Stellungnahme Mandat

Eingebracht im Ausschuss 3, 2. Sitzung, 14.10.2003

 

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

lieber Freund!

 

In Beantwortung Deines Schreibens vom 17. September 2003 darf ich Dir nach­stehend zum Mandat für den Ausschuss 3 des Österreich-Konvents folgende inhaltliche Stellungnahme übermitteln:

 

I. Bund

Ich rate davon ab, zu viel Aufwand auf die Beschäftigung mit der Zahl der Mitglieder des Nationalrates und ähnlichen Organisationsfragen zu richten. Hier sind die Reformen optischer Natur, bringen aber in Wirklichkeit für das gesamte Staatsgefüge keinen Gewinn. In ähnlicher Weise sehe ich die Frage nach dem Kreis der Wahlberechtigten: Auch hier ist das Thema zwar für die Medien interessant, in Wirklichkeit aber eine von der Staatsbürgerschaft abweichende Festlegung so wenig konsensfähig, dass man sich damit nicht auseinander setzen sollte.

 

Ich halte es aber für sehr notwendig und zweckmäßig, sich mit dem Bundesrat zu befassen: Die Kritik an der derzeitigen Organisationsform dieser Einrichtung ist allseits bekannt. Ich würde mich dafür einsetzen, jene Vorschläge aufzugreifen, die den Bundesrat zu einer realistischen Repräsentanz der Machtträger in den Ländern umorganisieren wollen. Um es auf einen einfachen Punkt zu bringen: Die derzeitige Mitwirkung des Bundesrates an der Bundesgesetzgebung ist weitestgehend obsolet und braucht nicht weiter aufrecht erhalten zu werden. Für eine vernünftige Bund-Länder-Koordinierung wäre es aber sehr nützlich, wenn der Bundesrat die Funktion der Landeshauptleutekonferenz, der Landesfinanzreferentenkonferenz, ... übernehmen könnte. Dies würde bedeuten, dass die Landesregierungsmitglieder das Recht erhalten müssten, die dem Land zustehenden Sitze im Bundesrat mit Stimmrecht wahrzunehmen, was insbesondere für die Ausschüsse gelten könnte: Damit würde der „Hautpausschuss des Bundesrates“ mit der Landeshauptleute­konferenz ident sei, der „Finanz- und Budgetausschuss“ mit der Landesfinanz­referentenkonferenz, .... Wenn man dann noch den Schritt machte, festzulegen, dass ausschließlich Landeregierungsmitglieder und Landtagsabgeordnete Bundesräte sein dürfen, könne man sogar noch zu einem beträchtlichen Einsparungseffekt und reichert auch die Tätigkeit der Landtagsabgeordneten an, was wohl auch nicht ganz unsinnig ist.

 

In der Diskussion über die Exekutive des Bundes möchte ich mich dafür einsetzen, in keine eingehende Debatte über Kompetenzen und die Institution des Bundespräsidenten einzutreten und auch bei der Bundesregierung sich ausschließlich auf einige wenige Detailfragen im Kontext der Geschäftsordnung zu konzentrieren, wo Reformen, die nahe liegen, rasch und einhellig verabschiedet werden können.

 

II. Länder

Ich werde mich dafür einsetzen, hier in eine intensive Diskussion über die Aufgaben der Landtage einzutreten. Es ist ja doch evident, dass die Landtage derzeit, wo sie sich im wesentlichen auf die Landesgesetzgebung zu konzentrieren haben, wenig ausgelastet sind und damit in den Augen der Allgemeinheit ihre Funktion nur sehr unbefriedigend erfüllen. Hier wäre doch wohl im Zusammenhang mit einer Gesamtstaatsreform darüber nachzudenken, welche Rechte die Landtage etwa im Rahmen der Vollziehung von Bundesgesetzen erhalten können: Wenn das Gesamtkonzept dahin geht, die Gesetzgebung beim Bund zu konzentrieren, dann sollte dies zur Konsequenz haben, dass den Ländern breitere Verordnungsspiel­räume eingeräumt werden. Diese könnten dann von den Landtagen ausgefüllt werden, die somit bei der generell-abstrakten Normsetzung eine wichtige zusätzliche Rolle erhalten sollten.

 

Im Zusammenhang mit der Landesexekutive wird ebenfalls die Konsequenz einer Gesamtstaatsreform zu beachten sein, die insbesondere sich dahin auswirken wird, auf Landesebene das System der Ministerverantwortlichkeit, also das Ressortprinzip festzulegen. Wenn die mittelbare Bundesverwaltung in ihrer derzeitigen Ausprägungsform beseitigt werden soll – und vieles spricht dafür -, dann ist damit auch die Rolle des Landeshauptmannes als alleinige Drehscheibe der mittelbaren Bundesverwaltung obsolet. Das Ressortprinzip und die jeweilige Ministerverant­wortlichkeit könnte sich dann vom Ressortminister auf Bundesebene über das zuständige Landesregierungsmitglied erstrecken.

 

III. Gemeinden

Das wichtigste Kapitel in diesem Zusammenhang scheint mir die Frage zu sein, welche Relation zwischen Gemeindeverwaltung und Bezirksverwaltung bestehen soll. Hier geht die Tendenz doch wohl in die Richtung, Verdoppelungen von Zuständigkeiten zu vermeiden, Kompetenz dort anzulagern, wo sie auch sachgerecht wahrgenommen werden können und Gemeinden nicht mit Fragen zu überfordern, die auf Gemeindeebene schwer lösbar sind. Ganz konkret möchte ich mich dafür aussprechen, die Bevölkerungsgrenzen für Staturstädte abzusenken (beispielsweise auf 10.0000) und die Möglichkeiten der Gemeinden auszubauen, sich im Rahmen eines politischen Bezirks zu Gemeindeverbänden zusammen zu schließen, die insbesondere verwaltungsbehördliche Aufgaben wahrnehmen, wo rechtskundliche Beamte erforderlich sind.

 

Zu den übrigen Kapiteln der Themenliste des Ausschusses habe ich nur ganz wenige Bemerkungen:

 

Aus meiner ganzen bisherigen beruflichen Erfahrung stehe ich dem Instrument der 15a-Vereinbarung sehr skeptisch gegenüber und halte nichts von einem Ausbau dieses Instruments.

 

Ich erwarte mir auch keine besonderen Fortschritte aus einer Diskussion über die Neuformulierung des Art. 18 B-VG, außer in einem einzigen Zusammenhang: Der Spielraum des Verordnungsgebers bei der Vollziehung von Gesetzen kann und soll dann ausgeweitet werden, wenn der Verordnungsgeber ein demokratisch legitimiertes Organ ist.

 

Bei diesen Bemerkungen will ich es für heute bewenden lassen und bleibe

 

mit den besten Grüßen

                                                                   Dr. Matzka

 

 

3.6       Schnizer Johannes, Dr.

3.6.1   Textvorschlag Gemeinden

Eingebracht im Ausschuss 3, 9. Sitzung, 21.9.2004

 

 

Vorschlag zur Neuregelung des Gemeinderechts

auf Basis der Vorschläge des Städtebundes

unter Schaffung einer Region mit eigenem Statut

 

Artikel 115. (1). Jedes Land gliedert sich in Gemeinden. Die Gemeinde ist Gebietskörperschaft mit dem Recht auf Selbstverwaltung und zugleich Verwaltungssprengel. Jedes Grundstück muss zu einer Gemeinde gehören. Veränderungen im Bestand von Gemeinden bedürfen Volksabstimmungen in jeder der betroffenen Gemeinde.

 
(2) Der Wirkungsbereich der Gemeinde ist ein eigener (Art. 116) und ein vom Bund oder vom Land übertragener (Art. 117). [Die Zuständigkeit zur Regelung der gemäß den Art. . . .  von den Gemeinden zu besorgenden Angelegenheiten bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften dieses Bundesverfassungsgesetzes.][123]
 
<Variante: 
(2) Die Gemeinde vollzieht innerhalb ihres Wirkungsbereiches Bundes- oder Landesgesetze. Ihr Wirkungsbereich ist ein eigener (Art. 117) und ein vom zuständigen Gesetzgeber übertragener (Art. 118).>
 
(3) Die Gemeinde ist selbständiger Wirtschaftskörper. Sie hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie [im Rahmen der Finanzverfassung][124] ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben.

 

(4) Der Österreichische Gemeindebund und der Österreichische Städtebund sind berufen, die Interessen der Gemeinden zu vertreten.

 

Artikel 116. (1) Als Organe der Gemeinde sind jedenfalls vorzusehen:
               a) der Gemeinderat als oberstes Organ, dem die anderen Organe verantwortlich sind,
               b) der Gemeindevorstand [(Stadtrat), bei Städten mit eigenem Statut der Stadtsenat][125];
               c) der Bürgermeister.
               (2) Volksabstimmungen sind in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches zulässig.
               (3) Der Gemeinderat ist von den Gemeindebürgern nach den für allgemeine Vertretungskörper geltenden Vorschriften zu wählen.[126] Die Bedingungen des Wahlrechtes dürfen nicht enger gezogen werden als die zum Landtag. Bürger der Europäischen Union sind wahlberechtigt. 
               (4) Die Sitzungen des Gemeinderates sind grundsätzlich öffentlich. Wenn der Gemeindevoranschlag oder der Gemeinderechnungsabschluss behandelt wird, darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden. Zu einem Beschluss des Gemeinderates ist - sofern Beschlussfähigkeit gegeben und für bestimmte Angelegenheiten nichts anderes vorgesehen ist - die einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder erforderlich.
               (5) Im Gemeinderat vertretene Wahlparteien haben nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand.
               (6) Der Bürgermeister wird vom Gemeinderat gewählt. Die Landesverfassung kann die Wahl des Bürgermeisters durch die zum Gemeinderat Wahlberechtigten vorsehen.
               (7) Die Geschäfte der Gemeinden werden durch das Gemeindeamt (Stadtamt), [jene der Städte mit eigenem Statut durch den Magistrat] besorgt. [Zum Leiter des inneren Dienstes des Magistrates ist ein rechtskundiger Verwaltungsbeamter als Magistratsdirektor zu bestellen.][127]

 

Artikel 117. (1) Der eigene Wirkungsbereich umfasst die Privatwirtschaftsverwaltung (Art. 17, Art. 115 Abs. 3) und alle sonstigen Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die Gesetze haben derartige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu bezeichnen.
               (2) Die Gemeinde vollzieht im eigenen Wirkungsbereich jedenfalls folgende Angelegenheiten:
               1. Bestellung der Gemeindeorgane unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Wahlbehörden; Regelung der inneren Einrichtungen zur Besorgung der Gemeindeaufgaben;
               2. Bestellung der Gemeindebediensteten und Ausübung der Diensthoheit unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Disziplinar-, Qualifikations- und Prüfungskommissionen;
               3. örtliche Sicherheitspolizei (Art. 15 Abs. 2), örtliche Veranstaltungspolizei;
               4. Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde, örtliche Straßenpolizei;
               5. Flurschutzpolizei;
               6. örtliche Marktpolizei;
               7. örtliche Gesundheitspolizei, insbesondere auch auf dem Gebiet des Hilfs- und Rettungswesens sowie des Leichen- und Bestattungswesens;
               8. Sittlichkeitspolizei;
               9. örtliche Baupolizei, soweit sie nicht bundeseigene Gebäude, die öffentlichen Zwecken dienen (Art. 15 Abs. 5) zum Gegenstand hat; örtliche Feuerpolizei; örtliche Raumplanung;
               10. öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten;
               11. freiwillige Feilbietungen beweglicher Sachen.
               (3) Die Gemeinde hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen zu besorgen.[128] Dem Bund und dem Land kommt gegenüber der Gemeinde bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches ein Aufsichtsrecht (Art. ..) zu.
               (4) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hat die Gemeinde das Recht, Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr und Beseitigung von Gefahren und Missständen, [soweit dies im öffentlichen Interesse gelegen ist,][129] zu erlassen. Die Gemeinde kann die Übertretung solcher Verordnungen zu Verwaltungsübertretungen erklären und Strafbestimmungen [bis zu einer gesetzlich festzulegenden Strafhöhe][130] erlassen. Die Gemeinde ist berechtigt, auch Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt anzuordnen und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der öffentlichen Aufsicht zur Mitwirkung an der Vollziehung zu ermächtigen. [Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze des Bundes und des Landes verstoßen.][131]
               (5) Die Gemeinde kann die Besorgung einzelner Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches auf eine andere Behörde übertragen. Die Übertragung erfolgt durch Verordnung der Gemeinde, die der Zustimmung des obersten Organs bedarf, das für die Behörde zuständig ist, auf die die Angelegenheit übertragen wird.[132][ Eine solche Verordnung kann die Gemeinde jederzeit wieder aufheben. Die Übertragung erstreckt sich nicht auf das Verordnungsrecht nach Abs. 6.
               (6) Die Errichtung und Organisation eines Gemeindewachkörpers erfolgt durch Verordnung der Gemeinde. Durch Gesetz[133] wird bestimmt, welche Befugnisse über die Mitwirkung an der Vollziehung von Verordnungen gem. Abs. 4 hinaus die zuständige Behörde auf Gemeindewachkörper mit Zustimmung der Gemeinde übertragen kann. 

 

               Artikel 119. (1) Der übertragene Wirkungsbereich umfasst die Angelegenheiten, die die Gemeinde nach Maßgabe der Bundesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Bundes oder nach Maßgabe der Landesgesetze im Auftrag und nach den Weisungen des Landes zu besorgen hat.
               (2) Die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches werden vom Bürgermeister besorgt. Er ist hiebei in den Angelegenheiten der Bundesvollziehung an die Weisungen der zuständigen Organe des Bundes,  in den Angelegenheiten der Landesvollziehung an die Weisungen der zuständigen Organe des Landes gebunden und nach Abs. 4 verantwortlich.
               (3) Der Bürgermeister kann einzelne Gruppen von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches - unbeschadet seiner Verantwortlichkeit - wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches Mitgliedern des Gemeindevorstandes (Stadtrates, Stadtsenates), anderen nach Art. 117 Abs. 1 geschaffenen Organen oder bei Kollegialorganen deren Mitgliedern zur Besorgung in seinem Namen übertragen. In diesen Angelegenheiten sind die betreffenden Organe oder deren Mitglieder an die Weisungen des Bürgermeisters gebunden und nach Abs. 4 verantwortlich. 
               (4) Wegen einer schuldhaften Rechtsverletzung oder Nichtbefolgung einer Weisung können die in Abs. 2 und 3 genannten Organe auf Antrag des zuständigen obersten Organs vom Verfassungsgerichtshof ihres Amtes enthoben werden. Die allfällige Mitgliedschaft einer solchen Person zum Gemeinderat wird hiedurch nicht berührt.

 

Artikel 119. (1) Der Bund und das Land üben das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahin aus, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt.
               (2) Das Land hat das Recht, die Gebarung von Gemeinden, die nicht der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Bürgermeister zur Vorlage an den Gemeinderat zu übermitteln. Der Bürgermeister hat die auf Grund des Überprüfungsergebnisses getroffenen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten dem Land mitzuteilen.
               (3) Das Aufsichtsrecht und dessen gesetzliche Regelung stehen, insoweit als der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde Angelegenheiten aus dem Bereich der Bundesvollziehung umfasst, dem Bund, im Übrigen den Ländern zu.
               (4) Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, sich über jedwede Angelegenheit der Gemeinde zu unterrichten. Die Gemeinde ist verpflichtet, die von der Aufsichtsbehörde im einzelnen Fall verlangten Auskünfte zu erteilen und Prüfungen an Ort und Stelle vornehmen zu lassen.
               (7) Sofern die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) als Aufsichtsmittel die Auflösung des Gemeinderates vorsieht, kommt diese Maßnahme dem zuständigen obersten Organ zu. Die Zulässigkeit der Ersatzvornahme als Aufsichtsmittel ist auf die Fälle unbedingter Notwendigkeit zu beschränken. Die Aufsichtsmittel sind unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu handhaben.
               (8) Einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die auch überörtliche Interessen in besonderem Maß berührt werden, insbesondere solche von besonderer finanzieller Bedeutung, können durch die zuständige Gesetzgebung  (Abs. 3) an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden. Als Grund für die Versagung der Genehmigung darf nur ein Tatbestand vorgesehen werden, der die Bevorzugung überörtlicher Interessen eindeutig rechtfertigt.
               (9) Die Gemeinde hat im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung; sie ist berechtigt, gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144) Beschwerde zu führen.
 
               Artikel 120. (1) Einer Gemeinde mit mindestens 10 000 Einwohnern kann, einer solchen mit mindestens 20 000 Einwohnern muß auf ihren Antrag durch Landesgesetz ein eigenes Statut (Stadtrecht) verliehen werden. Eine Stadt mit eigenem Statut hat neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch die der Bezirksverwaltung zu besorgen

          (2) Gemeinden können sich zur Besorgung der Angelegenheiten der Bezirksverwaltung und zur gemeinsamen Besorgung von Angelegenheiten des eigenen oder des übertragenen Wirkungsbereiches durch Vereinbarung zu Regionen mit eigenem Statut zusammenschließen. Abs. 1 und 5 gelten sinngemäß. Durch Landesgesetz können mit Zustimmung der Regione weitere Gemeinden einbezogen werden, wenn dies der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung dient. Das Statut hat als oberstes Organ ein von den Gemeindebürgern der beteiligten Gemeinden zu wählenden Regionalrat und als ausführendes Organ eine/n von den Gemeindebürgern oder dem Regionalrat zu wählende/n Vorsitzende/n der Region vorzusehen, der/die die Angelegenheiten der Bezirksverwaltung führt. Art. 118 Abs. 2 und 4 sind auf ihn anzuwenden.

          (3) Zur gemeinsamen Besorgung von Angelegenheiten gleichartiger Aufgabengebiete des eigenen oder des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde können sich Gemeinden, durch Vereinbarung zu Gemeindeverbänden zusammenschließen, deren örtlicher Wirkungsbereich auch Bezirks- und Landesgrenzen überschreiten darf.

          (4) Im Interesse der Zweckmäßigkeit kann durch Bundes- oder Landesgesetz die Bildung von Gemeindeverbänden zur gemeinsamen Besorgung von Angelegenheiten gleichartiger Aufgabengebiete des eigenen oder des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde vorgesehen werden. Dabei darf die Funktion der Gemeinden als Selbstverwaltungskörper und Verwaltungssprengel nicht gefährdet werden. Werden Gemeindeverbände unmittelbar durch die Gesetzgebung oder durch die Vollziehung eingerichtet, sind die beteiligten Gemeinden vor Kundmachung des Gesetzes oder vor Erlassung des Verwaltungsaktes zu hören.

          (5) [Die Organisation der Gemeindeverbände wird durch Landesgesetz geregelt.][134] Den verbandsangehörigen Gemeinden ist ein maßgebender Einfluss auf die Besorgung der Aufgaben der Gemeindeverbände einzuräumen. Für Gemeindeverbände, die durch Vereinbarung geschaffen werden, sind Bestimmungen über den Beitritt und den Austritt von Gemeinden sowie über die Auflösung des Gemeindeverbandes zu treffen. Als Organe sind jedenfalls eine Verbandsversammlung, die aus gewählten Vertretern aller verbandsangehörigen Gemeinden zu bestehen hat, und ein/e Vorsitzende/r der Verbandsversammlung vorzusehen. Länderübergreifende Gemeindeverbände bedürfen einer Vereinbarung gem. Art. 15a zwischen den betreffenden Ländern, in der auch die Vorgangsweise bei Weisungskonflikten zu regeln ist.

               (6) Die Gemeinden haben das Recht, im Interesse der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der Besorgung von Angelegenheiten des eigenen und übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde sich auch anderer Formen der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, wie der Bildung von Verwaltungsgemeinschaften, zu bedienen
               (10) Art. 119 ist auf die Aufsicht über Regionen und Gemeindeverbände sinngemäß anzuwenden.
 

 


 

3.6.2   Legalitätsprinzip

Eingebracht im Ausschuss 3

 

 

Art. 18 Abs. 1 bis 3 lauten:

 

„Artikel 18. (1) Die gesamte Vollziehung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. Das Erfordernis ihrer Bestimmtheit hängt vom Ausmaß des Eingriffs in Rechte [von Personen] und davon ab, inwieweit die Mitwirkung der Betroffenen im Verfahren eine sachgerechte Entscheidung gewährleistet.

 

(2) Jede Verwaltungsbehörde kann auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen und darüber hinaus, sofern sie hiezu ausdrücklich durch Gesetz ermächtigt wird und die Ziele der Regelung im Gesetz ausreichend bestimmt sind. Verordnungen haben ihre gesetzliche Grundlage anzuführen.

 

(3) Die Organisation der Verwaltung [mit Ausnahme des Rechtszuges] bedarf keiner gesetzlichen Grundlage, sofern disee Bundesverfassung nichts anderes bestimmt.“

 

Die Abs. 3 bsi 5 des Art. 18 erhalten die Absatzbezeichnung „(4)“, „(5)“ und „(6)“.

 


 

4              Ausschuss 4 – Grundrechtskatalog

 

4.1       Das Sozialdemokratische Grundrechtsforum

4.1.1   Bericht über das Sozialdemokratische Grundrechtsforum

Das Sozialdemokratische Grundrechtsforum wurde am 12. Dezember 2003 ins Leben gerufen. An diesem Tag wurde ein Entwurf eines vollständigen, neuen Grundrechtskatalogs vorgestellt. Dieser Entwurf wurde bis zum Sommer 2004 im Sozialdemokratischen Grundrechtsforum unter Einbeziehung einer breiten Öffentlichkeit diskutiert und weiterentwickelt.

 

Über eine öffentliche Internetseite (www.grundrechtsforum.spoe.at) sind etwa 200 Anregungen und Kommentare zu diesem Entwurf eingegangen. Diese wurden unter Leitung eines wissenschaftlichen Beirates in sechs öffentlichen Sitzungen (12. Dezember 2003, 6. Februar, 19. März, 23. April, 19. Mai und 25. Juni 2004) debattiert und in den Katalog eingearbeitet. Der Grundrechtskatalog wurde laufend in die Arbeit des Österreich-Konvents eingespeist.

 

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates waren Univ. Prof. Dr. Heinz Barta (Universität Innsbruck), Univ. Prof. Dr. Ulrike Davy (Universität Bielefeld), Univ. Prof. Dr. Stefan Hammer (Universität Wien), Univ. Prof. Dr. Michael Holoubek (Wirtschaftuniversität Wien), Dr. Brigitte Hornyik (Österreichischer Frauenring), Univ. Prof. Dr. Dieter Kolonovits (Universität Wien), Univ. Prof. Dr. Christian Kopetzki (Universität Wien), Univ. Prof. Dr. Franz Merli (Universität Dresden), Univ. Prof. Dr. Gerhard Muzak (Universität Wien), RA Univ. Doz. Dr. Alfred J. Noll (Universität Wien) und Univ. Prof. Dr. Manfred Nowak (Universität Wien).

 

Die im Grundrechtsforum akkordierte Endfassung eines sozialdemokratischen Grundrechtskataloges (siehe 4.1.2.) wurde bei einer wissenschaftlichen Enquete am 19. Oktober 2004 der breiten Öffentlichkeit präsentiert.

 

Auf der Internetseite des Sozialdemokratischen Grundrechtsforums sind die Berichte die Kommentare zu den einzelnen Artikeln des Kataloges, die Berichte der Sitzungen des Grundrechtsforums sowie die Reden der wissenschaftlichen Abschlussveranstaltung abrufbar: www.grundrechtsforum.spoe.at.

 

Ronald Faber

 

 

4.1.2   Grundrechtskatalog des Sozialdemokratischen Grundrechtsforums

Eingebracht im Ausschuss 4

 

 

Grundrechtskatalog

für eine neue

Bundesverfassung der Republik Österreich
(Endfassung vom 14. Juli 2004)

 

Artikel 1. Alle Menschen haben gleiche, angeborene und unveräußerliche Rechte. Sie zu achten, zu gewährleisten und zu schützen, ist vornehmste Aufgabe des Staates. Die Würde des Menschen ist unantastbar.

 

1. Abschnitt: Elementare Menschenrechte

 

Artikel 2. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Leben.

(2) Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.

(3) Ein das Leben gefährdender Eingriff ist nur zulässig, wenn er gesetzlich vorgesehen, unbedingt erforderlich und verhältnismäßig ist,

                                                 1. um andere Menschen vor rechtswidriger Gewaltanwendung zu schützen,

          2. um eine gesetzmäßige Festnahme durchzuführen oder das Entkommen eines gesetzmäßig festgehaltenen Menschen zu verhindern, der eine Gefahr für andere Menschen darstellt.

 

Artikel 2a. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.

(2) Einschränkungen dieses Rechts sind nur unter den Voraussetzungen des Artikel 31 zulässig.

 

Artikel 3.  (1) Jeder Mensch hat das Recht, in Würde zu sterben. Tötung auf Verlangen ist verboten.

(2) Dieses Recht schließt jedenfalls den Anspruch auf Sterbebegleitung und bestmögliche Schmerzbehandlung ein. Die Betreuung durch Angehörige ist unabhängig vom Einkommen zu ermöglichen.

Artikel 4. Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Artikel 5. (1) Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.

(2) Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.

(3) Als Zwangs- oder Pflichtarbeit gilt nicht

1.      jede Arbeit, die normalerweise von einer Person verlangt wird, die unter den verfassungsgesetzlichen Bedingungen in Haft gehalten oder bedingt freigelassen worden ist;

2.      Wehr- oder Zivildienst;

3.      jede Dienstleistung im Fall von Notständen und Katastrophen, die das Leben oder das Wohl der Gemeinschaft bedrohen;

4.      jede Arbeit oder Dienstleistung, die zu den normalen Bürgerpflichten gehört.

(4) Menschenhandel ist verboten.

Artikel 6. (1) Niemand darf in einen Staat verbracht werden, in dem ihr oder ihm die ernstliche Gefahr einer Verletzung elementarer Menschenrechte droht.

(2) Menschen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, haben das Recht auf Aufenthalt.

Artikel 7. Flüchtlinge nach Maßgabe des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 und des Protokolls vom 31. Jänner 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Menschen, die in vergleichbarer Weise verfolgt sind, haben das Recht auf Asyl in Österreich, sofern sie in keinem anderen Staat ausreichend Schutz vor Verfolgung finden.

 

2. Abschnitt: Gleichheitsrechte

 

Artikel 8.  Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Artikel 9. (1) Diskriminierung, insbesondere wegen der Geburt, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, der Rasse, der Hautfarbe, der genetischen Merkmale, einer Behinderung, des Alters, einer Krankheit, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, der Sprache, der Religion, der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, des Vermögens oder der sozialen Stellung, sind verboten.

(2) Der Staat ergreift Maßnahmen, um Diskriminierungen vorzubeugen und sie zu beseitigen.

Artikel 10. (1) Frauen und Männer haben das Recht auf tatsächliche Gleichstellung.

(2) Menschen des benachteiligten Geschlechts haben Anspruch auf Maßnahmen, die bestehende Benachteiligungen beseitigen.

(3) Der Staat ergreift Maßnahmen, um eine wirksame Durchsetzung dieser Rechte zu gewährleisten, insbesondere durch Klagsbefugnisse für Organisationen, die nach ihrem Wirkungsbereich zur Herbeiführung der tatsächlichen Gleichstellung berufen sind.

Artikel 11. (1) Menschen mit Behinderung haben Anspruch auf Maßnahmen, die tatsächliche Benachteiligungen beseitigen und die volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit durch Ausbildung, Arbeit und Teilnahme am politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Gemeinschaft ermöglichen.

(2) Hörbehinderte Menschen (Gehörlose, Ertaubte und Schwerhörige) und sprachbehinderte Menschen haben das Recht, die Österreichische Gebärdensprache oder lautsprachbegleitende Gebärden zu verwenden.

Artikel 12. (1) Jedes Kind hat Anspruch auf Schutz und Fürsorge für sein Wohlergehen und auf bestmögliche individuelle Entwicklung und Entfaltung, auf Freizeit und Spiel. Kinder, die dauernd oder vorübergehend aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, haben Anspruch auf besonderen Schutz und Beistand des Staates.

(2) Jedes Kind hat das Recht auf Partizipation in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten, in einer seinem Alter und seiner Entwicklung entsprechenden Weise.

(3) Das Wohl des Kindes muss bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen staatlicher Organe oder sonstiger öffentlicher oder privater Einrichtungen sozialer Fürsorge eine vorrangige Erwägung sein.

(4) Jedes Kind hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen.

(5) Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, die Zufügung seelischen Leides, sexueller Missbrauch und andere Misshandlungen sind verboten. Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung, einschließlich von Kinderarbeit, Kinderprostitution, Kinderpornographie und Kinderhandel. Kinder als Opfer von Gewalt oder Ausbeutung haben ein Recht auf Rehabilitation.

Artikel 13. Ältere Menschen haben Anspruch auf ein würdiges und unabhängiges Leben, auf Teilnahme am politischen, sozialen und kulturellen Leben und auf Pflege.

Artikel 14. (1) Jeder Mensch hat einen Anspruch auf Achtung seiner Sprache und Kultur. Der Staat fördert den Geist der Offenheit und des interkulturellen Dialogs und ergreift Maßnahmen zur Förderung der gegenseitigen Achtung und der Zusammenarbeit zwischen allen in seinem Staatsgebiet lebenden Menschen, ungeachtet ihrer Sprache und Kultur.

(2) Die Volksgruppen und ihre Angehörigen haben einen Anspruch auf besondere Förderung ihrer Entwicklung und Sicherung ihres Bestandes, ihrer Sprache und ihrer Kultur. Das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei. Keinem Angehörigen einer Volksgruppe darf durch die Ausübung oder Nichtausübung der ihm zustehenden Rechte ein Nachteil erwachsen.

(3) Die Volksgruppen und ihre Angehörigen haben Anspruch auf Kindergartenerziehung und Schulunterricht in öffentlichen Pflichtschulen in der jeweiligen Volksgruppensprache in ihrem Siedlungsgebiet und außerhalb dieses bei einem nachhaltigen Bedarf. Weiters haben sie einen Anspruch auf eine verhältnismäßige Anzahl von öffentlichen höheren Schulen und auf Einrichtung einer eigenen Schulaufsicht. Die Volksgruppen haben ergänzend einen Anspruch auf angemessene Förderung von privaten Kindergärten und Privatschulen, die der Pflege ihrer Sprache und Kultur dienen.

(4) Die Volksgruppen und ihre Angehörigen haben im gemischtsprachigen Gebiet einen Anspruch auf Gebrauch der jeweiligen Volksgruppensprache als zusätzliche Amtssprache im Verkehr mit Verwaltungsbehörden und Gerichten sowie im öffentlichen Leben; außerhalb dieses Gebietes haben sie Anspruch auf angemessene Erleichterungen zum Gebrauch der jeweiligen Volksgruppensprache. Die zusätzliche Amtssprache kann im gemischtsprachigen Gebiet von jeder Person gebraucht werden. Die Volksgruppen haben im gemischtsprachigen Gebiet einen Anspruch auf mehrsprachige topographische Bezeichnungen und Aufschriften.

(5) Die Volksgruppen haben einen Anspruch auf einen angemessenen Anteil an öffentlichen Mitteln als finanzielle Volksgruppenförderung aus dem Budget des Bundes sowie aus den Budgets der Länder und Gemeinden, in denen sich gemischtsprachige Gebiete befinden, sowie auf eine besondere Förderung der Medien in ihrer eigenen Sprache.

(6) Organisationen, die Interessen von Volksgruppen vertreten, haben das Recht die auf diesen Artikel gegründeten Rechte der betreffenden Volksgruppe vor Gerichten und Verwaltungsbehörden geltend zu machen. Die Rechte der Angehörigen der Volksgruppen bleiben davon unberührt.

 

3. Abschnitt: Freiheitsrechte

 

Artikel 15. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln.

(2) Wer erklärt, bei Leistung des Wehrdienstes in Gewissensnot zu geraten, hat das Recht, einen Zivildienst in gleicher Dauer außerhalb des Bundesheeres zu leisten.

(3) Angehörige des Bundesheeres haben das Recht den Dienst zu verweigern, wenn die Beteiligung Österreichs an kriegerischen Maßnahmen gegen das Völkerrecht verstößt.

(4) Niemand darf zur Teilnahme an religiösen Handlungen oder Feierlichkeiten sowie zur Offenlegung seiner religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung gezwungen werden.

(5) Der Staat achtet das Recht der Eltern, die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen.

Artikel 16. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit.

(2) Das bestehende Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl Nr. 684/1988, wird hiemit als Bestandteil dieser Bundesverfassung erklärt.

Artikel 17. (1) Jeder Mensch hat das Recht, sich im Bundesgebiet frei zu bewegen, Wohnsitz oder Aufenthalt frei zu wählen und Österreich zu verlassen.

(2) StaatsbürgerInnen darf die Einreise in das Bundesgebiet nicht verwehrt werden. Sie dürfen weder ausgewiesen noch ausgeliefert werden. Dieses Verbot steht einer im europäischen Recht oder gesetzlich vorgesehenen Zurückstellung oder Überstellung an einen internationalen Gerichtshof oder zur Vollstreckung einer von einem solchen verhängten Strafe nicht entgegen, sofern rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

(3) Für Menschen, die nicht Staats- oder UnionsbürgerInnen sind, kann der Genuss der in Abs. 1 gewährleisteten Rechte von einem rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet abhängig gemacht oder auf bestimmte Gebiete beschränkt werden.

(4) Kollektivausweisungen sind unzulässig.

Artikel 18. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Privat‑ und Familienleben.

(2) Jeder Mensch hat das Recht, mit Erreichen des gesetzlich zu bestimmenden Alters eine Ehe oder verschieden- oder gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft einzugehen und eine Familie zu gründen.

(3) Jede Frau hat das Recht, über ihre Reproduktion frei zu bestimmen.

(4) Der Staat gewährleistet das Recht jedes Menschen auf Familienplanung, indem er den freien Zugang zu Mitteln und Einrichtungen der Familienplanung, Empfängnisverhütung und Geburtenkontrolle unter Berücksichtung der sozialen Leistungsfähigkeit gewährleistet.

Artikel 19. (1) Haus und Wohnung sind unverletzlich.

(2) Ihre Durchsuchung oder technische Überwachung bedarf eines richterlichen Befehls.

Artikel 20. (1) Jede Person hat das Recht auf ungestörte Kommunikation.

(2) Eingriffe in das Kommunikationsgeheimnis bedürfen eines richterlichen Befehls.

Artikel 21. (1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden Daten. Dieses Recht umfasst die Geheimhaltung, Richtigstellung und Löschung personenbezogener Daten und die Auskunft über sie.

(2) Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Stelle überwacht.

(3) Die Verwendung sensibler Daten darf nur erlaubt werden, wenn die Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen durch wirksame Garantien geschützt sind.

Artikel 22. Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe zu empfangen und weiterzugeben.

Artikel 23. (1) Presse, Rundfunk und andere Medien sind frei.

(2) Zensur und andere vorbeugende Maßnahmen sind unzulässig.

(3) Das Redaktionsgeheimnis steht unter besonderem Schutz.

(4) Die Vielfalt der Medien wird geachtet, gefördert und geschützt.

(5) Rundfunk ist eine öffentliche Aufgabe.

(6) Rundfunk darf von einer Bewilligung abhängig gemacht werden. Berichterstattung hat objektiv, wahrheitsgemäß und unparteilich zu erfolgen, Meinungsbildung als solche erkennbar und Meinungsvielfalt gewährleistet zu sein.

Artikel 24. (1) Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich mit anderen zusammenzuschließen.

(2) Die Bildung von Vereinen darf nicht von einer behördlichen Bewilligung abhängig gemacht werden.

(3) Die Gründung von Parteien ist frei, soweit nicht diese Bundesverfassung anderes bestimmt*.

Artikel 25. (1) Alle Menschen haben das Recht, sich frei zu versammeln.

(2) Eine behördliche Anmeldung darf nur für allgemein zugängliche Versammlungen verlangt werden.

Artikel 26. (1) Anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften haben das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsausübung und der selbständigen Ordnung und Verwaltung ihrer inneren Angelegenheiten einschließlich der Errichtung juristischer Personen eigenen Rechts.

(2) Die Anerkennung erfolgt durch Gesetz. **

Artikel 27. (1) Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.

(2) Die öffentlichen Universitäten sind Stätten freier wissenschaftlicher Forschung, Lehre und Bildung mit dem Recht auf Selbstverwaltung.

(3) Jede Person kann Unterrichts‑, Erziehungs- und Bildungseinrichtungen gründen und an ihnen Unterricht erteilen, sofern sie ihre Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat.

Artikel 28. (1) Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst und ihre Lehre sind frei.

(2) Ihre Vielfalt wird geachtet, gefördert und geschützt.

Artikel 29. Jede Person hat das Recht, zu arbeiten, ein Unternehmen zu gründen, einen Beruf frei zu wählen und ihn auszuüben.

Artikel 30. (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums.

(2) Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, dürfen nur gegen rechtzeitige, angemessene Entschädigung erfolgen.

(3) Die Vertragsfreiheit ist gewährleistet.

Artikel 31. Einschränkungen der in diesem Abschnitt gewährleisteten Rechte

1.      bedürfen einer gesetzlichen Grundlage;

2.      müssen im öffentlichen Interesse oder zum Schutz von Rechten und Freiheiten anderer erforderlich sein;

3.      müssen verhältnismäßig sein;

4.      müssen die in dieser Bundesverfassung sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehenen weiteren Bedingungen und Grenzen wahren.

 

4. Abschnitt: Soziale Rechte

 

Artikel 32. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf ein Dasein in Würde.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Maßnahmen zur Vermeidung und Bekämpfung von Armut und sozialer Ausschließung.

(3) Jeder Mensch hat Anspruch auf die zur sozialen Mindestsicherung erforderlichen Leistungen, insbesondere für Nahrung, Kleidung, Unterkunft, medizinische Versorgung und soziale Teilhabe. *

Artikel 33. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Sicherheit.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Einrichtung einer öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherung, die auf Einkommens- und Risikosolidarität beruht und die im Fall von Krankheit, Mutterschaft, Unfall, geminderter Arbeitsfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Pflegebedürftigkeit und Alter eine angemessene Versorgung sicherstellt.

 (3) Der Staat gewährleistet, dass die Pensionen gesichert sind und in angemessenem Ausmaß steigen.

Artikel 34. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz der Gesundheit.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Einrichtung eines allgemein zugänglichen öffentlichen Gesundheitswesens, durch den Schutz vor Gesundheitsbeeinträchtigungen und durch die Förderung der Gesundheitsvorsorge in allen Bereichen.

Artikel 35. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Wohnung.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Maßnahmen, die zu einer ausreichenden Zahl an Wohnungen zu angemessenen Preisen und Bedingungen führen, durch Mieterschutz und durch sozialen Wohnbau.

Artikel 36. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit zu menschenwürdigen, sicheren, gesunden und gerechten Bedingungen.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er sicherstellt:

1.      ein angemessenes Entgelt und gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit;

2.      angemessene Beschränkungen der Arbeitszeit, einschließlich Erholungszeiten;

3.      angemessene Arbeitsruhe, insbesondere auch an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen;

4.      Jahresurlaub in einer Dauer, die der gesellschaftlichen Entwicklung angemessen ist;

5.      berufliche Aus- und Weiterbildung;

6.      besonderer Schutz von Jugendlichen und von Schwangeren und Müttern am Arbeitsplatz, soweit erforderlich auch durch  Beschäftigungsverbote, sowie durch einen wirksamen Schutz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses während eines angemessenen Zeitraums vor und nach der Geburt;

7.      Fortzahlung des Arbeitsentgelts für angemessene Zeit bei Verhinderung an der Arbeitsleistung aus wichtigen Gründen;

8.      Schutz vor ungerechtfertigter Beendigung oder Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses;

9.      Schutz vor herabwürdigender Behandlung, Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz;

10.  Schutz des Entgelts bei Insolvenz der ArbeitgeberIn .

(3) Jeder Mensch hat Anspruch auf unentgeltliche Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und auf Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Wiedereingliederung.

(4) Arbeitende Menschen haben das Recht auf Vertretung ihrer Interessen im Betrieb. Eine angemessene Mitbestimmung in personellen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten ist gewährleistet. Gewählte VertreterInnen sind vor Benachteiligungen wegen Ausübung dieses Rechts wirksam zu schützen. Das aktive und passive Wahlrecht steht ungeachtet der Staatsangehörigkeit zu.

Artikel 37. (1) Alle Menschen haben das Recht, sich freiwillig zur Vertretung ihrer jeweiligen Interessen zusammenzuschließen und hiezu Vereinigungen zu bilden.

(2) Sie haben das Recht, kollektive Maßnahmen zur Durchsetzung der Interessen ihrer Mitglieder ergreifen.

(3) Solche Vereinigungen und gesetzliche Interessensvertretungen haben das Recht, im Rahmen der Gesetze alle Angelegenheiten der Arbeitswelt durch Kollektivvertrag verbindlich zu regeln.

Artikel 38. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er sicherstellt:

1.      eine den familiären Bedürfnissen entsprechende Gestaltung der Arbeitsbedingungen;

2.      einen Anspruch auf angemessene Elternkarenz, Pflegeurlaub und Sterbekarenz einschließlich eines wirksamen Schutzes vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses;

3.      ein dem Bedarf entsprechendes Angebot an Kinderbetreuung, an ganztägigen Schulen und an Alten- und Krankenpflege;

4.      einen angemessenen Ausgleich für ein wegen der Betreuung entfallendes Erwerbseinkommen und eine Unterstützung bei der Tragung der Familienlasten.

Artikel 39. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er sicherstellt:

1.      die Einrichtung öffentlicher Kindergärten, Schulen, Fachhochschulen, Hochschulen und Universitäten;

2.      die Unterstützung von privaten Bildungseinrichtungen, beruflicher Aus- und Weiterbildung und lebensbegleitendem Lernen;

3.      individuelle Förderung und Integration;

4.      eine angemessene Mitbestimmung an öffentlichen Bildungseinrichtungen.

5.      (3) Der Staat hat den Zugang zur Bildung unabhängig vom Einkommen zu gewährleisten. Der Besuch öffentlicher Bildungseinrichtungen ist grundsätzlich unentgeltlich.

Artikel 39a. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf kulturelle Teilhabe.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Unterstützung von kulturellen Betätigungen sowie von Einrichtungen, die die Mitwirkung am kulturellen Schaffen und die Auseinandersetzung mit kulturellen Gütern ermöglichen.

Artikel 40. (1) Jeder Mensch hat Anspruch auf Zugang zu Infrastruktur und sonstigen Leistungen von allgemeinem Interesse.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er die Leistungen selbst erbringt oder die Erbringung durch Private zu gleichen und fairen Bedingungen, in angemessener Qualität und zu erschwinglichen Preisen sicherstellt.

Artikel 40a. (1) Jeder Mensch hat Anspruch auf Schutz als KonsumentIn.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er die Information, die Sicherheit, die Gesundheit und die legitimen wirtschaftlichen Interessen der Konsumenten durch wirksame Maßnahmen schützt.

 

5. Abschnitt: Politische Rechte

 

Artikel 41. (1) Mit Erreichen des Wahl‑ und Stimmalters sind berechtigt:

1.      StaatsbürgerInnen und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen bei der Wahl des Nationalrats, der BundespräsidentIn und der österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament sowie bei der Teilnahme an Abstimmungen, Befragungen und Begehren des Bundesvolkes;

2.      BürgerInnen eines Landes und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen bei der Wahl des Landtags und bei der Teilnahme an Abstimmungen, Befragungen und Begehren des Landesvolkes;

3.      BürgerInnen einer Gemeinde und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen bei der Wahl des Gemeinderats und der BürgermeisterIn, sofern sie vom Gemeindevolk gewählt wird, sowie bei der Teilnahme an Abstimmungen, Befragungen und Begehren des Gemeindevolkes.

(2) Jedenfalls wahl‑ und stimmberechtigt ist, wer am Tag der Stimmabgabe das 16. Lebensjahr vollendet hat.

(3) Jede Wahl‑ und Stimmberechtigte hat Anspruch auf die zur Wahrnehmung dieser Rechte nötige freie Zeit.

Artikel 42. (1) Mit Erreichen des Wählbarkeitsalters sind wählbar:

1.      StaatsbürgerInnen und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen zum Nationalrat, zur BundespräsidentIn und zum Europäischen Parlament;

2.      BürgerInnen eines Landes und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen zum Landtag und in die Landesregierung;

3.      BürgerInnen einer Gemeinde und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen zum Gemeinderat und zur BürgermeisterIn.

(2) Jedenfalls wählbar ist, wer am Tag der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet hat.

(3) Der Ausschluss von der Wählbarkeit darf nur die Folge einer gerichtlichen Verurteilung sein.

Artikel 43. Jede Person hat das Recht, an öffentliche Einrichtungen Petitionen zu richten und im Rahmen der Gesetze an der politischen Willensbildung teilzunehmen.

Artikel 44. Alle StaatsbürgerInnen und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen haben das Recht auf gleichen Zugang zu den öffentlichen Ämtern.

Artikel 45. (1) Öffentlich Bediensteten ist die ungeschmälerte Ausübung ihrer politischen Rechte gewährleistet.

(2) Konflikte zwischen Dienst und Mandat sind zugunsten des Mandats zu lösen.

Artikel 46. Jeder im Bundesgebiet geborene Mensch erwirbt die österreichische Staatsbürgerschaft.

[Artikel 47. weggefallen]

 

6. Abschnitt: Verfahrensrechte und Rechtsschutz

 

Artikel 48. (1) Jede Person hat das Recht auf ein Verfahren vor der nach dem Gesetz zuständigen Behörde.

(2) Ausnahmegerichte sind unzulässig.

Artikel 49. Jede Person hat das Recht, über Angelegenheiten öffentlicher Einrichtungen Auskunft zu erhalten und in deren Dokumente Einsicht zu nehmen. Die Auskunft und der Zugang können im öffentlichen Interesse oder zum Schutz von Rechten und Freiheiten anderer gesetzlich beschränkt werden.

Artikel 50. (1) Jede Person hat vor jeder Behörde Anspruch auf faire Behandlung sowie auf Beurteilung ihres Falles innerhalb angemessener Frist.

(2) Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.

(3) Jeder festgenommene Mensch hat das Recht auf anwaltliche Vertretung.

(4) Jeder angeklagten Person sind die Verteidigungsrechte gewährleistet.

(5) Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf Verfahrenshilfe, sofern ihr Begehren nicht von vornherein aussichtslos erscheint. Dies schließt unentgeltlichen Rechtsbeistand vor Gericht mit ein.

Artikel 51. (1) In Zivil‑ und Strafsachen hat jede Person Anspruch auf Beurteilung ihrer Sache durch ein Gericht.

(2) Verhandlung und Urteilsverkündung sind öffentlich. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.

(3) In Justizstrafsachen gilt der Anklageprozess.

Artikel 52. (1) Jede Person gilt bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig.

(2) Jede verurteilte Person hat das Recht, das Urteil von einem höheren Gericht prüfen zu lassen. Ausnahmen dürfen nur für strafbare Handlungen geringfügiger Art, für Verurteilungen in erster Instanz durch ein Höchstgericht und für Verurteilungen in zweiter Instanz nach Freispruch in erster Instanz vorgesehen werden.

Artikel 53. Niemand darf wegen einer Tat verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Auch darf keine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden.

Artikel 54. (1) Niemand darf wegen einer Tat, deretwegen sie oder er bereits in der Europäischen Union nach dem Gesetz rechtskräftig abgeurteilt worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden.

(2) Die gesetzlich vorgesehene Wiederaufnahme des Verfahrens ist zulässig, wenn neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen oder wenn das vorausgegangene Verfahren schwere, seinen Ausgang berührende Mängel aufweist.

Artikel 55. Wer rechtswidrig verhaftet oder angehalten wird oder aufgrund eines Fehlurteils eine Strafe verbüßt hat, hat das Recht auf angemessene Entschädigung, sofern sie oder ihn am nicht rechtzeitigen Bekannt werden der Tatsachen, die zur Aufhebung der Verhaftung, der Anhaltung oder des Urteils führen, kein oder nur ein geringes Verschulden trifft.

Artikel 56. Wer sich in einem Grundrecht verletzt erachtet, hat das Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz.

Artikel 57. Wer durch rechtswidriges Handeln oder Unterlassen der Gesetzgebung oder durch rechtswidriges schuldhaftes Verhalten der Vollziehung Schaden erleidet, hat Anspruch auf Entschädigung nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts.

Artikel 57a. Opfer strafbarer Handlungen sind am Strafverfahren angemessen zu beteiligen.

Artikel 58. Organisationen, die nach ihrem Wirkungsbereich zum Schutz von Grundrechten oder zur Vertretung grundrechtlich geschützter Interessen berufen sind, ist das Recht einzuräumen, gegen behauptete Verletzungen der betreffenden Grundrechte Beschwerde einzulegen. Näheres bestimmt das Gesetz.

 

 

4.2       Berger Maria, Dr.

4.2.1   Diskussionsvorschläge zu Rundfunk- und Meinungsfreiheit

Eingebracht im Ausschuss 4, 10. Sitzung, 14. Jänner 2004

 

 

Art y: Rundfunkfreiheit

(1)   Der Staat gewährleistet ein duales Rundfunksystem mit einem öffentlich-rechtlichen Auftrag und dem Recht Privater, Rundfunk zu betreiben.

(2)   ...

 

 

Anmerkung:

Dieser Textvorschlag soll die Einrichtung eines öffentlichen Rundfunks garantieren, wie er derzeit in Form des ORF besteht. Er vermeidet die Verwendung des Satzes „Rundfunk ist eine öffentliche Aufgabe“, über dessen Inhalt Unsicherheit herrscht. Das entscheidende Kriterium am derzeit bestehenden System des öffentlichen Rundfunks ist sein öffentlich- rechtlicher Auftrag iSd § 1 Abs 2 ORF-G, der den Versorgungsauftrag (§ 3), den Programmauftrag (§ 4) und den besonderen Auftrag (§ 5) enthält. Es wird daher eine Textfassung vorgeschlagen, die sprachlich an diesen Auftrag und nicht an die Rechtsform ("öffentlich-rechtlicher Rundfunk") anknüpft. Mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag ist auch die Gebührenfinanzierung gesichert, was in Hinblick auf das Beihilfenrecht notwendig erscheint.

 

Bei der Meinungsfreiheit sind mir folgende zwei Absätze wichtig:

 

(x) Die Pluralität der Medien wird geachtet, gefördert und geschützt.

 

(y) Das  Redaktionsgeheimnis steht unter besonderem Schutz.

 

 

4.3       Funk Bernd-Christian, Dr. Univ. Prof.

4.3.1   Strategiepapier

Eingebracht im Ausschuss 4, 1. Sitzung, 1.10.2003

 

 

I. Ausgangslage

 

1. Grundrechte und verfassungsgesetzlich gewährleistete  Rechte

 

In der staatsrechtlichen Terminologie werden Grundrechte und verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte vielfach gleichgesetzt. In der Reformdiskussion sollte zwischen Grundrechten als elementaren Gewährleistungen zugunsten des Einzelnen oder gesellschaftlicher Gruppen einerseits und verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten andererseits unterschieden werden. Die Unterscheidung ist nicht ausschließend.

 

Es gibt grundrechtliche Gewährleistungen außerhalb des formellen Verfassungsrechts (Beispiele: UN-Pakte über bürgerliche und politische Rechte und über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; Europäische Sozialcharta, Kinderrechtskonvention) und es gibt verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte außerhalb der Sphäre der Grundrechte (Beispiele: Rechte aus Verfassungsbestimmungen im Bezügerecht).

 

Die Reformarbeit im Grundrechtsausschuss sollte sich auf die Grundrechte beziehen. Verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte außerhalb der Grundrechte sollten hauptsächlich der Aufmerksamkeit des legistischen Ausschusses (2) überlassen werden.

 

In systematischer Nachbarschaft zu den Grundrechten stehen institutionelle Garantien (zB Wehrsystem), Staatsziel- und –aufgabenbestimmungen (zB Gewährleistung der Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen; Rundfunk als „öffentliche Aufgabe“). Hier besteht Informations- und Koordinierungsbedarf im Verhältnis zum Ausschuss betreffend Staatsziele und Staatsaufgaben (1).

 

Im Sinne eines entwickelten Grundrechtsverständnisses können – der Terminologie und Systematik der EU-Grundrechtscharta entsprechend – folgende Unterscheidungen getroffen werden:

 

   Grundlagen (Würde des Menschen, Recht auf Leben, Recht auf Unversehrtheit, Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung, Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit)

 

   Freiheiten („klassische Grundrechte“, wie persönliche Freiheit, Privatsphäre, Meinungsfreiheit, Eigentumsfreiheit, Erwerbsfreiheit etc)

 

   Gleichheit (Diskriminierungsverbote, Schutz und Förderung gesellschaftlicher Gruppen – Volksgruppen, Minderheiten, Benachteiligte)

 

   Solidarität (Garantiepflichten und Gewährleistungsansprüche, sog „soziale Grundrechte“)

 

   Bürgerrechte (Wahlrecht, Recht auf eine gute Verwaltung, Informationsrechte, Schutz durch Institutionen)

 

   Justizielle Rechte (Rechte in Zivil- und Strafsachen)

 

 

2. Grundrechtstexte und Grundrechtsquellen

 

Grundrechtliche Gewährleistungen auf Verfassungsstufe finden sich verstreut in zahlreichen Texten und Quellen, aus verschiedenen Abschnitten der Rechtsentwicklung stammend, inner­halb und außerhalb des B-VG, teils staatlicher, teils völkerrechtlicher Herkunft. Zwei relativ geschlossene Kataloge enthalten das StGG 1867 und die EMRK mit ihren Zusatzprotokollen. Ansonsten gibt es eine Fülle sporadischer, größerer und kleinerer Texte und Quellen, manche davon als Reste angefangener Kodifikationen (zB Schutz der persönlichen Freiheit).

 

Dazu kommen Grundrechtstexte und -quellen völkerrechtlicher Herkunft, die nicht im Verfassungsrang transformiert wurden und/oder nicht unmittelbar anwendbar sind.

 

Die MRK und ihre Zusatzprotokolle schaffen insgesamt einen weitgehend kompletten Katalog der „klassischen“ Menschenrechte und Grundfreiheiten. Gäbe es nur die MRK und ihre Zusatzprotokolle, so bestünde bei diesen Rechten und Freiheiten nur wenig Ergänzungsbedarf an zusätzlichen verfassungsgesetzlichen Garantien.

 

Die MRK und ihre Zusatzprotokolle haben überdies wegen ihrer Einbindung in die europäi­sche Grundrechtsordnung und wegen der permanenten richterrechtlichen Fortentwicklung sowohl durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als auch durch den österrei­chi­schen VfGH unter allen grundrechtlichen Rechtsquellen ein großes Gewicht an Legitimität und  Implementierung.

 

II. Reformperspektiven

 

Es erscheint nicht sinnvoll, den Versuch zu unternehmen, den vorhandenen Grund­rechts­bestand textlich zu kompilieren und/oder in einem weiteren Katalog neu zu kodifizieren.

 

Andererseits sollten die Grundrechte an prominenter Stelle – allenfalls am Beginn – einer neuen geschlossenen Verfassungsurkunde verankert sein (wenn auch nicht unbedingt als detailliert ausgearbeiteter Grundrechtskatalog).

 

Zu beachten ist auch die Entwicklung der Grundrechte im Bereich der EU. Das Gemeinschaftsrecht kennt eine Reihe von Gemeinschaftsgrundrechten auf der Grundlage des Art 6 EUV, der Rechtsprechung des EuGH und der (noch unverbindlichen) Grundrechtscharta. Der Verfassungsvorschlag des Konvents sieht eine Konstitutionalisierung der Grundrechtscharta in Verbindung mit einem erweiterten Zugang zum EuGH vor.

 

Der alte, zum Teil entwicklungshemmende Gegensatz von „liberalen“ und „sozialen“ Grund­rechten verliert an Bedeutung. Das hängt wesentlich damit zusammen, dass Freiheitsrechte heute durchwegs auch als staatliche Schutz- und Garantiepflichten verstanden werden.

 

Ebenfalls im Wandel bzw im Abbau begriffen ist die traditionelle Fixierung der Grundrechte auf den obrigkeitlich auftretenden Staat, im Besonderen in Form der hoheitlich eingreifenden Verwaltung. Im Vordringen begriffen ist die Vorstellung von einer allgemeinen Grundrechtspflichtigkeit jeder Form von „öffentlicher Gewalt“, auch wenn sie durch formell private Institutionen und/oder mit den Mitteln des Privatrechts wahrgenommen wird. Privatrechtliche Garantien, wie der allgemeine Persönlichkeitsschutz, gute-Sitten-Klauseln, Kontrahierungspflichten, Diskriminierungs- und Missbrauchsverbote, gelten in zunehmendem Maße als Transportmittel grundrechtlicher Wertvorstellungen.

 

III. Strategie

 

Im Ausschuss sollte zunächst eine Sichtung der vorhandenen Bestände an grundrechtlichen Texten und Rechtsquellen vorgenommen werden. Die Bestandsaufnahme sollte von einem erweiterten Grundrechtsverständnis ausgehen, welches auch Quellen außerhalb des formellen Verfassungsrechts (insbesondere solche völkerrechtlicher Herkunft) einbezieht.

 

Auf der Grundlage dieser Bestandsaufnahme könnte eine Systematisierung der Texte und Quellen vorgenommen werden, die dem – derzeit am weitesten entwickelten – System (nicht auch den Einzelheiten!) der EU-Grundrechtscharta folgt.

 

Eine Kodifikation herkömmlicher Art, bei der auch Ergebnisse der Rechtsprechung in Rechtstexte transformiert werden, erscheint nicht sinnvoll. Die Dynamik der Rechtsprechung und Praxis, die sich weit über den Wortlaut der Grundrechtsgewährleistungen hinaus entwickelt, sollte nicht durch kodifikatorische „Momentaufnahmen“ beeinträchtigt werden, sondern für die weitere Zukunft erhalten bleiben.

 

Ein neuer Grundrechtskatalog könnte in einer kombinierten Strategie von inhaltlichen Deklarationen, Erwähnungen und Verweisungen geschaffen werden. Es geht dabei nicht darum, einen Katalog von neu zu beschließenden Grundrechtstexten herzustellen, sondern im Wesentlichen um eine Kompilation, Arrondierung und einen Weiterbau des vorhandenen Bestandes. Mehrfache Garantien sollten abgebaut werden.

 

Dem System der Grundrechtscharta der EU folgend können bestehende Gewährleistungen zugeordnet und neue Garantien geschaffen und eingebaut werden. Letzteres wird von der Konsensfindung im Ausschuss abhängen.

 

Materielle Grundrechtsbestände sollten im neuen System Platz finden, auch wenn sie bisher nicht Teil des formellen Verfassungsrechts und/oder nicht unmittelbar anwendbar gewesen sind (zB Europäische Sozialcharta, UN-Pakte, KRK). Manche Gewährleistungen, namentlich im Bereich der „Solidarität“, werden möglicherweise nicht auf dem Weg des Art 144 B-VG „einklagbar“ sein, sondern der Um- und Durchsetzung im Wege über die ordentlichen Gerichte (einschließlich Arbeits- und Sozialgerichte) anzuvertrauen sein. Auch solche Garantien sollten in den Grundrechtskatalog Aufnahme finden. Über die Technik, allenfalls in Form von Verweisungen und/oder institutionellen Garantien wird im Ausschuss zu sprechen sein.

 

In diesem Zusammenhang werden auch strukturelle Fragen des Rechtsschutzes zu erörtern und allenfalls neue Instrumentarien (zB Verbandsklagen) zu suchen sein.

 

Der Ausschuss sollte sich auch mit bestehenden Einrichtungen des kommissarischen Rechtsschutzes durch Rechtsschutzbeauftragte, Verfahrensanwälte uä befassen.

 

 

4.3.2   Privatsphäre

Eingebracht im Ausschuss 4, 1. Sitzung, 1.10.2003

 

 

Vorschlag Privatsphäre: vorgeschlagener Text

 

 

Artikel 8 EMRK – Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Schutz des Hausrechts

Das Hausrecht ist unverletzlich.

Eine Hausdurchsuchung, das ist die Durchsuchung der Wohnung oder sonstiger zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten darf in der Regel nur kraft einer mit Gründen versehenen richterlichen Verfügung unternommen werden.

Bei Gefahr im Verzug kann eine Hausdurchsuchung nach Maßgabe gesetzlicher Ermächtigungen, die den Erfordernissen des Artikel 8 Abs 2 EMRK entsprechen müssen, durch die zuständige Verwaltungsbehörde angeordnet und erforderlichenfalls auch durch Organe der Behörden auf eigenen Entschluss vorgenommen werden.

 

§ 1 DSG – Grundrecht auf Datenschutz

(1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

(3) Jedermann hat, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, dh. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen  

1.         das Recht auf Auskunft darüber, wer welche Daten über ihn verarbeitet, woher die Daten stammen, und wozu sie verwendet werden, insbesondere auch, an wen sie übermittelt werden;

2.         das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.

(4) Beschränkungen der Rechte nach Abs. 3 sind nur unter den in Abs. 2 genannten Voraussetzungen zulässig.

(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, dass Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.

 

Schutz der Vertraulichkeit privater Kommunikation

Die Vertraulichkeit privater Kommunikation darf nicht verletzt werden. Eingriffe in das Kommunikationsgeheimnis dürfen nur nach Maßgabe gesetzlicher Ermächtigungen, die den Erfordernissen des Artikel 8 Abs 2 EMRK entsprechen müssen, auf Grund einer richterlichen Verfügung sowie zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, Freiheit oder Gesundheit von Menschen auf Grund behördlicher Anordnung und erforderlichenfalls auch durch Organe der Behörden auf eigenen Entschluss vorgenommen werden.

Ohne richterliche Verfügung ist eine Beschlagnahme von Nachrichtensendungen in den Fällen einer gesetzlichen Verhaftung oder Hausdurchsuchung zulässig sowie zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, Freiheit oder Gesundheit von Menschen.

 

Erläuterungen

 

Die vorgeschlagene Textierung erfasst – von Art 8 EMRK ausgehend – die grundrechtlichen Gewährleistungen im Bereich der Privatsphäre.

 

Art 8 EMRK bleibt unverändert.

 

Schutz des Hausrechts

Die vorgeschlagene Fassung geht von der Rechtslage des StGG (Art 9) und des Gesetzes zum Schutz des Hausrechts von 1862 (HausrechtsG) aus und übernimmt deren Garantien, soweit sie über Art 8 EMRK hinausgehen. Der „Überhang“ betrifft den Schutz vor „Hausdurchsuchung“ zum Unterschied vom Schutz der „Wohnung“ (Art 8 EMRK) und das Erfordernis eines richterlichen „Befehls“ (künftig: richterliche „Verfügung“, auch im Hinblick auf die in Aussicht genommene Reform des strafrechtlichen Vorverfahrens).

Die Möglichkeit einer Hausdurchsuchung ohne richterliche Verfügung (Befehl) soll erhalten bleiben und je nach Dringlichkeit primär an eine behördliche Anordnung gebunden werden und erforderlichenfalls auch durch Organe der Behörden auf eigenen Entschluss vorgenommen werden können. Klargestellt wird, dass die Zulässigkeit solcher Eingriffe gesetzlicher Ermächtigungen bedarf, die den Erfordernissen des Art 8 Abs 2 EMRK zu entsprechen haben.

Die Unterscheidungen des HausrechtsG hinsichtlich Strafgerichtspflege, polizeilicher und finanzieller Aufsicht sind verzichtbar.

Eine Schmälerung des Schutzniveaus tritt nicht ein.

Art 9 StGG und das HausrechtsG können künftig entfallen.

 

Grundrecht auf Datenschutz

Die vorgeschlagene Regelung entspricht unverändert der geltenden Rechtslage.

 

Grundrecht auf Schutz der Vertraulichkeit privater Kommunikation

Die vorgeschlagene Fassung integriert das Grundrecht auf Schutz des Fernmeldegeheimnisses (Art 10a StGG), des Briefgeheimnisses (Art 10 StGG) und berücksichtigt neue Formen von Eingriffen in die Vertraulichkeit privater Kommunikation, wie Lausch- und Spähangriff. Auch hier wird grundsätzlich ein „Richtervorbehalt“ vorgeschlagen, mit Ausnahmeermächtigungen für den Gefahrenfall (zB „bemannte Wanze“, Gefahrenabwehr wie derzeit in § 149d Abs 1 Z 1 iVm § 149e Abs 1 StPO vorgesehen: Ermächtigung für Maßnahmen der optischen und akustischen Überwachung von Personen unter Verwendung technischer Mittel bei andauernder Entführung oder Geiselnahme).

Art 10 und 10a StGG können entfallen.

 

 

4.3.3   Verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrechte – Rechtsgrundlagen

Eingebracht im Ausschuss 4, 2. Sitzung, 10.10.2003

 

 

Verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrechte – Rechtsgrundlagen

 

 

1. Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder, RGBl 142 zuletzt geändert durch BGBl 1988/684

 

2. Gesetz vom 27. Oktober 1862, zum Schutze des Hausrechtes, RGBl 88 zuletzt geändert durch BGBl 1974/422

 

3. Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918, StGBl 3 idF BGBl 1920/1

 

4. Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye vom 10. September 1919, StGBl 1920/303 Art 62 bis 69, diese idF BGBl III 2002/179 (DFB)

 

5. Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, BGBl 1955/152 Art 7, Art 8, diese idF BGBl 1964/59

 

6. Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten, BGBl 1959/101 § 7, dieser idF BGBl 1990/420

 

7. Bundesverfassungsgesetz vom 3. Juli 1973 zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390

 

8. Zivildienstgesetz 1986, BGBl 679 § 2, dieser idF BGBl 1996/788

 

9. Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, BGBl 1979/529 § 12, § 44

 

10. Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl 684

 

11. Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland, BGBl 1994/641 § 1

 

12. Datenschutzgesetz 2000, BGBl I 1999/165 § 1

 

13. Bestimmungen im Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl 1920/1 zuletzt geändert durch BGBl I 2003/43 insb: Art 7; Art 9a Abs 3 und 4; Art 14 Abs 7; Art 14a Abs 7; Art 20 Abs 4; Art 23a Abs 1 und 3; Art 26 Abs 1 und 4; Art 60 Abs 1 und 3; Art 83 Abs 2; Art 90; Art 95 Abs 1; Art 116 Abs 1, 2 und 3; Art 117; Art 119a Abs 5 und 9

 

14. Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl 1958/210 zuletzt geändert durch BGBl III 2002/179 (DFB)

 

15. (Erstes) Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl 1958/210 zuletzt geändert durch BGBl III 1998/30

 

16. Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, durch das gewisse Rechte und Freiheiten gewährleistet werden, die nicht bereits in der Konvention oder im ersten Zusatzprotokoll enthalten sind, BGBl 1969/434 zuletzt geändert durch BGBl III 1998/30

 

17. Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl 1985/138 zuletzt geändert durch BGBl III 1998/30

 

18. Protokoll Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl 1988/628 zuletzt geändert durch BGBl III 2002/179 (DFB)

 

19. Protokoll Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus, BGBl III 1998/30 zuletzt geändert durch BGBl III 2002/179 (DFB)

 

20. Parteiengesetz, BGBl 1975/404 zuletzt geändert durch BGBl I 2003/71 § 1 Abs 3

 

21. Arbeiterkammergesetz 1992, BGBl 1991/626 zuletzt geändert durch BGBl 2001/98 § 10 Abs 2 Z 1 lit a

 

22. Kraftfahrgesetz 1967, BGBl 1967/267 zuletzt geändert durch BGBl I 2003/60 § 103 Abs 2

 

23. Schiffahrtsgesetz, BGBl I 1997/62 zuletzt geändert durch BGBl I 2002/65 § 5 Abs 9

 

 

VÖLKERRECHTLICHE UND EUROPARECHTLICHE GRUNDLAGEN

 

Europarat

BGBl. Nr. 460/1969

 

Europäische Sozialcharta

          idF:    BGBl. Nr.                                 284/1970                                                                   

einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

Revidierte Europäische Sozialcharta 1996

unterzeichnet am 07. 05. 1999, noch nicht ratifiziert (Informationsstand 07. 10. 2003)

 

BGBl. Nr. 74/1989

Europäisches Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe

          idF:    BGBl. III Nr.                             198/2002                                                                   

                   BGBl. III Nr.                             199/2002                                                                   

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. III Nr. 216/2001

Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. III Nr. 120/1998

 

Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten samt Erklärung

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 317/1988

Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

European Convention on the Exercise of Children’s Rights

Unterzeichnet am 13. 07. 99, noch nicht ratifiziert (Informationsstand 07. 10. 2003)

 

 

UNO

BGBl. Nr. 91/1958

 

Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes

Einfachgesetzlich, (Art IV und VI verfassungsändernd), kein Erfüllungsvorbehalt

 

zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang auch:

BGBl. III Nr. 180/2002

 

Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs

Einfachgesetzlich (Art 27 und Art 89 Abs 1 und 3 verfassungsändernd), kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. I Nr. 135/2002

BG über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof

Einfachgesetzlich (§7 Verfassungsbestimmung)

 

BGBl. Nr. 256/1969

Übereinkommen über die politischen Rechte der Frau

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 377/1972

Internationales Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung

Einfachgesetzlich (Art 1, 4, 14 Verfassungsbestimmungen), Kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 590/1978

 

Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 591/1978

 

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 105/1988

 

Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 333/1993

Zweites Fakultativprotokoll zu dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 443/1982

 

Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

Einfachgesetzlich, (Art 1-4 verfassungsändernd), Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. III Nr. 206/2000

 

Fakultativprotokoll zur Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 492/1987

Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 7/1993

Übereinkommen über die Rechte des Kindes

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. III Nr. 92/2002

Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes (Kinderhandel und Prostitution)

Unterzeichnet am 06. 09. 2000, noch nicht ratifiziert (Informationsstand 07. 10. 2003)

 

BGBl. Nr. 55/1955

 

Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 78/1974

 

Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. II Nr. 215/1997

V über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina

 

BGBl. II Nr. 133/1999

V der Bundesregierung, mit der das Aufenthaltsrecht kriegsvertriebener Kosovo-Albaner geregelt wird

             idF:       BGBl. II Nr.                                                 461/1999

 

 

BGBl. I Nr. 85/1998

BG mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird

 

 

BGBl. I Nr. 76/1997

BG über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz; 1997 - AsylG)

             idF:       BGBl. I Nr.                                                   106/1998                                                                                  (VfGH)

                         BGBl. I Nr.                                                   110/1998                                                                                  (VfGH)

                         BGBl. I Nr.                                                     4/1999

                         BGBl. I Nr.                                                    41/1999                                                                                   (VfGH)

                         BGBl. I Nr.                                                    82/2001

                         BGBl. I Nr.                                                   126/2002

 

BGBl Nr 405/1991

BG, mit dem die Bundesbetreuung von Asylwerbern geregelt wird (Bundesbetreuungsgesetz;)

             idF:       BGBl. Nr                                                                                                                                                   314/1994

                         BGBl. I Nr.                                                   134/2000

                         BGBl. I Nr.                                                    98/2001

 

BGBl. Nr. 31/1992

V des Bundesministers für Inneres über die Bundesbetreuung für Asylwerber; (Bundesbetreuungsverordnung; - BBetrVO)

             idF:       BGBl. Nr                                                                                                                                                   352/1993

                         BGBl. II Nr.                                                 180/1998

                         BGBl. II Nr.                                                 441/2001

 

 

Weitere Übereinkommen (soweit ersichtlich alle einfachgesetzlich)

 

RGBl. Nr. 26/1913

Internationales Übereinkommen vom 4. Mai 1910 zur Bekämpfung des Mädchenhandels

          idF:    BGBl. Nr.                                 304/1920

                   BGBl. Nr.                                 203/1950

 

 

RGBl. Nr. 26/1913

 

Internationales Abkommen vom 18. Mai 1904 zur Bekämpfung des Mädchenhandels

          idF:    BGBl. Nr.                                 304/1920

                   BGBl. Nr.                                 203/1950                                                                   

 

BGBl. Nr. 740/1922

Zwischenstaatliches Übereinkommen zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels

 

BGBl. Nr. 17/1928

Übereinkommen betreffend die Sklaverei

          idF:    BGBl. Nr.                                 183/1956

 

BGBl. Nr. 66/1964

Zusatzübereinkommen über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken

 

BGBl. Nr. 317/1936

Internationales Abkommen über die Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen

 

EU

 

Charta der Grundrechte der Union (Teil 2 des Entwurfes eines Vertrages über eine Verfassung von Europa, CONV 850/03)

 

Primärrecht (Auswahl)

 

EGV

 

Art 12 (Nicht Diskriminierung)

 

4 Grundfreiheiten: Freier Warenverkehr, freier Personenverkehr (Art 23ff); Freier Dienstleistungs- und Kapitalverkehr (Art 39ff)

 

EUV

Art 6

 

Sekundärrecht (Auswahl)

 

 

Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen

 

 

 

 

 

 

 

Amtsblatt Nr. L 039 vom 14/02/1976 S. 0040 - 0042

 

 

Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (Text von Bedeutung für den EWR)

 

 

 

 

 

 

 

Amtsblatt Nr. L 269 vom 05/10/2002 S. 0015 - 0020

 

Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft

 

 

 

 

 

 

 

 

Amtsblatt Nr. L 180 vom 19/07/2000 S. 0022 - 0026

 

Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf

 

 

 

 

 

 

 

 

Amtsblatt Nr. L 303 vom 02/12/2000 S. 0016 - 0022

 

Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Amtsblatt Nr. L 212 vom 07/08/2001 S. 0012 - 0023

 

 

Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten

 

 

 

 

 

 

 

Amtsblatt Nr. L 031 vom 06/02/2003 S. 0018 - 0025

 

Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist

 

 Amtsblatt Nr. L 050 vom 25/02/2003 S. 0001 - 0010

 

 

 

 

Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation)

 

Amtsblatt Nr. L 201 vom 31/07/2002 S. 0037 - 0047

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr

 

Amtsblatt Nr. L 008 vom 12/01/2001 S. 0001 - 0022

 

 

 

 

 

 

 

ILO

 

Österreich ist auch Vertragspartner von zahlreichen ILO Konventionen; da deren Schutzbereich aber weitgehend von den hier bereits aufgezählten Rechtsquellen (insb. die Sozialcharta) abgedeckt ist, kann auf eine taxative Auflistung der ILO Verträge verzichtet werden. Beispielhaft seien genannt:

 

BGBl III Nr. 41/2002

Übereinkommen (Nr. 182) über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit

einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl III Nr. 200/2001

Übereinkommen (Nr. 138) über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung

einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl Nr. 111/1973

Übereinkommen (Nr. 111) über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl Nr. 355/1972

 

Übereinkommen (Nr. 122) über die Beschäftigungspolitik

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl Nr. 34/1970

Übereinkommen (Nr. 128) über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl Nr. 33/1970

Übereinkommen (Nr. 102) über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl Nr. 31/1970

Übereinkommen (Nr. 103) über den Mutterschutz (Neufassung vom Jahre 1952)

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl Nr. 86/1961

Übereinkommen (Nr. 29) über Zwangs- oder Pflichtarbeit

idF: BGBl Nr. 39/1964

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl  Nr. 81/1958

Übereinkommen (Nr.105) über die Abschaffung der Zwangsarbeit

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl Nr. 39/1954

Übereinkommen (Nr. 100) über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl  Nr. 228/1950

Übereinkommen (Nr. 87) über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

Quellen: Index des Bundesrechts, RIS, eur-lex.

 

 

4.3.4   Vorschlag Meinungsfreiheit

Eingebracht im Ausschuss 4, 2. Sitzung, 10.10.2003

 

 

Artikel 10 EMRK – Freiheit der Meinungsäußerung

 

  (1) Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Dieser Artikel schließt nicht aus, daß die Staaten Rundfunk-, Lichtspiel- oder Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren unterwerfen.

 

  (2) Da die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, kann sie bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im

Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten.

 

Art I des Bundesverfassungsgesetz vom 10. Juli 1974 über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl 1974/396 – Rundfunkfreiheit

 

   (1) Rundfunk ist die für die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild unter Benützung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung bzw. längs oder mittels eines Leiters sowie der Betrieb von technischen Einrichtungen, die diesem Zweck dienen.

   (2) Die näheren Bestimmungen für den Rundfunk und seine Organisation sind bundesgesetzlich festzulegen. Ein solches Bundesgesetz hat insbesondere Bestimmungen zu enthalten, die die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe, die mit der Besorgung der im Abs. 1 genannten Aufgaben betraut sind, gewährleisten.

   (3) Rundfunk gemäß Abs. 1 ist eine öffentliche Aufgabe.

 

 

 

 

 

Artikel 17 StGGWissenschaftsfreiheit

 

Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei. Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und an solchen Unterricht zu erteilen, ist jeder Staatsbürger berechtigt, der seine Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat. Der häusliche Unterricht unterliegt keiner solchen Beschränkung. Für den Religionsunterricht in den Schulen ist von der betreffenden Kirche oder Religionsgesellschaft Sorge zu tragen. Dem Staate steht rücksichtlich des gesamten Unterrichts- und Erziehungswesens das Recht der obersten Leitung und Aufsicht zu.

 

Artikel 17a StGG – Kunstfreiheit

 

Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre sind frei.

 

Autonomie der Universitäten

 

Die Universitäten sind im Rahmen der Gesetze und Verordnungen zur autonomen Besorgung ihrer Angelegenheiten befugt.

 

Erläuterungen

 

  1. Art 13 StGG 1867 entfällt.

 

  1. Beschluss der provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918 kommt in den Begleittext:

 

 1. Jede Zensur ist als dem Grundrecht der Staatsbürger widersprechend als rechtsungültig aufgehoben.

  2. Die Einstellung von Druckschriften und die Erlassung eines Postverbotes gegen solche findet nicht mehr statt.  Die bisher verfügten Einstellungen und Postverbote sind aufgehoben. Die volle Freiheit der Presse ist hergestellt.“

 

  1. Universitätsautonomie im Stammtext. Entspricht § 2 Abs 2 UOG 1993 (gleichlautend § 2 Abs 2 KUOG) in sprachlich bereinigter Fassung.

 

  1. Art II BVG-Rundfunk (Vollzugsklausel) entfällt.

 

 

4.3.5   Vorschlag Vereins- und Versammlungsfreiheit

Eingebracht im Ausschuss 4, 2. Sitzung, 10.10.2003

 

 

Art 11 EMRK – Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

 

(1) Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, einschließlich des Rechts, zum Schutz ihrer Interessen Gewerkschaf­ten zu bilden und diesen beizutreten.

(2) Die Ausübung dieser Rechte darf keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden als den vom Gesetz vorgesehenen, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Ver­brechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Dieser Artikel verbietet nicht, dass die Ausübung dieser Rechte durch Mitglieder der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung gesetz­lichen Einschränkungen unterworfen wird.

 

Politische Parteien: Parteiengesetz

 

§ 1.    (1) Die Existenz und Vielfalt politischer Parteien sind wesentliche Bestandteile der demokratischen Ordnung der Republik Österreich (Art 1 B-VG).

(2) Zu den Aufgaben der politischen Parteien gehört die Mitwirkung an der politischen Willensbildung.

(3) Die Gründung politischer Parteien ist frei, sofern bundesverfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Ihre Tätigkeit darf keiner Beschränkung durch besondere Rechtsvorschriften unterworfen werden.

(4) Die politischen Parteien haben Satzungen zu beschließen, die in einer periodischen Druckschrift zu veröffentlichen und beim Bundesministerium für Inneres zu hinterlegen sind. Aus der Satzung hat insbesondere ersichtlich zu sein, welches ihre Organe sind und welche hievon zur Vertretung nach außen befugt sind, sowie welche Rechte und Pflichten die Mitglieder besitzen. Mit der Hinterlegung der Satzung erlangt die politische Partei Rechtspersönlichkeit.

(5) Dem Präsidenten des Rechnungshofes kann durch Bundesgesetz die Aufgabe übertragen werden, Listen von Spenden an politische Parteien entgegenzunehmen, zu verwahren und auf Ersuchen der betreffenden Partei öffentlich festzustellen, ob Spenden in der ihm übermittelten Liste ordnungsgemäß deklariert wurden.

 

Verbotsgesetz

 

§ 3.    Es ist jedermann untersagt, sich, sei es auch außerhalb dieser Organisationen, für die NSDAP oder ihre Ziele irgendwie zu betätigen.

 

 

Erläuterungen

 

1. Zum Vergleich: Vorschlag Loebenstein (Reformkommission) aus dem Jahr 1983:

 

„Jedermann hat das Recht, sich frei mit anderen zu Vereinen zusammenzuschließen. Dieses Recht schließt auch das Recht mit ein, von niemandem (auch nicht durch Gebiets­körper­schaften und andere Rechtsträger, die öffentliche Aufgaben besorgen) gezwungen zu werden, einer Vereinigung beizutreten, ihr anzugehören oder aus ihr auszutreten .Dieses Recht darf keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden, als solchen, die im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der verfassungsmäßigen und völkerrechtlichen Ordnung, der Strafrechtsordnung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Absatz 1 steht Bestimmungen nicht entgegen, die die Ausübung dieses Rechtes durch Mitglieder des Bundesheeres, der Polizei oder anderer Wachkörper und der sonstigen staatlichen Verwaltung sowie der Gerichtsbarkeit den unbedingt erforderlichen Einschränkungen unterwerfen. Die Bildung und Betätigung von Vereinigungen zu den im Art 9 des Österreichischen Staatsvertrages, BGBl Nr 152/55, in Verbindung mit Art II Z 3 des Bundesverfassungsgesetzes vom 4.3.1964, BGBl Nr 59/..  ist verboten. Untertänigkeits- und Hörigkeitsverbände bleiben abgeschafft.

 

Jedermann hat das Recht, sich friedlich ohne Waffen und ohne Gewaltanwendung zu versammeln. Die Ausübung dieses Rechts darf keinen anderen Beschränkungen unterworfen werden, als solchen, die im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der verfassungsmäßigen und völkerrechtlichen Ordnung, der Strafrechtsordnung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Diese Bestimmung steht Vorschriften nicht entgegen, die die Ausübung dieses Rechtes durch Angehörige des Bundesheeres, der Polizei und anderer bewaffneter Wachkörper, der sonstigen staatlichen Verwaltung und der Gerichtsbarkeit gesetzlicher Einschränkungen unterwerfen. Ausländer gegenüber kann durch Bundesgesetz die Ausübung dieses Rechtes, soferne politische Ziele damit verbunden werden, oder die Ausübung dieses Rechtes auf politische Tätigkeit gerichtet ist, Beschränkungen unterworfen werden.(3) Keine Versammlungen im Sinne des Absatzes 1 sind öffentliche Belustigungen, Hochzeitszüge, volksbräuchliche Feste oder Aufzüge, Leichenbegängnisse, Prozessionen, Wahlfahrten und sonstige Versammlungen oder Aufzüge zur Ausübung eines gesetzlich verankerten Kultus und der öffentlichen Religionsausübung dienende Versammlungen. Gleiches gilt von Versammlungen der Wähler zu Wahlbesprechungen, zu Besprechungen mit gewählten Abgeordneten, wenn sie zur Zeit der ausgeschriebenen Wahlen und nicht unter freiem Himmel stattfinden. (4) Dieses Recht schließt auch das Recht mit ein, von niemandem (auch nicht durch die öffentliche Hand oder Rechtsträgern, die öffentliche Aufgaben besorgen) gezwungen zu werden, an einer Versammlung teilzunehmen oder ihr fernzubleiben. Die Gesetzgebung hat dafür zu sorgen, dass Versammlungen wirksam geschützt werden.

 

(1) Alle Arbeitnehmer und alle Arbeitgeber haben das Recht, sich frei zu Vereinigungen zur Wahrung und Förderung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Interessen (Gewerkschaften, Berufsvereinigungen von Arbeitgebern) zusammenzuschließen, insbes. sich dabei zu betätigen und so Arbeitskampfmaßnahmen in Übereinstimmung mit den bestehenden Gesetzen zu treffen.

(2) Verträge und einseitige Rechtshandlungen, die dieses Rechte einschränken oder seine Ausübung behindernd, sind rechtsunwirksam; auch andere hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Dies gilt auch für Maßnahmen, die einen Zwang zum Beitritt zu einer solchen Vereinigung ausüben.

(3) Den Arbeitsvertrag und das Rechtsverhältnis zwischen Betriebsinhaber und Gewerkschaft betreffende Vereinbarungen zwischen Betriebsinhaber und Gewerkschaft mit normativer (allgemein verbindlicher) Wirkung können, soweit nicht zwingend andere gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen, nach Maßgabe besonderer gesetzlicher Bestimmungen abgeschlossen werden. Durch Gesetz kann angeordnet werden, dass solche Vereinbarungen auch für Nichtmitglieder solcher Vereinigungen gelten oder dass die Geltung für Nichtmitglieder aufgrund des Gesetzes durch Verordnung festgelegt wird.

Diese Vereinigungen müssen in der Vertretung der Gruppeninteressen der anderen Seite gegenüber unabhängig sein oder die am Abschluss beteiligten Gruppen müssen voneinander unabhängig sein.

Alternative zu Satz 2: Die Rechtswirkungen solcher Vereinbarungen treten auch für Arbeitnehmer eines kollektivvertragsangehörigen Arbeitgebers ein, die nicht kollektivvertragnagehörig sind (Außenseiter). Diese Rechtswirkungen werden durch einen späteren Kollektivvertrag für dessen Geltungsbereich aufgehoben.

Übergangsbestimmung zu Abs 3:

a) Die Möglichkeit des Abschlusses von Gesamtverträgen für andere Gruppen von arbeitnehmerähnlichen Personen sowie andere, in der Rechtsordnung bereits bestehende Regelungen über Gesamtverträge werden hierdurch nicht berührt.

b) Die normative Wirkung im Sinne des Art X Abs 3 ist im Sinne der Begriffsbestimmung des Arbeitsverfassungsrechts zu verstehen.“

 

2. Art 12 StGG entfällt.

 

Folge: Künftig arbeiteilige Prüfung (Grobprüfung VfGH, Feinprüfung VwGH) auch bei der Vereins- und Versammlungsfreiheit. Nicht jede Gesetzesverletzung bewirkt automatisch auch eine Grundrechtsverletzung.

 

3. Beschluss Prov. NV vom 30.10.1918 Z 3 entfällt.

 

 „3. Die Ausnahmsverfügungen betreffs des Vereins- und Versammlungsrechtes sind aufge­hoben. Die volle Vereins- und Versammlungsfreiheit ohne Unterschied des Geschlechts ist hergestellt.“

 

4. Art 7 Z 5 StV v. Wien bleibt aufrecht,

 

wird aber nicht in den Text bzgl Vereins- und Versammlungsfreiheit eingearbeitet, allenfalls Hervorhebung bei den Minderheitenrechten, allenfalls auch Begleittext (siehe Pkt. 9).

 

5. Verbotsgesetz bleibt aufrecht.

 

§ 3 könnte allenfalls unter die Staatszielbestimmungen aufgenommen werden (nur Textum­stellung). Ist aber unmittelbar anwendbares Recht. Dies spricht für eine Aufnahme in den Grundrechtskatalog. Allenfalls Begleittext (siehe Punkt 9.)

 

Rest des Verbotsgesetzes bleibt jedenfalls aufrecht.

 

6. § 1 Abs 4 und 5 Parteiengesetz:

 

passen wegen ihrer Kasuistik nicht in einen Grundrechtskatalog, müssen aber wegen Ver­fassungsvorbehalt in § 1 Abs 3 leg cit und wegen Eingriffes in die Gewaltentrennung als Verfassungsrecht aufrecht bleiben. Delegation an die einfache Gesetzgebung ist nicht ohne weiteres möglich.

 

Begleittext.

 

7. Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen

 

Thema bleibt im gegebenen Zusammenhang ausgeklammert. Gehört in das Kapitel „Solidarität“ – siehe Art 28 Charta. Siehe auch Vorschlag Loebenstein.

 

8. Weitere einschlägige Regelungen

 

Art 11 des internationalen Übereinkommens über die Vereinigungsfreiheit, BGBl 1950/228;

Art 8 der UN-Weltpakte für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte;

Art 21 der UN-Weltpakte für bürgerliche und politische Rechte;

Art 5, 6 der Europäischen Sozialcharta.

 

9. Textkollage

 

Eventuell Teilung in Texte im Vordergrund (= Grundrechtskatalog) und Begleittexte.

 

 

4.3.6   Sozialstaatliche Gewährleistungen und soziale Grundrechte

Eingebracht im Ausschuss 4, 17. Sitzung, 27.4.2004

 

 

Sozialstaatliche Gewährleistungen und Soziale Grundrechte

Allgemeine Erwägungen und Vorschläge zu deren Aufnahme

in einen neuen Grundrechtskatalog

 

 

1. Eine erneuerte österreichische Bundesverfassung sollte sozialstaatliche Gewährleistungen enthalten. Bereits die geltende Bundesverfassung ist keine „Spielregelverfassung“, sondern enthält Leitwertbekenntnisse in Form von sog Baugesetzen, Staatszielbestimmungen, Gesetzgebungsaufträgen und vor allem grundrechtlichen Garantien. Darunter finden sich auch Gewährleistungen sozialpolitischen Inhalts und sozialpolitischer Relevanz in Form von Diskriminierungsverboten, Gleichbehandlungspflichten und Förderungsverpflichtungen. Die vorhandenen Regelungen sind allerdings unsystematisch und unvollständig.

 

2. Vorschläge für eine Kombination von sozialstaatlichen Ziel- und Aufgabenbestimmungen und individuellen Rechten sind bislang nicht angenommen worden. Nach den Vorstellungen des für Staatsaufgaben und Staatsziele zuständigen Konventsausschusses 1 soll eine etwaige verfassungsrechtliche Verankerung sozialstaatlicher Verantwortung in einem neuen Grundrechtskatalog in Form von individuell durchsetzbaren Gewährleistungen erfolgen.

 

3. Bei der Anhörung und Aussprache vom 19. April 2004 sind unter den eingeladenen Experten zum Thema sozialstaatlicher Gewährleistungen unterschiedliche Auffassungen vertreten worden. Der Bogen reicht von der dezidierten Forderung nach sozialen Grundrechten bis zu einer zurückhaltenden Auffassung, die für eine Parallelführung mit der europäischen Rechtsentwicklung eintritt. Eine unbedingte Ablehnung solcher Verfassungsgarantien ist nicht vertreten worden.

 

4. Dem Ausschuss 4 sind verschiedene Vorschläge für sozialstaatliche Gewährleistungen übermittelt worden. Die Vorschläge des Sozialdemokratischen Grundrechtsforums und der Ökumenischen Expertengruppe enthalten Kataloge subjektiver Rechte. Der Vorschlag Prof. Grabenwarter enthält staatliche Gewährleistungspflichten im Arbeits- und Sozialrecht, die durch Gesetz umzusetzen sind.

 

5. Der Ausschuss 4 hat sich mit allgemeinen Fragen der Verankerung sozialstaatlicher Gewährleistungen in einer künftigen Bundesverfassung beschäftigt. Eine Spezialdebatte über Einzelheiten konnte noch nicht geführt werden.

 

6. Der Ausschuss 4 ist der Auffassung, dass eine künftige Bundesverfassung sozialstaatliche Gewährleistungen enthalten soll. Ein Rückschritt hinter die europäische Verfassungsentwicklung (derzeit noch in Form der EU-Grundrechte-Charta) sollte vermieden werden. Dazu kommt, dass nach herrschender, durch die Rechtsprechung des EGMR und staatlicher Gerichte geprägter Rechtsauffassung in Abwehr-Grundrechten staatliche Schutz- und Gewährleistungspflichten eingeschlossen sind, durch welche die konfrontierende Gegenüberstellung von (klassischen) Abwehrrechten und (neuen) Leistungsansprüchen bereits nach geltender Verfassungsrechtslage relativiert wird. Solche Ansprüche werden überdies durch Diskriminierungsverbote garantiert, die schon jetzt Bestandteil der Verfassung sind und weiter ausgebaut werden sollen.

 

7. Der Ausschuss 4 ist weiters der Auffassung, dass sozial- und leistungsstaatliche Verfassungsgarantien in differenzierter und kombinierter Form eingeführt werden sollten. In Betracht kommen Staatszielbestimmungen – Gesetzgebungsaufträge – institutionelle Garantien – Grundrechte mit individuellem und kollektivem Garantiegehalt. Ein künftiger Grundrechtskatalog sollte für sämtliche Möglichkeiten offen sein. Vorschläge für die konkrete Ausgestaltung wären in fortgesetzter Ausschussarbeit zu suchen. Ein solches Vorgehen würde allerdings einen politischen Grundkonsens in diese Richtung voraussetzen, der vom Ausschuss nicht erzeugt werden kann.

 

8. Entsprechend den Überlegungen und Vorschlägen von Prof. Holoubek tritt der Ausschuss 4 für eine möglichst konkrete Fassung sozial- und leistungsstaatlicher Verfassungsgarantien als Grundrechte „im technischen Sinne“ ein. Sprachlich diffuse Formen, wie ein „Recht auf Gesundheit“ sollten vermieden und in genaue, rechtlich geschützte Positionen, zB ein Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge oder einen Anspruch auf medizinische Notfallversorgung übersetzt werden.

 

9. Ein allgemeines Missbrauchsverbot sowie Gesetzesvorbehalte, die den Staat davor schützen, zur Leistung von Unerfüllbarem verpflichtet zu sein, wären als Schranken vorzusehen, jedoch so zu gestalten, dass Mindeststandards nicht unter Berufung auf nicht vorhandene Mittel unterschritten werden können.

 

10.   Nach Überzeugung des Ausschusses 4 sollte das rechtliche Instrumentarium zur Durchsetzung sozial- und leistungsstaatlicher Verfassungsgarantien ebenso differenziert gestaltet sein wie die Verankerung solcher Garantien. Vorhandene Ansätze in der juristischen Dogmatik sind zu nutzen, zu entwickeln und auszubauen, neue Instrumente bereit zu stellen. Eine Rechtsdurchsetzung, die ausschließlich oder vorwiegend auf dem Wege der auf individuelle Eingriffsabwehr zugeschnittenen Grundrechtsbeschwerde bei den UVS und beim VfGH erfolgte, wäre unzureichend. Mechanismen  kollektiver Rechtsdurchsetzung werden zusätzlich zu schaffen sein. Der Gerichtsbarkeit in Zivil-, Arbeits-, Sozialrechts- und Strafsachen wird wesentliche Funktionen bei der Effektivierung sozial- und leistungsstaatlicher Verfassungsgarantien zufallen. Hier besteht bereits ein flexibles dogmatisches Instrumentarium an argumentativen Mustern, insbesondere in Form des Grundsatzes der verfassungskonformen Gesetzesauslegung und von teleologischen Operationen (Reduktion oder Extension). In einer neu zu schaffenden Verfassungsklausel sollte die Grundrechtspflichtigkeit sämtlicher Staatsfunktionen ausdrücklich klargestellt werden.

 

11.   Nach Auffassung des Ausschusses 4 wird die Aufnahme von sozial- und leistungsstaatlichen Verfassungsgarantien Folgewirkungen in den Bereichen der Normenkontrolle und des Staatshaftungsrechts haben müssen. Das traditionelle Kassationsprinzip in der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle stößt schon jetzt auf Grenzen der Handhabbarkeit. Bei den neuen Gewährleistungen werden Überlegungen in die Richtung begrenzter Normsetzungsbefugnisse des VfGH anzustellen sein. Das bestehende  Privileg des Ausschlusses von außervertraglicher Staatshaftung gegenüber rechtswidrigem Verhalten von Legislativorganen wird in Frage zu stellen sein.

 

 

4.3.7   Textvorschlag für die Einleitung zum Ausschussbericht

Eingebracht im Ausschuss 4, 20. Sitzung, 24.5.2004

 

Das Bundesverfassungsrecht enthält eine Fülle von grundrechtlichen Gewährleistungen, jedoch keinen systematisch geschlossenen Grundrechtskatalog. Die Texte und Quellen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und materieller grundrechtlicher Garantien staatlicher und völkerrechtlicher Herkunft sind in ihrer Gesamtheit heterogen, komplex und unübersichtlich.

Besonderes Gewicht haben die als formelles und unmittelbar anwendbares Bundesverfassungsrecht geltenden Garantien der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle. Sie sind durch eine dynamische Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und der österreichischen Höchstgerichte entwickelt und den Erfordernissen geänderter gesellschaftlicher Verhältnisse angepasst worden. Sie sind wissenschaftlich durchdrungen und im Grundrechtsbewusstsein fest verankert.

Durch die EMRK und ihre Zusatzprotokolle wird der Bereich der „klassischen“ Menschenrechte und Grundfreiheiten – mitsamt Fundamentalgarantien und justiziellen Gewährleistungen – weitgehend abgedeckt. Auf diesem Gebiet besteht nur wenig Ergänzungsbedarf. Die Texte und Quellen bedürfen allerdings einer umfassenden und gründlichen Bearbeitung, Vereinfachung und Harmonisierung.

Dabei sind auch Fragen des allgemeinen Teiles der Grundrechte, etwa betreffend Gesetzesvorbehalte, staatliche Garantiepflichten, Horizontalwirkung, besondere Rechtsverhältnisse, Bindung der Staatsfunktionen, Verhältnis zu Staatszielbestimmungen, institutionellen Garantien und Gesetzgebungsaufträgen sowie zu neuen Instrumenten des präventiven und begleitenden Rechtsschutzes durch Beiräte und Rechtsschutzbeauftragte, zu behandeln.

Erneuerungs-, Verbesserungs- und Entwicklungsbedarf besteht auch bei den allgemeinen und besonderen Diskriminierungsverboten sowie bei den Volksgruppenrechten.

Ein neuer Grundrechtskatalog kann nicht auf „klassische“ Menschenrechte und Grundfreiheiten beschränkt bleiben. Er muss auch Antwort auf Fragen geben, die sich im Zusammenhang mit den – äußerst komplexen – Aufgaben eines Sozialstaates stellen. Der Ausschuss hat in dieser Hinsicht Vorschläge allgemeinen Inhalts erarbeitet, die auf ein differenziertes Instrumentarium an subjektiven Rechten und Gewährleistungen objektiven Inhalts hinauslaufen.

Der Ausschuss hat für alle ihm gestellten Fragen Material und eine Fülle von Vorschlägen gesammelt. Ein Teil davon konnte in jener Intensität behandelt werden, die für eine Präsentation konkreter Textvorschläge erforderlich ist.

 

 

4.4       Schnizer Johannes, Dr.

4.4.1   Volksgruppenschutz

Eingebracht im Ausschuss 4, 22. Sitzung, 9.7.2004

 

 

Zur Unterstützung der Beratungen des Ausschusses über das Thema Volksgruppen darf ich folgende Anmerkungen zum Art 14 des Sozialdemokratischen Grundrechtsentwurfes machen:

 

Der Art 14 basiert auf dem Vorschlag, den Univ.Prof. Dr. Dieter Kolonovits dem Ausschuss in seiner Sitzung am 30. Jänner 2004 vorgelegt hat. Zu seiner Erläuterung – etwa zu der in der Ausschussdiskussion aufgetretenen Frage nach der Abgrenzung von „gemischtsprachigen Gebieten“ – sei daher grundsätzlich auf die von Kolonovits dem Ausschuss ebenfalls zur Verfügung gestellten „Erläuterungen zum Textvorschlag“ verwiesen.

 

Der Art 14 des Sozialdemokratischen Grundrechtsentwurfes unterscheidet sich vom Vorschlag Kolonovits insbesondere durch die Aufnahme des interkulturellen Dialogs (in Abs 1 Satz 2). Dazu ist folgendes zu bemerken:

 

Das auch von Österreich unterzeichnete „Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten“ des Europarates enthält solch ein Bekenntnis zum „Interkulturellen Dialog“ und zur Partizipation von Minderheiten an den politischen Willensbildungen, insbesondere auf regionaler Ebene.

 

Art 6 Abs 1 dieses Übereinkommens, an dem sich der Art 14 des Sozialdemokratischen Grundrechtsentwurfes orientiert, lautet:

Die Vertragsparteien fördern den Geist der Toleranz und des interkulturellen Dialogs und ergreifen wirksame Maßnahmen zur Förderung der gegenseitigen Achtung und des gegenseitigen Verständnisses sowie der Zusammenarbeit zwischen allen in ihrem Hoheitsgebiet lebenden Menschen ungeachtet deren ethnischer, kultureller, sprachlicher oder religiöser Identität, insbesondere in den Bereichen Bildung, Kultur und Medien.

 

Schließlich werden beim kollektiven Rechtschutz im Unterschied zum Kolonovits-Vorschlag „Organisationen, die Interessen von Volksgruppen vertreten“ zur Geltendmachung der Rechte der Volksgruppen berufen (Abs 6). Darunter sind alle Vereinigungen zu verstehen, gleichgültig, ob sie privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich eingerichtet sind bzw. werden.

 

 


 

5              Ausschuss 5 – Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden

 

5.1       Brauner Renate

5.1.1   Stellungnahme zum „Drei-Säulen-Modell“

Eingebracht im Ausschuss 5, 5. Sitzung, 1.12.2003

 

 

Stellungnahme des Landes Wien

 

Zu den in der vierten Sitzung des Ausschusses 5 zur Beantwortung erwünschten Fragen wird folgendes festgestellt:

 

Die Neuverteilung der Aufgaben im Bereich der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern ist wohl eine der schwierigsten Herausforderungen des Konvents. Sicher ist die geltende Verfassungsrechtslage, welche durch eine Zersplitterung auf fast 200 Kompetenztatbestände gekennzeichnet ist, unbefriedigend. Die Stadt Wien steht aber dem im Ausschuss 5 bisher diskutierten sogenannten 3-Säulen-Modell auch mit gutem Grund skeptisch gegenüber: Es ist zu befürchten, dass gerade durch dieses Modell – so wie dieses im Ausschuss dargelegt wurde – erneut schwerwiegende Abgrenzungsprobleme und komplizierte Fragen der Zuständigkeitswahrnehmung in der sogenannten dritten Säule entstehen könnten. Es sollte vermieden werden, von einer unbefriedigenden Kompetenzaufteilung in eine neue nicht minder problematische Kompetenzverteilung überzuwechseln. Eine endgültige Einschätzung dieses Modells kann natürlich erst dann erfolgen, wenn dieses in seinen konkreten Formen vorliegt und Ergebnisse anderer Ausschüsse (insbesondere des Ausschusses 10 – Finanzverfassung) auch feststehen. Nach derzeitigem Stand besteht jedenfalls die ernsthafte Möglichkeit, dass, wie auch der Vorsitzende des Ausschusses 5 in seinem „Vorschlag für eine Zuordnung der Gesetzgebungskompetenzen zu Bund und Ländern“ feststellt, „die Gesetzgebung in der dritten Säule eine Einschränkung der selbständigen Landesgesetzgebung darstellt.....“.

 

Wenn es trotz dieser grundsätzlichen Vorbehalte zu einem Modell mit drei Bereichen (ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes bzw. der Länder, dritter Bereich) kommen sollte, sollte nicht von einem 3-Säulen-Modell gesprochen werden, sondern davon, dass im dritten Bereich eine sinnvolle, länderfreundliche Form der Bedarfsgesetzgebung geschaffen werde. Dem Prinzip der Subsidiarität sollte auch und gerade in diesem Zusammenhang ein hoher Stellenwert eingeräumt werden. In diesem Sinn sei zu den drei Fragen folgendes festgehalten:

 

Zu Frage 1: „In welcher Weise soll die Rechtssetzung im dritten Kompetenzbereich (zwischen Bund und Länder geteilte Gesetzgebung) erfolgen, nach welchen Kriterien soll die Anspruchnahme der Kompetenz erfolgen?“:

 

Wenn schon das theoretische Idealbild einer Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen in zwei Bereiche (ausschließliche Bundes- oder Landeskompetenz) als nicht verwirklichbar eingeschätzt wird, scheint es jedenfalls sinnvoll, den „dritten Bereich“ möglichst klein zu halten. Es sollen also nur Materien in diesen dritten Bereich kommen, über deren Zuordnung in eine der beiden anderen Säulen man sich nicht einigen kann bzw. sollte für jede einzelne Zuordnung einer Kompetenz in diesen Bereich argumentativ eindeutig der Beweis erbracht werden, dass diese Zuordnung in höherem Maß sachlich gerechtfertigt ist, also eine Zuordnung in einen der beiden anderen Bereiche. Denn man muss sich bewusst sein, dass die Materien des dritten Bereiches das Einfallstor für Zeitverzögerungen in der Gesetzgebung, Rechtsunsicherheiten und permanente Streitigkeiten sein könnten.

 

Konstruktionen der Rahmengesetzgebung/Ausführungsgesetzgebung werden abgelehnt. Vielmehr scheint bei den Kriterien der Inanspruchnahme der Kompetenz im dritten Bereich die Annahme einer Bedarfskompetenz am sinnvollsten. Es soll grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass in erster Linie die Länder für die Gesetzgebung dieser Materien zuständig sind. Der Bedarf eines Gesetzgebungsrechtes des Bundes (etwa zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse) müsste ausdrücklich festgestellt werden. Als „Feststellungsorgan“ käme der - grundsätzlich erneuerte – Bundesrat in Frage. Vorraussetzung sollte sein, dass die Bundesräte in ihrer Funktion als „Kompetenzfeststellungsorgan“ gegenüber ihrem Landtag weisungsgebunden sind. Der Bundesrat müsste in seiner Mehrheit für die Feststellung eines Bedarfs einer bundesgesetzlichen Regelung für eine gewissen Materie votieren, damit die Kompetenz von den Ländern auf den Bund übergeht. Kombiniert mit diesem Erfordernis wäre auch denkbar, dass zusätzlich eine qualifizierte Mehrheit der Länder (die Bundesräte jedes Bundeslandes würden nach diesem Modell einheitlich abstimmen) im Bundesrat für den Kompetenzübergang stimmen müsste.

 

Dieses Modell einer Bedarfsgesetzgebung böte ausreichend Gewähr dafür, dass die Länder nicht eine unnötige Einschränkung der selbständigen Landesgesetzgebung erfahren, umgekehrt aber bei tatsächlichem Bedarf im Interesse des Staatsganzen eine Bundeskompetenz wahrgenommen werden kann.

 

Zu Frage 2: „In welcher Weise sollen die Länder im dritten Kompetenzbereich an der Gesetzgebung des Bundes mitwirken?“:

 

Die Beantwortung dieser Frage ist in hohem Maß von jener Antwort abhängig, die auf Frage 1 gegeben wird. Weiters davon, wie ein grundlegend neuer Bundesrat tatsächlich aussieht. Bei zufriedenstellender Beantwortung dieser beiden Vorfragen könnte ein grundlegend neuer Bundesrat (erstmals) tatsächlich zu einem wirksamen Organ der Länder im Bereich der Gesetzgebung des Bundes werden. Denkbar wäre ein Vermittlungsausschuss zusammengesetzt aus Vertretern von Nationalrat und Bundesrat. Die Bundesräte müssten so frühzeitig wie möglich in den Gesetzwerdungsprozess eingebunden sein und von Anfang an den gleichen Informationsstand haben. Selbstverständliche müsste – insbesondere wenn ein Bundesbedarf festgestellt wird – ein geeigneter Kostenregelungsmechanismus gegeben sein (kein zusätzlicher Mehraufwand für die Länder – dazu wird aber, wie auch oben erwähnt, primär im Ausschuss 10 beraten werden müssen).

 

Zu Frage 3: „Welche Materien/Aufgabenfelder sollen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes, welche der ausschließlichen                                                                       
Gesetzgebungskompetenz der Länder zugeordnet werden?“

 

Eine abschließende Beantwortung dieser Frage scheint aufgrund der bisher noch unzureichend vorliegenden Ergebnisse bei inhaltlich korrespondierenden Fragen, die im Österreich Konvent behandelt werden, verfrüht.

 

 

5.2       Funk Bernd-Christian, Dr. Univ. Prof.

5.2.1   Vorschläge zur Neuformulierung und  Aufteilung von Gesetzgebungszuständigkeiten

Eingebracht im Ausschuss 5, 10. Sitzung, 23.2.2004

 

 

Vorschläge zur Neuformulierung und Aufteilung

von Gesetzgebungszuständigkeiten

 

Bund

Land

 

 

Bundesverfassung

Landesverfassung

 

 

Auswärtige Angelegenheiten, ausgenommen solche der Länder

Auswärtige Angelegenheiten der Länder

 

 

Bundesfinanzen

Landesfinanzen

 

 

Statistik für Zwecke des Bundes

Statistik für Zwecke der Länder

 

 

Bundesabgaben

Abgaben der Länder und Gemeinden

 

 

Berufliche Interessenvertretungen, ausgenommen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft

Berufliche Interessenvertretungen in der Land und Forstwirtschaft

 

 

Bundesweite Raumordnung

Raumordnung in Ländern und Gemeinden

 

 

Überregionaler Katastrophenschutz

Katastrophenschutz in den Ländern und Gemeinden

 

 

Organisations- und Dienstrecht des Bundes

Organisations- und Dienstrecht der Länder und Gemeinden

 

 

Bundesstraßenrecht

Sonstiges Straßen- und Wegerecht

 

 

Schul- und Bildungswesen, ausgenommen Zuständigkeiten der Länder

Kindergärten, Volks- und Hauptschulen; Schul- und Bildungswesen in der Land- und Forstwirtschaft

 

 

Soweit ein Bedarf nach einheitlicher Regelung besteht: Verwaltungsverfahren, Abfallwirtschaft, Luftreinhaltung, Umweltverträglichkeitsprüfung, öffentliches Auftragwesen

Verwaltungsverfahren, Abfallwirtschaft, Luftreinhaltung, Umweltverträglichkeitsprüfung, öffentliches Auftragswesen, soweit kein Bedarf nach einheitlicher Regelung besteht

 

 

Sicherheitsverwaltung

Ortspolizei

 

 

Soziale Sicherheit, ausgenommen Sozialhilfe

Sozialhilfe

 

 

Wirtschaftsordnungs- und Regulierungsrecht

 

 

 

Zivilrecht

 

 

 

Justizstrafrecht

 

 

 

Berufsrecht der freien Berufe

 

 

 

Personenstandswesen

 

 

 

Staatsbürgerschaftsrecht

 

 

 

Arbeitsrecht

 

 

 

Produktsicherheitsrecht

 

 

 

Sicherung der Lebensmittelqualität

 

 

 

Elektrizitätsrecht

 

 

 

Post- und Telekommunikationsrecht

 

 

 

Straßenpolizei- und Kraftfahrrecht, Eisenbahn-, Schiffs- und Luftverkehrsrecht

 

 

 

Straßenpolizei- und Kraftfahrrecht

 

 

 

Wasserrecht

 

 

 

Forstrecht

 

 

 

Normen, technische Spezifizierungen und Zulassungen

 

 

 

Wirtschaftslenkung und Bewirtschaftung in Notstandsfällen

 

 

 

Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Krankenanstaltenrecht

Recht der Kurorte und Heilquellen.

Friedhof- und Bestattungsrecht

 

 

Veterinärrecht

 

 

 

Tierschutz

 

 

 

Militärische Angelegenheiten

 

 

 

Denkmalschutz

 

 

 

 

Jagd- und Fischereirecht

 

 

 

Natur- und Landschaftsschutz

 

 

 

Bodenreform

 

 

 

Baupolizeirecht

 

Erläuterungen

 

1. Das Modell kommt mit 2-Säulen aus. Man könnte es als staatenbündisches Bundesstaatsmodell bezeichnen. Es beruht auf den Grundsätzen der formalen und materiellen Parität von Bund und Ländern bei möglichst symmetrischer Anordnung von Zuständigkeitsbereichen.

 

2. In instrumentaler Hinsicht hat das Modell eine limitierende und deregulierende Funktion: Bund und Länder müssen mit ihrer Kompetenzausstattung auskommen, wenn Probleme durch Gesetzgebungsmaßnahmen zu lösen sind. Es gibt keine Generalklausel. Die Kompetenz-Kompetenz des Staates (Bund und Länder als Ganzes) bleibt aufrecht: Es gibt keinen Lebensbereich, der nicht Gegenstand gesetzlicher Maßnahmen sein kann, allerdings nur mit den Mitteln der bestehenden Kompetenzzuweisungen, gegebenenfalls auch nur mit Mitteln des Organisationsrechts (Bereitstellung von Institutionen), des Privat- und des Strafrechts.

 

3. Kompetenzänderungen durch einseitige Verfassungsänderung sind zwar nicht ausgeschlossen, liegen aber nicht in der Funktionslogik des Modells. Wenn das vorhandene Inventar an Kompetenzen für nicht ausreichend gehalten wird, dann sollten Änderungen ausschließlich auf der Grundlage einer Übereinkunft zwischen den beteiligten Kompetenzträgern erfolgen. Das Gleiche gilt für die Lösung von Abgrenzungskonflikten.

 

4. Die Auslegung der Kompetenztatbestände erfolgt unter Anwendung systematisch-finaler Gesichtspunkte. Vor allem bei Kompetenztatbeständen, die als Rechtsgebiete („Wasserrecht“, „Arbeitsrecht“ etc) oder als Sammeltatbestände (zB „Sicherheitsverwaltung“) angesprochen werden, ist auf bestehende gesetzliche Regelungssysteme zu achten, wenn auch nicht in strikt „versteinernder“ Weise. Finale Gesichtspunkte und der Aspekt der komparativen Sachnähe haben eine gleichrangige Maßstabsfunktion – in diesem Sinne Lösungen wie zB Waldbrandbekämpfung (Forstrecht) oder Hausbrieffächer (Postrecht). Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, des Übermaß- und des Untermaßverbotes spielen in diesem Modell ebenfalls eine wesentliche Rolle (Beispiel: Tierschutz – Baupolizeirecht).

 

 

5.3       Holzinger Gerhart, Dr. Univ. Prof.

5.3.1   Stellungnahme zum „Drei-Säulen-Modell“ einer künftigen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern

Eingebracht im Ausschuss 5, 5. Sitzung, 1.12.2003

 

 

Sehr geehrter Herr Universitätsdozent!

 

Zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen nehme ich wie folgt Stellung:

 

Zu Frage 1:

In den in den "3. Kompetenzbereich" fallenden Angelegenheiten sollte die Zuständigkeit zur Gesetzgebung grundsätzlich bei den Ländern liegen. Die Kompetenz des Bundesgesetzgebers sollte derart umschrieben werden, dass ein Höchstmaß an "Flexibilität" erreicht wird, etwa mit einer weit gefassten Formulierung nach  dem Muster: "so weit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet wird"; mE sollte nämlich die nähere Abgrenzung der Bundes- von der Landeskompetenz so weit wie möglich im Wege der Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung, also "politisch", und nicht im Wege der Auslegung von Kompetenzbegriffen, also "juristisch", bestimmt werden. Dies würde nicht ausschließen, dass eine - im Hinblick auf die inhaltliche Umschreibung der Reichweite der Bundeskompetenz durch den Bundesverfassungsgesetzgeber - "exzessive" Gebrauchnahme des Bundesgesetzgebers von seiner Kompetenz der verfassungsgerichtlichen Prüfung unterliegt. Eine derart allgemein gehaltene Formulierung zur Umschreibung der Bundeszuständigkeit "im 3. Kompetenzbereich" sollte alle zweckmäßiger Weise in Betracht kommenden "Typen" bundesgesetzlicher Regelungen (etwa solche zur "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" oder zur "Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftsgebieteinheit im gesamtstaatlichen Interesse", aber auch eine "Ziel- und/oder Rahmengesetzgebung" oder eine "Grundsatzgesetzgebung") ermöglichen. Aus Gründen der Rechtssicherheit wäre darüber hinaus wohl auch eine bundesverfassungsgesetzliche Regelung nach dem Muster "Bundesrecht bricht Landesrecht" erforderlich, so wie sie auch andere bundesstaatliche Verfassungen vorsehen.

 

Es liegt auf der Hand, dass es bei diesem Konzept ganz wesentlich auf die Möglichkeit der Länder ankommt, an der Bundesgesetzgebung effektiv mitzuwirken. Diesbezüglich verweise ich auf meinen Vorschlag zur Frage 2.

 

Einer Diskussion wert wäre mE auch die Überlegung, "im 3. Kompetenzbereich" die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers (überhaupt) nicht inhaltlich abzugrenzen, sondern die Abgrenzung, etwa mit der Formel "so lange und so weit nicht der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat", dem "freien Spiel der Kräfte" im Rahmen des (notwendiger Weise: kooperativen) Verfahrens der Bundesgesetzgebung zu überlassen.

 

Zu Frage 2:

Sowohl im Hinblick auf die zu Frage 1 angestellten Überlegungen als auch mit Blick auf eine allfällige Erweiterung der Zuständigkeiten der Länder auf dem Gebiet der Verwaltung (etwa im Zusammenhang mit einer allfälligen "Abschaffung" der mittelbaren Bundesverwaltung) käme der Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung gesteigerte Bedeutung zu, und zwar unter dem Gesichtpunkt der Begrenzung der Bundesgesetzgebung "im 3. Kompetenzbereich" ebenso wie unter dem Aspekt der Einbeziehung des know-how der Länder bei der (autonomen) Vollziehung von Bundesgesetzen in den Prozess der Bundesgesetzgebung.

 

Ausgehend davon, dass die Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung im Wege des Bundesrates erfolgen soll, wäre dieses Organ sowohl in organisatorischer als auch in funktioneller Hinsicht diesen spezifischen Anforderungen entsprechend fort zu entwickeln. Organisatorisch müsste insbesondere gewährleistet werden, dass die Interessen der Länder, insbesondere auch im Hinblick auf ihre Kompetenz zur Vollziehung von Bundesgesetzen, effektiv gewahrt werden können. Ob dies für eine Einbindung der Landesregierungen in den Bundesrat spricht oder ob der selbe Effekt etwa durch eine Bindung der Mitglieder des Bundesrates an den Willen des jeweiligen Landtages erreicht werden kann, müsste noch diskutiert werden; zu fragen ist auch, ob die Regelung der Bestellung des Bundesrates nicht - nach Schweizer Muster - den Ländern (also dem Landesverfassungsgesetzgeber) überlassen werden könnte. In funktioneller Hinsicht erschiene eine frühzeitige Einbeziehung der Länder in den Prozess der Bundesgesetzgebung, insbesondere in den Stadien des Begutachtungsverfahrens und der Ausschussberatungen im Nationalrat, geboten. Für den Fall eines intensiven Interessenskonfliktes zwischen Bund und Ländern wäre eine "Vermittlungs"-einrichtung zu erwägen. Um eine Blockade der Bundesgesetzgebung zu vermeiden, wäre - von noch zu definierenden Ausnahmen, in denen ein Zustimmungsrecht des Bundesrates vorgesehen wird, - die Mitwirkung des Bundesrates wohl weiterhin auf ein suspensives Veto zu beschränken, wobei überlegt werden sollte, ob für den nachfolgenden Beharrungsbeschluss des Nationalrates erhöhte Quoren vorgesehen werden sollen.

 

Zu Frage 3:

Dazu sollte man sich an Folgendem orientieren: Ausgangspunkt wären die derzeitigen Kompetenzen der Länder im Bereich des Art. 15 B-VG; in einem ersten Schritt sollte man diese Materien im Hinblick auf die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit einer Arrondierung zur Schaffung größerer zusammenhängender Aufgabenbereiche an Stelle bloßer Aufgabenfragmente untersuchen. In einem zweiten Schritt sollte man prüfen, ob einzelne der derzeit in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallenden Aufgaben besser bundeseinheitlich geregelt werden und, ob vice versa einzelne Aufgabenbereiche, die derzeit Bundessache in der Gesetzgebung sind, besser von den Ländern geregelt werden sollten. In einem dritten Schritt sollte geprüft werden, für welche Angelegenheiten eine zwischen Bund und Ländern geteilte Gesetzgebung zweckmäßig erscheint; Indikatoren dafür könnten etwa sein: die derzeitige Zuordnung zum Art. 12 B-VG, aber auch die Fälle der delegierten Kompetenz, der Bedarfskompetenz und dergleichen mehr. Der Rest wären jene Angelegenheiten, die der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes zugeordnet werden sollten. In jedem Fall sollte man sich bemühen, größere zusammenhängende Aufgabenbereiche zu formulieren.

 

Ich bin mir darüber im Klaren, dass die vorstehenden Überlegungen in manchem die "ausgetretenen Pfade" bisheriger Reformüberlegungen verlassen. Ohne eine derartige Neuorientierung wird sich aber an den Problemen der geltenden Kompetenzverteilung nichts ändern.

 

Mit den besten Grüßen

 

 

5.4       Konecny Albrecht, Prof.

5.4.1   „Formulierung eines Teileinspruchsrechtes des Bundesrates“

Eingebracht im Ausschuss 5, 9. Sitzung, 9.2.2004

 

 

Textvorschlag zu Art 42 Abs 2 B-VG

 

Art. 42 Abs. 2 B-VG wird folgender Satz angefügt:

 

"Ein Einspruch kann sich auch gegen eines von mehreren Gesetzen richten, die in einem Gesetzesbeschluss des Nationalrates zusammengefasst sind; die darin enthaltenen Gesetze, gegen die sich der Einspruch nicht richtet, können beurkundet und kundgemacht werden."

 

 

5.5       Öhlinger Theo, Dr. Univ. Prof.

5.5.1   Stellungnahme zum „Drei-Säulen-Modell“

Eingebracht im Ausschuss 5, 5. Sitzung, 1.12.2003

 

 

Stellungnahme zum "Drei Säulen-Modell" einer künftigen
Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern

 

1. Zur Struktur der "dritten" Säule

a. Bevor über die Zuordnung einzelner Sachbereiche zum "dritten" Kompetenzbereich sinnvoll geredet werden kann, muss Klarheit über die Struktur dieses Kompetenzverteilungstypus (Modells) gewonnen werden. Während über die Typen "ausschließliche Bundeskompetenzen" sowie "ausschließliche Länderkompetenzen" einigermaßen klare Vorstellungen bestehen,[135] ist der dritte Bereich offensichtlich noch sehr strittig.

ME sollte dieser Bereich weitgehend auf einen einzigen Typus der Kompetenzverteilung reduziert werden, der in etwa dem deutschen Modell der konkurrierenden Gesetzgebung[136] bzw. dem Modell der geteilten Gesetzgebung des Konventsentwurfs einer Verfassung der EU[137] entspricht. Der Sache nach handelt es sich um eine Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Bundes.

Eine derartige Aufteilung der Kompetenzen beruht auf dem Gedanken, dass der Bund gesetzgeberisch nur tätig sein soll, soweit eine bundeseinheitliche Regelung sinnvoll und zweckmäßig ist. Das gilt sowohl für das Ob als auch für die Intensität einer gesetzlichen Regelung. Dieses Kompetenzverteilungsmodell entspricht somit der Idee der Subsidiarität.

Der große Vorteil dieses Modells ist seine Beweglichkeit (Flexibilität). Der Bundesgesetzgeber kann selbst bestimmen, ob eine diesem Modell unterliegende Angelegenheit überhaupt gesetzlich geregelt werden soll und in welcher Intensität diese Regelung bundeseinheitlich erfolgen soll. Er kann sich also auch auf "Rahmenregelungen" beschränken, ohne dabei dem Gebot hinreichender Bestimmtheit (Legalitätsprinzip) zu unterliegen: Ist die Regelung nicht in einer dem Legalitätsprinzip (wie immer es in der künftigen Verfassung normiert werden soll) entsprechenden Weise bestimmt, so haben die Länder entsprechende gesetzliche Ausführungsregelungen zu erlassen. Dieses Kompetenzmodell weist insofern Parallelen zum bisherigen Typus des Art 12 Abs 1 B-VG auf, ohne allerdings den Bundesgesetzgeber auf bloße Grundsätze zu begrenzen (was in der Praxis der Anwendung des Art 12 B-VG bekanntlich ohnehin nicht funktioniert hat).

Die damit angesprochene – weithin bekannte – mangelnde Praktikabilität des Art 12
B-VG legt es nahe, auf diesen Typus der Kompetenzverteilung – im Diskussionsvorschlag der WKÖ als "Rahmengesetzgebung" und im Bußjäger-Papier vom 6.11.2003 als "Ziel- und Rahmengesetzgebung" bezeichnet – zu verzichten. Er sollte vollständig durch das hier skizzierte Modell einer geteilten Kompetenz ersetzt werden.

Ebenso sollte – entgegen dem Diskussionsvorschlag der WKÖ – auch auf das Modell einer delegierten Gesetzgebung im Sinn des Art 10 Abs 2 B-VG gänzlich verzichtet werden. Auch dieses Modell hat sich in der Praxis bekanntlich nicht bewährt.

b. Grundsätzlich sollten alle Materien einem der drei Kompetenzverteilungstypen – ausschließliche Bundeskompetenz, geteilte Kompetenzen, ausschließliche Landeskompetenzen – zugeordnet werden. (Die Vollständigkeit der Zuordnung kann durch eine Generalklausel – wohl zugunsten des geteilten Kompetenztypus – erreicht werden.) Auf einzelne Ausnahmeregelungen wird man aber dennoch nicht ganz verzichten können.

So sollte mE die Kompetenzverteilung auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts – Bedarfskompetenz des Bundes; abweichende Bundes- und Landesregelungen nur, soweit sie erforderlich sind (Art 11 Abs 2 B-VG) – beibehalten werden.

Es spricht auch einiges dafür, die Kompetenzverteilung auf dem Gebiet des Zivilrechts – Bundeskompetenz gemäß Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG, aber Kompetenz der Länder zu "erforderlichen" Regelungen im Rahmen ihrer Gesetzgebungszuständigkeiten (Art 15 Abs 9 B-VG) – im Prinzip beizubehalten. Allerdings wäre eine gewisse Lockerung der Grenzen dieser Länderkompetenz im Hinblick auf eine wohl allzu restriktive Judikatur des VfGH anzudenken. Dagegen könnte das Strafrecht in einer Nachfolgeregelung des Art 15 Abs 9 B-VG wohl überhaupt gestrichen werden, weil die Länder mit verwaltungsstrafrechtlichen Regelungen das Auslangen finden können.

Solche "Sondertypen" sind vielleicht auch noch in anderen Materien zu erwägen. Zu denken ist dabei etwa an das Arbeitsrecht (im Hinblick auf das land- und forstwirtschaftliche Arbeitsrecht). Zu diskutieren wäre auch, inwieweit die seit 1.1.2003 geltende Sonderregelung auf dem Gebiet des Vergaberechts (Art 14b B-VG idF BGBl I 2002/99) aufrechterhalten bleiben soll.

Sondertypen sollten aber wegen der angestrebten Transparenz und Einfachheit der Kompetenzverteilung eine strikte Ausnahme bleiben.

 

2. Kriterien der Inanspruchnahme der geteilten Kompetenzen durch den Bund;
Mitwirkung der Länder

Was die Kriterien betrifft, nach denen die Inanspruchnahme der Kompetenz des Bundesgesetzgebers im Rahmen dieses Kompetenztypus erfolgen soll, so hängt ihre Formulierung von der Vorfrage ab, in welchem Ausmaß diese Inanspruchnahme vom VfGH kontrollierbar sein oder eine genuin politische Entscheidung bleiben soll.

Geht man von einem normativen Begriff der (repräsentativen) Demokratie aus, so liegt es nahe, diese Entscheidung den Vertretern des (Gesamt-)Volkes – also der Mehrheit des Nationalrates – zu überlassen: Das Volk selbst (von dem das Recht ausgeht) bzw. seine Vertreter sollen mehrheitlich darüber bestimmen können, ob und inwieweit eine Angelegenheit bundeseinheitlich geregelt werden soll. Es liegt aber auf der Hand, dass das normative Ideal der Demokratie in der Realität nicht friktionsfrei funktioniert. Insofern ist es legitim, über einen verfassungsrechtlichen Mechanismus nachzudenken, der es garantiert, dass der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz – entgegen der diesem Modell zugrunde liegenden Idee der Subsidiarität – keinen exzessiven Gebrauch macht.

Allerdings ist es denkbar, dass ein solcher Mechanismus selbst wieder ein politischer ist. Ein solcher könnte nämlich in einer Beteiligung der Länder am Gesetzgebungsprozess des Bundes liegen.

Nach den bisherigen Erfahrungen mit dem Bundesrat müsste diese Beteiligung allerdings anders erfolgen. Denkbar wäre etwa ein Vermittlungsausschuss, der sich (paritätisch?) aus Vertretern des Bundes und der Länder zusammensetzt. In der näheren Ausgestaltung sollten die Erfahrungen mit dem Konsultationsmechanismus berücksichtigt werden. Wichtig – das lehrt die Erfahrung in Deutschland – ist jedenfalls eine Konstruktion, die verhindert, dass Gesetzesvorhaben des Bundes aus primär parteipolitischen Gründen blockiert werden.

Eine Kontrolle des Bundes durch den VfGH im hier gegebenen Zusammenhang sollte dagegen auf eher exzessive Kompetenzüberschreitungen begrenzt werden. Daher sollten materielle Kriterien der Inanspruchnahme dieser Kompetenz durch den Bund eher flexibel gestaltet werden. Denkbar wäre etwa eine Formulierung, wonach der Bund in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig werden darf, "soferne und soweit ein Bedürfnis nach Erlassung bundesweit einheitlicher Vorschriften vorhanden ist" (vgl zu dieser Formulierung VfGH Slg 13.019/1992 [zu Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG]).

Bei jedem Kontrollmodell wäre jedenfalls zu bedenken, dass dieses – je dichter oder schärfer es gestaltet wird – die mit einem Typus geteilter Kompetenzen angestrebte Flexibilität der Kompetenzverteilung wieder in Frage stellen könnte. Es ist daher ein Ausgleich zwischen einer sinnvollen Praktikabilität und dem berechtigten Anliegen der Länder auf Wahrung einer gewissen gesetzlichen Gestaltungsmöglichkeit in den diesem Kompetenztypus zugeordneten Materien zu suchen.

Zu erwägen wäre andererseits auch ein Mechanismus, der Überregulierungen auf Seiten der Länder verhindert.

 

3. Aufteilung der Materien auf die drei Säulen

ME sollte der Typus der geteilten Kompetenzen einen Großteil der bisherigen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes umfassen. Das gilt jedenfalls für alle bisher den Art 11 und 12 B-VG zugeordneten Materien. Aber auch ein großer Teil der derzeit im Art 10 B-VG enthaltenen Materien könnte diesem Typus zugeordnet werden. Es bleibt ja bei dieser kompetenzrechtlichen Einordnung Sache des Bundes zu entscheiden, ob er seine Gesetzgebungskompetenz zur Gänze in Anspruch nehmen oder aber den Ländern Raum für gesetzliche Detailregelungen überlassen will. Insofern gibt es keinen reellen Verlust des Bundes an Gestaltungsmöglichkeiten in den betroffenen Sachbereichen; der Bund ist nur nicht gezwungen, diese seine Gestaltungskompetenzen in Anspruch zu nehmen.

In der Terminologie des Bußjäger-Papiers vom 6.11.2003 könnten daher folgende (dort als exklusive Bundeskompetenzen festgeschriebene Materien) dem Bereich der geteilten Kompetenz zugeordnet werden (unvorgreiflich terminologischer Vereinfachungen im Sinne des Vorschlags von Schnizer):

-     Aufenthaltsrecht

-     Personenrecht

-     Innere Sicherheit

-     Wirtschaftsrecht

-     Maße, Normen sowie bestehende Standards für das Inverkehrbringen von Waren, Vermessung

-     Medien und Nachrichtenübertragung

-     Verkehr

-     Schutz vor erheblichen Umweltbeeinträchtigungen

-     Gesundheit

-     Tierschutz und Veterinärwesen

-     Kirchen und Religionsgesellschaften

-     Gemeinnütziges Stiftungs- und Fondswesen

-     Schulwesen.

Damit würden als ausschließliche Bundeskompetenzen verbleiben:

-     Bundesverfassung

-     Auswärtige Angelegenheiten

-     Äußere Sicherheit

-     Bundesfinanzen, Familienlastenausgleich

-     Währungs- und Geldwesen

-     Organisation und Dienstrecht des Bundes.

Dies deckt sich weitgehend mit dem Vorschlag von Schnizer (zu Zivilrecht und Arbeitsrecht siehe unten).

Es sollten aber auch einzelne Materien aus dem Bußjäger-Katalog der ausschließlichen Landeskompetenzen zur "dritten" Säule transferiert werden. Folgende Materien wären unter diesem Gesichtspunkt zu diskutieren:

-     Katastrophenschutz und Rettungswesen

-     Veranstaltungswesen

-     Jugend

-     Sozialdienstleistungen

-     Kulturgüterschutz

-     Raumordnung

-     Bau- und Wohnrecht

-     Natur- und Landschaftsschutz

-     Landwirtschaft.

In jeder dieser Materien ist jedenfalls in der öffentlichen Diskussion schon der Ruf nach einer bundeseinheitlichen Regelung laut geworden.

Es wird nicht verkannt, dass mit einer derartigen Kompetenzverteilung die vertikale Struktur der österreichischen Bundesstaatlichkeit akzentuiert würde. Dies entspricht jedoch der gesellschaftlichen Realität in Österreich und letztlich auch der europäischen Wirklichkeit, in der auch der Bund in eine größere "Gebietskörperschaft" – die Europäische Union – eingeordnet und dieser im Kompetenzbereich der EG gemäß dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts nachgeordnet ist.

Das Überwiegen einer "geteilten" Kompetenzverteilung auf dem Gebiet der Gesetzgebung eröffnet zugleich die Möglichkeit, die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern nach qualitativen Kriterien neu zu gestalten: Sache des Bundes wäre es nach diesem Modell, dem gesellschaftlichen Prozess den erforderlichen rechtlichen Rahmen zu setzen. Sache der Länder (und Gemeinden!) wäre es, die konkrete Lebensqualität der Bürger zu gestalten und zu sichern. Das setzt eine Kooperation der einzelnen Ebenen und eben deshalb eine Aufgabenteilung voraus, die nicht nach Sachgebieten trennt, sondern innerhalb der jeweiligen Sachgebiete nach flexiblen, den Bedürfnissen der Menschen anzupassenden Kriterien erfolgt. Daher sollte dem Bund eine umfassende "Rahmen"-Gesetzgebungskompetenz im skizzierten Sinne vorbehalten bleiben (die aber nur im notwendigen Ausmaß genutzt werden sollte); die Länder sollten aber ihrerseits nicht auf einen bloßen Gesetzes-"Vollzug" reduziert werden, sondern im bundesgesetzlichen "Rahmen" selbständige Gestaltungsbefugnisse behalten.

 

4. Zuständigkeit zur Umsetzung von EU-Recht

Angemerkt sei, dass sich bei einer solchen Kompetenzverteilung das Problem der Zuständigkeit zur Umsetzung von EU-Recht weitgehend reduziert: Die meisten umzusetzenden Vorgaben der EU würden nach dem hier skizzierten Vorschlag in die "Bedarfs"-Gesetz­gebungskompetenz und damit in die Verantwortung des Bundes fallen. Es würde bei großzügiger Zuordnung zur "dritten" Säule geteilter Kompetenzen vor allem auch die Problematik der Umsetzung von Maßnahmen, die nach geltender Verfassungslage teils in die Bundeskompetenz, teils in die Länderkompetenz fallen, weitgehend aufgelöst werden.

Eine spezielle Regelung bezüglich der in die ausschließliche Landeskompetenz fallenden Umsetzungsmaßnahmen wäre daher bei einer großzügigen Ausgestaltung der "dritten" Säule entbehrlich. Dagegen könnte mE auf eine solche Regelung dann nicht verzichtet werden, wenn EU-sensible Bereiche im bisherigen Umfang in der ausschließlichen Landeskompetenz verbleiben würden.

 

 

5.6       Prior Walter

5.6.1   Stellungnahme zum „Drei-Säulen-Modell“

Eingebracht im Ausschuss 5, 5. Sitzung, 1.12.2003

 

 

Ö-Konvent - Ausschuß 8

z.Hd. Herrn

Univ.Doz. Dr. Bußjäger

 

                                                                                                 Eisenstadt, am 21. November 2003

 

 

Sehr geehrter Herr Univ. Doz. Dr. Bußjäger!

 

Wie in der vierten Sitzung des Ausschusses 5 – Aufgabenverteilung zwischen Bund den Ländern und Gemeinden des Österreich-Konvents vereinbart - darf ich zu den aufgeworfenen Fragen wie folgt Stellung nehmen und dieser folgende grundsätzliche Überlegungen voranstellen:

 

Die Neuordnung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich der Gesetzgebung und in weiterer Folge auch unter Einbeziehung der Gemeinden im Bereich der Vollziehung sollte zunächst von folgenden Grundsätzen geprägt sein:

 

1)      Grundsatz der Subsidiarität

Nur in denjenigen Bereichen, die von den Ländern sinnvoller Weise nicht geregelt werden können, soll dem Bund die exklusive Gesetzgebungskompetenz zukommen; auf allen anderen Gebieten wäre entweder eine exklusive Gesetzgebungskompetenz der Länder aufgenommen werden oder wären sie in die dritte Säule einzuordnen, wobei auch hier der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten ist.

 

2)      Grundsatz der räumlichen Abgrenzbarkeit

Jene Bereiche die regional und räumlich abgegrenzt werden können, wie z.B. Raumordnung, Bauordnung, Verkehr mit Grundstücken, Forst-, Fischerei- und Jagdwesen, Denkmalschutz, Bodennutzung, Naturschutz und anderes mehr, sollte in die exklusive Gesetzgebungskompetenz den Länder aufgenommen werden.

Räumlich nicht abgrenzbare Bereiche wie zum Bespiel Luftreinhaltung oder Bereiche in denen zur Sicherung des Wirtschaftstandortes Österreichs bundesweite Regelungen geboten sind, wie z.B. technische Vorschriften, wären der exklusiven Bundeskompetenz zuzuordnen.

 

3)      Grundsatz des Partnerschaftlichen Bundesstaates

und des bundesstaatlichen Rücksichtnahmegebotes

 

Vor allem im Bereich der dritten Säule sollte ein System gewählt werden, das dem bundesstaatlichen Rücksichtnahmegebot Rechnung trägt und gegenseitige Einflussnahmemöglichkeiten der gesetzgebenden Gebietskörperschaften absichert.

 

Dieser Grundüberlegung folgend sollte meiner Meinung nach, um österreichweit einheitliche Ziele vorgeben zu können und auch erreichbar zu machen, der Weg der Rahmen- und Zielgesetzgebung, der sich wesentlich von der derzeitigen zu engen Grundsatzgesetzgebung zu unterscheiden hätte, eingehend diskutiert werden.

 

Dabei wäre vorstellbar, dass ein Bundesrat Neu – in diesem Bereich ausgestattet mit einem absoluten Vetorecht – die Landesinteressen wirkungsvoll vertreten könnte.

 

Bei einer Verweigerung der Zustimmung des Bundesrates zu einem Ziel- und Rahmengesetzgebungsbeschluss des Nationalrates, könnte in Verhandlungen in einem zwischen Bund und Ländern partnerschaftlich besetzten Vermittlungsausschuss ein allen Interessen bestmöglich Rechnung tragendes Ergebnis angestrebt werden.

 

Auch das – dem Grundgedanken eines partnerschaftlichen Bundestaates Rechnung tragende – Instrument der Gliedstaatsverträge, sollte im Zusammenhang mit der 3. Säule nochmals andiskutiert werden. Insbesonders dann, wenn mit diesem Instrument auch Kompetenzverschiebungen zwischen dem Bund und den Ländern gemeinsam geregelt werden könnten und darüber hinaus diese Verträge auch unmittelbar anwendbar und self executing wären, könnten damit zukünftig auftauchende Kompetenzkonflikte einvernehmlich gelöst werden.

 

Auch der Weg der zwischen dem Bund und den Ländern paktierten Gesetzgebung wäre meiner Meinung nach zu diskutieren. Eine konkurrierende Gesetzgebung in der 3. Säule nach dem Grundsatz, dass der Bund befugt ist, Regelungen zu erlassen, soweit eine bundesweit einheitliche Regelung unerlässlich oder erforderlich ist, um gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu garantieren, leistet meiner Ansicht nach zukünftigen, intensiven und langwierigen Kompetenzstreitigkeiten Vorschub und wird über kurz oder lang wiederum zu einer unüberschaubaren Kompetenzzersplitterung führen.

 

Eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz der Gestalt, dass die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung solange und soweit haben sollen, solange der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz nicht Gebrauch macht (Windhundprinzip), wäre für die Rechtssicherheit nicht zuträglich und damit verbunden auch für den Wirtschaftsstandort Österreich von großem Nachteil.

 

Damit wäre aber auch noch eine auf jeden Fall zu vermeidende Unübersichtlichkeit verbunden, die noch durch Streitigkeiten darüber verstärkt würde, ob durch spätere Bundesvorschriften bestehende Landesgesetze zur Gänze oder zum Teil formell oder auch materiell derogiert werden.

 

Zusammenfassend bin ich der Ansicht, dass die von Ihnen, sehr geehrter Herr Dozent, vorgenommene Kompetenzaufteilung als Grundlage für die weiteren Diskussionen herangezogen werden sollte, wobei die Überlegungen von Dr. Schnizer über die Abrundung der Kompetenzbereiche bei voller Wahrung der Länderinteressen im Sinne einer wohlverstandenen Subsidiarität in die Betrachtung miteinbezogen werden könnten.

 

Auch die Überlegung der WiKO bieten zur Wahrung eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes und hinsichtlich des Subsidiaritätsmechanismus Ansätze, die nochmals genau durchleuchtet werden sollten und allenfalls unter übergeordneten Begriffen subsumierbar wären; die durch den Vorschlag der WiKO im Effekt bewirkte Einschränkung der derzeit bestehenden Gesetzgebungskompetenzen der Länder und die Umgestaltung hin zu mehr Vollzugsföderalismus muss jedoch vehement abgelehnt werden.

 

Mit freundlichen Grüßen

Landtagspräsident Walter Prior

 

 

5.7       Schnizer Johannes, Dr.

5.7.1   Punktation für eine aufgabenorientierte Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen nach dem Drei-Säulenmodell

Eingebracht im Ausschuss 5, 4. Sitzung, 7.11.2003

 


 

Punktation für eine

aufgabenorientierte Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen

nach dem „Drei-Säulenmodell“

 

Die gegenwärtige Kompetenzverteilung ordnet bestehende Gesetzesmaterien, deren Umfang sich am Versteinerungszeitpunkt – meist 1925 – orientiert, nach Gesetzgebung und Voll­ziehung jeweils Bund und Ländern zu. So enthalten die Kompetenzartikel 177 (!) Einzel­tatbestände, denen die einzelnen Angelegenheiten zuzuordnen sind und für die dem Bund bzw. den Ländern Gesetzgebungs- – und/oder Vollziehungszuständigkeiten zugeordnet werden. Alle nicht genannten Angelegenheiten fallen in Gesetzgebung und Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder. So weit durch die wirtschaftliche Entwicklung und gesellschaft­liche Veränderung neue Aufgaben an den Staat herangetragen werden – beispielhaft sei hier der Umweltschutz genannt – sind diese den bestehenden Tatbeständen zuzuordnen, wodurch es per se zu ihrer Zersplitterung kommt.

 

Diese Technik der Kompetenzverteilung geht von der Vorstellung aus, daß sich jede Geset­zesmaterie „fein säuberlich“ zwischen Bund und Ländern scheiden ließe. Angesichts der Komplexität heutiger Lebensverhältnisse ist eine solche Trennung der Kompetenzen nicht mehr möglich, es existiert fast kein Lebenssachverhalt, der nicht unter verschiedenen Gesichtspunkten zu regeln wäre. Für den Bundesstaat von besonderer Bedeutung ist, daß es hiebei stets Aspekte gibt, die besser bundesweit einheitlich, und andere, die besser länder­weise verschieden geregelt werden.

 

Es bietet sich daher für den Großteil der bisherigen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes die Schaffung eines neuen Kompetenztypus an, und zwar in Gestalt einer „subsidiären Kompetenz“ des Bundes oder „konkurrierenden Kompetenz zwischen Bund und Ländern“ in folgender Form:

 

Die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes wird auf das unbedingt erforder­liche Minimum beschränkt, wie etwa Militär oder Bundesfinanzen, Geld-, Kredit-, Börse- und Bankwesen. In allen übrigen Bereichen beschränkt sich der Bund auf jene Regelungen, deren bundesweite Regelung unerläßlich ist. Im übrigen sind die Länder frei, die betreffende Angelegen­heit zu regeln, sie dürfen lediglich einer bundesweiten Regelung nicht widersprechen; wenn möglich, hat sich der Bund auf die Regelung der Grundsätze zu beschränken.

 

Im ausschließlichen Gesetzgebungsbereich der Länder, der so gut wie alle bisherigen Gesetzgebungskompetenzen der Länder umfaßt, angereichert um jene, die nicht in die Subsidiärkompetenz des Bundes fallen, sind die Länder alleine befugt, gesetzgeberisch tätig zu werden; dem Bund ist es verwehrt, hier einzugreifen.

 

Davon ausgehend zeigt eine Analyse der 177 Einzeltatbestände des Bundes, daß sich die Gesetzgebungs­zuständigkeiten auf 17 Großtatbestände reduzieren lassen, die nicht auf die einzelnen Geset­zesmaterien abstellen, sondern auf Aufgabenbereiche.

 

Diese Aufgaben könnten folgende sein:

 

          1.       Bundesverfassung

          2.       Äußere Angelegenheiten des Bundes

3.             Angelegenheiten der Staatsgrenze und der Grenzüberschreitung

4.       Rechtsstellung der Bundesbürger und der Fremden

          5.       Bundesfinanzen

          6.       Geldwirtschaft und Kapitalverkehr, Standardisierung (Maße, Gewichte, Normen usw.) und Güterverkehr

          7.       Justiz (Zivil- und Strafrecht, Gerichte)

          8.       Innere Sicherheit

          9.       Angelegenheiten der Wirtschaft

          10.     Angelegenheiten des Verkehrs

          11.     Schutz vor Beeinträchtigungen der Umwelt

          12.     Angelegenheiten der Arbeitswelt

          13.     Soziale Sicherheit

          14.     Angelegenheiten der Gesundheit

          15.     Angelegenheiten der Wissenschaft und Forschung

          16.     Bundesbehörden einschließlich Dienstrecht

          17.     Militärische Angelegenheiten

 

Die bestehenden Kompetenztatbestände lassen sich jeweils einem dieser Aufgabenbereiche zuordnen. Beispielsweise wäre Allgemeine Sicherheitspolizei, Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen, Vereins- und Versammlungsangelegenheiten, Organisation der Bundespolizei und Bundesgendarmerie dem Aufgabenbereich „Sicherheitswesen“ zuzuord­nen. Die Anknüpfung an Aufgabenbereiche bringt es mit sich, daß einzelne, bisher in einem Gesetz geregelte Angelegenheiten verschiedenen Aufgabenbereichen zugeordnet werden; gerade dies ermöglicht aber eine organische Weiterentwicklung und zukünftige aufgaben­orientierte Gesetzgebung. Beispielsweise läßt sich der Denkmalschutz unter keine der hier aufgezählten Aufgabentatbestände einordnen und fällt daher künftig in die Zuständigkeit der Länder. Wohl hätte aber der Bund die Verbringung beweglichen Kulturguts ins Ausland zu regeln, weil es sich hiebei um eine Angelegenheit der Grenzüberschreitung handelt.

 

Von diesen 17 Aufgabenbereichen ist lediglich in sieben eine ausschließliche Bundeszustän­digkeit erforderlich, und zwar in folgenden:

 

1.Bundesverfassung

2.Äußere Angelegenheiten (ausgenommen die Staatsvertragskompetenz der Länder)

3.Angelegenheiten der Staatsgrenze und der Grenzüberschreitung

4.Bundesfinanzen

5.Geldwirtschaft und Kapitalverkehr, Standardisierung und Güterverkehr

6.Bundesbehörden

7.Militärische Angelegenheiten

 

In allen übrigen Aufgabenbereichen gibt es Regelungen, die notwendigerweise bundesweit getroffen werden müssen, überwiegend aber auch länderweise verschieden sein können. In allen diesen Angelegenheiten ist der Bund befugt, Regelungen zu erlassen, soweit eine bundesweit einheitliche Regelung unerläßlich oder erforderlich ist, um gleichwertige Lebensver­hältnisse im Bundesgebiet zu garantieren.

 

Die Beantwortung dieser Frage erfordert letztlich eine politische Bewertung, die nur im Einzelfall getroffen werden kann; es liegt nahe, hiefür Kooperationsverfahren zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, wenn letztere betroffen sind, vorzusehen.

 

Soweit es lediglich erforderlich ist, bundesweite Grundsätze zu erlassen, hat sich der Bund auf diese zu beschränken. Auch im Falle einer bindenden bundesweiten Regelung kann der Bund ausdrücklich zu abweichenden landesgesetzlichen Regelungen ermächtigen. Die Lan­desgesetzgeber könnten in sämtlichen Aufgabenbereichen ergänzende Regelungen erlassen, sie dürfen nur nicht einer bundesweiten Regelung widersprechen.

 

Dies erfordert die Aufnahme eines verfassungsrechtlichen "Harmoniegebotes", das besagt, daß in diesen Angelegenheiten gesetzliche Vorschriften der Länder nicht bundesgesetzlichen Vorschriften widersprechen dürfen und im Falle eines solchen Konfliktes die bundesgesetzlichen Vorschriften vorgehen (Bundesrecht bricht Landesrecht). Eine solche Vorrangregel ist bisher der österreichischen Verfassung fremd, doch existiert sie in sämtlichen anderen Bundesstaaten, von Deutschland über Belgien bis zu den USA. Die Schweizer Bundesstaatsdoktrin leitet sie geradezu aus dem Wesen des Bundesstaates ab, was jedenfalls dann gerechtfertigt ist, wenn - wie hier vorgeschlagen - die Kompetenz des Bundes auf bundesweit erforderliche Regelungen beschränkt wird.

 

Eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit zwischen Bund und Ländern in diesem Sinne gilt daher für folgende Aufgabenbereiche:

 

1.      Justiz

2.      Innere Sicherheit

3.      Angelegenheiten der Wirtschaft

4.      Angelegenheiten des Verkehrs

5.      Schutz vor Beeinträchtigungen der Umwelt

6.      Angelegenheiten der Arbeitswelt

7.      Soziale Sicherheit

8.      Angelegenheiten der Gesundheit

9.      Angelegenheiten der Wissenschaft und Forschung

10.  Bundesbehörden einschließlich Dienstrecht

 

Soweit eine Angelegenheit keinem Aufgabenbereich zuordenbar ist, in dem der Bund bundes­weite Regelungen treffen darf, verbleibt sie bei der ausschließlichen Gesetzgebungszustän­digkeit der Länder. Diese umfaßt daher zunächst so gut wie alle Gesetzgebungsmaterien, die den Ländern jetzt aufgrund des Artikel 15 B-VG zukommen. Andere Materien werden von der Bundeskompetenz in die Länderkompetenz übertragen.

 

Soferne  dieser Kompetenzbereich ausdrücklich abgesichert werden soll, bietet sich an, die ausschließlichen Länderkompetenzen ebenfalls taxativ aufzuzählen (wodurch sich die Generalklausel zu den konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen verschiebt). Dieser könnte beispielsweise folgendermaßen lauten:

 

1.      Landesverfassung

2.      Auswärtige Angelegenheiten der Länder

3.      Gemeinden

4.      Landes- und Gemeindefinanzen

5.      Landwirtschaft (einschließlich Jagd und Fischerei)

6.      Allgemeine Raumordnung und bauliche Gestaltung

7.      Kulturgüter

8.      Sport

9.      Landesbehörden

 

Bei dieser Technik der Kompetenzverteilung kommt es vor allem aber deswegen zu einer bedeutenden Ausweitung der Gesetz­gebungskompetenzen der Länder, weil sie in allen Aufgabenbereichen, die nicht in die ausschließliche Bundeskompetenz fallen, gesetzgebend tätig werden können. Lediglich soweit der Bund in diesen Bereichen eine unerläßliche bundesweite Regelung trifft, darf dieser Regelung von den Ländern nicht widersprochen werden. Dies träfe beispielsweise auf den Tierschutz zu, dessen bundesweite Regelung unter dem Gesichtspunkt des Schutzes vor Beeinträchtigungen der Umwelt und der Gesundheit unbedingt erforderlich wäre.

 

Eine Konkretisierung des Umfanges der jeweiligen Gesetzgebungskompetenzen ergibt sich aus der Technik der Überleitung: In den Erläuterungen wird angeführt, welche bisherigen Tatbestände den neuen Aufgabenbereichen zuzuordnen sind und unter welchen Gesichtspunkten diese Zuordnung jeweils getroffen wird. Der Übergang von materienorientierter Kompetenzverteilung zur Anknüpfung an Aufgabenbereiche hat zur Folge, daß mitunter bisher in einem Gesetz geregelte Materien in Zukunft verschiedenen Aufgabenbereichen zuzuordnen sind, wobei für jeden Teil wiederum zu beurteilen ist, inwieweit er eine bundesweit erforderliche Regelung enthält. Aus der Angabe der Kriterien, unter denen diese Zuordnung erfolgt, ergibt sich der Zweck des jeweiligen Aufgabenbereiches, an dem sich die Interpretation zu orientieren hat.

 

 

5.7.2   Diskussionsvorschlag für die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen

Eingebracht im Ausschuss 5, 18. Sitzung, 22.10.2004

 

 

Diskussionsvorschlag für die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen

aufbauend auf die Vorschläge Wiederin, WKÖ, Bußjäger und Schnizer

Version 14.10.2004

 

Artikel k1. (1) Ausschließliche Bundessache ist die Gesetzgebung in folgenden Angelegenheiten:

1.      Bundesverfassung

2.      auswärtige Angelegenheiten und äußere Sicherheit

3.      Staatsgrenze, Grenzüberschreitung, Personen- und Aufenthaltsrecht

4.      Innere Sicherheit

5.      Justiz

6.      Arbeit und Wirtschaft

7.      soziale Sicherheit

8.      Umweltschutz, Nutzung natürlicher Ressourcen und Genehmigung von Anlagen

9.      Energie

10.  Verkehr und Bundesstraßen

11.  Medien und Telekommunikation

12.  Wissenschaft und Kultus

13.  Geldwirtschaft und Finanzdienstleistungen

14.  Bundesfinanzen und Monopole

15.  Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren, allgemeiner Teil des Abgaben-[138] und Verwaltungsstrafrechts

16.  Organisation der Vollziehung des Bundes

(2) Der Bund kann die Länder ermächtigen, zu genau zu bezeichnenden einzelnen Bestimmungen nähere oder abweichende Bestimmungen zu erlassen.

(3) In den Angelegenheiten der Z 15 dürfen abweichende Regelungen in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- und Landesgesetzen dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind.

 

Artikel k2. Ausschließliche Landessache ist die Gesetzgebung in folgenden Angelegenheiten:

1.      Landesverfassung

2.      Gemeinden

3.      Natur-, Boden- und Landschaftsschutz

4.      Jagd und Fischerei

5.      Raumordnung, bauliche Gestaltung und Straßen

6.      Feuerschutz und Katastrophenhilfe

7.      örtliche Sicherheit

8.      Landesfinanzen

9.      Organisation der Vollziehung des Landes

 

Artikel k3. (1) Sache von Bund und Ländern ist die Gesetzgebung in folgenden Angelegenheiten:

1.      Öffentliche Aufträge

2.      Dienstrecht

3.      Elektronischer Rechtsverkehr

4.      Statistik

(2) In diesen Angelegenheiten können Bund und Länder jeweils Gesetze für ihren Bereich erlassen, wenn es kein für Bund und Länder geltendes Gesetz gem. Abs. 3 gibt. Sie treten außer Kraft, wenn ein Gesetz gem. Abs. 3 erlassen wird.

(3) Der Bund kann in diesen Angelegenheiten mit Zustimmung der Länder für Bund und Länder geltende Gesetze erlassen. Die Vorbereitung solcher Gesetze hat gemeinsam mit den Ländern zu erfolgen.

 

Artikel k4. (1) Gemeinschaftliche Sache von Bund und Ländern sind alle übrigen Angelegenheiten. Dazu zählen insbesondere

1.      Gesundheit

2.      Kinder und Jugend

3.      Fürsorge und Pflege

4.      Wohnungen

5.      Landwirtschaft

6.      Tourismus

7.      Sport

8.      Kultur

(2) In diesen Angelegenheiten kommt die Gesetzgebung den Ländern zu. Der Bund kann soweit Gesetze erlassen, als der Bundesrat feststellt, dass eine bundesweite Regelung als erforderlich erachtet wird. Ein solcher Beschluß ist nicht erforderlich, soweit dem Bund aufgrund der bis .... geltenden Kompetenzverteilung die Gesetzgebung zugekommen ist.[139]

(3) Für einen Beschluß des Bundesrates gem. Abs. 2 ist eine Mehrheit der Bundesräte und eine Mehrheit von Bundesländern erforderlich, in denen eine Mehrheit der Bevölkerung wohnt. Die Zustimmung eines Bundeslandes ist gegeben, wenn die Mehrheit der Bundesräte dieses Bundeslandes zustimmt.

 

Gegenüberstellung

 

 

Artikel k1: Ausschließliche Bundeskompetenzen

 

 

Kompetenz neu

Tatbestände B-VG

Fundstelle

1. Bundesverfassung

Bundesverfassung, insbesondere Wahlen zum Nationalrat, Volksabstimmungen auf Grund der Bundesverfassung;

Art. 10 Abs. 1 Z 1

Verfassungsgerichtsbarkeit;

Art. 10 Abs. 1 Z 1

Wahlen zum Europäischen Parlament;

Art. 10 Abs. 1 Z 18

Nähere Regelungen über Bundessymbole

Art. 8a Abs. 3

Beschränkung für Funktionäre (Unvereinbarkeiten);

Art. 19 Abs. 2

Wahlverfahren zum NR;

Art. 26 Abs. 1

Verfahren für Volksabstimmungen und Volksbegehren;

Art. 46 Abs. 1

Stellvertretung des Präsidenten des Rechnungshofes im NR durch das GOGNR;

Art. 124 Abs. 1

Bestimmungen über den RH;

Art. 128

Voraussetzungen für die Anfechtung von Volksbegehren, Volksbefragungen und Volksabstimmungen vor dem VfGH;

Art. 141 Abs. 3

Regelung der Anfechtung von Verletzungen des Völkerrechts vor dem VfGH;

Art. 145

Bestimmungen über den VfGH;

Art. 148

Bestimmungen über die VA;

Art. 148j

2. Auswärtige Angelegenheiten und äußere Sicherheit

 

 

 

 

 

 

Fortsetzung

Auswärtige Angelegenheiten und äußere Sicherheit

äußere Angelegenheiten mit Einschluss der politischen und wirtschaftlichen Vertretung gegenüber dem Ausland, insbesondere Abschluss von Staatsverträgen, unbeschadet der Zuständigkeit der Länder nach Artikel 16 Abs. 1;

Art. 10 Abs. 1 Z 2

militärische Angelegenheiten;

Art. 10 Abs. 1 Z 15

Kriegsschadenangelegenheiten und Fürsorge für Kriegsteilnehmer und deren Hinterbliebene;

Art. 10 Abs. 1 Z 15

Fürsorge für Kriegsgräber;

Art. 10 Abs. 1 Z 15

aus Anlass eines Krieges oder im Gefolge eines solchen zur Sicherung der einheitlichen Führung der Wirtschaft notwendig erscheinende Maßnahmen, insbesondere auch hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit Bedarfsgegenständen;

Art. 10 Abs. 1 Z 15

Mitwirkung der Länder bei der Verpflegung des Heeres;

Art. 81

3. Staatsgrenze, Grenzüberschreitung Personen- und Aufenthaltsrecht

Grenzvermarkung;

Art. 10 Abs. 1 Z 2

Waren- und Viehverkehr mit dem Ausland;

Art. 10 Abs. 1 Z 2

Zollwesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 2

Regelung und Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm;

Art. 10 Abs. 1 Z 3

Ein- und Auswanderungswesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 3

Paßwesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 3

Abschiebung, Abschaffung, Ausweisung und Auslieferung sowie Durchlieferung;

Art. 10 Abs. 1 Z 3

Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matrikenwesens und der Namensänderung;

Art. 10 Abs. 1 Z 7

Fremdenpolizei und Meldewesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 7

Staatsbürgerschaft;

Art. 11 Abs. 1 Z 1

Datenschutz

Art. 1 DSchG

4. Innere Sicherheit

Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit einschließlich der ersten allgemeinen Hilfeleistung, jedoch mit Ausnahme der örtlichen Sicherheitspolizei;

Art. 10 Abs. 1 Z 7

Vereins- und Versammlungsrecht;

Art. 10 Abs. 1 Z 7

Waffen-, Munitions- und Sprengmittelwesen, Schießwesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 7

Regelung der Bewaffnung der Wachkörper und des Rechtes zum Waffengebrauch;

Art. 10 Abs. 1 Z 14

5. Justiz

 

 

 

 

 

 

Fortsetzung

Justiz

Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens, jedoch mit Ausschluss von Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer und den Verkehr mit bebauten oder zur Bebauung bestimmten Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen, einschließlich des Rechtserwerbes von Todes wegen durch Personen, die nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören;

Art. 10 Abs. 1 Z 6

Privatstiftungswesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 6

Strafrechtswesen mit Ausschluss des Verwaltungsstrafrechtes und des Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheiten, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen;

Art. 10 Abs. 1 Z 6

Justizpflege;

Art. 10 Abs. 1 Z 6

Einrichtungen zum Schutz der Gesellschaft gegen verbrecherische oder sonstige gefährliche Personen;

Art. 10 Abs. 1 Z 6

Urheberrecht;

Art. 10 Abs. 1 Z 6

Enteignung, soweit sie nicht Angelegenheiten betrifft, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen;

Art. 10 Abs. 1 Z 6

Vertragsversicherungswesen

Art. 10 Abs. 1 Z 11

Stiftungs- und Fondswesen, soweit es sich um Stiftungen und Fonds handelt, die nach ihren Zwecken über den Interessenbereich eines Landes hinausgehen und nicht schon bisher von den Ländern autonom verwaltet wurden;

Art. 10 Abs. 1 Z 13

Angelegenheiten der Notare, der Rechtsanwälte und verwandter Berufe;

Art. 10 Abs. 1 Z 6

bäuerliches Anerbenrecht;

Art. 10 Abs. 2

Kompetenz für AHG und OrgHG;

Art. 23 Abs. 4 u 5

Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte;

Art. 83 Abs. 1

6. Arbeit und Wirtschaft

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fortsetzung

Arbeit und Wirtschaft

Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie;

Art. 10 Abs. 1 Z 8

öffentliche Agentien und Privatgeschäftsvermittlungen;

Art. 10 Abs. 1 Z 8

Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes;

Art. 10 Abs. 1 Z 8

Patentwesen sowie Schutz von Mustern, Marken und anderen Warenbezeichnungen;

Art. 10 Abs. 1 Z 8

Angelegenheiten der Patentanwälte;

Art. 10 Abs. 1 Z 8

Ingenieur- und Ziviltechnikerwesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 8

Kammern für Handel, Gewerbe und Industrie;

Art. 10 Abs. 1 Z 8

Einrichtung beruflicher Vertretungen, soweit sie sich auf das ganze Bundesgebiet erstrecken, mit Ausnahme solcher auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet;

Art. 10 Abs. 1 Z 8

Vermessungswesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 10

Arbeitsrecht, soweit es nicht unter Artikel 12 fällt;

Art. 10 Abs. 1 Z 11

Kammern für Arbeiter und Angestellte, mit Ausnahme solcher auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet;

Art. 10 Abs. 1 Z 11

Regelung des geschäftlichen Verkehrs mit Saat- und Pflanzgut, Futter-, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie mit Pflanzenschutzgeräten, einschließlich der Zulassung und bei Saat- und Pflanzgut auch der Anerkennung;

Art. 10 Abs. 1 Z 12

Maß- und Gewichts-, Normen- und Punzierungswesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 5

Postwesen

Art. Abs. 1 Z 9

berufliche Vertretungen, soweit sie nicht unter Artikel 10 fallen, jedoch mit Ausnahme jener auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet sowie auf dem Gebiet des Berg- und Schiführerwesens und des in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallenden Sportunterrichtswesens;

Art. 11 Abs. 1 Z 2

Berufliche Vertretungen auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet sowie auf dem Gebiet des Berg- und Schiführerwesens und des in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen Sportunterrichtswesens

Art. 11 Abs. 1 Z 2

Arbeiterrecht sowie Arbeiter- und Angestelltenschutz, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte handelt;

Art. 12 Abs. 1 Z 6

Tanzschulen;

Art. 15

Berg- und Schiführerwesen;

Art. 15

Angelegenheiten des Theater- und Kinowesens

Art. 15 Abs. 3

Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes der Bediensteten der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände und der Personalvertretung der Bediensteten der Länder, soweit die Bediensteten nicht in Betrieben tätig sind

Art. 21 Abs. 2

Arbeitnehmerschutz und Personalvertretungsrecht der Bediensteten der Länder, soweit diese in Betrieben tätig sind;

Art. 21 Abs. 2

 7. Soziale Sicherheit

Sozialversicherungswesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 11

Bevölkerungspolitik, soweit sie die Gewährung von Kinderbeihilfen und die Schaffung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie zum Gegenstand hat;

Art. 10 Abs. 1 Z 17

Armenwesen;

Art. 12 Abs. 1 Z 1

Bevölkerungspolitik, soweit sie nicht unter Artikel 10 fällt;

Art. 12 Abs. 1 Z 1

8. Umweltschutz, Nutzung natürlicher Ressourcen und Genehmigung von Anlagen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fortsetzung

Umweltschutz

Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben in diesen Angelegenheiten, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist und für welche die Verwaltungsvorschriften eine Trassenfestlegung durch Verordnung vorsehen;

Art. 10 Abs. 1 Z 9

Bergwesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 10

Forstwesen einschließlich des Triftwesens;

Art. 10 Abs. 1 Z 10

Wasserrecht;

Art. 10 Abs. 1 Z 10

Regulierung und Instandhaltung der Gewässer zum Zwecke der unschädlichen Ableitung der Hochfluten oder zum Zwecke der Schiffahrt und Flößerei;

Art. 10 Abs. 1 Z 10

Wildbachverbauung;

Art. 10 Abs. 1 Z 10

Dampfkessel- und Kraftmaschinenwesen

Art. 10 Abs. 1 Z 10

Maßnahmen zur Abwehr von gefährlichen Belastungen der Umwelt, die durch Überschreitung von Immissionsgrenzwerten entstehen;

Art. 10 Abs. 1 Z 12

Luftreinhaltung

Art. 10 Abs. 1 Z 12

Heizungsanlagen

Art. 10 Abs. 1 Z 12

Abfallwirtschaft hinsichtlich gefährlicher Abfälle,

Art. 10 Abs. 1 Z 12

Abfallwirtschaft hinsichtlich nicht-gefährlicher Abfälle soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften vorhanden ist;

Art. 10 Abs. 1 Z 12

Genehmigung von Vorhaben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist;

Art. 11 Abs. 1 Z 7

Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist;

Art. 11 Abs. 1 Z 7

Tierschutz mit Ausnahme der Ausübung der Jagd- oder der Fischerei

Art. 11 Abs. 1 Z 8

Festlegung einheitlicher Emissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe;

Art. 11 Abs. 5

Abfallwirtschaft hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle, soweit nicht der Bund von seiner Kompetenz gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG Gebrauch gemacht hat;

Art. 10 Abs. 1 Z 12

9. Energie

Normalisierung und Typisierung elektrischer Anlagen und Einrichtungen, Sicherheitsmaßnahmen auf diesem Gebiete;

Art. 10 Abs. 1 Z 10

Starkstromwegerecht, soweit sich die Leitungsanlage auf zwei oder mehrere Länder erstreckt;

Art. 10 Abs. 1 Z 10

Elektrizitätswesen, soweit es nicht unter Artikel 10 fällt;

Art. 12 Abs. 1 Z 5

Gasleitungsrecht

 

10. Verkehr und Bundesstraßen

Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen und der Luftfahrt sowie der Schiffahrt, soweit diese nicht unter Artikel 11 fällt;

Art. 10 Abs. 1 Z 9

Kraftfahrwesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 9

Angelegenheiten der wegen ihrer Bedeutung für den Durchzugsverkehr durch Bundesgesetz als Bundesstraßen erklärten Straßenzüge außer der Straßenpolizei;

Art. 10 Abs. 1 Z 9

Strom- und Schiffahrtspolizei, soweit sie nicht unter Artikel 11 fällt;

Art. 10 Abs. 1 Z 9

Bau und Instandhaltung von Wasserstraßen;

Art. 10 Abs. 1 Z 10

Straßenpolizei;

Art. 11 Abs. 1 Z 4

Binnenschiffahrt hinsichtlich der Schiffahrtskonzessionen, Schiffahrtsanlagen und Zwangsrechte an solchen Anlagen, soweit sie sich nicht auf die Donau, den Bodensee, den Neusiedlersee und auf Grenzstrecken sonstiger Grenzgewässer bezieht;

Art. 11 Abs. 1 Z 6

Strom- und Schiffahrtspolizei auf Binnengewässern mit Ausnahme der Donau, des Bodensees, des Neusiedlersees und der Grenzstrecken sonstiger Grenzgewässer;

Art. 11 Abs. 1 Z 6

11. Medien und Telekommunikation

Pressewesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 6

 

Fernmeldewesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 9

 

Nähere Bestimmungen über den Rundfunk und seine Organisation

Art. I Abs. 2 BVG über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks

 

12. Wissenschaft und Kultus

Angelegenheiten der künstlerischen und wissenschaftlichen Sammlungen und Einrichtungen des Bundes;

Art. 10 Abs. 1 Z 13

 

wissenschaftlicher und fachtechnischer Archiv- und Bibliotheksdienst;

Art. 10 Abs. 1 Z 13

 

Angelegenheiten des Kultus;Denkmalschutz;

Art. 10 Abs. 1 Z 13

 

Hochschulen und KunstakademienAngelegenheiten des Kultus;

Art. 14 Abs. 1

 

13. Geldwirtschaft und Finanz­dienstleistungen

Geld-, Kredit-, Börse- und Bankwesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 5

 

14. Bundesfinanzen und Monopole

Bundesfinanzen, insbesondere öffentliche Abgaben, die ausschließlich oder teilweise für den Bund einzuheben sind; (Kompetenz-Kompetenz der einfachen Bundesgesetzgebung)

Art. 10 Abs. 1 Z 4 i.V.m. §§ 3 und 7 F-VG

 

Monopolwesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 4

 

15. Verwaltungs- und Verwaltungs­gerichtsverfahren, allgemeiner Teil des Abgaben- und Verwaltungsstrafrechts

Verwaltungsverfahren, die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes, das Verwaltungsstrafverfahren und die Verwaltungsvollstreckung auch in den Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung den Ländern zusteht, insbesondere auch in den Angelegenheiten des Abgabenwesens;

Art. 11 Abs. 2

 

Bürgerbeteiligungsverfahren für bundesgesetzlich zu bestimmende Vorhaben, die Beteiligung an den einem Bürgerbeteiligungsverfahren nachfolgenden Verwaltungsverfahren und die Berücksichtigung der Ergebnisse des Bürgerbeteiligungsverfahrens bei der Erteilung der für die betroffenen Vorhaben erforderlichen Genehmigungen;

Art. 11 Abs. 6

 

16. Organisation der Vollziehung des Bundes

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verwaltungsgerichtsbarkeit;

Art. 10 Abs. 1 Z 6

 

Angelegenheiten der Bundestheater mit Ausnahme der Bauangelegenheiten;

Art. 10 Abs. 1 Z 13

 

Organisation und Führung der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie;

Art. 10 Abs. 1 Z 14

 

Regelung der Errichtung und der Organisierung sonstiger Wachkörper mit Ausnahme der Gemeindewachkörper;

Art. 10 Abs. 1 Z 14

 

Einrichtung der Bundesbehörden und sonstigen Bundesämter;

Art. 10 Abs. 1 Z 16

 

Die Einrichtung, die Aufgaben und das Verfahren des unabhängigen Umweltsenates;

Art. 11 Abs. 7

 

Die Einrichtung, die Aufgaben und das Verfahren der Senate in Angelegenheiten der Bodenreform sowie die Grundsätze für die Einrichtung der mit den Angelegenheiten der Bodenreform sonst noch befaßten Behörden;

Art. 12 Abs. 2

 

Auskunftspflicht für Organe des Bundes sowie der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung;

Art. 20 Abs. 4

 

Aufsichtsrecht über Gemeinden für Bundesvollziehung;

Art. 119a Abs. 3

 

Bestimmungen über den VwGH;

Art. 136

 

Einrichtung und Regelung des UBAS

Art. 129c

 

 


 

Artikel k2: Ausschließliche Länderkompetenzen

 

 

Kompetenz neu

Tatbestand B-VG

Fundstelle

1. Landesverfassung

Landesverfassung; Wahlen von Organen der Länder und Gemeinden; Landes- und Gemeindesymbole;

Art. 99, 15

Kompetenz des VfGH zur Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten mit LRH (Verfassungsgesetzgeber);

Art. 127c

Zuständigkeit der Volksanwaltschaft für die Landesverwaltung (Verfassungsgesetzgeber);

Art. 148i

2. Gemeinden

Gemeinderecht und Gemeindeaufsicht;

 

Zusammensetzung von Wiener Kollegialbehörden;

Art. 111

Gemeindeorganisationsrecht;

Art. 115 Abs. 2

Verleihung des Stadtrechts;

Art. 116 Abs. 3

Organisation der Gemeindeverbände;

Art. 116a Abs. 4 und 5

Aufsichtsrecht über Gemeinden außer Bundesvollziehung;

Art. 119a Abs. 3

3. Natur-, Boden- und Landschaftsschutz

Natur- und Landschaftsschutz

Art. 15

Bodenschutz

 

4. Jagd und Fischerei

Jagd und Fischereirecht;

Art. 15

5. Raumordnung, Straßen und bauliche Gestaltung

Raumordnung;

Art. 15 Abs. 1

Straßen, ausgenommen Bundesstraßen;

 

Baurecht mit Ausnahme des technischen Baurechts;

 

Ortsbildschutz;

 

6. Feuerschutz und Katastrophenhilfe

Feuerpolizei; Feuerwehrwesen;

 

Katastrophenhilfe;

 

7. Örtliche Sicherheit

Angelegenheiten der örtlichen Sicherheitspolizei (das ist des Teiles der Sicherheitspolizei, der im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet ist, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden, wie die Wahrung des öffentlichen Anstandes und die Abwehr ungebührlicherweise hervorgerufenen störenden Lärmes);

Art. 15 Abs. 2

Veranstaltungswesen; öffentlichen Schaustellungen, Darbietungen und Belustigungen

Art. 15 Abs. 3

öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten;

Art. 12 Abs. 1 Z 2

8. Landesfinanzen

Landesfinanzen

F-VG

9. Organisation der Vollziehung des Landes

Organisation der Vollziehung in den Ländern; Landesverwaltungsgerichte

 

Organisation und Dienstrecht der UVS;

Art. 129b Abs. 6

Stiftungen und Fonds, die nach ihren Zwecken nicht über den Interessenbereich eines Landes hinausgehen oder schon bisher von den Ländern autonom verwaltet wurden;

Art. 10 Abs. 1 Z 13

Regelungen über die Auskunftspflicht der Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Organe der Selbstverwaltung;

Art. 20 Abs. 4

 

Artikel k 3: Zuständigkeit von Bund und Ländern

 

 

Kompetenz neu

Tatbestand B-VG

Fundstelle

Öffentliche Aufträge

Vergaberecht

Art. 14b

Dienstrecht

Dienstrecht und Personalvertretungsrecht der Bundesbediensteten;

Art. 10 Abs. 1 Z 16

Angelegenheiten des Dienstrechtes einschließlich des Dienstvertragsrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Bediensteten der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände, soweit für alle diese Angelegenheiten in Abs. 2, in Art. 14 Abs. 2, Abs. 3 lit. d und Abs. 5 lit. c und in Art. 14a Abs. 2 lit. e und Abs. 3 lit. b nicht anders bestimmt ist;

Art. 21 Abs. 1

Elektronischer Rechtsverkehr

Teilweise Verwaltunsverfahren

Art. 11 Abs. 2

Statistik

Volkszählungswesen sowie - unter Wahrung des Rechtes der Länder, im eigenen Land jegliche Statistik zu betreiben - sonstige Statistik, soweit sie nicht nur den Interessen eines einzelnen Landes dient;

Art. 10 Abs. 1 Z 13

 

 

Artikel k4: Gemeinschaftliche Zuständigkeiten von Bund und Ländern

Kursiv: ohne Beschluß des Bundesrates vom Bund regelbar, weil ursprünglich Bundeskompetenz (Artikel k4 Abs. 2)

 


 

Kompetenz neu

Tatbestand B-VG

Fundstelle

1. Gesundheit

Gesundheitswesen mit Ausnahme des Leichen- und Bestattungswesens sowie des Gemeindesanitätsdienstes und Rettungswesens, hinsichtlich der Heil- und Pflegeanstalten, des Kurortewesens und der natürlichen Heilvorkommen jedoch nur die sanitäre Aufsicht;

Art. 10 Abs. 1 Z 12

Veterinärwesen;

Art. 10 Abs. 1 Z 12

Ernährungswesen einschließlich der Nahrungsmittelkontrolle;

Art. 10 Abs. 1 Z 12

Leichen- und Bestattungswesen;

Art. 10 Abs. 1 Z. 12

Gemeindesanitätsdienst;

Art. 10 Abs. 1 Z 12

Rettungswesen,

Art. 10 Abs. 1 Z 12

Heil- und Pflegeanstalten;

Art. 12 Abs. 1 Z 1

vom gesundheitlichen Standpunkt aus an Kurorte sowie Kuranstalten und Kureinrichtungen zu stellende Anforderungen;

Art. 12 Abs. 1 Z 1

Natürliche Heilvorkommen;

Art. 12 Abs. 1 Z 1

2. Kinder und Jugend

Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge;

Art. 12 Abs. 1 Z 1

Kindergartenwesen und Hortwesen;

Art. 14 Abs. 4

Jugendschutz;

Art. 15

3. Fürsorge und Pflege

Volkspflegestätten;

Art. 12 Abs. 1 Z 1

Sozial- und Behindertenhilfe einschließlich Pflegewesen soweit es nicht unter Art. 12 Abs. 1 Z 1 fällt;

 

4. Wohnungen

 

Wohnbauförderung

 

Volkswohnungswesen mit Ausnahme der Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung;

Art. 11 Abs. 1 Z 3

Assanierung;

Art. 11 Abs. 1 Z 5

5. Landwirtschaft

Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik

MOG

Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen und Wiederbesiedelung;

Art. 12 Abs. 1 Z 3

Landwirtschaftliches Grundverkehrsrecht;

 

Tierzucht

 

Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge;

Art. 12 Abs. 1 Z 4

6. Tourismus

Fremdenverkehr, einschließlich Privatzimmervermietung und Campingwesen;

Art. 15

7. Sport

Sportangelegenheiten

 

8. Kultur

Denkmalschutz

Art. 10 Abs. Z 13

Volkstumspflege;

Art. 15

 

 

5.8       Wiederin Ewald, Dr. Univ. Prof.

5.8.1   Stellungnahme zum „Drei-Säulen-Modell“

Eingebracht im Ausschuss 5, 5. Sitzung, 1.12.2003

 

 

Stellungnahme zu einer Kompetenzverteilung
nach dem „Drei-Säulen-Modell

1. Zur Rechtssetzung im dritten Kompetenzbereich

Im Rahmen des dritten Kompetenzbereichs ist zunächst die Grundsatzentscheidung zu fällen, ob am Grundsatz der Exklusivität der Kompetenzbereiche festgehalten werden soll oder ob dieser Bereich „Gemeinschaftsaufgaben“ enthalten soll, in denen eine –  wie immer ausgestaltete – Koordination zwischen Bund und Ländern stattfinden muss. In meinen Augen spricht alles dafür, nach dem Muster vieler anderer bundesstaatlicher Verfassungen eine Form der konkurrierenden Gesetzgebung zu schaffen, in welchem die Länder zur Gesetzgebung zuständig sind, soweit und solange der Bund keine Vorschriften erlassen hat. Denn dieser Kompetenztypus hat den entscheidenden Vorteil, Subsidiarität mit Flexibilität zu verbinden.

 

Da grundsätzlich beiden föderalen Partnern der Zugriff auf die Materien der dritten Säule eröffnet wird, tragen sowohl Bund als auch Länder Verantwortung. Die Länder sind in der Lage, Angelegenheiten auch dort umfassend aufzugreifen, wo sie nach derzeitigem Verfassungsrecht untätig bleiben müssen, weil die Kompetenz beim Bund liegt, dieser aber –mitunter infolge politischer Unfähigkeit – von ihr keinen Gebrauch macht. Umgekehrt kann der Bund dort, wo es den Ländern nicht gelingt, Aufgaben auf regionaler Ebene zufrieden stellend zu bewältigen, in die Bresche springen, ohne zuvor die Bundesverfassung ändern zu müssen. Das System wird insgesamt beweglicher und dadurch auch kompetitiver.

 

Außerdem wird es hiedurch wesentlich leichter, „Querschnittsmaterien“ in den Griff zu bekommen. Neue Politikansätze sind häufig Querschnittsansätze, die nicht in die tradierten Schubladen passen (UVP, Datenschutz, Umweltinformation, integrierte Unfallprävention uvam). Je starrer eine Kompetenzverteilung ist, desto schwieriger wird es, solche Ansätze überhaupt zu verfolgen, weil das, was der Querschnittsansatz fordert, von der Kompetenzverteilung als Querschnittsmaterie inhibiert wird.

 

Die Länder würden mit der starren Kompetenzgrenze zwischen Bund und Ländern zwar die Gewissheit verlieren, den Bund vor dem Verfassungsgerichtshof in die Schranken weisen zu können: Ihr Hausgut in der zweiten Säule wäre (ebenso wie das Hausgut des Bundes in der ersten) auf überschaubare Kernaufgaben geschrumpft. Sie würden aber die Möglichkeit gewinnen, die Lücken in den Bundesregelungen durch eigene Gesetze aufzufüllen und passgenaue Anschlussstücke zu den Vorschriften im Bereich der zweiten Säule (Hausgut der Länder) herzustellen.

 

Entgegen einer verbreiteten Meinung halten sich die strukturellen Einschnitte, die eine solche konkurrierende Gesetzgebung mit sich brächte, in Grenzen. Bei genauerem Hinsehen liegt nämlich keine konkurrierende Kompetenz vor, die mit dem Grundsatz der Exklusivität der Kompetenzbereiche bricht, weil es sich um alternativ-ausschließliche Kompetenzen handelt.

 

Aus diesem Grund ist auch keine Konfliktlösungsregel „Bundesrecht bricht Landesrecht“ erforderlich, wie sie von Schnizer vorgeschlagen wird. In Deutschland ist diese Regel zwar in Art 31 GG verankert, es ist dort aber völlig unklar, was sie bedeutet. In der Schweiz ist diese Regel ein Reflex des Umstands, dass Bundesgesetze vom Bundesgericht nicht auf ihre Kompetenzkonformität überprüft werden dürfen und dass deshalb selbst die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Kompetenzen durch den Bund die Nichtigkeit von kantonalem Recht zur Folge hat. In Österreich ist eine Vorrangregel entbehrlich, weil mit der Verfassungsgerichtsbarkeit und der lex-posterior-Regel das Auslagen zu finden ist. Wenn der Bund auf eine Angelegenheit der dritten Säule zugreift, haben insoweit die Länder ihre Kompetenz verloren, ihre Regelungen sind entweder außer Kraft getreten oder wegen Kompetenzwidrigkeit vom Verfassungsgerichtshof aufzuheben. (Die Sorge, ein Land könnte einem früheren Bundesgesetz derogieren und sich dadurch die fehlende Kompetenz zurückerobern, ist deshalb unbegründet, weil es aufgrund des kleineren räumlichen Geltungsbereiches nur zu einer Zurückdrängung des Bundesgesetzes kommen kann.) Eine Vorrangregel würde nur zu Konfusion führen, weil sie wohl bedeuten müsste, dass ein späteres Landesgesetz entweder als absolut nichtig oder zumindest als unanwendbar zu betrachten wäre – mit negativen Folgen für die Rechtssicherheit, weil jede Verwaltungsbehörde zunächst eine inzidente Prüfung von Landesrecht auf seine Kompetenzkonformität vornehmen müsste, bevor sie es anwendet.

 

Innerhalb der dritten Säule sollte der Bund die Möglichkeit haben, sich auf Grundsätze zu beschränken. Von einer Verpflichtung durch Übernahme des Typus des Art 12 B‑VG ist hingegen abzuraten. Gesetze durchgängig so zu formulieren, dass sie nicht im Sinne des Art 18 B‑VG hinreichend bestimmt sind (was die Lehrbücher fordern), ist unmöglich, wenn man inhaltlich etwas Sinnvolles erreichen will. Sowohl die Praxis der Richtlinien als auch der deutschen Rahmengesetzgebung zeigen deshalb, dass ein gewisses Maß an Vollregelungen unvermeidbar ist. (Und auch in Österreich ist es im Grund erst die Bezeichnungspflicht, die bewirkt, dass manche Grundsatzregelung, die eigentlich hinreichend bestimmt und anwendbar wäre, nicht unmittelbar anwendbar ist.)

 

Ebenso abzuraten ist von Delegationen. Die Erfahrung mit Art 10 Abs 2 B‑VG sind dermaßen trist, dass von einer Verallgemeinerung dieses Instruments nichts erwartet werden kann. (Das Beste, was man von diesem Instrument sagen kann, ist, dass es wenn schon keinen Nutzen hat, so doch auch keinen Schaden stiftet.) Wenn eine Angelegenheit wirklich den ausschließlichen Zuständigkeiten zugeordnet werden soll, verbieten sich Delegationen von selbst, weil sie mit der Ausschließlichkeit brechen. Im dritten Kompetenzbereich haben sie ebenfalls keinen Platz, weil es dort ohnedies Aufgriffsmöglichkeiten gibt. Ihr eigentlicher Sinn könnte in einem solchen Rahmen letztlich nur darin bestehen, dass eine Gebietskörperschaft durch „Verweigerung“ der Delegation die Angelegenheit für die andere Gebietskörperschaft sperrt, ohne dass sie selbst sich um diese Angelegenheit kümmert.

 

2. Zur Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes im dritten Kompetenzbereich

Auch die zweite Frage berührt einen grundsätzlichen Punkt. Wir müssen uns entscheiden, ob wir auf politische oder auf rechtliche Instrumente setzen wollen, um die Interessen der Länder zu sichern. Eine Kombination solcher Instrumente, wie sie von der WKÖ vorgeschlagen ist, halte ich für schädlich, weil sie letztlich dazu führt, dass die Gebietskörperschaften auf beide Karten setzen können und eine Lösung, die sie zunächst politisch mitgetragen haben, später vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfen können.

 

Erwägt man rechtliche Instrumente, so bietet es sich an, nach Bonner Muster „die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts‑ oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse“ zu einem objektivem Kriterium zu machen, das über die Zulässigkeit der Inanspruchnahme der Kompetenz entscheidet. Mit solchen Klauseln zu judizieren, ist extrem schwierig, weil es im Unterschied zur grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung an Bezugspunkten fehlt, die eine Abwägung strukturieren und sie rational nachvollziehbar machen. Verfassungsgerichte tendieren deshalb überwiegend dazu, entsprechende Vorbehalte als nicht justiziabel zu erklären: Die amerikanischen Kompetenzrechtsprechung ist hiefür ebenso ein Beispiel wie die ältere Praxis des Bundesverfassungsgerichts zur Stammfassung des Art 72. Es ist daher in meinen Augen kein Zufall, dass auch die Neufassung des Art 72, die dem Bundesverfassungsgericht das Anlegen objektiver Maßstäbe zur Pflicht macht, bis heute zu keiner grundlegenden Umorientierung der Rechtsprechung geführt hat.

 

Nach meinem Dafürhalten hat die Politik durch solche quasi-objektiven Kriterien nichts zu gewinnen und die Verfassungsgerichtsbarkeit nur zu verlieren. Mit rationalen Argumenten lässt sich die Frage, ob eine Angelegenheit besser auf gliedstaatlicher oder auf gesamtstaatlicher Ebene aufgehoben ist, nur schwer lösen. Aus diesem Grund bieten die Kompetenzverteilungskataloge der bundesstaatlichen Verfassungen ein erstaunlich vielfältiges Bild.

 

Ob es Bedarf nach einer einheitlichen Bundesregelung gibt, sollte daher politisch und nur politisch entschieden werden. Als entsprechende Instrumente sind zum einen die paktierte Gesetzgebung, zum anderen die Einbindung des Bundesrates oder der Länder erwogen worden.

 

Von paktierter Gesetzgebung ist ganz entschieden abzuraten. Wie sehr sie zu wechselseitiger Lähmung und zu Zersplitterungen führt, lässt sich im Bereich des Art 15 Abs 4 B‑VG anschaulich studieren: Allein um die geltende Rechtslage hinsichtlich der Zuständigkeiten der Bundespolizeidirektionen in der Straßenpolizei zu eruieren, braucht es Stunden, und alle aktuellen Kommentare der StVO helfen bei dieser Aufgabe nicht weiter. Diesen Typus zu verallgemeinern, hätte den sicheren Ruin der dritten Säule zur Folge.

 

Vor die Wahl gestellt, entweder den Bundesrat oder die Länder mit Ingerenzmöglichkeiten auszustatten, verdient eine Bundesratslösung den Vorzug. Die deutschen Erfahrungen zeigen aber, dass auch dieses Modell seine Tücken hat, weil es Blockademöglichkeiten eröffnet und weil es tendenziell Einigungen auf niedrigstem Niveau begünstigt. Zu meinen, dass es gelingen könnte, durch eine Reform des Bundesrats die Länderkammer auf die Vertretung von Länderinteressen zu beschränken und den Einfluss von Parteipolitik zurückzudrängen, ist naiv. Überall dort, wo es Länderkammern gibt, sind die Parteigrenzen wichtiger als die Länderinteressen, und ich halte das in einer Parteiendemokratie grundsätzlich auch für legitim.

 

3. Zu den Kriterien einer Zuordnung von Aufgabenfeldern zu den drei Säulen

Der durch die dritte Frage berührte Punkt ist nicht weniger fundamental. Wir stehen vor der Grundsatzentscheidung, den dritten Kompetenzbereich entweder schlank zu halten oder sie mit einem breiten Aufgabenspektrum aufzufüllen, und die Antwort hängt wesentlich von den Kriterien ab, die über eine Zuordnung entscheiden sollen.

 

Meines Erachtens können es keine anderen Kriterien sein als jene, die über eine Zuordnung zur ersten und zur dritten Säule Auskunft geben, und ich schlage vor, neben der Frage, ob in der Angelegenheit ein Bundesgesetz grundsätzlich möglich sein soll, auch die Vollzugszuständigkeiten in die Betrachtung einzubeziehen. Dementsprechend wären der ersten und der zweiten Säule jene Angelegenheiten zuzuordnen, die ausschließlich durch Bundesorgane oder durch Landesorgane im organisatorischen Sinne zu vollziehen sind. In der dritten Säule sollten demgegenüber jene Angelegenheiten versammelt werden, in denen die Vollzugszuständigkeit nicht ein für allemal verfassungsrechtlich vorgegeben sind.

 

Dieser Vorschlag trägt dem Umstand Rechnung, dass sich in Österreich auf der Vollzugsebene ein Verbundföderalismus entwickelt hat: Durch die Omnipräsenz „mittelbarer Verwaltungen“ – einer Figur, die in anderen Bundesstaaten nicht existiert – haben die Ausnahmen die bundesstaatliche Regel (Vollzugszuständigkeit einer Gebietskörperschaft bedeutet, dass diese die betreffend Aufgabe ausschließlich durch eigene Organe besorgen darf) in den zweiten Rang verwiesen. An diesem Zustand lässt sich wenig ändern. Mir wäre ein traditionelles bundesstaatliches Modell, das Gesetzgebungs‑, Vollziehungs‑, Organisations‑ und Finanzverantwortung möglichst konzentriert, wesentlich lieber als der derzeitige Zustand. Das ändert nichts daran, dass der Zug 1925 in eine andere Richtung abgefahren ist und dass auch im Rahmen des Konvents alle Weichen in Richtung Vollzugsföderalismus gestellt sind.

 

Dem dritten Bereich sind deshalb in meinen Augen all jene Angelegenheiten zuzuordnen, in denen für eine Mitwirkung sowohl von Bundes‑ als auch von Landesorganen Raum bleiben soll. Als Regel sollte gelten, dass die Vollziehung von den Ländern zu besorgen ist, dass aber auch die Mitwirkung von Bundesexekutivorganen oder die Betrauung von Bundesbehörden mit Entscheidungszuständigkeiten vorgesehen werden kann. Diese höhere Flexibilität benötigen wir deshalb, weil es ansonsten nicht gelingen wird, jene zahlreichen Verfassungsbestimmungen aufzulösen, die eine nach allgemeinen Regeln verbotene Mitwirkung im fremden Vollzugsbereich vorsehen.  Die Verfassungsbestimmungen im StaatsbürgerschaftsG seien als Beispiel erwähnt. Es zeigt, dass die Arbeiten dieses Ausschusses auch die Entscheidung darüber beeinflussen werden, ob man das Risiko in Kauf nehmen kann, in die neue Verfassung ein Inkorporationsgebot aufzunehmen.

 

4. Bedarfskompetenzen

Mit Öhlinger bin ich der Auffassung, dass es mit den „drei Säulen“ nicht das Bewenden haben kann. Daneben sollte auch für die klassischen Formen der Bedarfsgesetzgebung Raum bleiben, die es schon bisher gibt. Neben der Bedarfskompetenz für das Verwaltungsverfahren, die weiterhin existieren muss, wenn das Verfahren in den Angelegenheiten der dritten Säule (also zB im Baurecht) nach dem AVG ablaufen soll, halte ich insbesondere ein Äquivalent für die lex Starzyński (angelehnt an die Urkonzeption der Zivil‑ und Strafkompetenz im StGG 1867) sowie eine Bedarfskompetenz für die Umsetzung von Völkerrecht und Europarecht für notwendig. Gemeinsame Klammer dieser Kompetenzen könnte sein, dass sie zur Erlassung einheitlicher Vorschriften ermächtigen und dass daneben zur Regelung des Gegenstandes erforderliche abweichende Regelungen im Materiengesetz zulässig bleiben.

 

Meine Vorstellungen über die grundsätzliche die Zuordnung von Angelegenheiten zu den drei Säulen sind dem beigeschlossenen Textvorschlag zu entnehmen. Er mag verdeutlichen, dass ein Kompetenzkatalog auch schlank gehalten werden kann.

 

X. Abschnitt: Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern

Ausschließliche Kompetenzen des Bundes

 

Art. KV1.  Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:

1.Bundesverfassung;

2.äußere Angelegenheiten; Grenzvermarkung;

3.Zollwesen;

4.Bundesfinanzen und Monopolwesen;

5.Geld‑ und Kapitalmarktrecht; Standardisierung;

6.Sicherheitswesen;

7.Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen und der Luftfahrt; Angelegenheiten der Bundesstraßen;

8.militärische Angelegenheiten;

9.höheres Schulwesen;

10.  Einrichtung der Bundesbehörden und der sonstigen Bundesorgane.

 

Ausschließliche Kompetenzen der Länder

Art. KV2.  Landessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:

1.      Landesverfassung;

2.      Landwirtschaft und Bodenreform;

3.      Jagd und Fischerei;

4.      Naturschutzwesen;

5.      Raumordnung, soweit sie nicht unter Art. KV1 Z 7 und 8 fällt.

6.      Hochbaurecht;

7.      Feuerpolizei;

8.      Kindergarten‑ und Volksschulwesen;

9.      Einrichtung der Landesbehörden und der sonstigen Landesorgane;

10.  Gemeinderecht und Gemeindeaufsicht.

 

Konkurrierende Kompetenzen

 

Art. KV3.  In den übrigen Angelegenheiten ist die Gesetzgebung Landessache, soweit und solange der Bund keine Gesetze und Verordnungen erlassen hat.

Der Bund kann sich in diesen Angelegenheiten auf die Vorgabe von Grundsätzen beschränken, die ausdrücklich als Grundsatzgesetze oder Grundsatzbestimmungen zu bezeichnen sind.

Die Vollziehung der in diesen Angelegenheiten erlassenen Vorschriften ist Landessache, soweit die Bundesgesetze nicht Bundesbehörden die Vollziehung übertragen.

Bundesgesetze, die Bundesbehörden die Vollziehung übertragen oder deren Mitwirkung in der Landesvollziehung vorsehen, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Landesgesetze, die die Mitwirkung von Bundesorganen vorsehen, bedürfen der Zustimmung der Bundesregierung. Zustimmungen gelten als erteilt, wenn sie nicht innerhalb von acht Wochen verweigert werden.

 

Bedarfskompetenzen

 

Art. KV4.  Ungeachtet des Art KV2 können vom Bund einheitlich geregelt werden:

1.das Zivilrecht und das Justizstrafrecht;

2.das Verwaltungsverfahren, die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechts, das Verwaltungsstrafverfahren, die Verwaltungsvollstreckung und der Schutz personenbezogener Daten;

3.Angelegenheiten, in denen Rechtsakte im Rahmen der europäischen Integration oder völkerrechtliche Verträge umzusetzen sind.

4.In den die einzelnen Gebiete der Vollziehung regelnden Bundes‑ und Landesgesetzen können hievon abweichende Regelungen nur getroffen werden, soweit sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind.

Die Vollziehung der in den Angelegenheiten Abs 1 Z 1 erlassenen Vorschriften ist Bundessache, die Vollziehung der in den Angelegenheiten gemäß Abs 1 Z 3 erlassenen Vorschriften Landessache. Die Handhabung der gemäß Abs 1 Z 2 erlassenen Vorschriften ist Bundes‑ oder Landessache je nach dem, ob die den Gegenstand des Verfahrens bildende Angelegenheit in die Bundes‑ oder in die Landesvollziehung fällt.

 

 

5.8.2   Textvorschlag zu „Kompetenzzuordnungen“

Eingebracht im Ausschuss 5, 10. Sitzung, 23.2.2004

 

 

X. Abschnitt: Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern

Ausschließliche Kompetenzen des Bundes

 

Art. KV1.  Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:

1.      Bundesverfassung;

2.      äußere Angelegenheiten; Grenzvermarkung;

3.      Zollwesen;

4.      Bundesfinanzen und Monopolwesen;

5.      Geld‑ und Kapitalmarktrecht; Standardisierung;

6.      Sicherheitswesen;

7.      Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen und der Luftfahrt; Angelegenheiten der Bundesstraßen;

8.      militärische Angelegenheiten;

9.      höheres Schulwesen;

10.  Einrichtung der Bundesbehörden und der sonstigen Bundesorgane.

 

Ausschließliche Kompetenzen der Länder

 

Art. KV2.  Landessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:

        1. Landesverfassung;

        2. Landwirtschaft und Bodenreform;

        3. Jagd und Fischerei;

        4. Naturschutzwesen;

        5. Raumordnung, soweit sie nicht unter Art. KV1 Z 7 und 8 fällt;

        6. Hochbaurecht;

        7. Feuerpolizei;

        8. Kindergarten‑ und Volksschulwesen;

        9. Einrichtung der Landesbehörden und der sonstigen Landesorgane;

        10.Gemeinderecht und Gemeindeaufsicht.

 

Geteilte Kompetenzen

 

Art. KV3.  (1)  In den übrigen Angelegenheiten ist die Gesetzgebung Landessache, soweit und solange der Bund keine Gesetze und Verordnungen erlassen hat.

(2)  Der Bund kann sich in diesen Angelegenheiten auf die Vorgabe von Grundsätzen beschränken, die ausdrücklich als Grundsatzgesetze oder Grundsatzbestimmungen zu bezeichnen sind.

(3)  Die Vollziehung der in diesen Angelegenheiten erlassenen Vorschriften ist Landessache, soweit die Bundesgesetze nicht Bundesbehörden die Vollziehung übertragen.

(4)  Bundesgesetze, die Bundesbehörden die Vollziehung übertragen oder deren Mitwirkung in der Landesvollziehung vorsehen, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Landesgesetze, die die Mitwirkung von Bundesorganen vorsehen, bedürfen der Zustimmung der Bundesregierung. Zustimmungen gelten als erteilt, wenn sie nicht innerhalb von acht Wochen verweigert werden.

 

Bedarfskompetenzen

 

Art. KV4.  (1)  Ungeachtet des Art. KV2 können vom Bund einheitlich geregelt werden:

1.das Zivilrecht und das Justizstrafrecht;

2.das Verwaltungsverfahren, die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechts, das Verwaltungsstrafverfahren, die Verwaltungsvollstreckung und der Schutz personenbezogener Daten;

3.Angelegenheiten, in denen Rechtsakte im Rahmen der europäischen Integration oder völkerrechtliche Verträge umzusetzen sind.

(2)  In den die einzelnen Gebiete der Vollziehung regelnden Bundes‑ und Landesgesetzen können hievon abweichende Regelungen nur getroffen werden, soweit sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind.

(3)  Die Vollziehung der die in Abs. 1 Z 1 genannten Angelegenheiten regelnden Vorschriften ist Bundessache, die Vollziehung der gemäß Abs. 1 Z 3 erlassenen Vorschriften ist Landessache. Die Handhabung der gemäß Abs. 1 Z 2 erlassenen Vorschriften ist Bundes‑ oder Landessache je nach dem, ob die den Gegenstand des Verfahrens bildende Angelegenheit in die Bundes‑ oder in die Landesvollziehung fällt.


 

Information und Aufsicht

 

Art. KV5.  (1)  Der Bund ist verpflichtet, die Länder über alle Vorhaben, die ihren selbständigen Wirkungsbereich berühren, unverzüglich zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(2)  Der Bund ist befugt, die Vollziehung der von ihm erlassenen Vorschriften, der Rechtsakte im Rahmen der europäischen Integration und der völkerrechtlichen Verträge durch die Länder zu überwachen und dem Landeshauptmann [der Landesregierung] durch Weisung aufzutragen, wahrgenommene Mängel innerhalb angemessener Frist abzustellen.

 

 

5.8.3   Kompetenztatbestände und ihre Zuordnung zu den drei Säulen

Eingebracht im Ausschuss 5, 12. Sitzung, 5.7.2004

 

Vorschlag für neue Kompetenztatbestände
und ihre Zuordnung zu den drei Säulen

Vorbemerkungen

Der vorliegende Entwurf geht im Unterschied zu meinem in der ersten Phase der Beratungen des Ausschusses präsentierten Vorschlag einen pragmatischen Weg. Erstens verzichtet er weitgehend auf die Zusammenfassung von Materien, die zwar sachlich zusammengehören, die aber traditionell in einem Bundes‑ und einen Landesbereich segmentiert sind, weil es allen Beteuerungen des Willens zur Schaffung „runder“ Aufgabenfelder zum Trotz am politischen Willen zur Überwindung dieser Teilungen fehlen dürfte. Zweitens sieht er eine eher schlank gehaltene „Dritte Säule“ vor, in deren Zentrum Tatbestände aus den Art 11 und 12 B‑VG stehen. Drittens schließlich weist er die Zuordnungen explizit aus, weil die Bildung neuer Tatbestände mit einer gewissen Notwendigkeit vor dem Hintergrund einer Zuteilungsabsicht erfolgt und man den Vorschlägen die mit ihnen verbundenen Intentionen ohnehin ansieht.

 

Art X – Ausschließliche Bundeskompetenzen

Nr.

vorgeschlagener Tatbestand

erfasste B-VG-Tatbestände     weitere Inhalte

1.

Bundesverfassung, Verfassungsgerichtsbarkeit

Bundesverfassung, insbesondere Wahlen zum Nationalrat, Volksabstimmungen auf Grund der Bundesverfassung, Verfassungsgerichtsbarkeit

2.

Angelegenheiten des Äußeren, der Grenze und der Grenzüberschreitung

äußere Angelegenheiten mit Einschluß der politischen und wirtschaftlichen Vertretung gegenüber dem Ausland, insbesondere Abschluß von Staatsverträgen, unbeschadet der Zuständigkeit der Länder nach Art. 16 Abs. 1; Grenzvermarkung; Waren‑ und Viehverkehr mit dem Ausland; Zollwesen;
grenzüberschreitende Erbringung von Leistungen

3.

Bundesfinanzen und Monopolwesen

Bundesfinanzen, insbesondere öffentliche Abgaben, die ausschließlich oder teilweise für den Bund einzuheben sind; Monopolwesen;

4.

Finanzwesen

Geld‑, Kredit‑, Börse‑ und Bankwesen;

5.

Justiz

Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens, jedoch mit Ausschluß von Regelungen, die den Grundstücksverkehr, einschließlich des Rechtserwerbes von Todes wegen durch Personen, die nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören, verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen; Privatstiftungswesen; Strafrechtswesen mit Ausschluß des Verwaltungsstrafrechtes und des Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheiten, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen; Justizpflege; Vertragsversicherungswesen; Verwaltungsgerichtsbarkeit; Bundesstiftungen

6.

Verwaltungsverfahren, Datenschutz und allgemeiner Teil des Verwaltungsstrafrechts

Verwaltungsverfahren, allgemeine Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes, Verwaltungsstrafverfahren und Verwaltungsvollstreckung
Datenschutz

7.

Personenwesen und Freizügigkeit

Staatsbürgerschaft; Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matrikenwesens und der Namensänderung;
Regelung und Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm; Ein‑ und Auswanderungswesen; Paßwesen; Abschiebung, Abschaffung, Ausweisung und Auslieferung sowie Durchlieferung;
Fremdenpolizei und Meldewesen; Flüchtlingswesen

8.

innere Sicherheit, soweit sie nicht unter Art. Y Z 9 fällt

Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit einschließlich der ersten allgemeinen Hilfeleistung, jedoch mit Ausnahme der örtlichen Sicherheitspolizei; Vereins‑ und Versammlungsrecht; Waffen‑, Munitions‑ und Sprengmittelwesen, Schießwesen;
Einrichtungen zum Schutz der Gesellschaft gegen verbrecherische oder sonstige gefährliche Personen;
Regelung der Bewaffnung und des Rechtes zum Waffengebrauch;

9.

Normung, Standardisierung und Typisierung

Maß‑ und Gewichts‑, Normen‑ und Punzierungswesen;
Normalisierung und Typisierung elektrischer Anlagen und Einrichtungen, Sicherheitsmaßnahmen auf diesem Gebiete;

Regelung des geschäftlichen Verkehrs mit Saat- und Pflanzgut, Futter-, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie mit Pflanzenschutzgeräten, einschließlich der Zulassung und bei Saat- und Pflanzgut auch der Anerkennung;
Dampfkessel- und Kraftmaschinenwesen;
Vermessenswesen
Standards für Dienstleistungen und für das Inverkehrbringen von Waren aller Art

10.

Kartell‑ und Wettbewerbsrecht

Kartellwesen, Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes

11.

wirtschaftliche Schutzrechte

Urheberrecht; Patentwesen sowie Schutz von Mustern, Marken und anderen Warenbezeichnungen

12.

Ausübung selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeiten mit Ausnahme der Landwirtschaft

Angelegenheiten der Notare, der Rechtsanwälte und verwandter Berufe;
Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie; öffentliche Agentien und Privatgeschäftsvermittlungen; Angelegenheiten der Patentanwälte; Ingenieur- und Ziviltechnikerwesen;

13.

Wirtschaftslenkung und Krisenvorsorge, Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik

einschließlich der Angelegenheiten der Marktordnung, der Entwicklung des ländlichen Raumes, der Versorgungssicherung, Lebensmittelbewirtschaftung und Energielenkung, der Erdölbevorratung und ‑meldung, der Preisregelung und der Preistransparenz

14.

Bergwesen, Forstwesen, Wasserwesen

Bergwesen; Forstwesen einschließlich des Triftwesens; Wasserrecht; Regulierung und Instandhaltung der Gewässer zum Zwecke der unschädlichen Ableitung der Hochfluten oder zum Zwecke der Schifffahrt und Flößerei; Wildbachverbauung;

15.

Umweltschutz, soweit er nicht unter Art Y Z 5 fällt

Maßnahmen zur Abwehr von gefährlichen Belastungen der Umwelt, die durch Überschreitung von Immissionsgrenzwerten entstehen, Luftreinhaltung,
Umweltverträglichkeitsprüfung, Gentechnik, Klimaschutz

16.

Stoffstrom- und Risikomanagement

Abfallwirtschaft, Chemikalien- und Giftwesen

17.

integrierte Genehmigung von Vorhaben

Kompetenz für ein einheitliches Anlagenrecht unter Mitanwendung des einschlägigen Landesrechts einschließlich UVP-Vorhabensgenehmigung

18.

Verkehrswesen, soweit es nicht unter Art. Y Z 8 fällt

Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen, der Luftfahrt, der Schifffahrt; Kraftfahrwesen; Bau und Instandhaltung von Wasserstraßen; Angelegenheiten der wegen ihrer Bedeutung für den Durchzugsverkehr durch Bundesgesetz zu Bundesstraßen erklärten Straßenzüge, Straßen- und Schifffahrtspolizei; 

19.

Energiewesen

leitungsgebundene Energie (Starkstromwegerecht, Gasrecht, Elektrizitätswesen)

20.

Arbeits- und Sozialrecht

Arbeitsrecht, Sozialversicherung, Arbeitnehmerschutz, Behinderteneinstellung und Behindertenausweis

21.

Gesundheitswesen, soweit es nicht unter Art. Y Z 12 fällt

Gesundheitswesen, Strahlenschutz, Veterinärwesen; Ernährungswesen einschließlich der Nahrungsmittelkontrolle

22.

Medien und Nachrichtenübertragung

Pressewesen; Post‑ und Fernmeldewesen

23.

Wissenschaft und Kultus

Angelegenheiten der Universitäten und der Fachhochschulen; wissenschaftlicher und fachtechnischer Archiv- und Bibliotheksdienst; Angelegenheiten der künstlerischen und wissenschaftlichen Sammlungen und Einrichtungen des Bundes; Angelegenheiten des Kultus;

24.

Heeres‑ und Kriegsangelegenheiten

militärische Angelegenheiten; Kriegsschadensangelegenheiten und Fürsorge für Kriegsteilnehmer und deren Hinterbliebene; Fürsorge für Kriegsgräber; Zivildienst

25.

Einrichtung der Bundesbehörden und der sonstigen Bundesorgane

Organisation und Führung der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie;  Einrichtung der Bundesbehörden und sonstigen Bundesämter; Dienstrecht der Bundesbediensteten

26.

öffentliches Auftragswesen

öffentliches Auftragswesen

 

Art Y – Ausschließliche Landeskompetenzen

 

1.

Landesverfassung

Landesverfassung; Wahlen zum Landtag und zum Gemeinderat;
Wappen, Siegel und Auszeichnungen der Länder und Gemeinden sowie Maßnahmen zum Schutz dieser Wappen, Siegel und Auszeichnungen gegen unbefugte Führung

2.

Staatsverträge der Länder

 

3.

Landesfinanzen

 

4.

Landwirtschaft, Jagd und Fischerei

einschließlich Flurschutz und Tierzucht

5.

Natur-, Landschafts- und Ortsbildschutz

soweit speziellere Kompetenzen ihn nicht verdrängen; expliziter Vorbehalt der Verkehrskompetenz?

6.

Bodennutzung und Bodenschutz

einschließlich Raumordnung mit Ausnahme der Fachplanungen des Bundes und Beschränkungen des Grundverkehrs einschließlich des Rechtserwerbs von Todes wegen

7.

Baurecht

soweit es nicht in spezielleren Kompetenzen enthalten ist; uU explizite Beschränkung auf Hochbaurecht

8.

Landes- und Gemeindestraßen

 

9.

örtliche Sicherheit

örtliche Sicherheitspolizei; Verfolgung von Ehrenkränkungen; öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten;
Sittlichkeitspolizei; Sammlungswesen;

10.

Feuerpolizei und Feuerwehrwesen

Feuerpolizei

11.

Fürsorge und Pflege

Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge; Pflegeheime, Volkspflegestätten

12.

örtliches Gesundheitswesen

Gemeindesanitätsdienst, Hilfs- und Rettungswesen, Kurwesen, natürliche Heilvorkommen

13.

Leichen- und Bestattungswesen

Leichen- und Bestattungswesen

14.

Kindergärten und Volksschulen

einschließlich Organisation, bis 10 Jahre

15.

Kultur, soweit sie nicht unter Art. X Z 23 fällt

Denkmalschutz; Volks- und Brauchtumspflege

16.

Landesstiftungen

Stiftungs‑ und Fondswesen, soweit es sich um Stiftungen und Fonds handelt, die nach ihren Zwecken über den Interessenbereich eines Landes nicht hinausgehen oder schon bisher von den Ländern autonom verwaltet wurden;

17.

Einrichtung der Landesbehörden, der sonstigen Landesorgane und der Landesverwaltungsgerichte

einschließlich Dienstrecht

18.

Gemeinderecht und Gemeindeaufsicht

einschließlich Gemeindeverbände

 

 

Art Z – Geteilte Kompetenzen

 

1.

Krankenanstalten

Heil- und Pflegeanstalten

2.

Wohnwesen

Volkswohnungswesen, Wohnbauförderung (samt Startwohnungen), Wohnhaussanierung
Wohnraumbewirtschaftung
Bodenbeschaffung und Assanierung

3.

Bevölkerungspolitik

einschließlich Kinderbeihilfen und Familienlastenausgleich

4.

Sozialhilfe

Armenwesen

5.

Veranstaltungswesen

Angelegenheiten der Bundestheater mit Ausnahme der Bauangelegenheiten; Angelegenheiten des Theater‑ und Kinowesens sowie der öffentlichen Schaustellungen, Darbietungen und Belustigungen; Musik‑, Sport‑ und Tanzschulen

6.

Katastrophenhilfe und Zivilschutz

 

7.

Schulwesen, soweit es nicht unter Art. Y Z. 14 fällt

Hauptschulen, Gymnasien, land- und forstwirtschaftliches Schulwesen, Schul‑ und Heimbeihilfen

8.

Bodenreform

Bodenreform

9.

Tier- und Pflanzenschutz

Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge, Tierschutz

10.

Generalklausel

 

 

Adhäsionskompetenzen

    Enteignung

    Energiesparen

    Kammern und berufliche Vertretungen

    Verwaltungspolizei

    Verwaltungsstrafrecht – Besonderer Teil

    Statistik

 

Bedarfskompetenzen

    Lex Starzynski

    zur Regelung des Gegenstandes erforderliche Abweichungen von einheitlichem Verwaltungsverfahrensrecht

 

Devolutionskompetenzen

    Säumnis in der Völkerrechts- und Europarechtsumsetzung

 

 


 

6              Ausschuss VI – Reform der Verwaltung

 

6.1       Burgstaller Gabi, Mag.

6.1.1   Textvorschlag zu den Grenzen der Ausgliederung

Eingebracht im gemeinsamen Ausschuss 6 und 7

 

 

Textvorschlag von Salzburg zu den Grenzen der Auslieferung

 

„Soweit es sich nicht um Kernaufgaben des Staates, wie etwa die Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit, die Gestaltung der Außenpolitik oder die Ausübung der Strafgewalt handelt, kann unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit gesetzlich vorgesehen werden, dass in einzelnen Angelegenheiten auch außerhalb der staatlichen Verwaltung stehende Rechtsträger zur Führung der Verwaltung herangezogen werden. Die der Eigenart der übertragenen Aufgaben entsprechenden Aufsichts-, Leistungs- und Steuerungsbefugnisse der obersten Verwaltungsorgane sind zu wahren.“

 

Dass die Besorgung von Verwaltungsaufgaben durch Rechtsträger, die keine Gebietskörperschaften bzw. Körperschaften öffentlichen Rechts sind, von der Verfassung zugelassen wird, soll klar gestellt werden.

 

Da aber gerade bei in Formen des Privatrechts organisierten Rechtsträgern eine Tendenz dazu bestehen könnte, nicht das Legalitätsprinzip und die Wahrung öffentlicher Interessen als oberstes Gebot der Vollziehung anzusehen, sondern erwerbswirtschaftliche Aspekte demgegenüber in den Vordergrund zu stellen, soll die Verfasung Beleihungen nur begrenzt zulassen. „Beleihung“ bezieht sich nur auf die Hoheitsverwaltung; lediglich insoweit wird eine Beschränkung als wünschenswert und nach der bisherigen Judikatur erforderlich angesehen; die Möglichkeit von Ausgliederungen im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung soll unberührt bleiben).

 

Ein sachgerechter Ansatzpunkt, Beleihungen verfassungsrechtliche Schranken zu setzen, wird in der einschlägigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gesehen. Die schon bisher bestehenden Grenzen sollen daher positiviert werden.

 

Demnach (VfSlg 14.473/1996, 16.400/2001, G 121/03 vom 2.10.2003) dürfen folgende Staatsaufgaben keinesfalls (auch nicht einzelne Angelegenheiten davon) Privaten zum hoheitlichen Vollzug übertragen werden: Sicherheitspolizei, Militärwesen, Verwaltungsstrafverfahren, Außenpolitik (etwa durch von einer GmbH verhängte Stromimportverbote). Es ist aber nicht davon auszugehen, dass diese Aufzählung taxativ in dem Sinn ist, dass der Gerichtshof damit die von ihm als „beleihungsresistent“ erkannten Aufgaben abschließend herausgearbeitet hat. Er könnte vielmehr in Zukunft weitere Bereiche als der Übertragung auf Private unzugänglich erachten (so wird zur Zeit vom Gerichtshof geprüft, ob der Zivildienst „ausgliederbar“ ist; vgl G 36/04 vom 11.3.2004). Im Formulierungsvorschlag erfolgt daher auch nur eine demonstrative Aufzählung („etwa“).

 

Weiters wird judiziert, dass auch außerhalb dieser Kernaufgaben nur in „vereinzelten Aufgaben“ eine Beleihung erfolgen kann. Auch dieses Kriterium wird als Tatbestandsmerkmal in den Textvorschlag aufgenommen („einzelne Angelegenheit“). Ob es erfüllt ist, wird eine qualitativ-quantitative Betrachtungsweise erfordern (Wie viele und welche Hoheitsaufgaben von welchem Gewicht bleiben in einer Materie noch beim Staat?). Damit ist der Judikaturlinie, dass der verwaltungspolizeiliche Kern einer Materie nicht ausgliederbar ist, ebenso Rechnung getragen, weil bei dieser Sichtweise schon zahlenmäßig wenige Aufgaben, soweit sie zum Materienkern gehören, als nicht mehr „einzeln“ zu betrachten sein werden.

 

Der Gerichtshof fordert überdies, dass die Beleihung sachlich sein bzw. den Effizienzgrundsätzen entsprechen muss. Um auch dies zu positivieren, wird vorgeschlagen, die Passage „unter der Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit“ in den Verfassungstext aufzunehmen. Dies sollte bedeuten, dass der Gesetzgeber sich jedenfalls in den Erläuterungen damit auseinanderzusetzen hat, weshalb die hoheitlche Vollziehung im jeweils relevanten Fall durch einen Privaten effektiver ist als durch den Staat.

 

Um nicht mit dem rechtsstaatlich-demokratischen Baugesetz der Bundesverfassung in Widerspruch zu geraten, ist außerdem ein Weisungszusammenhang des beliehenen Rechtsträgern zu den obersten Organen der Verwaltung, die der parlamentarischen Kontrolle und Verantwortung unterliegen, sicherzustellen. Auch dabei handelt es sich um keine neue, sondern bereits durch die Judikatur klargestellte Anforderung an Beleihungen.

 

 

6.2       Häupl Michael, Dr.

6.2.1   Positionspapier zu Beratungen im Ausschuss

Eingebracht im Ausschuss 6, 5. Sitzung, 17.12.2003

 

 

 

6.2.2   Stellungnahme zur Sicherheitsverwaltung

Eingebracht im Ausschuss 6, 10. Sitzung, 16.3.2004

 

 

An den Vorsitzenden

des Ausschuss 6 des

Österreich-Konvents

Herrn Generalsekretär Mag. Werner Wutscher

 

per email

 

  

Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

 

Ich erlaube mir, vor Beendigung der Beratungen im Ausschuss 6 neuerlich zum Bereich Sicherheitsverwaltung Stellung zu nehmen:

 

Bei nochmaliger und näherer Auseinandersetzung mit dem Vorschlag der Wiener Polizeivizepräsidentin Dr. Michaela Pfeifenberger kommt neben den bereits in der entsprechenden Ausschusssitzung aufgeworfenen Fragen noch hinzu, dass durch dieses Modell (Eingliederung der Bundespolizeidirektionen in den Landeshauptstädten in die Sicherheitsdirektionen) Statutarstädte unterschiedlichster Ausgestaltung entstehen.

 

Auffallend ist vor allem die Tatsache, dass nach diesem Modell die Magistrate der Landeshauptstädte weniger Aufgaben zu erfüllen hätten, als die Städte Villach, Wiener Neustadt, Wels und Steyr.

 

Die Landeshauptstädte haben bereits in der Vergangenheit verschiedene Aufgaben der Bundespolizeidirektionen durchaus erfolgreich übernommen. Aus Gründen der gerade im Konvent geforderten Bürgernähe und Transparenz der Verfassung bzw. des Verwaltungsaufbaues ist diese Ungleichbehandlung nicht nachvollziehbar und wird von Seiten des Österreichischen Städtebundes abgelehnt.

 

Es müsste daher angedacht werden, dass, wenn bei einer etwaigen Auflösung der Bundespolizeidirektionen in den Städten Villach, Wels, Steyr und Wiener Neustadt diese Aufgaben übertragen werden, auch die Magistrate in den Landeshauptstädten weitere, bisher von den Bundespolizeidirektionen getragene Aufgaben übernehmen.

Wobei auch für die Städte Villach, Wels, Steyr, Wiener Neustadt zu hinterfragen ist, welche Aufgaben konkret zu übernehmen sind (nur Aufgaben der Verwaltungspolizei oder auch allgemeine Sicherheitspolizei)

 

Hinsichtlich der Frage, welche Aufgaben das sein sollten, ist das wesentliche sachliche Entscheidungskriterium jenes der Bürgernähe und -orientierung. Zu denken wird dabei also an Aufgaben wie etwa Kraftfahrwesen, Vereinswesen, Straßenpolizei, Verkehrspolizei, Medienwesen und andere mehr. Wobei die Übernahme jeder einzelnen Aufgabe genau hinterfragt werden muss.

Andere Aufgaben - also jene, die als bezirksübergreifend zu werten sind (Schubhaft, Abschiebung, uä) - sollten von der Sicherheitsdirektion wahrgenommen werden.

Aufgaben der Sicherheitspolizei und das Einschreiten im Dienst der Strafjustiz sollten keinesfalls auf die Stadtmagistrate übergehen.

 

Für alle Übertragungen von Aufgaben der Bundespolizeidirektionen auf Stadtmagistrate muss gleichzeitig natürlich sichergestellt werden, dass alle Bezirksverwaltungsbehörden (Sicherheitsbehörden erster Instanz) dieselben Zugriffs- und Weisungskompetenzen hinsichtlich des Wachekörpers haben; der Bürgermeister muss also jedenfalls in sicherheitsbehördlichen Agenden dieselben Befugnisse hinsichtlich des Wachkörpers haben wie die Bezirkshauptleute.

 

Darüber hinaus muss für die Übernahme dieser Aufgaben ein voller und gerechter finanzieller Ausgleich vorgesehen sein, was eigentlich selbstverständlich sein sollte.

 

Weiters muss angemerkt werden, dass mit einer Übernahme der Agenden keinesfalls die Verpflichtung zur Übernahme von Personal, Objekten und Inventar verbunden sein kann.

 

Ebenfalls zu diskutieren ist die Frage, ob es sinnvoll ist, in den Städten Leoben und Schwechat die Agenden auf die Bezirksverwaltungsbehörden zu übertragen. Dies vor allem deshalb, weil beide Städte in der Vergangenheit mit Erfolg etwa auch das Passwesen übernommen haben. Aus Gründen der Bürgernähe müsste hier überlegt werden, ob nicht zumindest gewisse Agenden auf diese beiden Städte übergehen sollten.

 

Ferner muss festgehalten werden, dass dieses Modell keine Aussagen darüber enthält, wie sich die angedachte Umstrukturierung im Sicherheitsbereich auf die Stadt Rust (ebenfalls eine Statutarstadt die von der Bundespolizeidirektion Eisenstadt mitbetreut wurde) bzw. auf Bregenz (keine Bundespolizeidirektion)auswirkt.

 

Im Zusammenhang mit der Organisation der polizeilichen Agenden in der Stadt Wien wird darauf hingewiesen, dass die Einbindung der Bundespolizeidirektion in die Sicherheitsdirektion eine gefestigte Struktur ist. Jedoch ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass auch von Seiten Wiens einem Aufgabenübergang, etwa Vereins- und Presseangelegenheiten, näher getreten werden könnte.

 

Zusammengefasst muss festgehalten werden, dass dieses Modell zur Neugestaltung der Sicherheitsverwaltung noch unzählige Fragen unbeantwortet lässt. Darüber hinaus ist es bei so weitreichenden Umstrukturierungen unbedingt erforderlich, dass die betroffenen Städte in die Diskussion eingebunden werden.

Von Seiten des Österreichischen Städtebundes wird der Vorschlag in der vorgestellten Form abgelehnt. 

 

 

6.3       Jabloner Clemens, Dr. Univ.Prof.

6.3.1   Reformaspekte zur allgemeinen Verwaltungsorganisation

Eingebracht im Ausschuss 6, 3. Sitzung, 28.11.2003

 

 

Die Arbeitsunterlage "Reformaspekte zur allgemeinen Verwaltungsorganisation" gibt mir Anlass zu den folgenden - von der Zeitnot  gezeichneten vorläufigen und groben Bemerkungen. Ich habe den Eindruck, dass das gegenständliche Papier so etwas wie ein "Schuss vor den Bug" sein soll. Dass ich als Präsident des VwGH eine Auflösung der rechtsstaatlichen Strukturen negativ beurteile, wird man mir nicht verübeln wollen.

 

1. Zur Einleitung

Zu den "Ausgangskriterien" im Einzelnen ist auf die folgenden Bemerkungen zu verweisen. Der Satz "Im Zentrum jeden Verwaltungshandelns hat der Bürger zu stehen (Primat der Zivilgesellschaft)" entbehrt - meines Erachtens - jeden greifbaren Sinnes. Da wir ja wohl nicht mehr von der Philosophie ausgehen, dass das gesamte Staatswesen der Verklärung des Monarchen oder der im Staat personifizierten Entfaltung der Vernunft dient, halte ich solche Erklärungen für trivial. Eine Orientierung an der "Zivilgesellschaft" ist für mich auch etwas anderes als den "Menschen ins Zentrum" stellen. Es ist auch nicht klar, wer die "Bürger" sind, das ist ja kein Rechtsbegriff! Soll sich die Verwaltung an den "Normadressaten" orientieren, so wäre von "Menschen" zu sprechen. "Bürger" ist offenbar weiter als "Staatsbürger", aber enger als "Menschen".

 

Zu I. Mittelbare Bundesverwaltung

Die Vollziehung der Bundesgesetze im Bundesstaat wirft jedenfalls ein Strukturproblem auf. Das derzeitige Modell der "mittelbaren Bundesverwaltung" schließt - zwar "nur" formal, aber das sollte nicht unterschätzt werden - den Kreis von Demokratie, Bundesstaat und Rechtsstaat. Insoweit nämlich der Landeshauptmann dem Bundesminister weisungsverpflichtet ist und dieser dem Nationalrat verantwortlich, besteht ein lückenloser Legitimationszusammenhang.

Es sei zugegeben, dass die mittelbare Bundesverwaltung, wie sie sich tatsächlich präsentiert, Schwerfälligkeiten und Doppelgleisigkeiten aufweist, mögen diese auch überschätzt werden. Insoweit lässt sich dem Ziel der "Verelferung" etwas abgewinnen, zumal es diese ja bereits gibt. Allerdings bedingt dies, dass das System der "Bundesaufsicht" (Art. 15 Abs. 8 B-VG) ausgebaut wird. Insbesondere müsste auch - wie schon im Entwurf der letzten Bundesstaatsreform enthalten - eine Art kombinierte Amts/Säumnisbeschwerde des Bundesministers gegen rechtswidrige Untätigkeit der Landesbehörden vorbeugen. Letztlich hat die Notwendigkeit, ein solches Instrumentarium aufzubauen - und der mit der Auflassung der mittelbaren Bundesverwaltung verbundene Bedeutungsverlust der Landeshauptmänner - mit zum Scheitern der letzten Bundesstaatsreform geführt. Es ist deshalb zu erwägen, das System so zu belassen, wie es ist, solange nicht ein deutlich besseres gefunden wird.

 

Zu II. Lockerung der Weisungsbindung

Die Vorstellung, den einfachen Gesetzgeber zu ermächtigen, Verwaltungsorgane im Grunde nach Belieben weisungsfrei zu stellen, trifft den Rechtsstaat ins Mark. Die Tragweite dieser Maßnahme wird auch erst im Zusammenhang mit der angestrebten Zertrümmerung des Legalitätsprinzips deutlich. Grundsätzlich korreliert im konstitutionellen Systemzusammenhang der Vollziehung die Weisungsfreiheit mit der Gesetzesbindung, die Weisungsgebundenheit mit dem Ermessen. Das Ermessen hat den Sinn, der - dem Parlament verantwortlichen - politischen Führung die Möglichkeit der Gestaltung der Verwaltung zu geben. Wenn der Spielraum der Verwaltung durch die strikte Determinierung des Gesetzes bereits sehr eingeschränkt ist, verliert im selben Maß die Weisungsgebundenheit an Bedeutung. Ein Abbau beider Elemente - Determinierung und Weisungsgebundenheit - kommt überhaupt nicht in Betracht und wäre jedenfalls eine Gesamtänderung der Bundesverfassung in Bezug auf Rechtsstaat und Demokratie.

Im Einzelnen bestehen aber Bedenken auch gegen isolierte Maßnahmen. Nach dem Textvorschlag wird es entweder dem Gesetzgeber völlig freigestellt, Weisungsfreiheit vorzusehen - "erforderlichenfalls" wäre bei diesem Verständnis nur ein Durchlaufposten - oder man interpretiert das "erforderlichenfalls" wie "unerlässlich" (vgl. derzeit Art. 15 Abs. 9 B-VG. Im letzteren Fall hätte der VfGH - wohl nach gleichheitsrechtlichen Kriterien - die Maßnahmen des Gesetzgebers zu überprüfen. Ob das einen Sinn gibt, wage ich zu bezweifeln.

Es ist in diesem Zusammenhang auch nachdrücklich darauf aufmerksam zu machen, dass sich aus der verfassungsrechtlichen Stellung der obersten Organe gegenüber Parlament und Justiz zwar deren Verantwortung ergibt, keineswegs aber die Verpflichtung, in jedem Einzelfall auch tatsächlich Weisungen zu erteilen. D.h. bereits derzeit könnte eine praktische Unabhängigkeit der Verwaltungsorgane erzielt werden, ohne auch nur mit den gesetzlichen Grundlagen in Konflikt zu kommen. Und dass das oberste Organ verantwortlich bleiben soll, daran wird ja wohl kein Zweifel bestehen. Meiner Ansicht nach wäre es anzustreben, dass es nur mehr in einem ganz eingeschränkten Bereich weisungsfreie Kollegialorgane gibt, die die Verwaltung führen. Im Übrigen sollten unabhängige Landesverwaltungsgerichte die Verwaltung kontrollieren.

Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Weisungsgebundenheit letztlich auch für den Beamten - genauso gut wie für den Vertragsbediensteten - einen Schutz bildet. Anders als ein Richter ist ein Verwaltungsorgan - wenn es keine selbstständige demokratische Legitimation, etwa durch Wahl - hat, vielfältigen gesellschaftlichen und politischen Einflüssen ausgesetzt. Um es allen recht zu tun, kann ein Beamter schon jetzt in Versuchung geraten, "vorauseilenden Gehorsam" zu üben. Bei der Abschaffung der Weisungsgebundenheit wäre der Beamte zwar scheinbar unabhängig, in Wahrheit fehlt es ihm aber an den notwendigen Garantien, die dienstrechtlichen Garantien sollen ja gleichfalls abgebaut werden. Auf diese Weise kommt der Beamte unter Umständen unter einen unerträglichen Druck. Es ist in diesem Zusammenhang etwa auch auf die Notwendigkeit der schriftlichen Erteilung von Weisungen (§ 44 Abs. 3 BDG 1979, § 15a Abs. 3 VBG) hinzuweisen.

Schließlich wird man die Frage stellen dürfen, wem das Ganze nützen sollte. Ich habe den Eindruck, dass damit Folgendes bewirkt werden könnte: Zum einen eine massive Hinunterverlagerung von Entscheidungsressourcen zu lokalen Stellen bei gleichzeitiger Öffnung der Entscheidungsprozesse gegenüber subkutanen, aber eben deshalb besonders wirksamen machtpolitischen Einflüssen jedweder, insbes.partei- und wirtschaftspolitischer, Art.

Zu III. Flexibilisierung

Zu 1. Ebenso wie etwa der Herr Präsident des VfGH bin ich der Auffassung, dass die Normierung verfassungsrechtlicher Determinanten für Ausgliederungen und Privatisierugen eine zentrale Aufgabe des Verfassungskonvents ist.

Zu 2. Schon derzeit können etwa zwischen Bundesministerien gemeinsame Einrichtungen betrieben werden, z.B. Präsidien. Mir ist nicht klar, in welche Richtung das ausgeweitet werden soll. Bedenklich erschienen mir auch in diesem Zusammenhang Entwicklungen, die zu einer Verwischung von Verantwortlichkeiten führen.

Zu 3. Zwar teile ich prinzipiell die Auffassung, dass man Mitwirkungsrechte beschränken sollte. Man sollte aber auch nicht übersehen, dass diese - namentlich zwischen den Gebietskörperschaften - eben Rechtsinstrumente der Koordination sind. Wenn man diese Mitwirkungen aus dem Rechtsbestand ausscheidet, findet der entsprechende Vorgang eben im politischen Bereich statt. Der Unterschied besteht dann darin, dass man mangels verfahrensrechtlicher Vorschriften zu keinen klaren und abschließenden Ergebnissen gelangt.


 

Zu IV. "Überdeterminierung"

Ich bin absolut dagegen, dass Art. 18 Abs. 1 B-VG verändert wird. Alle Gründe, die für den Abbau des Legalitätsprinzips ins Treffen geführt werden, vermögen mich nicht zu überzeugen. Bereits jetzt - legt man das neuere Verständnis des VfGH aber auch des VwGH zu Grunde - braucht der Gesetzgeber nicht so zu determinieren, wie man das früher vielleicht geglaubt hat. In einem gewissen Sinn ist die Determination durch die Vorgabe von Zielen im gegenwärtig hauptsächlich vertretenen "differenzierten Legalitätsprinzip" bereits enthalten. (Vgl. zum Ganzen nur VfSlg. 13785 und Rill, Art. 18 B-VG, in: Rill/Schäffer (Hrsg.) BVR-Komm Rz 56ff.) Meines Erachtens bedeutet die vorgeschlagene Änderung ein unheilvolles Signal an die Verwaltung, Willkür - mag sie auch gut gemeint sein - , zu üben. Man muss sich von der Vorstellung lösen, dass eine flexiblere Verwaltung grundsätzlich bürgerfreundlicher ist. Vielmehr stehen im Prozess der Rechtskonkretisierung einander entweder öffentliche Interessen - d.h. also die Interessen vieler Menschen - und besonders qualifizierte subjektive Interessen einzelner Menschen gegenüber, oder sogar  in Mehrparteienverfahren verschiedene gegenläufige subjektive Interesse. Es geht nicht darum, dass der Bürger, "der im Zentrum" steht, immer gegen den Staat Recht bekommt, weil es den Staat als solchen nicht gibt. Vielmehr sind die im Gesetz zum Ausdruck kommenden "öffentlichen Interessen" eben die Interessen vieler anonymer Menschen. Das spielt insbesondere für den Bereich etwa des Umweltschutzes eine wichtige Rolle.

Unklar bleibt auch, was mit der Privatwirtschaftsverwaltung (Art. 17 B-VG) geplant ist.

Dazu möge man auch noch Folgendes bedenken:

Die Erfahrungen der meisten Staaten zeigen, dass die Verwaltung nicht in der Lage ist, sich selbst zu steuern. In vielen Ländern fungiert die Judikatur, insbesondere der Verwaltungsgerichte, als Verwaltungssteuerung, etwa in Deutschland. Obwohl dort das Legalitätsprinzip im förmlichen Sinn nicht so gilt wie in Österreich ist die Kontrolldichte des Bundesverwaltungsgerichts dennoch keineswegs geringer. Wenn es richtig ist, dass der rechtssoziologische Trend in die Richtung einer stetigen Bedeutungssteigerung der Gerichte geht, dann ist die Eröffnung von Ermessensräumen für die Verwaltung illusionär. Das was in Wirklichkeit erreicht wird, ist ein Wechsel der Willensbildungsressourcen weg von der Gesetzgebung hin zur Justiz. Das ist ein insbesondere unter demokratiepolitischen Aspekte eher bedenklicher Vorgang.

 

Zu V. Amtsverschwiegenheit und Auskunftspflicht

Hier könnte man meines Erachtens mutiger in die Richtung einer größeren Öffnung der Verwaltung gehen. Die derzeitigen Ausführungen sind ziemlich dunkel.

 

VI. Zum New Public Management

Meines Erachtens haben die hier genannten mehr oder weniger sinnvollen Grundsätze und Ziele der Verwaltung mit der Bundesverfassung, ja weitgehend auch mit der Frage der gesetzlichen Grundlagen für das Verwaltungshandeln, wenig zu tun. Wir sollten sie daher im Konvent auch nicht weiter diskutieren. Ich habe Lektüre des Protokolls der ersten Ausschusssitzung auch nicht den Eindruck, die damals zu Wort gekommenen Praktiker würden die Meinung vertreten, die eben genannten verfassungsrechtlichen Bestimmungen stünden einer modernen Verwaltung entgegen. Es ist meines Erachtens unmöglich, Fragen der Legalität, der Weisungsgebundenheit oder der mittelbaren Bundesverwaltung allein aus dem Gesichtspunkt der Verwaltungseffizienz heraus zu beurteilen.

Abschließend möchte ich bemerken, dass sich der Ausschuss 6 sich Fragen der konkreten Verwaltungsorganisation zuwenden sollte, also dem Behördenaufbau etc., soweit dieser verfassungsrechtlich formiert ist. Dafür wäre allerdings entsprechendes empirisches Material zu erarbeiten.

 

6.3.2   Schreiben an den Ausschussvorsitzenden

Eingebracht im Ausschuss 6, 4. Sitzung, 4.12.2003

 

 

Herrn

Generalsekretär

Mag. Werner WUTSCHER

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft

Stubenring 1

1010  Wien                                                                                     Wien, am 9. Dezember 2003

 

 

Sehr geehrter Herr Generalsekretär!

 

Zu Ihrem Schreiben an den Vorsitzenden des Ausschusses 3, Univ.Prof. Dr. Holzinger, erlaube ich mir die folgenden Bemerkungen. Zwar wird im Brief soweit korrekt wiedergegeben, dass unterschiedliche Positionen zur Frage des Legalitätsprinzips eingenommen wurden. Die Diskussion dieser Standpunkte findet aber keinen Niederschlag, was ich als Mangel empfinde. Mir ist Folgendes in Erinnerung:

- Gegen den Vorsitz wurde eingewendet, dass bei Zugrundelegung der heutigen Judikatur des VfGH, aber auch des VwGH, und bei Berücksichtigung der herrschenden Lehre Art. 18 B-VG nicht so verstanden werden muss, dass es zu einer Überdeterminierung des Verwaltungshandelns kommt. Dem wurde meines Erachtens nichts Konkretes entgegengehalten. Insbesondere müsste man aus verwaltungsreformatorischer Sicht - in seriöser wissenschaftlicher Ausarbeitung - dann genau jene Felder des Verwaltungshandelns bezeichnen, in denen - von einem bestimmten Standpunkt her gesehen - Änderungen notwendig sind, diese aber im herrschenden Verfassungsrecht nicht gedeckt sind.

- In der Diskussion habe ich darauf hingewiesen, dass ich mir - bei Wahrung des rechtsstaatlichen Aspekts des Art. 18 B-VG - eine Änderung im Bereich der Verordnungsgebung nach Abs. 2 vorstellen könnte (analog dem Text von 1920). Allenfalls könnte sogar ein neuer Typus einer "selbstständigen Verordnung" in Betracht gezogen werden. Dieser Vorschlag wurde auch von anderen Sitzungsteilnehmern (Wielinger, auch Raschauer) mit Interesse aufgenommen.

- Ich habe ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht und zu erklären versucht, dass eine Abschwächung des Legalitätsprinzips mit einer Verdichtung des gerichtlichen Kontrollmaßstabes einhergehen könnte. Auch dieser Gedankengang sollte meines Erachtens nicht verloren gehen.

- Über das Gemeinschaftsrecht schließlich wurde kaum diskutiert, insbesondere auch nicht darüber, ob ein verminderter Standard der Legalität in diesem Rechtsbereich Änderungen des Art. 18 Abs. 1 B-VG nach sich ziehen sollte.

Ich möchte nicht lästig fallen, aber beim Legalitätsprinzip handelt es sich um ein zentrales Element der österreichischen Bundesverfassung. Für die weitere Arbeit des Ausschusses 3 kommt es meines Erachtens auch auf jede Nuancierung der Botschaft aus dem Ausschuss 6 an. Insoweit werde ich mir, sehr geehrter Herr Generalsekretär, erlauben, mit dem Vorsitzenden des Ausschusses 3 auch ein bilaterales Gespräch zu führen, um ihm meine Einschätzung nahe zu bringen.

 

Mit den besten Grüßen

Clemens Jabloner e.h.

 

 

6.3.3   Stellungnahme zur Weisung samt Textvorschlag

Eingebracht im Ausschuss 6, 6. Sitzung, 7.1.2004

 

 

Kann eine Ermächtigung des (einfachen) Gesetzgebers, Verwaltungsorgane weisungsfrei zu stellen, formuliert werden?

 

 

I. Problemstellung

Art. 20 Abs. 1 B-VG sieht die Weisungsgebundenheit und Verantwortlichkeit nachgeordneter Verwaltungsorgane vor, enthält jedoch zugleich einen formellen Verfassungsvorbehalt. Demgemäß finden sich bundes- und landesverfassungsrechtliche Weisungsfreistellungen in etlichen Rechtsquellen, was zur Zersplitterung des formellen Verfassungsrechts beiträgt. Ich halte dies zwar - in Relation zur Bedeutung des Weisungsprinzips - nicht für ein Problem erster Ordnung, räume aber ein, dass es in verfassungslegistischer Hinsicht vorteilhaft wäre, im Wege einer Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers das Verfassungsrecht zu entlasten. Allerdings sind Weisungsgebundenheit und Verantwortung wesentliche Strukturelemente des Verfassungsgefüges. Ihre staatsrechtliche Funktion liegt darin, die demokratische Legitimation und die demokratische Kontrolle der Verwaltung zu garantieren ("Keine Kontrolle ohne Ingerenz" ist geradezu das Credo des VfGH bei ausgegliederten Rechtsträgern). Eine Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers darf also nicht dazu führen, dass der einfache Gesetzgeber - um ein Extrembeispiel zu nennen - etwa die Finanzämter weisungsfrei stellt. Würde das Weisungsprinzip breitflächig aufgehoben werden, rsp. in die Disposition des einfachen Gesetzgebers gestellt sein, so hätte dies die Diskussion um die dann verbleibende demokratische Legitimation der Verwaltung zur Konsequenz. Damit wären aber auch derzeit ganz unstrittige Elemente der österreichischen Verwaltungsorganisation, wie die bürokratisch-monokratischen Bezirkshauptmannschaften, in Frage gestellt. Es geht also darum, die Ermächtigung des Gesetzgebers auf einige Typen der Verwaltung einzuschränken.

 

II. Zur Vorgangsweise

Prof. Raschauer hat dem Ausschuss eine - in dieses Papier ab S. 4 Mitte integrierte -  Liste weisungsfreier Organe zur Verfügung gestellt, auf der die folgenden Erwägungen aufbauen. Zur besseren Übersicht habe ich die dort im ersten Absatz aufgezählten Einrichtungen mit Großbuchstaben und die dann folgenden einzelnen Behörden und Organe mit arabischen Zahlen bezeichnet.

In einem ersten Schritt können auf Grund der Kategorien A bis D eine Reihe von Einrichtungen der folgenden Liste deshalb ausgeschieden werden, weil sie in anderen Ausschüssen behandelt werden, d.h. inhaltlich betrachtet, weil sie entweder in die Staatsfunktion der Gerichtsbarkeit wechseln sollen oder ohnedies einem verfassungsrechtlichen Sonderregime unterworfen werden müssen.

Meines Erachtens ist nun diese Liste noch durch vier weitere Kategorien - E bis H - zu ergänzen, und zwar:

E. Besondere Behörden, über die derzeit noch keine Aussage getroffen werden kann. Dazu zählen vor allem die Schulräte. Sollen sie weiter bestehen, so können sie wohl nur von verfassungsrechtlich weisungsfrei gestellt sein, diesfalls würden sie in die Kategorie F wechseln.

F. Es gibt Organe, deren Unabhängigkeit wegen ihrer spezifischen rechtspolitischen Bedeutung verfassungsrechtlich garantiert werden muss, sollen ihre Einrichtung nicht schlechthin den Sinn verlieren. (Das ist ein Punkt, der bisher noch nicht diskutiert wurde: So wie es einerseits eine verfassungsrechtliche Garantie weisungsgebundener Verwaltung geben muss, so andererseits gewisse Garantien weisungsfreier Verwaltung). Man kann doch wohl nicht davon geleitet sein, dass der (einfache) Gesetzgeber zuständig sein sollte, die Unabhängigkeit der Nationalbank oder auch des ORF  rückgängig zu machen. Unter diese Kategorie fallen einige der in der Liste aufgezählten Einrichtungen, namentlich auch im Bereich der Finanz- und Wirtschaftspolitik.

G. Einige der in der Liste angeführten Einrichtungen sind keine Verwaltungsbehörden, wie etwa das Kuratorium des österreichischen Nationalfonds. Dieser ist ein parlamentarisch-verwaltungsmäßiges Hybridorgan, dessen Regelung ohnedies auf Verfassungsstufe erfolgen muss.

H. Unter Hinweis auf die Judikatur des VfGH geht das vorgelegte Papier von der Prämisse aus, dass ausgegliederte Rechtsträger ohne hoheitliche Befugnisse nur dann weisungsgebunden sind, wenn dies ausdrücklich gesetzlich angeordnet wird. Dazu ist zu zunächst zu sagen, dass der VfGH diese Aussage für ausgegliederte Rechtsträger mit hoheitlichen Befugnissen trifft, die dem - allerdings nicht unmittelbar anwendbaren - Art. 20 Abs. 1 B-VG unterliegen. Der Gesetzgeber hat, soll die Konstruktion nicht verfassungswidrig sein, daher eine entsprechende Weisungsbindung vorzusehen. Von einer hier interessanten Wahlmöglichkeit des einfachen Gesetzgebers kann soweit nicht die Rede sein. Für ausgegliederte Rechtsträger, die  nicht hoheitlich tätig werden, ist aus dieser Judikatur unmittelbar nichts zu gewinnen. In diesem Bereich bewegt man sich bereits jenseits der Grenze des staatlichen Bereichs, es liegt nicht mehr Verwaltung vor. Die Grenzziehung ist freilich insoweit nicht ganz scharf, als der Gesetzgeber bei einer gewissen Staatsnähe der Aufgabenbesorgung allenfalls entsprechende Elemente normieren kann, wie z.B. die Amtshaftung. Wenn in solchen Bereichen Weisungsbindungen angeordnet werden, so sind sie Ausdruck einer allenfalls privatrechtlichen Beherrschung einer Einrichtung durch den Staat. Insoweit liegen aber dann keine Weisungen im Sinn des Art. 20 Abs. 1 B-VG vor, sondern "Weisungen" gesellschafts- oder arbeitsrechtlicher Art (vgl. Kucsko- Stadlmayer, Grenzen der Ausgliederung, 15. ÖJT 2003, I/1, 34, Fn. 119 und 43, m.w.H.) Auch dieser Bereich fällt daher nicht in den Kontext der Aufgabenstellung.

 

III. Formulierung der verfassungsrechtlichen Ermächtigung

Meines Erachtens könnte ein neuer Art. 20 Abs. 1 und 2 B-VG (im derzeitigen verfassungslegistischen System) etwa wie folgt lauten:

" (1) ... Sie sind an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe gebunden und diesen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich....

(2)  Abweichend von Abs.1 können die folgenden Organe gesetzlich weisungsfrei gestellt werden:

1. Sachverständige Organe, soweit ihnen nicht über unmittelbare behördliche Befehls- und Zwangsgewalt hinausgehende hoheitliche Befugnisse zukommen,

2. Organe in Angelegenheiten des Dienst-, Wehr-, Gleichbehandlungs- und Akkreditierungsrechts,

3.  Zur Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung besonders eingerichtete Organe wie Amtsparteien oder Rechtschutzbeauftragte,[140]

4. Kommissionen in Vollziehung von Verfassungsgesetzen gemäß Art. 3
Abs. 2 B-VG. "

 

Diese vier Tatbestände werden mit den römischen Zahlen I. bis IV. bezeichnet.

In der überarbeiteten Raschauer-Liste werden dann die entsprechenden Qualifikationen vorgenommen, also entweder A. bis H. oder I. bis IV. Wo Positionen erläuterungsbedürftig oder zweifelhaft bleiben, sind Fußnoten angefügt.

 

"Raschauer - Papier"

 Weisungsfreie Behörden, die in den Ausschüssen 7 und 9 zu behandeln sind

 

A. Regulierungsbehörden - mit zahlreichen fugitiven Verfassungsbestimmungen

 

B. Kollegiale "133 Z 4 - Behörden" mit richterl. Einschlag gem. Art. 20. Abs. 2 B-VG

     inkl. Agrarsenate, Oberster Patent- und Markensenat, Datenschutzkommission,

     Umweltsenat, Übernahmekommission, Börseberufungssenat, Bundeskommunika-

     tionssenat, Disziplinarsenate nach Kammerrecht, Schiedskommissionen nach

     ASVG, Krankenanstaltenrecht und Sozialhilferecht, regulierungsbehördliche Kom-

     missionen, Unabhängige Heilmittelkommission Landesvergabeämter u.v.a.m.

 

C. Unabh. Verwaltungssenate (UVS), Unabh. Bundesasylsenat (UBAS), Bundesver-

gabeamt

 

D. Selbstverwaltung inkl. Kammern, Sozialversicherungsträger, Jägerschaften,

     Wassergenossenschaften und -verbände, Agrargemeinschaften, Hochschüler-

     schaft sowie Universitäten

 

- ergänze Kategorien E bis H wie oben erläutert -

 

 

Gesamtübersicht der weisungsfreien Behörden und Organe

 

Es wird von der Prämisse ausgegangen, dass ausgegliederte Rechtsträger außer-

halb der Hoheitsverwaltung nur dann weisungsgebunden sind, wenn dies ausdrück-

lich gesetzlich angeordnet ist (VfSlg. 15.946/2000; VfGH v. 10.10.2003, G 222/02).

 


 

1.    Oesterreichische Nationalbank                                                                                             F

  (1. allgemein, z. Verfassungsbestimmung § 79 Abs. 5 BWG)

 

2.    Finanzmarktaufsicht                                                                                                              F

       (Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 FMABG)

 

3.    Vorstandsvorsitzende der Post-Nachfolge-Unternehmen

  (Verfassungsbestimmung § 17a PoststrukturG)[141]

 

4.    Schulräte (Art. 81a Abs. 4 B-VG)                                                                         E (oder F)

 

5.    Mitglieder der Kollegialorgane der Universitäten und Kunstuniversitäten                            D[142]

  (Verf.bestimmungen § 13 Abs. 2 UOG und 14 Abs. 2 KUOG i.V.m. § 20 UniG)

 

6.    Prüfungskommission (Verfassungsbestimmung § 29 Abs. 6 BDG)                                        II

 

7.    Berufungskommission (Verfassungsbestimmung § 41a Abs. 6 BDG)                                     II

 

8.    Berufungskommission (Verfassungsbestimmung § 73a HeeresdiszG)                                     II

 

9.    Leistungsfeststellungskommission (Verfassungsbestimmung § 88 Abs. 4 BDG)                      II

 

10.  Disziplinarkommission (Verfassungsbestimmung § 102 Abs. 2 BDG)                                    II

 

11.  Disziplinarkommission (Verfassungsbestimmung § 15 Abs. 5 HeeresdiszG)                           II

 

12.  Disziplinarkommissionen                                                                                                      II

       (Verfassungsbestimmungen § 91 Abs. 2 Landeslehrer-DienstrechtsG

       und § 99 Abs. 2 land- und forstwirtschaftliches Landeslehrer-DienstrechtsG

 

13.  Gutachterkommission (Verfassungsbestimmung § 207j Abs. 7 BDG)                                    II

 

14.  Begutachtungskommission (Verfassungsbestimmung § 7 Abs. 6 AusschreibungsG)               II

 

15.  Weiterbestellungskommission (Verfassungsbestimmung § 18 Abs. 3 AusschreibG)               II

 

16.  Aufnahmekommission (Verfassungsbestimmung § 34 Abs. 1 AusschreibungsG)                    II

 

17.  Auswahlkommission

       (Verfassungsbestimmung § 14 Abs. 10 Statut auswärtiger Dienst)                                         II

 

18.  Viele ähnliche dienstrechtliche Kommissionen der Länder                                                     II

 

19.  Gleichbehandlungskommission                                                                                             II

       (Verfassungsbestimmung § 24 Abs. 5 BundesGleichbehG)

 

20.  Gleichbehandlungskommission                                                                                             II

       (Verfassungsbestimmung § 10 Abs. 1a GleichbehG)

 

21.  Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen                                                                             II

       (Verfassungsbestimmung § 40 Abs. 7 UOG und § 39 Abs. 7 KUOG)

 

22.  Viele ähnliche Kommissionen der Länder                                                                             II

 

23.  Beschwerdekommission (Verfassungsbestimmung § 4 WehrG)                                             II

 

24.  Menschenrechtsbeirat (Verfassungsbestimmung § 15a SPG                                            III[143]

 

25.  UVS (Art. 129b Abs. 2 B-VG)                                                                                           C

 

26.  Bundesvergabeamt (Verfassungsbestimmung § 139 Abs. 1 BVergG)                                    C

 

27.  Bundes-Vergabekontrollkommission                                                                                    C

 

28.  Unabhängiger Bundesasylsenat (Art 129c Abs. 3 B-VG, § 38 AsyIG)                                  C

 

29.  Unabhängiger Finanzsenat                                                                                                    C

       (Verfassungsbestimmungen § 1 UFSG, § 271 Abs. 1 BAO, § 66 Abs. 1 FinStrG;

       § 85d ZoIIR-DG)

 

30.  Berufungssenat (§ 48 Wr. Stadtverfassung ?) C

 

31.  Disziplinarkommissionen (Verfassungsbestimmung des § 19 Abs. 7 ApothG)[144]

 

32.  Schiedsstelle nach Art. III UrhGNov 1980 (Verfassungsbestimmung des § 4)                       B

 

33.  Umweltanwaltschaften (z.T. Verfassungsbestimmungen der Länder                                     III

 

34.  Kinder- und Jugendanwaltschaften (?)                                                                            III[145]

 

35.  Patienten- und Pflegeanwaltschaften (?)                                                                              III

 

36.  Rechtsschutzbeauftragte                                                                                                 III[146]

       (§ 149n StPO, § 62a SPG, § 57 MBG - nur einfachgesetzlich)

 

37.  Sicherheitsvertrauenspersonen                                                                                               I

       (Verfassungsbestimmung § 11 Abs. 2 BundesBedSchutzG)

 

38.  Sicherheitsfachkräfte (bei Anwendung ihrer Fachkunde)                                                         I

       (Verfassungsbestimmung § 73 Abs. 3 BundesBedSchutzG)

 

39.  Gleichbehandlungsbeauftragte und Kontaktfrauen                                                                 II

       (Verfassungsbestimmung § 37 Abs. 1 BundesGleichbehG)

 

40.  Einsatzstraforgane (Verfassungsbestimmung § 81 Abs. 3 HeeresdiszG)                                 II

 

41.  Fachhochschulrat (Verfassungsbestimmung § 7 Abs. 4 FHStG)                                        II[147]

 

42.  Akkreditierungsrat (Verfassungsbestimmung § 4 Abs. 2 UniAkkrG)                                     II

 

43.  Flugunfalluntersuchungsstelle (Verfassungsbestimmung § 4 Abs. 4 FIUUG)                            I

 

44.  Bundesmuseen im Rahmen ihrer Privatrechtsfähigkeit                                                            H

       (§ 31a Abs. 7 FOG, einfachgesetzlich)

 

45.  Leiter der Statistik Österreich (in fachlichen Fragen)                                                               I

       (§ 38 Abs. 1 B-StatG, einfachgesetzlich)

 

46.  Generaldirektor für Wettbewerb (Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 3 WettbewG)                F

 

47.  Ethikkommissionen (z.T. einfachgesetzlich, sonst vorausgesetzt)                                            H

 

48.  ORF (Art. I Abs. 2 Rundfunk-BVG i.V.m. ORF-G ?)                                                          F

 

 

Weisungsfreiheit vorausgesetzt

 

49.  Organe des Entschädigungsfonds                                                                                        G

 

50.  Organe des NS-Opferfonds[148]                                                                                               

 

51.  Organe des Nationalfonds                                                                                                   G

 

52.  Kuratorium des Versöhnungsfonds                                                                                      G

 

53.  Schiedsgericht nach § 5 BVG Landesgrenze Wien                                                              IV

 

54.  Grenzkommission (§ 8 BVG Staatsgr. Ö-BRD iVm Art. 19 Grenzvertrag 1972)                 IV

 

55.  Grenzkommission (§ 9 BVG Staatsgr. Ö-CH iVm Art. 16 Grenzvertrag 1970)                    IV

 

56.  Grenzkommission (verfassungsändernder Vertrag mit Liechtenstein aus 1960)                      IV

 

 

Grenzfälle

 

57.  Bundesrechenzentrum GmbH (lt. Kucsko-Stadlmayer Weisung nicht angeordnet) H[149]

 

58.  Arsenal GmbH (lt. Kucsko-Stadlmayer Weisung nicht angeordnet)                                      H

 

59.  Agrarmarkt Austria (lt. Raschauer Weisung nicht klar geregelt)                                       H[150]

 

60.  Arbeitsmarktservice (lt. Raschauer Weisung nicht klar geregelt)                                           H

 

61.  Wr. Bauoberbehörde (Art. 111 B-VG i.V.m. § 138 Wr. BauO)                                          B

 

62.  Wr. Abgabenberufungskommission (Art. 111 i.V.m. § 203 Wr. AbgO)                                B

 

63.  Österreichische Bundesfinanzierungsagentur  F

 

64.  Österreichische Kontrollbank (Meldestelle nach BörseG, Ausfuhrförderung)                          F

 

65.  Kommunalkredit Austria (Abwicklungsstelle nach UmweltförderungsG)                                 F

 

66.  Verrechnungsstellen (APCS u.a.) nach VerrechnungsstellenG (insb. im Fall der

       Aufhebung durch VfGH)                                                                                                      F

 

67.  Gremium zur Überprüfung des Umtauschverhältnisses (§ 225g AktG)                                    F

 

68.  Personalvertretungen[151]

 

69.  Prüfer/Prüforgane                                                                                                                  I

 

70.  Amtssachverständige                                                                                                             I

 

71.  Beiräte, Kommissionen                                                                                                         I

 


 

Allenfalls rechtspolitisch interessant[152]

 

72.  Kommunikationskommission Austria (KommAustria)[153][14]

 

73.  Hauptverband der österr. Sozialversicherungsträger (falls künftig nicht als

       Selbstverwaltung eingerichtet)

 

74.  Staatsanwaltschaften

 

75.  Bundeskartellanwalt

 

76.  Beitragsregime der gesetzlich anerkannten Kirchen

 

Ausgeklammert

 

sind zwischenstaatliche Einrichtungen wie z.B. der Verwaltungsrat nach dem Int.

Energieprogramm oder die Ministerkonferenz nach WTO-Abkommen u.v.a.m.

 

IV. Abschließende Bemerkung

 

       Meines Erachtens konnte somit die Aufgabe gelöst werden. Die "Vielfalt" ist nicht gar so groß, dass eine Typisierung unmöglich wäre, die Formulierung allerdings etwas schwieriger als ich zunächst gedacht habe. Jedenfalls würde es zu einer beträchtlichen Einsparung von formellen Verfassungsbestimmungen kommen. Deutlich wird aber auch der hohe Koordinationsbedarf mit anderen Ausschüssen. Zum Teil ist die Weisungssache eine Querschnittsmaterie.

       Abschließend sei noch einmal betont, dass -  worauf besonders LAD Wielinger hingewiesen hat - , die "Weisung" zwar in ihrem Kern zum ind.konkreten Befehl ermächtigt, aber alle anderen Formen der "Steuerung" ermöglicht. Allerdings - und darin liegt der Vorzug gegenüber Modellen, die die Weisung ausschließen wollen -  bei Wahrung von Transparenz und Verantwortung der politischen Ebene  und bei Gewährleistung eines Schutzes für den Bediensteten (vgl. nur die aus gutem Grund verfassungsrechtlich gewährleisteten Grenzen des Weisungsrechts in Art. 20 Abs. 1 B-VG).

 

 


 

6.3.4   Schreiben an den Ausschussvorsitzenden

Eingebracht im Ausschuss 6, 6. Sitzung, 7.1.2004

 

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

Gerade habe ich das Schreiben von Prof. Raschauer erhalten und ich möchte gerne sofort dazu Stellung nehmen. Auch ich bin mit dem bisherigen Stand der Beratungen im Ausschuss nicht glücklich. Meine Gründe sind allerdings denen von Prof. Raschauer ziemlich diametral entgegengesetzt: Ich habe - besonders zu Anfang der Arbeit - den Eindruck bekommen, man versuche gleichsam "mit der Brechstange" das geltende verfassungsrechtliche System betreffend Gesetzgebung und Verwaltung auszuhebeln. Dafür sollen einige  nach meinem Dafürhalten Gemeinplätze neuerer politischer Modelle dienen. Ich bin aber auf Grund auf meiner methodischen Vorbildung nicht bereit, eine Auseinandersetzung zu führen, ohne Positionen ideologiekritisch zu hinterfragen. So wie ich mich vor Jahrzehnten der marxistischen Betrachtungsweise der Verwaltung entgegengestellt habe, so werde ich das heute im Bezug auf neoliberale Denkweisen halten. (Wie Konrad Paul Liessmann unlängst zutreffend festgestellt hat, gleichen beide Richtungen einander vor allem darin, dass jedem, der sich widersetzt, die mangelnde "Einsicht in die Notwendigkeit" in irgendwelche Gesetzmäßigkeiten vorgeworfen wird.)

Wenn wir uns im Ausschuss 6 weiterhin mit den entscheidenden Grundfragen von Staat und Verwaltung befassen wollen - was eigentlich gar nicht nötig wäre -, dann müssen die ideologische Positionen auch auf den Tisch gelegt und diskutiert werden.  Obzwar nun aber bei so weit reichenden Änderungen die Beweislast eindeutig auf der angreifenden Seite liegt, wurde noch kaum ein konkretes Papier vorgelegt.

Ich bin dennoch durchaus zuversichtlich, was die weitere Arbeit im Ausschuss betrifft. So denke ich, dass sich bei der Diskussion konkreter Punkte wichtige Fortschritte machen werden. Das vorgelegte Papier zur Schulreform ist - wie immer man es im Einzelnen beurteilt - genau das, was ich mir vom Ausschuss 6 erwarte. Ähnliche Papiere sollten zu anderen Verwaltungsbereichen, soweit deren Organisation in die Verfassungssphäre reicht, vorgelegt werden.

Zu den Punkten des Papiers im Einzelnen:

Zum Abbau des Weisungsrechts verweise ich auf meine bisher eingenommenen Positionen und auf das von mir dem Ausschuss gleichzeitig vorgelegte Papier. Dieses zeigt halt, dass die Sachen kompliziert sind und man sie seriös behandeln muss.

Zur Rechtsstaatlichkeit denke ich, dass der Weg einer "Rechtswegegarantie" in eine falsche Richtung führt. Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Ablehnung des Legalitätsprinzips im Verfassungskonvent aus zwei ganz unterschiedlichen Richtungen resultiert. Manche wollen die Spielräume der Verwaltung vergrößern,  andere ein viel rigoroseres System der gerichtlichen Überprüfung erreichen. Rechtssoziologisch glaube ich, dass mit der "Rechtswegegarantie" die verbleibenden Ermessensräume der Verwaltung eher noch eingeschränkt werden. Ich halte jedenfalls nichts davon, dem Ausschuss 9 einen "Auftrag" in diese Richtung zu geben und im Ausschuss 6 zugleich munter das Legalitätsprinzip abzumontieren.

Den "Aufgabenabbau" halte ich für eine gute Sache, aber - wie dies auch Raschauer erkennt - handelt es sich primär um Fragen der praktischen Rechtspolitik. Ich glaube nicht, dass die Verfassung darüber entsprechende Aussagen enthalten sollte. Wenn ja, müsste man diese durch "entgegenlaufende" Staatszielbestimmungen wieder ausbalancieren. Vor allem glaube ich auch nicht, dass derlei vom VfGH judiziert werden kann. Will man ihm das auch noch aufbürden, würde sich dann allerdings die Frage der Zusammensetzung des VfGH - als eines dann ganz eindeutig politischen Organs - mit aller Schärfe stellen.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, ich bitte auch dieses Schreiben den Mitgliedern des Ausschusses vorzulegen.

Mit besten Grüßen

Ihr Clemens Jabloner

 

 

6.3.5   Diensthoheit

Eingebracht im Ausschuss 6, 10. Sitzung, 18.3.2004

 

 

Herrn

Generalsekretär

Mag. Werner WUTSCHER

Bundesministerium für

Land- und Forstwirtschaft,

Umwelt und Wasserwirtschaft

Stubenring 1 u. 12

1012 Wien                                                                                             Wien, am 3. März 2004

 

 

E-Mail: manuela.sigl@lebensministerium.at

 

 

Sehr geehrter Herr Generalsekretär!

 In der letzten Sitzung des Ausschusses 6 wurde angeregt, die Bestimmung über die "Diensthoheit" in Art. 21 Abs. 3 B-VG aufzuheben: Die Regelung auf verfassungsrechtlicher Ebene sei nicht zwingend erforderlich. Die mit der Diensthoheit verbundene Behördenstellung (im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse) bedürfe keiner verfassungsrechtlichen Absicherung und könnte - wie bereits derzeit durch das DVG - bloß einfachgesetzlich statuiert werden (wie auch die sonstige Behördenorganisation). Die Organisation der Personalverwaltung ließe sich dadurch flexibler gestalten und würde insbesondere im Zusammenhang mit Ausgliederungsmaßnahmen bessere Personalstrukturen ermöglichen, da die zwingende dienstrechtliche Anbindung ausschließlich an ein oberstes Verwaltungsorgan nicht mehr erforderlich wäre.

Nun trifft es zu, dass die Regelung der Diensthoheit im B-VG primär eine Kompetenzbestimmung im Verhältnis Bund/Länder ist. Es ist auch zuzugeben, dass die Bestimmung schwierig zu verstehen ist. (Zu den einzelnen Facetten vgl. Kucsko-Stadlmayer, Art. 21 B-VG, Rz 27-35, in Korinek/Holoubek, B-VG Komm.). Bevor wir eine Verfassungsbestimmung abschaffen, sollten wir aber genauer wissen, was wir damit bewirken (oder bewirken wollen). Auch ich halte es für sinnvoll, wenn man die Personalverwaltung der Bundesbediensteten bei ausgegliederten Rechtsträgern konzentriert (unter Voraussetzung, dass es ansonsten bei den bisherigen Ausgliederungsschranken bleibt). Allerdings müsste eine solche Stelle dann selbst wiederum in einen Ressortverband eingegliedert werden. Ob einer solchen Maßnahme die Regelung über die "Diensthoheit" des Art. 21 Abs. 3 B-VG tatsächlich entgegensteht, vermag ich im Augenblick nicht zu sagen.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht wäre meiner Ansicht nach im Einzelnen die folgenden Probleme zu prüfen:

Bedeutet die Aufhebung des Art. 20 Abs. 3 nicht, dass der Instanzenzug in Dienstrechtsangelegenheiten dann nicht mehr zwingend bis zum "obersten Organ", also in der Regel bis zum Bundesminister, zu gehen hat? So könnte ein Rechtsschutzdefizit entstehen oder der VwGH zusätzlich belastet werden. Zwar ist die Berufungskommission in Versetzungsangelegenheiten verfassungsrechtlich garantiert, doch könnte der Aufhebung des Art. 21 Abs. 3 B-VG nur unter der Bedingung der Einrichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Stufe näher getreten werden.

3. Art. 21 Abs. 3 B-VG hat noch einen weiteren Gehalt, der in der Literatur nur vereinzelt erörtert wird (z.B. bei Thienel, Öffentlicher Dienst und Kompetenzverteilung/1990/326). Mit der republikanischen Verfassung ist die "Regierungsgewalt" vom Kaiser auf die obersten Organe, also insbesondere die Bundesminister, übergegangen. Da das B-VG nun vom Grundsatz der monokratischen Verwaltung beherrscht wird, bedeutet die Regelung der Diensthoheit eine Art "Annexzuständigkeit": jenem obersten Organ, dem nach Art. 20 Abs. 1 B-VG die Leitungsbefugnis obliegt, kommt auch - unbeschadet gesetzlicher Delegationsmöglichkeit innerhalb seines Ressorts - die personelle Kompetenz zu (auch die Sonderbestimmungen weisen in diese Richtung). Dies würde bedeuten, dass zum einen nicht etwa die gesamte Personalführung bei einem Bundesminister konzentriert werden könnte. Weiters hätten wir es auch mit einer besonderen Ausgliederungsschranke zu tun. Es wäre dann etwa unzulässig, dass eine "Bundespersonalagentur" - analog zur BIG in Gebäudeangelegenheiten - mit der Verwaltung und Bereitstellung des Bundespersonals betraut würde. Bisher hat man es offenbar für selbstverständlich erachtet, dass ein Bundesminister eigenes Personal braucht, auf das er auch dienstrechtlich zugreifen kann. Teilt man meine Vermutung
- "Diensthoheit als besondere Ausgliederungsschranke" - nicht, so würden sich aus der allgemeinen Ausgliederungsjudikatur des VfGH Schranken dort ergeben, wo einer solchen Stelle nicht nur "vereinzelte" Kompetenzen der Diensthoheit übertragen werden. Das dürfte sich freilich allein schon aus Art. 20 Abs. 1 B-VG ableiten lassen.

Ich habe auf diese schwierigen Fragen keine abschließenden Antworten. Wenn es nur um die "Ausgegliederten" geht - vgl. oben - dann würde eine spezielle Verfassungsvorschrift vielleicht genügen. Man sieht aber, dass entgegen dem Eindruck, den das Arbeitspapier vermittelt, die Aufhebung des Art. 21 Abs. 3 B-VG eine Reihe von kniffligen Interpretationsfragen aufwirft. Ich würde daher einraten, vor einem Konsens über eine Aufhebung eine ausgearbeitete Fachmeinung über die Konsequenzen einzuholen, etwa durch den Verfassungsdienst.

Ich bitte, dieses Papier auch den anderen Mitgliedern des Ausschusses zur Kenntnis zu bringen.

 Mit den besten Grüßen

Ihr Clemens Jabloner

 

6.3.6   Stellungnahme zum Berichtsentwurf

Eingebracht im Ausschuss 6, 10. Sitzung, 16.3.2004

 

 

Herrn

Generalsekretär

Mag. Werner WUTSCHER

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft,

Umwelt und Wasserwirtschaft

Stubenring 1 u. 12

1012 Wien                                                                                           Wien, am 11. März 2004

 

 

E-Mail: manuela.sigl@lebensministerium.at

  

 

Sehr geehrter Herr Generalsekretär!

 

Zu dem am 4. März 2004 gemailten überarbeiteten Entwurf des Ausschussberichtes darf ich wie folgt Stellung nehmen:

Zu S. 8: Im ersten Absatz findet sich die nicht recht verständliche Formulierung "Insbesondere wurden ideologische Unterschiede der Funktion des Staates vermutet, die mit den Vorschlägen des Vorsitzenden nicht identisch waren". Transparenter wäre m.A. nach folgende Ausführung: "Im Zuge der Diskussion wurde deutlich, dass eine Diskussion über Verwaltungsreform nicht völlig von den differenten Vorstellungen über die Funktion des Staates abgelöst werden kann. Der Ausschuss konnte sich indessen auf die nachfolgend angeführten Kriterien verständigen."

Im nächsten Absatz fehlt mir - auch wenn ich die Perspektive der Modernisierer einnehme - eine methodische Klammer: Vielleicht könnte man den zweiten Absatz wie folgt einleiten: "In Österreich wird die staatliche Verwaltung traditionell primär als Rechtsfunktion gedeutet. Damit stehen andere Deutungen im Rahmen der Verwaltungslehre oder der Verwaltungspolitik nicht im Widerspruch, da es um die Anwendung verschiedener Methoden geht. Im Ausschuss wurde verschiedentlich vertreten, dass der juristische "Deutungsprimat" der Verwaltung durch eine verstärkte Einbringung verwaltungspolitischer Gesichtspunkte ausgeglichen werden sollte".

Zu den Ausführungen ab Mitte dieser Seite ist festzuhalten, dass sie mit dem verfassungslegistischen Projekt des Österreich-Konvents nur wenig zu tun haben. Allenfalls könnte man diese Erwägungen in einen Annex verschieben.

In inhaltlicher Hinsicht bin ich mit dem Inhalt des vorletzten Absatzes nicht einverstanden: Hier wird zum Ausdruck gebracht, dass "eine konsequente Rückführung der staatlichen Tätigkeiten auf die Kernaufgaben sichergestellt" werden soll. M.A. ist zu unterscheiden zwischen der verfassungsrechtlichen Fragestellung, welche "Kernaufgaben" nicht ausgegliedert werden dürfen und der allgemein politischen Festlegung, dass alles außer den "Kernaufgaben" ausgegliedert werden soll. Ich bin jedenfalls nicht der Auffassung, dass sich der Staat auf die Kernaufgaben zurückziehen soll. Der Satz steht auch in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Folgenden, in dem die "Erbringung der demokratisch legitimierten öffentlichen Leistungen" angesprochen wird. Das können wohl auch andere Aufgaben als die Kernfunktionen sein.

In stilistischer Hinsicht sollte man am normativen Stil der Rechtssprache festhalten und nicht in die betriebswirtschaftliche "Leitbildsprache" abgleiten. Gemeint ist doch, dass etwa eine klare Trennung der strategischen Führung von der operativen Führung die Ablösung ermöglichen  s o l l .

Zu S. 11: Das Beispiel der "gesamten Justiz" im ersten Absatz ist nicht passend. Bei der Justiz handelt es sich primär um Gerichtsbarkeit, also von vornherein nicht um mittelbare Bundes"verwaltung". In Art. 102 Abs. 2 B-VG ist auch von "Justizwesen" die Rede, was einen etwas anderen Gehalt hat. Das Beispiel könnte einfach gestrichen werden.

Wie schon zum Ausdruck gebracht, sollte im Folgenden ein Zusammenhang zur gescheiterten Bundesstaatsreform der 90er Jahre hergestellt werden. Damals hatte sich gezeigt, dass mit einer "Verländerung" der Vollziehung von Bundesgesetzen wegen Herstellung des demokratischen Legitimationszusammenhangs sehr aufwändige Ersatzkonstruktionen notwendig wären, die gerade aus verwaltungsökonomischer Sicht den Wert des Systemwechsels wieder in Frage stellen. Dieses Element übersieht auch Prof. Raschauer bei seinem Vorschlag der Textergänzung. Auch müsste man - wenn man ihm folgt -, deutlich machen, dass diese Parallelitäten bereits weitestgehend "abgeschöpft" sind, etwa durch Reformmaßnahmen im Landwirtschaftsministerium. Das Modell Raschauer mit seiner gänzlichen Auflassung einer Koordination auf der Ebene der Bundesverwaltung könnte nur dann realisiert werden, wenn man die Landesregierung in einen unmittelbaren Verantwortungszusammenhang zum Nationalrat brächte, was ich aus anderen Gründen nicht für zweckmäßig hielte.

Eine Begutachtung des schließlich überarbeiteten Teils über die mittelbare Bundesverwaltung darf ich mir noch vorbehalten.

Zu S. 13: Der Berichtsteil über das Thema "Weisung" ist noch immer etwas undeutlich. Im neuen Entwurf findet sich unter 2. (S. 14) jetzt ein Hinweis auf die bisherige Durchbrechungsmöglichkeit des Weisungsprinzips nach Art. 133 Z. 4 B-VG. Ich glaube aber, dass daraus nichts zu gewinnen ist. Hier ging es ja um die Verwaltungsrechtsprechung durch Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag und daher um kein verallgemeinerungsfähiges Modell der Verwaltungsführung, wie dies auch vom VfGH bestätigt wurde. Legt man den neuen Textvorschlag von Raschauer zu Grunde, dann müsste man - im Gegenzug - auch die Gegenposition unter 4. etwas vertiefen. Insbesondere müsste darauf hingewiesen werden, dass die allgemeine Geltung des Weisungsprinzips als Grundsatz von der österreichischen Verfassungsrechtslehre besonders hoch angesetzt wird. So sagt z.B. Raschauer, Art. 20 Abs. 1 B-VG, Rz 12, in: Korinek/Holoubek (Hrsg.) B-VG Kommentar: "In größter Allgemeinheit ist der Grundsatz der leitungs- und verantwortungsgebundenen Verwaltungsorganisation sogar Verfassungsänderungen entzogen, bestehen also in den Grundprinzipien der Verfassung Grenzen einer Abänderbarkeit ....." Diese Stelle hätte ich schon sehr gerne im Ausschussbericht zitiert. Man kann auch nicht geltend machen, dass der Gesetzgeber von einer generellen Ermächtigung quasi "verfassungskonform" Gebrauch machen sollte, weil man diesfalls die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze von der Ebene des Verfassungstextes unmittelbar in die Grundprinzipien verschöbe, was eine ausgesprochen schlechte Verfassungstechnik wäre. Ich bin auch zu diesem Kapitel davon geleitet, dass noch eine Gesprächsrunde stattfindet.

Zu S 16: Im Zusammenhang des "Ausgliederungskapitels" herrschen nach meinem Eindruck nach noch wesentliche Auffassungsunterschiede: Meiner Ansicht nach ist die Ausgliederungsjudikatur des VfGH nicht so unklar (vgl. etwa das Gutachten von Kucsko-Stadlmayer beim letzten ÖJT). Es wäre die Aufgabe des Ausschusses 6 oder jedenfalls des Verfassungskonvents allenfalls diese Judikatur in den Verfassungstext zu übernehmen. Verfassungspolitisch bin ich der Meinung, dass der Judikatur des VfGH keinesfalls "gegengesteuert" werden sollte. In der Determination "erforderlichenfalls" sehe ich keinen Ausdruck eines "Subsidiaritätsprinzips", es sei denn, man würde dessen Geltung unabhängig vom Verfassungsrecht annehmen. Den Textvorschlag lehne ich somit ab.

Zu S. 17: Zum letzten Absatz meine ich, dass es hier nicht um Art. 98 B-VG geht
- diese Bestimmung betrifft das Gesetzgebungsverfahren der Länder - sondern um Art. 97 Abs. 2 B-VG, d.h. die Vorsehung der Mitwirkung von Bundesorganen an der Landesvollziehung. Diesfalls gibt es aber ein massives Bundesinteresse, insbesondere die Mitwirkung von Exekutivorganen unter Kontrolle zu behalten.

Zu S. 20: Die Richtigkeit der Ausführungen im ersten Absatz erscheint mir zweifelhaft: Zutreffend ist, dass es keine Auflösung der Dienstverhältnisse öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse wegen Auflassung des Arbeitsplatzes gibt. Es ist aber zu fragen, in welchen Grenzen eine derartige Kündigungsmöglichkeit bei Vertragsbediensteten besteht. Oder will man massiv auch unter dieses Niveau?

Zu S. 21: Hier verweise ich zunächst auf mein bereits eingebrachtes Papier zu Art. 21 Abs. 3 B-VG. Es wäre wie ausgeführt verfassungsdogmatisch zu prüfen, inwieweit das Vorhaben, die Personalgestion der Bundesbediensteten bei ausgegliederten Rechtsträgern zu vereinheitlichen, unter der Geltung des Art. 21 Abs. 3 B-VG verwirklicht werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein, dann wäre Art. 21 Abs. 3 entsprechend zu ergänzen. Die derzeit vorgeschlagene Auflassung geht mir zu weit.

Zu S. 26: Im Textvorschlag sollte es - im Sinn einer normativen Stilistik - nicht lauten "handeln" sondern "sind verpflichtet ... zu handeln". Aufrecht bleiben meine Zweifel am Sinn der "Wirksamkeitsnorm": Wenn man - wie NPM - gerade der Steuerungskraft von Rechtsnormen misstraut, sondern auf die "Wirklichkeit" setzt, so ist es doch ein Widerspruch, dies dann "anzuordnen" oder?

Die oben angestellten Erwägungen gelten auch für die vorgelegten Normtexte.

Mit der Bitte um Information der Mitglieder verbleibe ich

mit den besten Grüßen

Ihr Clemens Jabloner

 

 

6.3.7   Stellungnahme zum Ausschussbericht samt Textvorschlag zur Ausgliederung

Eingebracht im Ausschuss 6, 11. Sitzung, 23.3.2004

 

 

 

6.3.8   Stellungnahme zu den Vorschlägen der WKÖ

Eingebracht im Ausschuss 6, 11. Sitzung, 23.3.2004

 

 

Herrn

Generalsekretär

Mag. Werner WUTSCHER

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft,

Umwelt und Wasserwirtschaft

Stubenring 1 u. 12

1012 Wien                                                                                           Wien, am 17. März 2004

 

 

E-Mail: manuela.sigl@lebensministerium.at

 

 

Sehr geehrter Herr Generalsekretär!

 

Im Folgenden darf ich zwei Nachträge zur gestrigen Sitzung und einen Kommentar zu den Vorschlägen der WKÖ deponieren:

I. Zur Weisungsfrage:

Wenn man die Ergänzung von Prof. Raschauer berücksichtigt - wogegen ich keinen grundsätzlichen Einwand habe - dann würde ich bitten "im Gegenzug" die Passage unter "4. Verfassungsrechtliche Festlegung weisungsfreier Bereiche als Lösungsansatz" wie folgt zu formulieren:

"Als Gegenvorschlag wurde in die Ausschussberatungen eingebracht, vom Verfassungsvorbehalt bei der Weisungsfreistellung nicht abzugehen, da die staatsrechtliche Funktion der Weisung darin liegt, die demokratische Legitimation und die demokratische Kontrolle der Verwaltung zu garantieren. Die Notwendigkeit einer Entlastung des formellen Verfassungsrechts wie auch die Zweckmäßigkeit, in einzelnen Bereichen der Verwaltung von der Weisungsbildung abzugehen, wird dabei nicht verkannt. Die vorgeschlagene allgemeine "Lockerungsregel" enthält aber keine sachhaltige Determinante. Dies würde bedeuten, dass der Gesetzgeber in Zukunft beliebige Bereiche der Verwaltung aus der Hierarchie und damit Verantwortung herausnehmen könnte, was an sich ja von niemandem angestrebt wird. Eine nachprüfende Kontrolle des Gesetzgebers durch den VfGH wäre dann nur mehr denkbar, wenn man in die Ermächtigung des Art. 20 B-VG, weisungsfreie Organe einzurichten, die genannten - eben unscharfen - Strukturüberlegungen miteinbezieht. Damit würde die Bundesverfassung aber für diesen Bereich ihre regulatorische Funktion verlieren. Deshalb wird vorgeschlagen, ......"

Den ersten Absatz auf Seite 15 bitte wie folgt zu ergänzen:

"...

Es ist weiters auch zu erwarten, dass - im Lichte der jüngsten Judikatur des VfGH - die Rechtsschutzbeauftragten im Siebenten Hauptstück der Bundesverfassung speziell geregelt werden. Dazu wird auf den Ausschuss 9 verwiesen. Die Frage der weisungsfreien Grenzkommissionen wird derzeit im allgemeineren Rahmen vom Ausschuss 2 diskutiert, allenfalls könnte auch die hier vorgesehene Ermächtigung entfallen. Hinzuweisen ist schließlich auf den alternativen Textvorschlag im Bericht des Ausschusses 7."

II. Zur Frage der obersten Organe:

Grundsätzlich teile ich die Auffassung, dass eine derartige Bestimmung zweckmäßig ist. Es gibt ja dazu Judikatur des VfGH und andere Verfassungsbestimmungen knüpfen an Art. 19 Abs. 1 B-VG an. Die Formulierung von Prof. Raschauer ist besser als die vorgeschlagene. Allerdings sollte meiner Ansicht nach Art. 19 Abs. 1 auf die bisher genannten obersten Organe des Bundes und der Länder beschränkt bleiben. Der Grund dafür liegt darin, dass nur diese Organe im eigentlichen Sinn "die" Verwaltung führen, wohingegen die anderen Organe - Bundespräsident, Vorsitzender der Volksanwaltschaft, Präsident des Rechnungshofes, Präsidenten der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - nur "ihre" Verwaltung führen. Auch würde dann das Regime des Unvereinbarkeitsgesetzes nicht richtig greifen, da es sich jedenfalls beim Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes nicht um einen politischen Funktionär, sondern um einen Berufsrichter handelt, für den das RDG gilt. Ich trete daher eher dafür ein, die Stellung dieser Organe - und zwar soweit möglich nach einem einheitlichen Standard - an den jeweiligen Stellen der Bundesverfassung zu regeln.

III. Zu den gemeinsamen Organen:

Das folgende Kapitel "Oberste Organe übergreifende Behördenstruktur" ist in der gegenwärtigen Textierung etwas inhomogen. "Gemeinsame Verwaltungsstrukturen" und zwar sowohl zwischen Bundesministerien, als auch zwischen Bund und Ländern, gibt es schon bisher. Wenn man zugleich vorsehen will, dass die Verantwortung für die Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben unberührt bleibt, dann handelt es sich ohnedies nur um Formen der mittelbaren Verwaltung. Ich habe gegen dieser Ermächtigung gar keine grundsätzlichen verfassungspolitischen Bedenken, sehe aber noch nicht ganz durch, was eigentlich gewollt wird.

IV. Zu den Vorschlägen der WKÖ:

Zu 1.: Damit bin ich einverstanden.

Zu 2.: Der erste Punkt ist meines Erachtens etwas ungenau. Das Amt der Landesregierung ist gelegentlich eine eigenständige Landesbehörde, grundsätzlich aber der Geschäftsapparat der obersten Organe der Landesverwaltung resp. des Landeshauptmannes in der mittelbaren Bundesverwaltung. Auf sozusagen gleicher Stufe stehen die Bundesministerien in Relation zu den Bundesministern. Auf Bundesebene ist es noch deutlicher, dass das monokratische Organ "Bundesminister" und sein Geschäftsapparat "Bundesministerium" zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen. Das ist auch der hauptsächliche Gehalt des Art. 77 Abs. 1 B-VG. Ich würde deshalb in der beispielhaften Aufzählung neben dem Amt der Landesregierung auch das Bundesministerium erwähnen. Auf dieser Ebene hat die Sache meines Erachtens mit "Ausgliederungen" noch nichts zu tun. Vielmehr geht es darum, dass immer dann, wenn der Bundesminister irgendwelche Zuständigkeiten hat, er sich dazu seines Geschäftsapparates "Bundesministerium" zu bedienen hat. D.h. nicht, dass er nicht im Wege des Bundesministeriums etwa einen Rechtsanwalt konsultieren kann. Es sollte aber nicht der Fall eintreten, dass Amtsgeschäfte des Bundesministers "selbst" unter Umgehung des Geschäftsapparates, und daher auch der Grundsätze der Aktenführung etc., ausgelagert werden.

Der Vorschlag, nicht Bundesbehörden in den Ländern verfassungsrechtlich zu zementieren, überzeugt mich völlig und ich habe ihn ja auch in der letzten Sitzung spontan unterstützt. Hier gibt es meines Erachtens auch bedeutende Einsparungspotentiale.

Zu 3.: Die Formulierung stellt zweifellos einen Fortschrift gegenüber bisherigen Vorstellungen dar, wirft aber noch immer mehrere schwierige Probleme auf. Zunächst möchte ich auf die oben stehenden Ausführungen verweisen. Eine Ausgliederung oder Beleihung kommt - so lange ein Bundesminister noch irgendwelche Zuständigkeiten hat - nur auf der Ebene darunter, also auf jener der "unterstellten Bundesämter" in Frage. Hier liegt glaube ich ein Missverständnis vor.

Im Übrigen ist die Bestimmung einerseits zu undifferenziert: Man muss zunächst davon ausgehen, dass nach überwiegender Anschauung bei einer Ausgliederung privatwirtschaftlicher Agenden auch ein Ausscheiden aus dem Verwaltungsbegriff des B-VG und daher nach verfassungsrechtlichen Kriterien eine Verlagerung in den nicht staatlichen Bereich bewirkt wird. (Näher Kucsko-Stadlmayer, Grenzen der Ausgliederung, 15. ÖJT I/1/2003/S. 68). Für diesen Bereich gilt Art. 20 B-VG nicht, es kann aber notwendig sein, im Hinblick auf sonstige verfassungsrechtliche Erwägungen - Rechnungshofkontrolle, Gleichheitssatz - "Ingerenzbeziehungen", etwa gesellschaftsrechtlicher Art  zu normieren. Insoweit ist der Vorschlag positiv zu sehen. Auf der anderen Seite gilt aber Art. 20 B-VG, insoweit ausgegliederte Rechtsträger "beliehen" werden. Und in diesem Rahmen kommt eine Lockerung der Weisungsgebundenheit nicht in Betracht. Das Problem der vorgestellten Formulierung liegt darin, dass sie dem Wortlaut nach auch in den hoheitlichen Bereich hinüber ragt. Nur bei systematischer Auslegung - eben wenn man Art. 20 B-VG "hineinliest" - ergibt sich die notwendige Zweiteilung. Das erscheint mir aber verfassungstechnisch sehr problematisch zu sein. Man könnte die vorgeschlagene Formulierung insoweit absichern, als man setzt: "Unbeschadet Art. 20 B-VG können dafür erforderlichenfalls unter der Voraussetzung der Wahrung ......". Eine besonders elegante Verfassungslegistik wäre das allerdings nicht.

Ein weiteres Problem liegt in den Grenzen der Ausgliederung im Sinne der Judikatur des VfGH. Das Aufrechterhalten des Weisungszusammenhangs ist ja nur eines von mehreren Kriterien. Dazu kommt die Unausgliederbarkeit von "Kernaufgaben", die bloß vereinzelte Übertragung von Hoheitsrechten etc. Wie man sich hier entscheidet, ist eine Frage der Verfassungspolitik. Aus meiner Sicht wäre allerdings der einschränkenden Judikatur des VfGH zu folgen, wobei ich einräume, dass eine Formulierung dafür nicht schon auf der Hand liegt. Mir kommt es zunächst vor allem auf die Relation Hoheitsverwaltung/Weisung/parlamentarische Verantwortung an.

 

Mit den besten Grüßen,

Ihr Clemens Jabloner

 

 

6.4       Matzka Manfred, Dr.

6.4.1   Diskussionsbeitrag zum öffentlichen Dienst

Eingebracht im Ausschuss 6, 4. Sitzung, 4.12.2003

 

 

 

Diskussionsbeitrag zum Thema

„Bereich öffentlicher Dienst“

 

 

1.

Jeder Staat braucht einen starken und leistungsfähigen öffentlichen Dienst. Dies aus flogenden Gründen:

 

 

 

·        Die Bevölkerung benötigt eine Vielzahl öffentlicher Dienstleistungen wie z.B. Gesundheit, Bildung, Infrastruktur, soziale und persönliche Sicherheit – der öffentliche Dienst stellt sie zur Verfügung.

·        Die Bevölkerung muss sich auf die Korrektheit und Sachlichkeit des öffentlichen Dienstes verlassen können: Rechtssicherheit, Unparteilichkeit, Verlässlichkeit – nach diesen Grundsätzen werden öffentliche Dienstleistungen erbracht.

·        Der Wirtschaftsstandort Österreich braucht einen effizienten öffentlichen Dienst: gut ausgebildete Mitarbeiterinnen, verlässliche Rahmenbedingungen für die Betriebe, effiziente Abwicklung der Abgabenverwaltung – der öffentliche Dienst orientiert sich an diesen Zielen.

·        Die Steuerzahler/innen erwarten hochwertige öffentliche Dienstleistungen für ihr Steuergeld. Der öffentliche Dienst fühlt sich dem Leistungsniveau und nicht einem Billigstpreisprinzip verpflichtet.

·        In vielen Bereichen ist der Staat der privaten Wirtschaft überlegen, weil er bessere Qualitätssicherungen, ein besseres Arbeitsethos und spezialisierte Qualifikationen in der nötigen Breite zu vergleichsweise geringen Kosten anbieten kann (Beispiele: Krankenpflege, Unterricht, Sicherheit)

 

2.

Die  österreichische Verwaltung und der österreichische öffentliche Dienst zählen im internationalen Vergleich - auch beim EU-internen Benchmark - zu den besten Systemen. Es ist wesentlich, diesen Qualitätsstandard aufrechtzuerhalten. Dafür ist es unter anderem notwendig,

·         den öffentlichen Dienst im Allgemeinen rechtlich gut abzusichern,

·         dass alle staatlichen Funktionäre sich bemühen, das Image des öffentlichen Dienstes zu verbessern

·         die Spitzenfunktionäre der Verwaltung mit den Befugnissen auszustatten, die Manager der obersten Ebene brauchen

·         das Management gegen sachfremde Eingriffe in sein Handeln abzusichern

·         funktionierende Subsysteme und Handlungsinstrumente nicht zu zerstören, bevor nicht klar besser bewertete Alternativen funktionieren

·         ein möglichst einheitliches System des öffentlichen Dienstrechts für alle öffentlichen Dienstgeber zu entwickeln.

 

3.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst müssen sich von der Rechtsordnung faire Arbeitsbedingungen erwarten können:

·        Die rechtliche Sicherung des erforderlichen Status (der nicht ein pragmatisiert sein muss, aber jedem Versuch entgegenwirkt, den gesetzeskonformen Vollzug zu beeinflussen)

·        Mehr Möglichkeiten, Verantwortung zu übernehmen, durch ergebnisorientierte Spielregeln und mehr Freiheit für die einzelnen Dienststellen bei der Umsetzung vorgegebener Leistungsziele.

·        Rechtliche Anerkennung der im öffentlichen Dienst erbrachten Leistungen. Der öffentliche Dienst ist mehr als ein Ausgabenblock im Budget.

·        Gute Weiterentwicklungsmöglichkeiten durch Fortbildung, Personalentwicklung und leistungsorientierte Vergabe von Funktionen.

·        Leistungsorientierte Bezahlung.

 

4.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst haben auch einen Anspruch auf Unterstützung durch die Politik:

·        Ein leistungsfähiger öffentlicher Dienst hat eine eminente politische Dimension, die von der Politik so kommuniziert werden soll. Der Gegensatz zwischen Politik und Verwaltung ist nicht in der Verfassung angelegt und soll daher auch in der Verfassungsrealität nicht aufgebaut werden.

·        Die Qualifikation der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst ist gut, die Mitarbeiter/ Innen erwarten sich auch politische Aussagen und Aktivitäten hiezu, um sie permanent zu verbessern. Die dafür erforderlichen Institutionen sind abzusichern.

 

5.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im österreichischen öffentlichen Dienst wissen schon heute, dass sich ihr Berufsbild laufend verändert:

·        Die Leistungs- und Kundenorientierung tritt immer mehr in den Vordergrund.

·        Die Abläufe in der Verwaltung werden immer stärker auf Effizienz überprüft.

·        Als Ergebnis steigt die Produktivität im öffentlichen Dienst.

·        Die Personalvertretung verschließt sich nicht grundsätzlich den künftigen Herausforderungen.

Diese Veränderungen sollen auch im Dienstrecht widergespiegelt werden. Dies könnte zB bedeuten

-         Schaffung des „politischern Beamten“ ähnlich den deutschen Regelungen

-         Bestellung  der Spitzenfunktionäre nicht auf 5 Jahre, sondern System von Zielvereinbarungen

-         klare Besoldungshierarchie entsprechend der Position

-         Prämiensysteme in der Entlohnung von Verantwortungsträgern

-         Delegation von Verantwortung

-         Abbau der unqualifizierten und daher besonders schlecht bezahlten Hilfstätigkeiten, Anhebung des Qualifikationsniveaus

 

 

6.5       Matzka Manfred, Dr./Schnizer Johannes, Dr.

6.5.1   Gesundheitsverwaltung

 

 

Betr: Österreich-Konvent; Ausschuss 6

         Vorschlages zum Mandatspunkt "Gesundheitsverwaltung"

 

 

Eine aktuelle Analyse der OECD nennt drei "Goldene Regeln" für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens: Kundenorientierung verstärken, Qualität verbessern, Preis- Leistungsverhältnis optimieren. Der Weg dorthin führt über drei Schritte:

Auf dieser Basis wird ein konkretes Modell zur Weiterentwicklung des österreichischen Gesundheitswesens vorgeschlagen, das auf folgenden Grundsätzen aufbaut:

 

·        Stärkung des sozialen Zusammenhalts in der Gesellschaft.

·        Festlegung von qualitativ und quantitativ messbaren Gesundheitszielen, die sicherstellen, dass alle Akteure im Gesundheitswesen zielgerichtet und koordiniert vorgehen.

·        Gleicher Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle.

·        Stärkung der Patientenrechte und des Service im Gesundheitswesen.

·        Effizienter Einsatz der Geldmittel im Gesundheitswesen und Stärkung der Qualität.

 

Für die operative Umsetzung einer solchen Gesundheitsreform wird konkret ein kooperatives Modell zur Steuerung im Gesundheitswesen vorgeschlagen, das ein österreichweit abgestimmtes Vorgehen in der Gesundheitspolitik, an einheitlichen Zielen orientiert, sicherstellt. Seine Merkmale sind

·        Ein österreichischweites Gesundheitssystem (nicht 9 unterschiedliche Ländersysteme/mit unterschiedlichen Krankenversicherungsbeiträgen)

·        Koordinierte Vorgehensweise von Bund und Ländern

·        Transparenz und demokratische Legitimation

·        Maßgebliche Verantwortung von öffentlicher Hand und Sozialversicherung

·        Sicherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung

·        Partnerschaft unter Einbeziehung der Leistungserbringer

·        Effizientes Management

·        Zielorientierung (-vereinbarung), Transparenz, Evaluierung

 

In institutioneller Hinsicht kommen den Akteuren der "Gesundheitspartnerschaft" folgende Rolle zu:

 

·        Österreichweite Vorgabe der Ziele durch den Gesetzgeber und

·        Erstellung des Österreichischen Gesundheitsplans durch eine Vereinbarung gem.Art.15a B-VG oder ein vergleichbares Instrument.

·        Einrichtung einer Bundesgesundheitskonferenz bzw. 9 Landesgesundheitskonferenzen unter Beteiligung von Sozialversicherungen, Gemeinden, Städte, Länder, Bund, Patientenselbsthilfe, Patientenanwalt, Leistungserbringer (Ärzte, Apotheken, Krankenhäuser etc.. ). Darin soll auch sichergestellt werden, dass nicht Beschlüsse gefasst werden, die unfinanzierbar sind, daher Sicherstellung, dass die "Zahler" nicht überstimmt werden können.

·        Einrichtung einer unabhängigen Schlichtungsstelle, die mittels 15a-Vereinbarung implementiert werden soll. Wenn in den Landeskonferenz keine Einigung erzielt wird, kann diese von allen Akteuren angerufen werden.

·        Institutionen zu Evaluierung, Qualitätskontrolle und Wissenstransfer, Institut für Gesundheitsplanung, Institut für Qualitätssicherung

·        Streitigkeiten zwischen Akteuren des Gesundheitswesens, insbesondere Gebietskörperschaften, sind nicht durch Zivilprozesse, sondern durch Schiedsgerichte oder im Verwaltungsweg in rascher kostengünstiger Form ohne Anwaltszwang zu entscheiden.

 

Für den Bereich des Mandates des Ausschusses 6 ergeben sich daraus die folgenden Vorschläge für Änderungen in der Bundesverfassung und damit unmittelbar zusammenhängende Rechtsänderungen:
Festlegung österreichweit einheitlicher PatientInnenrechte auf der Basis einer ausreichenden Grundrechtsnorm. Sicherung der Durchsetzbarkeit von Patientenrechten auch gegenüber privatrechtlichen Entitäten und in kostengünstiger Weise;  Betreiber von Krankenanstalten sollen sich nicht durch eine "Flucht ins Privatrecht" dem Rechtsschutz entziehen können.

1.         Sicherung des Bestandes der Sozialversicherungen als Selbstverwaltungskörper.

2.         Kompetenz  für die Festlegung der Gesundheitsziele und die Erstellung des Österreichischen Gesundheitsplans durch den Bund. Sicherung der Möglichkeit, verbindliche Ziele in einer 15a-Vereinbarung festzulegen.

 

3.         Schaffung einer Grundlage für die Erstellung des Österreichischen Gesundheitsplans

4.         Einrichtung von Schlichtungsstellen, die bei Nichteinigung im Umsetzungsprozess von jedem Beteiligten angerufen werden können und die  durchsetzbare Entscheidungen zu treffen haben.

 

5.         Einbeziehung des Finanzausgleiches in Finanzierungsfragen des Gesundheitswesens zwischen Bund, Ländern,Gemeinden und Sozialversicherung,  in den allgemeinen Finanzausgleich.

6.         Festlegung, dass Datenschutzinteressen eines Behandlers hinsichtlich der Behandlungs- und Abrechnungsdaten gegenüber dem Patienten und dem öffentlichen Gesundheitswesen (wenn die Leistung daraus finanziert wurde) zurückzutreten haben. Das Interesse des Patienten an seinen eigenen Gesundheitsdaten muss Vorrang haben vor allfälligen betriebswirtschaftlich-privaten Interessen eines Krankenanstaltenbetreibers.

 

7.         Information der Patienten über Behandlungen (ärztliche Aufklärung determinieren, Auskunftspflicht von Versicherungen, Aufbau eines Informationsnetzwerkes, in welchem der Patient seine Daten mit e-card/Bürgerkarte abfragen kann).

 

8.         Klare Definition der Verantwortlichkeit der behandelnden Fachkräfte, es müssen klare Verantwortungsregeln auch im Medizinbereich sichtbar werden.

 

 

6.6       Schnizer Johannes, Dr.

6.6.1   Diskussionsvorschlag Bildungsreform/Schulverfassung

Eingebracht im Ausschuss 6, 6. Sitzung, 7.1.2004

 


 

Diskussionsvorschlag

Bildungsreform-Schulverfassung

 

 

Prinzipielle Neuordnung des Schulwesens in einem „bottom up-Prozess“, unter Neuschaffung gänzlich neuer verfassungsrechtlicher Strukturen zur Verwirklichung der Schule der Zukunft; der Finanzausgleich muss diesem Konzept folgen und nicht umgekehrt. Prinzipien des Schulwesens: Chancengleichheit, Partizipation, öffentliches Schulwesen

 

·               Erste Ebene: autonome Schule

o       Schulgröße mindestens 300 bis 1.000 Schüler, aufgeteilt auf mehrere Standorte (Mindestgröße für sinnvolle Verwaltung)

o       Mittelzuteilung mit Sockelbetrag, Schülerzahl und anderen objektiven Kriterien

o       Freiheit in der Schul- und Unterrichtsorganisation

o       Schultyp von Bildungsregion vorgegeben, aber nur hinsichtlich Altersgruppe und Ausbildungszielen

o       Lehreranstellung durch den Schulleiter auf Grund einer Beratung in einem „Personalkomitee“

o       Ressourcenverwaltung durch Schulleiter nach Beratung in einem Beirat aus den Schulpartnern

o       Lehrer grundsätzlich ganztags an der Schule tätig, in welcher Angebotsform (ganztägiger Unterricht, nachmittags Sprechstunden und Unterstützungsgruppen usw.) entscheidet Schule unter Koordination der Bildungsregion

o       Schulleiter wird befristet auf fünf Jahre auf Grund eines von der Schule ausgearbeiteten Dreier-Vorschlages bestellt

 

·               Zweite Ebene: Bildungsregion

o       In der Größe mehrer Bezirke, funktionelle Größe so, dass innerhalb der Region ein gesamtes Bildungsspektrum (mit Ausnahme von Spezialschulen) gewährleistet werden kann.

o       Aufgabe: Koordination und Qualitätssicherung; ist hauptverantwortlich, dass die Schulen die festgelegten Bildungsziele auch erreichen.

o       Servicefunktionen für die autonomen Schulen (Durchführung von Ausschreibungen, Vertragsabschlüsse, Rechtsberatung, usw.)

o       Organe der Bildungsregion sind der Bildungsrat (bestellt auf Grund direkter Wahl gemeinsam mit den Landtagswahlen und ergänzt um Repräsentanten der Bildungseinrichtungen) und der regionale Bildungsmanager (auf Grund eines Anforderungsprofils durch den Landesausschuss bestellt durch den Bildungsrat)

 

·               Dritte Ebene: Land

o       Gemeinsamer Schulausschuss von Landtag und Landesregierung

o       Vorgaben für die Bildungsregionen

o       Kontrolle der Mittelverwendung

o       Festlegung der Schultypen

o       Evaluation der Ergebnisse

 

·               Vierte Ebene: Bund:

o       Gesetzgebung: Schulverfassung, Schüler-, Lehrer- und Elternrechte, Ziele, Evaluationsmethoden, bundesweite Standards

o       Bundesministerium: Evaluation und Forschung, Koordination zwischen Ländern

 

 

6.6.2   Auskunftspflicht/Amtsverschwiegenheit

Eingebracht im Ausschuss 6, 10. Sitzung, 16.3.2004

 

Auskunftspflicht/Amtsverschwiegenheit

 

 Artikel 49. Jede Person hat das Recht, über Angelegenheiten öffentlicher Einrichtungen Auskunft zu erhalten und in deren Dokumente Einsicht zu nehmen. Die Auskunft und der Zugang können im öffentlichen Interesse oder zum Schutz von Rechten und Freiheiten anderer gesetzlich beschränkt werden.

 

 

6.6.3   Vorschlag zur Neuregelung der Vollziehung des Landes

Eingebracht im Ausschuss 6

 

 

Vorschlag zur Neuregelung der Vollziehung des Landes

bei Ersetzung der mittelbaren Bundesverwaltung durch eine generelle Steuerungsbefugnis des Bundes

 

 

Die Art. 101 bis 107 B-VG werden durch folgende Art. 101 bis 105 ersetzt:

 

„Artikel 101. (1) Die Vollziehung jedes Landes übt eine vom Landtag zu wählende Landesregierung aus.

[(2) Die Mitglieder der Landesregierung müssen nicht dem Landtag angehören. Jedoch kann in die Landesregierung nur gewählt werden, wer zum Landtag wählbar ist.][154]

(3) Die Landesregierung besteht aus dem Landeshauptmann, der erforderlichen Zahl von Stellvertretern und weiteren Mitgliedern.

(4) Der Landeshauptmann wird vom Bundes­präsidenten, die anderen Mitglieder der Landesregierung werden vom Landeshauptmann vor Antritt des Amtes auf die Bundesverfassung angelobt. Die Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig.

[(5) Der Landeshauptmann vertritt das Land.][155]

Artikel 102.[156] (1) Landesgesetze werden vom Land vollzogen.

(2) Insoweit ein Landesgesetz bei der Vollziehung die Mitwirkung von Bundesorganen vorsieht, muß hiezu die Zustimmung der Bundesregierung eingeholt werden. Die Zustimmung gilt als gegeben, wenn die Bundesregierung nicht binnen acht Wochen von dem Tage, an dem der Gesetzesbeschluß beim Bundeskanzleramt eingelangt ist, dem Landeshauptmann mitgeteilt hat, daß die Mitwirkung der Bundesorgane verweigert wird. Vor Ablauf dieser Frist darf die Kundmachung des Gesetzesbeschlusses nur erfolgen, wenn die Bundesregierung ausdrücklich zugestimmt hat.

Artikel 103. (1) Bundesgesetze werden vom Land vollzogen, soweit nicht der Bund eigene Bundesbehörden errichtet. Die Errichtung von eigenen Bundesbehörden für andere als im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bundesverfassung[157] von Bundesbehörden vollzogene Angelegenheiten kann nur mit Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen.

(2) Der Bund kann in Vollziehung der Bundesgesetze generelle Weisungen erteilen. Diese sind zu veröffentlichen, soweit ihre Geheimhaltung nicht im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder der umfassenden Landesverteidigung geboten ist.[158]

(3) Das Land ist verpflichtet, dem Bund alle Informationen über die Vollziehung von Bundesgesetzen, auch im Einzelfall, zu erteilen und auf Verlangen die darauf Bezug habenden Akten vorzulegen. Verletzt ein Land diese Pflicht, kann der Bund durch eigene Organe Einschau nehmen. Art. 142 Abs. 2 lit. e gilt.[159]

Artikel 104. (1) Landesbehörden, die Bundesgesetze vollziehen, sind das Amt der Landesregierung und die diesem unterstellten Bezirksverwaltungsbehörden.

(2) Vorstand des Amtes der Landesregierung ist der Landeshauptmann. Unter seiner unmittelbaren Aufsicht obliegt die Leitung des inneren Dienstes dem Landesamtsdirektor.

(3) Das Nähere über die Stellvertretung und die Organisation der Landesbehörden wird durch Landesgesetz geregelt.

Artikel 105. Soweit Bundesgesetze nach Art. 17 nichts anderes bestimmen, ist Art. 103 auf die Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes nur insoweit anzuwenden, als der zuständige Bundsminister die Besorgung solcher Geschäfte dem Land überträgt. Die Übertragung kann jederzeit ganz oder teilweise widerrufen werden. Soweit keine andere Vereinbarung getroffen wird, hat der Bund die Kosten zu tragen.“

 

Synopse

 

Neue Fassung

Alte Fassung

Artikel 101. (1) Die Vollziehung jedes Landes übt eine vom Landtag zu wählende Landesregierung aus.

 

 

 

(2) Die Landesregierung besteht aus dem Landeshauptmann, der erforderlichen Zahl von Stellvertretern und weiteren Mitgliedern.

(3) Der Landeshauptmann wird vom Bundes­präsidenten, die anderen Mitglieder der Landesregierung werden vom Landeshauptmann vor Antritt des Amtes auf die Bundesverfassung angelobt. Die Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig.

Artikel 101. (1) Die Vollziehung jedes Landes übt eine vom Landtag zu wählende Landesregierung aus.

[(2) Die Mitglieder der Landesregierung müssen nicht dem Landtag angehören. Jedoch kann in die Landesregierung nur gewählt werden, wer zum Landtag wählbar ist.][160]

(3) Die Landesregierung besteht aus dem Landeshauptmann, der erforderlichen Zahl von Stellvertretern und weiteren Mitgliedern.

(4) Der Landeshauptmann wird vom Bundes­präsidenten, die anderen Mitglieder der Landesregierung werden vom Landeshauptmann vor Antritt des Amtes auf die Bundesverfassung angelobt. Die Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig.

[(4) Der Landeshauptmann vertritt das Land.][161]

Artikel 105. (1) Der Landeshauptmann vertritt das Land. Er trägt in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung die Verantwortung gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 142. Der Landeshauptmann wird durch das von der Landesregierung bestimmte Mitglied der Landesregierung (Landeshauptmann-Stellvertreter) vertreten. Diese Bestellung ist dem Bundeskanzler zur Kenntnis zu bringen. Tritt der Fall der Vertretung ein, so ist das zur Vertretung bestellte Mitglied der Landesregierung bezüglich der Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung gleichfalls der Bundesregierung gemäß Artikel 142 verantwortlich. Der Geltendmachung einer solchen Verantwortung des Landeshauptmannes oder des ihn vertretenden Mitgliedes der Landesregierung steht die Immunität nicht im Weg. Ebenso steht die Immunität auch nicht der Geltendmachung der Verantwortung eines Mitgliedes der Landesregierung im Falle des Artikels 103, Absatz 3, im Weg.

(2) Die Mitglieder der Landesregierung sind dem Landtag gemäß Artikel 142 verantwortlich.[162]

(3) Zu einem Beschluß, mit dem eine Anklage im Sinne des Artikels 142 erhoben wird, bedarf es der Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder.[163]

 

Artikel 102. (1) Landesgesetze werden vom Land vollzogen.

 

 (2) Insoweit ein Landesgesetz bei der Vollziehung die Mitwirkung von Bundesorganen vorsieht, muß hiezu die Zustimmung der Bundesregierung eingeholt werden. Die Zustimmung gilt als gegeben, wenn die Bundesregierung nicht binnen acht Wochen von dem Tage, an dem der Gesetzesbeschluß beim Bundeskanzleramt eingelangt ist, dem Landeshauptmann mitgeteilt hat, daß die Mitwirkung der Bundesorgane verweigert wird. Vor Ablauf dieser Frist darf die Kundmachung des Gesetzesbeschlusses nur erfolgen, wenn die Bundesregierung ausdrücklich zugestimmt hat.

Artikel 97 (2) Insoweit ein Landesgesetz bei der Vollziehung die Mitwirkung von Bundesorganen vorsieht, muß hiezu die Zustimmung der Bundesregierung eingeholt werden. Die Zustimmung gilt als gegeben, wenn die Bundesregierung nicht binnen acht Wochen von dem Tage, an dem der Gesetzesbeschluß beim Bundeskanzleramt eingelangt ist, dem Landeshauptmann mitgeteilt hat, daß die Mitwirkung der Bundesorgane verweigert wird. Vor Ablauf dieser Frist darf die Kundmachung des Gesetzesbeschlusses nur erfolgen, wenn die Bundesregierung ausdrücklich zugestimmt hat.“

Artikel 103. (2) Bundesgesetze werden vom Land vollzogen, soweit nicht der Bund eigene Bundesbehörden errichtet. Die Errichtung von eigenen Bundesbehörden für andere als im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bundesverfassung[164] von Bundesbehörden vollzogene Angelegenheiten kann nur mit Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen.

(2) Der Bund kann in Vollziehung der Bundesgesetze generelle Weisungen erteilen. Diese sind zu veröffentlichen, soweit ihre Geheimhaltung nicht im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder der umfassenden Landesverteidigung geboten ist.[165]

(3) Das Land ist verpflichtet, dem Bund alle Informationen über die Vollziehung von Bundesgesetzen, auch im Einzelfall, zu erteilen und auf Verlangen die darauf Bezug habenden Akten vorzulegen. Verletzt ein Land diese Pflicht, kann der Bund durch eigene Organe Einschau nehmen. Art. 142. Abs. 2 lit. e gilt.[166]

Artikel 102. ,,(1) Im Bereich der Länder üben die Vollziehung des Bundes, soweit nicht eigene Bundesbehörden bestehen (unmittelbare Bundesverwaltung), der Landeshauptmann und die ihm unterstellten Landesbehörden aus (mittelbare Bundesverwaltung). Soweit in Angelegenheiten, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden, Bundesbehörden, insbesondere ,,Bundespolizeidirektionen, mit der Vollziehung betraut sind, unterstehen diese Bundesbehörden in den betreffenden Angelegenheiten dem Landeshauptmann und sind an dessen Weisungen (Artikel 20 Absatz 1) gebunden; ob und inwieweit solche Bundesbehörden mit Akten der Vollziehung betraut werden, bestimmen die Bundes­gesetze; sie dürfen, soweit es sich nicht um die Betrauung mit der Vollziehung von im Absatz 2 angeführten Angelegenheiten handelt, nur mit Zustimmung der beteiligten Länder kundgemacht werden.

(2) Folgende Angelegenheiten können im Rahmen des verfassungs­mäßig festgestellten Wirkungsbereiches unmittelbar von Bundesbehörden versehen werden:

Grenzvermarkung, Waren- und Viehverkehr mit dem Ausland, Zollwesen, Regelung und Überwachung des Eintrittes in das Bundes­gebiet und des Austrittes aus ihm, Bundesfinanzen, Monopolwesen, Geld-, Kredit-, Börse-, Bank- und Vertragsversicherungswesen, Maß-, Gewichts-, Normen- und Punzierungswesen, technisches Versuchswesen, Justizwesen, Paßwesen, Meldewesen, Waffen-, Munitions- und Sprengmittelwesen sowie Schießwesen, Pa­tentwesen, Schutz von Mustern, Marken und anderen Warenbezeichnungen,  Verkehrswesen, Strom- und Schiffahrtspolizei, Post- und Fernmeldewesen, Bergwesen, Regulierung und Instandhaltung der Donau, Wildbachverbauung, Bau und Instandhaltung von Wasserstraßen, Vermessungswesen, Arbeitsrecht, Sozialversicherungswesen, Denkmalschutz, Organisation und Führung der Bundespolizei und der Bundes­gendarmerie, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit einschließlich der ersten allgemeinen Hilfeleistung, jedoch mit Ausnahme der ört­lichen Sicherheitspolizei, Pressewesen, Vereins- und Versammlungsangelegenheiten und Fremdenpolizei; ,,geschäftlicher Verkehr mit Saat- und Pflanzgut, Futter-, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie mit Pflanzenschutzgeräten, einschließlich der Zulassung und bei Saat- und Pflanzgut auch der Anerkennung; militärische Angelegenheiten, Fürsorge für Kriegsteilnehmer und deren Hinterbliebene, Bevölkerungspolitik, soweit sie die Gewährung von Kinderbeihilfen und die Schaffung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie zum Gegenstand hat; Schulwesen sowie Erziehungswesen in den Angelegenheiten der Schüler- und Studentenheime, ausgenommen das land- und forstwirtschaftliche Schulwesen und das land- und forstwirtschaftliche Erziehungswesen in den Angelegenheiten der Schülerheime.

(3) Dem Bund bleibt es vorbehalten, auch in den im Absatz 2 aufgezählten Angelegenheiten den Landeshauptmann mit der Vollziehung des Bundes zu beauftragen.

(4) Die Errichtung von eigenen Bundesbehörden für andere als die im Absatz 2 bezeichneten Angelegenheiten kann nur mit Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen.

  (5) Wenn in einem Land in Angelegenheiten der unmittelbaren Bundesverwaltung die sofortige Erlassung von Maßnahmen zur Abwehr eines offenkundigen, nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Allgemeinheit zu einer Zeit notwendig wird, zu der die obersten Organe der Verwaltung des Bundes wegen höherer Gewalt dazu nicht in der Lage sind, hat der Landeshauptmann an deren Stelle die Maßnahmen zu treffen.

Artikel 104. (1) Landesbehörden, die Bundesgesetze vollziehen, sind das Amt der Landesregierung und die diesem unterstellten Bezirksverwaltungsbehörden.

(2) Vorstand des Amtes der Landesregierung ist der Landeshauptmann. Unter seiner unmittelbaren Aufsicht obliegt die Leitung des inneren Dienstes dem Landesamtsdirektor.

(3) Das Nähere über die Stellvertretung und die Organisation der Landesbehörden wird durch Landesgesetz geregelt.

Artikel 103. (1) In den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung ist der Landeshauptmann an die Weisungen der Bundesregierung sowie der einzelnen Bundesminister gebunden (Artikel 20) und verpflichtet, um die Durchführung solcher Weisungen zu bewirken, auch die ihm in seiner Eigenschaft als Organ des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes zu Gebote stehenden Mittel anzuwenden.

(2) Die Landesregierung kann bei Aufstellung ihrer Geschäftsordnung beschließen, daß einzelne Gruppen von Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes im Namen des Landeshauptmannes von Mitgliedern der Landesregierung zu führen sind. In diesen Angelegenheiten sind die betreffenden Mitglieder der Landesregierung an die Weisungen des Landeshauptmannes ebenso gebunden (Artikel 20) wie dieser an die Weisungen der Bundesregierung oder der einzelnen Bundesminister.

(3) Nach Absatz 1 ergehende Weisungen der Bundesregierung oder der einzelnen Bundesminister sind auch in Fällen des Absatzes 2 an den Landeshauptmann zu richten. Dieser ist, wenn er die bezügliche Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung nicht selbst führt, unter seiner Verantwortlichkeit (Art. 142 Abs. 2 lit. e) verpflichtet, die Weisung an das in Betracht kommende Mitglied der Landesregierung unverzüglich und unverändert auf schriftlichem Wege weiterzugeben und ihre Durchführung zu überwachen. Wird die Weisung nicht befolgt, trotzdem der Landeshauptmann die erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, so ist auch das betreffende Mitglied der Landesregierung gemäß Artikel 142 der Bundesregierung verantwortlich.

(4) In den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung endet der administrative Instanzenzug, sofern der Landeshauptmann als Rechtsmittelbehörde zu entscheiden hat und nicht durch Bundes­gesetz ausnahmsweise auf Grund der Bedeutung der Angelegenheit ausdrücklich anderes bestimmt ist, beim Landeshauptmann; steht die Entscheidung in erster Instanz dem Landeshauptmann zu, so geht der Instanzenzug in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung, wenn nicht bundesgesetzlich anderes bestimmt ist, bis zum zuständigen Bundesminister.

Artikel 105. Soweit Bundesgesetze nach Art. 17 nichts anderes bestimmen, ist Art. 103 auf die Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes nur insoweit anzuwenden, als der zuständige Bundsminister die Besorgung solcher Geschäfte dem Land überträgt. Die Übertragung kann jederzeit ganz oder teilweise widerrufen werden. Soweit keine andere Vereinbarung getroffen wird, hat der Bund die Kosten zu tragen.

Artikel 104. (1) Die Bestimmungen des Artikels 102 sind auf Einrichtungen zur Besorgung der im Artikel 17 bezeichneten Geschäfte des Bundes nicht anzuwenden.

(2) Die mit der Verwaltung des Bundesvermögens betrauten Bundesminister können jedoch die Besorgung solcher Geschäfte dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen. Eine solche Übertragung kann jederzeit ganz oder teilweise widerrufen werden. Inwieweit in besonderen Ausnahmefällen für die bei Besorgung solcher Geschäfte aufgelaufenen Kosten vom Bund ein Ersatz geleistet wird, wird durch Bundes­gesetz bestimmt. Art. 103 Abs. 2 und 3 gilt sinngemäß.

Siehe Art. !01 Abs. 5

Artikel 105. (1) Der Landeshauptmann vertritt das Land. Er trägt in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung die Verantwortung gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 142. Der Landeshauptmann wird durch das von der Landesregierung bestimmte Mitglied der Landesregierung (Landeshauptmann-Stellvertreter) vertreten. Diese Bestellung ist dem Bundeskanzler zur Kenntnis zu bringen. Tritt der Fall der Vertretung ein, so ist das zur Vertretung bestellte Mitglied der Landesregierung bezüglich der Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung gleichfalls der Bundesregierung gemäß Artikel 142 verantwortlich. Der Geltendmachung einer solchen Verantwortung des Landeshauptmannes oder des ihn vertretenden Mitgliedes der Landesregierung steht die Immunität nicht im Weg. Ebenso steht die Immunität auch nicht der Geltendmachung der Verantwortung eines Mitgliedes der Landesregierung im Falle des Artikels 103, Absatz 3, im Weg.

(2) Die Mitglieder der Landesregierung sind dem Landtag gemäß Artikel 142 verantwortlich.

(3) Zu einem Beschluß, mit dem eine Anklage im Sinne des Artikels 142 erhoben wird, bedarf es der Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder.

 

Siehe Art. 104 Abs. 2

Artikel 106. Zur Leitung des inneren Dienstes des Amtes der Landesregierung wird ein rechtskundiger Verwaltungsbeamter als Landesamtsdirektor bestellt. Er ist auch in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung das Hilfsorgan des Landeshauptmannes.

 

 

6.6.4   Vorschlag Sicherheitsregionen

Eingebracht im Ausschuss 6, 7. Sitzung, 30.1.2004

 

 

Vorschlag Sicherheitsregionen

 

 

·               Ziel: Bürgernahe und effiziente Behörden- und Wachkörperstruktur mit flachen Hierarchien für ganz Österreich

 

·               Vorschlag: Schaffung von 25 bis 35 regionalen Sicherheitsbehörden (Sicherheitsregionen), denen Aufgaben zukommen, wie sie die Bundespolizeidirektionen haben; diesen ist der einheitliche Wachkörper in ihrer Region unterstellt; Sicherheitsregionen unterstehen direkt dem BMI (Abschaffung der Sicherheitsdirektionen)

 

·               Soweit Sicherheitspolizei im engeren Sinn (allgemeine Sicherheitspolizei, Kriminalpolizei, Versammlungspolizei, Teile Fremdenpolizei) betroffen sind, gehen diese Befugnisse von Bezirkshauptmannschaften auf Sicherheitsregionen über; wo bisher Bundespolizeidirektion bestand, geht die restliche Polizeiverwaltung (von Vereinsrecht bis Pyrotechnikgesetz) auf Magistrat über.

 

·               Die Errichtung von Gemeindewachkörpern werden den Gemeinden oder Gemeindeverbänden freigestellt

 

·               Starke Vernetzung der Sicherheitsregionen mit Einrichtungen der Zivilgesellschaft zur Prävention

 

·               Einrichtung von Gerichten 1. Instanz analog den Sicherheitsregionen, in denen Bezirksgerichte und Landesgerichte kompetenzmäßig zusammengelegt werden, aber Außenstellen an den bisherigen Standorten der Bezirksgerichte erhalten bleiben („nicht er Bürger reist, sondern der Richter“)

 

 

6.6.5   Vorschlag zur Neuregelung der Sicherheitsverwaltung

Eingebracht im Ausschuss 6, 19. Sitzung, 27.10.2004

 

 

Vorschlag zur Neuregelung der Sicherheitsverwaltung

 

 

1. Die Artikel 78a bis 78d B-VG lauten:

 

„Sicherheitsbehörden

 

Artikel 78a. (1) Sicherheitsbehörden sind die Generalpolizeidirektion und, dieser unterstellt, die Polizeidirektionen. An der Spitze der Generalpolizeidirektion steht der General­polizeidirektor, an der Spitze der Polizeidirektionen stehen Polizeidirektoren.

 

(2) Der Generalpolizeidirektor ist an Weisungen des Bundesministers für Inneres gebunden.

 

(3) Örtlicher Wirkungsbereich der Generalpolizeidirektion ist das Bundesgebiet. Die Einrichtung von Polizeidirektionen und die Bestimmung ihres örtlichen Wirkungsbereichs erfolgen mit Bundesgesetz. Die Grenzen der Sprengel der Polizeidirektionen dürfen nicht Grenzen der Sprengel der Gerichtshöfe erster Instanz schneiden. Die Zahl der Polizeidirekionen soll die Zahl 20 nicht unterschreiten und die Zahl 35 nicht übersteigen.

 

 

Sachliche Zuständigkeit

 

Artikel 78b. (1) Die Sicherheitsbehörden des Bundes sind zur Wahrnehmung folgender Angelegenheiten zuständig:

 

  1. Sicherheitspolizei, das ist die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit, mit Ausnahme der örtlichen Sicherheitspolizei, sowie die erste allgemeine Hilfeleistung;
  2. Kriminalpolizei, das ist die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden im Dienste der Strafgerichtsbarkeit;
  3. Versammlungspolizei, das ist die Handhabung des Versammlungsrechts;
  4. Waffenpolizei, das ist die Handhabung des Waffenwesens;
  5. Grenzpolizei, das ist die Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm;
  6. Fremdenpolizei.

 

(2) In den in Abs. 1 genannten Angelegenheiten kann der Gesetzgeber die Zuständigkeit der Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung vorsehen, wenn dies der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung dient. Andere als die in Abs. 1 genannten Angelegenheiten dürfen den Sicherheitsbehörden nicht zur Wahrnehmung zugewiesen werden.

 

 

Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes

 

Artikel 78c. (1) Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind jene Organe der Sicherheitsbehörden, die zur Ausübung von Zwangsgewalt und insbesondere zum Waffengebrauch befugt sind.

 

(2) Die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze können die Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorsehen, wenn dies wegen deren Befugnisse erforderlich ist. In diesen Fällen unterstehen sie der zuständigen Behörde. Art. 97 Abs. 2 gilt.

 

(3) Die Ernennung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes obliegt dem Generalpolizeidirektor.

 

 

Wachkörper

 

Artikel 78c. (1) Wachkörper sind bewaffnete oder uniformierte oder sonst nach militärischem Muster eingerichtete Formationen, denen Aufgaben polizeilichen Charakters übertragen sind. Zu den Wachkörpern sind insbesondere nicht zu zählen: Das zum Schutz einzelner Zweige der Landeskultur, wie der Land- und Forstwirtschaft (Feld-, Flur- und Forstschutz), des Bergbaues, der Jagd, der Fischerei oder anderer Wasserberechtigungen aufgestellte Wachpersonal, die Organe der Marktaufsicht, der Feuerwehr.

 

(2) Im örtlichen Wirkungsbereich einer Polizeidirektion darf von einer anderen Gebietskörperschaft ein Wachkörper nicht aufgestellt werden. Ausgenommen sind Wachkörper von Gemeinden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundes-Verfassungsgesetzes bestehen.

 

 

 Menschenrechtsbeirat

 

Artikel 78d. (1) Der Generalpolizeidirektor wird in Fragen der Wahrung der Menschenrechte vom Menschenrechtsbeirat beraten. Diesem obliegt es, die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Menschenrechte zu beobachten und begleitend zu überprüfen. Der Menschenrechtsbeirat wird hiezu aus eigenem oder über Ersuchen des Bundesministers für Inneres oder des Generalpolizeidirektors tätig.

 

(2) Dem Menschenrechtsbeirat gehören elf Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder an, die bei Besorgung ihrer Aufgaben an keine Weisungen gebunden sind. Sie üben ihre Funktion ehrenamtlich aus.

 

(3) Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Menschenrechtsbeirates werden mit deren Zustimmung vom Bundespräsidenten für eine Funktionsperiode von fünf Jahren bestellt. Diese endet durch Ablauf der Funktionsperiode, durch eine schriftlich begründete Abberufung seitens des Bundespräsidenten oder durch Verzicht oder Tod des Mitglieds.“

 

Allgemeine Erläuterungen

 

Der vorliegende Entwurf ist von folgenden Grundsätzen geleitet:

 

1. Beseitigung des Nebeneinanders von Bundespolizeidirektionen und Bezirksverwaltungs­behörden:

 

Bislang ist Sicherheitsbehörde erster Instanz entweder die Bundespolizeidirektion, oder aber, nämlich an Orten, an denen keine Bundespolizeidirektion besteht, die Bezirks­ver­waltungsbehörde. In der Praxis haben jedoch die Bezirksverwaltungsbehörden ihre Aufgaben als Sicherheitsbehörden nie mit einer den Polizeibehörden vergleichbaren Intensität wahr­genommen. Deshalb soll nunmehr die Divergenz zwischen Bundespolizeidirektionen einer­seits und Bezirksverwaltungsbehörden andererseits zugunsten eines einheitlichen Systems von Polizeidirektionen aufgegeben werden. Damit soll ein homogenes Niveau der Sicher­heitsvorsorge in Österreich gewährleistet und zudem ein unnötig komplizierter Behörden­aufbau vermieden werden.

 

2. Sicherheitsregionen, zwei Ebenen der Sicherheitsbehörden:

 

Bislang ist die Sicherheitsverwaltung im Wesentlichen auf drei Ebenen organisiert. Zwischen die Bundespolizeidirektionen/Bezirksverwaltungsbehörden einerseits als der eigentlich operativen Ebene und dem Bundesminister für Inneres als der obersten Sicherheitsbehörde schieben sich die Sicherheitsdirektionen in den Ländern. Diese auf drei Ebenen organisierte Hierarchie ist jedoch, wie auch ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern ähnlicher Größe zeigt, zu aufwändig und erschwert zudem eine dezentralisierte Wahrnehmung der Aufgaben- und Ressourcenverantwortung, wie sie einer modernen Polizeiarbeit entsprechen würde. Daher verfolgt der vorliegende Entwurf das Ziel einer entschiedenen Dezen­tralisierung und Regionalisierung der Sicherheitsbehörden. Dies soll die Orientierung der operativen Polizeiarbeit an den sich wandelnden Sicherheitsbedürfnissen der Bevölkerung fördern und die Berücksichtigung lokal unterschiedlicher Gegebenheiten erleichtern. Die Bestimmung der Anzahl und des örtlichen Wirkungsbereichs der Polizeidirektionen wird dem einfachen Bundesgesetzgeber überlassen, auch um die erforderliche Flexibilität zu wahren. Jedoch wird durch die Normierung einer Mindestanzahl von 20 und einer maximalen Anzahl von 35 Direktionen sichergestellt, dass ein Sicherheitsregionen-Modell erhalten bleibt, dass mithin eine Ebene geschaffen wird, die deutlich zwischen den Ländern einerseits und den Bezirksverwaltungsbehörden andererseits liegt.

 

Allerdings ist es nicht erforderlich, dass flächendeckend Polizeidirektionen eingerichtet werden, auch wenn dies wünschenswert wäre. Im Interesse der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit können auch die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung mit Agenden der Sicherheitsverwaltung betraut werden.

 

3. Trennung von Politik und Polizei

 

Bislang ist der Bundesminister für Inneres oberste Sicherheitsbehörde. Diese Verbindung eines politischen Amtes mit der Aufgabe, die Polizei zu führen, führt zu einer sachlich nicht befriedigenden Vermischung von politischen und polizeilichen Funktionen. Künftig soll die Polizei politisch neutral positioniert werden. Zwar bleibt der Bundesminister für Inneres weisungsbefugt, doch kann er Weisungen nur direkt an den Generalpolizeidirektor erteilen, womit ein Maximum an Transparenz gewährleistet wird, auch kann der Bundesminister in Zukunft nicht selbst Aufgaben einer Sicherheitsbehörde wahrnehmen. Während bislang das Bundes­ministerium für Inneres polizeiliche Funktionen vielfach in den Handlungsformen eines Ministeriums erfüllt, bleiben künftig die Sicherheitsbehörden organisatorisch vom Bundesministerium für Inneres als dem organisatorischen Hilfsapparat des Bundesministers klar getrennt.

 

 

Zu den einzelnen Bestimmungen:

 

Zu Artikel 78a B-VG:

 

Die Absätze 1 und 2 bilden den Kern des Regionalbehörden-Konzepts. Es werden Sicherheitsbehörden auf zwei Ebenen geschaffen. Der Bundesminister für Inneres ist nicht selbst Sicherheitsbehörde, wohl jedoch, schon im Hinblick auf seine politische Verantwortung gegenüber dem Parlament, weiterhin weisungsbefugt.

 

Abs. 3 trägt dem Umstand Rechnung, dass die Kriminalpolizei in Koordination mit der Staatsanwaltschaft und dem Gerichtshof erster Instanz ausgeübt wird. Deshalb soll auf eine Harmonisierung der Sprengel der Polizeidirektionen mit jenen der Gerichtshöfe erster Instanz geachtet werden.

 

Zu Artikel 78b B-VG:

 

Eine wesentliche Schwäche des geltenden Rechts liegt darin, dass die bestehenden Artikel 78a ff B-VG zwar die Sicherheitsbehörden normieren, dabei jedoch offen lassen, welche Angelegenheiten diesen Behörden zur Wahrnehmung zukommen. Der vorgeschlagene Katalog des Art. 78b Abs. 1 ist insoferne klar, zugleich jedoch restriktiv. Insbesondere bleibt er hinter dem Umfang der Sicherheitsverwaltung gemäß der geltenden Bestimmung des § 2 Abs. 2 SPG insoferne zurück, als das Passwesen, das Meldewesen, das Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen, das Pressewesen und die Vereinsangelegenheiten nicht in den Wirkungsbereich der Sicherheitsbehörden einbezogen und somit künftig den Bezirks­verwaltungsbehörden zur Besorgung überlassen bleiben.

 

Zu Artikel 78c B-VG:

 

Auf die innerorganisatorische Aufteilung in Wachkörper einerseits und Sicherheitsbehörden andererseits, die im Bereich der Bundespolizeidirektionen ohnehin nie befriedigend gelungen ist, wird künftig verzichtet. Eine Sonderstellung kommt nur jenen Beamten zu, die als Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Anwendung von unmittelbarer Zwangsgewalt befugt sind, wozu insbesondere der Waffengebrauch zählt. Solche Organe müssen selbstverständlich besonders geschult sein. Die näheren Voraussetzungen zu normieren, unter denen ein Beamter zum Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes ernannt werden kann, wird dem Bundesgesetzgeber überantwortet.


 

Zu Artikel 78d B-VG:

 

Im Sinne einer Zusammenführung jener Bestimmungen zur Sicherheitsverwaltung, die im Verfassungsrang stehen, wird vorgeschlagen, auch die Regelung des Menschenrechtsbeirates in den Kontext dieser Bestimmungen einzubeziehen. Dabei sollte jedoch auf eine Stärkung der Unabhängigkeit dieses Organs geachtet werden. Zu diesem Zweck wird vorgeschlagen, die Ernennung vom Bundesminister für Inneres auf den Bundespräsidenten zu übertragen, und zwar ohne Bindung an einen Vorschlag.

 

 


 

7              Ausschuss VII – Strukturen besonderer Verwaltungseinrichtungen

 

7.1       Burgstaller Gabi, Mag.

7.1.1   Textvorschlag zu den Grenzen der Ausgliederung

Eingebracht im gemeinsamen Ausschuss 6 und 7 (siehe 6.1.1.)

 

 

7.2       Matzka Manfred, Dr.

7.2.1   Reformaspekte zur Privatwirtschaftsverwaltung

Eingebracht im Ausschuss 7,. 6. Sitzung, 17.12.2003

 

 

Reformaspekte zur Privatwirtschaftsverwaltung

Diskussionsgrundlage für die 6. Ausschusssitzung

am 17. Dezember 2003

 

 

1. Einleitung

 

2. Probleme und Grundsatzfragen

 

Legalitätsprinzip

Staatliche Verantwortlichkeit und Rechtsform

Kontrollfragen

 

3. Verfassungsrechtliche Rechtsquellen

 

Art. 17 B-VG

Art. 116 Abs. 2 B-VG

Sonstiges

 

4. Kompetenzverteilung

 

5. Grundrechtsfragen

 

Leistungsverpflichtung und Kontrahierungszwang

Gleichheitsfragen und andere Grundrechte

 

6. Förderungen

 

Konzentration, Doppelförderungen, Grundsatz der Koordinierung

Kontrolle und Rechtsschutz

 

7. Rechtsschutz

 

 

1. Einleitung

 

Zur Zeit des In-Kraft-Tretens des B-VG war staatliches Handeln in Privatrechtsformen und die Führung von Unternehmungen durch den Staat eine derartige Selbstverständlichkeit, dass man die ursprünglich vorgesehene Ermächtigung in Art. 17 Abs. 2 B-VG einfach wegließ. Im Laufe der Entwicklung hat sich diese Betrachtungsweise verändert: Heute geht die Diskussion vereinzelt darum, ob der Staat berechtigt sein soll, jegliche Wirtschaftstätigkeit zu führen. In Österreich wurde diese Diskussion vereinzelt im Zusammenhang mit kommunalen Aufgaben geführt, die Positionen sind allerdings bei weitem nicht so exponiert, wie etwa in der Europäischen Union. Man kann davon ausgehen und wird dies auch weiter können, dass der Staat private Rechtsgeschäfte abschließen kann, dass er Förderungen in privatrechtlichen Formen vergeben kann und dass er Einrichtungen schaffen und führen kann, die auf privat­rechtlicher Basis bestehen. Einschränkungen grundsätzlicher Natur - etwa eine Bindung an einen allgemeinen öffentlichen Zweck oder an bestimmte Kernaufgaben des Staates - scheinen hiefür nicht angezeigt.

 

In der Entstehungsphase des B-VG war offenbar auch die Legalitätsbindung der Privat­wirtschafts­verwaltung kein Problem. Eine intensive verfassungsrechtliche Diskussion dazu konzen­trierte sich dann aber in den 60er Jahren darauf, wie eng die sogenannten Selbst­bindungs­gesetze das Handeln der Organe determinieren sollen. Diese Diskussion hat sich als verfassungsrechtlich weitgehend fruchtlos erwiesen und es scheint nicht sinnvoll, sie durch Überlegungen zur Neuformulierung von Verfassungsnormen wieder aufzugreifen.

 

Ein weiterer Diskussionsstrang beschäftigte sich mit der Frage der Grundrechtsgeltung in der Privatwirtschaftsverwaltung. Die Fragen der Drittwirkung und Fiskalgeltung sind mittlerweile durch die zivilrechtliche Judikatur einer sehr praktikablen Lösung zugeführt: Eine Bindung des Staates wird angenommen und sie ist - sei es auch über den Umweg privatrechtlicher Topoi und zivilgerichtlicher Verfahren - auch durchsetzbar.

 

Eine dritte Ebene der Diskussion konzentriert sich auf die Frage, ob und inwieweit sich der Staat durch die Wahl der Handlungsform seiner Verpflichtungen entziehen kann; auch hier liefert die Judikatur der letzten Jahre wichtige Ansatzpunkte zur Beantwortung im Sinn einer Bindung des Staates.

 

In formaler Hinsicht muss man feststellen, dass das positive Verfassungsrecht keine geschlossene Systematik zur Regelung der Privatwirtschaftsverwaltung vorsieht. Die darauf bezug habenden Regelungen sind durchaus fragmentarisch und verstreut. Eine verfassungs-legistische Neufassung ist überlegenswert.

 

 

2. Probleme und Grundsatzfragen

 

Legalitätsprinzip

 

Die Diskussion um die Reichweite der Geltung des Legalitätsprinzips für die Privatwirt­schafts­verwaltung führte vielleicht deshalb zu keinem klaren Ergebnis, weil sie am falschen Ende des Problems ansetzte: In Wahrheit geht es nicht darum, dogmatisch festzustellen, ob der historische Verfassungsgeber den Art. 18 B-VG in gleicher Weise auf alle Handlungs­formen angewendet haben wollte, sondern vielmehr darum, dem Staat die im Interesse der Bürger notwendigen Bindungen überall dort aufzuerlegen, wo sie aus demokratischer und rechtsstaatlicher Sicht unverzichtbar sind; dabei soll es auf die Form der gebundenen Handlun­gen nicht ankommen.

 

Aus dieser allgemeinen Überlegung folgert, dass eine Bindung an das Gesetz im Hinblick auf die damit verbundenen Kontrollmöglichkeiten und den Grundrechtsschutz für das privat­rechtliche Handeln für Zwecke der öffentlichen Verwaltung so wie im hoheitlichen Bereich aufrecht bleiben soll. Wie immer das Legalitätsprinzip neu formuliert werden möge, es sollte auf jeden Fall nicht zwischen hoheitlichen und privatrechtlichen Vollzugsformen differen­zieren.

 

Dies bedeutet wohl im Ergebnis eine sondergesetzliche Fundamentierung für Förderungen und Ausgliederungen, die keine abschließende Regelung im allgemeinen Privatrecht erfahren. Eine ähnlich strenge Bindung ist in Hinblick auf die Geltung des allgemeinen Privatrechts dort nicht erforderlich, wo der Staat im Rahmen der Privatautonomie im „normalen“ Wirtschaftsleben auftritt.

 

Staatliche Verantwortlichkeit und Rechtsform

 

Wissenschaft und Rechtsprechung sind sich einig: Der Staat soll sich durch die Flucht ins Privatrecht seinen gesellschaftlichen Verantwortungen nicht entziehen können. Dieser Grund­satz lässt sich aus der Judikatur des OGH - etwa zur Bundesbetreuung - ableiten, er hat aber in der Rechtsetzung noch keinen generellen Niederschlag gefunden.

 

Auf Ebene des Verfassungsrechts braucht der Grundsatz keine Positivierung. Es könnte aber sinnvoll sein, auf einfachgesetzlicher Ebene manche strenge Trennungen zwischen hoheit­lichen und privatrechtlichen Handlungsformen dort zu überwinden, wo öffentliche Aufgaben in privatrechtlichen Formen wahrgenommen werden. Selbstbindungsgesetze und Selbst­bindungs­verordnungen, im Interesse der Betroffenen sinnvolle Konstruktionen wie Kontra­hierungszwang und Verbandsklage, neue Vertragstypen insbesondere von generell-abstrakter Bedeutung können hier hilfreich sein.

 

Diese Konstruktionen reichen nicht in die verfassungsrechtliche Sphäre, sondern werden auf der Ebene des einfachen Gesetzes anzusiedeln sein.

 

Kontrollfragen

 

Eine parlamentarische Kontrolle muss voll funktionsfähig sein, auch wenn der Staat in Formen der Ausgliederung oder in privatrechtlichen Formen handelt.

 

Dies erfordert es, zu vermeiden, dass sich staatliche Organe gegenüber dem Parlament auf die im Privatrechtsverkehr durchaus üblichen Geheimhaltungspflichten berufen können. Allerdings ist dann, wenn eine vollständige Kontrolle vorgesehen wird, unter Umständen durch andere geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass privatrechtlich geführte Einrich­tungen des Staates und deren Privatrechtspartner durch diese Kontrolle keine wirtschaftlichen Nachteile erleiden.

 

Ähnliche Überlegungen werden zur Subventionsverwaltung zu gelten haben: Die Parlamente haben ein Recht auf volle Information und volle Transparenz bis zum Einzelfall. Unter gewissen Voraussetzungen sind aber Förderungsnehmer auch vor einer zu weit gehenden Veröffentlichung ihrer finanziellen Situation zu schützen. Der Gesetzgeber wird hier eine grundrechtskonforme Interessensabwägung vornehmen müssen.

 

Was die parlamentarische Kontrolle staatlicher Funktionäre im Rahmen von Ausgliederungen anlangt, so wird diese jedenfalls schrankenlos alle jene Funktionen erfassen müssen, die öffentliche Funktionäre als Eigentümer wahrnehmen. Werden von den obersten Verwaltungs­organen Personen in Aufsichtsgremien entsandt, so wird die Kontrolle so weit gehen können, als den Entsendenden ein Informationsrecht gegenüber diesen Aufsichtsräten zukommt. Seine Grenze wird das Kontrollrecht dort finden, wo die Geschäftsführung dem Eigentümer und den Aufsichtsorganen keine bzw. nur eine nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Rechenschaft schuldig ist.

 

 3. Verfassungsrechtliche Rechtsquellen

 

(Vgl. zu den Kommentierungen Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, und Mayer, Bundes-Verfassungsrecht, Kurzkommentar 3. Auflage, 2002)

 

Art. 17 B-VG (Privatwirtschaftsverwaltung - Bund und Länder)

 

   „Durch die Bestimmungen der Artikel 10 bis 15 über die Zuständigkeit in Gesetzgebung und Vollziehung wird die Stellung des Bundes und der Länder als Träger von Privatrechten in keiner Weise berührt.“

 

Diese Bestimmung konstituiert Bund und Länder als Träger von Privat­rechten und ermächtigt sie, auch als Rechtsunterworfene tätig zu werden; dabei sind sie nicht durch die allgemeine Kompetenzverteilung beschränkt. Es wird angenommen, dass Bund und Länder ihre eigene Privatwirtschaftsverwaltung durch sog. „Selbstbindungsgesetze“ regeln dürfen; diese Gesetze dürfen aber nur das Verhalten der Organe des Rechtsträgers regeln und keine subjektiven Rechte Dritter begründen. Für die Qualifikation eines Aktes als Akt der Privatwirtschafts- oder Hoheitsverwaltung ist die Rechtsform entscheidend.

 

Art. 116 Abs. 2 B-VG (Privatwirtschaftsverwaltung - Gemeinden)

 

   „(2) Die Gemeinde ist selbständiger Wirtschaftskörper. Sie hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszu­schreiben.“

 

Diese Bestimmung konstituiert die Gemeinde als Träger von Privatrechten. Die Ange­legen­heiten der Privatwirtschaftsverwaltung zählt gemäß Art. 118 Abs. 2 B-VG ausdrück­lich zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Der Ausdruck „innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze“ bedeutet, dass besondere Beschränkungen für die Gemeinde unzulässig sind.

 

Sonstiges

 

- Art. 104 Abs. 1 und 2 B-VG

   (Grundsatz der unmittelbaren Privatwirtschaftsverwaltung; Auftragsverwaltung)

 

   „(1) Die Bestimmungen des Artikels 102 sind auf Einrichtungen zur Besorgung der im Artikel 17 bezeichneten Geschäfte des Bundes nicht anzuwenden.

 

   (2) Die mit der Verwaltung des Bundesvermögens betrauten Bundesminister können jedoch die Besorgung solcher Geschäfte dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen. Eine solche Übertragung kann jederzeit ganz oder teilweise widerrufen werden. Inwieweit in besonderen Ausnahmefällen für die bei Besorgung solcher Geschäfte aufgelaufenen Kosten vom Bund ein Ersatz geleistet wird, wird durch Bundes­gesetz bestimmt. Art. 103 Abs. 2 und 3 gilt sinngemäß.“

 

In der Privatwirtschaftsverwaltung gilt - abweichend von Art. 102 - der Grundsatz der unmittel­baren Bundesverwaltung. Der zuständige Bundes­minister kann gemäß Abs. 2 seinen Bereich der Privatwirtschafts­verwaltung auch in Form der mittel­baren Bundesverwaltung besorgen (sog. „Auftragsverwaltung“).

 

- Art. 52 Abs. 1 und 2 (parlamentarische Kontrolle)

 

   „(1) Der Nationalrat und der Bundesrat sind befugt, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen sowie ihren Wünschen über die Ausübung der Vollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben.

 

   (2) Kontrollrechte gemäß Abs. 1 bestehen gegenüber der Bundesregierung und ihren Mitgliedern auch in bezug auf Unternehmungen, an denen der Bund mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist und die der Kontrolle des Rechnungs­hofes unterliegen. Einer solchen finanziellen Beteiligung ist die Beherrschung von Unter­nehmungen durch andere finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen gleichzuhalten. Dies gilt auch für Unternehmungen jeder weiteren Stufe, bei denen die Voraussetzungen gemäß diesem Absatz vorliegen.“

 

Das sog. „Interpellationsrecht“ bezieht sich auf „die Geschäfts­füh­rung der Bundesregierung“, also auf die gesamte hoheitliche und privatwirt­schaftliche Tätig­keit. Dazu zählt allerdings nur jenes Verwaltungshandeln, das dem Bund zuzurechnen ist. Abs. 2 stellt klar, dass dies jeden­falls auf die vom Bund beherrschten Unternehmen zutrifft.

 

- Art. 126b, 127 und 127a (Kontrolle durch den Rechnungshof)

   (Anm: Text nicht abgedruckt; Überarbeitung und Zusammenfassung dieser Bestimmungen wird gesondert diskutiert)

 

- Art. 148a Abs. 1 und 2 (Kontrolle durch die Volksanwaltschaft)

 

   „(1) Jedermann kann sich bei der Volksanwaltschaft wegen behaupteter Mißstände in der Verwaltung des Bundes einschließlich dessen Tätigkeit als Träger von Privatrechten beschweren, sofern er von diesen Mißständen betroffen ist und soweit ihm ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht. Jede solche Beschwerde ist von der Volksanwaltschaft zu prüfen. Dem Beschwerdeführer sind das Ergebnis der Prüfung sowie die allenfalls getroffenen Veranlassungen mitzuteilen.

 

   (2) Die Volksanwaltschaft ist berechtigt, von ihr vermutete Mißstände in der Verwaltung des Bundes einschließlich dessen Tätigkeit als Träger von Privatrechten von Amts wegen zu prüfen.“

 

Diese Bestimmung unterwirft die gesamte Verwaltungstätigkeit des Bundes der Kontrolle durch die Volksanwaltschaft; erfasst ist sowohl die Hoheits- als auch die Privatwirtschafts­verwaltung des Bundes. Gemäß Art. 148i B-VG kann die  Volksanwalt­schaft durch Landes­verfassungs­gesetz auch für den Bereich der Verwaltung des betreffenden Landes für zuständig erklärt werden.

Zur Privatwirtschaftsverwaltung zählen nur die Maßnahmen, die dem Bund zuzurechnen sind, nicht jedoch Angelegenheiten, die von ausgegliederten Unternehmen zu besorgen sind. Vgl. dazu auszugsweise die Ausführungen des VfGH in VfSlg. 13.323/1992:

 

„Fraglich kann vom Wortlaut her jedoch sein, ob zu den der Prüfung durch die Volksanwaltschaft unterworfenen Akten des Bundes als Träger von Privatrechten auch jene zählen, die nicht der Bund selbst, sondern ein von ihm bestimmter anderer (sog. Ausge­gliederter) Rechtsträger setzt. Vom Wortlaut her ist sowohl eine auf einen organi­sato­rischen Bundesbegriff abstellende als auch eine funktionelle Deutung möglich.

    2.3.2. Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß die gewichtigeren Gründe für die organisatorische Deutung sprechen. Denn in den - zur Ermittlung des Willens des Verfassungsgesetzgebers heranzuziehenden - Materialien zur Regierungsvorlage eines Bundesverfassungsgesetzes über die Einrichtung der Volksanwaltschaft und eines Bundes­gesetzes über die Organisation und das Verfahren der Volksanwaltschaft (94, 95 BlgNR 14. GP), und zwar im Bericht des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundes­gesetzes über die Volksanwaltschaft, zu dem der Verfassungsunterausschuß diese beiden Regierungsvorlagen zusammengefaßt hatte (421 BlgNR 14. GP, S 2), heißt es ausdrücklich, daß unter den Begriff der "Verwaltung des Bundes einschließlich seiner Tätigkeit als Träger von Privatrechten" (diese Wendung wird synonym für die Wortfolge "Verwaltung des Bundes einschließlich dessen Tätigkeit als Träger von Privatrechten" in § 1 Abs 2 des Gesetzes­entwurfes gebraucht) nicht ua. "die (privatwirtschaftliche) Tätigkeit vom Bund verschiedener Rechtsträger" fällt (so etwa "der verstaatlichten Industrie oder der verstaatlichten Banken"), die somit auch nicht der Kontrolle der Volksanwaltschaft unterliegen. Diese im Ausschuß­bericht vertretene Rechtsansicht fand die Zustimmung der überwiegenden Lehre.“

 

 - Art. II B-VG-Novelle 1974, BGBl. Nr. 444/1974 (Monopole)

 

   „Durch Artikel I Z. 18 (Anm: Neufassung des Art. 17 B-VG) wird die Einrichtung von Monopolen durch die Bundesgesetzgebung nicht berührt.“

 

Vgl. dazu Bernhard Raschauer, Monopolunternehmen - Zugleich ein Beitrag zum Recht der öffentlichen Unternehmung, ZfV 1987, 1:

 

„Eine vermeidbare systematische Auslegungsproblematik hat der Verfassungs­gesetzgeber in der B-VG-Novelle BGBl 1974/444 aufgetan. In der - "zu Art 17 B-VG" erlassenen - Übergangsbestimmung des Art II wird angeordnet, daß durch die Neufassung des Art 17 B‑VG "die Einrichtung von Monopolen durch die Bundesgesetzgebung nicht berührt wird". Es könnte der Schluß gezogen werden, daß die Monopole dadurch systematisch in den Kontext des Art 17 B-VG und damit in die Nähe der "Stellung des Bundes als Träger von Privatrechten" gerückt worden seien. Inhalt der Neufassung des Art 17 B-VG war allerdings die Streichung des Art 17 Abs 2 B-VG, demzufolge der Bund in diesen Rechtsbeziehungen durch die Landesgesetzgebung niemals ungünstiger gestellt werden durfte als das betreffende Land selbst. Dies spricht dafür, daß durch die zitierte Übergangsbestimmung lediglich klar­gestellt werden sollte, daß eine Diskriminierung der Bundesmonopole durch die Landes­gesetzgebung weiterhin unzulässig sein soll - freilich bleibt der Umstand, daß sich Art 17 Abs 2 B-VG lediglich auf die Stellung des Bundes als Träger von Privatrechten bezog.“

 

 4. Kompetenzverteilung

 

Nach der derzeitigen Verfassungslage gibt es für den Bund, die Länder und die Gemeinden eine uneingeschränkte Zuständigkeit zur Vollziehung in privatrechtlichen Handlungsformen. Die Alternative dazu - die man etwa in der deutschen Verfassungsordnung findet - wäre, Kompe­tenzen analog zur Hoheitsverwaltung auf die Gebietskörperschaften aufzuteilen. Diese Alternative wurde bisher weder in der wissenschaftlichen noch in der politischen Diskussion angeregt und sie scheint auch sachlich nicht sinnvoll. Es soll also bei dieser verfassungs­rechtlichen Kompetenzlage bleiben.

 

Man muss aber die Frage stellen, ob die Formulierung des Art. 17 B-VG wirklich ausreichend klar zum Ausdruck bringt, was gewollt ist. Hier läge eine Umformulierung nahe, die einfach anordnet: „Durch die Kompetenzverteilung wird die Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes, der Länder und der Gemeinden nicht berührt.“

 

Anders als bei der Verwaltung stellt sich die Situation bei der Zuständigkeit zur Gesetzgebung für Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung dar: Hier hat der Bund eine  unein­geschränkte Zuständigkeit als Zivilrechts-Gesetzgeber. Er kann diese auch dahingehend nutzen, Sonderprivatrecht für sich selbst zu schaffen. Den Ländern ist diese Möglichkeit verwehrt, was angesichts paralleler Entwicklungen im Förderungs- und Ausgliederungswesen nicht recht zu begründen ist. Es liegt daher nahe, eine verfassungsrechtliche Kompetenz­erweiterung der Länder ähnlich der Konstruktion des Art. 11 Abs. 2 oder des Art. 15 Abs. 9 B-VG anzuregen, die sinnvoller Weise in unmittelbarer Verbindung zur Grundsatznorm angelagert sein sollte. Sie könnte klarstellen: „Soweit dies im Interesse der Einheitlichkeit in der Privatwirtschaftsverwaltung erforderlich ist, können für Ausgliederungen von Landes­einrichtungen in Landesgesetzen Regelungen getroffen werden, die vom allgemeinen Gesellschaftsrecht abweichen.“   

 

Inwieweit eine ähnliche Vorgangsweise auch für das Förderungswesen angezeigt ist, wäre zu überlegen.

 

5. Grundrechtsfragen

 

Grundrechtsgeltung, Leistungsverpflichtung und Kontrahierungszwang

 

Allgemein soll wohl in einem modernen Staat, der sich nicht auf die traditionellen hoheitlichen Verwaltungsformen Bescheid und Verordnung beschränkt, gelten, dass die Grund­rechte auch in die Privatwirtschaftsverwaltung hineinwirken, dass in existenziell wichtigen Bereichen Leistungspflicht besteht, dass Gewährleistung den Staat bindet, dass Gleichheitssatz und Willkürverbot gelten und dass der Rechtsschutz des Einzelnen einfach zu handhaben ist. Hier ergeben sich auf verfassungsrechtlicher Ebene insbesondere Anfor­derungen an die Formulierung der Grundrechte und an die Formulierung der Zuständigkeiten der ordentlichen Gerichte sowie der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts.

 

Auch hier sollte eher nicht der Ansatz gewählt werden, sich in endlose Diskussionen darüber einzulassen, welche Positionen die Verfassungsdogmatik anbietet. Vielmehr ginge es bei der Gestaltung eines neuen Konzepts darum, die Interessenslage der Normadressaten - also der Leistungs- und Förderungsempfänger sowie der Steuerzahler - im Auge zu haben.  Dieser Ansatz wird im wesentlichen dazu führen, dass dem Gesetzgeber jede Unsachlichkeit und der Vollziehung jegliche Willkür in der Entscheidung über die (Abschaffung einer) Leistung verboten ist.

 

Weiters sind Zuständigkeiten und Instanzenzüge so zu gestalten, dass sie für den einzelnen Betroffenen den optimalen Schutz gewähren. Umwegkonstruktionen wie etwa sukzessive Zuständigkeiten sind zu beseitigen. Es spricht nichts dagegen, für die Kontrolle privat­rechtlichen Handelns des Staates die Gerichte zuständig zu machen; in diesem Fall ist aber sicherzustellen, dass sie die relevanten Grundrechtsnormen ebenso anwenden, wie die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts. Im Prozessrecht ist an Elemente zu denken, die dem öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz nahe kommen: Verringerung des Kostenrisikos, Elemente des außerstreitigen Verfahrens, Verbandsklage  

 

Gleichheitsfragen und andere Grundrechte

 

Der Gleichheitssatz bzw. das Willkürverbot, wie es sich aus der ständigen Rechtsprechung herleitet, wird in der Privatwirtschaftsverwaltung im wesentlichen dazu führen, dass dem Gesetzgeber jede Unsachlichkeit bei den Parametern und dem Vollzugsorgan jegliche Willkür bei der Zuerkennung einer Leistung verboten ist. Inwieweit dies eine entsprechende legistische Umgestaltung des Gleichheitssatzes erfordert, ist im Kontext des Ausschusses 4 zu beurteilen.

 

Was die Wirkung anderer Grundrechte im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung anlangt, so werden in der Literatur Grenzen der Privatautonomie etwa infolge der Erwerbsfreiheit, der Vereinigungsfreiheit, des Rechts auf freie Meinungsäußerung, etc. diskutiert. Die aufgewor­fenen Probleme scheinen sich mit den Mitteln der Rechtsdogmatik lösen zu lassen.

 

6. Förderungen

 

Konzentration, Doppelförderungen, Grundsatz der Koordinierung

 

Aus der konkurrierenden Zuständigkeit der Gebietskörperschaften ergibt sich logischer Weise, dass privatrechtliche Förderungen für dasselbe Fördersubjekt bzw. für dieselbe Aufgabe von jeder Gebietskörperschaft vorgenommen werden können. Damit ist es im Prinzip möglich - wenngleich in der Praxis eher selten - dass Einzelprojekte in unkoor­di­nierter Weise doppelt gefördert werden.

 

Grundsätzlich wäre dieses Problem nur dann vollständig zu beseitigen, wenn man an eine klare Kompetenzaufteilung im Förderwesen denkt. Dieser Weg soll aber aus den bereits darge­stellten Überlegungen heraus nicht eingeschlagen werden.

 

Es empfiehlt sich vielmehr eine möglichst weitgehende Koordinierung der Gebiets­körper­schaften im Förderwesen. Hiefür steht eine ganze Palette von Möglichkeiten zur Verfügung:

-         paktierte Gesetzgebung;

-         paktierte Förderprogramme;

-         gemeinsame Schwerpunktsetzung;

-         gegenseitige Information vor Fördervergabe;

-         gegenseitige Information nach Fördervergabe;

-         gegenseitig generell-abstrakte Information.

 

Diese Möglichkeiten werden derzeit nur ansatzweise genutzt; weder innerhalb der Gebiets­körper­schaften noch über Gebietskörperschaftsgrenzen hinweg existiert ein vollständig ausgebautes Koordinationsinstrumentarium. Im Interesse der Sparsamkeit und Zweckmäßig­keit, aber auch zur Steigerung der politischen Effizienz ist jedenfalls anzuregen, dass

-         die Vorarbeiten für eine bundesweite Förderdatenbank im Wirtschaftsressort konzen­triert werden, wobei auch Arbeitsmarktförderungen und Agrarförderungen neben allen Bereichen der Wirtschaftsförderung im engeren Sinn einzubeziehen sind,

-         die zuständigen Bundesminister und Landesräte koordinierend insbesondere in den Feldern der Kulturförderung und der Sportförderung tätig werden und

-         entsprechende Instrumente geschaffen werden, um die Wirkung von Förderungen statistisch, wirtschaftlich und politisch zu messen.

 

 Kontrolle und Rechtsschutz

 

Die parlamentarische Kontrolle der Subventionsverwaltung setzt einen umfassenden und detaillierten Informationsfluss voraus. Die derzeit vorgesehenen zahllosen Berichte sollten zu diesem Zweck in der Systematik vereinheitlicht und in ihrem Inhalt in einen generellen analytischen Teil sowie eine Förderungsliste geteilt werden. Das Schwergewicht wäre auf den ersten Teil zu legen, der Rechenschaft zu geben hätte, ob die politischen Ziele mit den Förderungen erreicht wurden, ob das gewählte Instrumentarium den besten Kosten-Nutzen-Effekt hatte und welche Konsequenzen für die Zukunft aus den Erfahrungen in der Vergangen­heit gezogen werden.

 

Zur Erleichterung der politischen und der Rechnungshofkontrolle wären alle Lücken zu schließen, in denen es noch keine Förderrichtlinien gibt. Die Richtlinien sollten möglichst einheitlich gestaltet sein und den Fördernehmern wie auch der Verwaltung die notwendige Abrechnung der sachgerechten Mittelverwendung möglichst erleichtern. Sie sollen den Förder­nehmern Klarheit darüber geben, wofür die Mittel einzusetzen sind und sie sollen der Verwaltung ein Recht auf vollständige Information über die geförderte Tätigkeit des Subventions­nehmers einräumen.

 

Eine Reihe von allgemeinen Überlegungen spricht dafür, die Kontrollrechte der Volks­anwaltschaft auch in diesem Bereich so effektiv zu gestalten wie in der Hoheitsverwaltung. Es wird angeregt, ihre Ausdehnung auf ausgegliederte Rechtsträger zu überlegen.

 

7. Rechtsschutz

 

Die rechtsstaatliche Kontrolle im privatwirtschaftlichen Förderungswesen ist bei den ordent­lichen Gerichten durchaus gut aufgehoben. Im Lichte der vorangegangenen Ausführun­gen zu den Grundrechten ist hier keine gesonderte verfassungsrechtliche Normierung erforder­lich, es wird vielmehr darauf ankommen, wie der Grundrechtsschutz insgesamt ausgestaltet wird.

 

Die derzeit in Einzelbereichen vorgesehenen sogenannten sukzessiven Instanzenzüge wären zu beseitigen. Sie sind aufwändig und kompliziert in der Konstruktion und erschweren damit die Position des einzelnen Leistungsempfängers eher, als dass sie zu seinem Schutz beitragen. Mit der Ausbildung eines umfassenden verwaltungsgerichtlichen Systems sollte es auch leicht sein, diese Anomalie im Verfassungsgefüge zu beseitigen.

 

Handlungsbedarf besteht insbesondere in der Stärkung der Schutzbedürfnisse des einzelnen gegenüber ausgegliederten und privatrechtlich agierenden Einrichtungen des Staates. Hier wird es notwendig sein, auf einfachgesetzlicher Ebene in der jeweiligen Rechtsgrundlage einerseits Leistungsansprüche zu verankern, die umso intensiver sein müssen, je essentieller die Produkte des Ausgegliederten für die Lebenssituation der Menschen sind; andererseits wird man bewährte Instrumente einsetzen müssen, die etwa aus dem Konsumentenschutz oder aus der kollektiven Rechtsgestaltung kommen: Es ist durchaus sinnvoll, die Tarifgestaltung eines ausgegliederten staatlichen Museums, die Höhe universitärer Studiengebühren oder die Entgelte für kommunale Versorgungsleistungen an eine übergeordnete Kontrolle zu binden. Träger dieser Kontrolle könnten sowohl anwaltschaftliche Einrichtungen und Nutzergruppen als auch parlamentarische Einrichtungen sein.

 

 


 

8              Ausschuss VIII – Demokratische Kontrollen

 

8.1       Hatzl Johann

8.1.1   Textvorschlag Artikel 19 Abs. 1 bis 7

 

Artikel 19 Absatz 1 bis 7

 

(1) Die obersten Organe der Vollziehung sind der Bundespräsident, die Bundesminister und Staatssekretäre soei die Mitglieder der Landesregierungen.

 

(2) Durch Bundesgesetz kann die Zulässigkeit der Betätigung der obersten Organe der Vollziehung des Bundes, der Länder und Gemeinden, der Mitglieder ihrer allgemeinen Verwaltungskörper und von sonstigen öffentlichen Funktionären in der Privatwirtschaft oder einem anderen Beruf untersagt oder beschränkt werden. Solche Gesetze können auch die Rechte der freien Ausübung jedes Erwerbszweiges sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens und des Datenschutzes einschränken.

 

(3) Ist die entgeltliche Ausübung einer solchen Betätigung einem Organ gemäß Abs. 2 nicht durch Gesetz untersagt, darf sie so lange ausgeübt werden, als dies vom hiezu berufenen Ausschuss des zuständigen Vertretungskörpers nicht ausdrücklich wegen der Gefährdung der objektiven und unbeeinflussten Amtsführung untersagt wird. Die unentgeltliche Ausübung einer solchen Betätigung ist jedoch jedenfalls zulässig.

 

(4) Ist eien solche Betätigung einem Organ gemäß Abs. 2 durch Gesetz untersagt, so darf sie ausnahmsweise nur dann ausgeübt werden, wenn dies unentgeltlich erfolgt und nachdem dies vom hiezu berufenen Ausschuss des zuständigen Vertretungskörpers ausdrücklich genehmigt wurde, weil die Ausübung dieser Betätigung im Interesse einer Gebietskörperschaft liegt. Die Verwaltung des eigenen Vermögens ist in jedem Fall zulässig, sofern damit kein unmittelbarer oder mittelbarer Einfluss auf die Geschäftsführung von Unternehmungen, Stiftungen und Fonds verbunden ist.

 

(5) Entscheidungen gemäß Abs. 3 und 4 hat der hiezu berufene Ausschuss des Nationalrates, bei Mitgliedern des Bundesrates dessen zuständiger Ausschuss [jeweils mit zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen] zu fällen. Bei Organen der Länder und Gemeinden gemäß Abs. 2 obliegen diese Entscheidungen dem hiezu berufenen Ausschuss des jeweiligen Landtages. Diesen Ausschüssen haben Organe gemäß Abs. 2 auch solche Betätigungen sowie ihr Vermögen auf Grund besonderer gesetzlicher Bestimmungen mitzuteilen [der Inhalt dieser Mitteilungen ist zu veröffentlichen].

 

(6) Näheres regelt das Unvereinbarkeitsgesetz. Es darf vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. Durch Landesverfassungsgesetz können weitere Einschränkungen solcher Betätigungen verfügt werden.

 

(7) Wenn Organe gemäß Abs. 2 entgegen der Entscheidung eines Ausschusses gemäß Abs. 5 eine derartige Betätigung ausüben, kann der zuständige Vertretungskörper beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag wegen Verletzung seines Beschlusses stellen. Im Falle einer untersagten Betätigung kann auch der Betroffene die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Ausschusses beim Verfassungsgerichtshof beantragen. Das Gesetz über die Geschäftsordnung des zuständigen Vertretungskörpers kann dessen Rechte auch einem seiner Ausschüsse übertragen. Der Verfassungsgerichtshof kann auf Aberkennung der Funktion erkennen oder sich bei geringfügigen Rechtsverletzungen auf die Feststellung beschränken, dass eine Rechtsverletzung vorliegt.

 

 

8.2       Häupl Michael, Dr.

8.2.1   Kontrollrechte der Gemeinden

 

 

Herrn

Volksanwalt

Dr. Peter Kostelka

Volksanwaltschaft

Singerstraße 17

1015 Wien

 

 

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

 

Ich beziehe mich auf dein Schreiben vom 19. November 2003 und übermittle dir gerne, auf Grundlage deiner Fragestellung, eine Punktation der Vorstellungen und Forderungen des Österreichischen Städtebundes über die bundesverfassungsgesetzlich zu regelnde Kontrolle in den Gemeinden:

 

1. Bundeseinheitliches Kontrollniveau für die Gemeinden

 

·    Die Gebarungskontrolle der Gemeinden unter 20.000 Einwohnern soll, um Doppelprüfungen zu vermeiden, auch in Zukunft nicht dem Rechnungshof unterliegen, sondern weiterhin durch die Gemeindeaufsichtsbehörden wahrgenommen werden.

 

2. Neugestaltung der Kontrollrechte auf Bundesverfassungsebene

 

·    Gemäß Art 118 Abs. 5 B-VG sind der Bürgermeister, die Mitglieder des Gemeindevorstandes, des Stadtrates, des Stadtsenates und allenfalls bestellte andere Organe der Gemeinde bei der Erfüllung ihrer dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehörigen Aufgaben dem Gemeinderat verantwortlich. Welche Kontrollrechte bzw. Sanktionen dabei Anwendung finden wird durch Landesgesetze (Gemeindeordnungen, Stadtstatute) genauer geregelt. Vor dem Hintergrund, dass es Ziel des Verfassungskonvents ist, eine schlanke Bundesverfassung zu erarbeiten, erachtet es der Österreichische Städtebund für nicht erforderlich, in der Bundesverfassung die Kontrollrechte im Detail, wie dies etwa für die Bundesregierung in Art 52 geregelt ist, neu zu gestalten.

·    Sollten die Beratungen im Ausschuss 8 aber zu dem Ergebnis kommen, dass eine Homogenisierung der Bestimmungen über die Kontrollrechte erstrebenswert ist, dann könnte nach Meinung des Österreichischen Städtebundes der Anwendungsbereich des Art 52 B-VG sowohl auf Länder als auch auf Gemeinden ausgedehnt werden.

 

3. Umfang der Kontrolle der Gemeinden durch die Aufsichtsbehörden

 

·    Aufgrund der Tatsache, dass im Rahmen der Verfassungsreform Landesverwaltungsgerichtshöfe eingerichtet werden erscheint es aus Sicht des Österreichischen Städtebundes erstrebenswert, wenn in Zukunft die Kontrolle von Bescheiden bzw. Verordnungen nicht mehr durch die Gemeindeaufsichtsbehörde erfolgt, sondern ebenfalls durch die Landesverwaltungsgerichtshöfe (Entfall der Vorstellung gem. Art 119a B-VG).

·    Damit verbunden müsste aber den Gemeinden das Recht eingeräumt werden, gegen die Entscheidung der Landesverwaltungsgerichtshöfe Beschwerde an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts erheben zu können, ferner müsste, bei Entfall der zweiten innergemeindlichen Instanz, das Recht zur Berufungsvorentscheidung nach AVG so ausgestaltet werden, wie dies derzeit schon im Abgabenverfahren gegeben ist.

·    Gemäß dem Ziel des Verfassungskonvents, wesentliche Grundlagen für eine moderne Verwaltung zu schaffen, sollte in Art 119a Abs. 6 B-VG normiert werden, dass durch Landesgesetze Ausnahmen von der Mitteilungspflicht von im eigenen Wirkungsbereich erlassenen Verordnungen zulässig sind. Hintergrund dieser Forderung ist es, dass derzeit Gemeinden alle im eigenen Wirkungsbereich erlassenen Verordnungen, zB auch jede Verordnung nach § 43 Abs. 2 StVO "Hupen verboten" oder "Halten verboten", der Gemeindeaufsichtbehörde mitteilen müssen, was einen enormen Verwaltungsaufwand darstellt.

 

·    Die darüber hinaus bestehenden gemeindeaufsichtsbehördlichen Kontrollrechte, wie allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle (Stichwort amtswegige Aufhebung und Nichtigerklärung von Bescheiden), Auskunfts- und Inspektionsrechte, Gebarungskontrolle für Gemeinden unter 20.000 Einwohnern, Auflösung des Gemeinderates, Ersatzvornahmen und Genehmigungsvorbehalte sollen Aufrecht bleiben, jedoch die derzeit demonstrative Aufzählung im B-VG in eine taxative umgestaltet werden.

 

Mit der Bitte um entsprechende Berücksichtigung verbleibe ich

mit vorzüglicher Hochachtung

Dr. Michael Häupl e.h.

 

 


 

8.3       Prammer Barbara Mag

8.3.1   Textvorschlag Artikel 52 Absatz 1 bis 4

 

 

Artikel 52 Abs. 1 bis 4

 

Variante 1:

 

(1) Der Nationalrat und der Bundesrat sind befugt, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen sowie ihren Wünschen über die Ausübung der Vollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben. Dieses Recht erstreckt sich auch auf Unternehmungen, an denen der Bund beteiligt ist oder die er in vergleichbarer Weise beherrscht.

 

(2) Jedes Mitglied des Nationalrates und des Bundesrates ist befugt, in den Sitzungen des Nationalrates oder des Bundesrates kurze mündliche Anfragen an die Mitglieder der Bundesregierung zu richten.

 

(3) Fragerechte gemäß Abs. 1 und 2 bestehen hinsichtlich aller Gegenstände der Vollziehung des Bundes. Dazu gehören alle Regierungsakte, alle Angelegenheiten der behördlichen Verwaltung, der Verwaltung als Träger von Privatrechten, die Tätigkeit weisungsfreier Organe sowie der in Abs. 1 genannten Unternehmungen. Widerspricht die Erteilung eienr gewünschten Auskunft dem Recht auf Datenschutz oder auf Achtung des Privat- und Familienlebens wegen der gegebenen Öffentlichkeit der Auskunft oder ist die Beantwortung unmöglich, so hat der Befragte die unterlassen Beantwortung zu begründen.

 

(4) Die nähere Regelung hinsichtlich der Rechte gemäß Abs. 1 bis 3 wird durch das Bundesgesetz betreffend die Geschäftsordnung des Nationalrates sowie die Geschäftsordnung des Bundesrates getroffen.

 

 

8.3.2   Textvorschlag Artikel 20 Absatz 3 und 4

 

 

Artikel 20 Absatz 3 und 4

 

(3) Jede Person hat ein Recht auf Auskunft gegenüber den Organen der Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit. Dieses Recht schließt den Zugang zu Dokumenten mit ein. Es erstreckt sich auf den jeweiligen Wirkungsbereich der Organe.

 

(4) Dieses Recht kann durch Gesetz Einschränkungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer untentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtssprechung zu gewährleisten.

 

(5) Seine Ausübung wird durch Bundesgesetz geregelt. Abweichende Regelungen können in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind.

 

 

8.3.3   Textvorschlag Artikel 44 Absatz 4

 

 

Artikel 44 Abs. 4

 

(4) Auf Antrag der Bundesregierung hat der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden, ob ein Gesetzesentwurf eine Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellen würde und daher eine Abstimmugn gemäß Abs. 1 zu unterziehen wäre. Einen solchen Antrag kann auch der Bundespräsident vor der Beurkundung eines beschlossenen Bundesgesetzes (Artikel 47 Abs. 1) stellen.

 

 

8.3.4   Textvorschlag Artikel 57a Absatz 1 und 2

 

Artikel 57a Absatz 1 und 2

 

(1) Die Mitglieder des Nationalrates dürfen wegen der in Ausübung ihres Mandates geschehenen Abstimmungen niemals verantwortlich gemacht werden.

 

(Wegen der in Ausübung ihres Mandates gemachten mündlichen oder schriftlichen Äußerungen können die Mitglieder des Nationalrates nur vom Nationalrat zur Verantwortung gezogen werden.

 

Artikel 57b Abs. 1 bis 7

 

(1) Die Mitglieder des Nationalrates dürfen wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung – den Fall der Ergreifung auf frischer Tat bei Ausübung eines Verbrechens ausgenommen – nur mit Zustimmung des Nationalrates verhaftet werden. Desgleichen bedürfen Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern des Nationalrates der Zustimmung des Nationalrates.

 

(2) Darüber hinaus dürfen Mitglieder des Nationalrates ohne Zustimmung des Nationalrates wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nur dann behördlich verfolgt werden, wenn diese offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit des betreffenden Abgeordneten steht. Der politischen Tätigkeit ist eine Handlung jedenfalls dann zuzuordnen, wenn sie unmittelbar der Mitwirkung an der politischen Willensbildung dient.

 

(3) Die Behörde kann eine Entscheidung des Nationalrates über das Vorliegen eines solchen Zusammenhanges einholen, sie hat dies zu tun, wenn dies der betreffende Abgeordnete oder ein Drittel der Mitglieder des mit diesen Angelegenheiten betrauten ständigen Ausschusses verlangt. Im Falle eines solchen Verlangens hat jede behördliche Verfolgenshandlung sofort zu unterbleiben oder ist eine solche abzubrechen.

 

(4) Die Zustimmung des Nationalrates gilt in allen Fällen als erteilt, wenn der Nationalrat über ein entsprechendes Ersuchen der zur Verfolgung berufenen Behörde nicht innerhalb von acht Wochen entschieden hat; zum Zweck der rechtzeitigen Beschlussfassung des Nationalrates hat der Präsident ein solches Ersuchen spätestens am vorletzten Tag dieser Frist zur Abstimmung zu stellen. Die tagungsfreie Zeit wird in diese Frist nicht eingerechnet.

 

(5) Im Fall der Ergreifung auf frischer Tat bei Verübung eines Verbrechens hat die Behörde dem Präsidenten des Nationalrates sogleich die geschehene Verhaftung bekannt zu geben. Wenn es der Nationalrat oder in der tagungsfreien Zeit der mit diesen Angelegenheiten betraute ständige Ausschuss verlangt, muss die Haft aufgehoben oder die Verfolgung überhaupt unterlassen werden.

 

(6) Die Immunität der Abgeordneten endigt mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Nationalrates, bei Organen des Nationalrates, deren Funktion über diesen Zeitpunkt hinausgeht, mit dem Erlöschen dieser Funktion.

 

(7) Die näheren Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates.

 

 

8.3.5   Textvorschlag Artikel 98 Absatz 5

 

 

Artikel 98 Absatz 5

 

Variante 1:

 

(5) Die Landtage sind befugt, die Geschäftsführung der von ihnen gewählten Landesregierungen zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung, insbesondere auch über solche der mittelbaren Bundesverwaltung, zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen. Die Landesverfassung bestimmt, welche dieser Rechte auch einem oder einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern des Landtages zukommen (Minderheitsrechte). Die Landesverfassung hat auch Bestimmungen zu enthalten, in welcher Weise die Landtage befugt sind, ihre Wünsche über die Ausübung der Landesvollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben.

 

 


 

8.3.6   Textvorschlag Artikel 148e

 

 

Artikel 148e

 

Auf Antrag der Volksanwaltschaft in einem anhängigen Prüfungsverfahren erkennt der Verfassungsgerichtshof über Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen, sowie über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundesbehörde.

 

 


 

9              Ausschuss IX – Rechtsschutz, Gerichtsbarkeit

 

9.1       Jabloner Clemens, Dr. Univ. Prof. (gemeinsam mit Grabenwarter Christoph, Dr. Univ. Prof. und Johann Rzeszut, Dr.)

9.1.1   Die Gesetzesbeschwerde als systematische Fortentwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit

Eingebracht im Ausschuss 9, 12. Sitzung, 8.9.2004

 

 

Die Gesetzesbeschwerde[167] als systematische Fortentwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit

I.

 

Textvorschlag

In Art. 139 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Der Verfassungsgerichtshof erkennt ferner über [die] Gesetzwidrigkeit von Verordnungen nach Fällung einer rechtskräftigen Entscheidung durch ein in Art. 89 Abs. 2 genanntes Gericht; dies aufgrund eines Antrags einer Person, die Partei dieses Verfahrens war und die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet.      Art. 89 Abs. 3 gilt sinngemäß. Mit der Aufhebung der Verordnung oder dem Ausspruch ihrer Gesetzwidrigkeit gilt das gerichtliche Verfahren als wieder aufgenommen. In Strafrechtssachen können dem Generalprokurator  Antragsrechte eingeräumt werden.“

 

          Art. 139a letzter Satz  lautet wie folgt:

„Art. 89 Abs. 2, 3 und 5 sowie Art. 139 Abs. 1a bis 6 sind sinngemäß anzuwenden.“

 

In Art. 140 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Der Verfassungsgerichtshof erkennt ferner über [die] Verfassungswidrigkeit von Gesetzen nach Fällung einer rechtskräftigen Entscheidung durch ein in Art. 89 Abs. 2 genanntes Gericht; dies aufgrund eines Antrags einer Person, die Partei dieses Verfahrens war und die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet.  Art. 89 Abs. 3 gilt sinngemäß. Mit der Aufhebung des Gesetzes oder dem Ausspruch seiner Verfassungswidrigkeit gilt das gerichtliche Verfahren als wieder aufgenommen. In Strafrechtssachen können dem Generalprokurator Antragsrechte eingeräumt werden.“

II.

Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil 

I. 1. Derzeitiger Rechtszustand

In der ordentlichen Gerichtsbarkeit endet der Rechtszug beim OGH, allenfalls auch bereits davor. Die letztinstanzlichen Gerichte sind auch zur Entscheidung in der Sache selbst berufen. Hat der OGH oder das zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständige Gericht Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, hat es einen Prüfungsantrag an den VfGH zu stellen (Art. 89 Abs. 2 und 140 Abs. 1 B-VG). Erzwingen kann dies die Partei des gerichtlichen Verfahrens allerdings nicht.

Anders ist die Situation bezüglich des Rechtsschutzes gegen Verwaltungsakte bzw. in Hinkunft Entscheidungen der Verwaltungsgerichte: Bescheide einer obersten Verwaltungsinstanz bzw. Entscheidungen der Verwaltungsgerichte können im Regelfall sowohl beim VwGH als auch beim VfGH angefochten werden (Art. 131 Abs. 1 und 144 Abs. 1 B-VG). Wird die Verletzung eines Grundrechts behauptet, führt der Rechtszug zum VfGH, bei sonstigen subjektiv öffentlichen Rechten zum VwGH. Der Beschwerdeführer kann beide Beschwerden miteinander kombinieren und im Weg einer „Sukzessivbeschwerde“ zuerst den VfGH, dann den VwGH in Anspruch nehmen (Art. 144 Abs. 3 B-VG). Rechtstechnisch ist dies möglich, weil beide Gerichtshöfe grundsätzlich nicht in der Sache selbst entscheiden und – etwas vereinfacht ausgedrückt – der VfGH die Entscheidung am relativ „gröberen“ Maßstab der Bundesverfassung, der VwGH aber am „feineren“ Maßstab des einfachen Gesetzes prüft. Gröbere – grundrechtsrelevante – Rechtsverletzungen können vorweg und schneller vom VfGH behoben werden. Im Rahmen der Beschwerde kann der Beschwerdeführer eine behauptete Verfassungswidrigkeit des Gesetzes selbst an den VfGH herantragen (Art. 144 Abs. 1 B-VG).

I. 2. Erzwingbarkeit der Gesetzesprüfung

Ein Reformbedarf – namentlich im Verhältnis zwischen ordentlicher Gerichtsbarkeit und VfGH – könnte darin gesehen werden, dass mangels Erzwingbarkeit der gerichtlichen Antragstellung Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen lange Zeit in Schwebe bleiben können.[168]

Die „Gesetzesbeschwerde“ soll eine Brücke zwischen dem Verfassungsgerichtshof und den anderen Gerichten schlagen. Sie gibt der Partei eines (verwaltungs)gerichtlichen Verfahrens den Rechtsbehelf in die Hand, eine Prüfung der angewendeten Vorschriften auf ihre Verfassungsmäßigkeit durch den VfGH auch verfahrensrechtlich durchzusetzen. Die Gesetzesbeschwerde ist dabei für zwei Verfahrenskonstellationen gedacht: Es kann sein, dass die Partei des gerichtlichen Verfahrens – in verwaltungsgerichtlichen Verfahren allerdings nicht die belangte Behörde – bereits vor dem Abschluss des gerichtlichen Verfahrens Normbedenken hat, diese aber vom Gericht nicht aufgegriffen werden. Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass die Partei des gerichtlichen Verfahrens erst nach dessen rechtskräftigen Abschluss zur Auffassung gelangt, die der Entscheidung zugrunde liegenden generellen Normen seien rechtswidrig.

Es ist zu unterstreichen, dass diese Form der Erweiterung der Gesetzesprüfung eine systematische Weiterentwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit darstellt. Zur Zeit der Erlassung des B-VG stand nämlich die Normenkontrolle, insbesondere die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, noch deutlich im Zeichen der „abstrakten“ Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern über Kompetenzfragen. Die „konkrete“ Normenkontrolle – und hier wieder als engerer Bereich: die verfahrensmäßige Position des Einzelnen, die Normenkontrolle durch den VfGH auch erwirken zu können – erfolgte erst schrittweise. Nach der Stammfassung des B-VG blieb nämlich der Beschwerdeführer des verfassungsgerichtlichen Bescheidprüfungsverfahrens (Art. 144 Abs. 1) darauf angewiesen, dass der VfGH selbst allfällige Normbedenken aufgriff. Eine Anfechtungsbefugnis des OGH und des VwGH wurde mit der B-VG-Novelle 1929 eingeführt und hinsichtlich der in zweiter Instanz entscheidenden ordentlichen Gerichte mit der B-VG-Novelle 1975 erweitert. Damit wurden zwar immerhin die Verfahrenswege zur Gesetzesprüfung verbreitet, die Stellung des Einzelnen wurde allerdings erst mit der B-VG-Novelle 1975  aufgewertet. Seitdem kann der Adressat eines letztinstanzlichen Bescheids behaupten, durch die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt zu sein. Ergänzt wurde diese Anfechtungsmöglichkeit durch den „Individualantrag“ (Art. 140 Abs. 1) für den Fall durch Urteil oder Bescheid nicht näher konkretisierter, aber verfassungswidrig in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreifender Gesetze.

Die Einführung der „Gesetzesbeschwerde“ – in Verbindung mit der neu geschaffenen Antragslegitimation sämtlicher Gerichte, Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen an den VfGH heranzutragen – schlüge eine Brücke hin zur ordentlichen Gerichtsbarkeit. Für die Verwaltungsgerichtsbarkeit wäre sie insoweit relevant, als – vgl. oben – der Beschwerdeführer eben erst nach Rechtskraft der Entscheidung des VwGH Normbedenken hat oder wenn – wie dies im Bericht des Rechtsschutzausschusses angeschnitten wird – zu einem späteren Zeitpunkt allenfalls die Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des VfGH zur Gänze aufgelassen würde.

Im Ausschuss 9 herrschte Einigkeit darüber, dass die Einführung der Gesetzesbeschwerde (dort noch: „des Subsidiarantrags“) jedenfalls einen Fortschritt darstelle. Die Gesetzesbeschwerde hält die Aufgabenteilung[169] bei der Einzelfallbeurteilung aufrecht, schafft aber einen umfassenden Zugang zum VfGH auch gegen Entscheidungen der beiden anderen Höchstgerichte, soweit diese die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes nicht beachtet haben sollten. Sie fügt sich im Bereich des Verwaltungsrechts in das bewährte Zusammenspiel zwischen den beiden Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts ein. Die Verfasser dieses Entwurfs betonen den Aspekt der systematischen Fortentwicklung auch deshalb, weil das parallel diskutierte Modell der „Urteilsbeschwerde“ einen wesentlich gravierenderen Schritt darstellen würde, der in das Rechtsschutzsystem für lange Zeit ein Element der Unsicherheit hineintrüge und etwa im Zivil- und Strafrecht vom VfGH viele bisher geklärte Auslegungsfragen neu „durchjudiziert“ werden müssten.[170]

Die neue Gesetzesbeschwerde verlässt auch sowohl hinsichtlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit als auch der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht den nach allgemeiner Einschätzung oberen Rahmen von höchstens drei[171] im Einzelfall entscheidenden  innerstaatlichen – hinzu kommen noch etwaige Verfahrensverzögerungen aus Vorabentscheidungsverfahren etc. – Gerichtsinstanzen, weil es eben klar um ein anderes Thema – die generelle Norm – geht. Wegen dieser trennbaren Aufgabenstellung kann der Gesetzesbeschwerde – anders als einer allgemeinen „Urteilsbeschwerde“ – nicht entgegengehalten werden, dass sich in Zivilrechtssachen diejenige Partei, die bei den ordentlichen Gerichten in drei Instanzen gewonnen hat, erneut damit konfrontiert sähe, dass die Auslegung der ordentlichen Gerichte beim VfGH gleichsam als 4. Instanz unter bereits von den anderen Gerichten zu berücksichtigenden und klärenden Aspekten in Frage gestellt werden kann und damit vermeidbare weitere Verfahrenskosten und Verzögerungen entstehen. Durch die unterschiedliche Aufgabenstellung der Gesetzesbeschwerde wird auch der Eindruck vermieden, dass hier bloß Instanz an Instanz gereiht werde, was tendenziell immer zu einer Verdünnung der für jede Instanz zur Verfügung stehenden Mittel und zu Verzögerungen führen muss.

Im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit sollte der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz Gelegenheit zur Entwicklung und Entfaltung gegeben werden, bevor tiefer greifende Systemänderungen ins Auge zu fassen sind. Die Ersteller dieses Entwurfs halten auch in diesem Sinn an ihrer Grundposition einer behutsamen systemkonformen Weiterentwicklung des Rechtsschutzsystems fest. Sollte zu einem späteren Zeitpunkt die Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des VfGH aufgelassen werden, stellt sich die Frage nach der Anfechtbarkeit verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen erster Instanz wiederum neu.

Abschließend sei betont, dass nach einer weit verbreiteten Einschätzung mit der Einführung der „Gesetzesbeschwerde“ der derzeit behauptete Mangel hinsichtlich der Durchsetzung einer verfassungskonformen Rechtsordnung weitestgehend beseitigt wird. Auch ist zu sehen, dass die Einführung der Gesetzesbeschwerde dem VfGH – zumal anfänglich – einen nicht zu vernachlässigenden Aufgabenzuwachs im Bereich der Normenkontrollverfahren erbrächte und in systemkonformer Weise seine Stellung stärkte.

 

II.  Besonderer Teil

1. Der Textvorschlag setzt die Umwandlung der derzeit bestehenden Unabhängigen Verwaltungssenate in Landesverwaltungsgerichte voraus. Auch geht er von einer umfassenden Anfechtungsbefugnis aller Gerichte aus. Im Hinblick darauf kann allgemein von den „Gerichten  im Sinne des Art. 89 Abs. 2 B-VG gesprochen werden.[172] Ansonsten wird vom status quo ausgegangen.

2. Für die legistische Einordnung in die Art. 139 und 140 B-VG wurde der Weg gewählt, neue Absätze „1a“ einzurichten. Dies deshalb, weil die jeweiligen Absätze 1 der Art. 139 f B-VG schon lang sind und man eine Neutextierung dieser Bestimmungen überhaupt überlegen sollte. In Art. 139a B-VG soll durch einen entsprechenden Verweis das Auslangen gefunden werden. Die Konsequenzen für das Verfahren  zur Prüfung von Staatsverträgen ergeben sich schon aus dem in Art. 140a Abs. 1 B-VG enthaltenen Verweis auf die geänderten Bestimmungen.

3. Die Gesetzesbeschwerde soll unabhängig davon zulässig sein, ob der Beschwerdeführer zuvor im Verfahren vor den antragsberechtigten Gerichten die Normbedenken geltend gemacht und eine Antragstellung an den VfGH angeregt hat. Denn dem Beschwerdeführer kann ja erst nach der Entscheidung des Gerichts die mögliche Verfassungswidrigkeit der Norm deutlich werden.

4. Nach dem Entwurf soll eine Gesetzesbeschwerde dann zulässig sein, wenn ein antragsberechtigtes „Gericht“ befasst war. Es ist also – schon aus prozessökonomischen Gründen – nicht vorgesehen, dass vor Erhebung der Gesetzesbeschwerde ein Instanzenzug an den VwGH oder OGH ausgeschöpft oder gesetzlich eingerichtet werden muss.

5. Im Verfassungstext sollte auch zum Ausdruck kommen, dass die „Person“, die als Beschwerdeführer vor dem VfGH auftritt, Verfahrenspartei des zugrunde liegenden gerichtlichen Verfahrens gewesen ist. Dies erscheint auch zweckmäßig im Hinblick auf eine Abgrenzung zum „benachbarten“ Individualantrag. Die Wendung „in ihren Rechten“, die beim Individualantrag nach Art. 140 Abs. 1 B-VG verwendet wird, wird nicht übernommen. Für die Nichtverwendung dieser Formel ist maßgebend, dass die Gesetzesbeschwerde der gerichtlichen Antragstellung an den VfGH nachgebildet ist und dort ja auch nicht darauf abgestellt wird, ob eine Verfahrenspartei „in ihren Rechten“ verletzt ist. Es soll schon reichen, dass die verfassungswidrige Norm anzuwenden ist. Der Umfang der  Auswirkungen auf den konkreten Einzelfall muss nicht vom VfGH geprüft werden.

Durch die notwendige Voraussetzung eines vorgehenden gerichtlichen Verfahrens und der Anwendung der bekämpften Norm kann die „Gesetzesbeschwerde“ auch nicht als „Popularbeschwerde“ jeder Person gegen jedes irgendwie verfassungswidrige Gesetz aufgefasst werden. Die Rechtsverletzungsmöglichkeit, also die notwendige „Betroffenheit“ des Beschwerdeführers von der bedenklichen generellen Norm ergibt sich aus der Geltendmachung subjektiver Rechte im (verwaltungs)gerichtlichen Verfahren.

6. Die Formulierung sollte es ausschließen, dass auch Amtsparteien im Sinn des Art. 131 Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 B-VG von der Gesetzesbeschwerde Gebrauch machen können (arg: „Person“). Dies ist deshalb wichtig, weil die Grenze zwischen konkreter und abstrakter Normprüfung nicht verwischt werden soll. Sonst könnte etwa ein Bundesminister über die Anfechtung eines Bescheids der Landesregierung die Verfassungsmäßigkeit des Bundesgesetzes bekämpfen, eine Möglichkeit, die nach     Art. 140 Abs. 1 B-VG ansonsten nicht gegeben wäre (vgl. VfGH 16. 6. 2004, G 4-6/04). In diesem Zusammenhang soll aber auch die verfassungsrechtliche Grundlage für eine mögliche Erweiterung der Kompetenzen der Generalprokuratur geschaffen werden, die in Zukunft eine ähnliche „Filterfunktion“ wie bei der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach § 33 Abs. 2 StPO haben könnte. Weitere „grundrechtsspezifische“ Maßnahmen im Strafrechtsbereich, wie etwa die Einholung von Stellungnahmen (Menschenrechtsbeirat etc.) oder formelle Erleichterungen bei der Erhebung der Grundrechtsbeschwerde an den OGH bzw. deren Ausdehnung auf weitere Grundrechte, müssen hier nicht erörtert werden, weil sie keiner weiteren verfassungsrechtlichen Grundlage bedürfen.

7. Durch die Anordnung, dass die Gesetzesbeschwerde erst nach einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zulässig ist, soll ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer (die Verfahrenspartei des gerichtlichen Verfahrens) parallel zur gerichtlichen Anfechtung einer generellen Norm eine Gesetzesbeschwerde einbringt. Es bleibt der nicht ausdrücklich geregelte Fall, dass das Gericht einen entsprechenden Antrag gestellt hat, der VfGH sein Verfahren durchgeführt hat und das Gericht dann zu seiner Entscheidung findet. Für diesen Fall schließt es der Entwurf nicht aus, dass der Beschwerdeführer (die Verfahrenspartei) nunmehr verfassungsrechtliche Bedenken äußert, die noch nicht Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Verfahrens waren.

8. Aus Gründen der Rechtssicherheit und in Anlehnung an die Bestimmung des § 82 VerfGG wird der Gesetzgeber für die Einbringung der Gesetzesbeschwerde eine Frist vorzusehen haben.

9. Zur Straffung des – ohnedies bereits bedenklich langen – Verfahrens erscheint es zweckmäßig, schon im Verfassungstext festzulegen, dass mit der Aufhebung des Gesetzes (dem Ausspruch seiner Verfassungswidrigkeit) das gerichtliche Verfahren wieder aufgenommen ist. Die jeweiligen Verfahrensgesetze können noch detaillierter festlegen, in welchem Stadium das Verfahren als wiederaufgenommen gilt.

 

Präs. Univ.-Prof. Dr. Jabloner       Univ.-Prof. DDr. Grabenwarter       Präs. Dr. Rzeszut

 

 

 

9.2       Schnizer Johannes, Dr. (gemeinsam mit Stoisits Terezija, Dr.)

9.2.1   Verfassungsbeschwerde (1. Fassung)

Eingebracht im Ausschuss 9, 12. Sitzung, 15.9.2004

 

 

Textvorschläge zur Einführung einer „Verfassungsbeschwerde“ und zur Erweiterung der Anfechtungslegitimation

 

Vorbemerkung: Der Textvorschlag geht von der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz in der Form aus, wie sie derzeit im Ausschuss 9 akkordiert ist.

 

 

Art. 89 B-VG lautet:

 

Art. 89. (1) Die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen, Wiederverlautbarungen, Gesetze und Staatsverträge steht den Gerichten nicht zu, soweit in diesem Artikel nicht anderes bestimmt ist.

 

(2) Hat ein Gericht aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken gegen die Anwendung einer Verordnung, so hat es beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung der betroffenen Rechtsvorschrift zu stellen. Gleiches gilt, wenn ein Gericht Bedenken gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit hat.

 

(3) Ist die vom Gericht anzuwendende Rechtsvorschrift bereits außer Kraft getreten, so hat der Antrag des Gerichts an den Verfassungsgerichtshof die Feststellung zu begehren, dass die Rechtsvorschrift gesetz- oder verfassungswidrig war.

 

(4) Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 gelten für Kundmachungen über die Wiederverlautbarung, Abs. 2 und Abs. 3 nach Maßgabe des Art. 140a für Staatsverträge sinngemäß.

 

(5) Durch Bundesgesetz wird geregelt, welche Wirkungen der Antrag des Gerichts für das bei ihm anhängige Verfahren hat.

 

Anmerkungen:

 

Die vorgeschlagene Neufassung des Art. 89 B-VG verfolgt den Zweck, im Interesse einer Steigerung der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes die Befugnis zur Anfechtung von Gesetzen auf alle Gerichte (auch erstinstanzliche Gerichte sowie Verwaltungsgerichte des Bundes und der Länder) auszudehnen. Ansonsten werden im Interesse einer besseren Lesbarkeit des Verfassungstextes kleinere sprachliche Änderungen vorgeschlagen, die jedoch keine Änderung des normativen Gehalts der Bestimmung bewirken.  

 

In Art. 139 Abs. 1 B-VG wird wird folgender dritter Satz eingefügt:

 

Durch Bundes- oder Landesgesetz können weitere Fälle vorgesehen werden,  in denen der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag von Amtsorganen und Organisationen erkennt.   

 

Anmerkung:

Mit diesem Text wird eine verfassungsrechtliche Ermächtigung des jeweils zuständigen Bundes- bzw Landesgesetzgebers geschaffen, den Kreis der Anfechtungsberechtigten in Art. 139 Abs. 1 B-VG zu erweitern. Seine systematische Einordnung in Art. 139 Abs 1. B‑VG (vor dem Individualantrag) soll klarstellen, dass es sich dabei um einen Fall der abstrakten Normenkontrolle handelt. Der Begriff der Amtsorgane umfasst insbesondere jene auf Gesetz beruhenden Einrichtungen, denen spezifische Rechtsschutzaufgaben übertragen sind (zB Umweltanwaltschaften, Gleichbehandlungskommissionen, etc). Mit dem Begriff der Organisationen sollen außerhalb der Verwaltung stehende Personengruppen und Institutionen erfasst werden, die öffentliche Interessen oder stellvertretend für Andere subjektive Interessen wahrnehmen.

 

  

In Art. 140 Abs. 1 B-VG wird folgender vierter Satz eingefügt:

 

(1a) Durch Bundes- oder Landesgesetz können weitere Fälle vorgesehen werden,, in denen der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag von Amtsorganen und Organisationen erkennt.   

 

Anmerkung:

Mit diesem Text wird eine verfassungsrechtliche Ermächtigung des jeweils zuständigen Bundes- bzw Landesgesetzgebers geschaffen, den Kreis der Anfechtungsberechtigten in Art. 140 Abs. 1 B-VG zu erweitern. Seine systematische Einordnung in Art. 140 Abs 1. B‑VG (vor dem Individualantrag) soll klarstellen, dass es sich dabei um einen Fall der abstrakten Normenkontrolle handelt. Der Begriff der Amtsorgane umfasst insbesondere jene auf Gesetz beruhenden Einrichtungen, denen spezifische Rechtsschutzaufgaben übertragen sind (zB Umweltanwaltschaften, Gleichbehandlungskommissionen, etc). Mit dem Begriff der Organisationen sollen außerhalb der Verwaltung stehende Personengruppen und Institutionen erfasst werden, die öffentliche Interessen oder stellvertretend für Andere subjektive Interessen wahrnehmen.

 

Art. 144 B-VG lautet:

 

Art. 144 Abs. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Beschwerden gegen Entscheidungen von Gerichten, soweit der Beschwerdeführer durch die Entscheidung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Beschwerde kann erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden, wobei die Ergreifung außerordentlicher Rechtsbehelfe nicht erforderlich ist. Der Verfassungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung den Inhalt der Rechtsvorschriften zu Grunde zu legen, den das Gericht angenommen hat.

(2) Zur Beschwerdeführung vor dem Verfassungsgerichtshof nach Abs. 1 sind auch Amtsorgane und Organisationen berechtigt, soferne ihnen im Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahren Parteistellung zugekommen ist.

 

(3) Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde bis zur Verhandlung durch Beschluss ablehnen, wenn sie im Lichte der bisherigen Rechtsprechung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Ablehnung der Behandlung ist jedoch unzulässig, wenn die erhobenen Bedenken betreffend die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages vom Beschwerdeführer spätestens im Verfahren vor den Gerichten  zweiter Instanz bzw. vor den Verwaltungsgerichten des Bundes oder der Länder  geltend gemacht wurden.

 

Anmerkungen:

Der vorgeschlagene Text geht davon aus, dass es zur Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz kommt, in der sämtliche „Art 133 Z 4 B‑VG“-Behörden aufgehen.

 

Abs. 1 sieht vor, dass gegen die Entscheidung von Gerichten (einschließlich des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes) eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und wegen der Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm möglich sein soll. Im Sinne einer Stärkung der Effektivität des Grundrechtsschutzes wird dem Verfassungsgerichtshof damit die Zuständigkeit eingeräumt, über behauptete Grundrechtsverletzungen durch gerichtliche Entscheidungen zu urteilen. Zudem wird den Parteien eines gerichtlichen Verfahrens die Möglichkeit gegeben, ihre Bedenken ob der Rechtmäßigkeit von die Gerichtsentscheidung tragenden generellen Normen auch dann an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, wenn das Gericht von seinem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Der Textvorschlag beinhaltet somit Elemente der in Diskussion stehenden „Gesetzesbeschwerde“, geht aber hinsichtlich des Rechtsschutzes in Bezug auf verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte darüber hinaus. 

 

Hinsichtlich der Beschwerdelegitimation ist festzuhalten, dass die Verfassungsbeschwerde gegen jede Entscheidung der im ordentlichen Instanzenzug erreichbaren obersten Instanz zulässig ist. Eines außerordentlichen Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof bedarf es daher ebenso wenig wie einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Mit der vorgeschlagenen Verpflichtung des Verfassungsgerichtshofes, seiner Entscheidung jenen Inhalt der angewendeten Rechtsvorschriften zu Grunde zu legen, den das Gericht angenommen hat, soll bundesverfassungsgesetzlich klargestellt werden, dass in aller Regel dem Obersten Gerichtshof bzw. dem Verwaltungsgerichtshof – und nicht dem Verfassungsgerichtshof – die Befugnis zukommt, letzt verbindlich über den normativen Gehalt der vom Verfassungsgerichtshof zu prüfenden unterverfassungsgesetzlichen Rechtsvorschriften zu entscheiden.

 

Abs. 2 erweitert den Kreis der Beschwerdelegitimierten auf Amtsorganeund Organisationen, soferne ihnen in dem der Verfassungsgerichtshofbeschwerde vorausgegangenen Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahren Parteistellung zugekommen ist. Diese Ergänzung ist deshalb notwendig, weil ein Beschwerderecht verfassungspolitisch unabhängig davon wünschenswert erscheint, ob sie im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs in ihren Rechten verletzt sein können.

 

Abs. 3 räumt dem Verfassungsgerichtshof zur Vermeidung seiner Überlastung ein Ablehnungsrecht ein. Dieses soll jedoch dann nicht greifen, wenn der Beschwerdeführer seine Bedenken ob der Rechtmäßigkeit der generellen Norm spätestens im Verfahren vor dem Gericht zweiter Instanz bzw. vor dem Landesverwaltungsgericht geltend gemacht hat. Damit soll ein Anreiz zur raschen Rüge allfälliger Normbedenken gegeben und gleichzeitig ein bewusstes Hintanhalten von Normbedenken zum Zwecke der Prozessverschleppung unattraktiv gemacht werden.

 

Im Textvorschlag nicht enthalten ist die nach der derzeit in Geltung stehenden Verfassungsrechtslage bestehende Möglichkeit des Verfassungsgerichtshofes, die Behandlung einer Beschwerde auch dann abzulehnen, wenn „von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist“. Dieses Ablehnungsrecht stellte auf die unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe in den Verfahren vor dem Verfassungs- bzw. dem Verwaltungsgerichtshof ab, die mit der Abschaffung der Art. 144 B‑VG-Beschwerde in ihrer derzeitigen Form hinfällig ist. Nunmehr sind vom Verfassungsgerichtshof auch jene Grundrechtsverletzungen aufzugreifen, die auch eine Verletzung einfachgesetzlich gewährleisteter Rechte in sich schließen.

 

 

9.2.2   Verfassungsbeschwerde (2. Fassung)

Eingebracht im Ausschuss 9, 14. Sitzung, 11.10.2004

 

 

Textvorschläge zur Einführung einer „Verfassungsbeschwerde“ und zur Erweiterung der Anfechtungslegitimation

 

Aufgrund der Diskussion am 15. September überarbeitete Version

 

Vorbemerkung: Der Textvorschlag geht von der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz in der Form aus, wie sie derzeit im Ausschuss 9 akkordiert ist.

 

 

Art. 89 B-VG lautet:

 

„Artikel. 89. (1) Die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen, Wiederverlautbarungen, Gesetze und Staatsverträge steht den Gerichten nicht zu, soweit in diesem Artikel nicht anderes bestimmt ist.

(2) Hat ein Gericht aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken gegen die Anwendung einer Verordnung, so hat es beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung der betroffenen Rechtsvorschrift zu stellen. Gleiches gilt, wenn ein Gericht Bedenken gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit hat.

(3) Ist die vom Gericht anzuwendende Rechtsvorschrift bereits außer Kraft getreten, so hat der Antrag des Gerichts an den Verfassungsgerichtshof die Feststellung zu begehren, dass die Rechtsvorschrift gesetz- oder verfassungswidrig war.

(4) Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 gelten für Kundmachungen über die Wiederverlautbarung, Abs. 2 und Abs. 3 nach Maßgabe des Art. 140a für Staatsverträge sinngemäß.

(5) Durch Bundesgesetz wird geregelt, welche Wirkungen der Antrag des Gerichts für das bei ihm anhängige Verfahren hat.“

 

Anmerkungen:

 

Die vorgeschlagene Neufassung des Art. 89 B-VG verfolgt den Zweck, im Interesse einer Steigerung der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes die Befugnis zur Anfechtung von Gesetzen auf alle Gerichte (auch erstinstanzliche Gerichte sowie Verwaltungsgerichte des Bundes und der Länder) auszudehnen. Ansonsten werden im Interesse einer besseren Lesbarkeit des Verfassungstextes kleinere sprachliche Änderungen vorgeschlagen, die jedoch keine Änderung des normativen Gehalts der Bestimmung bewirken.  

 

Art. 144 B-VG lautet:

 

„Artikel 144. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Beschwerden gegen Entscheidungen von Gerichten, soweit der Beschwerdeführer durch die Entscheidung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Beschwerde kann erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden.

          (2) Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde bis zur Verhandlung durch Beschluss ablehnen, wenn sie im Lichte der bisherigen Rechtsprechung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.“

 

Anmerkungen:

 

Der vorgeschlagene Text geht davon aus, dass es zur Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz kommt, in der – nach einer Übergangszeit - sämtliche „Art 133 Z 4 B‑VG“-Behörden aufgehen; erforderliche Ergänzungen für den Übergangszeitraum sollten in das „Begleitgesetz“ aufgenommen werden.

 

Abs. 1 sieht vor, dass gegen die Entscheidung von Gerichten (einschließlich des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes) eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und wegen der Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm möglich sein soll. Im Sinne einer Stärkung der Effektivität des Grundrechtsschutzes und einer Vereinfachung und Beschleunigung des Rechtsschutzsystems insgesamt wird dem Verfassungsgerichtshof damit die Zuständigkeit eingeräumt, über behauptete Grundrechtsverletzungen durch gerichtliche Entscheidungen zu urteilen.

 

Durch die Einführung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit mit einem Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof ergibt sich damit ein klares und einfaches Rechtsschutzsystem: Die Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des VfGH kann entfallen, die Rechtskontrolle der Verwaltung übernimmt zur Gänze die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Damit entfällt die Parallelbefassung der beiden Höchstgerichte und es gibt nur mehr einen Typ von individuellen Rechtsakt, der vom Verfassungsgerichtshof zu überprüfen ist, nämlich gerichtliche Entscheidungen, sei es der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Damit ist ein gleicher Grundrechtsschutz in allen Bereichen der Rechtsordnung gesichert. Durch den Entfall der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit (mehrere tausend Verfahren pro Jahr) werden beim VfGH Kapazitäten für die Grundrechtskontrolle im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit frei, sodass insgesamt bei gleichem Aufwand ein besserer und schnellerer Rechtsschutz erreicht wird.

 

Der erste Entwurf enthielt eine ausdrückliche Vorschrift, wonach der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung den Inhalt der Rechtsvorschriften zu Grunde zu legen hat, den das Gericht angenommen hat. Die Diskussion hat gezeigt, dass diese Vorschrift hinsichtlich der Reichweite der Bindung missverständlich ist. Tatsächlich ergibt sich das Anliegen einer solchen Vorschrift ohnedies aus der Aufgabenverteilung der drei Höchstgerichte: Oberster Gerichtshof und Verwaltungsgerichtshof haben jeweils für ihren Bereich für einen einheitlichen Rechtsschutz in der Auslegung von Gesetzen und Verordnungen zu sorgen. Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes ist es die Verfassungsmäßigkeit der gesamten Rechtsordnung auf Grundlage der Interpretationen der beiden anderen Höchstgerichte zu garantieren.

 

Auch bei diesem Vorschlag wird – so wie bei der Gesetzesbeschwerde - den Parteien eines gerichtlichen Verfahrens die Möglichkeit gegeben, ihre Bedenken ob der Rechtmäßigkeit von die Gerichtsentscheidung tragenden generellen Normen auch dann an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, wenn das Gericht von seinem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Der Textvorschlag beinhaltet somit Elemente der in Diskussion stehenden „Gesetzesbeschwerde“, geht aber hinsichtlich des Rechtsschutzes in Bezug auf verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte darüber hinaus. 

 

Hinsichtlich der Beschwerdelegitimation ist festzuhalten, dass die Verfassungsbeschwerde gegen jede Entscheidung der im ordentlichen Instanzenzug erreichbaren obersten Instanz zulässig ist. Die erste Version dieses Vorschlages beinhaltete eine ausdrückliche Bestimmung, dass die Ergreifung außerordentlicher Rechtsbehelfe nicht erforderlich ist. Die Diskussion hat gezeigt, dass die Termonologie insofern unklar ist. Tatsächlich auch in der geltenden Version des Art. 144 der Begriff Instanzenzug interpretationsbedürftig und wurde dahingehend auch interpretiert, dass – vereinfach ausgedrückt – alle Rechtsmittel ergriffen werden müssen die im Normalfall zur Verteidigung der Rechtsansicht der Partei zur Verfügung stehen (z.B. auch die Vorstellung im Gemeindebereich). In diesem Sinne wird die Judikatur zur klären haben, welche Rechtsmittel vor Anrufung des VfGH ausgeschöpft werden müssen.

 

Abs. 2 (im ersten Entwurf Abs. 3) räumt dem Verfassungsgerichtshof zur Vermeidung seiner Überlastung ein Ablehnungsrecht ein. Nach dem ersten Entwurf sollte dieses jedoch dann nicht greifen, wenn der Beschwerdeführer seine Bedenken ob der Rechtmäßigkeit der generellen Norm spätestens im Verfahren vor dem Gericht zweiter Instanz bzw. vor dem Landesverwaltungsgericht geltend gemacht hat. Damit soll ein Anreiz zur raschen Rüge allfälliger Normbedenken gegeben und gleichzeitig ein bewusstes Hintanhalten von Normbedenken zum Zwecke der Prozessverschleppung unattraktiv gemacht werden. Die Diskussion dazu hat ergeben, dass eine derartige Einschränkung negative Effekte dadurch haben würde, dass sich der Verfassungsgerichtshof mit völlig aussichtslosen Normbedenken nur deswegen auseinandersetzen muss, weil sie bereits im gerichtlichen Verfahren vorgebracht wurden und das Gericht völlig zu recht keinen Normprüfungsantrag gestellt hat. Diese Ausnahme wurde daher wieder fallen gelassen.

 

Im Textvorschlag nicht enthalten ist die nach der derzeit in Geltung stehenden Verfassungsrechtslage bestehende Möglichkeit des Verfassungsgerichtshofes, die Behandlung einer Beschwerde auch dann abzulehnen, wenn „von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist“. Dieses Ablehnungsrecht stellte auf die unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe in den Verfahren vor dem Verfassungs- bzw. dem Verwaltungsgerichtshof ab, die mit der Abschaffung der Art. 144 B‑VG-Beschwerde in ihrer derzeitigen Form hinfällig ist. Nunmehr sind vom Verfassungsgerichtshof auch jene Grundrechtsverletzungen aufzugreifen, die auch eine Verletzung einfachgesetzlich gewährleisteter Rechte in sich schließen.

 

Zum Beschwerderecht von Amtsorganen und Organisationen

 

Der erste Entwurf hat in Art. 139 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1a und Art. 144 Abs. 2 jeweils eine ausdrückliche Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers enthalten Amtsorganen und Organisationen ein Anfechtungs- bzw. Beschwerderecht einzuräumen. Die Intension ist von dem Hintergrund der derzeitigen Verfassungslage zu sehen: Derzeit kann der einfache Gesetzgeber sogenannte Legalparteien (Amtsparteien, Bürgerparteien) im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorsehen, ihnen also ein Recht der Bescheidbeschwerde einräumen, weil Art. 131 Abs. 2 B-VG ausdrücklich dazu ermächtigt wird. Im Bereich des Art. 144 B-VG fehlt eine derartige Ermächtigung, sodass im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof Legalparteien nur durch Verfassungsbestimmungen eingerichtet werden können (wie z.B. im UVP-Verfahren geschehen). Da Legalparteien keine eigene subjektive Rechtssphäre haben, muss der Gesetzgeber auch regeln, welche Rechtsverletzungen sie geltend machen können.

 

Die Diskussion hat gezeigt, dass durch die Einrichtung einer Verfassungsbeschwerde entsprechend diesen Vorschlag in Zukunft der einfache Gesetzgeber Legalparteien (also auch Amtsorgane und Organisationen) in der Weise einrichten kann, dass diese auch beschwerdeberechtigt vor dem Verfassungsgerichtshof sind:

 

Der einfache Gesetzgeber kann wie bisher solche Legalparteien im verwaltungsgerichtlichen Verfahren und im Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorsehen. Parteien des neuen verfassungsgerichtlichen Verfahrens gemäß Art. 144 B-VG sind jeweils die Parteien des zu Grunde liegenden gerichtlichen Verfahrens. Hat in diesem eine Legalpartei Parteistellung, hat sie auch das Beschwerderecht an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 B-VG und kann jede Rechtswidrigkeit einer generellen Norm (auch aus dem Grund, weil sie gegen verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte verstößt) an den Verfassungsgerichtshof herantragen.

 

Damit ist die primäre Intention des Vorschlages erfüllt. Hinsichtlich einer Kompetenz des einfachen Gesetzgebers, ohne nähere Schranken abstrakte Normenkontrollbefugnisse einzuräumen (wie dies der erste Vorschlag in Art. 139 und 140 B-VG vorgesehen hat), wurden im Ausschuss gravierende Bedenken geäußert, weswegen er fallen gelassen wurde. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass über eine solche eingeschränkte Befugnis in Gestalt eines Verbandsklagerechtes auch im Ausschuss 4 diskutiert wird.

 

 

9.3       Schnizer Johannes, Dr.

9.3.1   Weisungsfreier Bundesstaatsanwalt

Eingebracht im Ausschuss 9,  15. Sitzung, 27.10.2004

 

 

Vorschlag für einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt

 

 

Artikel 94a lautet:

 

          Artikel 94a. (1) Die öffentliche Anklage wird von den bei den staatsanwaltschaftlichen Behörden ernannten und ständig tätigen Staatsanwälten wahrgenommen. Sie sind Organe der Rechtspflege.

 

          (2) Die staatsanwaltschaftlichen Behörden unterstehen dem Bundesstaatsanwalt. Dieser ist unabhängig und weisungsfrei.

 

          (3) Der Bundesstaatsanwalt wird aufgrund eines Vorschlages des Hauptausschusses vom Nationalrat in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gewählt. Seine Amtsdauer beträgt sechs Jahre. Eine einmalige Wiederwahl ist zulässig.

 

          (4) Dem Vorschlag des Hauptausschusses des Nationalrates hat eine öffentliche Ausschreibung voranzugehen. Der Hauptausschuss hat eine öffentliche Anhörung durchzuführen, an der Vertreter der Richter und Staatsanwälte zu beteiligen sind. Näheres wird in der Geschäftsordnung des Nationalrates bestimmt.

 

          (5) Dem Nationalrat und dem Bundesrat stehen gegenüber dem Bundesstaatsanwalt die Befugnisse nach Art. 52 mit Ausnahme der Befugnis, in Entschließungen Wünschen über die Ausübung der Vollziehung Ausdruck zu geben, und Art. 53 zu.

 

          (6) Der Bundesstaatsanwalt ist hinsichtlich der Verantwortlichkeit den Mitgliedern der Bundesregierung gleichgestellt.“

 

 


 

9.3.2   Kollegialorgan der Richter

Eingebracht im Ausschuss 9, 15. Sitzung, 27.10.2004

 

 

Vorschlag zu einem Kollegialorgan der Richter

zur Führung der Justizverwaltung

 

 

Artikel 94 lautet:

 

          Artikel 94. (1) Die Justiz ist von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt.[173]

 

          (2) Die Angelegenheiten der Justizverwaltung werden von einem Senat[174] geführt[175], dem unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes die Präsidenten der Oberlandesgerichte und vier weitere Richter angehören, die auf Vorschlag der Richtervereinigung vom Nationalrat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln für die Dauer von vier Jahren gewählt werden. Eine Wiederwahl ist zulässig.

 

          (3) Dem Nationalrat und dem Bundesrat stehen gegenüber dem Senat die Befugnisse gemäß Art. 52 und 53 zu. Der Vorsitzende des Senats hat in allen Angelegenheiten der Justizverwaltung die den Mitgliedern der Bundesregierung gemäß Art. 75 zustehenden Rechte. Der Vorsitzende und die Mitglieder des Senats sind hinsichtlich der Verantwortlichkeit Mitgliedern der Bundesregierung gleichgestellt.

 

          (4) Die die ordentliche Gerichtsbarkeit betreffenden Kapitel des Entwurfes des Bundesfinanzgesetzes sind im Einvernehmen mit dem Senat zu erstellen. Kommt es zu keinem Einvernehmen, ist der Senat berechtigt, einen eigenen Vorschlag dem Nationalrat vorzulegen.“

 


 

9.3.3   Staatshaftung

Eingebracht im Ausschuss 9, 15. Sitzung, 27.10.2004

 

 

Formulierungsvorschlag Staatshaftung

 

 

Folgender Art. 144a wird eingefügt:

 

„Artikel 144a. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über rechtswidrige Untätigkeit des Gesetzgebers bei der Erfüllung verfassungsrechtlicher Pflichten.1 Antragsberechtigt ist jede Person, die dadurch in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet und eine Feststellung der Untätigkeit nicht in einem Verfahren nach Art. 137 bis 144 erwirken kann.2 Zur Antragstellung kann der zuständige Gesetzgeber auch Amtsorgane und Organisationen berufen.3 Im Erkenntnis, mit dem der Verfassungsgerichtshof rechtswidrige Untätigkeit feststellt, kann auch Schadenersatz nach Abs. 2 erster Satz zugesprochen werden. Abs. 3 letzter Satz gilt dann sinngemäß.4

 

(2) Bund und Länder haften für den durch rechtswidrige Untätigkeit des Gesetzgebers zugefügten Schaden nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts.4a Zur Entscheidung sind die ordentlichen Gerichte unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes zuständig. Liegt noch kein Erkenntnis nach Abs. 1 vor und hält ein Gericht die Frage der rechtswidrigen Untätigkeit des Gesetzgebers für entscheidungserheblich, so hat es sein Verfahren zu unterbrechen und beim Verfassungsgerichtshof eine Entscheidung zu beantragen.5

 

(3) Soweit für den Schaden gehaftet wird,6 den der Gesetzgeber durch eine Verletzung Europäischen Gemeinschaftsrechts zugefügt hat, haften Bund und Länder7 im Rahmen ihrer Zuständigkeit. Zur Entscheidung ist der Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 137 zuständig.8 Er kann sich auf die Feststellung der Rechtsverletzung oder auf die Feststellung des Schadenersatzanspruches dem Grunde nach beschränken und aussprechen, dass die Durchsetzung vor den Zivilgerichten zu erfolgen hat.9

 

(4) Soweit der Bund für den Schaden aus einem gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes oder des Obersten Gerichtshofes haftet, ist zur Entscheidung der Verfassungsgerichtshof nach Art. 137 zuständig. Abs. 3 letzter Satz gilt sinngemäß. Zur Entscheidung über die Haftung aus einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist der Oberste Gerichtshof zuständig.10

 

(5) Die näheren Bestimmungen zu den Abs. 1 bis 4 werden bundesgesetzlich getroffen.11“

1 Die Zuständigkeit des VfGH nach Abs. 1 erfasst nicht eine bloß mangelhafte Umsetzung verfassungsrechtlicher Pflichten, sondern nur die gänzliche Untätigkeit des Gesetzgebers. Eine bloß mangelhafte Umsetzung verfassungsrechtlicher Verpflichtungen kann im Wege der Verfassungsbeschwerde oder im Wege eines Individualantrages auf Normprüfung an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden. Die Grenzziehung ergibt sich also daraus, ob ein Gesetzgebungsakt vorliegt, indem eine behauptete Verfassungswidrigkeit ihren Sitz hat. Gibt es keine solche Gesetzesvorschrift, obwohl eine solche zur Umsetzung einer verfassungsrechtlichen Pflicht existieren müsste, soll die Zuständigkeit nach Abs. 1 greifen. Solche Pflichten können sich einerseits aus Grundrechten ergeben, insbesondere auch aus sozialen Grundrechten, andererseits aber auch aus qualifizierten Verstößen in der Umsetzung von Aufträgen, die sich aus Staatszielen ergeben, wie etwa im Umweltschutz. Weiters kommt eine Untätigkeit des Gesetzgebers nach Aufhebung eines Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht. Der Nachweis eines Schadens, wie er im System des Amtshaftungsrechts notwendig ist, ist für dieses Feststellungsverfahren keine Voraussetzung; ein Schadenersatzanspruch kann aber auch in einem solchen Verfahren geltend gemacht werden. Ein Verschulden des Gesetzgebers bzw. der Mitglieder der gesetzgebenden Organe ist für eine Haftung nicht erforderlich („ . . . rechtswidrige Untätigkeit“).

 

2 Die Subsidiarität der Feststellungskompetenz des VfGH wird vorgeschlagen, weil der Antragsteller oft im Weg der Anrufung des Verfassungsgerichtshofs in einem anderen Verfahren die Möglichkeit haben wird, die Säumnis des Gesetzgebers geltend zu machen. Ob dies der Fall ist, soll der VfGH als Zulässigkeitsvoraussetzung – ähnlich wie derzeit beim Individualantrag auf Gesetzes- und Verordnungsprüfung – prüfen.

 

3 Dem österreichischen Recht ist das Institut der „Verbandsklage“ etwa schon aus dem Konsumentenschutzrecht bekannt. Die konkrete Nennung der antragsberechtigten Organisationen obliegt dem einfachen Gesetzgeber. Der Begriff der Amtsorgane umfasst insbesondere jene auf Gesetz beruhenden Einrichtungen, denen spezifische Rechtsschutzaufgaben übertragen sind (zB Umweltanwaltschaften, Gleichbehandlungskommissionen, etc). Mit dem Begriff der Organisationen sollen außerhalb der Verwaltung stehende Personengruppen und Institutionen erfasst werden, die öffentliche Interessen oder stellvertretend für Andere subjektive Interessen wahrnehmen.

 

4 Schadenersatzansprüche aus rechtswidriger Untätigkeit des Gesetzgebers sollen nach Abs. 2 grundsätzlich vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden. Richtet sich eine Person aber in einem Verfahren nach Abs 1 direkt an den Verfassungsgerichtshof und macht dort einen Schaden geltend, so soll dieser ermächtigt sein, in diesem „Anlassfall“ selbst über den Ersatzanspruch zu entscheiden. Wenn es verfahrensökonomisch zweckmäßig ist, kann er den Antragsteller aber auch auf den Zivilrechtsweg verweisen. Schadenersatzansprüche aus einer Untätigkeit des Gesetzgebers, über die vom VfGH schon entschieden wurde, sollen dagegen nicht mehr bei diesem eingeklagt werden können (Abs. 2).

 

4a Allenfalls könnte die Haftung von Bund und Ländern für gesetzgeberische Untätigkeit noch davon abhängig gemacht werden, dass sie eine gesetzliche Regelung nicht binnen einer vom Verfassungsgerichtshof in einem Erkenntnis nach Abs. 1 zu setzenden Frist (etwa von 18 Monaten) erlassen haben.

 

5 Die Frage, ob der Gesetzgeber rechtswidrig untätig ist, kann sich erstmals auch in einem Haftungsverfahren nach Abs 2 oder in einem Amtshaftungsverfahren nach AHG ergeben. Für solche Fälle wird eine an § 11 AHG angelehnte Bestimmung vorgeschlagen, wonach die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Untätigkeit des Gesetzgebers zur Gänze beim Verfassungsgerichtshof liegt.

 

6 Die Formulierung „soweit ... gehaftet wird“ wurde hier gewählt, um die materiellrechtlichen Voraussetzungen der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung für den Gesetzgeber unberührt zu lassen. Die vorliegende Formulierung in Abs 3 regelt nur die verantwortlichen Rechtsträger (Bund, Länder) und die Zuständigkeit zur Entscheidung über Staatshaftungsansprüche. Beides entspricht der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes.

 

7 Dass sowohl Bund als auch Länder für ihre Gesetzgeber haften sollen, entspricht der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung. Dies ist gemeinschaftsrechtlich nicht determiniert und soll daher ausdrücklich normiert werden.

 

8 Die Frage, ob der Gesetzgeber – auch nur durch qualifizierte Untätigkeit – gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßen hat, soll vom Verfassungsgerichtshof entschieden werden. Dies entspricht auch dem derzeit bestehenden Monopol des Verfassungsgerichtshofes auf dem Gebiet der Gesetzesprüfung (vgl Art 140 iVm Art 89 B-VG). Es geht bei der Prüfung dieses Rechtsverstoßes auch nicht um zivilrechtliche Fragestellungen, wie sie von den ordentlichen Gerichten entschieden werden. Diese sollen aber grundsätzlich zur Entscheidung über die Bemessung des Schadenersatzanspruchs selbst zuständig sein.

 

9 Bei der Schadensberechnung können sich Detailfragen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ergeben, deren Befassung die Kapazitäten des Verfassungsgerichtshofes unangemessen in Anspruch nehmen könnte. Für diesen Fall soll dem Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit offen stehen, sich auf die Feststellung der Rechtsverletzung dem Grunde nach zu beschränken und die Kläger zur Durchsetzung auf den Rechtsweg zu verweisen. Dies orientiert sich an den – auch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof anzuwendenden – Bestimmungen der ZPO (§ 393 Abs 1 und Abs 2). Durch die Möglichkeit, die Rechtsverletzung nur festzustellen, soll dem VfGH ermöglicht werden, auch allfällige mit dem Grund des Anspruchs zusammenhängenden Fragen, wie etwa die Kausalität für den behaupteten Schaden an die Zivilgerichte zu verweisen.

 

10 Die Bestimmung könnte vor dem Hintergrund einer Verfassungsbeschwerde insb dann Probleme aufwerfen, wenn in ein- und demselben Verfahren sowohl der OGH als auch der – gegen dessen Entscheidung angerufene – VfGH die Pflicht zur Vorlage einer bestimmten Gemein-schaftsrechtsfrage an den EuGH verneint haben. Die hier möglichen Konstellationen sind nicht völlig absehbar. In solchen Fällen wäre aber insb. fraglich, ob ein diesbezüglich vom VfGH nicht beanstandetes Urteil des OGH für den Schaden noch kausal sein kann.

 

11 Um eine Zersplitterung der Regelungen auf Bundes- und Landesrecht zu vermeiden, sollte die Zuständigkeit für Ausführungsregelungen beim Bundesgesetzgeber konzentriert werden. Dies entspricht auch der geltenden Rechtslage, sowohl beim Amtshaftungsrecht (Art 23 Abs 4 B-VG) als auch beim Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (Art 148 B-VG). In Bezug auf die Staatshaftung nach Gemeinschaftsrecht können die bundesgesetzlichen Ausführungs-regelungen nur die notwendigen Verfahrensbestimmungen treffen. Dagegen lässt die vorge-schlagene Fassung von Abs. 3 und 4 die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Haftung unberührt, sodass auch der einfache Gesetzgeber diese nicht näher regeln kann.

 

 


 

10        Ausschuss X – Finanzverfassung

 

10.1  Häupl Michael, Dr.

10.1.1    Stellungnahme

 

Forderungen des Österreichischen Städtebundes

an den Ausschuss 10 des Österreich-Konvent

20.2.2004

 

1. Vorbemerkungen

 

Eine neue Finanzverfassung muss einen Rahmen schaffen, der sicherstellt, dass die Städte und Gemeinden in der Lage sind, auch in einem größeren Europa ihren Beitrag zur Lebensqualität der Bevölkerung und der Entwicklung der örtlichen Wirtschaft zu leisten und damit wichtige Voraussetzungen für Wohlstand und Vollbeschäftigung in Österreich zu schaffen. Die Betonung der Rolle der Städte als wichtige Akteure (insbesondere im Hinblick auf ihre zentralörtlichen und ballungsraumspezifischen Aufgaben) in einem größeren europäischen Wirtschaftsraum schließt Solidaritätsmaßnahmen – zu denen sich der Städtebund durchaus bekennt – mit wirtschaftlich benachteiligten Gebieten keineswegs aus.

 

Die nachfolgenden Vorschläge zielen darauf ab, die Leistungskraft der Städte in einem partnerschaftlichen System, das in einem hohen Maße die effiziente Verwendung der Mittel fördert, sicherzustellen.

 

2. Die Kernbereiche des Finanzverfassungsgesetzes

 

2.1. Finanzverfassung und Föderalismus

a)  Die Finanzverfassung hat die Kompetenz-Kompetenz in Abgabenan­gelegen­heiten an den einfachen Bundesgesetzgeber übertragen, ohne den anderen Finanzausgleichs­part­nern ein entsprechendes Gegengewicht in Form z. B. erhöhter Mitspracherechte zu ver­schaffen. Die Gesetzgebungshoheit in Abgabensachen ist weitgehend beim Bund konzentriert, und die Landesgesetzgebung ist selbst dort, wo sie autonom tätig werden kann bzw. könnte, mit einer Reihe von Einschränkungen und Barrieren konfrontiert.

Die Gemeinden treten in der Finanzverfassung völlig in den Hintergrund, wofür allein schon kennzeichnend ist, dass sie an vielen Stellen nur in einem Klammerausdruck genannt werden. Sie sind dem Bund und den Ländern in einer Weise untergeordnet, sodass „nicht wirklich“ von einer Partnerschaft gesprochen werden kann. Dass den Gemeinden in der Vollziehung wichtige Aufgaben übertragen sind und gerade bei ihnen die privatwirtschaftliche Tätigkeit zum Wohle der Bürger, die primäre Daseins­vorsor­ge und die Zurverfügungstellung der für den Bestand eines modernen Gemeinwesens unabdingbaren Infrastruktur eine überragende Rolle spielt, was aber auf der anderen Seite eine entsprechende Mittelausstattung bedingt, bleibt in der Finanzverfassung weitgehend unberücksichtigt, damit aber auch der Grundsatz der Gemeindeautonomie bzw. das damit eng verbundene Prinzip der Finanzautonomie und der Gleichrangigkeit der Gemeinden als Teilhaber am Finanzausgleich.

Die vereinzelt erhobene Forderung, die Gemeinden aus dem gesamtösterreichischen Finanzausgleich überhaupt auszuklammern und die Regelung der Finanzausstattung der Gemeinden den Ländern zu überlassen (Schaffung eines "zweistufigen Finanz­ausgleichs") wird von Seiten des Österreichischen Städtebundes strikt abgelehnt
Die Neuordnung der Finanzverfassung hat daher - ohne allerdings die Vorteile bundeseinheitlicher Entscheidungen gänzlich zu ignorieren - von einer Betonung der Gleichrangigkeit und Autonomie aller Finanzausgleichspartner auszugehen: Die Deckungs­be­dürf­nisse der drei Ebenen sind qualitativ als grundsätzlich gleichwertig anzusehen. An der durch die Bundesverfassung gewährleisteten Unabhängigkeit der Haushaltsführung ist festzuhalten. Damit diese Unabhängigkeit garantiert werden kann müssen die Gemeinden über ihre Einnahmen weitgehend autonom verfügen können, sie also entsprechend mit eigenen Abgabenrechten im Rahmen der Abgabenhoheit und dem Recht zur freien Ent­scheidung über die Verwendung von Abgabenerträgen im Rahmen der Ertragshoheit ausgestattet werden.


b)  Als Mangel der Finanzverfassung könnte auch empfunden werden, dass sie nur Aufteilungs-, jedoch keine Koordinationsnormen enthält, der Harmonisierung und Koordinierung der Finanzpolitik der verschiedenen Gebietskörperschaften also kein Gewicht beilegt. Jedoch bestehen außerhalb der Finanzverfassung Regelungen, die die Gebietskörperschaften zur Koordinierung ihrer Haushalte auffordern. Dazu gehört Art 13 Abs 2 B-VG und die aufgrund der sogenannten „Maastricht-Kriterien“ erlassenen Innerösterreichischen Stabilitätspakte.
Wie sich in der Praxis zeigt, führen der Stabilitätspakt 2001 und die übrigen Budget­restriktionen zu einem Verlust an politischem Gestaltungsspielraum für alle Gebiets­körperschaftsebenen, speziell auch für die Gemeinden. Die bestehenden Meldeverpflichtungen über Haushaltsdaten etc. an die Statistik Austria und weiter an EUROSTAT bedingen einen beträchtlichen administrativen Aufwand und führen zu mehr oder weniger gläsernen Gebietskörperschaften, ohne dass für das Staatsganze wesentliche Erkenntnisse gewonnen werden.
Der Österreichischen Städtebund lehnt daher jegliche (noch) detailliertere Spezifizierung von Haushaltskoordinations- und Meldeerfordernissen, wie dies etwa im Ausschuss 1 von einigen Mitgliedern gefordert wurde, auf Ebene des
(Finanz-)Verfassungsrechts ab.


c)  Ein Problem besonderer Art ergibt sich im Zusammenhang mit den Gemeindeverbänden, die in der Finanzverfassung zwar an einzelnen Stellen genannt werden, in die generellen Finanzausgleichsregelungen jedoch nicht einbezogen sind. Da es sich bei ihnen nicht um Gebietskörperschaften handelt, kann ihnen nach der geltenden Rechtslage keine Abgabenhoheit zugestanden werden. Dem Bundes- oder Landesgesetzgeber ist es verwehrt. Gemeindeverbände zur Ausschreibung von Abgaben (in erster Linie kämen Leistungsgebühren in Frage) zu ermächtigen, und auch eine Ertragshoheit kann ihnen nicht zugestanden werden. Zur Stärkung einer bürgernahen und effizienten Verwaltung fordert der Städtebund die Flexibilisierung der Möglichkeiten zur interkommunalen Zusammenarbeit in Rahmen von Gemeindeverbänden und sonstigen Kooperationsformen. Der Städtebund vertritt daher die Auffassung, dass auch die Finanzverfassung dieser Forderung gerecht werden muss und in ihr Finanzierungsinstrumente für Gemeindeverbände und andere Kooperationsformen vorgesehen werden müssen.

 

2.2 Kostentragung

 

§ 2 F-VG bestimmt, dass der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften, sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, den Aufwand tragen, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben (Anknüpfung an die Vollzugskompetenz) ergibt.

 

Dieser Konnexitätsgrundsatz, die Koppelung von Aufgabenverantwortung und Finanzierungsverantwortung, kann fast zwingend schon aus dem Autonomieprinzip abgeleitet werden, die eigentliche Bedeutung des § 2 F-VG wird daher eher darin gesehen, dass vom Prinzip der eigenen Kostentragung abweichende Regelungen getroffen werden können.

 

Der Kostenbegriff umfasst bei der Besorgung von Aufgaben einer anderen Gebietskörperschaft allerdings nur den Personal- und den sogenannten Amtssachaufwand. Den sogenannten Zweckaufwand hat jene Gebietskörperschaft zu finanzieren, deren Aufgabe besorgt wird.

 

Die Bindung der Kostentragung an die Vollziehungskompetenz schafft naturgemäß einen besonderen Anreiz für rationelle Aufgabenerfüllung und ökonomisches Vorgehen und ist daher positiv zu beurteilen. Der Österreichische Städtebund vertritt daher die Auffassung, dass von diesem Grundsatz auch nicht abgegangen werden sollte. Auch entfällt bei der Vollziehung im Rahmen der mittelbaren Verwaltung bzw. des übertragenen Wirkungsbereiches der administrative Aufwand für die Kostenüberrechnung.

 

Dem steht allerdings gegenüber, dass im übertragenen Wirkungsbereich die Aufgaben- und die Ausgabenverantwortung auseinander klaffen, der Materiengesetzgeber daher durch Aufgabenausweitung oder durch Bestimmungen über eine Intensivierung der Aufgabenerfüllung einseitig eine Mehrbelastung der vollziehenden Gebietskörperschaft bewirken kann. Auf solche Mehrbelastungen wäre zwar in weiterer Folge im Finanzausgleich Bedacht zu nehmen. Jedoch hat die Praxis der letzten Jahre insbesondere für die Städte und Gemeinden gezeigt, dass sie im Einzelfall oft von untergeordnetem Ausmaß oder kostenmäßig nur schwer erfassbar sind und erst ihre Summierung finanziell ins Gewicht fällt, ohne dass jedoch eine genauere Quantifizierung möglich wäre.

 

Die Finanzverfassung selbst lässt, wie bereits erwähnt, Ausnahmen vom Prinzip der eigenen Kostentragung zu, nämlich Kostenüberwälzungen (etwa in Form der Überbürdung auch des Zweckaufwandes) oder Kostenübernahmen, die beim Finanzausgleich eine bedeutende Rolle spielen.

 

Kostenüberwälzungen sind negativ zu beurteilen, da sich der Materiengesetzgeber damit jeglicher finanzieller Verantwortung entledigen kann. Sie werden daher von Seiten des Österreichischen Städtebundes strikt abgelehnt. Eine entsprechende Änderung in der neuen Finanzverfassung ist daher unbedingt erforderlich.

Kostenübernahmen dagegen haben den gegenteiligen Effekt und sind vor allem dort sinnvoll, wo es sich um klar umrissene Aufgaben größeren Umfangs mit eindeutig abgrenzbarer Kostenbelastung handelt und wo eine Abgeltung im Rahmen der generellen finanzausgleichsgesetzlichen Mittelzuteilung zu unscharf wäre.

 

Der Österreichische Städtebund fordert daher, dass am Grundsatz der eigenen Kostentragung und die Möglichkeit von Kostenübernahmen beibehalten wird, jedoch ergänzt durch eine stärkere Mitsprachemöglichkeit, etwa in Form eines Einspruchs- bzw. Zustimmungsrechts der Gemeinden bei Gesetzgebungsakten, die ihnen im Vollziehungsbereich Mehrkosten verursachen.

 

Ein weiteres Instrument dafür ist das BVG über den Konsultationsmechanismus. Als ersten Schritt fordert daher der Österreichische Städtebund den Konsultationsmechanismus in die Finanzverfassung zu integrieren. Jedoch hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die Hoffnungen, die in den Konsultationsmechanismus gesetzt worden sind, größtenteils enttäuscht wurden. Der Österreichische Städtebund behält sich vor, im Laufe der Beratungen im Ausschuss 10 detaillierte Änderungsvorschläge für den Konsultationsmechanismus einzubringen.

 

2.3 Finanzausgleich

 

Der österreichische Gemeindefinanzausgleich ist sehr stark am Ausgleichsziel zur Erreichung einheitlicher Lebensbedingungen orientiert. Es zeigt sich u.a. eine anhaltende Rücknahme der Infrastrukturinvestitionen der großen Städte. Der Österreichische Städtebund fordert daher, die Finanzausstattung der Gebietskörperschaften unter Beachtung von sorgfältig abgestimmten finanzpolitischen Zielen (Autonomiepolitische, wachstumspolitische, stabilitätspolitische und umverteilungspolitische Ziele) zu konkretisieren. Die Verteilung der eigenen Steuerquellen, des Steuerverbundes und der ergänzenden Transfers hat in einem der Zielbestimmung entsprechenden Verhältnis von „Aufkommensprinzip“, „Bedarfsprinzip“ und „Ausgleichsprinzip“ zu erfolgen.

Darüber hinaus unterbleibt im Finanzausgleich die Berücksichtigung wichtiger Strategien, wie z.B. Erhöhen der Effizienz und Effektivität , Überprüfen des jeweils erreichten Standes (z.B. Ausbaugrad) und Evaluieren des erfolgten Mitteleinsatzes unterbleiben.

Der Finanzausgleich muss daher Anreize für verstärkte interkommunale Kooperationen und die Förderung von Best Practices bzw. von Benchmarking bieten.

 

2.3.1 Grundsätze, Zustandekommen des Finanzausgleichs

 

Das im Zusammenhang mit dem Kostentragungsprinzip nach § 2 F-VG zu sehende und in der Bundesverfassung verankerte Gleichheitsgebot wird in § 4 F-VG zum Ausdruck gebracht: Die durch die Bundesgesetzgebung vorzunehmende Regelung der Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge und die Gewährung von Finanzzuweisungen und Zuschüssen hat in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung zu erfolgen und darauf Bedacht zu nehmen, dass die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden.

Der Finanz­bedarf einer Gebietskörperschaft wird nicht nur von den sogenannten Pflicht­aufgaben bestimmt, sondern auch von den ohne ausdrücklichen gesetzlichen Auftrag übernommenen Agenden, insbesondere im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung (Daseinsvorsorge). Zum anderen sind auch die der Gebietskörperschaft zufließenden Einnahmen relevant, die so wie auch die Lasten teils autonom von ihr selbst, teils fremdbestimmt sind.

Da weder die allgemeine Staatsverfassung noch die tatsächliche Situation der Auf­gabenerfüllung und Ausgabenbelastung eine geeignete Basis sind, um den Finanzbedarf der einzelnen Finanzausgleichspartner in objektiver, justiziabler Weise festzusetzen, bedarf es letztlich stets einer politischen Entscheidung über den Finanzausgleich und über die Mittelverteilung in vertikaler und horizontaler Richtung.

Dem Finanzausgleichsgesetzgeber ist bei der Auswahl sowohl der mit dem Finanzausgleich anzustrebenden Ziele als auch beim dazu eingesetzten Instrumentarium ein weiter rechtspolitischer Freiraum eingeräumt, allerdings mit der Schranke, dass die vorgesehenen Mittel nicht von vornherein zur Zielerreichung und zur Herstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den divergierenden Interessen ungeeignet sein oder sonst dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen dürfen. Weiters setzt ein sachgerechtes System des Finanzausgleichs schon im Vorfeld der Gesetzgebung eine Kooperation der Gebietskörperschaften voraus, sodass also Beratungen zwischen den Finanzausgleichspartnern - mit ausdrücklicher Erwähnung auch der Gemeinden, im Sinne des Art. 115 Abs. 3 B-VG durch den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund vertreten - unabdingbar sind. Führen diese Gespräche dann zumindest in den wesentlichen, grundsätzlichen Belangen zu einem Einvernehmen, kann davon ausgegangen werden, dass eine dem Gleichheitsgebot des § 4 F-VG entsprechende Gesamtregelung getroffen wurde.

Diesem Gedankengang muss auch bei der Neuformulierung des Finanzverfassungsgesetzes Rechnung getragen werden, weshalb der Österreichische Städtebund die Forderung erhebt, ein ausdrückliches Verhandlungsgebot zu normieren und an die erste Stelle zu setzen. Der derzeitige Inhalt des § 4 F-VG soll sinngemäß beibehalten werden, jedoch nur als generelle Richtschnur, an welcher sich die Verhandlungen zu orientieren haben.

 

Ebenfalls wichtig erachtet es der Österreichische Städtebund, dass die Verhandlungen auf einheitlicher Datenbasis aller Finanzausgleichspartner geführt werden. Bezüglich der Datenbasis ist festzustellen, dass die öffentliche Gebarungsstatistik wegen der Um- und Ausgliederungen immer lückenhafter wird und – auch aus Kostengründen -  nur mehr wenige Aspekte behandelt. Insbesondere unterbleibt eine für jede einzelne Gebietskörperschaft ausgewiesene und zeitnahe Darstellung der Entwicklung der finanziellen Lage über die zuletzt vergangenen Jahre und sonstiger wichtiger finanzpolitischer Parameter (z.B. öffentliche Investitionstätigkeit; Anschlussgrade, Versorgungsgrade mit Infrastrukturleistungen, sonstige Qualitätsaspekte).

Der Österreichische Städtebund fordert daher, dass vor Beginn neuer Finanzausgleichsverhandlungen über die zuletzt vergangenen Jahre eine klare, einvernehmlich akzeptierte Datenbasis öffentlich aufzulegen ist.

 

Darüber hinaus fordert der Österreichische Städtebund, dass ein aufgrund des zwingenden Verhandlungsgebots geschlossenes Paktum der Finanzausgleichspartner nach entsprechender Kundmachung im Bundesgesetzblatt als unmittelbar anwendbares Bundesverfassungsrecht (Rechtsquelle sui generis) zu gelten hat. An dieser neuen Rechtsgrundlage ist in der Folge, die detaillierte Umsetzung des Paktums, die nicht zwingend einfachgesetzlich erfolgen muss, sondern auch eine selbständige Verordnung sein könnte zu messen

 

2.3.2. Regelung der Abgabenhoheit

 

a)  Die Bestimmung des § 3 Abs. 1 F-VG, dass die Verteilung der Besteuerungsrechte dem einfachen Bundesgesetzgeber obliegt, kann als Verstoß gegen das bundesstaatliche Prinzip gesehen werden.
Zur Lösung dieser Problematik können folgende Möglichkeiten in Betracht gezogen werden:

1.    taxative Aufzählung sämtlicher (derzeit erhobener) Steuern unter Angabe der Gesetzgebungs- und Vollziehungszuständigkeit,

2.    Aufteilung der Kompetenzen für verschiedene Abgabengruppen,

3.    Lösung analog dem Bonner Grundgesetz (ausschließliche Bundesgesetzgebung bei Zöllen und Finanzmonopolen, konkurrierende Gesetzgebung bei den übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen ganz oder teilweise zusteht oder ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht),

4.    taxative Aufzählung der der Bundesgesetzgebung überlassenen Abgaben mit Restkompetenz der Länder für die übrigen Abgaben,

5.    Verankerung eines Kernbereiches der Abgabengesetzgebungszuständigkeit von Bund und Ländern im Verfassungsrang, mit Erweiterungsmöglichkeit für beide Seiten nach dem Modell konkurrierender Gesetzgebung,

 

wobei aus Sicht des Österreichischen Städtebundes vor allem Variante 5 weiter verfolgt werden sollte.

 

b)  Den Gemeinden ist aufgrund der bestehenden Verfassungsrechtslage kein Abgabenfindungsrecht eingeräumt. In der Vergangenheit hat sich jedoch gezeigt, dass gerade die Städte mit den vorhandenen Mittel im Hinblick auf die ständige Aufgabenvermehrung nicht mehr das Auslangen finden und es daher zweckmäßig wäre, ihnen das Recht zur Erhebung neuer Gemeindesteuern (z. B. Shoppingcenterabgabe) einzuräumen, soweit nicht dadurch gleichartige Gemeindeabgaben zu bestehenden Bundes- oder Landessteuern geschaffen werden. Der Österreichische Städtebund fordert daher zur Stärkung der Gemeindefinanzen und –autonomie für Städte und Gemeinden in der Finanzverfassung ein Abgabenfindungsrecht einzurichten.

 

2.3.3 Regelung der Ertragshoheit

 

a)  Auch die uneingeschränkte Zuständigkeit des einfachen Bundesgesetzgebers zur Verteilung der Ertragshoheit ist als dem bundesstaatlichen Prinzip widersprechend angesehen. Es bieten sich drei Alternativen an:

 

1.         Fixierung der Ertragsverteilung für sämtliche Verbundsteuern auf Verfassungsebene, was jedoch zu einer besonderen Rigidität des Systems führen würde,

2.         verfassungsrechtliche Fixierung der Ertragsverteilung nur für die zentralen Verbundsteuern,

3.         einfachgesetzliche Regelung der Ertragsverteilung unter Partizipation der Finanzausgleichspartner.

 

Der Österreichische Städtebund vertritt die Auffassung, dass die Partizipation der Finanzausgleichspartner gemäß der dritten Alternative mit einem Verhandlungsgebot für den Finanzausgleich weitgehend abgedeckt wäre. Weiters wird die Forderung erhoben, dass zumindest gewisse Steuern (in erster Linie die Umsatzsteuer) als gemeinschaftliche Bundesabgaben bzw. zwischen Bund und Ländern/Gemeinden geteilte Abgaben in der Finanzverfassung ausdrücklich genannt werden.


b)  Der Österreichische Städtebund vertritt die Auffassung, dass am Steuerverbund, durch welchen die österreichische Finanzaugleichsrealität geprägt ist, prinzipiell festzuhalten ist.
Für ein Verbundsystem sprechen vor allem
- die einheitliche Rechtsgrundlage und die einheitliche Vollziehung,
- die Möglichkeit zu zentraler Steuerpolitik und
- die Möglichkeit, durch Wahl entsprechender Aufteilungsschlüssel Umverteilungswirkungen herbeizuführen.

Ein ungebundenes Trennsystem mit autonomer Abgabenhoheit aller Gebietskörper­schaften, damit aber auch voller Verantwortung für die Sicherung der eigenen finanziellen Basis, würde die Gefahr unkoordinierter und unkontrollierter Belastungskumulierungen in sich tragen, vor allem aber den Zielsetzungen eines finanziellen Ausgleichs zugunsten von Gebieten mit schwacher Steuerbasis entgegenwirken und tendenziell sogar zu einer Verstärkung ökonomischer Diskrepanzen zwischen den hebeberechtigten Gebietskörperschaften führen.

Ein hoher Anteil von Verbundsteuern bzw. Zuschlagsrechten bedeutet für die Länder und Gemeinden allerdings gleichzeitig eine nach wie vor hohe Abhängigkeit von steuerpolitischen Entscheidungen des Bundes.

Um dieser hohen Abhängigkeit einen Ausgleich zu geben, gibt es derzeit lediglich die als außerordentlich unbefriedigend empfundene Verhandlungsklausel des § 7 FAG 2001, die weder ein Verhandlungsziel nennt noch eine Sanktion für eine Verletzung der Verhandlungspflicht enthält und darüber hinaus von vornherein nicht zur Anwen­dung kommt, wenn gesetzliche Neuregelungen auf parlamentarische Initiativanträge zurückgehen.

Der Österreichische Städtebund fordert daher ein verstärktes Mitspracherecht (Zustimmungs- bzw. Einspruchsrecht) bei der Gesetzgebung über Verbundsteuern. Für den Fall, dass die Verhandlungen nach § 7 FAG 2001 zu keinem befriedigenden Ergebnis führen, soll ein verfassungsgesetzlich einzuräumendes Einspruchsrecht der Finanzausgleichspartner im Rahmen des adaptierten Konsultationsmechanismus eingerichtet werden.

 

2.3.4. Landesumlage

 

Ein kleiner Aspekt des sogenannten "Grauen Finanzausgleichs", sind die im § 3 F-VG vorgesehene, ursprünglich nur für den durch sonstige Einnahmen nicht gedeckten Bedarf gedachte Landesumlage stellt für die Länder einen Ersatz für das ihnen 1938 zugunsten der Gemeinden entzogene Recht der Besteuerung von Grundbesitz und Gewerbe dar, wird jedoch schon seit langem als nicht mehr zeitgemäß kritisiert und als Fremdkörper im System der Finanzverfassung bezeichnet.

 

Mit einer Ausweitung der Besteuerungsrechte der Länder, wie sie von verschiedenen Seiten gefordert wird, wäre der Landesumlage schließlich jede Basis für ein Weiterbestehen entzogen.

Der Österreichische Städtebund fordert die Beseitigung der Landesumlagen aus dem Rechtsbestand der Finanzverfassung und darüber hinaus sollten auch "indirekte Umlagen" in den einzelnen Materiengesetzen wie Bezirksumlagen, Krankenanstaltengesetz, Sozialhilfegesetze, nur nach Herstellen des Einvernehmens mit den betroffenen Städten und Gemeinden bzw.

unter Berücksichtigung des Prinzips der Kostentragung und des Gleichheitsgebotes nach § 4 F-VG 1948 (Belastungsgrenze), rechtlich zulässig sein.

 

2.3.5. Auslaufen des Finanzausgleichsgesetzes

 

Für den Fall, dass ein zeitlich befristetes Finanzausgleichsgesetz außer Kraft tritt und nicht rechtzeitig ein neues beschlossen wird, ist in der Finanzverfassung derzeit nicht vorgesorgt. Im FAG 2001 sind zwar entsprechende Regelungen vorgesehen, doch nur für die ersten vier Monate.

 

Die Folgen eines Finanzausgleichs-Interregnums wären für die Gemeinden fatal, da ihnen unmittelbar keine Ertragsanteile mehr zustehen würden.

 

Der Österreichische Städtebund fordert daher, in der Finanzverfassung zeitlich unbefristete Regelungen für den Fall vorzusehen, dass nicht rechtzeitig ein neues Finanzausgleichsgesetz beschlossen wird. Diese Regelung soll vor allem sicherstellen, dass die den Gemeinden zustehenden Ertragsanteile und Besteuerungsrechte bis zum Wirksamwerden eines neuen Finanzausgleichsgesetzes in Kraft bleiben (z.B. Weiterbestand des bisherigen Finanzausgleichsgesetzes).

 

2. 4 Abgabenwesen

 

2.4.1 Abgabentypologie

 

§ 6 Abs. 1 F-VG enthält eine nach der Ertragshoheit gegliederte Abgabentypologie in taxativer Aufzählung, was für den Verfassungsgerichtshof schon mehrmals Anlass war, Abgabengesetze mit der Begründung für verfassungswidrig zu erklären, weil sie in der Abgabentypologie des § 6 keinen Platz finden. Konkret ging es, wie etwa bei der Aufsichtsratsabgabe und bei der Zinsertragsteuer, in erster Linie um Abgaben des Bundes, die zu einer anderen Bundesabgabe gleichartig waren, während der Katalog der Abgabentypen nur zuließ, dass Bund und Länder gleichartige Abgaben von demselben Besteuerungsgegenstand erheben.

Da die Feststellung, ob Gleichartigkeit vorliegt, weitgehend in das Ermessen des Verfassungsgerichtshofes gelegt ist, bedeutet die starre Bindung an die vorgegebene Abgabentypisierung ein gravierendes Moment der Rechtsunsicherheit, vor allem wenn man bedenkt, dass bei einer Reihe von Bundesabgaben wegen der Festlegung des Entgelts als Bemessungsgrundlage Gleichartigkeit zur Umsatzsteuer vermutet werden könnte.

Man wusste kurzfristig keinen anderen Ausweg aus dieser für die Staatsfinanzen äußerst gefährlichen Situation als die Notlösung, den § 6 durch einen zweiten Absatz zu ergänzen, nach welchem die Erhebung gleichartiger Abgaben unabhängig von den Haupt- und Unterformen des Abs.1 zulässig ist.

 

Die Zuordnung zu den einzelnen Abgabentypen ist daher nicht trennscharf, es gibt große Abgrenzungsschwierigkeiten, und letztlich ist die Finanzverfassung selbst in ihren Formulierungen nicht immer ganz konsequent.

 

Auch darf nicht übersehen werden, dass die Zuordnung einer konkreten Abgabe zu einem Abgabentyp keineswegs etwas Endgültiges ist. Beispielsweise verliert eine ausschließliche Bundesabgabe diesen Charakter, wenn von einem Land - mit bundesgesetzlicher Ermächtigung - eine dazu gleichartige Landesabgabe oder eine Zuschlagsabgabe beschlossen wird; sie wird zu einer geteilten Abgabe.

 

Der Österreichische Städtebund vertritt daher die Auffassung, dass auf die Typologie des § 6 F-VG verzichtet werden könnte, ohne dass die rechtstechnische Seite der Kompetenzverteilung deswegen komplizierter zu lösen wäre.

 

2 .4 .2__Ermächtigung an die Gemeinden zur Ausschreibung von Abgaben

 

a)      Eine der wenigen Bestimmungen, in denen die Finanzverfassung die Gemeinden anders sieht als bloße Untereinheiten der Länder und ihnen wenigstens ein Mindestmaß an finanzieller Autonomie gewährleistet, enthält der § 5: "Öffentliche Abgaben können vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 7 Abs. 5 und 8 Abs. 5 nur aufgrund von Gesetzen erhoben werden." Wesentlich ist dabei der Vorbehalt, denn durch ihn wird zugunsten der Gemeinden eine Ausnahme vom Legalitätsprinzip des Art. 18 Abs. 1 B-VG statuiert. Sie werden in den beiden genannten Bestimmungen ermächtigt, bestimmte Abgaben aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung auszuschreiben; an die Stelle eines sonst notwendigen Gesetzes, dessen Erlassung nach der österreichischen Rechtsordnung nur dem Bundes- oder Landesgesetzgeber zustehen würde, tritt eine vom Gemeinderat erlassene Verordnung. Allerdings kann von den Gemeinden von diesem freien Beschlussrecht in Abgabensachen nur sehr eingeschränkt Gebrauch gemacht werden, da es dazu in jedem Fall einer Ermächtigung durch die Bundesgesetzgebung oder die Landesgesetzgebung bedarf.

Die bundesgesetzliche Ermächtigung findet sich in der Regel im jeweiligen Finanzaus­gleichsgesetz, was schon wegen dessen zeitlicher Befristung auf eine besondere Prob­lematik hinweist. Aus Gründen der Rechtssicherheit fordert daher der Österreichische Städtebund schon in der Finanzverfassung zu verankern, dass eine den Gemeinden durch die Bundesgesetzgebung erteilte Ermächtigung zur Ausschreibung von Abgaben grundsätzlich keiner Befristung unterliegt, wie dies derzeit bei landesgesetzlichen Ermächtigungen bereits der Fall ist.

 

b)      Der Umfang der Ermächtigung an die Gemeinden ist unterschiedlich. Dem Bundes­ge­setzgeber steht es frei, lediglich bestimmte Abgaben und Objekte zu bezeichnen, ohne Näheres über die wesentlichen Merkmale dieser Abgaben zu bestimmen. Der Landes­gesetzgeber ist dagegen verhalten, genaue Vorgaben zu formulieren und insbesondere auch das zulässige Höchstausmaß der Abgabe festzulegen. Die Ausschöpfung der bun­desgesetzlichen Ermächtigung könnte daher zumindest theoretisch zu einer von Gemein­de zu Gemeinde extrem divergierenden Ausgestaltung des materiellen Steuerrechts führen, doch gebietet es auf der anderen Seite die Respektierung der Gemeindeau­to­nomie, den Gemeinden eine entsprechende eigene Abgabenhoheit einzuräumen, da ihre Ertragshoheit durch die Beteiligung an Verbundsteuern nicht mit hinreichender Flexi­bilität gesichert ist. Außerdem bleibt es auch dem Bundesgesetzgeber unbenommen, nähere Festlegungen zu treffen und beispielsweise - wie dies in der Regel auch geschieht - die Abgabensätze nach oben zu begrenzen.

Dem folgend fordert der Österreichische Städtebund daher, dass auch dem Landesgesetzgeber die Mög­lichkeit eingeräumt wird, sich bei der Ermächtigung an die Gemeinden auf Grundsätze zu beschränken und die Konkretisierung der betreffenden Abgabe dem freien Beschlussrecht zu überlassen.

An der derzeit bestehenden Doppelgleisigkeit, dass sowohl der Bundesgesetzgeber als auch der Landesgesetzgeber die Gemeinden zur Abgabeneinhebung ermächtigen kann, darf aus der Sicht des Österreichischen Städtebundes dagegen nichts geändert werden, denn einerseits stellt die bundesgesetzliche Er­mächtigung für die Gemeinden einen der Kernpunkte des Finanzausgleichs dar, ander­erseits sollte auch weiterhin die Möglichkeit bestehen, länderspezifische Regelungen zu treffen.

 

2.5 Finanzzuweisungen und Zuschüsse

 

§ 12 F-VG enthält nähere Bestimmungen zu den schon in § 3 als ein die Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge ergänzendes Instrumentarium erwähnten Finanzzuweisungen und zweckgebundenen Zuschüsse des Bundes und der Länder.

 

Finanzzuweisungen können entweder als Schlüsselzuweisungen bei welchen die durchschnittliche Belastung der Empfänger durch Pflichtaufgaben und ihre Steuerkraft zu berücksichtigen ist, oder als Bedarfszuweisungen

- zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Haushaltsgleichgewichtes,

- zur Deckung außergewöhnlicher Erfordernisse oder

- zum Ausgleich von Härten bei der Verteilung der Abgabenerträge

gewährt werden.

 

Die Notwendigkeit des Instruments der Bedarfszuweisungen, aber auch der Zweckzuschüsse muss aus der Sicht des Österreichischen Städtebundes unbestritten bleiben.

 

Weiters wird festgehalten, dass Transferzahlungen zwischen den Gebietskörperschaften ein unverzicht­barer Bestandteil der Feinabstimmung der finanziellen Beziehungen zwischen den Gebiets­körperschaften sind.

 

Zusammenfassend werden vom Österreichischen Städtebund folgende Forderungen in die Beratungen des Ausschuss 10 eingebracht:

 

·    Die Finanzverfassung muss sicherstellen, dass den Städten und Gemeinden jene Mittel zur Verfügung stehen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Bei der Verteilung der Mittel an die Städte und Gemeinden muss auch berücksichtigt werden, dass Städte zentralörtliche und ballungsraumspezifische Aufgaben erfüllen, die besonders kostenintensiv sind und daher einer besonderen Berücksichtigung bei der Aufteilung der Mittel, insbesondere auch durch die Länder finden müssen.

·    Am Grundsatz der eigenen Kostentragung, am System des Steuerverbundes, jedoch mit stärkerer Zusammenführung von politischer Verantwortung für die Abgabengesetzgebung bzw. die Ertragshoheit und an der Möglichkeit von Transferzahlungen zwischen Gebietskörperschaften muss festgehalten werden.

·    Betonung der Gleichrangigkeit und Autonomie aller Finanzausgleichspartner (Ablehnung eines zweistufigen Finanzausgleiches) - die Deckungsbedürfnisse von Bund, Ländern und Gemeinden sind als qualitativ gleichwertig anzusehen.

·    Den Städten und Gemeinden müssen entsprechende Mittel zur Verfügung stehen, über welche sie zur Gewährleistung der Unabhängigkeit in der Haushaltsführung autonom verfügen können.

·    Zur Stärkung der Gemeindefinanzen und –autonomie für Städte und Gemeinden ist in der Finanzverfassung ein Abgabenfindungsrecht einzurichten (Shoppingcenterabgabe, Nahverkehrsanschlussabgabe).

·    Zusätzliche Haushaltskoordinations- und Meldeerfordernisse, die sich etwa über den derzeit gültigen Österreichischen Stabilitätspakt hinaus ergeben oder im Rahmen des Ausschuss 1, im Zusammenhang mit Art 13 Abs 2 B-VG von einigen Mitgliedern gefordert wurden sind abzulehnen.

·    Der Grundsatz der eigenen Kostentragung und die Möglichkeit von Kostenübernahmen muss beibehalten werden, jedoch ergänzt durch eine stärkere Mitsprachemöglichkeit (vertreten durch den Österreichischen Städtebund), in Form eines Einspruchs- bzw. Zustimmungsrecht der Gemeinden bei Gesetzgebungsakten, die ihnen im Vollziehungsbereich Mehrkosten verursachen.

·    Für den Finanzausgleich ist ein Verhandlungsgebot zu normieren.

·    Ein aufgrund des zwingenden Verhandlungsgebots geschlossenes Paktum der Finanzausgleichspartner hat nach entsprechender Kundmachung im Bundesgesetzblatt als unmittelbar anwendbares Bundesverfassungsrecht (Rechtsquelle sui generis) zu gelten, an dem dann die entsprechende Umsetzungsregelung (z.B. selbständige Verordung) zu messen ist.

·    Bei der Gesetzgebung über Verbundsteuern ist den Gemeinden ein verstärktes Mitspracherecht/Einspruchsrecht bei der Gesetzgebung einzuräumen. Für den Fall, dass die Verhandlungen nach § 7 FAG 2001 zu keinem befriedigenden Ergebnis führen, soll ein verfassungsgesetzlich einzuräumendes Einspruchsrecht für jeden der Finanzausgleichspartner im Rahmen des adaptierten Konsultationsmechanismus eingerichtet werden.

·    Die Landesumlage ist zur Gänze zu beseitigen.

·    Für den Fall, dass nach dem Außerkrafttreten eines Finanzausgleichsgesetzes rechtzeitig kein neues beschlossen wurde müssen geeignete Regelungen, wie etwa die Anordnung, dass das auslaufende FAG weiter in Geltung ist, in der Finanzverfassung vorgesehen werden.

·    Der Kernbereich der Abgaben- und Ertragshoheit ist schon in der Finanzverfassung festzulegen; mit expliziter Nennung vor allem der Einkommensteuern und der Umsatzsteuer als geteilte Abgaben.

·    Für den Landesgesetzgeber sollte die Möglichkeit geschaffen werden, sich bei der Erteilung einer Ermächtigung an die Gemeinden zur Abgabenausschreibung sowie der Bundesgesetzgeber auf wenige Grundsätze zu beschränken.

·    Die Bestimmungen über den Konsultationsmechanismus (z. B. verpflichtende Kostenkalkulationen der gesetzgebenden Gebietskörperschaft für die vollziehenden Gebietskörperschaften, bei sonstiger Kostentragung durch Erstere) sind nach entsprechender Beseitigung der bestehenden Mängel in die Finanzverfassung zu integrieren.

·    Die Finanzausstattung der Gebietskörperschaften ist unter Beachtung von sorgfältig abgestimmten finanzpolitischen Zielen (Autonomiepolitische, wachstumspolitische, stabilitäts- und umverteilungspolitische Ziele) zu konkretisieren.

 

 

10.1.2    Daseinsvorsorge

Eingebracht im Ausschuss 10, 3. Sitzung, 31.3.2004

 

 

Definition bzw. Auslegung des Begriffes Daseinsvorsorge

                                               Österreichischer Städtebund                 

Wien, 25.3.2004

 

1. Allgemeines

In den Beratungen des Ausschuss 1 des Österreich-Konvents wurde unten angeführter Textvorschlag von Seiten des Österreichischen Städtebundes eingebracht. Im Laufe der Beratungen einigte man sich darauf, dass, wenn der Konvent zu dem Ergebnis kommt, dass neue Staatsziele in der neuen Bundesverfassung verankert werden, die Daseinsvorsorge jedenfalls zu verankern ist. Über den konkreten Textvorschlag bestand hinsichtlich der Abs. 1 und 2 Konsens, Abs.3 wurde nur von einem Teil der Mitglieder unterstützt.

Auch in den Beratungen im Ausschuss 10 wurde die Daseinsvorsorge, hier vor allem die damit verbunden Kosten der Leistungserbringung, von mehreren Seiten als ein Thema eingebracht. Der Themenbereich Daseinsvorsorge ist u.a. dadurch geprägt, dass es sehr unterschiedliche Erklärungen des Begriffes Daseinsvorsorge gibt. Das vorliegende Papier stellt den Versuch dar, unter Einbeziehung des Grünbuchs der EU zu den Leistungen im allgemeinen Interesse und den dazu ergangenen Stellungnahmen eine Begriffsdefinition bzw. –abgrenzung zu versuchen.

 

2. Textvorschlag aus dem Ausschuss 1

a.       Bund, Länder und Gemeinden gewährleisten die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse (Daseinsvorsorge).

 

b.      Derartige Leistungen stellen einen anerkannten, nicht diskriminierenden Mindeststandard der Teilhabe an jenen Lebensbereichen sicher, die gesellschaftlich regelmäßig vorkommen.

 

c.       Es sind dies sowohl marktbezogene als auch nicht marktbezogene Leistungen, die so zu erbringen sind, dass dabei insbesondere die Versorgungssicherheit, die soziale Erreichbarkeit, der Verbraucherschutz, der Gesundheitsschutz und die Nachhaltigkeit sicher gestellt sind.

 

3. Erläuterungen zum vorgelegten Textvorschlag im Ausschuss 1, einschließlich Begriffserklärung und -abgrenzung

 

 

Die Verankerung der Verantwortlichkeit von Bund, Ländern und Gemeinden für die Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge in der Österreichischen Bundesverfassung soll zum Ausdruck bringen, dass die Gebietskörperschaften bestrebt sind, die von ihnen eingeführten und erbrachten Leistungen der Daseinsvorsorge auch in Zukunft aufrecht zu erhalten. Mit der Erbringung dieser Leistungen werden grundlegende Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllt. Leistungen der Daseinsvorsorge stehen der gesamten Gesellschaft, also allen Bürgern zu gleichen Bedingungen zur Verfügung und werden aufgrund gemeinwohlbezogener Überlegungen erbracht. Gemeinwohlorientierte Leistungen sollen einerseits die Grundversorgung der Bevölkerung sichern, anderseits sind sie feste Bezugspunkte des Gemeinwesens und begründen die Zugehörigkeit der Bürgerinnen und Bürger zu diesem. Die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse und/oder deren Qualitätssicherung durch die öffentliche Hand bringen darüber hinaus auch die Verantwortlichkeit des Staates für die Ziele des Gemeinwohls zum Ausdruck.

Seit einigen Jahren wird insbesondere von der Europäischen Union (siehe etwa das Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse) und im Rahmen der GATS-Verhandlungen der Trend zur Privatisierung und Liberalisierung ("Weniger Staat, mehr Markt") mit der Begründung prolongiert, dass einerseits die Öffentliche Hand einsparen kann und anderseits das Preisniveau für die Verbraucher gesenkt werden könnte.

Beispiele aus Europa zeigen aber, dass Liberalisierungen nur dann zu Einsparungen bzw. Preissenkungen geführt haben, wenn die Definition hoher Qualitätskriterien vernachlässigt wurde.

Gerade die Leistungen der Daseinsvorsorge gehorchen jedoch hinsichtlich ihrer Aufgabenerfüllung anderen Gesetzen als den Mechanismen des Freien Marktes. Im Gegenteil, sie sind in erhöhtem Maß, Kriterien wie der Versorgungssicherheit, der Kontinuität, der sozialen Erschwinglichkeit, der Gesundheit, der Nachhaltigkeit etc verpflichtet.

Leistungen der Daseinsvorsorge, wie etwa Wasser, Strom, Gas, Telekommunikation, Rundfunk und Postdienste, aber auch Sozial- Gesundheits- oder Bildungsleistungen sind Dienstleistungen, die als wesentlich für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft angesehen werden. Obwohl sie als wesentlich gelten, können diese Dienstleistungen sowohl von privaten als auch von öffentlichen Unternehmen oder von Bund, Ländern und Gemeinden selbst, teilweise hoheitlich, erbracht werden. Die Verfügbarkeit, der Preis und die Qualität der Leistungen der Daseinsvorsorge sind per definitionem von größter Bedeutung für die Verbraucher.

Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse unterscheiden sich insofern von normalen Dienstleistungen, als sie in den Augen des Staates auch dann erbracht werden müssen, wenn der Markt unter Umständen nicht genügend Anreize dafür bietet. Der Begriff der Leistungen der Daseinsvorsorge beruht auf dem Anliegen, überall gute und für alle erschwingliche Dienstleistungen zu gewähren. Diese Dienste tragen zur Verwirklichung der Ziele der Solidarität und Gleichbehandlung bei, die dem europäischen Gesellschaftsmodell zu Grunde liegen.

Gerade deshalb hat auch die Europäische Union die Bedeutung der Leistungen der Daseinsvorsorge anerkannt und haben sie Eingang in den Entwurf der Europäischen Verfassung gefunden.

 

Zum Textvorschlag im Detail:

 

Die Aufzählung der einzelnen Gebietskörperschaften soll zum Ausdruck bringen, dass Leistungen der Daseinsvorsorge von Bund, Ländern und Gemeinden erbracht werden und soll die entsprechenden Kompetenzen auch unterstreichen.

 

Der Begriff "gewährleisten" ist so zu verstehen, dass die zuständige Gebietskörperschaft die Leistung selbst oder durch Dritte erbringen lassen kann. Darüber hinaus ist die Öffentliche Hand aufgrund der Bedeutung dieser Leistungen dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass im Fall des Versagens der Leistungserbringung durch Dritte, der Staat die Leistungen auf jeden Fall in einer Art Reservefunktion bzw. Auffangverantwortung zu erbringen hat.

Die zuständige Gebietskörperschaft kann und muss bei jeder Leistung andere Kriterien heranziehen, um beurteilen zu können, in welcher Form sie die Leistungserbringung gewährleistet. Die Erbringung der Wasserversorgung ist anders zu beurteilen als die Telekommunikation oder der Postdienst. Im Bereich der Telekommunikation oder der Postdienste kann tatsächlich gänzlich privatisiert werden, wie dies auch bereits erfolgt ist  (auch an ausländische Unternehmen). Es reicht hier, um die Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können, z.B. eine Universaldienstverordnung aus, die festschreibt, dass der Anbieter eine flächendeckende Versorgung anbieten muss und der Staat evt. die Kosten durch Subventionen trägt. Im Bereich der Wasserversorgung ist nach anderen Kriterien vorzugehen, da es sich dabei um natürliche Ressourcen handelt, bzw. ein europäisches, großflächiges Netz aufgrund geographischer Hürden nicht funktionieren kann. (Trink-)Wasserversorgung bedeutet nicht nur die Leitungen/Infrastruktur zu errichten, sondern heißt im erhöhten Maße vor allem Qualitätssicherung, sprich die Versorgung mit einwandfreiem Trinkwasser und auch die soziale Erreichbarkeit zu gewährleisten. Im Bereich der Wasserversorgung ist auch der Gedanke der Nachhaltigkeit von großer Bedeutung. Im Sinne der Gewährleistungspflicht ist die Grundsicherung in diesem Bereich im Gegensatz etwa zur Versorgung mit Strom nicht durch die Errichtung und Wartung des Netzes/Leitungen erbracht.

Gewährleisten bedeutet, die Leistungen auch in entsprechender Qualität zu erbringen. Was bedeutet, dass Bund, Länder und Gemeinden sich bei der Erbringung der Leistungen - vor allem durch Dritte - einen Einfluss in der Form sichern müssen, dass, wenn die Qualität der Leistungen nachlässt, sie eine sogenannte Rückholmöglichkeit haben. Sprich, sie können die Leistungserbringung wieder an sich ziehen und selbst oder durch ein anderen, besser geeigneten  Dritten besorgen. Diese Qualitätssicherung ist gerade im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich, ferner auch in der Wasserver- und
-entsorgung unerlässlich.

 

Abs 2 soll dem Begriff "Leistungen im allgemeinen Interesse" einen Interpretationsrahmen geben.

"Leistungen im allgemeinen Interesse" ist ein unbestimmter Gesetzesbegriff, der sich aufgrund gesellschaftlicher Gegebenheiten ergibt und sich durch die fortschreitende gesellschaftliche Entwicklung verändert, vom öffentlichen Diskurs bestimmt, vom einfachen Gesetzgeber beeinflusst und schließlich von Entscheidungen der Höchstgerichte ausgelegt wird.

Leistungen im allgemeinen Interesse sind Leistungen, die aus Gründen des Gemeinwohls erbracht werden. Gemeinwohl ist ein Begriff, der in der österreichischen Verfassung nicht vorkommt, der aber unter Berücksichtigung der Judikatur zum öffentlichen Interesse ausgelegt werden kann bzw. kann Gemeinwohl auch als Gegenbegriff zum Privatinteresse verstanden werden. Leistungen im allgemeinen Interesse werden insbesondere deshalb erbracht, um für die Gesellschaft eine diskriminierungsfreie Grundsicherung zu gewährleisten.

Die Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interesse ist von dem Grundgedanken getragen, dass in jeder Gesellschaft unterschiedliche Lebensbereiche vorherrschen. Davon gibt es Lebensbereiche die so regelmäßig vorkommen, dass die Gesellschaft erwartet, dass daran jedes Mitglied der Gesellschaft auch teilnehmen darf. Derartige Lebensbereiche sind etwa die Bereiche Sozial-, Gesundheitswesen oder Kultur- und Bildungswesen oder der Zugang zu natürlichen Ressourcen wie Wasser, damit verbunden aber die Entsorgung von Abwasser oder Abfällen. Ob ein Lebensbereich als anerkannt bzw. als regelmäßig vorkommend betrachtet wird ist ein dynamischer Prozess. War es vor einem Jahrhundert nicht vorstellbar, dass die ganze Bevölkerung mit Telefon, Radio oder Fernsehen ausgestattet sein wird, ist es heute anerkannt, dass jedem und jeder Telekommunikation zur Verfügung gestellt werden muss und die Benutzung dieser Medien auch eine regelmäßige Erscheinung in der Gesellschaft ist.

 

Abs 3 legt fest, welche Kriterien die einzelnen Gebietskörperschaften bei der Erbringung von Leistungen im allgemeinen Interessen zu beachten haben. Leistungen im allgemeinen Interesse sind gemäß Abs.3 so zu erbringen, dass insbesondere die Kriterien Versorgungssicherheit, soziale Erreichbarkeit, Gesundheitsschutz und die Nachhaltigkeit erfüllt sind.

 

Versorgungssicherheit bedeutet, dass die Bevölkerung darauf vertrauen kann, dass die zuständige Gebietskörperschaft nach Maßgabe unterschiedlicher Kriterien dafür Sorge trägt, dass ihr etwa Sozial-, Gesundheits-, Bildungsleistungen, Trinkwasser, Telekommunikation, Postdienste, Strom, Gas und Rundfunk zur Verfügung stehen bzw. die Abwasser- und Abfallentsorgung sichergestellt sind.

 

Soziale Erreichbarkeit, im Grünbuch zu den Leistungen von allgemeinem Interesse als Erschwinglichkeit bezeichnet, stellt klar, dass Leistungen der Daseinsvorsorge für die Bevölkerung entweder zu angemessenen und vor allem erschwinglichen Preisen (insb. bei netzgebundenen Einrichtungen) zur Verfügung stehen oder vom Staat unter Umständen unentgeltlich geleistet werden (Gesundheits- und Sozialbereich), damit sie für jedermann zugänglich sind. Besonderes Augenmerk sollte dabei den Bedürfnissen und Möglichkeiten von einkommensschwachen Personen und Randgruppen gelten. Die Anwendung des Grundsatzes der sozialen Erreichbarkeit trägt zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft bei.

Die Leistungen im allgemeinen Interesse sind auch unter Bedachtnahme auf den Gesundheitsschutz zu erbringen. Gesundheitsschutz ist ein umfassender Begriff. Bei jeder einzelnen Leistung ist nach unterschiedlichen Kriterien vorzugehen. Im Bereich der Trinkwasserversorgung etwa ist dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen der Gewährleistungspflicht die Versorgung der Bevölkerung mit einwandfreiem (frei von gesundheitsgefährdenden Stoffen) Trinkwasser erfolgt.

 

Der Begriff der Nachhaltigkeit kommt vor allem aus dem Bereich des Umweltrechts. Das Prinzip der Nachhaltigkeit beruht auf der Erwägung, dass die den Menschen zur Verfügung stehenden Ressourcen begrenzt sind, dass aber deren Nutzung auch künftigen Generationen ermöglicht werden soll. Die Leitidee, dass eine Befriedigung der Bedürfnisse der Gegenwart möglich sein muss, ohne zu riskieren, dass zukünftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können, schlägt sich auch in einer Vielzahl politischer Programme nieder: z.B. Agenda 21, Fünftes Aktionsprogramm der EU, Österreichischer Nationaler Umweltplan und Amsterdamer Vertrag. Seit Abschluss des Amsterdamer Vertrags sind Aktivitäten sowohl der öffentlichen Hand, als auch jene von Privaten auf ihre Nachhaltigkeit zu prüfen (Art 2 und 6 EGV, Art 2 EUV).

 

Die Unterscheidung zwischen marktbezogenen und nicht marktbezogenen Leistungen stellt einen Hinweis darauf dar, dass Leistungen im allgemeinen Interesse teilweise den Regeln des Marktes gehorchen und diesen auch weitgehend unterworfen werden können (z.b. Telekommunikation, Strom, Gas) und andere Leistungen, wie Sozial- und Gesundheitsleistungen aber anderen Regeln als denen des Marktes unterliegen. Je nach Art der Leistung muss daher die zuständige Gebietskörperschaft abwägen, ob sie die Leistung selbst erbringen muss oder ob ein Dritter diese erbringen kann.

 

 

10.1.3    Vorschlag Parität

Eingebracht im Ausschuss 10, 6. Sitzung, 2.6.2004

 

 

Textvorschlag für einen Grundsatz der Parität im Österreichischen

Finanzausgleich

 

§ 4 F-VG Neu (mit einer Integration von § 7 FAG Neu)

 

„(1) Die Verteilung der Einnahmen sowie die Verteilung der Abgaben- und Ertragshoheit auf Bund, Länder und Gemeinden hat in Übereinstimmung mit der Verteilung der tatsächlichen Lasten der öffentlichen und Privatwirtschaftsverwaltung zu erfolgen. Dieser Verteilung haben Verhandlungen aller Gebietskörperschaftsebenen voranzugehen, wobei die finanziellen Deckungsbedürfnisse von Bund, Ländern und Gemeinden dabei gleichwertig sind.

 

(2) Der Bund hat mit den am Finanzausgleich beteiligten Gebietskörperschaften vor der Inangriffnahme steuer- sowie verteilungspolitischer Maßnahmen, die für die Gebietskörperschaften mit einem Ausfall an Steuern, an deren Ertrag sie beteiligt sind, verknüpft sein können, Verhandlungen zu führen. Das Gleiche gilt für Mehrbelastungen, die als Folge von Maßnahmen des Bundes z.B. am Zweckaufwand der Gebietskörperschaften zu erwarten sind.

 

(3) Führen die Verhandlungen gemäß Abs. 1 und 2 zu keinem einvernehmlichen Ergebnis und setzt der Bund die steuerpolitischen Maßnahmen mit nicht vernachlässigbaren finanziellen Auswirkungen für Länder und Gemeinden um, so steht diesen ein Einspruchsrecht gegen einen entsprechenden Gesetzesbeschluss des Nationalrates zu. Ob dieser Einspruch aufrecht zu bleiben hat, bestimmt ein ständiger Ausschuss, der sich zu gleichen Teilen (je ein Drittel) aus Vertretern des Bundes, der Länder und Gemeinden zusammensetzt. Der Ausschuss fasst seine Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. Der Gesetzesbeschluss kann kundgemacht werden, wenn der Ausschuss entscheidet, dass der Einspruch nicht aufrecht zu bleiben hat.

 

(4) Die Abs. 1 bis 3 gelten sinngemäß auch vor der Inangriffnahme steuer- sowie verteilungspolitischer Maßnahmen der Länder im Verhältnis zu den jeweils landeseigenen Gemeinden.

 

(5) Das einvernehmlich erzielte Ergebnis der Finanzausgleichs-Verhandlungen aller Gebietskörperschaftsebenen gemäß Abs. 1 ist in einem Paktum festzuschreiben und im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Die Umsetzung dieses verfassungsunmittelbaren Rechtsaktes durch den einfachen Gesetzgeber unterliegt der Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes. Art. 140 B-VG findet Anwendung.“

 

Anmerkungen:

„nicht vernachlässigbar“ müsste in den Erläuterungen näher quantifiziert werden

 

Die Ausübung des Einspruchsrechts sowie die Beibehaltung des Einspruchs sind in Abhängigkeit von den zukünftigen Organen (Bundesrat-Neu) auszugestalten.

 

 

10.1.4    Kostenüberwälzung

Eingebracht im Ausschuss 10, 7. Sitzung, 28.6.2004

 

 

Textvorschläge zur Neuregelung der Kostenüberwälzung (§ 2) und Umlagenerhebungskompetenz (§ 3)

 

 

·    § 2 F-VG Neu

 

„Der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften tragen, sofern die zuständige Gesetzgebung aus wichtigen Gründen und nach Verhandlungen mit den betroffenen Gebietskörperschaften nichts anderes bestimmt, den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt.“

 

Erläuterungen:

 

§ 2 F-VG bestimmt, dass der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften, sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, den Aufwand tragen, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben (Anknüpfung an die Vollzugskompetenz) ergibt.

 

Dieser Konnexitätsgrundsatz, die Koppelung von Aufgabenverantwortung und Finanzierungsverantwortung, kann fast zwingend schon aus dem Autonomieprinzip abgeleitet werden, die eigentliche Bedeutung des § 2 F-VG wird daher eher darin gesehen, dass vom Prinzip der eigenen Kostentragung abweichende Regelungen getroffen werden können.

 

Der Kostenbegriff umfasst bei der Besorgung von Aufgaben einer anderen Gebietskörperschaft allerdings nur den Personal- und den sogenannten Amtssachaufwand. Den sogenannten Zweckaufwand hat jene Gebietskörperschaft zu finanzieren, deren Aufgabe besorgt wird.

 

§ 2 F-VG lässt Ausnahmen vom Prinzip der eigenen Kostentragung zu, nämlich Kostenüberwälzungen (etwa in Form der Überbürdung auch des Zweckaufwandes) oder Kostenübernahmen, die beim Finanzausgleich eine bedeutende Rolle spielen.

 

Bisher konnte der zuständige Gesetzgeber Kostenüberwälzungen ohne weiteres an eine andere Gebietskörperschaft (Bund an Länder und/oder Gemeinden bzw. Länder an die Gemeinden) vornehmen und sich damit jeglicher finanzieller Verantwortung entledigen.

Diese praktizierte Vorgehensweise erfuhr einerseits durch den Konsultationsmechanismus eine gewisse Entschärfung, jedoch ist dieses Instrument unzureichend. Die neue Finanzverfassung ist vom Gedanken der Parität der drei Gebietskörperschaften geleitet. Diesem Grundsatz folgend wird der bisherige § 2 durch die Wendung "aus wichtigen Gründen und nach Verhandlungen mit den betroffenen Gebietskörperschaften" ergänzt. In diesen Verhandlungen muss die "überwälzende" Gebietskörperschaft darlegen, aus welchen Gründen diese Kostenüberwälzung vorgenommen wird, wobei darauf Bedacht zu nehmen ist, dass Kostenüberwälzungen nur aus wichtigen Gründen vorgenommen werden dürfen.

 

·        § 3 F-VG Neu (Regelung hinsichtlich sogenannter "indirekter Umlagen")

 

Vorbemerkung: Neben den Landesumlagen legen die Länder in den Materiengesetzen Kostenbeteiligungen der Städte und Gemeinden für bestimmte Bereiche (Sozialhilfe, Spitäler, Kindergärten etc.) fest. Diese Kostenbeteiligungen sind für die Gemeinden unberechenbar und stellen zumeist eine Abweichung vom Paktum dar. Aus der Sicht der Gemeinden gehört dieses Verhältnis verrechtlicht, um eine Vorhersehbarkeit dieser Kosten, gerade im Hinblick auf eine mittelfristige Finanzplanung für die Gemeinden sicherstellen zu können.

 

§ 3 F-VG

 

(1) Die Länder sind berechtigt, für besondere Zwecke nach vorherigen Verhandlungen und im Einvernehmen mit den Gemeinden (vertreten durch den Österreichischen Städtebund und Österreichischen Gemeindebund) Kostenbeteilungen der Gemeinden bis zu einer im Finanzausgleichsgesetz bestimmten Höchstgrenze festzulegen.

 

(2) Eine Erhöhung der Kostenbeteiligung darf ebenfalls nur nach Verhandlungen mit den Gemeinden erfolgen.“

 

 

10.1.5    Gender Budgeting

Eingebracht im Ausschuss 10

 

Art. XX

Bund, Länder und Gemeinden haben bei der Erstelung und beim Vollzug der Haushalte die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern anzustreben.

 

 

10.1.6    Konsultationsmechanismus

Eingebracht im Ausschuss 10

 

 

Artikel 1

 

(1) Bund, Länder und Gemeinden, diese vertreten durch den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund, schließen miteinander Vereinbarungen über einen Konsultationsmechanismus ab.

 

Subvariante 1 zu Abs. 1 (Länder):

Bund, Länder und Gemeinden . . . sind ermächtigt, miteinander Vereinbarungen über einen Konsultationsmechanismus abzuschließen.

 

(2) Die Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus regelt:

1. die wechselseitige Information der Gebietskörperschaften über rechtsetzende Maßnahmen einschließlich der Gelegenheit zur Stellungnahme. In diesem Zusammenhang besteht die Verpflichtung, dass im Begutachtungsentwurf für alle rechtsetzenden Maßnahmen, die in den Anwendungsbereich des Konsultationsmechanismus fallen, eine Darstellung der finanziellen Auswirkungen aufzunehmen ist, die den von den Vertragsparteien einvernehmlich zu erarbeitenden und vom Bundesminister für Finanzen zu erlassenden Richtlinien gemäß § 14 Abs. 5 Bundeshaushaltsgesetz entspricht;

2. die Einrichtung von Konsultationsgremien aus Vertretern von Organen des Bundes, der Länder, des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes, die ihre Beschlüsse einvernehmlich fassen, insbesondere zur Beratung über die Kosten solcher rechtsetzender Maßnahmen un ddie Voraussetzungen für eine Verhandlungspflicht;

3. Regelungen über die Kostentragung und Kostenersatzpflicht, insbesondere besteht die Verpflichtung, abzugeltende zusätzliche finanzielle Ausgaben bei den Verhandlungen über die nächste Finanzausgleichsperiode als bestehende Verpflichtung einvernehmlich einzubinden.

 

Artikel 2

 

Diese Vereinbarung gilt nicht für rechtsetzende Maßnahmen, die die Gebietskörperschaften in ihrer Eigenschaft als Träger von Privatrechten so wie jeden anderen Rechtsträger treffen.

 

Artikel 3

 

(1) Auf die Vereinbarungen gemäß Art. 15a Abs. 1 B-VG geltenden bundes- und landesrechtlichen Vorschriften mit folgenden Abweichungen anzuwenden:

1.         Die Vereinbarungen können von § 2 Finanz-Verfassungsgesetz abweichende Regeln über die Tragung des Aufwandes der Gebietskörperschaften vorsehen.

2.         Die Genehmigung der Vereinbarungen kann in den Landtagen mit einfacher Mehrheit erfolgen.

 

(2) Der Österreichische Gemeindebund und der Österreichische Städtebund sind berechtigt, Anträge gemäß Art. 138a Abs. 1 B-VG zu stellen.

 

Artikel 4

 

Den Gemeinden aus Vereinbarungen gemäß Art. 1 zustehende vermögensrechtliche Ansprüche können von diesen sowie in ihrem Namen vom Österreichischen Gemeindebund oder vom Österreichischen Städtebund nach Art. 137 B-VG geltend gemacht werden.

 

Artikel 5

 

Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.

 

 


 

Ruppe/Schnizer

10.1.7    Kostentragung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag

Eingebracht im Ausschuss 10, 6. Sitzung, 2.6.2004

 

 

Abweichende Kostentragung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag

(Ruppe/Schnizer)

 

 

Problem:

§ 2 F-VG 1948 sieht in der geltenden Fassung vor, dass die Kostentragung sich

grundsätzlich nach der Vollziehungszuständigkeit richtet. Der “zuständige” Gesetzgeber kann

davon Abweichendes verfügen. Nach hA sind daher sowohl Kostenüberwälzungen als auch

Kostenübernahmen zulässig, wenn ihnen ein Akt des zuständigen Gesetzgebers zugrunde

liegt. Daneben war es gängige Praxis, abweichende Kostentragungen im Wege

privatrechtlicher Vereinbarungen zwischen den Gebietskörperschaften vorzusehen. Dieser

Praxis ist die Rechtsprechung des OGH entgegengetreten, die unter Hinweis auf den Wortlaut

des § 2 F-VG (Abweichungen nur durch Gesetz) derartige Vereinbarungen für nichtig erklärt

hat. Da in der Praxis ein Bedürfnis bestehen dürfte, abweichende Kostentragungen

(Kostenübernahmen, Mitfinanzierungen und dgl.) auch unterhalb der Gesetzgebungsebene zu

vereinbaren, sollte erwogen werden, die Möglichkeit abweichender

Kostentragungsvereinbarungen ausdrücklich zuzulassen.

Lösung:

Zu erwägen wäre hiefür die Rechtsform eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. Nach

der Judikatur des VfGH kann der einfache Gesetzgeber Verwaltungsbehörden zum Abschluss

öffentlich-rechtlicher Verträge ermächtigen, wenn dies mit dem in der Bundesverfassung

vorgezeichneten Rechtsschutzsystem vereinbar ist (zuletzt VfGH 23. 1. 2004, G 359/02 unter

Verweis auf VfSlg 9886/1983 und 9226/1981). Im gegebenen Zusammenhang ist jedoch an

eine verfassungsrechtliche Ermächtigung zu denken, da es um Ausnahmen vom

verfassungsrechtlichen Grundsatz der eigenen Kostentragung in § 2 F-VG geht.

Vereinbarungen dieser Art sollten einerseits zwischen den Partnern des

Finanzausgleichspaktums möglich sein, das heißt zwischen dem Bund, der Gesamtheit der

Länder und der Gesamtheit der Gemeinden. Eine solche Regelung könnte rechtstechnisch an

die Regelungen des BVG Gemeindebund (BGBl I 61/1998) anschließen. Dort werden

einerseits Bund, Länder und Gemeinden (diese vertreten durch den Österreichischen

Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund) ermächtigt, miteinander

Vereinbarungen über einen Konsultationsmechanismus und einen Stabilitätspakt

abzuschließen. Nach Art. 2 können diese Vereinbarungen von § 2 F-VG abweichende Regeln

über die Tragung des Aufwandes der Gebietskörperschaften vorsehen. Auf diese

Vereinbarungen sind allerdings – wenn auch modifiziert – die für Vereinbarungen nach Art.

15a Abs. 1 B-VG geltenden Vorschriften anzuwenden. Die hier vorgeschlagene Lösung

würde derartige, von § 2 F-VG abweichende Kostentragungsvereinbarungen unabhängig vom

Konsultationsmechanismus und Stabilitätspakt und ohne Anwendung der Regeln des Art 15a

B-VG zulassen.

Zum anderen sollten solche Vereinbarungen aber auch zwischen einzelnen

Gebietskörperschaften verschiedener Ebenen oder derselben Ebene geschlossen werden

können.

Soweit derartige Vereinbarungen zu Kostenübernahmen führen, ist eine

budgetmäßige Abdeckung erforderlich. Darüber hinausgehende einfachgesetzliche

Grundlagen sind zwar nicht schädlich (die Vereinbarung wäre in diesem Fall eine

Durchführung dieser gesetzlichen Ermächtigung), im übrigen aber nicht erforderlich, soweit

die Vereinbarung nicht gegen zwingende einfachgesetzliche Normen verstößt.

Ob ein Bedürfnis besteht, derartige Vereinbarungen der Kontrolle des VfGH nach Art.

138a B-VG zu unterwerfen, ist eine rechtspolitische Frage, die mE eher zu verneinen ist.

Eine andere Frage ist, wer für die Entscheidung von Streitigkeiten über die Erfüllung

der aus der Vereinbarung resultierenden finanziellen Verpflichtungen zuständig sein soll. An

sich wäre dies nach Art. 137 B-VG der Verfassungsgerichtshof, der jedoch zur Bewältigung

solcher vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn sie häufiger vorkommen, von seiner

Struktur her nicht unbedingt geeignet erscheint; zumindest eine Vorinstanz wäre

wünschenswert. Denkbar wäre auch eine Regelung, die die Zuständigkeit des VfGH gemäß

Art. 137 B-VG vorsieht, sofern nicht in der Vereinbarung die Zuständigkeit der ordentlichen

Gerichte vorgesehen ist.

 

 


 

11        Präsidium

 

11.1  Kahr Claudia, Dr./Kostelka Peter, Dr.

11.1.1    Positionen zur Sicherheitspolitik

Eingebracht im Präsidium, 32. Sitzung, 27.10.2004

 

 

Positionen zum Thema Sicherheitspolititk

für das Präsidium des Österreich-Konvents

 

1.       Wir treten für die Beibehaltung des Neutralitäts-BVG als Verfassungstrabant ein, wie sie auch die übrigen Mitglieder des Präsidiums befürwortet haben. Darüber hinaus ist es aber nicht notwendig, (Kern)Inhalte dieses Verfassungsgesetzes in der Stammurkunde neuerlich zu benennen. Wir teilen diesbezüglich die vom Ausschuss 2 in seiner 15. Sitzung geäußerte Auffassung, dass eine solche kumulative Festschreibung „überschießend und verfassungslegistisch problematisch“ wäre.

 

2.       Der Bestimmungen über die umfassende Landesverteidigung und die allgemeine Wehrpflicht in Art. 9a B‑VG sollen unverändert beibehalten werden. Legistisch könnte das Recht auf Leistung von Zivildienst im Sinne des § 2 Abs 1 ZDG bei der Bestimmung über die allgemeine Wehrpflicht integriert werden. Die Dauer des Zivildienstes ist jener des Wehrdienstes anzugleichen.

 

3.       Weiters sprechen wir uns für die Aufnahme des von Abg. Wittmann im Ausschuss 1 vorgeschlagenen Staatsziel Friedenspolitik aus, das – textlich leicht modifiziert und unter der Annahme, dass Art 23 f B‑VG erhalten bleibt – wie folgt lauten sollte:

 

„Die Republik Österreich bekennt sich zu einer aktiven Friedenpolitik und zum solidarischen Zusammenwirken in der Europäischen Union auf der Grundlage der Neutralität. Österreich nimmt an friedenserhaltenden Aufgaben sowie Kampfeinsätzen bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen nur auf Grund von Beschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen teil, die zu solchen ausdrücklich ermächtigen."

 

4.       Wir unterstützen weiters den von Dr. Specht im Ausschuss 1 vorgelegten Vorschlag für eine Ergänzung des Art. 23 f B‑VG, wonach sich Österreich an Aktionen im Rahmen der GASP nur bei einem entsprechenden Beschluss des UN-Sicherheitsrates beteiligen kann.

 

Art 23 f. (1) (.....) Dies schließt die Mitwirkung an Aufgaben gemäß Art 17 Abs. 2 dieses Vertrages sowie an Maßnahmen ein, mit denen die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten Ländern ausgesetzt, eingeschränkt oder vollständig eingestellt werden, soweit diese Maßnahmen in Erfüllung eines Mandates der Vereinten Nationen erfolgen. (.....).

(2) (.....)

(3) An Beschlüssen betreffend friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen kann Österreich mitwirken, soweit derartige Beschlüsse in Erfüllung eines Mandates der Vereinten Nationen gefasst werden.

 

5.       Das KSE-BVG ist in den Text der Verfassungsurkunde zu integrieren und – ohne dass dabei eine inhaltliche Änderung erfolgt – mit den Aufgaben des Bundesheeres in Art 79 B‑VG legistisch abzustimmen.

 

 

11.1.2    Überlegungen zum Endbericht

Eingebracht im Präsidium, 37. Sitzung, 23.11.2004

 

Überlegungen zum Endbericht des Österreich-Konvents

 

I.       Wir gehen davon aus, dass der Entwurf des Endberichts so zeitgerecht fertiggestellt sein sollte, dass eine Diskussion im Plenum des Konvents jedenfalls sichergestellt ist. Zudem sind wir überzeugt, dass eine geeignete strukturierte Darstellung des Diskussionsprozesses und der vom Konvent erarbeiteten Inhalte und Vorschläge eine notwendige Grundlage für Konsensfindungen – und damit eine inhaltliche Frage der Beratungen – darstellt. Deshalb wird vorsorglich – nunmehr auch schriftlich – die folgende Berichtsstruktur vorgeschlagen.

 

Das Gründungskomitee hat dem Konvent im wesentlichen zwei Aufgaben übertragen, nämlich „Vorschläge für eine grundlegende Staats- und Verfassungsreform“ sowie „zuletzt auch Textvorschläge für einen straffen Verfassungstext auszuarbeiten“.

 

Diesem Auftrag entsprechend hat der Konvent mit großem Erfolg in einem ersten Schritt alle Bereiche des geltenden Verfassungsrechts auf ihre Notwendigkeit und Reformbedarf beraten sowie sodann Vorschläge für Neuregelungen diskutiert. In einem zweiten Schritt wurden – nach ersten Richtungsentscheidungen durch das Präsidium – auf Basis der Ergänzungsmandate konkrete Textvorschläge erarbeitet. Diese Arbeit ist im wesentlichen in den Ausschüssen erfolgt; sie gilt es im Endbericht zu sichern und darzustellen. Aufbauend auf den Ausschussarbeiten wurden im Präsidium weitere Positionen und Textvorschläge eingebracht, bestimmte Fragen und Texte konsentiert, andere wieder verworfen; dies ist ebenfalls im Endbericht darzustellen.

 

II.      Basierend auf die unter I. dargestellt Ausgangslage sowie dem Konventsprozeß sollte der Endbericht des Österreich-Konvents wie folgt aufgebaut sein: einleitend ein allgemeiner Teil (Einsetzung, Zusammensetzung, Ablauf der Beratungen, hearings etc.; Teil 1);  anschliessend ein inhaltlich-erläuternder Teil, der auch eine Darstellung von Textvorschlägen enthält (Teil 2).

 

Teil 2 sollte nach Themenbereichen gegliedert sein; damit liegt eine Gliederung nach den Ausschussmandaten nahe (Ausschuss 1 bis Ausschuss 10). Insoweit es zu thematischen Überschneidungen zwischen mehreren Ausschüssen kommt, sollte nach dem Prinzip, in welchem der thematische Schwerpunkt überwiegt, vorzugehen (zB wurde das Gemeinderecht im Ausschuss 3 beraten, Kontrollrechte in den Gemeinden aber im Ausschuss 8; die gemeinsame Darstellung sollte im Rahmen des Ausschusses 3 – Gemeinderecht – erfolgen).

 

Ein Aufbau des Endberichts nach dem sog „Inhaltsverzeichnis“ des Ausschusses 2 kann schon deshalb nicht erfolgen, weil dieses sowohl vom Ausschuss 2 als auch vom Präsidium nur als eine „Zusammenstellung von Themen“ gedacht und konsentiert war, „die dem Präsidium die Überprüfung der Ausschussmandate auf ihre Vollständigkeit erleichten soll“, nicht aber als Gliederung einer künftigen Verfassung. Eine Darstellung von Textvorschlägen anhand des Inhaltsverzeichnisses würde dieses aber de facto zur Gliederung einer neuen Verfassung machen. Der Ausschuss 2 hat ausdrücklich zwischen Inhaltsverzeichnis und Gliederung einer neuen Verfassung unterschieden. Er hat die Notwendigkeit einer ausführlichen Diskussion über eine allfällige Gliederung betont, ihre Behandlung aber vertagt und nicht wieder aufgenommen. Im Ausschuss wurden drei Gliederungsvorschläge von Wiederin sowie Vorstellungen von Öhlinger und Poier eingebracht.

 

Auch ein Aufbau des Endberichts anhand der geltenden B‑VG-Artikel (von Art. 1 bis 152) erscheint nicht sinnvoll, weil es bei neuen Textvorschlägen häufig zu einem Streichen oder Hinzufügen von Artikeln sowie zu einer Änderung der bestehenden Systematik kommen wird. Bei einer synoptischen Darstellung mehrerer Textvorschläge hat das zwangsläufig ein „Zerreissen“ der jeweiligen Vorschläge zur Folge, wie die Synopse zum Gemeinderecht zeigt. Eine solche Darstellung ist zwar als Arbeitsbehelf für Beratungen, nicht aber für eine Darstellung im Endbericht geeignet.ö

 

III.    Innerhalb des groben thematischen Rasters der Ausschussberichte („Grobgliederung“) sollte der Aufbau des Endberichts jeweils nach folgendem Schema erfolgen („Feingliederung“):

 

1. Darstellung, ob Änderungsbedarf zu einem bestimmten Thema (bzw dem jeweiligen Artikel der Bundesverfassung) gesehen wird.

 

2. Darstellung, worin und aus welchen Gründen Änderungsbedarf gesehen bzw. nicht gesehen wird (rechtspolitischer und/oder legistischer Natur) und wie die Meinungsbildung diesbezüglich in den Ausschüssen bzw im Präsidium ist (Konsens, kein Konsens).

 

3. Darstellung vorhandener Textvorschläge zu diesem Thema. Dafür sollten folgende Prinzipien gelten:

·        Es sind all diejenigen Textvorschläge aufzunehmen, die von einem Präsidiumsmitglied „adoptiert“ werden.

·        Alle Textvorschläge sind formal gleichwertig darzustellen (zB in Form von Synopsen).

·        Der jeweilige Proponent eines Textvorschlages ist auszuweisen. Im Präsidium konsentierte Texte gelten als solche des Präsidiums.

·        Wenn von einem Mitglied des Präsidiums kein Änderungsbedarf gesehen wird, gilt automatisch der alte Text.

 

 


 

11.2  Kostelka Peter, Dr.

11.2.1    Auflistung fehlende Punkte

Eingebracht im Präsidium, 34. Sitzung, 8.11.2004

 

 

Zu der

 

Auflistung von Themen, zu denen neue Texte fehlen

 

nehmen ich wie folgt Stellung:

 

Ich begrüße die akribische Durchsicht des geltenden Verfassungsrechts auf so genannte „blinde Flecken“ der bisherigen Konventstätigkeit. Angesichts des fortgeschrittenen Zeithorizonts erscheint es uns jedoch weit dringlicher, die Konventstätigkeit und im besonderen die politische Entscheidungskapazität des Präsidiums endlich auf die großen und für ein politisches Gelingen des Konvents entscheidenden Fragen, wie Grundrechtskatalog (und hier insbesondere die sozialen Grundrechte), Kompetenzverteilung oder Finanzverfassung zu fokusieren.

 

Angesichts dessen sehe ich hinsichtlich der konkreten Auflistung noch bei folgenden Themen einen Bedarf für (neue) Textierungen:

 

I.7. Sozialstaat

„Österreich ist ein Sozialstaat.“

 

IV.8. Kompetenzverteilung Privatwirtschaftsverwaltung

In Zusammenhang mit Art 17 B‑VG oder einer allfälligen Neuregelung:

„Unbeschadet der allgemeinen Kompetenzverteilung können Bundes- und Landesgesetzgeber Rechte und Pflichten aus verwaltungsrechtlichen Verträgen begründen, die von ihrer Zuständigkeit unterliegenden Verwaltungsorganen abgeschlossen werden.“ (Vorschlag Holoubek, Bericht der Expertengruppe).

 

Weiters wird jedenfalls noch ein Textvorschlag zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitenrecht samt Organstreitverfahren nachgereicht.

 

Angemerkt sei auch, dass eine Reihe der in der Liste genannten Themen duchaus eine Behandlung bzw Neutextierung, wenn vielleicht auch in einem anderen als dem angegebenen Ausschuss oder unter einer anderen als der aus dem Inhaltsverzeichnis übernommenen Überschrift, erfahren haben (zB Gemeinderecht: Textvorschläge in Ausschuss 3; Immunität: Beratung in Ausschuss 8; Staatssprache: Recht zur Verwendung der Gebärdensprache oder lautsprachbegleitender Gebhärden in Ausschuss 4).

 

 


 

11.2.2    Weisungsfreie Verwaltung mit Ausgliederung

Eingebracht im Präsidium, 36. Sitzung, 22.11.2004

 

 

Weisungsfreie Verwaltung und

Ausgliederung von Aufgaben der Verwaltung

 

Im Anschluss an die Diskussion des Themas „Weisungsbindung und weisungsfreie Verwaltung“ in der 33. Sitzung lege ich einen – auf einem Vorschlag von Prof. Holoubek basierenden – überarbeiteten Textvorschlag vor.

 

Im Zuge der Überarbeitung hat sich gezeigt, dass eine Regelung der Themen Weisungsfreistellung und Ausgliederung in einem Artikel nicht nur sinnvoll, sondern aufgrund des Zusammenspiels von Weisungsfreistellung einerseits und Weisungsbindung bei der Ausgliederung hoheitlicher Aufgaben andererseits unbedingt notwendig ist:

 

Nach der derzeitigen Fassung des Präsidiumstextes (Abs 2 Satz 1: „Für die Besorgung einzelner hoheitlicher Aufgaben durch ausgegliederte Rechtsträger gilt jedenfalls Art. 20 Abs. 1.“) ist nämlich die Weisungsfreistellung eines Ausgegliederten in Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung selbst dann nicht möglich, wenn es sich um einen Bereich handelt, in dem weisungsfrei gestellt werden soll (es würde also zu einer „Rückverstaatlichung“ weiter bereits jetzt weisungsfrei vollzogener Bereiche kommen, insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge).

 

Der vorgeschlagene Artikel baut auf den im Präsidium beratenen Texten auf. Er hat folgende Struktur:

 

·           Abs. 1 regelt die obersten Verwaltungsorgane

 

·           Abs. 2 die Weisungsbindung der Verwaltung (geltender Art. 20 Abs. 1)

 

·           Abs. 3 die (teilweise) Weisungsfreistellung bestimmter Organe der Verwaltung

 

·           Abs. 4 die Grenzen der Ausgliederung hoheitlicher Vollzugsaufgaben

 

·           Abs. 5 die Ausgliederung nicht hoheitlicher Vollzugsaufgaben regelt.

 

Gegenüber den im Präsidium besprochenen Texten kommt es zu folgenden Änderungen:

 

·               eine adaptierte Umschreibung der weisungsfreien Bereiche (Abs. 3)

 

·               eine differenzierte Regelung über die parlamentarische Kontrolle (Abs. 3)

 

·               eine Klarstellung, dass die Möglichkeit zur Weisungsfreistellung nach Abs. 3 auch bei der Besorgung von Hoheitsaufgaben durch ausgegliederte Rechtsträger möglich ist (Abs. 4)

 

Textvorschlag:

(1) Zur Besorgung der Verwaltungsgeschäfte sind die obersten Verwaltungsorgane und die ihnen unterstellten Ämter und Rechtsträger berufen.

 

(2) Unter der Leitung der obersten Organe des Bundes und der Länder führen nach den Bestimmungen der Gesetze auf Zeit gewählte Organe oder ernannte berufsmäßige Organe die Verwaltung. Sie sind, soweit nicht verfassungsgesetzlich anderes bestimmt wird, an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe gebunden und diesen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich. Das nachgeordnete Organ kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.

 

(3) Durch Gesetz können

 

1.     Organe zur sachverständigen technischen und wirtschaftlichen Prüfung,

2.     Organe mit Rechtsschutz- und Kontrollfunktion zur Wahrung und Durchsetzung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,

3.     Organe mit Schieds-, Mediations- und Interessenvertretungsfunktion,

4.     Organe zur Durchsetzung und Sicherung des Wettbewerbs und von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse,

5.     sonstige Organe, soweit dies auf Grund europarechtlicher Vorschriften geboten ist,

 

vom Leitungs- und Weisungszusammenhang gemäß Absatz 2 ausgenommen werden, wenn dies nach der Eigenart der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben erforderlich ist. In diesem Fall hat das Gesetz die Voraussetzungen der Unabhängigkeit dieser Organe zu regeln und ihre angemessene demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle sicherzustellen. Zu diesem Zweck kann das Gesetz dem zuständigen allgemeinen Vertretungskörper direkte Auskunfts- und Informationsrechte einräumen. Für Organe der Ziffern 4 und 5 kann das Gesetz eine, der Eigenart der diesen Organen gesetzlich übertragenen Aufgaben angemessene demokratische Steuerung und zu diesem Zweck begrenzte schriftliche Weisungsbefugnisse der zuständigen obersten Verwaltungsorgane vorsehen.

 

(4) Durch Gesetz können einzelne Aufgaben der hoheitlichen Vollziehung der Gesetze im Rahmen des Absatz 2 und des Absatz 3 auf physische oder juristische Personen übertragen werden.

 

(5) Bei der sonstigen Übertragung von Aufgaben der Vollziehung auf physische oder juristische Personen muss eine der Eigenart der übertragenen Aufgabe entsprechende staatliche Aufsicht, Leitung oder Steuerung gewahrt bleiben.“

 

Kurze Erläuterung:

Grundgedanke ist, dass der Gesetzgeber im Fall des Absatz 3 regeln muss, inwieweit der Leitungszusammenhang (zB im Hinblick auf Budget- und Personalhoheit) für „unabhängige Verwaltungsorgane“ beschränkt bzw beseitigt wird, er gleichzeitig aber auch regeln muss, wie – beispielsweise über Bestelldauer und begrenzte vorzeitige Abberufungsmöglichkeiten – diese Unabhängigkeit ausgestaltet und – zB über Aufsichtsrechte oder Berichts- und Informationspflichten gegenüber einem Parlament oder dem Gemeinderat – eine ausreichende demokratische Verantwortung des „unabhängigen Verwaltungsorgans“ gesichert ist. Organe der Ziffern 1 bis 3 sind wenn, dann vollständig weisungsfrei zu stellen, für Organe gemäß Ziffer 4 und 5 besteht die Möglichkeit, je nach Eigenart der ihnen übertragenen Aufgaben beschränkte und jedenfalls zwingend schriftliche Weisungsbefugnisse vorzusehen (beispielsweise strategische Ziel- oder Planungsvorgaben).

 

Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine gesetzliche Einrichtung einer unabhängigen Verwaltungsbehörde sind dabei im Absatz 3 differenziert geregelt: Die Organe der Ziffern 1-3 (Organe zur sachverständigen technischen und wirtschaftlichen Prüfung, Organe zur Wahrung und Durchsetzung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Organe mit Schieds-, Mediations- und Interessenvertretungsfunktion) müssen, werden sie als unabhängige Organe eingerichtet, einer angemessenen demokratischen und rechtsstaatlichen Kontrolle unterworfen werden. Eine demokratische Steuerung ist für diese Organe nicht erforderlich bzw würde, wie insbesondere bei Rechtsschutzorganen, der Zielsetzung der Unabhängigkeit dieser Organe geradezu zuwiderlaufen. Organe zur Durchsetzung und Sicherung des Wettbewerbs und von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (Ziffer 4 und allenfalls Z 5) übernehmen demgegenüber auch Aufgaben der Verwaltungsführung. Hier ist über die Kontrolle hinaus auch eine angemessene demokratische Steuerung, also etwa sicherzustellen, dass die grundlegenden strategischen Entscheidungen weiterhin den obersten Verwaltungsorganen vorbehalten bleiben. Absatz 3 konstituiert damit insofern ein bewegliches System zwischen Eigenart der zu besorgenden Aufgaben des unabhängig gestellten Verwaltungsorgans gemäß Ziffer 4 (und allenfalls Ziffer 5) und der Art und Intensität, wie der Gesetzgeber eine angemessene demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle und Steuerung sicherstellt.

 

Die Umschreibung der Organe, die weisungsfrei gestellt werden können, erfasst alle bisher durch Verfassungsbestimmung weisungsfrei gestellte Organe (siehe die Zusammenstellung der Ausschüsse 7 bzw. 9). In Hinblick auf die Organe mit Rechtsschutz- und Kontrollfunktion (Ziffer 2) ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsschutzbeauftragten nach dem Sicherheitspolizeigesetz und dem Militärbefugnisgesetz eine gesonderte Regelung (Anbindung an das Parlament) in der Verfassung erhalten sollen. Organe mit Interessensvertretungsfunktion (Ziffer 3) können auch Einzelpersonen sein, die zum stellvertretenden Schutz subjektiver Rechte eingerichtet sind (zB die „Kontaktfrau“ nach dem Gleichbehandlungsgesetz).

 

 

11.2.3    Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitenrecht mit „Organstreitverfahren

Eingebracht im Präsidium, 37. Sitzung, 23.11.2004

 

 

Einsetzung von Untersuchungsausschüssen

als Minderheitenrecht mit „Organstreitverfahren“

 

 

Textvorschlag für Art. 53 Abs. 1 und 4 B-VG:

 

Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Der Nationalrat hat einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, wenn ein Drittel seiner Mitglieder dies verlangt.

(2) ...

(3) ...

(4) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Antrag des Nationalrates oder eines Drittels der Mitglieder des Nationalrates bei Meinungsverschiedenheiten über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und über die ordnungsgemäße Erfüllung des Untersuchungsauftrages. Der Nationalrat oder der Untersuchungsausschuss ist verpflichtet, der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes zu folgen.

 

Erläuterungen

 

1. Allgemeine Erläuterungen

 

Mit der vorgeschlagenen Bestimmung wird eine verfassungsrechtliche Grundlage geschaffen, wonach ein Untersuchungsausschuss nicht wie bisher nur durch Beschluss der Mehrheit eingesetzt werden kann, sondern auch über ein Verlangen eines Drittels der Abgeordneten einzusetzen ist (Abs. 1).

 

Gleichzeitig wird ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof eingeführt, um allfällige Streitigkeiten zwischen der Minderheit und der Mehrheit über die Einsetzung und Durchführung eines Untersuchungsausschusses einer Klärung durch den Verfassungsgerichtshof zuzuführen. Ein solches Verfahren soll sowohl die Mehrheit davor schützen, dass die Minderheit in verfassungswidriger Weise von ihren Rechten Gebrauch macht (zB Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu einem Gegenstand, der nicht in die Vollziehung des Bundes fällt), als auch die Minderheit vor missbräuchlichem Verhalten der Mehrheit schützen (zB Blockierung der Tätigkeit eines auf Verlangen der Minderheit eingesetzten Untersuchungsausschusses).

 

Weil es sich dabei um einen Streit innerhalb des Organs Nationalrat (Innerorganstreit) handelt, wird diese Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes bei den entsprechenden Bestimmung über die Untersuchungsausschüsse angefügt (Abs. 4). Sie ist der Zuständigkeit zur Entscheidung über Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Rechnungshof oder der Volksanwaltschaft und einer zu prüfenden Einrichtung (Art 126a und 148f B-VG) nachgebildet.

 

2. Prüfungsgegenstand

 

Prüfungsgegenstand sind „Meinungsverschiedenheiten über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und über die ordnungsgemäße Erfüllung des Untersuchungsauftrages“. Der Verfassungsgerichtshof hat damit zum einen zu prüfen, ob die Kompetenz des Nationalrates hinsichtlich des Gegenstandes der Untersuchung überhaupt gegeben ist, das heißt, ob der Untersuchungsgegenstand in den Bereich der „Geschäftsführung der Bundesregierung“ iSd Art. 52 Abs. 1 B-VG fällt.

 

Der Begriff des „Untersuchungsauftrages“ entspricht § 33 GOG-NR und umschreibt die Zuständigkeit des Untersuchungsausschusses. Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Überprüfung können alle Handlungen oder Unterlassungen des Ausschusses sein, die die Erfüllung des Untersuchungsauftrages betreffen. 

 

Da es sich um ein Innerorganstreitverfahren zwischen der Minderheit und der Mehrheit des Nationalrates handelt, erstreckt sich die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nicht auf Streitigkeiten zwischen dem Untersuchungsausschuss und den Gerichten oder Behörden in Zusammenhang mit der Unterstützungs- und Auskunftsverpflichtung des Art. 53 Abs. 3 B-VG; dies entspricht der Rechtslage hinsichtlich der vergleichbaren Reglung zur Volksanwaltschaft in Art 148f B-VG.

 

3. Prüfungsmaßstab

 

Prüfungsmaßstab sind sowohl die relevanten Vorschriften auf Verfassungsebene (im Besonderen die Art. 52f B-VG) wie auch die in Ausführung des Art. 53 Abs. 2 B-VG ergangenen Vorschriften des GOG-NR und der Verfahrensordnung für Parlamentarische Untersuchungsausschüsse.

 

4. Antragsrecht

 

Das Antragsrecht kommt sowohl dem Nationalrat als auch einem Drittel seiner Mitglieder zu. Das Antragsrecht des Nationalrates steht der Nationalratsmehrheit offen, die ohne Weiteres auch über ein Drittel der Mitglieder verfügt. Die gesonderte Anführung des Nationalrates dient der Verdeutlichung des Innerorganstreits und widerspiegelt die politische Realität betreffend die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen.

 

Ein Antragsrecht der Bundesregierung ist nicht vorgesehen. Zwar handelt es sich bei der Durchführung eines Untersuchungsausschusses um ein parlamentarisches Kontrollrecht gegenüber der Regierung. Die Durchführung eines Untersuchungsausschusses ist aber ein parlamentarisches Verfahren. Meinungsverschiedenheiten über die Einsetzung und Durchführung bestehen daher innerhalb des Organs Nationalrat, sodass auch nur diesem bzw einem Teil desselben die Antragsberechtigung zukommt. Politisch werden die Interessen der Bundesregierung ohnedies durch die Nationalratsmehrheit wahrgenommen.

 

5. Rechtsfolgen

 

Mit seinem Erkenntnis stellt der Verfassungsgerichtshof fest, ob oder wieweit ein Einsetzungsbeschluss (oder allenfalls auch das Unterlassen eines Einsetzungsbeschlusses) dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen widerspricht. Wird der Gerichtshof in Zusammenhang mit der Durchführung eines Untersuchungsausschusses angerufen, so spricht er darüber ab, ob eine bestimmte Vorgangsweise im Ausschuss den relevanten Bestimmungen entspricht.

 

Der vorgeschlagene Abs. 4 enthält die Verpflichtung des Nationalrats bzw. des Untersuchungsausschusses, dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Folge zu leisten. Dies entspricht der Anordnung des Art. 126a B-VG. Eine Exekution eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes ist hingegen nicht vorgesehen.

 

6. Dringlichkeit des Verfahrens

 

Der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf Untersuchungsausschüsse kommt eine besondere Dringlichkeit zu. Daher sollte im Verfassungsgerichtshofgesetz vorgesehen werden, dass der Gerichtshof sein Erkenntnis tunlichst binnen sechs Monaten nach Einlagen des Antrages zu fällen und den Parteien des Verfahrens zuzustellen hat. Diese Regelung besteht derzeit bereits für Verfahren über Kompetenzstreitigkeiten des Rechnungshofes oder der Volksanwaltschaft und einer zu prüfenden Einrichtung (§ 36e VfGG).

 

 

11.2.4    Universitätsrecht

Im Präsidium eingebracht, 41. Sitzung, 13.12.2004

 

 

Der Vorschlag des Ausschusses 2 zum Universitätsrecht (Ergänzungsbericht S. 22) enthält lediglich eine Bereinigung bzw Kodifíkation der über verschiedene Gesetze verstreuten Verfassungsbestimmungen. Darüber hinausgehend sollten folgende Bestimmungen aufgenommen werden:

 

 

 

 

 



[1] Dieser im geltenden Art 9 Abs 2 B-VG enthaltene Verweis wäre selbstverständlich in einer künftigen Neufassung des gesamten B-VG entsprechend zu adaptieren.

[2] Der Hinweis auf die Organe solcher Einrichtungen im geltenden Art 9 Abs 2 B-VG kann als überflüssig entfallen. Ein Hoheitsrecht ist immer der juristischen Person zuzurechnen.

[3] Zur Klammer siehe die Erläuterungen (2.c.).

[4] Diese Nummerierung ist selbstverständlich nur als vorläufig anzusehen und soll die Ergänzung des geltenden Art 50 B-VG hervorheben.

[5] Der Hinweis auf die Organe solcher Einrichtungen im geltenden Art 9 Abs 2 B-VG kann als überflüssig entfallen. Ein Hoheitsrecht ist immer der juristischen Person zuzurechnen.

[6] Zur Klammer siehe die Erläuterungen (2.c.).

[7] Diese Nummerierung ist selbstverständlich nur als vorläufig anzusehen und soll die Ergänzung des geltenden Art 50 B-VG hervorheben.

              [8]             Robert von Mohl, Die Abfassung der Rechtsgesetze, in: ders, Staatsrecht, Völkerrecht und Politik, Bd 2,, 1862, 375 (457).

              [9]             Horst Dreier, Kommentierung von Art 79, in: ders (Hg), Grundgesetz. Kommentar, Bd II, 1998, Rz 8.

              [10]            So Fritz Fleiner/Zaccaria Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 1949, 29 f; Luzius Wildhaber, Kommentierung von Art 118, in: Jean-François Aubert ua (Hg), Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Bundesverfassung, LoBlAusg, 1988, Rz 3; wesentlich differenzierter Ivo Hangartner, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, Bd I: Organisation, 1980, 29, mit Nachweisen von Abweichungen in der Staatspraxis.

              [11]            Vgl zB das dänische Thronfolgegesetz 1953 und die Verfassung des Königreiches Dänemark 1953, die in § 2 auf das Thronfolgegesetz Bezug nimmt.

              [12]            Vgl Art 1 und 112 Abs 1. Diese Regelung, die schon in der Verfassung 1920 begegnet, dürfte übrigens die Entstehung des Art 44 Abs 1 B‑VG maßgeblich beeinflusst haben. Dieser ist nämlich erst in einer sehr späten Phase der Verfassungsberatungen vorgeschlagen worden (vgl Felix Ermacora, Quellen zum österreichischen Verfassungsrecht [1920], 1967, 483); in allen Vorentwürfen wurde lediglich auf eine „Abänderung der Bundesverfassung“ Bezug genommen.

              [13]            Vgl Art 138. Ausdrücklich vorgesehen ist die Form eines Verfassungsgesetzes zB für die Zuständigkeiten des Verfassungsgerichts (Art 137) sowie für die Sonderstatuten betreffend die Autonomie Siziliens, Sardiniens, Südtirol-Trients, Friaul-Julisch-Venetiens und des Aosta-Tales (Art 116).

              [14]            Vgl Kap VIII § 15 der schwedischen Verfassung und § 73 des finnischen Grundgesetzes, in dem nicht nur Vorlagen zur Verabschiedung, Änderung oder Aufhebung des Grundgesetzes, sondern auch zeitlich begrenzte Aussetzungen des Grundgesetzes ausdrücklich angeführt werden.

              [15]            Beispiele bilden das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland, dessen Verfassung (entgegen einem verbreiteten Vorurteil) zu einem guten Teil in Texten niedergelegt ist (Magna Charta Libertatum 1215, Petition of Rights 1627, Habeas-Corpus-Act 1679, Bill of Rights 1689, Human Rights Act 1998, Act of Settlement 1701, Acts of Parliament 1911 und 1949, Wales Act 1998, Scotland Act 1998, Northern Ireland Act 1998), die Republik Indonesien, deren Konstitution aus 1945 nur einen (den geschriebenen) Teil der Verfassung bildet, und der australische Bundesstaat Queensland bis zur Erlassung der konsolidierten Verfassung 2002, welche die zerstreuten, selbst Briefe umfassenden Quellen in einer Urkunde zusammengefasst hat.

              [16]            Zum politischen Hintergrund Winfried Halder, Innenpolitik im Kaiserreich 1871-1914, 2003, 13, 54.

              [17]            Näher Ulrich Hufeld, Die Verfassungsdurchbrechung, 1997, 39 ff.

              [18]            So Lasker, 77. Sitzung des Reichtags vom 9. 7. 1879, StenBer 2203, zitiert nach Hufeld (FN 10), 40 FN 7.

              [19]            Hänel, 78. Sitzung des Reichtags vom 10. 7. 1879, StenBer 2246, zitiert nach Hufeld (FN 10), 40 FN 9.

              [20]            1904 wurde die Klausel in der Tat weitgehend beseitigt: vgl Halder (FN 9), 130.

              [21]            Vgl Heinrich Triepel, Mitbericht, in: Verhandlungen des 33. Deutschen Juristentages, 1925, 45 (48), der von einem Willen der Konstituante zur Beibehaltung der eingelebten Praxis ausgeht.

              [22]            Gesetz zur Befriedung der Gebäude des Reichstages und der Landtage vom 8. Mai 1920, RGBl 909.

              [23]            Als Kritiker der impliziten Verfassungsänderung sind Loewenstein, Jacobi, Schmitt und Thoma zu nennen, die jedoch nicht die Zulässigkeit von Verfassungsänderungen außerhalb der Urkunde an sich in Zweifel zogen, sondern je und je verschiedene Aspekte dieser Technik, insbesondere die Beschränkung der Geltung von Durchbrechungen auf einen Einzelfall, als problematisch erachteten. Näher zum Ganzen Hufeld (FN 10), 51 ff.

              [24]            Vgl § 1 Abs 1 RGBl 1929 I 943: „Die Reichsregierung wird ermächtigt, Maßnahmen zu treffen, welche sie auf finanziellem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiete für erforderlich und dringend erachtet. Dabei kann von den Grundrechten der Reichsverfassung abgewichen werden.“ In Art 68 Abs 2 WRV hieß es: „Die Reichsgesetze werden vom Reichstag beschlossen.“

              [25]            „Der Reichspräsident wird vom ganzen deutschen Volke gewählt.“

              [26]            Die Schreiben sind im Wortlaut wiedergegeben bei Fritz Poetzsch-Heffter, Vom Staatsleben unter der Weimarer Verfassung, JböR 21 (1933/34), 1 (102 ff, 108 ff).

              [27]            Zur Beurteilung des Ermächtigungsgesetzes sub specie Verfassungsdurchbrechung eingehend Hufeld (FN 10), 84.

              [28]            Vgl Art 67 Abs 4 des Bayerischen Entwurfs eines Grundgesetzes, abgedruckt bei Peter Bucher (Bearb), Der Parlamentarische Rat 1948-1949. Akten und Protokolle Bd 2: Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, 1981, 1 (27): „Änderungen des Grundgesetzes sind im Text des Grundgesetzes oder in einen Anhang aufzunehmen.“

              [29]            Keine Rolle gespielt zu haben scheint demgegenüber die Lübeckischen Landesverfassung, in der es schon 1920 hieß: „Gesetze, die nicht die Abänderung des Wortlautes der Verfassung unmittelbar zum Gegenstand haben, sind, soweit sie mit der Verfassung in Widerspruch stehen, unwirksam.“

              [30]            Hufeld (FN 10), 105.

              [31]            Angela Bauer/Matthias Jestaedt, Das Grundgesetz im Spiegel seiner Änderungen – Eine Einführung, in: dieselben, Das Grundgesetz im Wortlaut, 1997, 7.

              [32]            Hans Schneider, Die Liquidation deutschen Auslandvermögens und ihre vertragliche Hinnahme durch die Bundesrepublik, 1964, 78 ff.

              [33]            Horst Ehmke, Verfassungsänderung und Verfassungsdurchbrechung, AöR 79 (1953/54), 385 (401 ff); Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl 1995, Rz 698.

              [34]            Bauer/Jestaedt (FN 24), 9 ff; Dreier (FN 2), Rz 11.

              [35]            Horst Ehmke, Noch einmal: Die Verfassungsnovelle vom 26. März 1954, DÖV 1956, 449 (452); derselbe, AöR 79 (1953/54), 396 ff.

              [36]            Karl Loewenstein, Kritische Betrachtungen zur Verfassungsänderung vom 26. März 1954, DÖV 1954, 385 (385); weitere Nachweise bei Hufeld (FN 10), 102 FN 38.

              [37]            Gerhard Hoffmann, Kommentierung von Art 79 Abs 1 und 2, in: Rudolf Dolzer (Hg), Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung 1986, Rz 44.

              [38]            BVerfGE 9, 334 (336), wo das BVerfG nicht etwa einen „Grundsatz der Urkundlichkeit und Einsichtbarkeit jeder Verfassungsänderung“ postuliert, sondern diesem Grundsatz eine implizite Absage erteilt hat; Schneider (FN 25), 78; Rüdiger Rubel, Kommentierung von Art 79, in: Dieter C. Umbach/Thomas Clemens (Hrsg), Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Bd II, 2002, Rz 13.

              [39]            Vgl Art 142a GG, auf den weiter unten eingegangen wird.

              [40]            Brun-Otto Bryde, Kommentierung von Art 79, in: von Münch (Hg), Grundgesetz-Kommentar, Bd 3, 2. Aufl 1983, Rz 14; Dreier (FN 2), Rz 36; Bodo Pieroth, Kommentierung von Art 79, in: Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, 4. Aufl 1997, Rz 2.

              [41]            Jörg Lücke, Kommentierung von Art 79, in: Michael Sachs (Hg), Grundgesetz. Kommentar, 3. Aufl 2003, Rz 4; Karl-E. Hain, Kommentierung von Art 79, in: v Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz. Kommentar Bd 3, 4. Aufl 2001, Rz 9.

              [42]            Bauer/Jestaedt (FN 24), 11; Theodor Maunz, Kommentierung von Art 79 Abs 1 und 2, in: derselbe/Günter Dürig ua (Hg), Grundgesetz. Kommentar, LoBlAusg 1960, Rz 4; vgl auch Rubel (FN 31), Rz 14, der Grenzen für dynamische Verweisungen zwar nicht aus Art 79 Abs 1, wohl aber aus Art 79 Abs 2 und 3 ableitet, und die Grenze dort zieht, wo ansonsten Verfassungsrecht für die einfache Mehrheit abänderbar wäre.

              [43]            Ehmke, AöR 79, 394 f, 397, 416 ff; Hesse (FN 26), Rz 699; differenzierend Hoffmann (FN 30), Rz 35, 101 ff, mwN.

              [44]            Bauer/Jestaedt (FN 24), 12 ff; Dreier (FN 2), Rz 26; Rubel (FN 31), Rz 16; Theodor Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994, 225 f.

              [45]            Vgl die Nachweise bei Dreier (FN 2), Rz 14, und Hain (FN 34), Rz 3.

              [46]            BVerfGE 82, 316 (320 f); 84, 90 (118 f).

              [47]            Dreier (FN 2), Rz 15, 25; Hoffmann (FN 30), Rz 8; Lücke (FN 34), Rz 15 f; Hermann Mosler, Die Übertragung von Hoheitsgewalt, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hg), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd VII, 1992, § 175 Rz 54.

              [48]            Bauer/Jestaedt (FN 24), 26 ff; Hain (FN 34), Rz 12.

              [49]            Vgl Dreier (FN 2), Rz 16.

              [50]            Peter Badura, Artikel Verfassung, in: Herrmann Kunst/Roman Herzog/Wilhelm Schneemelcher (Hg), Evangelisches Staatslexikon, 2. Aufl 1975, Sp 2707 (2721).

              [51]            Treffend Brun-Otto Bryde, Verfassungsentwicklung, 1982, 356: „Art. 79 I GG verlangt nur die ausdrückliche Sichtbarmachung von Verfassungsänderungen im Verfassungstext; ‚Verfassungsdurchbrechungen’ im Schmittschen Sinne verbietet er nicht.“

              [52]            Das gilt auch für die kluge Untersuchung von Hufeld (FN 10), 229: „Der Gesetzgeber ist an die Verfassung in jeder einzelnen Konstellation gebunden: Vorrang der Verfassung heißt Vorrang der abstrakt richtigen Grundnorm im konkreten Anwendungsfall.“

              [53]            Umfassende Kritik bei Ehmke, AöR 79 (1953/54), 415 ff, und Loewenstein, DÖV 1954, 385 ff; im jüngeren Schrifttum Bedenken äußernd Dreier (FN 2), Rz 36.

              [54]            Bauer/Jestaedt (FN 24), 14 f mwN; Dreier (FN 2), Rz 28 (vgl aber auch Rz 34 ff); Hain (FN 34), Rz 19; Hufeld (FN 10), 102 f.

              [55]            Vgl Hesse (FN 26), Rz 699: entweder überflüssig oder verfassungswidrig; zustimmend Jörn Ipsen, Staatsrecht I, 14. Aufl 2002, Rz 1022; Rubel (FN 31), Rz 21.

              [56]            Einen Überblick über den Diskussionsstand gibt Hain (FN 34), Rz 18 f.

              [57]            Näher Hufeld (FN 10), 162 ff.

              [58]            Vgl Rudolf Wendt, Kommentierung von Art 143, in: Sachs (FN 34), Rz 7 mwN in FN 7.

              [59]            Hans Heinrich Rupp, Grundgesetzänderungen durch völkerrechtlichen Vertrag -- ein vernachlässigtes Problem des Maastrichter Unionsvertrages, in: Jörn Ipsen ua (Hg), Verfassungsrecht im Wandel, 1995, 499 (506 ff).

              [60]            Für viele Dreier (FN 2), Rz 24, der betont, dass die durch Verweisungen erzielbare Entlastung sowohl dem Ziel der Verfassungsklarheit als auch der Übersichtlichkeit der Urkunde dienlich sein können.

              [61]            Bauer/Jestaedt (FN 24), 25 f.

              [62]            Zu den Implikationen eingehend Andreas Voßkuhle, Verfassungsstil und Verfassungsfunktion, AöR 119 (1994), 35 (insb 43 ff).

              [63]            Vgl Art 13 (Wohnung), 16a (Asyl).

              [64]            Keine Regel ohne Ausnahme: Art 125a GG ist auf die Änderungen der Kompetenzverteilung des Jahres 1994 zugeschnitten und regelt einen Anlassfall, nicht das dahinter stehende allgemeine Problem (Schicksal alten Rechts nach Kompetenzverschiebungen).

              [65]            Vgl Art 4 (Gleichheit), Art 22ter (Eigentum), Art 31 (Handels‑ und Gewerbefreiheit) uam.

              [66]            Parallelen zur österreichischen Entwicklung sind unübersehbar: vgl Art 24septies (Umweltschutz), Art 24novies (Fortpflanzungs- und Gentechnologie), Art 25bis (Tierschutz) sowie die Bestimmungen über den Militärdienst (Art 18 ff).

              [67]            Vgl den 1972 aufgehobenen Art 51 (Jesuitenverbot) sowie die „Schnapsartikel“ Art 32bis (umfassende Regelungskompetenz und ‑pflicht des Bundes, die bis zu den Enzianwurzeln heruntergebrochen war), Art 32ter (das berühmte Absinthverbot), Art 32quater (Regelungskompetenzen und ‑pflichten der Kantone für Mengen bis zwei Liter bzw zwischen zwei und zehn Litern sowie Verbot des Feilbietens im Umherziehen).

              [68]            Vgl zB den Maut‑ und Vignettenartikel 36quinqies, der nicht nur den Vignettenpreis fixiert, sondern auch ein Spezialverfahren für seine Abänderung bereithält, sowie den Art 41ter über die Mehrwertsteuer.

              [69]            Hingewiesen sei darauf, dass die Praxis auch Hybride kennt. Das (nicht als Bundesverfassungsgesetz bezeichnete) Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl 201, trägt zB neben Bundesgesetzen auch zwei Bundesverfassungsgesetze in sich, was zwar im sperrigen Volltitel, nicht aber im Kurztitel zum Ausdruck kommt.

              [70]            So geschehen im Strafrechtsänderungsgesetz, BGBl 1951 I 739, sowie im Gesetz zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertragsgesetz – und zu der Vereinbarung vom 18. September 1990, BGBl 1990 I 1254. Ebenfalls vom Titel her nicht eindeutig ist das Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz), BGBl 1955 I 817.

              [71]            Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, oJ, 144. Schmid fügte sogleich hinzu: „Ich bitte Sie, das nicht wörtlich zu nehmen. Aber der Sinn dessen, was gemeint ist, kommt in diesem Beispiel wohl besonders plastisch zum Ausdruck.“

              [72]            Vgl Bauer/Jestaedt (FN 24), 47.

              [73]            Vgl Art II BGBl 1925/269 und Art V BGBl 1929/393.

              [74]            BGBl 1925/367, 1930/1.

              [75]            Vgl Art 196 der belgischen Verfassung (Krieg, Unmöglichkeit des Zusammentretens der Kammern auf belgischem Staatsgebiet); Art 89 Abs 4 der französischen Verfassung (Verletzung der Unversehrtheit des Staatsgebiets); Art 289 der Verfassung Portugals (Belagerungs‑ und Ausnahmezustand); Art 169 der Verfassung Spaniens (Kriegszeiten, Alarm‑, Ausnahme‑ und Belagerungszustand); Art 60 Abs 1 der Verfassung Brasiliens 1988 (Bundesintervention, Verteidigungsfall, Belagerungszustand); Art 160 der Verfassung der Republik Angola 1992 (Ausnahme‑ und Belagerungszustand), Art 87 (a) der Verfassung der Republik Liberia 1986 (Ausnahmezustand).

              [76]            Vergleichbar der schon im Jahr 1912 geschaffene § 16.03 der Verfassung von Ohio 1851.

              [77]            „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“

              [78]            „Die republikanische Staatsform kann nicht zum Gegenstand einer Verfassungsänderung gemacht werden.“ Inhaltsgleich Art 139 der Verfassung Italiens und Art 142 der Verfassung von Madagaskar 1992.

              [79]            Andere Beispiele finden sich in Art 60 Abs 4 der Verfassung Brasiliens, Art 155 der Verfassung Aserbeidschans 1995, Art 110 Abs 1 der Verfassung Griechenlands, Art 97 der Verfassung Japans von 1946, Art 178 der Verfassung der Demokratischen Republik Algerien 1996, Art 17 der Verfassung von Kambodscha, Art 131 der Verfassung von Namibia 1990, Art 106 der Verfassung von Marokko 1996, Art 127 der Verfassung der Republik Somalia 2001 und jüngst in Art 112 Abs 3 der Verfassung Tschetscheniens 2003.

              [80]            Vgl neben Art 44 Abs 3 B‑VG vor allem die schweizerische Bundesverfassung 1999, die in Art 193 und 194 Totalrevision und Teilrevision einander gegenüberstellt; ebenso Kap I Sect 30 der Verfassung Argentiniens 1853, Art 137 der Verfassung von Kuba 1976 und Art 168 der spanischen Verfassung.

              [81]            Dazu mwN Ewald Wiederin, Die Verfassunggebung im wiedervereinigten Deutschland, AöR 117 (1992), 410 (413 ff).

              [82]            Art 30 Abs 2 B‑VG.

              [83]            Vgl Art VIII § 16, der für Änderungen der Geschäftsordnung des Reichstages das Verfahren über die Änderung von Grundgesetzen für anwendbar erklärt.

              [84]            Art 65 Abs 2 der Verfassung des Iran 1979.

              [85]            Vgl Art 94 Z 2, 28 der Verfassung der Republik Aserbeidschan.

              [86]            Vgl Art 122 der Verfassung Estlands 1992.

              [87]            Vgl Art 79 Abs 1 der Verfassung Italiens.

              [88]            Vgl Art 82 Abs 1 der Verfassung Kroatiens 1990.

              [89]            Vgl Art 8 der Verfassung der Bundesrepublik Nigeria 1999; vgl auch Art 116 der Verfassung Italiens, die ein verfassungsgesetzliches Sonderstatut verlangt.

              [90]            Vgl Art 62 Abs 3 und 4 der Verfassung der Republik Kasachstan von 1995.

              [91]            Vgl Art 81 Abs 2 der Verfassung Spaniens; Art 168 Abs 6 der Verfassung Portugals; Art 104 Abs 2 der Verfassung Estlands; Art 66 Abs 2 der Verfassung Georgiens 1999 und Art 82 Abs 2 der Verfassung der Republik Kroatien. Vergleichbar auch Art 46 der Verfassung Frankreichs, der die absolute Mehrheit der Mitglieder der Nationalversammlung verlangt, wenn kein übereinstimmender Beschluss des Senates vorliegt.

              [92]            Art 112 Abs 3 der Verfassung Portugals.

              [93]            Vgl zB einerseits Art 166 Abs 2, andererseits Art 168 Abs 6 der Verfassung Portugals. In beiden Bestimmungen wird auf Angelegenheiten des Art 164 Bezug genommen.

              [94]            Verfassungsausführende Gesetze sind vorgesehen für die Präsidentenwahl (Art 6 Abs 2), für die Besetzung von Posten durch den Ministerrat (Art 13 Abs 4), für den Ersatz von Amtsträgern im Inkompatibilitätsfall (Art 23 Abs 2), für Wahl und Amtsdauer der Nationalversammlung, für die Übertragung des Stimmrechts zwischen Parlamentsmitgliedern (Art 27 Abs 2), für den Rechtsrahmen in Bezug auf Budget, Sozialversicherung sowie Sozial‑ und Wirtschaftspolitik (Art 24 Abs 2 und 5, Art 47-I), für die Inkompatibilitäten der Mitglieder des Conseil d’ Etat (Art 57), für Organisation, Arbeitsweise und Verfahren des Conseil constitutionnel (Art 63), für die Rechtsstellung von Richtern und Staatsanwälten (Art 64 Abs 3), für die Zusammensetzung, Arbeitsweise und Verfahren des Obersten Gerichtshofs (Art 67 Abs 3), für den als Staatsgericht fungierenden Gerichtshof der Republik (Art 68-2 Abs 5), für den Wirtschafts‑ und Sozialrat (Art 71) und für die DOM-TOMs (Art 74 Abs 2, 77).

              [95]            Vgl Art V der Verfassung der Vereinigten Staaten 1789, wonach Verfassungsänderungen von drei Vierteln der Bundesstaaten entweder durch ihre gesetzgebenden Körperschaften oder durch Konvente ratifiziert werden müssen; Art 135 der Verfassung von Mexiko 1917; Art 74 der Verfassung der Republik Südafrika 1996.

              [96]            Vgl Art 79 Abs 2 GG.

              [97]            Vgl Art 46 Abs 2 der Verfassung Irlands; vgl auch Art 89 der Verfassung Frankreichs, wo jedoch der Präsident statt dem Volk auch dem als Kongress einberufenen Parlament vorlegen kann.

              [98]            Vgl Art 138 Abs 2 der Verfassung Italiens; Art 167 Abs 3 der Verfassung Spaniens.

              [99]            Vgl Art 128 der Verfassung Australiens und Art 195 der schweizerischen Bundesverfassung, wonach sowohl die Mehrheit der Bürger im Gesamtstaat als auch in der Mehrheit der Staaten die Bürger den Vorschlag gutheißen müssen.

              [100]          Vgl Art VIII § 15 der Verfassung Schwedens; § 88 der Verfassung Dänemarks, die außerdem die Annahme in einer verpflichtenden Volksabstimmung verlangt; § 73 Abs 1 des finnischen Grundgesetzes, nach dem aber die Vorlage nach Abs 2 für dringlich erklärt werden kann; Art 195 der Verfassung Belgiens; Art 137 der Verfassung der Niederlande; Art 114 der Verfassung Luxemburgs von 1868. Ein Bestätigungsbeschluss des nächsten Parlament ist auch in Art 110 der Verfassung Griechenlands, vorgesehen.

              [101]          Vgl zB Sect 286 der Verfassung von Alabama 1901 und Sect 4 der Verfassung von Florida.

              [102]          Das Bild ist entlehnt von Triepel (FN 14), 55.

              [103]          Zu diesen Zwei-Drittel-Gesetzen Richard Novak/Bernd Wieser, Zur Neukodifikation des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 1994, 78.

              [104]          Dies ist beispielsweise in Kasachstan der Fall: vgl oben III.3.a).

              [105]          Es erstaunt deshalb, dass just Personen, die Formzwängen und Formstrenge ansonsten ambivalent bis kritisch gegenüberstehen, sich von Inkorporationsgeboten so viel versprechen.

              [106]          Vgl dazu Roland Winkler, Integrationsverfassungsrecht, 2003, 58 f, 144 ff, mit Vorschlägen de constitutione ferenda, ibid 189 f.

[107] Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

[108]  Unter dem "Wahlrechtsgrundsatzgesetz" ist ein 2/3-Mehrheitsgesetz zu verstehen (siehe auch Bemerkung zu Artikel 26 Abs 6)

 

1     Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

[109]  Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

[110]  Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

[111]   Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

[112][ Das "Wahlrechtsgrundsatzgesetz" müsste auch die grundlegenden Bestimmungen für die übrigen Wahlrechtsmaterien des Bundes (Bundespräsidentenwahlen, Volksabstimmungen und Volksbegehren) aufnehmen. Entsprechende Hinweise wären in die Artikel 46 und 60 vorzuziehen.

[113]  Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

[114]  Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

[115][ Es stellt sich die Frage, ob die Rechte des Bundespräsidenten, den Nationalrat einzuberufen, noch zeitgemäß sind; politisch sind sie jedenfalls funktionslos. Ihre Streichung ist daher zu erwägen. In diesem Falle müssten diese Rechte dem Präsidenten des NR zuwachsen.

1     Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

2     Es stellt sich die Frage, ob die Rechte des Bundespräsidenten, den Nationalrat einzuberufen, noch zeitgemäß sind; politisch sind sie jedenfalls funktionslos. Ihre Streichung ist daher zu erwägen. In diesem Falle müssten diese Rechte dem Präsidenten des NR zuwachsen.

1     Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

 

2     Es stellt sich die Frage, ob die Rechte des Bundespräsidenten, den Nationalrat einzuberufen, noch zeitgemäß sind; politisch sind sie jedenfalls funktionslos. Ihre Streichung ist daher zu erwägen. In diesem Falle müssten diese Rechte dem Präsidenten des NR  zuwachsen.

[116]  Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

[117]  Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

[118][ Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

[119]  Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

[120]  Diese Bestimmung würde aus systematischen Gründen jedoch besser dem Art 42 als Abs 6 angefügt werden.

1     Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

[121]  Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

[122] Als Gesetzesmaterien kommen vor allem das GOG-NR und ein 2/3-Mehrheits-Wahlrechtsgesetz in Frage (siehe insbes. Bemerkung zu Art 26 Abs 6)

[123] Die Organisationskompetenz des Landes sollte sich aus der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen ergeben. Der zweite Satz ist meines Erachtens entbehrlich, ist aber der Sache nach in der Variante berücksichtigt. Diese hat den Vorteil, dass die Hauptfunktion der Gemeinden, nämlich Gesetze zu vollziehen, klar zum Ausdruck kommt.

[124] Ist entbehrlich, ergibt sich aus den Vorschriften der Finanzverfassung.

[125] Könnte im Zusammenhang der Stadt mit eigenem Statut geregelt werden (Art.   ).

[126] Die Vorschrift geht davon aus, dass die Vorschriften über allgemeine Vertretungskörper das Wahlrecht nicht an die Staatsbürgerschaft binden, sonst wäre dies hier zu regeln.

[127] Könnte im Zusammenhang mit der Stadt mit eigenem Statut geregelt werden.

[128] Der Rechtszug sollte in Zukunft unmittelbar an das Landesverwalutngsgericht gehen, sodaß sich

[129] Ist meines Erachtens entbehrlich, da jede Behörde derartige Befugnisse nur im öffentlichen Interesse ausüben darf.

[130] Ist meines Erachtens entbehrlich, weil sich ohnedies Grenzen aus de gerichtlichen Stafbefugnis und dem Sachlichkeitsgebot ergeben. Zulässigkeit einer allgemeinen Obergrenze ergibt sich aus der Organisationskompentenz des Landesgesetzgebers.

[131] Ist meines Erachtens entbehrlich, weil Gemeinde ohnedies an Gesetze gebunden ist.

[132] Die Vorschrift geht davon aus, dass Bundesgesetze nur soweit in die Bundesvollziehung fallen, als sie von eigenen Bundesbehörden vollzogen werden. Sie scheint aber auch für den Fall der Beibehaltung der mittelbaren Bundesverwaltung geeignet.

[133] Darunter sind einerseits die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- und Landesgesetze, andrerseits die Verwaltungsverfahrensgesetze gem. Art. 11 Abs. 2 zu verstehen.

[134] Könnte entfallen, da sich dies aus der allgemeinen Organisationskompetenz des Landes ergibt.

* Diese Bestimmung geht davon aus, dass das Verbotsgesetz in seiner derzeitigen Form Bestandteil der Verfassung bleibt.

** Übergangsbestimmung: „Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bundesverfassung gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften gelten als solche im Sinne des Artikels 26.“

 

* Variante: (3) Wer nicht in der Lage ist, für sich und die ihm gegenüber Unterhaltsberechtigten zu sorgen, hat Anspruch auf persönliche Hilfe sowie die zur sozialen Mindestsicherung erforderlichen Leistungen für Nahrung, Kleidung, Unterkunft, notwendige medizinische Versorgung und soziale Teilhabe.

[135] Hinsichtlich der "ausschließlichen Bundeskompetenzen" gilt dies allerdings nur mit der Einschränkung, dass noch Klarheit über eine Differenzierung zwischen Kompetenzen des Bundes zur (bloßen) Gesetzgebung und Kompetenzen des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung gewonnen werden muss.

[136] Nach Art 72 Bonner Grundgesetz haben im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung "die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat" (Abs 1). "Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht" (Abs 2).

[137] Nach Art I-11 Abs 2 des Verfassungsvertrages haben im Bereich der geteilten Zuständigkeit "die Union und die Mitgliedstaaten die Befugnis, in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig zu werden und rechtlich bindende Rechtsakte zu erlassen. Die Mitgliedstaaten nehmen ihre Zuständigkeit wahr, sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat oder entschieden hat, diese nicht mehr auszuüben". Art I-9 Abs 3 und 4 binden die Inanspruchnahme einer geteilten Kompetenz durch die Union an die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit.

 

[138] Übergangsbestimmung: „Bis zur Erlassung eines Bundesgesetzes auf dem Gebiet des Abgabenverfahrens und des allgemeinen Teils eines Abgabenstrafrechts gelten die auf diesem Gebiet erlassenen Landesgesetze.“

[139] Gehört systematisch ins Übergangsrecht.

[140] Vgl. aber auch Fn. 4.

[141] Durch diese Verfassungsbestimmung wurde ein "oberstes Organ" im Sinn des Art. 19 B-VG geschaffen. Das kann so nicht beibehalten werden. Im Übrigen haben wir im Ausschuss 6 das vernünftige Vorhaben andiskutiert, die Personalgestion bei ausgegliederten Rechtsträgern zentral zu besorgen und einem Bundesministerium zuzuordnen. Auf diesem Weg könnte man dieses Problem erledigen.

[142] M. A. nach sollten unabhängige Kollegialbehörden in Bereichen der Selbstverwaltung oder der Universitäten dort geregelt werde. Das würde Kat. D bedeuten. Sollte man diese Bereiche nicht in Angriff nehmen, wäre freilich in Art. 20 Abs. 2 (neu) entsprechend vorzusorgen.

[143] Im Ausschuss 9 besteht die Absicht, Formen des praeventiven oder begleitenden Rechtsschutzes nunmehr im Sechsten Hauptstück zu behandeln - diesfalls also ähnlich Kat. B.

[144] Vgl. Fn. 2 oben.

[145] Nähere Untersuchung - auch zur folgenden Position - vorbehalten, allenfalls Erweiterung des Tatbestandes III in Richtung "Amtsanwaltschaften".

[146] Vgl. Fn. 3 oben. Die derzeitige Regelung ist, weil einfachgesetzlich, verfassungswidrig.

[147] Die rechtspolitische Entwicklung wird wahrscheinlich zu einer Vermehrung derartiger Kollegialorgane führen. Es erscheint deshalb zweckmäßig, den Tatbestand "Akkreditierung" besonders anzuführen.

[148] Das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 182/1998 enthält keine selbstständige Verfassungsbestimmung und verweist nur auf den Nationalfonds. Es wäre aus der Liste zu streichen.

[149] Nur im "Vorfeld" hoheitlicher Aufgabenbesorgung tätig - vgl. Kucsko- Stadlmayer, a.a.O. 37, Fn. 133.

[150] Da diese Einrichtung- ebenso wie das folgende AMS - hoheitlich tätig ist (vgl. K - St., a.a.O.), hat der Gesetzgeber die Weisungsgebundenheit zu normieren.

[151] Nach lang diskutierter bisheriger Auffassung führen die Personalvertretungen nicht die Verwaltung im Sinn des Art. 20 Abs. 1 B-VG. Sofern man in einer neuen Bundesverfassung die Personalvertretungen besonders hervorheben will, wäre dort auch die Frage der Unabhängigkeit zu klären. Ich sehe hier keine Notwendigkeit, eine Regelung in die eine oder andere Richtung zu treffen.

[152] Die allenfalls "rechtspolitisch interessanten" Positionen 72ff sollte man in diesem Zusammenhang eher nicht diskutieren. Insbesondere die Fragen der Staatsanwaltschaften oder der gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften führen weit ab. Jedenfalls sehe ich in diesen Bereichen keinen Spielraum des einfachen Gesetzgebers.

[153][14] Die "Kommunikationsbehörde Austria" ist keine Kommission. Von ihr gibt es derzeit einen Instanzenzug an den Bundeskommunikationssenat (133 Z 4-Behörde). Es fragt sich, ob man da wirklich eine Sonderregelung braucht. Es geht eher um das Problem, ob 133 Z 4-Behörden nicht auch schon als erstinstanzliche Behörden eingerichtet werden können, was der Gesetzgeber hier wegen des einschlägigen VfGH-Erk. nicht machen konnte.

[154] Meines Erachtens entbehrlich, dies könnte der Landesverfassung überlassen werden.

[155] Meines Erachtens als überflüssige Einschränkung des Landesverfassungsgesetzgebers entbehrlich, derzeit aber Inhalt des Art. 105. Eine historische und systematische Interpretation ergibt, dass sich diese Bestimmung nur auf die mittelbare Bundesverwaltung bezieht, sie wird jetzt aber zum Teil anders verstanden.

[156] Diese Formulierung geht davon aus, dass die Art. 10 bis 15 in ihrer neuen Systematik nur mehr die Gesetzgebungszuständigkeit regeln, nicht aber die Vollziehung. Bei einer Beibehaltung der Systematik der Kompetenzartikel wären Art. 10 und 11 entsprechend anzupassen.

[157] Sollte in die Übergangsbestimmungen zur neuen Verfassung aufgenommen werden. Alternativ könnte auch der bestehende Art. 102 Abs. 2 in folgender Fassung als Abs. 3 aufgenommen werden:

  „(3) Die Errichtung von eigenen Bundesbehörden für andere als die folgenden Angelegenheiten kann nur mit Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen:

  Grenzvermarkung, Waren- und Viehverkehr mit dem Ausland, Zollwesen, Regelung und Überwachung des Eintrittes in das Bundes­gebiet und des Austrittes aus ihm, Bundesfinanzen, Monopolwesen, ,,Geld-, Kredit-, Börse-, Bank- und Vertragsversicherungswesen,“ Maß-, Gewichts-, Normen- und Punzierungswesen, technisches Versuchswesen, Justizwesen, Paßwesen, Meldewesen, Waffen-, Munitions- und Sprengmittelwesen sowie Schießwesen, Pa­tentwesen, Schutz von Mustern, Marken und anderen Warenbezeichnungen, Verkehrswesen, Strom- und Schiffahrtspolizei, Post- und Fernmeldewesen, Bergwesen, Regulierung und Instandhaltung der Donau, Wildbachverbauung, BauI und Instandhaltung von Wasserstraßen, Vermessungswesen, Arbeitsrecht, Sozialversicherungswesen, Denkmalschutz, Organisation und Führung der Bundespolizei und der Bundes­gendarmerie, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit ,,einschließlich der ersten allgemeinen Hilfeleistung, jedoch mit Ausnahme der ört­lichen Sicherheitspolizei, Pressewesen, Vereins- und Versammlungsangelegenheiten und Fremdenpolizei; geschäftlicher Verkehr mit Saat- und Pflanzgut, Futter-, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie mit Pflanzenschutzgeräten, einschließlich der Zulassung und bei Saat- und Pflanzgut auch der Anerkennung; militärische Angelegenheiten, Fürsorge für Kriegsteilnehmer und deren Hinterbliebene, Bevölkerungspolitik, soweit sie die Gewährung von Kinderbeihilfen und die Schaffung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie zum Gegenstand hat; Schulwesen sowie Erziehungswesen in den Angelegenheiten der Schüler- und Studentenheime, ausgenommen das land- und forstwirtschaftliche Schulwesen und das land- und forstwirtschaftliche Erziehungswesen in den Angelegenheiten der Schülerheime.

[158] Art. 142 B-VG betreffend die staatsrechtliche Verantwortung ist entsprechend anzupassen; Art. 142 Abs. 2 lit. e hat zu lauten:

„e) gegen das Mitglied einer Landesregierung wegen Verletzung von Weisungen des Bundes gem. Art. 103. Abs. 2 und 3: durch Beschluss der Bundesregierung;“

[159] Die Informationspflichten des Landes können allgemein gem. Abs. 2 auch durch generelle Weisungen geregelt werden.

[160] Meines Erachtens entbehrlich, dies könnte der Landesverfassung überlassen werden.

[161] Meines Erachtens als überflüssige Einschränkung des Landesverfassungsgesetzgebers entbehrlich, derzeit aber Inhalt des Art. 105. Eine historische und systematische Interpretation ergibt, dass sich diese Bestimmung nur auf die mittelbare Bundesverwaltung bezieht, sie wird jetzt aber zum Teil anders verstanden.

[162] Ist in den Art. 142 einzubauen.

[163] Ist meines Erachtens entbehrlich.

[164] Sollte in die Übergangsbestimmungen zur neuen Verfassung aufgenommen werden. Alternativ könnte auch der bestehende Art. 102 Abs. 2 mit folgender Einleitung als Abs. 3 aufgenommen werden:

  „(3) Die Errichtung von eigenen Bundesbehörden für andere als die folgenden Angelegenheiten kann nur mit Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen: . . .“

[165] Art. 142 B-VG betreffend die staatsrechtliche Verantwortung ist entsprechend anzupassen; Art. 142 Abs. 2 lit. e hat zu lauten:

„e) gegen das Mitglied einer Landesregierung wegen Verletzung von Weisungen des Bundes gem. Art. 103. Abs. 2 und 3: durch Beschluss der Bundesregierung;“

[166] Die Informationspflichten des Landes können allgemein gem. Abs. 2 auch durch generelle Weisungen geregelt werden.

[167] Vormals – und im Sinn des Auftrags des Konventspräsidiums – „Subsidiarantrag“.

[168] Zur Vereinfachung wird die folgende Darlegung auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen konzentriert. Für die anderen Fälle von Normbedenken – Verordnungen, Staatsverträge – gilt das Entsprechende.

[169] Die Gewaltenteilung in der neueren Staatslehre wird schlicht als Verteilung der Verantwortung auf verschiedene Organkomplexe diskutiert (vgl. Koja, Allgemeine Staatslehre, 1998, 142).

[170] Das ginge von der Beurteilung von Zuständigkeitsentscheidungen unter dem Aspekt des gesetzlichen Richters nach Art. 83 Abs. 2 B-VG bis etwa zu Abwägungen zwischen Grundrechten, wie beispielsweise dem Eigentumsrecht oder sozialen Grundrechten im Zusammenhang mit Kündigungsanfechtungen.

[171] Den grundsätzlich drei Instanzen in der ordentlichen (Zivil)Gerichtsbarkeit stehen im Bereich des Verwaltungsrechts die Verwaltungsgerichte und die beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gegenüber. Die andere Stellung des VfGH für den Verwaltungsbereich erklärt sich unter anderen aus der gewachsenen Aufgabenteilung zwischen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts, aber auch aus der Bindung der Verwaltungsgerichte an die Verwaltung im Ermessensbereich. Weiters wäre es sinnvoll abzuwarten, wie sich das System der gestuften Verwaltungsgerichtsbarkeit mittelfristig bewährt.

[172] Vgl. dazu Art. 140 Abs. 1 B-VG idF des gemeinsamen Textentwurfs Grabenwarter/Jabloner für die verfassungsrechtliche Verankerung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, abgedruckt im Ausschussbericht, S. 49 ff [57].

[173] Geltender Art. 94

[174] Die Vorschrift geht von einer Weitergeltung des Art. 87 Abs. 2 aus, sodass sich aus dieser Vorschrift ergibt, dass die Mitglieder des Senates weisungsfrei und unabhängig sind.

[175] Daraus ergibt sich, dass der Justizverwaltungssenat in allen Angelegenheiten der Justizverwaltung gegenüber allen anderen Richtern und nichtrichterlichen Organen der Justizverwaltung entsprechend deren hierarchischem Aufbau weisungsbefugt ist (Art. 20 B-VG) mit Ausnahme jener Angelegenheiten, die gemäß Art. 87 Abs. 2 B-VG von Kollegialorganen geführt werden.