Bericht zum Ergänzungsmandat

des Ausschusses 9

Rechtsschutz und Gerichtsbarkeit

 

 

Das ergänzende Mandat lautet:

 

„I.       Nach Beratung und Beschlussfassung durch das Präsidium in der 22. Sitzung vom 28. Mai 2004 hat das Präsidium dem Ausschuss 9 im Rahmen eines „ergänzenden Mandats“ folgende weitere Themen zur Beratung zugewiesen:

 

A)                Ordentliche Gerichtsbarkeit:

-          Allgemeine und grundlegende Prüfung, inwieweit die Art. 82 bis 95 B-VG über die ordentliche Gerichtsbarkeit gestrafft werden können

-          Ausarbeitung eines Rechtsvergleichs über die Organisation der Spitzen der Justizverwaltung (Justizminister, Rat der Gerichtsbarkeit, Einrichtung eines „Justizrats“ oder eines richterlichen Kollegialorgans zur Führung von Agenden der Justizverwaltung, Bindungswirkung von Besetzungsvorschlägen, Begründungspflicht des Justizministers/der Personalsenate für Richterernennungen, Leistungsanreize für/ Leistungskontrolle von Richtern) aller 25 EU-Mitgliedstaaten unter besonderer Berücksichtigung der Staaten mit vergleichbarer Rechtstradition nach Maßgabe des diesbezüglich vorhandenen Datenmaterials

-          Prüfung, ob Flexibilisierung des Richtereinsatzes – unter Berücksichtigung des VfGH-Erkenntnisses VfSlg. 8.523/1979 – möglich ist; Ausarbeitung eines Textentwurfs für einen neuen Art. 88a B-VG

-          Prüfung, ob Integration des § 28 ÜG 1920 in die Verfassung, insbesondere in Art. 91 B-VG möglich ist

-          Verankerung einer Bestands- und Funktionsgarantie der Staatsanwaltschaft in der Bundesverfassung; Akkordierung der diesbezüglich erarbeiteten Textvorschläge

-          Weisungsrecht des Bundesministers für Justiz; Ausarbeitung der beiden folgenden Textvorschläge:

o       Verbesserung der Kontrolle und Transparenz des Weisungsrechts durch einen eigenen parlamentarischen Ausschuss (u. U. ständiger Unterausschuss gemäß    Art. 52a B-VG);

o       Einrichtung eines weisungsfreien Bundesstaatsanwalts (inkl. der Einrichtung als oberstes Organ mit staatsrechtlicher Verantwortung)

-          Beratung über die Einsicht in schriftliche Weisungen (allenfalls unter Beiziehung von zusätzlichen externen Strafrechtsexperten)

-          Entfall des § 8 Abs. 5 lit. d) ÜG 1920: Ausarbeitung eines Textvorschlags, in dem eine andere Form der Einbindung der Länder bei der Organisation der Sprengel der Gerichte erster Instanz sicher gestellt wird

-          Laiengerichtsbarkeit: Grundsätzliche Beibehaltung unter gleichzeitiger Prüfung der Möglichkeit einer Weiterentwicklung der derzeitigen Form; Überdenken des verfassungsrechtlichen „Splittings“ zwischen Schöffen und Geschworenen; allenfalls Ausarbeitung eines Textvorschlags zur Integration von Art. 91 B-VG und § 28 ÜG 1920

B)                 Gerichtshöfe öffentlichen Rechts – Höchstgerichte:

-          Zum gesamten Themenkomplex „Konzentration der Verwaltungsgerichtsbarkeit/ Umdrehung der Sukzessivbeschwerde/Subsidiarantrag/Urteilsbeschwerde“: Ausarbeitung der beiden folgenden Textvarianten (unter Berücksichtigung der Frage der Erweiterung der Vorlagepflicht an den VfGH gemäß Art. 89 Abs. 2 B-VG auf alle Gerichte, also auch jene erster Instanz):

o       Einrichtung des „Subsidiarantrags“ (unter Einbeziehung der Generalprokuratur als Antragstellerin und unter Beibehaltung des Art. 144 Abs. 1 B-VG in seiner jetzigen Form; aufbauend auf dem gemeinsamen Erstentwurf Jabloner/Grabenwarter)

o        Einrichtung der „Urteilsbeschwerde“ in vollem Umfang (inkl. ausgeprägtem Ablehnungsrecht; gegen alle letztinstanzlichen gerichtlichen Entscheidungen; gleichzeitig Entfall des Art. 144 Abs. 1 1. Fall B-VG)

-          „Dissenting opinion“; Ausarbeitung eines Textvorschlags für die „dissenting opinion“ (eingeschränkt auf den VfGH)

-          Organstreitverfahren vor dem VfGH; allenfalls Ausarbeitung eines Textvorschlags

C)                Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern:

-          Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (Modell „9+1“ [neun Landesverwaltungsgerichte und ein Verwaltungsgericht des Bundes 1. Instanz]): Detailberatung des gemeinsamen Textvorschlags Grabenwarter/Jabloner unter besonderer Berücksichtigung der Trennung von verfassungsrechtlich Notwendigem und Erläuterungen sowie Aufnahme von Regelungen in das Übergangsrecht und unter Berücksichtigung der nachfolgenden Punkte:

-          Diskussion über das Modell „9+x“ (9 Landesverwaltungsgerichte und mehrere Verwaltungsgerichte des Bundes 1. Instanz)

-          Normierung des VwGH als Revisionsgericht – Einführung des Zulässigkeitsmodells: Möglichkeit zur „Abschlankung“ auf verfassungsrechtlicher Ebene prüfen (Vorbild: Art. 92 B-VG i.V.m. den Bestimmungen der ZPO für den OGH)

-          Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts des Bundes 1. Instanz für die unmittelbare Bundesverwaltung (inkl. Beschwerden gegen Bescheide von Bundesministern in erster Instanz) und der Landesverwaltungsgerichte für die mittelbare Bundesverwaltung

-          Bundesweit einheitliches Verfahrensrecht für alle Verwaltungsgerichte 1. Instanz, wobei dieses Verfahrensrecht durch den Bundesgesetzgeber erlassen werden soll? Textvorschlag ausarbeiten

-          Erweiterung des Katalogs der Anfechtungsgegenstände: Formulierung eines Katalogs neuer Formen (z.B. Verwaltungsvertrag)

-          Übernahme der UVS-Mitglieder zu Richtern der zukünftigen Verwaltungsgerichte:

o       Grundsätzliche, aber keine automatische Übernahme, Rechtsschutz der „Übergangenen“

o       („Relative“) Bindungswirkung der Besetzungsvorschläge der Verwaltungsgerichte (Abwarten des Rechtsvergleichs)

o       Keine Einbindung des VwGH und OGH bei der Ernennung der Richter der Landesverwaltungsgerichte notwendig, wenn Rechtsschutz der „Übergangenen“ ansonsten gewährleistet ist (Erlassung eines Bescheids, der vor dem VwGH bekämpfbar ist)

o       Richterquote als Soll-Bestimmung?

o       Mindestberufszeit als fachliche Voraussetzung für die Ernennung?

o       Auftrag an den einfachen Gesetzgeber zur Sicherstellung des „Zugangs zum Recht“ (Sachverständige, Kostentragung, Rechtsschutz, Befangenheit, etc.)

-          Problem der Säumnis der zukünftigen Verwaltungsgerichte erster Instanz:

o       Keine Säumnisbeschwerde nach Vorbild des Art. 132 B-VG im Verhältnis Verwaltungsgericht 1. Instanz – VwGH, wohl aber im Verhältnis Verwaltungsbehörde – Verwaltungsgericht 1. Instanz

o       Entwicklung alternativer Lösungsmodelle (Fristsetzungsantrag, Schadenersatzmodell, Ausbau der Amtshaftung, Disziplinarrecht)

-          Einstweiliger Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten

-          Prüfung einer Einbeziehung der Finanzgerichtsbarkeit in die zukünftige Verwaltungsgerichtsbarkeit; organisatorische Einbeziehung der Finanzgerichtsbarkeit in die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz und (kurzfristige) Erreichung derselben rechtsstaatlichen Standards in der Finanzgerichtsbarkeit: Fortsetzung der Ausschussberatungen; Textvorschlag für eine Übergangsregelung

-          Schaffung einer sachlich gerechtfertigten Regelung unter Berücksichtigung ökonomischer Gesichtspunkte, welche allen Ländern die Möglichkeit zur Errichtung besonderer Verwaltungsgerichte eröffnet (Beseitigung der Sonderrolle Wiens hinsichtlich besonderer Verwaltungsgerichte)

-          Regelung der Art und des Umfangs der Entscheidungsbefugnis (grundsätzlich reformatorisch mit der Möglichkeit zur Kassation und zur Zurückweisung, inkl. der Berufungsvorentscheidung), wobei geprüft werden sollte, ob Regelungen auf verfassungsgesetzlicher Ebene notwendig sind

-          Verankerung der Möglichkeit der Landesregierungen zur Erhebung einer Amtsbeschwerde beim VwGH gegen Entscheidungen der Landesverwaltungs­gerichte?

D)                Sondersenate:

-          Eingliederung möglichst vieler Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag      (Art. 133 Z. 4 B-VG-Behörden) und sonstiger weisungsfreier Verwaltungsbehörden und -organe in die Landesverwaltungsgerichte und in das Verwaltungsgericht des Bundes erster Instanz auf der Grundlage der aufgrund des „Aufforderungsschreibens“ vom 20. April 2004 eingelangten Stellungnahmen; ausdrückliche Verankerung der aufrecht belassenen Art. 133 Z. 4 B-VG-Behörden in der Verfassung oder lediglich Formulierung von allgemeinen Kriterien, bei deren Erfüllung der Weiterbestand solcher Behörden zulässig ist (Koordinierung mit den Ausschüssen 6 und 7)

-          Diskussion über den Vorschlag, wonach vom Verfassungsgesetzgeber eine Frist gesetzt werden sollte, nach deren Verstreichen die Sonderbehörden grundsätzlich aufgelöst wären (als aufgelöst bzw. in die Verwaltungsgerichte eingegliedert gelten würden) und nur ausnahmsweise und bei besonderem Bedarf, der jedoch von der jeweiligen Träger-Gebietskörperschaft im Einzelfall argumentiert werden müsste, durch Gesetz (Verfassungsgesetz?) aufrecht belassen werden dürften (Vorbild: Gemeinderechtsreform 1962)

E)                 Rechtsschutz:

-          Verfassungsrechtliche Verankerung der Staatshaftung:

o       bei Verletzung von Gemeinschaftsrecht aufgrund von Fehlern des Gesetzgebers (legislatives Unrecht); Textvorschlag ausarbeiten

o       bei Verletzung von Gemeinschaftsrecht aufgrund fehlerhafter Entscheidungen von Höchstgerichten (judikatives Unrecht); Textvorschlag für „VfGH-Lösung“ ausarbeiten

o       bei Verletzung von nationalem (Verfassungs-)Recht (Säumnis des einfachen Gesetzgebers; Abstimmung mit Ausschuss 4)

o       Staatshaftung aufgrund überlanger Verfahrensdauer (Staatshaftung bei erstinstanzlicher Verfahrensdauer von über einem Jahr?); allenfalls Ausarbeitung von Textvorschlägen; Art. 23 B-VG als möglicher verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt

 

II.        Folgende Themen wurden dem Ausschuss 9 durch das Präsidium bereits in seiner 19. Sitzung vom 16. April 2004 zur Beratung zugewiesen:

 

-        Punkte III) 3) und III) 4) des ursprünglichen Mandats (Mitwirkungsrechte der Länder bei der Bestellung der Spitzen und der Zusammensetzung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts; Bestellungsvorgang – Transparenz – Hearing; vgl. S. 22 des Ausschussberichts vom 26.3.2004)

-        Fragen zur Laiengerichtsbarkeit (Schöffen- und Geschworenengerichtsbarkeit; vgl.    S. 15 des Ausschussberichts)

-        Fragen zur Anfechtungslegitimation – Erweiterung des Kreises der Beschwerde- und Anfechtungsberechtigten vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts in Hinblick auf Verbände, Amts- und Kontrollorgane (vgl. dazu Prüfungsbeschluss des VfGH zum UVP-Gesetz, B 456, 457, 462/03 vom 27.11.2003)

-        „Durchforsten“ der Sonderbehören (vgl. S. 32 ff des Ausschussberichts)

-        Fragen zur Staatshaftung bei Verletzung von Gemeinschaftsrecht, insbesondere die Fälle des legislativen und judikativen Unrechts (bei Letzterem: mögliche Einrichtung eines „Austrägalsenats“; vgl. S. 37 ff des Ausschussberichts)

 

III.      Folgende Themen wurden dem Ausschuss 9 durch das Präsidium in seiner 20. Sitzung vom 29. April 2004 zur Beratung zugewiesen:

 

-          „Exekution“ von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs

Besteht hinsichtlich der Regelung über die Exekution von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs gemäß Art. 146 B-VG ein Änderungsbedarf?

Soll die Befassung des Bundespräsidenten mit der Exekution von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs gemäß Art. 146 Abs. 2 B‑VG klarer geregelt werden bzw. überhaupt entfallen? Bejahenden Falls: Wie soll die Exekution von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs auf verfassungsgesetzlicher Ebene geregelt werden? (Der Ausschuss 3 hat diese Frage in seiner 6. Sitzung angesprochen und an den Ausschuss 9 zur weiteren Beratung abgetreten.)

Ist die Befassung der ordentlichen Gerichte mit der Exekution von Erkenntnissen über die Feststellung der Kompetenzen des Rechnungshofs gemäß Art. 126a B‑VG zweckmäßig?

-          Gerichtshöfe öffentlichen Rechts

Besteht hinsichtlich der Regelung der Anlassfallwirkung (Art. 140 Abs. 7 B-VG) bzw. hinsichtlich des vorläufigen Rechtsschutzes (einstweilige Verfügung) in Verfahren vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts ein verfassungsgesetzlicher Änderungsbedarf? (Der Ausschuss 9 hat diese Frage in seinem Bericht angesprochen, jedoch noch nicht näher beraten; vgl. Exkurs vor Punkt III.2., S. 21 des Ausschussberichts)

-          Einrichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz

Soll es - auch unter Bedachtnahme auf die Ergebnisse der Ausschüsse 5 und 6 - für die Richter der Verwaltungsgerichte erster Instanz ein einheitliches Dienstrecht geben und welche verfassungsrechtlichen Grundprinzipien wären für ein allfälliges einheitliches Dienstrecht vorzusehen? (Der Ausschuss 9 hat diese Frage im Textentwurf Grabenwarter/Jabloner angesprochen, jedoch noch nicht näher beraten; vgl. Punkt IV., Art. 136 Abs. 2 des Entwurfs, S. 56, 67 des Ausschussberichts)

-          Beschwerdelegitimation für die Erhebung von Bescheidbeschwerden an die zukünftigen Verwaltungsgerichte erster Instanz

Auf welche Materien soll sich - auch unter Bedachtnahme auf die Ergebnisse der Ausschüsse 5 und 6 - das Recht des jeweils zuständigen Bundesministers zur Erhebung einer Amtsbeschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde an das Verwaltungsgericht erster Instanz erstrecken? (Der Ausschuss 9 hat diese Frage im Textentwurf Grabenwarter/Jabloner angesprochen, jedoch noch nicht näher beraten; vgl. Punkt IV., Art. 132 Abs. 1 Z 2 des Entwurfs, S. 53, 63 f des Ausschussberichts)

-        Beschwerde der Volksanwaltschaft „zur Wahrung des Gesetzes“

Soll der Volksanwaltschaft die Möglichkeit eingeräumt werden, gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte erster Instanz eine „Beschwerde zur Wahrung des Gesetzes“ an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof zu erheben? (Der Ausschusses 8 hat eine derartige Anregung in seinem Bericht zum Ausdruck gebracht.)

-        Gemeinden

Soll der Instanzenzug in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs einer Gemeinde (Art. 119a Abs. 5 B‑VG) - angesichts der Ergebnisse des Ausschusses 9 zur Einrichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz - neu geregelt werden?

-          Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR)

Besteht hinsichtlich der Umsetzung von Urteilen des EGMR ein Bedarf nach einer verfassungsgesetzlichen Regelung? (Der Ausschuss 9 hat diese Frage in seinem Bericht angesprochen, jedoch noch nicht näher beraten; vgl. Exkurs vor Punkt III.2., S. 21 des Ausschussberichts)

 

IV.          Schließlich wies der Ausschuss 2 in seinem Zwischenbericht vom 11. Mai 2004 dem Ausschuss 9 eine Reihe von in Geltung stehenden Regelungen in bundesverfassungs-rechtlicher Form (Bundesverfassungsgesetze und Verfassungsbestimmungen in einfachen Bundesgesetzen) zur weiteren Beratung zu.

 

Zeitplan

Der Ausschuss wird ersucht, dem Präsidium bis Anfang Oktober 2004 einen schriftlichen ergänzenden Bericht (jedenfalls mit Textvorschlägen für eine neue Verfassung) über die Ergebnisse der weiteren Beratungen vorzulegen.“

 

 

Mitglieder des Ausschusses und deren Vertreter

Univ.-Prof. Dr. Herbert Haller             (Vorsitzender)

Univ.-Prof. Dr. Clemens Jabloner                    (stellvertretender Vorsitzender)

      Maga. Renate Brauner/

      Maga. Sonja Wehsely                                            (fallweise vertreten durch Dr. Kurt Stürzenbecher

                                                                                  fallweise vertreten durch Gerhard Neustifter)

      Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk        (fallweise begleitet von Maga. Gerda Marx)

      BM Elisabeth Gehrer                                             (fallweise vertreten durch Mag. Heribert

Donnerbauer)

      Univ.-Prof. DDr. Christoph Grabenwarter

      Univ.-Prof. Dr. Gerhart Holzinger

Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Karl Korinek  (fallweise begleitet von Maga. Andrea Martin)

DDr. Karl Lengheimer

Dr. Johann Rzeszut                                          (begleitet von Dr. Gerhard Kuras)

Dr. Johannes Schnizer

Maga. Terezija Stoisits                                                 (begleitet/vertreten von Mag. Thomas Sperlich)

 

Seitens des Büros des Österreich-Konvents wurde der Ausschuss von Dr. Gert Schernthanner und Frau Sladjana Marinkovic betreut.

 

 

Im Zusammenhang mit der im Ausschuss ausführlich diskutierten Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz wurde von der Ausschussbetreuung – auf der Grundlage der einschlägigen Vorarbeiten von Grabenwarter in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG (Loseblattsammlung), und Lanner, Kodex Verfassungsrecht, 19. Auflage, 2003 – eine aktualisierte Liste über die derzeit bestehenden Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag und die sonstigen weisungsfreien Verwaltungsbehörden ausgearbeitet und mit Schreiben vom 23.12.2003 an das Bundeskanzleramt/Verfassungsdienst (für den Bundesbereich) und an alle Ämter der Landesregierungen (für die jeweiligen Länder) mit der Bitte um Durchsicht und allfällige Ergänzung versendet. Es haben alle angeschriebenen Ämter geantwortet und – zum Teil umfangreiche – ergänzende Stellungnahmen erstattet. Diese Stellungnahmen wurden von der Ausschussbetreuung in die Liste eingearbeitet, die      – vollständig ergänzt und aktualisiert – schon dem Ausschussbericht vom 26. März 2004 am Ende (als Punkt „C. Anhang“) angeschlossen wurde.

Diese Liste wurde in der Zwischenzeit um eine weitere, nämlich die ganz rechts stehende Spalte ergänzt; diese enthält jene Antworten, die die zuständigen Gebietskörperschaften (also die Ämter der Landesregierungen einerseits und die zuständigen Bundesministerien andererseits) auf der Grundlage eines diesbezüglichen „Aufforderungsschreibens“ der fachlichen Ausschussbetreuung vom 19. April 2004 beim Büro des Österreich-Konvents bis zum heutigen Tag erstattet haben. Im Aufforderungsschreiben war gefragt worden, ob die jeweilige Behörde in die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz eingegliedert werden sollte.

 

Der Ausschuss hat – nach seiner Konstituierung am 31.10.2003 und nach Abhaltung von insgesamt elf Sitzungen bis zur Erstattung des Berichts vom 26. März 2004 – die vom Präsidium im Rahmen des ergänzenden Mandats zugewiesenen Themen in neun weiteren Sitzungen beraten.

 

 

 

A. Allgemeiner Teil

 

Über das bei den ergänzenden Beratungen des Ausschusses 9 erzielte Ergebnis wird der nachstehende Bericht – sprachlich ist die weibliche Form stets mit zu verstehen – erstattet. Dazu wird Folgendes vorausgeschickt:

Gegenstand des vorliegenden Berichts sind die Ergebnisse der Ausschussberatungen, die nach Abgabe des Ausschussberichts vom 26. März 2004 – aufgrund der ergänzenden Mandate des Präsidiums – durchgeführt wurden (also beginnend mit der Ausschusssitzung am 6. Mai 2004). Der vorliegende Bericht ist somit vor dem Hintergrund und im Zusammenhang mit dem Bericht vom März 2004 zu lesen, mit dem er gleichsam eine Einheit bildet. Die Gliederung des Berichts zum Ergänzungsmandat entspricht im Wesentlichen der des - dem Ausschuss erteilten - ergänzenden Mandats. Im Sinne dieses ergänzenden Mandats hat der Ausschuss die im Mandat angeführten Themen (bzw. Subthemen) dahingehend geprüft, ob ein bundesverfassungsgesetzlicher Änderungsbedarf gegeben ist und - bejahenden Falls - welche Reformoptionen dafür bestehen; so weit möglich hat der Ausschuss konkrete Formulierungsvorschläge ausgearbeitet, die sich im Besonderen Teil B. des Berichts finden.

Der Bericht gibt das Ergebnis der Beratungen im Ausschuss zu den einzelnen von diesem behandelten Themen wieder: Soweit dabei kein Konsens erzielt werden konnte, erachtete es der Ausschuss als zweckmäßig und auch für die weitere Arbeit im Präsidium bzw. im Plenum des Österreich-Konvents förderlich, die unterschiedlichen Positionen sowie die dafür jeweils ins Treffen geführten Argumente zu dokumentieren, um auf diese Weise einen Beitrag zur künftigen Konsensfindung zu leisten.

Bei manchen vom Ausschuss zu behandelnden Fragen hat sich in den Beratungen herausgestellt, dass eine abschließende Meinungsbildung vom Ergebnis der Beratungen in anderen Ausschüssen, die noch nicht abgeschlossen sind, abhängt. In diesen Fällen hat sich der Ausschuss bemüht, zumindest eine vorläufige Position zu formulieren. Darüber hinaus hat sich bei anderen vom Ausschuss zu behandelnden Fragen herausgestellt, dass diese mit Themen zusammenhängen, die vom Mandat anderer Ausschüsse erfasst sind. Darauf wird im Bericht jeweils ausdrücklich aufmerksam gemacht.

Wie schon im Ausschussbericht vom 26. März 2004 sei auch an dieser Stelle noch einmal allen, die sachverständig die Arbeit des Ausschusses unterstützt haben, herzlich gedankt und betont, dass die Ausschussmitglieder (und deren Vertreter) mit großem Einsatz an den Sitzungen des Ausschusses mitgearbeitet und ihr Bemühen um sachgerechte Ergebnisse noch verstärkt haben.

Der vom Ausschussbetreuer vorbereitete und vom Vorsitzenden des Ausschusses verfasste Bericht ist vom Bemühen getragen, die in den Beratungen jeweils vertretenen Positionen wiederzugeben und somit abweichende Stellungnahmen einzelner Ausschussmitglieder nach Möglichkeit entbehrlich zu machen.

 

 

I. Ordentliche Gerichtsbarkeit

 

I. 1. Straffung der Art. 82 bis 95 B-VG über die ordentliche Gerichtsbarkeit ?

Als Ergebnis einer – in der Ausschusssitzung vom 2. Juli 2004 eher kurz geführten – Diskussion kann festgehalten werden, dass die Art. 82 bis 95 B-VG über die ordentliche Gerichtsbarkeit schon jetzt eher „spartanisch“ sind und daher kein großes Einsparungspotential gegeben ist. Lediglich Art. 91 B-VG sollte – dem adaptierten Textvorschlag über die Geschworenengerichtsbarkeit entsprechend – in seinem Abs. 1 geändert werden. Art. 85 B-VG („Die Todesstrafe ist abgeschafft.“) sollte in den Grundrechtskatalog überführt werden. Ebenso könnte das in Art. 83 Abs. 2 B-VG verankerte Recht auf den gesetzlichen Richter für den Fall der Etablierung eines neuen Grundrechtskatalogs in diesen integriert werden. Die Bestimmung des Art. 88a B-VG über die „Sprengelrichter“ wird einerseits als sehr detailliert kritisiert, andererseits aber wird gerade diese Detailliertheit – aufgrund des sensiblen Spannungsverhältnisses zum Grundsatz der Unversetzbarkeit der Richter – als notwendig qualifiziert.[1]

 

I. 2. Ausarbeitung eines Rechtsvergleichs über die Organisation der Spitzen der Justizverwaltung aller 25 EU-Mitgliedstaaten unter besonderer Berücksichtigung der Staaten mit vergleichbarer Rechtstradition – Diskussion über die Einführung eines „Unabhängigen Justizsenats“

Dem vom Präsidium in dessen Sitzungen vom 28. Mai und 9. Juni 2004 erteilten Arbeitsauftrag entsprechend, hat der Ausschussbetreuer einen Rechtsvergleich ausgearbeitet, der nach seiner Fertigstellung am 23. Juli 2004 sowohl an alle Präsidiums- und Ausschussmitglieder versendet als auch im Internet veröffentlicht wurde.[2]

            Auf der Grundlage dieses Rechtsvergleichs hat der Ausschuss in seinen Sitzungen vom 11., 27. und 28. Oktober 2004 neuerlich über den von der richterlichen Standesvertretung erstatteten Textvorschlag für die Einrichtung eines „Unabhängigen Justizsenats“ (= adaptiertes Modell eines „Rats der Gerichtsbarkeit“)[3] beraten. Als Ergebnis dieser Beratungen lässt sich Folgendes festhalten:

Die Diskussion im Ausschuss verläuft differenziert: Einerseits wird darauf hingewiesen, dass die ordentliche Gerichtsbarkeit als dritte Staatsgewalt in finanzieller Abhängigkeit zu den beiden anderen Staatsgewalten stehe und diese Abhängigkeit zu unbefriedigenden faktischen Entwicklungen beigetragen habe. So sei etwa die Ausstattung der Gerichte auch deshalb mangelhaft, weil sich die Bundesminister für Justiz im Kampf um die Verteilung der Mittel gegen die Bundesminister für Finanzen nicht ausreichend durchsetzen konnten und in dieser Auseinandersetzung die Stimme der Richter zu wenig gehört werde; dies unbeschadet der Anerkennung der erfolgreichen Bemühungen des Justizministeriums bei der EDV-Ausstattung der Gerichte und im Bereich des elektronischen Rechtsverkehrs. Ein eindeutiger Beleg für diese mangelhafte Ausstattung seien etwa die Zustände beim Obersten Gerichtshof. In der Gerichtsbarkeit seien nicht nur zu wenig richterliche Planstellen vorhanden, sondern es gebe im Bereich des nicht richterlichen Personals arge Engpässe. Weiters gebe es auch im Bereich der Ernennung von Richteramtsanwärtern einen Änderungsbedarf im Sinne von mehr Transparenz, Rechtsschutz und geänderten Kompetenzen. Was die Ernennung der Richter betreffe, liege diese derzeit in der Letztverantwortung des Bundesministers für Justiz, der von den nicht bindenden Dreiervorschlägen der Personalsenate auch abgehen könne. Es sei zwar richtig, dass dies in den letzten Jahren – soweit überblickbar – nicht vorgekommen sei; doch liege dies wohl daran, dass aufgrund der Vorschläge der Personalsenate eine gewisse „Hemmschwelle“ für die jeweiligen Minister aufgebaut worden sei. Die Richterschaft wolle nicht auf den guten Willen eines Ministers angewiesen sein, sondern vielmehr verfassungsrechtlich verankerte Ansprüche haben. Schließlich wäre ein weiterer Vorteil eines Unabhängigen Justizsenats, dass damit eine Plattform für eine bessere Kommunikation zwischen Richterschaft und Bundesministerium für Justiz geschaffen werden könnte, die einerseits helfen könnte, Missverständnisse zu vermeiden, und andererseits mehr Akzeptanz gerade im Bereich der Personalentscheidungen schaffen könnte. In diesem Zusammenhang wird auch auf das in Fußnote 1 des Textentwurfs der richterlichen Standesvertretung verankerte reine Richtergremium verwiesen.

            Diesen Pro-Argumenten wird entgegen gehalten, dass auch ein neues Gremium – unter Einschaltung des Bundespräsidenten als Vorsitzenden – an der Ausstattung der Gerichte nichts ändern könne. Von Einzelfällen abgesehen funktioniere die österreichische Justiz gut und sei im europäischen Vergleich auch nicht schlecht ausgestattet. Schon bisher wäre es an der richterlichen Standesvertretung gelegen, in der Öffentlichkeit auf Probleme, wie etwa die behauptete mangelhafte Ausstattung, aufmerksam zu machen. Darüber hinaus würde ein Gremium für ganz Österreich zentralistischen Tendenzen Vorschub leisten; hingegen würde es einem rein richterlichen Gremium an der notwendigen demokratischen Rückkopplung mangeln. Fragen der Gerichtsbarkeit berührten nicht nur die Richter, sondern auch die rechtsuchende Bevölkerung, die Wirtschaft und den Rechtsstaat schlechthin, man könne sie nicht der Richterschaft allein überlassen. Was die Ernennung der Richter betreffe, habe sich das gegenwärtige System bewährt; die fehlende Bindungswirkung der Besetzungsvorschläge habe unter Umständen dazu geführt, dass die richterlichen Personalsenate sachbezogene Besetzungsvorschläge erstattet hätten. In finanziell-organisatorischer Hinsicht sei der zuständige Bundesminister für Justiz durchschlagskräftiger, als es ein aus Richtern bestehendes Gremium wäre (Einstimmigkeit im Ministerrat); im Übrigen seien von den in den letzten Jahren getroffenen Sparmaßnahmen auch andere Bereiche, wie etwa die innere Sicherheit oder das Sozial- und Krankenhauswesen, betroffen. Veränderungen zum Positiven seien auch innerhalb des gegenwärtigen Systems möglich; einer Verfassungsänderung bedürfe es dazu nicht.

            Im Zuge der weiteren Diskussion wird von mehreren Seiten grundsätzlich Unterstützung für die Idee der Stärkung der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit geäußert. Hinsichtlich des Ernennungsrechts wird die Meinung vertreten, dass es nicht einzusehen sei, warum die Dreiervorschläge der Personalsenate, die faktisch schon jetzt eine relative Bindungswirkung entfalteten, nicht verfassungsrechtlich als relativ bindend verankert werden sollten: wenn dies jetzt schon eine bewährte Praxis sei, könne man es getrost in die Verfassung schreiben; ja man müsse dies sogar, wenn man konsequent sein wolle. Für die Einrichtung eines Unabhängigen Justizsenats würde auch der ausgearbeitete internationale Rechtsvergleich sprechen. Was das Budgetrecht betreffe, könnte einem solchen Gremium ein verstärktes Mitwirkungsrecht in Form eines Teilnahme- und Anhörungsrechts bei den parlamentarischen Beratungen eingeräumt werden. Schließlich könnte ein Mitwirkungsrecht eines solchen Gremiums auch im Bereich der Ernennung der Richteramtsanwärter vorgesehen werden.

            Es werden jedoch neben der grundsätzlichen Kritik auch einzelne Punkte in dem von der richterlichen Standesvertretung erstatteten Textentwurf bemängelt: so sei etwa die Bezeichnung als „Unabhängiger Justizsenat“ irreführend; hinsichtlich des verwendeten Terminus „Verwaltung der Gerichte“ stelle sich die Frage, ob davon auch die Gerichte und Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts umfasst seien, was – zumindest bezogen auf die beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts – abzulehnen wäre. Aufgrund der Textierung des Art. 85a Abs. 3 des Entwurfs sei auch nicht klar, wer mit dem Unabhängigen Justizsenat das Einvernehmen herstellen solle. Auch die Konstruktion, dass dem Unabhängigen Justizsenat einerseits der Bundespräsident kraft Amtes vorsitzen solle, andererseits aber dieses Gremium einen Vorschlag erstatten solle, über den letztlich der Bundespräsident zu entscheiden habe, sei in sich widersprüchlich.

            In der Diskussion wird auch darauf hingewiesen, dass es keineswegs eine zwingende Notwendigkeit sei, die Bindungswirkung einerseits im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit und andererseits im Bereich der neu zu schaffenden Verwaltungsgerichte 1. Instanz einheitlich zu regeln; unterschiedliche Regelungen könnten sachlich gerechtfertigt sein und wären durchaus möglich. Von mehreren Seiten wird auch Sympathie für den Vorschlag von Präsident des VfGH i.R. Adamovich bekundet, wonach einerseits der von den Personalsenaten erstattete Besetzungsvorschlag für Richter (und in Zukunft auch Richteramtsanwärter) bindende Wirkung entfalten und andererseits ein eigener Richterrat für das gesamte Bundesgebiet nach dem Vorbild der Personalsenate geschaffen werden solle. In diesem Zusammenhang wird von Dr. Schnizer vorgeschlagen, an der Spitze der Justizverwaltung ein Gremium zu bilden, das aus dem Präsidenten des OGH als Vorsitzendem, den  Präsidenten der 4 Oberlandesgerichte und 4 weiteren (aufgrund von Vorschlägen der Richterschaft vom Nationalrat gewählten) Richtern gebildet werden solle.

            In der Sitzung vom 11. Oktober 2004 erinnerte der Konvents-Vorsitzende  daran, dass es sich der Verfassungskonvent zur Aufgabe gemacht habe, innerhalb von 18 Monaten einen Entwurf für einen völlig neuen Verfassungstext zu erstatten. Dies sei Anlass genug, Überlegungen zu einer Neuordnung der drei Staatsfunktionen Legislative, Exekutive und Judikative anzustellen. Gerade letztere sei derzeit deutlich unterrepräsentiert, sie sei nur ein „Anhängsel“ des BMJ und von diesem vollkommen abhängig. Im Bundesfinanzgesetz gebe es lediglich ein Kapitel über den OGH und die Generalprokuratur, nicht jedoch über die ordentlichen Gerichte. Ohne eine verstärkte finanzielle und funktionelle Unabhängigkeit könne und werde es aber auch keine inhaltliche Unabhängigkeit geben. Das Papier der richterlichen Standesvertretung sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, wenngleich es im Detail sicherlich noch verbesserbar sei. Auch im Vergleich zum Rechnungshof sei die ordentliche Gerichtsbarkeit eindeutig unterrepräsentiert: So habe der Rechnungshof das Recht, einen eigenen Budgetentwurf auszuarbeiten; ein eigenes Budgetkapitel sei dem Rechnungshof gewidmet. Der Rechnungshofpräsident könne an den parlamentarischen Beratungen sowohl im Plenum als auch im Budgetausschuss teilnehmen und habe dort ein Rederecht. Dies alles wäre ein geeignetes Vorbild für die ordentliche Gerichtsbarkeit. Auch im Bereich der personellen Vorsorge könnte der Rechnungshof insofern ein Vorbild für die ordentliche Gerichtsbarkeit sein, als es sehr autark sei und der Rechnungshofpräsident die volle Diensthoheit, aber auch die volle Verantwortung für seine Bediensteten habe. Insgesamt sei die Disparität zwischen Rechnungshof einerseits und ordentlicher Gerichtsbarkeit andererseits sehr deutlich. Auch der ausgearbeitete Rechtsvergleich zeige nachdrücklich, dass Österreich international in manchen Bereichen hinterher hinke. Insgesamt sei jedenfalls – auch im Hinblick auf die Weisungsproblematik (zwar gelte § 3 auch für alle Staatsanwälte, nicht jedoch für den Bundesminister für Justiz als oberste Weisungsspitze) – ein deutliches „Gegengewicht“ zum Bundesminister für Justiz notwendig; alle Versuche (auch „kleine Schritte“) in diese Richtung seien lobenswert. Er glaube auch, dass die richterliche Standesvertretung – auf der Grundlage des erstatteten Textvorschlags – gesprächs- und kompromissbereit sei. Den Ausführungen des Konvents-Vorsitzenden schließen sich die Vertreter der ordentlichen Gerichtsbarkeit vollinhaltlich an. Der Ausschussvorsitzende weist dem gegenüber auf die Kritikpunkte zum „Justizsenat“ im Einzelnen hin und hält diese Argumente durch die vorstehenden Ausführungen des Konvents-Vorsitzenden für inhaltlich nicht widerlegt.

            Schließlich wird von Präsident Dr. Korinek der Vorschlag von Dr. Schnizer aufgegriffen und dahingehend adaptiert, dass einem neu zu schaffenden Gremium auch nur der Präsident des OGH und die Präsidenten der 4 Oberlandesgerichte angehören könnten und man diesem Gremium in budgetärer Hinsicht die selben Rechte einräumen könnte wie derzeit schon dem Präsidenten des Rechnungshofs. Dr. Schnizer hat zuletzt einen Textvorschlag ausgearbeitet, der in der  Sitzung am 27. Oktober 2004 Gegenstand einer abschließenden Diskussion war. Er weist freilich darauf hin, dass er hinsichtlich der Richterernennungen für die Beibehaltung der bisherigen Ernennung durch den Justizminister eintritt.

Abschließend ist festzuhalten, dass einerseits unterschiedliche Modelle über die Einführung eines richterlichen Kollegialorgans auf dem Tisch liegen (richterliche Standesvertretung; Adamovich; Schnizer;[4] adaptiertes Modell Rzeszut[5]), wobei sich zuletzt eine gewisse Präferenz für die Einrichtung eines solchen Organs mit bestimmten, „abgeschlankten“ Kompetenzen im Budgetbereich abgezeichnet hat. Andererseits ist von einem Teil der Ausschussmitglieder für die Beibehaltung der derzeitigen Situation plädiert worden.

 

I. 3. Flexibilisierung des Richtereinsatzes ?

Dieses Thema wurde u. a. in den Ausschusssitzungen vom 1. September und vom 28. Oktober 2004 auf der Grundlage der Stellungnahmen der Standesvertretungen der Staatsanwälte[6] und der Richter[7] und unter Berücksichtigung des Erkenntnisses des VfGH vom 12. März 1979[8] diskutiert. Dazu ist festzuhalten, dass man sich im Ausschuss eine geringfügige und behutsame Erhöhung der derzeitigen 2%-Klausel für Sprengelrichter in Art. 88a B-VG bei gleichzeitiger zeitlicher Beschränkung des Einsatzes von jungen Richtern als Sprengelrichter mehrheitlich vorstellen könnte.

Zum Thema „Leistungsanreize für Richter / Leistungskontrolle von Richtern“ besteht im Ausschuss die herrschende Ansicht, dass Bestrebungen, finanzielle Leistungsanreize in Form von variablen Gehaltsbestandteilen zu kreieren, mit dem Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit und auch mit dem richterlichen Selbstverständnis in Widerspruch stünden. Davon ausgenommen könnten allenfalls Belohnungen für die Aufarbeitung massiver Rückstände etwa in lange Zeit unbesetzten Abteilungen sein, wobei auch in diesen Fällen die Zuständigkeit zur Vergabe der finanziellen Mittel nicht beim Bundesministerium für Justiz (sondern etwa bei den Personalsenaten) liegen sollte. Begrüßt wird der Hinweis der richterlichen Standesvertretung auf die Möglichkeiten, durch gezielte Strukturmaßnahmen – etwa durch Förderung der Fortbildung oder durch Schaffung eines geeigneten Arbeitsumfelds – Leistungsanreize zu setzen, die die Motivation der Richter noch zusätzlich steigern könnten. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang aber auch, dass das richterliche Arbeitsumfeld – sowohl was die Sachausstattung (insb. Literatur) als auch was die personelle Ausstattung (Kanzleien, Schreibabteilungen) und Fortbildung (Verstärkung der internen richterlichen Diskussionskultur) betrifft – zum Teil nur ungenügend sei.

In der Diskussion wird auch die Bedeutung des richterlichen Disziplinarrechts betont. Einerseits wird die Meinung vertreten, das Disziplinarrecht solle nicht verschärft, jedoch sollten die bestehenden Regelungen ausgeschöpft werden. Andererseits wird geltend gemacht, dass es nur daran mangle, die Öffentlichkeit über den Umstand zu informieren, dass tatsächlich Disziplinarverfahren geführt werden. Schließlich wird auch auf die Vorschläge der richterlichen Standesvertretung für den Bereich des Disziplinarrechts hingewiesen.[9] Begrüßt wird der Hinweis der richterlichen Standesvertretung, wonach diese – im Interesse der Stärkung des an sich brauchbaren Instruments des Fristsetzungsantrags – bereits im Jahr 2003 vorgeschlagen habe, die Möglichkeit des Fristsetzungsantrags auch den Dienststellenleitern (Gerichtshofpräsidenten und Bezirksgerichtsvorstehern) einzuräumen. Dabei auftretenden verfassungsrechtlichen Bedenken (Eingriff in die unabhängige Rechtsprechung durch den Dienststellenleiter als Justizverwaltungsorgan, Verletzung des Trennungsgrundsatzes gemäß Art. 94 B-VG) könnte etwa dadurch Rechnung getragen werden, dass man die Dienststellenleiter verpflichtet, bei Vorliegen gewisser gesetzlicher Voraussetzungen eine Fristsetzung beim dafür zuständigen Senat des übergeordneten Gerichts anzuregen, dieser die Fristsetzung jedoch bei Notwendigkeit von Amts wegen wahrzunehmen hat.

 

I. 4. Verankerung einer Bestands- und Funktionsgarantie der Staatsanwaltschaft in der Bundesverfassung; Akkordierung der diesbezüglich erarbeiteten Textvorschläge

Aufgrund der ursprünglichen Beratungen, die zum Ausschussbericht vom 26. März 2004 geführt haben, konnte im Ausschuss zunächst folgender Textvorschlag für einen neuen Art. 90 Abs. 3 B-VG konsentiert werden:

               (3) Die öffentliche Anklage sowie die justizielle Strafverfolgung obliegen den Staatsanwaltschaften. Durch Bundesgesetz ist die Stellung der Staatsanwälte als Organe der Justiz zu gewährleisten.“ [10]

         Dieser Kompromiss wurde in der Sitzung vom 28. Oktober 2004 von einer Seite in Frage gestellt: Von dieser Seite wird das Modell eines Bundesstaatsanwalts präferiert und ausgeführt, dass – sollte das Modell des Bundesstaatsanwalts nicht eingeführt werden – es auch keinen Konsens über einen neuen Art. 90 Abs. 3 B-VG geben werde.

 

I. 5. Weisungsrecht des Bundesministers für Justiz; Ausarbeitung von Textvorschlägen

I. 5. 1. Verbesserung der Kontrolle und Transparenz des Weisungsrechts durch einen eigenen parlamentarischen Ausschuss (u. U. ständiger Unterausschuss gemäß Art. 52a B-VG)

In den Ausschusssitzungen vom 1. September und 11. Oktober 2004 wurde auf der Grundlage des von der Ausschussbetreuung ausgearbeiteten Entwurfs die Einrichtung eines ständigen Unterausschusses zur Kontrolle der Ausübung des Aufsichts- und Weisungsrechts im Bereich der Staatsanwaltschaften (in einem adaptierten Art. 52a B-VG) diskutiert.[11]

          Hingewiesen wurde darauf, dass es sich bei der geplanten Überprüfung des Aufsichts- und Weisungsrechts – wie dies aus den Erläuterungen auf Seite 2 unten des Entwurfs hervorgeht – um eine ex post-Kontrolle handeln solle und das Kontrollrecht des Unterausschusses nach den Intentionen des Entwurfsverfassers nur das externe Weisungsrecht, also jenes des Bundesministers für Justiz, umfassen solle.[12]

          Vor diesem Hintergrund wird im Ausschuss grundsätzlich die Meinung vertreten, dass die Entscheidung für oder gegen die Einrichtung eines eigenen parlamentarischen Kontrollausschusses kein Präjudiz für die noch zu führende Diskussion über die Einrichtung eines weisungsfreien Bundesstaatsanwalts darstellt,[13] sodass die Diskussion darüber unbeschadet der Diskussion über die Einrichtung eines Kontrollausschusses geführt werden soll.

          Gegen die im Entwurf in Abs. 1 gewählte Formulierung „... sowie der Ausübung des Aufsichts- und Weisungsrechts im Bereich der Staatsanwaltschaften ...“ wird zunächst vorgebracht, dass man daraus den Schluss ziehen könne, dass von diesem Kontrollrecht nicht nur das externe Weisungsrecht (des Bundesministers für Justiz), sondern auch das interne Weisungsrecht (innerhalb der Staatsanwaltschaften) umfasst wäre; gegen eine solche Auslegung werden einerseits massive Bedenken geäußert; andererseits wollen manche Ausschussmitglieder genau dieses umfassende Kontrollrecht in der Verfassung verankert wissen.

Auf viel Zustimmung stößt das Modell einer parlamentarischen Kontrolle – etwa in Gestalt eines Ausschusses, der das Weisungsrecht des Bundesministers (Bundesministeriums) für Justiz – und nur dieses – ex post überprüfen sollte. Der Ort der Regelung sollte nicht – wie im Textvorschlag vorgesehen – Art. 52a B-VG, sondern vielmehr eine neue Bestimmung im Abschnitt B. des Dritten Hauptstücks des B-VG sein. Freilich wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die aufgrund einer solchen Konstruktion notwendige Differenzierung zwischen externem (ministeriellem) und internem Weisungsrecht äußerst schwierig sei. Breite Zustimmung findet schließlich der neu in die Diskussion eingebrachte Vorschlag, dass anstatt der Einrichtung eines eigenen ständigen Unterausschusses, der eine laufende Kontrolle der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit suggeriere, ein „Andocken“ an den schon bestehenden Justizausschuss vernünftiger wäre: demnach hätte der Bundesminister für Justiz die Pflicht, alle erteilten Weisungen periodisch (etwa halbjährlich) dem Justizausschuss zu melden.

Von einer Seite wird der Einrichtung eines solchen Kontrollausschusses nur dann zugestimmt, wenn es nicht zu der primär geforderten Einrichtung eines Bundesstaatsanwalts kommen sollte, und dies nur mit der Maßgabe, dass die ex post-Kontrolle sowohl externe als auch interne Weisungen umfassen solle.

            Zu dem im Abs. 2 des Entwurfs einzufügenden neuen Satz, wonach der Unterausschuss zur Überprüfung der Ausübung des Aufsichts- und Weisungsrechts im Bereich der Staatsanwaltschaften befugt sei, von den zuständigen Staatsanwaltschaften alle einschlägigen Auskünfte und Einsicht in die einschlägigen Unterlagen zu verlangen, wird festgehalten, dass die Notwendigkeit einer solchen expliziten Anordnung sehr wesentlich davon abhänge, welches Ergebnis die Diskussion über die Einrichtung eines weisungsfreien Bundesstaatsanwalts bringt. Wenn das Weisungsrecht in den Händen des Justizministers/der Justizministerin verbleibe, sei eine solche ausdrückliche Anordnung nicht notwendig, weil dann die Staatsanwaltschaften ohnedies dem Minister gegenüber weisungsgebunden blieben und sämtliche notwendigen Auskünfte und Unterlagen im Wege des Bundesministeriums für Justiz eingeholt werden könnten. Abschließend wird noch darüber diskutiert, ob die im geltenden Abs. 2 vorgesehenen Einschränkungen der Auskunfts- und Vorlagepflicht im Falle der Gefährdung der nationalen Sicherheit oder der Sicherheit von Menschen auch auf den neu einzurichtenden Unterausschuss zur Kontrolle der Ausübung des Aufsichts- und Weisungsrechts inhaltlich „passe“. Eine Änderung wird im Ausschuss überwiegend nicht für nötig erachtet. Vielmehr wird die Meinung vertreten, dass man gewisse datenschutzrechtliche Bedenken (z.B. die Möglichkeit der Verwendung von Ergebnissen eines Lauschangriffs in einem von der Staatsanwaltschaft eingestellten Verfahren in einem späteren – noch anhängigen – Strafverfahren) schon durch die geltende Rechtslage in den Griff bekommen könne.

          Schließlich kann die Bestimmung des Abs. 4 des Entwurfs aufrecht bleiben, zumal hinreichend klar ist, dass das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrats nur nähere Bestimmungen über die Tätigkeit und Arbeitsweise des neu einzurichtenden ständigen Unterausschusses treffen kann.

 

I. 5. 2. Einrichtung eines weisungsfreien Bundesstaatsanwalts

In der Ausschusssitzung vom 11. Oktober 2004 wurde abermals die Forderung nach Einsetzung eines Bundesstaatsanwalts erhoben, der die derzeit vom Generalprokurator beim OGH ausgeübten Funktionen übernehmen und vom Parlament mit einer Zweidrittel-Mehrheit gewählt werden solle.[14] Bis zum Zeitpunkt dieser Wahl wären die Aufgaben weiterhin vom Generalprokurator wahrzunehmen. Wie schon in den ursprünglichen Initiativanträgen der Sozialdemokratischen Fraktion vorgesehen,[15] soll eine einmalige Wiederwahl zulässig sein; das Erfordernis einer parlamentarischen Zweidrittel-Mehrheit würde der allfälligen Gefahr einer zu „regierungsfreundlichen“ Ausübung der Funktion des Bundesstaatsanwalts vorbeugen. Die Forderung nach Einrichtung eines weisungsfreien Bundesstaatsanwalts findet jedoch im Ausschuss keinen Konsens.

 

I. 6. Entfall des § 8 Abs. 5 lit. d) ÜG 1920 ?

Wie schon im Ausschussbericht vom 26. März 2004 festgehalten,[16] besteht im Ausschuss grundsätzlich Konsens darüber, die Bestimmung des § 8 Abs. 5 lit. d) des Übergangsgesetzes aus 1920[17] (im Folgenden kurz: ÜG 1920), wonach Verordnungen über Änderungen in den Sprengeln der Bezirksgerichte nur mit Zustimmung der jeweiligen Landesregierung erlassen werden dürfen, ersatzlos zu streichen. Als Argument für diesen Entfall wurde im Ausschuss ins Treffen geführt, dass diese Bestimmung im Bereich der ansonsten bundesgesetzlich geregelten Gerichtsbarkeit einem „Fremdkörper“ gleiche und wohl auch nur historisch erklärbar sei. Diese Regelung sollte ja nach dem Einleitungssatz des § 8 Abs. 5 ÜG 1920 auch nur bis zu jenem Zeitpunkt gelten, in dem die Organisation der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern durch ein gemäß Art. 120 B-VG zu erlassendes Bundesverfassungsgesetz und die Ausführungsgesetze hiezu geregelt ist; tatsächlich ist ein solches Bundesverfassungsgesetz bis heute nicht erlassen worden. Zum Teil wurde auch dezidiert gefordert, es möge der Aspekt der verstärkten Mitwirkung der Länder bei den Überlegungen zur Neugestaltung des Bundesrats berücksichtigt werden.[18]

          In diesem Zusammenhang hat DDr. Lengheimer mit Stellungnahme vom 25. August 2004 Überlegungen zu einer Regelung angestellt, die dem Bund die Gerichtsorganisation erster Instanz aufgrund eines Gesetzes einräumt, welches der Zustimmung des Bundesrats bedarf. In einem solchen Gesetz könnte – vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrats – etwa auch festgelegt werden, nach welchen Kriterien der territoriale Wirkungsbereich der erstinstanzlichen Gerichte festzulegen ist bzw. ob erforderlichenfalls einzelne Materien größeren Einheiten übertragen werden.[19]

         Letztlich kann man sich im Ausschuss also prinzipiell auf den Entfall des § 8 Abs. 5   lit. d) ÜG 1920 einigen, jedoch kann kein Konsens erzielt werden, was an die Stelle dieser Bestimmung treten sollte (andere Form der Mitwirkung der Länder? verstärkte Einbindung des Bundesrats?).

 

I. 7. Laiengerichtsbarkeit: Grundsätzliche Beibehaltung unter gleichzeitiger Prüfung der Möglichkeit einer Weiterentwicklung der derzeitigen Form; Überdenken des verfassungsrechtlichen „Splittings“ zwischen Schöffen und Geschworenen; allenfalls Ausarbeitung eines Textvorschlags zur Integration von Art. 91 B-VG und § 28 ÜG 1920

Den – in den Ausschusssitzungen vom 6. Mai und 7. Juni 2004 durchgeführten – Beratungen lag folgender Textvorschlag von Sektionschef Dr. Miklau zugrunde:

„Artikel 91. (1) Das Volk wirkt an der Rechtsprechung mit. Die Auswahl richtet sich nach dem Gesetz.

(2) Im Strafverfahren wegen der mit schwersten Strafen bedrohten und wegen politischer Straftaten entscheiden Vertreter aus dem Volk allein oder mehrheitlich über Schuld und Strafe.“

In der Diskussion wurde einerseits die Meinung vertreten, dass nicht nur an der Laiengerichtsbarkeit als solcher, sondern auch am Art. 91 B-VG in seiner derzeitigen Fassung festgehalten werden solle und da und dort aufgetretene Schwächen dieses Systems durch den einfachen Gesetzgeber behoben werden sollten. Auch in der über die Ergebnisse des Ausschusses 9 abgehaltenen Plenarsitzung des Österreich-Konvents habe es keinen ausdrücklichen Widerspruch gegen die Beibehaltung des Art. 91 B-VG in seiner derzeitigen Fassung gegeben. Insbesondere solle es auch in Zukunft ein „Splitting“ zwischen Geschworenen- und Schöffengerichtsbarkeit auf verfassungsrechtlicher Ebene geben. Insofern solle die derzeitige verfassungsrechtliche Regelung beibehalten werden, weil keine Notwendigkeit für eine „verfassungsrechtliche Öffnung“ bei der Schuldfrage erkennbar sei.

            Andererseits wurde von anderen Mitgliedern des Ausschusses eine offenere Formulierung auf Verfassungsebene gefordert, sodass dort offen gelassen werden solle, ob die Vertreter aus dem Volk allein oder mehrheitlich mit den Berufsrichtern über die Schuldfrage entscheiden sollen. Durch den neuen Abs. 2 werde für die Schöffen- und Geschworenengerichtsbarkeit insofern eine flexiblere Lösung angeboten, als es danach im Ermessen des einfachen Gesetzgebers stünde, die Geschworenengerichtsbarkeit entweder in ihrer derzeitigen Form aufrecht zu belassen oder aber etwa durch große bzw. erweiterte Schöffensenate zu ersetzen. Dies hätte jedenfalls den Vorteil, dass der einfache Gesetzgeber weder zu der einen noch zu der anderen Vorgangsweise gezwungen würde. Es stelle sich die Frage, ob tatsächlich auf Verfassungsebene geregelt werden müsse, dass Geschworene (allein) über die Schuld des Angeklagten entscheiden. Andererseits müsse man sich darüber im Klaren sein, dass dann, wenn man sich dazu entschließen sollte, die Geschworenen nicht mehr allein über die Schuldfrage entscheiden zu lassen, diese letztlich keine „Geschworenen“ im klassischen Sinn mehr wären.

Dem in diesem Zusammenhang in der Lehre erstatteten Vorschlag, dass der vorsitzende Berufsrichter nicht nur die Beratung, sondern auch – freilich ohne eigenes Stimmrecht – die Abstimmung der Geschworenen leiten und dann aufgrund der von den einzelnen Laienrichtern erkundeten Gründe für ihr jeweiliges Votum schließlich auch eine reguläre Begründung des Geschworenengerichtsurteils verfassen solle, womit dann auch dessen Bekämpfbarkeit mit Rechtsmitteln gleich einem Schöffengerichtsurteil möglich würde,[20] wurde von manchen Ausschussmitgliedern, insbesondere vom Präsidenten des OGH, mit Nachdruck entgegen getreten: Es wäre systemwidrig und unzweckmäßig, wollte man die Berufsrichter einerseits von der Entscheidung über die Schuldfrage ausschließen, sie aber dann andererseits dazu zwingen, eine fremde Entscheidung (mit der sie sich vielleicht nicht einmal ansatzweise identifizieren könnten) im Nachhinein – möglicherweise nur halbherzig – zu begründen. Letztlich konnte im Ausschuss über diese Frage ebenso wenig Konsens erzielt werden wie über Abs. 2 des von Sektionschef Dr. Miklau präsentierten Textvorschlags.

Hingegen besteht im Ausschuss Einigkeit darüber, dass an der Laiengerichtsbarkeit    – sowohl im Zivil- als auch im Strafrechtsbereich – festgehalten werden sollte und dass der von Sektionschef Dr. Miklau präsentierte Abs. 1 des Entwurfs in folgender, leicht adaptierter Form Eingang in den Art. 91 B-VG (als neuer Abs. 1) finden sollte:

„(1) Das Volk wirkt nach Maßgabe des Gesetzes an der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit mit. Die Bereiche der Mitwirkung und die Art der Auswahl richten sich nach dem Gesetz.“ [21]

            Diese etwas offenere Formulierung hat den Vorteil einer gewissen Flexibilisierung für sich. Das „Volk“ im ersten Satz des Abs. 1 könnte sowohl durch einen Zufallsmechanismus als auch aufgrund gesetzlicher Bestimmung ausgewählt werden; dies sollte durch den Gesetzesvorbehalt im zweiten Satz des Abs. 1 sicher gestellt werden. Durch den neu vorgeschlagenen Abs. 1 sollte auch der bisherige § 28 ÜG 1920, der nach herrschender Meinung die einzige verfassungsrechtliche Grundlage etwa für die Beiziehung von Laienrichtern in der Handelsgerichtsbarkeit ist, entbehrlich werden.

Die derzeit geltenden Abs. 2 und 3 des Art. 91 B-VG sollten unverändert beibehalten werden.

 

 

 

II. Gerichtshöfe öffentlichen Rechts – Höchstgerichte

 

II. 1. Konzentration der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Umdrehung der Sukzessivbeschwerde, Gesetzesbeschwerde, Verfassungsbeschwerde; Ausarbeitung von Textvorschlägen (unter Berücksichtigung der Frage der Erweiterung der Vorlagepflicht an den VfGH gemäß Art. 89 Abs. 2 B-VG auf alle Gerichte)

II. 1. 1. Einrichtung der Gesetzesbeschwerde

In der – auf der Grundlage des gemeinsamen Textvorschlags Jabloner/Grabenwarter/ Rzeszut[22] geführten – intrasystematischen Diskussion über die Gesetzesbeschwerde (oder Normenbeschwerde; ehemals „Subsidiarantrag“) wird an der vorgeschlagenen Textierung der neu einzufügenden Absätze 1a in den Art. 139 und 140 B-VG zunächst dreierlei kritisiert:

            - Erstens enthalte der Vorschlag keine Ablehnungsmöglichkeit für den VfGH für den Fall der Aussichtslosigkeit der Gesetzesbeschwerde; es sollte also eine entsprechende Formulierung in Anlehnung an den jetzigen Art. 144 Abs. 2 B-VG eingefügt werden.

- Zweitens sei die Wortfolge „durch ein in Art. 89 Abs. 2 genanntes Gericht“ insofern überschießend, als dieser Verweis überflüssig sei, zumal damit ohnedies jedes „Gericht“ (also sowohl jedes ordentliche Gericht als auch alle Verwaltungsgerichte erster Instanz als auch der VwGH) gemeint sei.

- Und drittens stelle sich im Zusammenhang mit der Regelung, dass mit der Aufhebung der Verordnung (des Gesetzes) oder dem Ausspruch ihrer Gesetzeswidrigkeit (seiner Verfassungswidrigkeit) das gerichtliche Verfahren als wieder aufgenommen gelte, die Frage, ab wann genau die Fristen zu laufen beginnen: ab dem Tag der Entscheidung oder ab dem Tag der Zustellung der Entscheidung an das Gericht oder ab dem Tag der Kundmachung im Bundesgesetzblatt? In diesem Punkt müsse der Vorschlag präzisiert werden.

            Zu dem zuletzt genannten Argument kann im Ausschuss Konsens darüber erzielt werden, dass im Textentwurf nicht von der „Aufhebung der Verordnung (des Gesetzes)“, sonder vielmehr von der Entscheidung über die Aufhebung der Verordnung (des Gesetzes)“ gesprochen werden sollte und dass darüber hinaus in den Erläuterungen deutlich gemacht werden sollte, dass auf den Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung des VfGH an das Gericht abzustellen ist. Ein Abstellen auf die Kundmachung im Bundesgesetzblatt, die unter Umständen erst Monate später erfolgt, wäre unter dem Aspekt der Verfahrensdauerproblematik nicht hinnehmbar.

            Insoweit der Beschwerdeführer aufgrund des vorliegenden Textvorschlags die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (eines verfassungswidrigen Gesetzes) „behaupten“ muss, wird damit das Problem der Präjudizialität aufgeworfen. Nach längerer Diskussion hält es der Ausschuss für ausreichend, dieses Präjudizialitätsproblem nicht im Textvorschlag selbst anzusprechen, sondern viel mehr die Präjudizialitätsjudikatur des VfGH in die Erläuterungen einzubauen. Hingewiesen wird auch darauf, dass durch die Formulierung „Person“ klargestellt werden sollte, dass nur (natürliche oder juristische) Personen anfechtungsberechtigt sind, die Parteien des zugrunde liegenden gerichtlichen Verfahrens gewesen sind. Die Formulierung sollte es ausschließen, dass auch Amtsparteien im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 2 und 3 und Abs. 2 B-VG von der Gesetzesbeschwerde Gebrauch machen können, zumal die Grenze zwischen konkreter und abstrakter Normprüfung nicht verwischt werden sollte. Die Wendung „in ihren Rechten“, die beim Individualantrag nach Art. 140 Abs. 1 B-VG verwendet wird, soll nicht übernommen werden, um zu verdeutlichen, dass die vorgeschlagene Gesetzesbeschwerde nicht dem Individualantrag nach Art. 140  Abs. 1 B-VG, sondern viel mehr der gerichtlichen Antragsstellung nach Art. 89 B-VG nachgebildet ist.

            Es wurde auch die Frage aufgeworfen, warum aufgrund des jeweils letzten Satzes der beiden Textvorschläge dem Generalprokurator in Strafrechtssachen Antragsrechte lediglich eingeräumt werden „können“ und nicht eingeräumt werden müssen. Der Textvorschlag wurde darauf hin auch in diesem Punkt geändert.

             In der Ausschusssitzung vom 11. Oktober 2004 wurde von einer Seite auch gefordert, dass – vor dem Hintergrund des Erkenntnisses des VfGH G 4/04 u. a. vom 16.6.2004 (mit dem die Wortfolge „mit den Rechten nach § 19 Abs. 3 2. Satz“ in § 24 Abs. 3 2. Satz UVP-Gesetz 2000 aufgehoben wurde) – die Legitimation von Amtsparteien zur Erhebung der Gesetzesbeschwerde in die neu entworfenen Absätze „1a“ der Art. 139 und 140 B-VG eingebaut werden müsste. Von anderer Seite wurde kritisiert, dass die Gesetzesbeschwerde in der aktuellen Entwurfsfassung zu einem wesentlich höheren Anfall beim VfGH führen würde als die geplante Verfassungsbeschwerde. Dieser Mehranfall wäre vom VfGH nicht zu bewältigen. Dies sei jedoch nicht als Plädoyer für die Einführung einer Verfassungsbeschwerde, sondern vielmehr als Anregung für die Einschränkung des Anwendungsbereichs der Gesetzesbeschwerde zu verstehen. Von mehreren Seiten wurde hiezu festgehalten, dass der Anwendungsbereich der Gesetzesbeschwerde dadurch eingeschränkt werden könnte, dass man die Anrufbarkeit des VfGH erst nach Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung durch ein letztinstanzlich erkennendes Gericht zulasse.

             Im Sinne der vorstehenden Überlegungen sollten die im Ausschuss inhaltlich nicht konsentierten Absätze 1a in Art. 139 und 140 B-VG wie folgt lauten:

            Artikel 139. (1a) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen nach Fällung einer rechtskräftigen Entscheidung durch ein letztinstanzlich erkennendes Gericht; dies aufgrund eines Antrags einer Person, die Partei dieses Verfahrens war und die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet. Art. 89 Abs. 3 gilt sinngemäß. Mit der Entscheidung über die Aufhebung der Verordnung oder dem Ausspruch ihrer Gesetzwidrigkeit gilt das gerichtliche Verfahren als wieder aufgenommen. In gerichtlichen Strafverfahren hat auch der Generalprokurator ein Antragsrecht. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung eines Antrags bis zur Verhandlung durch Beschluss ablehnen, wenn  keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.“ [23]

 

            „Artikel 140. (1a) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen nach Fällung einer rechtskräftigen Entscheidung durch ein letztinstanzlich erkennendes Gericht; dies aufgrund eines Antrags einer Person, die Partei dieses Verfahrens war und die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet. Art. 89 Abs. 3 gilt sinngemäß. Mit der Entscheidung über die Aufhebung des Gesetzes oder dem Ausspruch seiner Verfassungswidrigkeit gilt das gerichtliche Verfahren als wieder aufgenommen. In gerichtlichen Strafverfahren hat auch der Generalprokurator ein Antragsrecht. Art. 139   Abs. 1a letzter Satz gilt sinngemäß.“ [24]

 

II. 1. 2. Einrichtung der Verfassungsbeschwerde

In der – auf der Grundlage des gemeinsamen Textvorschlags Schnizer/Stoisits[25] geführten – intrasystematischen Diskussion über die Verfassungsbeschwerde wird an der vorgeschlagenen Textierung des neu konzipierten Art. 144 Abs. 1 B-VG zunächst angeregt, den missverständlichen Begriff des „außerordentlichen Rechtsbehelfs“ durch den Begriff des „außerordentlichen Rechtsmittels“ zu ersetzen. Kritisiert wird insbesondere der letzte Satz des Abs. 1, wonach der VfGH bei seiner Entscheidung jenen Inhalt der Rechtsvorschriften zugrunde zu legen habe, den das Gericht angenommen habe. Die dadurch zum Ausdruck kommende strenge Bindung des VfGH an den von den Gerichten angenommenen Inhalt der zugrunde liegenden Rechtsvorschriften stehe mit dem Anliegen einer Verfassungsbeschwerde in diametralem Gegensatz, zumal kein Platz mehr für eine verfassungskonforme Interpretation wäre, sondern der VfGH viel mehr vor der Alternative stünde, entweder die zugrunde liegende Norm aufzuheben oder die Beschwerde abzuweisen. In diesem Sinne kann letztlich Konsens darüber erzielt werden, diesen letzten Satz ersatzlos zu streichen. Weiters wird darauf hingewiesen, dass der VfGH in diesem neuen System wohl an die geltend gemachten Bedenken gebunden wäre, was für den VfGH einen beengenden Effekt hätte. Das stellt einen wesentlichen Unterschied zu den Möglichkeiten des derzeitigen Art. 144 Abs. 1 B-VG dar.

            Zu Abs. 2 des Entwurfs wird kritisiert, dass die dort vorgenommene schrankenlose Ausweitung der Antragsbefugnis auf alle Amtsorgane und Organisationen überschießend und vom VfGH letztlich nicht bewältigbar wäre.

            Zu Abs. 3 des Entwurfs wird kritisiert, dass die dort im zweiten Satz normierte Unzulässigkeit der Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde viel zu weit reichend sei und den VfGH über kurz oder lang lahm legen würde. Schließlich kommt man überein, auch diesen Satz ersatzlos entfallen zu lassen.

            In diesem Sinne sollte der aufgrund der Beratungen adaptierte, jedoch im Ausschuss inhaltlich nicht konsentierte Textvorschlag für einen neuen Art. 144 B-VG wie folgt lauten:

„Artikel 144. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Beschwerden gegen Entscheidungen von Gerichten, soweit der Beschwerdeführer durch die Entscheidung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrags), eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrags in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Beschwerde kann erst nach Erschöpfung des Instanzenzugs erhoben werden.

            (2) Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde bis zur Verhandlung durch Beschluss ablehnen, wenn sie im Lichte der bisherigen Rechtsprechung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.“ [26]

            Von diesen textlich vorgenommenen Änderungen abgesehen, bleibt aber die überwiegende Kritik der Mitglieder des Ausschusses an der Einführung einer Verfassungsbeschwerde an sich unverändert aufrecht: Danach würde die Einführung einer Verfassungsbeschwerde dazu führen, dass die Rechtswege beträchtlich ausgeweitet und die Verfahrensdauer erheblich verlängert werden, was gerade in Zeiten, in denen man allerorts nach Möglichkeiten zur Verkürzung der Verfahrensdauer suche, besonders auffällt. Dazu komme auch die mit einer Verlängerung der Rechtswege und der Verfahrensdauer verbundene Kostenbelastung, die letztlich von den Parteien zu tragen sei.

            Darüber hinaus würde durch die Einrichtung einer Verfassungsbeschwerde im Ergebnis eine vierte Instanz (rechne man den EuGH hinzu: eine fünfte Instanz) geschaffen werden, die über den beiden anderen Höchstgerichten stünde und einen beträchtlichen Mehranfall zu bewältigen hätte; weiters würde dadurch das – ohnedies schwierige – Problem der Staatshaftung im Fall der Verletzung von Gemeinschaftsrecht durch die Entscheidung eines Höchstgerichts noch zusätzlich verschärft werden: Der VfGH wäre nämlich in den (derzeit von ihm beanspruchten) „Staatshaftungsklagen“ aus höchstgerichtlichen Entscheidungen im Anschluss an ein Verfahren, in dem eine Verfassungsbeschwerde erhoben wurde, gezwungen zu beurteilen, ob er nicht bereits im Vorverfahren zu Unrecht das Erfordernis der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens verneint habe. Damit wäre der VfGH eigentlich systemwidrig regelmäßig „Richter in eigener Sache“. Schließlich machen die Gegner einer Verfassungsbeschwerde auf gravierende Verfahrensprobleme (Rechtsunsicherheit durch allenfalls andere Sicht der Grundrechte) sowohl im Verhältnis VfGH – OGH als auch im Verhältnis VfGH – VwGH aufmerksam.[27]

            In der Diskussion werden als jene Probleme, die überhaupt erst den Anlass zu Überlegungen zu Einführung einer Verfassungsbeschwerde gegeben haben, einerseits die überlange Verfahrensdauer und andererseits die unverhältnismäßig lange Dauer der Untersuchungshaft genannt. Beide Probleme könnten – so viele Stimmen im Ausschuss – durch intrasystematische Rechtsbehelfe besser gelöst werden als durch die Verfassungsbeschwerde: Dem Problem der überlangen Verfahrensdauer könnte man durch die Einräumung des Rechts auch des Gerichtsvorstehers zur Anregung von Fristsetzungsanträgen adäquater Herr werden als durch die Einschaltung einer weiteren Instanz;[28] dem Problem der überlangen Untersuchungshaftdauer wäre durch eine Ausweitung bzw. Verschärfung der Grundrechtsbeschwerde an den OGH zu begegnen.

 

Zum Problemkreis „Gesetzesbeschwerde – Verfassungsbeschwerde“ (im weitesten Sinn) kann im Ausschuss letztlich eine breite Zustimmung erstens für die Einrichtung von Verwaltungsgerichten erster Instanz und zweitens für die Einführung einer Gesetzesbeschwerde erzielt werden, wobei aber kein Konsens darüber besteht, dass allein diese beiden Maßnahmen umgesetzt werden sollten. Was die Einführung einer Verfassungsbeschwerde betrifft, bleibt dieser Vorschlag im Ausschuss vereinzelt. Von einer Seite wird auch vorgebracht, dass dann, wenn die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (so wie im Ausschuss konsentiert) eingeführt, jedoch gleichzeitig Art. 144 B-VG in seiner jetzigen Form beibehalten und die Verfassungsbeschwerde nicht eingeführt werden sollte, die Zustimmung zur Einführung der Verwaltungsgerichte erster Instanz zurückgezogen werden müsste, was im Ergebnis einen Rückschritt gegenüber dem bisherigen Ausschussergebnis bedeuten würde.[29]

 

II. 1. 3. Anfechtungslegitimation – Erweiterung des Kreises der Beschwerde- und Anfechtungsberechtigten

In den Sitzungen vom 7. Juni und 11. Oktober 2004 wurde – auf der Grundlage einer Arbeitsunterlage von Abg. z. NR Maga. Stoisits und Dr. Meyer zur „Erweiterung des Kreises der Anfechtungsbefugten“ vom 4. Juni 2004 – vorgebracht, dass die derzeitige Bundesverfassung den einfachen (Bundes- oder Landes-)Gesetzgeber nicht dazu ermächtige, den Rechtsweg zum VfGH über die in der Verfassung genannten Fälle hinaus noch weiteren Personen bzw. Institutionen einzuräumen. Vielmehr stehe eine Bescheidbeschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG nur jenem Beschwerdeführer zu, der „in seinen Rechten“ verletzt zu sein behauptet. Gemäß Prüfungsbeschluss B 456, 457/03-7, B 462/03-11, vom 27. November 2003 hege der VfGH gegen eine bestimmte Wortfolge in der Bestimmung des § 24 Abs. 3 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (im Folgenden kurz: UVP-G), mit der unter anderem Umweltanwaltschaften im Feststellungsverfahren über die UVP-Pflicht von Verkehrsvorhaben Parteistellung mit dem Recht zur Erhebung der Beschwerde an den VfGH und VwGH eingeräumt wird, Bedenken. Diese Norm könne nicht auf Art. 144 Abs. 1 B-VG gestützt werden, weil die Umweltanwaltschaft keine „echten“ subjektiven Interessen habe. Die Umweltanwaltschaft nehme nur formale „Rechte“ wahr, inhaltlich gesehen handle es sich aber um „Kompetenzen“. Es werde daher vom VfGH gerade geprüft, ob eine verfassungsrechtlich unzulässige Ausweitung der Beschwerdelegitimation gegeben sei.[30]

            Damit sei aber auch das Beschwerderecht der Umweltanwaltschaft an den VfGH im eigentlichen UVP-Bescheid-Verfahren bedroht. Sofern der VfGH den § 24 Abs. 3 UVP-G als verfassungswidrig aufheben sollte, würde sich die Notwendigkeit ergeben, entweder dem einfachen Gesetzgeber generell eine Befugnis zur Ausweitung der Beschwerdeberechtigten über den Kreis der „echt“ subjektiv Betroffenen hinaus einzuräumen oder aber unmittelbar bestimmten Amtsorganen zur Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung diese Befugnis einzuräumen. Andernfalls würde es zu einer Verschlechterung des Umweltschutzstandards kommen. Schließlich wird noch – aufgrund der vom Österreich-Konvent in Aussicht genommenen weitgehenden Konzentration des Verfassungsrechts in einer Verfassungsurkunde – die Forderung aufgestellt, den jetzigen § 24 Abs. 11 UVP-G (konkrete Normenkontrolle) in den Art. 139 B-VG zu integrieren. Auch hier biete sich eine allgemeine Ermächtigung an den einfachen Gesetzgeber an, diese Anfechtungsbefugnis Amtsorganen und Verbänden einzuräumen.

            Diese Ausführungen stoßen im Ausschuss aber eher auf Skepsis: So wird einerseits vor der Gefahr einer möglichen Überlastung des VfGH gewarnt und auch darauf hingewiesen, dass ein unmittelbar Betroffener, der „in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet“, schon jetzt durch eine Organisation bzw. einen Verband unterstützt werden könne und eine Art „Musterprozess“ führen könne und einem solchen Beschwerdeführer der Weg zum VwGH schon jetzt offen stehe; dieser Weg sei in der Vergangenheit bereits oft gegangen worden und der VwGH habe sich als „idealer Filter“ erwiesen, der bei Bestehen von Bedenken ein Gesetzesprüfungsverfahren beim VfGH beantragt habe. Andererseits wird darauf hingewiesen, dass es eine bewusste Grundsatzentscheidung des Verfassungsgesetzgebers gewesen sei, die Anfechtungsbefugnis vor dem VfGH gemäß      Art. 144 B-VG nur dem in seinen subjektiven Rechten verletzten Beschwerdeführer einzuräumen und darüber hinaus eine „abstrakte Normenkontrolle“ in den Art. 139 ff B-VG zu verankern. Die in Prüfung gezogene Wortfolge in § 24 Abs. 3 UVP-G, die unter anderem dem Umweltanwalt die Parteistellung mit den Rechten nach § 19 Abs. 3 zweiter Satz UVP-G einräumt, bereite schon deshalb Schwierigkeiten, weil damit die Frage aufgeworfen werde, ob mit dieser Konstruktion die Übertragung der Wahrnehmung subjektiver öffentlich-rechtlicher Befugnisse auf staatliche Organe oder aber eine Art von abstrakter Normenkontrolle oder aber überhaupt etwas ganz anderes, sozusagen ein „Tertium“, gemeint sei.

            Es wird auch darauf hingewiesen, dass die Einrichtung von „Anwälten des öffentlichen Rechts“ zwar ein durchaus legitimes Anliegen sei, dass eine Überdehnung dieses Anliegens aber zu problematischen Ergebnissen führen könnte. Je stärker man auch solchen Anwälten öffentlichen Rechts, wie etwa dem Umweltanwalt, oder auch anderen Verbänden den Zugang zum VfGH einräume, desto mehr verliere der VfGH seinen Gerichtscharakter und werde zu einer immer politischeren Institution; diese Entwicklung sei schon durch die Einführung der „abstrakten Normenkontrolle“ und des so genannten „Drittelantrags“ in den 70er Jahren eingeleitet worden, sollte aber nicht überdehnt werden. Ein Konsens in Sachen Erweiterung des Kreises der Beschwerde- und Anfechtungsberechtigten wurde nicht erreicht.

 

II. 2. „Dissenting opinion“; Ausarbeitung eines Textvorschlags (eingeschränkt auf den VfGH)

Der Vorschlag nach Einführung einer „dissenting opinion“ wurde in der Sitzung vom 6. Mai 2004 beraten; er ist im Ausschuss nicht mehrheitsfähig. Hinzuweisen ist zunächst darauf, dass zu diesem Thema bereits eine parlamentarische Enquete im Jahr 1998 abgehalten worden ist, in der dieses Thema einigermaßen erschöpfend behandelt wurde.

Gegen die „dissenting opinion“ wird insbesondere ins Treffen geführt, dass der beste Garant für die Unabhängigkeit der Höchstrichter deren unbefristete Bestellung sei und dass sich die Richter schon auf Grund des Zeitfaktors von jedem politischen Naheverhältnis emanzipieren würden; einer „dissenting opinion“ bedürfe es dafür nicht; der VfGH habe seine Unabhängigkeit gerade in den letzten Jahren, in denen es Erkenntnisse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten der jeweiligen Regierung gegeben habe, hinlänglich bewiesen. Dazu komme ein ganz praktischer Grund: Jedes Erkenntnis umfasse ja nicht eine einzige, mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantwortende Frage, sondern umfasse viel mehr mehrere Fragen bzw. Teilentscheidungen; je nach dem, wie man diese Teilentscheidungen bzw. Weichenstellungen treffe, müsse man dann in die eine oder andere Richtung weiterarbeiten bzw. weiter beraten. Wenn nun ein Höchstrichter schon bei einer dieser frühen Weichenstellungen gegen die Mehrheit im Gerichtshof argumentiere, sich aber dabei nicht durchsetzen könne, bestehe die Gefahr, dass dieser dann gedanklich bereits aussteige, sich aus dem weiteren Beratungsprozess gleichsam ausklinke und in seinem Inneren bereits an der Formulierung der „dissenting opinion“ zu arbeiten beginne. Gerade dies gelte es aber zu verhindern, weil auch die „Abweichler“ für die anschließende Diskussion und Beratung wichtig seien und zu einer besseren und treffsicheren Argumentation und Begründung beitragen könnten. Wichtiger als die Einführung einer „dissenting opinion“ sei daher eine umfassende Begründung der VfGH-Erkenntnisse, in deren Entscheidungsgründen sich der Meinungs- und Willensbildungsprozess widerspiegeln müsse; schon dadurch könne ein Höchstmaß an Transparenz erzielt werden. Darüber hinaus sei der VfGH in seiner Funktion als Höchstgericht primär für die Rechtsanwendung zuständig und solle daher Rechtssicherheit schaffen; mit diesem Ziel wäre es unvereinbar, sozusagen unterschiedliche Kategorien von VfGH-Erkenntnissen, nämlich „kompakte“ (einstimmig beschlossene) Erkenntnisse und „Erkenntnisse light“ (mit „dissenting opinions“) zu schaffen.

            Es gibt im Ausschuss aber auch Stimmen, die sich für die Einführung einer „dissenting opinion“ aussprechen und dies im Wesentlichen damit begründen, dass durch die Möglichkeit eines einzelnen Richters zum Ausscheren aus der Mehrheitsmeinung die Persönlichkeit dieses Richters und dadurch letztlich auch seine Unabhängigkeit gestärkt werden könne. Außerdem könne die „dissenting opinion“, mit der man in anderen Ländern gute Erfahrungen gemacht habe (vgl. etwa den „Supreme Court“ in den Vereinigten Staaten von Amerika), für die Rechtsentwicklung wichtig sein und Anstöße zu Judikaturänderungen geben. Schließlich würde die „dissenting opinion“ auch zu einer treffsichereren Argumentation und Begründung beitragen.

            Vor dem eben geschilderten Hintergrund und mit der Maßgabe, dass der Vorschlag nach Einführung einer „dissenting opinion“ beim VfGH vom Ausschuss 9 überwiegend abgelehnt wird, haben Ausschussvorsitzender und Ausschussbetreuung gemeinsam – in Anlehnung an § 30 Abs. 2 des deutschen Bundesverfassungsgerichtsgesetzes[31] - folgenden Textentwurf für zwei Sätze am Beginn des Art. 148 B-VG vorgeschlagen:

„Artikel 148. Der Gerichtshof teilt in seinen Entscheidungen das Stimmenverhältnis mit. Jedes Mitglied kann seine in der Beratung vertretene abweichende Meinung zu der Entscheidung oder zu deren Begründung in einem Sondervotum niederlegen; dieses ist der Entscheidung anzuschließen. ...“ [32]

 

II. 3. Zusammensetzung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts; Bestellungsvorgang – Transparenz – Amtsdauer

In der in der Sitzung vom 6. Mai 2004 geführten Diskussion wurde hinsichtlich der Zusammensetzung des VfGH und der Bestellung seiner Mitglieder einerseits die Meinung vertreten, dass sich das bisherige System im Wesentlichen bewährt habe und deshalb daran    – jedenfalls auf verfassungsrechtlicher Ebene – festgehalten werden solle. Andererseits gab es auch Stimmen, die sich für eine stärkere Mitwirkung und Einbeziehung der Länder aussprechen und das derzeitige System als wenig föderalistisch und auch wenig demokratisch kritisieren. So solle insbesondere die derzeit vorgesehene Bestellung der Mehrheit der Mitglieder durch die Bundesregierung geändert werden und sollten alle VfGH-Mitglieder in Zukunft durch die Bundesversammlung mit einer qualifizierten Mehrheit (2/3-Mehrheit) gewählt werden. In diesem Zusammenhang wird auch auf einen entsprechenden Vorschlag der SPÖ aus den 70er Jahren hingewiesen, wonach die VfGH-Mitglieder durch eine 2/3-Mehrheit von der Bundesversammlung gewählt werden sollten. Es wird auch die Meinung vertreten, dass man das föderalistische Element insbesondere bei der Bestellung der Präsidenten und Vizepräsidenten von VfGH und VwGH stärken könnte. Hingewiesen wird schließlich auch darauf, dass nach derzeitiger Rechtslage (Art. 147 Abs. 2 B-VG) nur 3 Mitglieder und 2 Ersatzmitglieder ihren ständigen Wohnsitz außerhalb der Bundeshauptstadt Wien haben müssten. Von einer Seite wird außerdem die Meinung vertreten, dass der Frauenanteil beim VfGH (derzeit nur 4 Frauen) zu niedrig sei und in Zukunft unbedingt erhöht werden sollte und dass darüber hinaus die Durchführung von Hearings insofern zweckmäßig wäre, als dadurch die Transparenz gesteigert und letztlich eine höhere Akzeptanz in der Öffentlichkeit erreicht werden könnte. Relativ einig war man sich letztlich darin, dass die Vorschaltung von externen Expertengremien (wie dies in früheren Zeiten seitens der Rechtsanwälte und Notare vorgeschlagen worden sei) keine Qualitätssteigerung bringen würde; letztlich sind diese zuletzt angestellten Überlegungen auch keine verfassungsrechtlich relevanten Fragen.

            Hinsichtlich des derzeitigen Systems der Bestellung von Mitgliedern des VwGH wird überwiegend die Meinung vertreten, dass das derzeit gepflogene Selbstrekrutierungsmodell (vgl. Art. 134 Abs. 2 B-VG) sich im Wesentlichen bewährt habe und daher auch in Zukunft beibehalten werden solle. Das Selbstergänzungsrecht des VwGH sei zwar in föderalistischer Hinsicht nicht ganz unproblematisch, jedoch rechtsstaatlich äußerst wertvoll, da das Vorschlagsrecht der Vollversammlung des VwGH am besten geeignet sei, die fachliche Qualität der neu hinzu kommenden VwGH-Richter zu garantieren.

            Das Ergebnis der Diskussion lässt sich dahin zusammenzufassen, dass sich die derzeit geltenden Regelungen sowohl hinsichtlich des VfGH als auch hinsichtlich des VwGH im Wesentlichen bewährt haben. Durch das System der Selbstergänzung beim VwGH und durch die zeitlich unbefristete Ernennung der VfGH-Richter (mit der damit eng verbundenen Möglichkeit zur Befreiung von politischer Einflussnahme) wird letztlich in beiden Fällen die rechtsstaatlich so notwendige Unabhängigkeit der Höchstrichter sicher gestellt. Am ehesten könnte überlegt werden, das derzeit bestehende weitgehende Vorschlagsrecht der Bundesregierung für die Ernennung von VfGH-Richtern zu Gunsten des Parlaments (der Bundesversammlung) einzuschränken.

            Der darüber hinaus erstattete Vorschlag, die Amtsdauer der Höchstrichter (insbesondere der VfGH-Richter) zeitlich zu befristen, wird im Ausschuss mehrheitlich abgelehnt. Richtig sei zwar, dass im internationalen Vergleich eine relativ große Bandbreite an unterschiedlichen Regelungen bestehe und dass es durchaus auch Länder gebe, in denen Höchstrichter auf bestimmte Zeit ernannt werden. Eine solche Befristung sei jedoch – so die überwiegende Meinung im Ausschuss – mit der Unabhängigkeit der Höchstrichter letztlich nicht zu vereinbaren; die Ernennung auf Dauer sei die beste Garantie für die Unabhängigkeit. Insbesondere für jüngere Höchstrichter wäre eine Befristung etwa auf 12 Jahre auch insofern problematisch, als sich die Rückkehr in ihren angestammten Beruf (etwa die Rückkehr in eine Anwaltskanzlei) schwierig gestalten könnte bzw. in Einzelfällen sogar unmöglich wäre, was wiederum zur Folge hätte, dass man einzelne Berufsgruppen auf diese Weise von einer Bewerbung zum VfGH de facto ausschlösse. Hingewiesen wird darauf, dass es auch Länder gebe, die – im Gegensatz zu Österreich – überhaupt keine Altersgrenze für ihre Höchstrichter vorsähen (wie etwa die Richter des „Supreme Court“ in den Vereinigten Staaten von Amerika). Mehrfach und nachdrücklich betont wird vor allem, dass die – schon an sich abzulehnende – Befristung der Amtsdauer von Höchstrichtern vor allem in Kombination mit der Einführung einer „dissenting opinion“ rechtsstaatlich höchst problematisch wäre. Die unbefristete Bestellung sollte daher beibehalten werden und auch weiterhin im B-VG geregelt bleiben.

 

II. 4. Organstreitverfahren vor dem VfGH; Ausarbeitung eines Textvorschlags

Auf der Grundlage des Textvorschlags von Abg. z. NR Maga. Stoisits wurde in den Sitzungen vom 2. Juli, vom 1. September und vom 11. Oktober 2004 das Modell eines „Organstreitverfahrens“ zwischen Parlament und Bundesregierung präsentiert;[33] dieses soll sich auf das Verhältnis zwischen dem Parlament einerseits und der Bundesregierung andererseits konzentrieren. Auch wenn man sich am deutschen Modell orientiert habe, soll der Textvorschlag nicht auf ein umfassendes Verfahren nach Vorbild des Deutschen Grundgesetzes abzielen. Als Regelungsort wurde Art. 55a B-VG (unter der Prämisse, dass das B-VG aus 1920 in Geltung bleibt) vorgeschlagen.

            In der Diskussion wurde zunächst die Frage aufgeworfen, warum nur den Mitgliedern des Nationalrats oder des Bundesrats, nicht jedoch der Bundesregierung ein Antragsrecht eingeräumt werde. Angesprochen wurde auch das Problem der mangelnden Justiziabilität; dies wurde anhand eines Beispiels illustriert: Wenn ein Mitglied der Bundesregierung im Rahmen einer Anfragebeantwortung im Parlament die Beantwortung einer bestimmten Frage (etwa unter Hinweis auf die Amtsverschwiegenheit) verweigere, wäre ein solcher Fall unter Umständen noch insofern justiziabel, als die Frage, ob die Verweigerung der Anfragebeantwortung zu Recht erfolgt sei, vom VfGH geklärt werden könnte. Wenn das Mitglied der Bundesregierung hingegen eine – vielleicht sogar ausführliche – Antwort erstatte, die aber inhaltlich ungenügend sei, stelle sich das Problem der Justiziabilität auf andere Weise. Dann müsste nämlich im Endeffekt der VfGH die Bewertung vornehmen, ob das Mitglied der Bundesregierung seiner Antwortpflicht nachgekommen sei oder nicht. Auch wenn es nach der Judikatur des deutschen Bundesverfassungsgerichts Fälle gebe, in denen eine unzureichende Antwort einer gänzlichen Verweigerung gleich kommen könne, würde der VfGH in solchen Konstellationen doch unter Umständen sehr politische Bewertungen abgeben müssen. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass auch andere Anwendungsfälle (als jener des Verhältnisses zwischen Parlament und Bundesregierung) für ein „Organstreitverfahren“ denkbar seien und auch im Ausschuss 8 diesbezüglich ein Vorschlag erstattet worden sei.

Von manchen Ausschussmitgliedern wurde dem Vorschlag nach Einführung eines Organstreitverfahrens insofern Skepsis entgegen gebracht, als der VfGH, der ja nach geltender Rechtslage ein nachprüfendes Höchstgericht sei, in Zukunft immer mehr aktiv in laufende politische Prozesse verwickelt werden würde und es so zu einer quasi „Verrechtlichung“ des politischen Prozesses kommen würde, die sowohl für die Politik und die Sicherstellung der Entscheidungsfähigkeit der politischen Organe als auch für den VfGH selbst heikel wäre. Rein systematisch wäre die Einführung eines Organstreitverfahrens vor dem VfGH wohl als Ausweitung der Feststellungsbefugnis in Kompetenzkonflikten zu qualifizieren und daher legistisch in Art. 138 B-VG anzusiedeln. Es sei aber völlig unklar, welche Fragen von einem solchen Organstreitverfahren umfasst sein sollten: Sollten darunter nur Probleme im Zusammenhang mit dem „klassischen Parlamentarismus“ (Fragerecht, Rechte von Untersuchungsausschüssen etc.) oder auch politisch noch heiklere Probleme, wie etwa das Recht zur Vertretung Österreichs nach außen oder etwa auch gegenüber der EU (Bundesregierung oder Bundespräsident?) subsumiert werden?

Überwiegend besteht im Ausschuss die Meinung, dass die Einführung eines Organstreitverfahrens vor dem VfGH ein derart massiver Eingriff in das System der österreichischen Bundesverfassung wäre, dass man einen solchen nur nach einer breiten und vertieften Diskussion vornehmen sollte; in diesem Rahmen wird auch argumentiert, es müssten jedenfalls Gutachten sowie ausreichend Fallmaterial eingeholt werden. Es wird im Ausschuss auch die Meinung vertreten, dass zum derzeitigen Zeitpunkt, wo eine der wesentlichsten Vorfragen, nämlich Art und Ausmaß der parlamentarischen Kontrolle von ausgegliederten Unternehmungen, noch völlig unklar geregelt sei, eine seriöse Diskussion über die nähere inhaltliche Ausgestaltung eines „Organstreitverfahrens“ nicht möglich ist.

 

 

 

III. Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz

 

Der grundsätzlich erzielte Konsens über ein System der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (jedenfalls neun Verwaltungsgerichte der Länder und mindestens ein Verwaltungsgericht des Bunds) bildet wohl das „Herzstück“ des Beratungsergebnisses des Ausschusses 9. Verwiesen wird dabei einerseits auf die schon im Bericht vom 26. März 2004 enthaltenen Ergebnisse[34] als auch auf den umfassenden – mehrfach diskutierten und adaptierten – gemeinsamen Textvorschlag Grabenwarter/Jabloner, der im Besonderen Teil dieses Berichts abgedruckt ist.[35] Wenn dieser Textvorschlag im Folgenden näher dargestellt wird, soll schon aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht der – überaus detailreichen – Gliederung des ergänzenden Mandats, sondern vielmehr den einzelnen Artikeln des Textvorschlags selbst gefolgt werden.

 

          Zu Art. 89 des Entwurfs ist darauf hinzuweisen, dass in Zukunft allen „Gerichten“, also sowohl allen ordentlichen Gerichten als auch allen Verwaltungsgerichten (des Bundes und der Länder) erster Instanz und auch dem VwGH, die Befugnis eingeräumt werden soll, rechtswidrige generelle Rechtsvorschriften (Verordnungen, Gesetze, Staatsverträge und Wiederverlautbarungen) beim VfGH anzufechten. Damit solle rechtspolitisch jener Weg zu Ende geführt werden, der im Jahr 1929 (Einräumung dieser Befugnis an den OGH und den VwGH) begonnen und im Jahr 1975 (Ausweitung dieser Befugnisse auf die Gerichte zweiter Instanz) fortgesetzt worden sei. Die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter genereller Normen soll – wie schon bisher – den Gerichten nicht zustehen. Hingewiesen wird auch auf den gemeinsamen Textvorschlag Schnizer/Stoisits zur Einführung der Verfassungsbeschwerde und zur Erweiterung der Anfechtungslegitimation, der auch eine Neutextierung des Art. 89 B-VG enthält.

 

         Zu Art. 129 Abs. 1 des Entwurfs kann im Ausschuss Konsens erzielt werden, den Ausdruck „Gesetzmäßigkeit“ im Text des Entwurfs zu belassen, jedoch in den Erläuterungen ausdrücklich klarzustellen, dass das Wort „Gesetzmäßigkeit“ auch der Abgrenzung von der Sicherung der „Rechtmäßigkeit“ durch den VfGH diene und in dem durch die Judikatur des VfGH entwickelten, erweiterten Umfang zu interpretieren und zu verstehen sei.

         Zu Art. 129 Abs. 2 des Entwurfs wird die Forderung erhoben, die Worte „die Länder“ im zweiten Satz durch die Wortfolge „die Landesgesetzgeber“ zu ersetzen, um klarzustellen, dass auch der einfache Landesgesetzgeber (und nicht nur der Landesverfassungsgesetzgeber) berechtigt sei, besondere Verwaltungsgerichte einzurichten. Immerhin handle es sich um die Einrichtung weisungsfreier und unabhängiger besonderer Gerichtsbehörden, die sonst nur dem Verfassungsgesetzgeber vorbehalten sei. Insbesondere stelle sich das Problem bei schon bestehenden weisungsfreien Behörden, die aufgrund der jetzigen Textierung des Entwurfs neuerlich – auf Verfassungsebene – geschaffen werden müssten. Es wird diesbezüglich auch vor der Gefahr einer Blockade gewarnt und darauf hingewiesen, dass zu diesem Rechtsproblem in den meisten Landesverfassungen, etwa in der Wiener Landesverfassung, keine Sonderregelungen bestünden, sondern die Verfassungen dazu vielmehr schweigen würden.

                   Gegen diese Forderung werden jedoch mehrere Einwände erhoben: Einerseits wird unter Hinweis auf Art. 99 B-VG argumentiert, dass eine Regelung, wonach die Einrichtung neuer Verwaltungsgerichte der Länder zwingend durch einfaches Landesgesetz vorgesehen werden müsste, legistisch schwierig und vor allem ein massiver Eingriff in die Verfassungsautonomie der Länder wäre. Andererseits wird darauf hingewiesen, dass eine solche „Öffnung“ zugunsten des einfachen Landesgesetzgebers mit den diesbezüglich im Ausschuss 2 bereits angestellten Überlegungen in geradezu diametralem Gegensatz stünde. Schließlich sei die jetzige Formulierung „die Länder“ ohnedies so offen gewählt, dass es letztlich in der Verfassungsautonomie der Länder liege, ob man neue Verwaltungsgerichte mit einfachem Landesgesetz oder mit Landesverfassungsgesetz einrichten wolle; insofern könnte die jetzt im Text gefundene Formulierung beibehalten und eine Klarstellung in den Erläuterungen getroffen werden. Man fasst schließlich ins Auge, die Fortführbarkeit von bisherigen weisungsfreien Kollegialbehörden als zukünftige Verwaltungsgerichte der Länder im Übergangsrecht ausdrücklich – und zwar als Kompetenz des einfachen Landesgesetzgebers – zu regeln.

          Zum zweiten Halbsatz („..., soweit dies im Sinne der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit für notwendig erachtet wird.“) wird festgehalten, dass es sich dabei um eine subjektive Bedarfskompetenz der Länder handle, das heißt, dass dafür subjektive (und nicht etwa nur objektive) vom Landesgesetzgeber erblickte Kriterien ausreichend sein sollen.

 

          Zu Art. 130 Abs. 1 Z. 1 des Entwurfs (in Verbindung mit Abs. 2) wird kritisch vorgebracht, dass diese Bestimmung das bisherige wesentlich unsubstanziiertere Berufungsrecht gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden auf „Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit“ einschränke und daher schon auf der ersten Anfechtungsebene ähnlich strenge Maßstäbe anlege, wie sie bisher nur für die VwGH-Beschwerde gegolten hätten. Anfechtungen von Ermessensentscheidungen seien somit – außer beim Ermessensexzess außerhalb jeglichen gesetzlichen Rahmens – gar nicht mehr möglich. Zwar könne man an ein Landesverwaltungsgericht derart hohe Anforderungen stellen; in Wahrheit wäre mit einer solchen Regelung aber eine ganz wesentliche Einschränkung des Rechtsschutzes gegenüber der geltenden Rechtslage verbunden, was sehr kritisch zu hinterfragen sei.

          Zu Art. 130 Abs. 1 Z. 2 und 4 des Entwurfs wird die Forderung erhoben, den zweiten Satz der Z. 4 zu streichen, weil den Ländern keinesfalls ein Zustimmungsrecht in jenen Angelegenheiten eingeräumt werden könne, die sie im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung vollziehen. In der anschließenden Diskussion wird darauf hingewiesen, dass aufgrund des Art. 130 Abs. 1 des Entwurfs die neu einzurichtenden Verwaltungsgerichte lediglich an die Stelle der bisherigen Berufungsbehörden, insbesondere der Unabhängigen Verwaltungssenate, treten. Gegenüber der bisherigen Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate enthalte vor allem die Z. 1 eine wesentliche Erweiterung, weil nunmehr gegen alle Bescheide der Verwaltungsbehörden Beschwerde erhoben werden könne. Richtig sei aber, dass die Worte „wegen Rechtswidrigkeit“ in der Z. 2 des Abs. 1 missverständlich seien, sodass man sich letztlich – in Anlehnung an den jetzt geltenden Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG über die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern – auf folgende Textierungen der Z. 2 und 4 einigt:

          2. gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Verwaltungsbehörden wegen einer behaupteten Rechtsverletzung;

          . . .

          4. ansonsten, wenn die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze den Verwaltungsgerichten die Zuständigkeit übertragen, über Beschwerden anderer Art zu entscheiden; den Verwaltungsgerichten der Länder dürfen solche Angelegenheiten durch Bundesgesetz nur mit Zustimmung der Länder zugewiesen werden.“

          Zu diesem letzten Halbsatz wird ergänzend darauf hingewiesen, dass dann, wenn seitens der Länder eine solche Zustimmung nicht erteilt wird, die Regelung des Art. 131 Abs. 2 Z. 3 des Entwurfs greife, wonach in solchen Fällen eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts (der Verwaltungsgerichte) des Bundes begründet werde.

          Zu Art. 130 Abs. 2 des Entwurfs wird kritisiert, dass dieser Absatz entweder eine Selbstverständlichkeit oder aber den Versuch einer prohibitiven Kontrolle darstelle. Jedenfalls sei mit dieser Bestimmung die Gefahr einer ganz wesentlichen Einschränkung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes verbunden; Anfechtungen von Ermessensentscheidungen seien in Zukunft kaum mehr möglich. Dieser Kritik wird jedoch entgegen gehalten, dass man sich nun bereits in einer relativ späten Phase des Konvents- bzw. Diskussionsprozesses befinde und die Ermessensproblematik, mit der man in der Vergangenheit im Übrigen ganz gut „gelebt“ habe, in der Kürze der noch zur Verfügung stehenden Zeit nicht lösbar sei. Es wird davor gewarnt, hinter den derzeitigen, mühsam erarbeiteten Konsens wieder zurückzufallen. Der diesbezüglich sehr berechtigten Kritik wird aber insofern Rechnung getragen, als man den Umfang des behördlichen Ermessens gemäß Abs. 2 des Entwurfs dadurch einschränkt, dass man die Rechtswidrigkeit auf die Fälle des Abs. 1 Z. 1 (Bescheide von Verwaltungsbehörden) einschränkt. So kann im Ausschuss Konsens darüber erzielt werden, in Abs. 2 nach dem Wort „Rechtswidrigkeit“ die Wortfolge „im Sinn des Abs. 1 Z. 1“ einzufügen, wobei von mancher Seite hinzugefügt wird, dass dies aus legistischer Sicht gar nicht notwendig wäre, zumal in den 4 Ziffern des Abs. 1 nur mehr in Z. 1 von der „Rechtswidrigkeit“ ausdrücklich die Rede sei. Aus Gründen der Klarheit und Verständlichkeit einigt man sich aber dennoch auf den zitierten Einschub.

          Im Zusammenhang mit Art. 130 Abs. 1 und 2 des Entwurfs wird auch die Frage des vorläufigen Rechtsschutzes diskutiert: Von einer Seite wird die Forderung nach ausdrück­licher Verankerung des vorläufigen Rechtsschutzes erhoben und in diesem Zusammenhang die Meinung vertreten, die Wortfolge „... die einzelnen Gebiete der Verwaltung ...“ in Abs. 1 Z. 4 wegzulassen. Dem wird jedoch mehrheitlich entgegen gehalten, dass diese Wortfolge aufrecht belassen werden sollte, zumal selbst dann, wenn man einen vorläufigen Rechtsschutz verankern wollte, dies jeweils im Einzelfall gesetzlich vorgesehen werden müsste. Ansonsten sollte das Problem des vorläufigen Rechtsschutzes auf einfachgesetzlicher Ebene geregelt werden; in die Erläuterungen zum Textentwurf sollte der Hinweis aufgenommen werden, dass der vorläufige Rechtsschutz – als Annex zum jeweiligen Materiengesetz – in diesem jeweils mitzure­geln ist. Das Verfahrensrecht müsse dazu komplementäre Regelungen enthalten.

            Zu Art. 130 Abs. 3 des Entwurfs wird einerseits – im Sinne der Stellungnahme des Landes Wien – kritisiert, dass es der Abs. 3 des Entwurfs den Verwaltungsgerichten in Zukunft besonders leicht machen würde, statt reformatorisch bloß kassatorisch (und an die Verwaltungsbehörde zurückverweisend) tätig zu werden. Hier solle eine wesentlich stärkere Anlehnung an das jetzige Verhältnis zwischen § 66 Abs. 2 AVG und § 66 Abs. 4 AVG erfolgen und eine kassatorische bzw. zurückverweisende Entscheidung des Verwaltungsgerichts nur dann zulässig sein, wenn ein äußerst lückenhaftes Ermittlungsergebnis auf Verwaltungsebene vorliege. Den Verwaltungsgerichten solle die Zurückverweisung nur dann gestattet werden, wenn die gebotene Vervollständigung des Ermittlungsverfahrens nach den Grundsätzen der Raschheit, Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis vom Verwaltungsgericht – etwa im Zuge einer Verhandlung – nicht durchgeführt werden könne.

Darüber hinaus wird – im Sinne der Anmerkung Schnizers[36] – kritisiert, dass die jetzige Textierung des Abs. 3 nicht jenes Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Reformatorik und Kasstorik zum Ausdruck bringe, auf das man sich im Ausschuss, insbesondere in der 10. Sitzung vom 2. Juli 2004 (vgl. Protokoll, S. 11) geeinigt habe. Vor diesem Hintergrund sprechen sich manche Ausschussmitglieder für die Einfügung des Worts „grundsätzlich“ im ersten Satz des Abs. 3 aus, manche Ausschussmitglieder schließen sich der in eckiger Klammer stehenden Alternativvariante Grabenwarter an. Zu dieser Alternativvariante Grabenwarter wird jedoch auf die Entwicklungsgeschichte dieses Problems hingewiesen und festgehalten, dass der Streit über die (reformatorische oder kassatorische) Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte jahrelang der „springende Punkt“ in der politischen Auseinandersetzung insbesondere zwischen Bund und Ländern gewesen sei und man daher nunmehr ausdrücklich – und zwar auf Verfassungsebene – Stellung beziehe müsse. Einig ist man sich im Ausschuss darüber, dass es zu keiner Verlagerung der Arbeit von der Verwaltungsbehörde auf das zukünftige Verwaltungsgericht kommen dürfe; dies schon aufgrund der damit verbundenen Gefahr einer steigenden Kostenbelastung. Ausdrücklich zur Diskussion gestellt wird auch die im jetzigen Text festgelegte Differenzierung zwischen Administrativverfahren („grundsätzlich“ reforma­torisch) und Verwaltungsstrafverfahren („jedenfalls“ reformatorisch), wobei letztlich Konsens darüber besteht, diese Differenzierung aufrecht zu belassen.

            Letztlich kann im Ausschuss folgender Konsens erzielt werden:

a) Die jetzige Textierung des Abs. 3 bleibt mit der Maßgabe aufrecht, dass der letzte Satz wie folgt zu lauten hat: „In den Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen hat das Verwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden.“

b) Die schon im jetzigen Entwurf in eckiger Klammer stehende Alternativvariante Grabenwarter bleibt unverändert aufrecht.

c) Zu dieser ersten Alternativvariante wird – auch im Sinne der Anmerkungen Schnizers – noch eine weitere gemeinsame Alternativvariante Funk/Jabloner hinzugefügt, die wie folgt lautet:

„(3) In den Angelegenheiten des Abs. 1 Z. 1 hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, außer der Sacherhalt steht noch nicht fest und kann auch nicht im Interesse der Beschleunigung der Erledigung oder einer erheblichen Kosteneinsparung – insbesondere im Rahmen einer mündlichen Verhandlung – festgestellt werden. In den Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen hat das Verwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden.“

Insgesamt präferiert der Ausschuss eine der beiden Alternativvarianten, weil sie deutlicher als die Stammvariante das Regel-Ausnahme-Verhältnis zum Ausdruck bringen.

 

            Zu Art. 131 des Entwurfs wird – im Sinne der Anmerkungen Schnizers[37] – in dreierlei Hinsicht Kritik geübt: Erstens solle im Abs. 1 aus Gründen der Übersichtlichkeit und leichteren Verständlichkeit die Hauptzuständigkeit der zukünftigen Verwaltungsgerichte der Länder, nämlich die Ent­scheidung über Bescheide, aus der Bestimmung der Z. 3 herausgelöst und als neue Z. 1 an den Beginn der Aufzählung der Zuständigkeiten gestellt werden.

Zweitens solle die Textierung der Z. 3 in Abs. 2 des Entwurfs geändert werden. Dazu wird ausgeführt, dass es für den rechtssuchenden Bürger nicht ersichtlich (und letztlich auch nicht von Bedeutung) sei, ob die Länder einer Übertragung zugestimmt hätten oder nicht, sodass diese Wortfolge im Verfassungstext nicht vorkommen solle.

Drittens wird die Forderung erhoben, den Abs. 3 zur Gänze entfallen zu lassen, zumal es im Sinne einer Parität nicht vorstellbar sei, dass die Länder einseitig die Möglichkeit haben, in (unmittelbarer) Bundesverwaltung vollzogene Angelegenheiten des Bundes vor ihre Gerichte abzuziehen.

            Nach ausführlicher Diskussion kann im Ausschuss Einigung darüber erzielt werden, einerseits die Reihenfolge der bisherigen Abs. 1 und 2 quasi umzudrehen, sodass im neuen Abs. 1 die Kompetenzen des Verwaltungsgerichts (der Verwaltungsgerichte) des Bundes und im neuen Abs. 2 die Kompetenzen der Verwaltungsgerichte der Länder geregelt werden; andererseits kommt man überein, den bisherigen Abs. 3 ersatzlos zu streichen.

            Letztlich kann im Ausschuss der nachstehende Textvorschlag konsentiert werden:

            Artikel 131. (1) Die Verwaltungsgerichte des Bundes erkennen:

1. über Beschwerden in Angelegenheiten der Bundesverwaltung, die von Bundesbehörden vollzogen werden und nicht durch Bundesgesetz mit Zustimmung der Länder den Verwaltungsgerichten der Länder zugewiesen werden; in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen jedoch nur, soweit es sich um Finanzstrafsachen des Bundes handelt;[38]

2. über Beschwerden gegen einvernehmliche Bescheide der zuständigen Landesbehörden und Bescheide eines Bundesministers nach Art. 15 Abs. 7;

3. über Beschwerden in Angelegenheiten des Art. 130 Abs. 1 Z. 4, sofern die Länder der Zuweisung der Angelegenheit durch Bundesgesetz nicht zustimmen.

(2) In allen übrigen Angelegenheiten erkennen die Verwaltungsgerichte der Länder.“

            Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch darauf, dass eine streng organisatorische Anknüpfung bei der Zuständigkeitsverteilung – insbesondere in den Fällen der Beleihung von Körperschaften – zu Missverständnissen führen könne; darauf solle in den Erläuterungen ausdrücklich hingewiesen werden. Einig ist man schließlich auch darüber, dass die im gegenständlichen Art. 131 des Entwurfs vorgenommene Kompetenzverteilung zwischen den Verwaltungsgerichten des Bundes einerseits und jenen der Länder andererseits sehr eng mit der – noch nicht abschließend entschiedenen – Frage des zukünftigen Schicksals der mittelbaren Bundesverwaltung (Art. 102 B-VG) zusammenhänge.

 

            Zu Art. 132 Abs. 1 des Entwurfs kommt man letztlich überein, die Wortfolge „nach Erschöpfung des Instanzenzugs“ in Z. 1 aufrecht zu belassen, um damit bestimmte Fälle bzw. Konstellationen, in denen es auch in Zukunft einen Instanzenzug innerhalb der Verwaltung geben solle (etwa im Bereich der Gemeindeselbstverwaltung), verfassungsrechtlich abdecken zu können. Gedacht ist insbesondere auch an eine „Berufungsvorentscheidung“.

            In Art. 132 Abs. 2 des Entwurfs soll die Wortfolge „wegen Rechtswidrigkeit“ ersatzlos entfallen.

 

            Zu Art. 133 Abs. 1 des Entwurfs wird von einer Seite vorgebracht, dass das Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts erster Instanz nicht als „Revision“, sondern als „Berufung“ bezeichnet werden solle, weil dieser Ausdruck auch für Nichtjuristen verständlich sei. „Revision“ heiße das Rechtsmittel vor dem OGH nur deshalb, weil es sich bereits um die Revision gegen eine Berufungsentscheidung handle. Dies sei aber bei den zukünftigen Verwaltungsgerichten nicht der Fall, weil diese erstinstanzlich entscheiden würden. Dem wird jedoch entgegen gehalten, dass dann, wenn man die in erster Instanz entscheidende Verwaltungsbehörde in den Instanzenzug einbeziehe, das Verwaltungsgericht erster Instanz eigentlich in zweiter Instanz entscheide und der VwGH in dritter Instanz tätig werde, deshalb die Bezeichnung als „Revision“ sehr wohl seine Richtigkeit habe. Letztlich  wird die Forderung nach Umbenennung des Rechtsmittels nicht weiter vertreten.

            Zu Art. 133 Abs. 3 des Entwurfs wird die Forderung erhoben, den ersten Satz zu streichen: Einerseits handle es sich dabei um eine verfahrensrechtliche Regelung, die keinen Platz in der Verfassung habe; andererseits sei eine solche Regelung auch in inhaltlicher Hinsicht abzulehnen, weil sie nicht rechtsschutzfreundlich sei und in Wahrheit nur Rechtsanwälte davon abschrecken solle, Zulässigkeitsentscheidungen zu bekämpfen. Es solle den Beschwerdeführern selbst überlassen bleiben zu entscheiden, ob sie die Zulässig­keitsentscheidung allein oder gemeinsam mit der Ausführung der Revision bekämpfen wollen. Die jetzige Textierung würde die Beschwerdeführer quasi „in die Revision zwingen“.

            Dem wird jedoch von mehreren Ausschussmitgliedern entgegen gehalten, dass dieser Vorschlag und die damit verbundene strikte Trennung zwischen der Bekämpfung des Zulässigkeitsausspruchs (durch Beschwerde) einerseits und der Bekämpfung der inhaltlichen Entscheidung (durch Revision) andererseits einen erheblichen Mehraufwand – sowohl für den Beschwerdeführer als auch für den VwGH – sowie eine zusätzliche Kostenbelastung des Beschwerdeführers und eine weitere Verfahrensverzögerung mit sich brächte. Es wird mehrheitlich die Meinung vertreten, dass der Verzögerungsnachteil schwerer wiege als der allfällige Rechtsschutzvorteil. Eine gewisse Zustimmung erhält der Vorschlag jedoch insofern, als es durchaus fraglich sei, ob eine derartige – doch eher verfahrens­rechtliche – Frage tatsächlich in der Verfassung geregelt werden müsse. Dem wird jedoch andererseits entgegen gehalten, dass das derzeitige Ablehnungsrecht des VwGH ebenfalls verfassungsrechtlich (in Art. 131 Abs. 3 B-VG) verankert sei, sodass man auch in Zukunft dazu auf Verfassungsebene ausdrücklich Stellung beziehen müsse. Die zwingende Verknüpfung der Beschwerde gegen den Zulässigkeitsausspruch und der Revision gegen die Sachentscheidung habe auch den Vorteil, dass den zuständigen Richtern des VwGH die inhaltlichen Ausführungen in der Revision – als Verbreiterung der sachlichen Grundlagen für die Entscheidung über den Zulässigkeitsausspruch – unter einem zur Kenntnis gelangen.

            Nach intensiver Diskussion kann in dieser Frage letztlich Konsens darüber erzielt werden, von der verfassungsrechtlichen Verankerung des Zulassungsmodells abzusehen, sodass der im überarbeiteten Textvorschlag Grabenwarter/Jabloner in eckiger Klammer stehende erste Satz des Abs. 3 gestrichen werden kann. Gleichzeitig ist jedoch – durch entsprechend breite und ausführliche Erläuterungen – sicherzustellen, dass dem einfachen Verfahrensgesetzgeber die Möglichkeit zur Erlassung einer Gleichzeitigkeitsregelung (bezüglich der Erhebung der Beschwerde gegen den Zulässigkeitsausspruch einerseits und der Revision gegen die Sachentscheidung andererseits) eingeräumt wird. Diese Gleichzeitigkeitsregelung bedeutet nämlich einerseits einen geringeren Aufwand (und damit auch eine geringere Kostenbelastung) sowohl für den Beschwerdeführer als auch für die Behörde, zumal man sich dadurch einen Zwischenschritt erspart, der ansonsten – bei selbständiger und alleiniger Beschwerdeerhebung gegen den Zulässigkeitsausspruch – entstünde. Dazu kommt andererseits, dass die Gleichzeitigkeitsregelung von der überwiegenden Mehrheit im Ausschuss auch als die rechtsschutzfreundlichere Variante angesehen wird: In Wahrheit lassen sich nämlich die Ausführungen der Beschwerde über den Zulässigkeitsausspruch und der Revision gegen die Sachentscheidung nicht trennen, sondern bilden vielmehr eine Einheit; es ist sowohl für den VwGH als letztinstanzliches Gericht zweckmäßig als auch für den Rechtsschutzwerber günstig, wenn dem erkennenden Gericht bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Revision die Gründe und inhaltlichen Ausführungen bekannt sind; dadurch kann man – in der Praxis fast immer zu Gunsten des Rechtsschutzwerbers – die Erfolgsaussichten der Revision besser beurteilen. Festgehalten wird auch, dass sich dieses System in der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestens bewährt hat.

            Zu Art. 133 Abs. 3 und 4 des Entwurfs kann im Ausschuss Konsens darüber erzielt werden, den „geschrumpften“ Abs. 3 mit dem jetzigen Abs. 4 zu tauschen, zumal sich in der jetzigen Fassung der Abs. 3 auf den Abs. 4 beziehe („Unter den Bedingungen des Abs. 4 ...“), was legistisch nicht sauber sei. Im Ausschuss besteht somit Einigkeit über folgende Neuformulierung der Abs. 3 und 4 des Art. 133:

„(3) Die Revision ist zuzulassen, wenn

  1. die angefochtene Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird, oder  wenn
  2. im Fall einer Verwaltungsstrafsache die Begehung der Verwaltungsübertretung nicht nur mit einer geringen Geldstrafe bedroht ist.

(4) Unter den Voraussetzungen des Abs. 3 Z. 1 oder 2 kann die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde auch dann Revision einlegen, wenn sie nicht Partei ist.“

            Zu Art. 133 Abs. 5 des Entwurfs wird über die Frage der Vereinbarkeit von Zulassungs- unter Ablehnungsmodell diskutiert. Letztlich kann im Ausschuss Konsens erzielt werden, dass – wie schon im Ausschussbericht vom 26. März 2004 festgehalten[39] – die nachprüfende Kontrolle des Zulässigkeitsausspruchs durch den VwGH gewährleistet sein müsse, dass also der VwGH nicht an den Zulässigkeitsausspruch der Verwaltungsgerichte erster Instanz gebunden sein solle, zumal diese – aus haftungsrechtlichen, aber auch aus rechtssoziologischen Gründen – die Neigung entwickeln könnten, Revisionen im Zweifel eher zuzulassen, auch wenn es dazu bereits eine gesicherte höchstgerichtliche Judikatur gebe. In diesem Zusammenhang wird noch einmal auf die auch in den Erläuterungen zum gemeinsamen Textvorschlag Grabenwarter/Jabloner enthaltene korrespondierende Bestimmung des § 508a ZPO hingewiesen, wonach auch in der ordentlichen Gerichtsbarkeit das Revisionsgericht (OGH) bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs. 2 Z. 3 ZPO nicht gebunden sei.[40]

 

            In Art. 134 Abs. 3 des Entwurfs wird im letzten Satz das Wort „womöglich“ ersatzlos gestrichen.

            Zu Art. 134 Abs. 3 und 4 des Entwurfs wird von mehreren Seiten kritisiert, dass die Ernennung von Richtern der zukünftigen Verwaltungsgerichte erster Instanz, soweit es sich nicht um die Stellen der Präsidenten oder Vizepräsidenten handelt, aufgrund von Dreiervorschlägen des Verwaltungsgerichts erfolgen solle. Dieser Vorschlag weiche ohne ersichtliche sachliche Rechtfertigung von der Formulierung des Art. 86 B-VG für die ordentliche Gerichte ab. Er entspreche in keiner Weise dem im Ausschuss wiederholt vorgebrachten Standpunkt der Länder, wonach es eine wesentliche Bedingung sei, dass Dreiervorschläge zwar einzuholen seien, die Landesregierung daran aber nicht gebunden sein solle, sondern von diesen – wenn auch unter Begründungspflicht – sozusagen als „ultima ratio“ abweichen können solle. Dieser Vorschlag findet im Ausschuss mehrheitlich Zustimmung, sodass die jeweils zweiten Sätze in den Abs. 3 und 4 des Art. 134 wie folgt zu lauten hätten:

„Die Bundes­regierung [Die Landesregierung] hat, soweit es sich nicht um die Stelle des Präsidenten oder Vizepräsidenten handelt, Dreiervorschläge [Besetzungsvorschläge] des jeweiligen Verwaltungsgerichts des Bundes [des Landes] einzuholen.“

Hinsichtlich der Frage, ob man den Begriff „Dreiervorschläge“ oder den Begriff „Besetzungsvorschläge“ verwenden solle, einigt man sich im Ausschuss letztlich auf den Begriff „Dreiervorschläge“, zumal dieser präziser sei und man bei Verwendung des in      Art. 86 Abs. 1 B-VG enthaltenen Begriffs „Besetzungsvorschläge“ gezwungen wäre, auch den Regelungsinhalt des jetzigen Art. 86 Abs. 2 B-VG in die Abs. 3 und 4 des zukünftigen Art. 134 B-VG zu integrieren.

            Auch die Diskussion, ob ein bestimmter Teil der Mitglieder der zukünftigen Verwaltungsgerichte der Länder „aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit entnommen werden“ oder aber „die Befähigung zum Richteramt haben“ solle, verläuft zunächst kontroversiell; der Unterschied besteht auch darin, dass etwa Beamte des Bundesministeriums für Justiz allesamt geprüfte Richter sind, d.h. die Befähigung zum Richteramt haben, jedoch nicht aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit stammen. Letztlich einigt man sich im Ausschuss auf die offenere Formulierung „Befähigung zum Richteramt“. Im Gegenzug einigt man sich darauf, dass nicht nur der fünfte, sondern der vierte Teil der Mitglieder diese Befähigung zum Richteramt haben sollte. Anderes sollte nur bei der Erstbestellung der zukünftigen Verwaltungsrichter erster Instanz gelten: Hier sollte die Regelung – durch entsprechende Bestimmungen im Übergangsrecht – im Sinne der jetzt bei den Unabhängigen Verwaltungssenaten tätigen Richter durchbrochen werden, um zu verhindern, dass diese großräumig von Richtern aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit ersetzt werden. In diesem Zusammenhang wird – wie schon im Ausschussbericht vom 26. März 2004[41] – noch einmal darauf hingewiesen, dass im Falle einer allfälligen Nicht-Übernahme eines UVS-Richters zu einem zukünftigen Verwaltungsrichter erster Instanz dieser Anspruch auf einen Bescheid habe, den er beim VwGH bekämpfen könne. Für den Fall der endgültigen Nicht-Übernahme solle der bisherige UVS-Richter ein Rückkehrrecht in den Landes- bzw. Bundesdienst haben. Der Vorsitzende gibt freilich zu bedenken, dass diese Position u. U. eine mit Unabhängigkeit ausgestattete sein müsste (Problem für das Übergangsrecht).[42]

Zu Art. 134 Abs. 5 des Entwurfs wird der Umfang und die Reichweite der Unvereinbarkeitsbestimmungen hinsichtlich der Mitglieder der zukünftigen Verwaltungsgerichte als zu weitgehend kritisiert, sodass man sich im Ausschuss letztlich auf folgende Textierung einigt:

„(5) Dem Verwaltungsgerichtshof können Mitglieder der Bundesregierung, einer Landes­regierung oder eines allgemeinen Vertretungskörpers nicht angehören; den Verwaltungs­gerichten können Mitglieder der Bundesregierung, einer Landesregierung, des Nationalrats, des Bundesrats oder eines Landtags nicht angehören;[43] für Mitglieder solcher allgemeiner Vertretungskörper, die auf eine bestimmte Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode gewählt wurden, dauert die Unvereinbarkeit auch bei vorzeitigem Verzicht auf das Mandat bis zum Ablauf der Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode fort.“

 

            Zu Art. 135 Abs. 1 des Entwurfs wird die Forderung erhoben, die Entscheidung darüber, ob die Verwaltungsgerichte erster Instanz in Senaten oder durch Einzelmitglieder erkennen, nicht dem Organisationsgesetzgeber, sonder vielmehr dem Materiengesetzgeber einzuräumen, der in Kenntnis der Materien diese Entscheidungen besser treffen könne. Dem wird jedoch entgegen gehalten, dass dies zu österreichweit unterschiedlichen Regelungen führen würde, was aus Gründen der Übersichtlichkeit und des einheitlichen Rechtschutzes problematisch wäre. Es wird daher auch die Forderung erhoben, es grundsätzlich dem Verfahrensgesetzgeber (Bundesgesetzgeber) zu überlassen, ob er eine Einzelrichter- oder Senatszuständigkeit vorsieht. Dem wird jedoch wiederum entgegen gehalten, dass unterschiedliche Länderregelungen schon deshalb notwendig seien, weil auch die Voraussetzungen in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich seien. Darüber hinaus gebe es zahlreiche Sonderverwaltungsgerichte (vgl. für die Bundeshauptstadt Wien die      Art. 108 ff B-VG) und unzählige Art. 133 Z. 4 B-VG-Behörden, für die eine Senatszuständigkeit vorzusehen wäre.

            Letztlich kann – nach äußerst ausführlicher und kontroversieller Diskussion – im Ausschuss Konsens darüber erzielt werden, die Regelungsbefugnis über Einzelrichter- oder Senatszuständigkeit dem Verfahrensgesetzgeber zu überlassen, jedoch eine Subsidiaritätsklausel zu Gunsten des jeweils zuständigen Organisationsgesetzgebers – ohne das Kriterium der „Erforderlichkeit“ – vorzusehen. Vor dem Hintergrund dieser und weiterer Überlegungen im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Verankerung der Laienbeteiligung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit[44] sollte Abs. 1 wie folgt lauten:

            (1) Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in Senaten. Die Verwaltungsgerichte erkennen grundsätzlich durch Einzelmitglieder; das auf Grundlage des Art. 136 Abs. 3 ergangene Bundesgesetz kann die Entscheidung in Senaten normieren, soweit nicht das auf Grundlage des Art. 136 Abs. 1 oder Abs. 2 ergangene Gesetz Abweichendes vorsieht. Die Senate sind von der Vollversammlung aus den Mitgliedern des Gerichts zu bilden. Der zur Regelung der einzelnen Gebiete der Verwaltung zuständige Gesetzgeber kann die Mitwirkung von Personen in Senaten der Verwaltungsgerichte vorsehen, die nicht die Anforderungen des   Art. 134 Abs. 3, 4 und 5 erfüllen.“ [45]

            Zu Art. 135 Abs. 2 des Entwurfs wird schließlich noch vorgeschlagen, dass in einer allfälligen Geschäftsverteilungs-Kammer jedenfalls auch der Präsident vertreten sein solle, dem ja die Wahrnehmung der Leitungsgeschäfte für das Verwaltungsgericht zukomme und der daher die beste Übersicht über die Organisation und die Belastung habe; es solle daher noch ein Nebensatz in den Abs. 2 eingefügt werden, der insgesamt wie folgt zu lauten hätte:

            „(2) Die Geschäfte des Verwaltungsgerichtshofs sind durch die Vollver­sammlung, jene der Verwaltungsgerichte nach Maßgabe gesetzlicher Regelung auch durch ein anderes von deren Vollversammlung gewähltes Organ, dem jedenfalls der Präsident anzugehören hat, auf die einzelnen Senate oder auf die einzelnen Mitglieder für die durch Gesetz bestimmte Zeit im voraus zu verteilen.“

 

            Den Art. 136 bis (inkl.) 140 des Entwurfs wird vom Ausschuss ohne Änderungswünsche zugestimmt.

 

            Zu Art. 138 Abs. 1 lit. b) des Entwurfs, insbesondere zur Verwendung des Singulars („b) zwischen einem Verwaltungsgericht ...“) wird hervorgehoben, dass nunmehr hin­reichend klargestellt sei, dass für Kompetenzkonflikte zwischen mehreren Verwaltungs­gerichten untereinander nicht der VfGH gemäß Art. 138 Abs. 1 lit. b) des Entwurfs, sondern vielmehr der VwGH gemäß Art. 133 Abs. 1 Z. 3 des Entwurfs zuständig sei.

 

 

 

IV. Sondersenate – Eingliederung möglichst vieler Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag und sonstiger weisungsfreier Verwaltungs-behörden und -organe in die Verwaltungsgerichte erster Instanz

Auf der Grundlage der aufgrund des „Aufforderungsschreibens“ der fachlichen Ausschussbetreuung vom 19. April 2004 adaptierten Liste[46] – die von den jeweils zuständigen Gebietskörperschaften (also den Ämtern der Landesregierungen einerseits und den zuständigen Bundesministerien andererseits) erstatteten Stellungnahmen finden sich in der jeweils ganz rechten Spalte – wurde in der Ausschusssitzung vom 11. Oktober 2004 zunächst der Versuch unternommen, diese Liste punktuell durchzuarbeiten; angesichts der Knappheit der zur Verfügung stehenden Zeit einigte man sich jedoch schließlich darauf, dass die Überleitung bzw. Integration bestehender Art. 133 Z. 4 B-VG-Behörden und sonstiger weisungsfreier Verwaltungsbehörden in die zukünftigen Verwaltungsgerichte 1. Instanz letztlich Sache des einfachen Gesetzgebers sei. Es besteht Konsens darüber, dass die derzeitigen weisungsfreien Behörden im Prinzip vollständig in die zukünftigen Verwaltungsgerichte 1. Instanz eingegliedert werden und nur ausnahmsweise selbständig bestehen bleiben sollen. Solche Ausnahmen muss es jedenfalls für die Finanzgerichtsbarkeit (der jetzt bestehende Unabhängige Finanzsenat besteht erst seit gut 1½ Jahren) und kann es für das Vergaberecht (Bundesvergabeamt) geben; in beiden Bereichen sollte die Gerichtsqualität jedoch auch in Zukunft garantiert sein. Bei anderen weisungsfreien Behörden, wie etwa der Datenschutzkommission oder dem Obersten Patent- und Markensenat, ist eine Eingliederung in die zukünftigen Verwaltungsgerichte noch fraglich.

            Konsens konnte weiters darüber erzielt werden, dass eine vollständige Kontrolle aller bestehenden (und auch zukünftig bestehend bleibenden) weisungsfreien Behörden durch den VwGH gegeben sein sollte und dass an den zukünftigen Verwaltungsgerichten 1. Instanz auch Laienrichter beteiligt sein sollten; diesbezüglich wird jedoch eingewendet, dass sich dieser Gedanke im derzeit aktuellen gemeinsamen Textvorschlag Grabenwarter/Jabloner nicht wieder finde. Es kann jedoch Konsens erzielt werden, die Laienbeteiligung ausdrücklich verfassungsrechtlich zu verankern.[47]  Eine gewisse Zustimmung gab es im Ausschuss weiters zum Vorschlag, dass man unter der Voraussetzung der verfassungsrechtlich verankerten Laienbeteiligung auch die bestehenden Disziplinargerichte und die Berufungsgerichte im Beamtendienstrecht in die zukünftigen Verwaltungsgerichte eingliedern könne;[48] lediglich die Schiedsbehörden, insbesondere jene nach dem Krankenanstaltenrecht, sollten weiterhin selbständig bestehen bleiben.

            Von einer Seite wurde darauf hingewiesen, dass es etwa in Wien neben den Art. 133 Z. 4 B-VG-Behörden auch andere weisungsfreie oberste Kollegialbehörden gebe, die zwar keine Richter in ihren Reihen hätten, in denen jedoch Mitglieder des Wiener Gemeinderats vertreten seien. Diese Mitglieder des Wiener Gemeinderats, die ja auch Mitglieder des Wiener Landtags seien, könnten jedoch entsprechend den zuletzt im Ausschuss erarbeiteten Bestimmungen über die Verwaltungsgerichte 1. Instanz (vgl. Art. 134 Abs. 5 des Entwurfs Grabenwarter/Jabloner) nicht Richter eines Verwaltungsgerichts 1. Instanz sein. Diese Problematik könne sich etwa bei der Wiener Abgabenberufungskommission oder beim Wiener Berufungssenat stellen, die tatsächlich Mitglieder hätten, die auch dem Wiener Gemeinderat angehörten. Daher sei aus Sicht Wiens weiterhin der zusätzlichen Möglichkeit zur Einrichtung von „besonderen Verwaltungsgerichten“ der Vorzug gegenüber lediglich der Schaffung von bloßen „Sondersenaten“ mit fachkundigen Laienbeisitzern in den Landesverwaltungsgerichten einzuräumen.

 

 

 

V. Rechtsschutz – verfassungsrechtliche Verankerung der Staatshaftung

Über die Frage der allfälligen verfassungsrechtlichen Verankerung der Staatshaftung wurde   – auf der Grundlage von Textvorschlägen von Abg. z. NR Maga. Stoisits[49] und Dr. Schnizer[50] sowie zweier Stellungnahmen von Hon.-Prof. Dr. Heller[51] – in den Sitzungen vom 6. Mai sowie 11. und 27. Oktober 2004 beraten. Im Zuge der Diskussion wurden verschiedenste Fragen aufgeworfen: So sei etwa unklar, was unter dem „Schaden“ im Sinn des Abs. 1 des vorliegenden Textvorschlags zu verstehen sei; in diesem Zusammenhang wird auch auf die Diskussion über die nicht fristgerechte Umsetzung des so genannten „Ortstafel-Erkenntnisses“ und darauf hingewiesen, dass sich in diesem Fall etwa die Frage stellen könnte, ob ein unmittelbarer „Schaden wem immer“ zugefügt worden sei. Weiters wird von manchen der Hinweis auf Art. 234 EGV als problematisch bezeichnet. Von einigen wird die Frage der Justiziabilität von Staatszielen, wie sie in Abs. 5 des Entwurfs vorgesehen ist, gestellt.

            Insoweit in Abs. 2 des Entwurfs vorgesehen sei, dass zur Entscheidung über Staatshaftungsansprüche aufgrund fehlerhafter höchstgerichtlicher Erkenntnisse jedenfalls der VfGH zuständig sei, wird von mehreren Seiten eingewendet, dass diese Frage nicht losgelöst von der Problematik „Gesetzesbeschwerde – Verfassungsbeschwerde“ diskutiert werden könne: Sollte es tatsächlich zur Einrichtung einer Verfassungsbeschwerde kommen, würde sich das Problem der Zuständigkeit für staatshaftungsrechtliche Ansprüche aufgrund (behaupteten) judikativen Unrechts noch viel schärfer als jetzt stellen. Es wird darauf hingewiesen, dass der VfGH, sollte die Verfassungsbeschwerde eingeführt werden, in Zukunft in vielen Fällen „Richter in eigener Sache“ wäre: Der VfGH hat nämlich etwa die Unterlassung der Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens durch die ordentlichen Gerichte oder den VwGH schon bisher als Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechts auf den „gesetzlichen Richter“ nach Art. 83 Abs. 2 B-VG beurteilt, weil zur Auslegung unklarer gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen letztlich der EuGH zuständig sei. Der VfGH hätte also zu prüfen, ob eine Frage des Gemeinschaftsrechts vorliege, die einer Klärung durch den EuGH bedürfe. Damit wäre der VfGH aber bei Einführung der Verfassungsbeschwerde in den von ihm beanspruchten „Staatshaftungsklagen“ aufgrund höchstgerichtlicher Entscheidungen im Anschluss an ein Verfahren, in dem eine Urteilsbeschwerde erhoben wurde, gezwungen zu beurteilen, ob er nicht bereits im Vorverfahren zu Unrecht das Erfordernis der Einholung eines Vorabentscheidungsverfahrens verneint habe; genau damit würde aber das Problem des „Richters in eigener Sache“ schlagend werden. Andererseits wäre aber auch nach Einführung der Verfassungsbeschwerde nicht anzunehmen, dass der VfGH allein vorlagepflichtig nach        Art. 234 EGV werden würde. Damit hätte es der VfGH aber in Zukunft u. U. bei vielen Verfassungsbeschwerden mit einer bereits im Vorlageweg durch den EuGH geklärten Rechtssituation zu tun, an der auch die Grundrechtsprüfung wenig ändern könnte.

            Letztlich besteht in der Frage der Zuständigkeit zur Entscheidung über Staatshaftungsansprüche aufgrund fehlerhafter höchstgerichtlicher Erkenntnisse (VfGH oder ein gemeinsamer Senat, bestehend aus Mitgliedern aller 3 Höchstgerichte) weiterhin Dissens. Konsens kann nur insoweit erzielt werden, als für gemeinschaftsrechtliche Ansprüche aufgrund legislativen Unrechts auch in Zukunft der VfGH zuständig sein sollte und als man bei der Positivierung der Staatshaftung insgesamt mit größter Vorsicht und Zurückhaltung vorgehen sollte, zumal es sich um eine auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene eminent dynamische Rechtsmaterie handelt. Wenn hier überhaupt etwas verfassungsrechtlich geregelt werden sollte, dann lediglich Kompetenz- und Verfahrensfragen, nicht jedoch materielles Staatshaftungsrecht. Der vorgelegte Textvorschlag wird jedenfalls von der Mehrheit des Ausschusses abgelehnt.

         An diesem Dissens konnte auch die aufgrund des adaptierten Formulierungsvorschlags von Dr. Schnizer abschließend geführte Diskussion am 27. Oktober 2004 nichts ändern: dem Vorschlag wurde zum Teil zugestimmt und dabei insbesondere auch ins Treffen geführt, dass die Zielsetzung, sowohl die rechtswidrige Untätigkeit des Gesetzgebers bei der Erfüllung verfassungsrechtlicher (innerstaatlicher) Pflichten als auch bei der Erfüllung gemeinschaftsrechtlicher Pflichten gleichermaßen zu sanktionieren, richtig sei; eine diesbezügliche Differenzierung wäre unter gleichheitsrechtlichen Aspekten problematisch.

         Andererseits wurde am Formulierungsvorschlag von verschiedener Seite auch Kritik geübt: die verfassungspolitische Notwendigkeit einer ausdrücklichen Regelung der Staatshaftung in den Fällen des legislativen Unrechts sei nicht gegeben, zumal es in diesem Bereich bereits eine gefestigte VfGH-Judikatur gebe, wonach dieser nach Art. 137 B-VG zuständig sei. Hinsichtlich der Fälle des judikativen Unrechts wurde abermals darauf hingewiesen, dass eine ausschließliche Zuständigkeit des VfGH in einzelnen Fällen – insbesondere im Zusammenhang mit der ebenfalls diskutierten Einführung der Verfassungsbeschwerde – zum Problem des „Richters in eigener Sache“ führen würde. Dem versuche der vorliegende Formulierungsvorschlag in Abs. 4 zwar dadurch zu begegnen, dass zur Entscheidung über die Haftung aus einem Erkenntnis des VfGH der OGH zuständig sein solle, doch sei gegenüber einer solchen Konstruktion der Einrichtung eines gemeinsamen Senats der Vorzug zu geben; jedoch fand auch ein neuerlicher Vorschlag in Richtung eines gemeinsamen Senats der drei Höchstgerichte unter dem Vorsitz des Präsidenten des VfGH, der in Staatshaftungsfragen aus höchstgerichtlichem Unrecht entscheiden sollte,[52] keine Zustimmung.

         Zusammenfassend bleibt daher festzuhalten, dass der Vorschlag von Dr. Schnizer von manchen Mitgliedern des Ausschusses befürwortet, von anderen Mitgliedern jedoch auch als zu vage bezeichnet und eine Regelung derzeit überhaupt als untunlich abgelehnt wurde. Eine abschließende Meinungsbildung sei – so die im Ausschuss vorherrschende Meinung – so lange nicht möglich, als die Ergebnisse des Ausschusses 1 (über die Staatszielbestimmungen) und des Ausschusses 4 (über die Grundrechte) nicht im Detail feststünden. Letztlich müsse sich jedes neue Rechtsschutzverfahren auch die Frage nach seiner tatsächlichen Inanspruchnahme und nach den dadurch verursachten Kosten gefallen lassen.

 

 

 

VI. Bericht der Expertengruppe des Präsidiums „Handlungsformen und Rechtsschutz in der öffentlichen Verwaltung“

Über den Bericht der vom Präsidium eingesetzten Expertengruppe „Handlungsformen und Rechtsschutz in der öffentlichen Verwaltung“ vom 10. Oktober 2004 – er langte erst im Laufe des 11. Oktober 2004 im Büro des Österreich-Konvents ein und konnte daher an diesem Tag im Ausschuss nicht mehr diskutiert werden – fand in der Ausschusssitzung vom 27. Oktober 2004 eine abschließende Diskussion statt.

            Dabei wurde auf den von der Expertengruppe des Präsidiums erstatteten Bericht zu den „Handlungsformen und zum Rechtsschutz in der öffentlichen Verwaltung“ vom 10. Oktober 2004 und auf die drei vom Vorsitzenden der Expertengruppe, Univ.-Prof. Dr. Holoubek, von Univ.-Prof. Dr. Merli und von Univ.-Prof. Dr. Thienel ausgearbeiteten Textvorschläge verwiesen, wobei nach Ansicht vieler Ausschussmitglieder am ehesten der Vorschlag von Univ.-Prof. Dr. Thienel mit dem gemeinsamen Textvorschlag Grabenwarter/Jabloner zur verfassungsrechtlichen Verankerung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz in Einklang gebracht werden könnte. Schließlich ist in Art. 130 Abs. 1 Z. 4 dieses gemeinsamen Textvorschlags vorgesehen, dass die Verwaltungsgerichte erster Instanz auch „ansonsten“ über Beschwerden entscheiden, wenn die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze den Verwaltungsgerichten die Zuständigkeit übertragen, über Beschwerden anderer Art zu entscheiden; den Verwaltungsgerichten der Länder dürfen – nach diesem Textvorschlag – solche Angelegenheiten durch Bundesgesetz nur mit Zustimmung der Länder zugewiesen werden.

            Im Ausschuss wurde einerseits für die Figur des verwaltungsrechtlichen Vertrags Partei ergriffen: dieser solle nicht anstelle, sondern zusätzlich zu den schon bestehenden Instrumenten des Verwaltungshandelns eingeführt werden und so den verwaltungsrechtlichen Gestaltungsspielraum für den Bereich der Hoheitsverwaltung erweitern.

            Andererseits wurde gegenüber der Einführung des verwaltungsrechtlichen Vertrags aber auch Skepsis bzw. Ablehnung geäußert: teilweise wurde argumentiert, dass diesbezüglich kein Änderungsbedarf bestehe; dem wurde jedoch von anderer Seite entgegen gehalten, dass gerade seitens der Praktiker immer wieder derartige Bedürfnisse artikuliert werden. Im Zusammenhang mit Art. 130 Abs. 1 Z. 4 des – im Ausschuss konsentierten –gemeinsamen Entwurfs Grabenwarter/Jabloner wurde einerseits die Meinung vertreten, dass diese Ziffer zumindest den von Univ.-Prof. Dr. Thienel erstatteten Vorschlag bereits umfasse; dem wurde entgegengehalten, dass zuerst die endgültigen Beratungsergebnisse des Präsidiums (über den Bericht der Expertengruppe) und des Ausschusses 6 feststehen müssten, bevor man die Frage des adäquaten Rechtsschutzes abschließend beantworten könne. Es wurde auch die Meinung vertreten, dass in jenen Bereichen, in denen der VfGH in letzter Zeit Bestimmungen über verwaltungsrechtliche Verträge bzw. Leistungsvereinbarungen als verfassungswidrig aufgehoben habe (etwa im Bereich des Universitätsrechts oder im Bereich der Krankenanstaltenfinanzierung im Verhältnis zwischen dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und den Gebietskrankenkassen) auch die im gemeinsamen Entwurf Grabenwarter/Jabloner vorgesehene neue Z. 4 diese Aufhebungen nicht hätte verhindern können; wenn also ein verwaltungsrechtlicher Vertrag (oder etwas ähnliches) eingeführt werden sollte, wäre die Z. 4 des gemeinsamen Entwurfs jedenfalls zu überdenken und allenfalls zu adaptieren.

            In der Diskussion wurde kritisiert, dass der Bericht der Expertengruppe die Frage offen lasse, was eigentlich passieren sollte, wenn der verwaltungsrechtliche Vertrag, etwa zwischen einem öffentlichen Rechtsträger und einem privaten Rechtssubjekt, nicht zustande gekommen sei; die Expertengruppe habe es auch verabsäumt, die entscheidende Frage, unter welchen Voraussetzungen solche verwaltungsrechtlichen Verträge zulässig seien bzw. wann man solche Verträge überhaupt abschließen könne, genauer zu untersuchen. Es wurde auch davor gewarnt, im Zuge der „Wiederaufnahme“ der Diskussion über die Einführung neuer Handlungsformen hinter den im Ausschuss 9 bereits erzielten Kompromiss (in Gestalt des Art. 130 Abs. 1 Z. 4 des gemeinsamen Entwurfs Grabenwarter/Jabloner) wieder zurückzufallen.

            Eine gewisse Einigung zeichnete sich schließlich dahingehend ab, dass man im Ausschussbericht einerseits auf diesen Kompromiss und andererseits darauf verweisen sollte, dass dann, wenn die Voraussetzungen und der genaue Inhalt des verwaltungsrechtlichen Vertrags (nach Durchführung der Diskussionen im Präsidium und im zuständigen Ausschuss 6) im Detail bekannt seien, im Ausschuss 9 allenfalls noch einmal über die sich daran anknüpfende Frage des adäquaten Rechtsschutzes beraten werden solle.

            Schon in der Sitzung vom 1. September 2004 war mehrheitlich Kritik an der Einsetzung der Expertengruppe geübt worden: so könnten deren Ergebnisse die im gemeinsamen Textvorschlag von Grabenwarter/Jabloner bereits erzielten Kompromisse in Frage stellen, was in höchstem Maße kontraproduktiv wäre. Darüber hinaus käme die Einsetzung dieser Expertengruppe zu spät, zumal die in dieser Expertengruppe zu diskutierenden Fragen derartig diffizil und fundamental seien, dass ein vernünftiges Ergebnis bis zu dem ins Auge gefassten Termin nicht zu erwarten sei. Weiters habe man es verabsäumt, in diese Expertengruppe, die auch ureigenste zivilrechtliche Fragen, wie die Abgrenzung von öffentlichem Recht und Privatrecht, die Einführung neuer Rechtsschutzinstrumente sowie amtshaftungsrechtliche Probleme diskutieren solle, ausgewiesene Zivilrechtsexperten zu entsenden. Dies sei umso bedauerlicher, als die Abgrenzung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht für die ordentliche Gerichtsbarkeit von fundamentaler Bedeutung sei. Auch mit anderen im Mandat der Expertengruppe angesprochenen Fragen, wie etwa der Aufgabe des Typenzwangs, habe man sich im Ausschuss bereits befasst und im Wesentlichen Konsens darüber erzielt, dass die zur Anrufung der neu zu schaffenden Verwaltungsgerichte berechtigenden Anfechtungsgegenstände – wie schon bisher – einerseits Bescheide und andererseits Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Maßnahmen) sein sollten und dass ein Einbau weiterer Anfechtungsgegenstände (Eingriffe in subjektive Rechte von einzelnen Rechtsunterworfenen; Informations-, Unterlassungs- und situative Eingriffe) in das gegenwärtige System sachgerecht und behutsam erfolgen sollte, dabei jedoch grundsätzlich an die bestehenden Instrumentarien angeknüpft werden sollte. Es wurde im Wesentlichen Konsens erzielt, die im geltenden Recht bestehende Typengebundenheit grundsätzlich beizubehalten, jedoch um neue Formen des Verwaltungshandelns – behutsam – zu erweitern.[53]

 

 

 

VII. Zuweisungen des Ausschusses 2 (aufgrund des Zwischenberichts vom 11. Mai 2004)

Über die vom Ausschuss 2 in dessen Zwischenbericht vom 11. Mai 2004 dem Ausschuss 9 zur weiteren Behandlung zugewiesenen Regelungen in bundesverfassungsrechtlicher Form (Bundesverfassungsgesetze und Verfassungsbestimmungen in einfachen Bundesgesetzen) wurde in der Sitzung vom 7. Juni 2004 beraten. Dabei wurden anhand des als Anhang versendeten Auszugs aus dem Teilbericht des Ausschusses 2 die von diesem zugewiesenen Normen Punkt für Punkt durchgegangen und die Ergebnisse der Beratungen jeweils in der zweiten Spalte von rechts unter der Rubrik „Anmerkungen des Ausschusses“ eingetragen; dieser jeweils um die Anmerkungen ergänzte Auszug bildet einen integrierten Bestandteil des Sitzungsprotokolls vom 7. Juni 2004.[54]

 

 

 

 

 

 

B. Besonderer Teil

 

[Die im Folgenden gewählte Gliederung der Textvorschläge entspricht der dem Entwurf des Endberichts des Österreich-Konvents zugrunde liegenden Gliederung.

Änderungen gegenüber der derzeitigen Fassung des B-VG sind

durch Kursivdruck und Unterstreichung gekennzeichnet.]

 

 

I Grundprinzipien

I.6 Rechtsstaat

[Über die ausdrückliche Verankerung des rechtsstaatlichen Prinzips wurde im Ausschuss 9 nicht beraten; sie ist im ergänzenden Mandat für den Ausschuss 9 nicht enthalten.]

 

I.9 Gewaltentrennung

[Über die Verankerung eines allgemein formulierten Prinzips der Gewaltentrennung wurde im Ausschuss 9 nicht beraten; hinzuweisen ist auf die geltende Bestimmung des Art. 94 B-VG sowie darauf, dass die Ausschussbetreuung die beiden folgenden Textvorschläge für das Präsidium ausgearbeitet hat:

„Artikel XY. Die Gesetzgebung, die Justiz und die Verwaltung sind [in allen Instanzen] voneinander getrennt.“

oder

„Artikel XY. Die gesetzgebende, die vollziehende und die richterliche Gewalt sind [in allen Instanzen] voneinander getrennt.“

 

Anmerkung Präsidium:

In der Präsidiumssitzung vom 23. September 2004 konnte über die verfassungsrechtliche Verankerung eines allgemeiner formulierten Prinzips der Gewaltentrennung kein Konsens erzielt werden. Das Präsidium hat sich das Thema Gewaltentrennung vorbehalten; daher: nicht konsentiert.]

 

 

IV Bund und Länder

IV.8 Kompetenzverteilung einschließlich Finanzverfassung und „Privatwirtschaftsverwaltung“

Artikel 10. (1) Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:
               [Z. 1. bis 5.]
               6. ... ; Verwaltungsgerichtsbarkeit, ausgenommen Angelegenheiten der Verwaltungsgerichte der Länder; ...
               [Z. 7. bis 18.]
 
Artikel 11. (1) Bundessache ist die Gesetzgebung, Landessache die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:
               [Z. 1. bis Z. 6]
               7. ... ;
               8. Verfahren der Verwaltungsgerichte.
 
[Im Ausschuss 9 textlich konsentiert.]
 
 
VI Staatsfunktionen, ihr wechselseitiges Verhältnis
VI.13 Amtshaftung und
VI.14 Organhaftung
Artikel 23. (1) Der Bund, die Länder, die Gemeinden und die sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts haften für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden
Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben.
               (2) Personen, die als Organe eines im Abs. 1 bezeichneten Rechtsträgers handeln, sind ihm, soweit ihnen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, für den Schaden haftbar, für den der Rechtsträger dem Geschädigten Ersatz geleistet hat.
               (3) Personen, die als Organe eines im Abs. 1 bezeichneten Rechtsträgers handeln, haften für den Schaden, den sie in Vollziehung der Gesetze dem Rechtsträger durch ein rechtswidriges Verhalten unmittelbar zugefügt haben.
               (4) Die näheren Bestimmungen zu den Abs. 1 bis 3 werden durch Bundesgesetz getroffen.
               (5) Ein Bundesgesetz kann auch bestimmen, inwieweit auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewesens von den in den Abs. 1 bis 3 festgelegten Grundsätzen abweichende Sonderbestimmungen gelten.
 
[Diese Bestimmung wurde im Ausschuss 9 nur insofern behandelt, als sie von manchen als möglicher verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt für die allfällige Regelung eines Staatshaftungsanspruchs aufgrund überlanger Verfahrensdauer gesehen wurde (in diesem Sinn auch das ergänzende Mandat für den Ausschuss 9, Pkt. E), S. 5); zur Staatshaftung vgl. näher Ausschussbericht, S. 37 ff.]
 
VI.15 Trennung von Justiz und Verwaltung

[Siehe Punkt I.9 Gewaltentrennung]

 

VI.16 Staatshaftung

Vorschlag Abg. z. NR Maga. Stoisits zur Staatshaftung:

Artikel X. (1) Bund und Länder haften für den Schaden, den der Gesetzgeber durch eine Verletzung Europäischen Gemeinschaftsrechts oder verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte wem immer zugefügt hat. Die Haftung umfasst auch Schäden, die auf rechtswidriger Säumnis beruhen. Die Entscheidung über den Rechtsverstoß ist dem Verfassungsgerichtshof vorbehalten.

            (2) Ebenso haftet der Bund für den Schaden, der durch ein gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßendes höchstgerichtliches Erkenntnis wem immer zugefügt wurde. Zur Entscheidung ist der Verfassungsgerichtshof zuständig. Dieser ist verpflichtet, entscheidungserhebliche Rechtsfragen des Europäischen Gemeinschaftsrechts dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen (Art. 234 EGV).

(3) Die Haftung nach Abs. 1 und 2 setzt eine qualifizierte Rechtswidrigkeit voraus.

            (4) Die näheren Bestimmungen zu den Abs. 1 bis 4 werden durch Bundesgesetz getroffen. Darin können auch Regressansprüche gegenüber den schädigenden Organwaltern vorgesehen werden, so weit ihnen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.

            (5) Auf dem Gebiet des Umweltrechts ist der Verfassungsgerichtshof zuständig, Säumnis des Gesetz- und Verordnungsgebers bei der Umsetzung von europäischen Richtlinien, von Staatszielen sowie von verfassungs- und einfachgesetzlichen Pflichten mit Erkenntnis festzustellen. Zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofs in solchen Angelegenheiten hat der zuständige Bundes- oder Landesgesetzgeber Verbände zu ermächtigen. Kommt es in solchen Angelegenheiten zu einem Haftungsverfahren, so sind die Gerichte an die Feststellung des Verfassungsgerichtshofs gebunden.

 

[Dies ist der von Abg. z. NR Maga. Stoisits vorgelegte Textvorschlag für die verfassungsrechtliche Verankerung der Staatshaftung; im Ausschuss 9 in der Sitzung vom  11. Oktober 2004 beraten, aber nicht konsentiert.]
 
Vorschlag Dr. Schnizer für einen neuen Art. 144a B-VG:

Artikel 144a. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über rechtswidrige Untätigkeit des Gesetzgebers bei der Erfüllung verfassungsrechtlicher Pflichten. Antragsberechtigt ist jede Person, die dadurch in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet und eine Feststellung der Untätigkeit nicht in einem Verfahren nach Art. 137 bis 144 erwirken kann. Zur Antragstellung kann der zuständige Gesetzgeber auch Amtsorgane und Organisationen berufen. Im Erkenntnis, mit dem der Verfassungsgerichtshof rechtswidrige Untätigkeit feststellt, kann auch Schadenersatz nach Abs. 2 erster Satz zugesprochen werden. Abs. 3 letzter Satz gilt dann sinngemäß.

            (2) Bund und Länder haften für den durch rechtswidrige Untätigkeit des Gesetzgebers zugefügten Schaden nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Zur Entscheidung sind die ordentlichen Gerichte unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofs zuständig. Liegt noch kein Erkenntnis nach Abs. 1 vor und hält ein Gericht die Frage der rechtswidrigen Untätigkeit des Gesetzgebers für entscheidungserheblich, so hat es sein Verfahren zu unterbrechen und beim Verfassungsgerichtshof eine Entscheidung zu beantragen.

            (3) Soweit für den Schaden gehaftet wird, den der Gesetzgeber durch eine Verletzung Europäischen Gemeinschaftsrechts zugefügt hat, haften Bund und Länder im Rahmen ihrer Zuständigkeit. Zur Entscheidung ist der Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 137 zuständig. Er kann sich auf die Feststellung der Rechtsverletzung oder auf die Feststellung des Schadenersatzanspruchs dem Grunde nach beschränken und aussprechen, dass die Durchsetzung vor den Zivilgerichten zu erfolgen hat.

            (4) Soweit der Bund für den Schaden aus einem gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs oder des Obersten Gerichtshofs haftet, ist zur Entscheidung der Verfassungsgerichtshof nach Art. 137 zuständig. Abs. 3 letzter Satz gilt sinngemäß. Zur Entscheidung über die Haftung aus einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist der Oberste Gerichtshof zuständig.

            (5) Die näheren Bestimmungen zu den Abs. 1 bis 4 werden bundesgesetzlich getroffen.

 
[Dies ist der von Dr. Schnizer vorgelegte Textvorschlag für die verfassungsrechtliche Verankerung der Staatshaftung; im Ausschuss 9 in der Sitzung vom 27. Oktober 2004 beraten, aber nicht konsentiert.]
 
Alternativvorschlag Präsident Dr. Rzeszut für einen anderen Abs. 4 im obigen Vorschlag Schnizer (Gemeinsamer Senat):

(4) Soweit der Bund für den Schaden aus einer gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, des Verwaltungsgerichtshofes oder des Obersten Gerichtshofes haftet, ist zur Entscheidung darüber ein gemeinsamer Senat zuständig. Dieser besteht aus dem Präsidenten des Verfassungsgerichthofes als Vorsitzendem und jeweils zwei vom Personalsenat des Obersten Gerichtshofes und der Vollversammlung des Verwaltungsgerichthofes bestimmten Richtern  dieser Gerichtshöfe sowie zwei vom Verfassungsgerichtshof bestimmten Mitgliedern oder Ersatzmitgliedern des Verfassungsgerichtshofes. Regressansprüche gegenüber den schädigenden Organwaltern können dann vorgesehen werden, wenn wegen der haftungsbegründenden Entscheidung eine strafgerichtliche Verurteilung (Verletzung von Amtspflichten)  erfolgt.

 

[Der vorgeschlagene neue Abs. 4 ist ein Textvorschlag von Präsident Dr. Rzeszut; im Ausschuss 9 in der Sitzung vom 27. Oktober 2004 vorgetragen, jedoch nicht konsentiert.]

 
 
VII Gesetzgebung des Bundes
VII.11.3 Kontrollrechte (Frage-, Resolutions-, Untersuchungsrecht, besondere Untersuchungsausschüsse)
Textvorschlag Ausschussbetreuung für parlamentarischen Kontrollausschuss:
Artikel 52a. (1) Zur Überprüfung von Maßnahmen zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit, [ ... ] von nachrichtendienstlichen Maßnahmen zur Sicherung der militärischen Landesverteidigung sowie der Ausübung des Aufsichts- und Weisungsrechts [des Bundesministers für Justiz] im Bereich der Staatsanwaltschaften wählen die zuständigen Ausschüsse des Nationalrats je einen ständigen Unterausschuss. Jedem Unterausschuss muss mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuss des Nationalrats vertretenen Partei angehören.
               (2) Die ständigen Unterausschüsse sind befugt, von den zuständigen Bundesministern alle einschlägigen Auskünfte und Einsicht in die einschlägigen Unterlagen zu verlangen. Der Unterausschuss zur Überprüfung der Ausübung des Aufsichts- und Weisungsrechts im Bereich der Staatsanwaltschaften ist darüber hinaus befugt, von den zuständigen Staatsanwaltschaften alle einschlägigen Auskünfte und Einsicht in die einschlägigen Unterlagen zu verlangen. Dies gilt nicht für Auskünfte und Unterlagen, insbesondere über Quellen, deren Bekanntwerden die nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Menschen gefährden würde.
               (3) Die ständigen Unterausschüsse können auch außerhalb der Tagungen des Nationalrats zusammentreten, wenn sich die Notwendigkeit hiezu ergibt.
               (4) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrats.
 
[Dies ist der von SChef Dr. Miklau durchgesehene, adaptierte Textvorschlag der Ausschussbetreuung zur Einrichtung eines eigenen parlamentarischen Kontrollausschusses; nicht konsentiert; der gesamte Textvorschlag würde nach mehrheitlich im Ausschuss 9 vertretener Ansicht systematisch in den Abschnitt B. des Dritten Hauptstücks des B-VG gehören; zuletzt breite Zustimmung zur Einführung der Pflicht des Bundesministers für Justiz, den – schon bestehenden – Justizausschuss periodisch über alle von ihm erteilten Weisungen zu unterrichten, dies jedoch vorbehaltlich der Forderung nach Einrichtung eines Bundesstaatsanwalts.]
 
Textvorschlag Abg. z. NR Maga. Stoisits zum Organstreitverfahren:

Artikel 55a. (1) Entstehen zwischen Mitgliedern des Nationalrats oder des Bundesrats und einem Bundesminister oder der Bundesregierung Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Kontrollrechte des Nationalrats oder des Bundesrats gegenüber dem betreffenden Bundesminister oder der Bundesregierung regeln, so entscheidet der Verfassungsgerichtshof auf Antrag von jener Anzahl von Mitgliedern des Nationalrats oder des Bundesrats, die zur Ausübung des strittigen Kontrollrechts gesetzlich berechtigt ist.

            (2) Nähere Bestimmungen trifft das Verfassungsgerichtshofgesetz.  

            (3) Durch Landesverfassungsgesetz kann eine dem Abs. 1 entsprechende Regelung betreffend Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Kontrollrechte des Landtags gegenüber der Landesregierung und ihren einzelnen Mitgliedern  regeln, getroffen werden.

 
[Dies ist der von Abg. z. NR Maga. Stoisits vorgelegte Textvorschlag zur Einführung eines „Organstreitverfahrens“ zwischen Parlament und Bundesregierung; im Ausschuss 9 beraten, aber nicht konsentiert.]
 
 
VIII Vollziehung des Bundes
VIII.8.1 Sonstige Bundesbehörden: Schulbehörden
5. Schulbehörden des Bundes
Artikel 81a. (1) Die Verwaltung des Bundes auf dem Gebiet des Schulwesens und auf dem Gebiet des Erziehungswesens in den Angelegenheiten der Schülerheime ist vom zuständigen Bundesminister und – soweit es sich nicht um das Hochschul- und Kunstakademiewesen sowie um das land- und forstwirtschaftliche Schulwesen und das land- und forstwirtschaftliche Erziehungswesen in den Angelegenheiten der Schülerheime handelt – von den dem zuständigen Bundesminister unterstehenden Schulbehörden des Bundes zu besorgen. Zur Führung von Verzeichnissen der Schulpflichtigen können im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes die Gemeinden herangezogen werden.
               (2) Für den Bereich jedes Landes ist eine als Landesschulrat und für den Bereich jedes politischen Bezirks eine als Bezirksschulrat zu bezeichnende Schulbehörde einzurichten. Im Land Wien hat der Landesschulrat auch die Aufgaben des Bezirksschulrats zu besorgen und die Bezeichnung Stadtschulrat für Wien zu führen. Der sachliche Wirkungsbereich der Landes- und Bezirksschulräte ist durch Bundesgesetz zu regeln.
               (3) Für die durch Gesetz zu regelnde Einrichtung der Schulbehörden des Bundes gelten folgende Richtlinien:
               a) Im Rahmen der Schulbehörden des Bundes sind Kollegien einzurichten. Die stimmberechtigten Mitglieder der Kollegien der Landesschulräte sind nach dem Stärkeverhältnis der Parteien im Landtag, die stimmberechtigten Mitglieder der Kollegien der Bezirksschulräte nach dem Verhältnis der für die im Landtag vertretenen Parteien bei der letzten Landtagswahl im Bezirk abgegebenen Stimmen zu bestellen. Die Bestellung aller oder eines Teils der Mitglieder der Kollegien durch den Landtag ist zulässig.
               b) Präsident des Landesschulrats ist der Landeshauptmann, Vorsitzender des Bezirksschulrats der Leiter der Bezirksverwaltungsbehörde. Wird die Bestellung eines Amtsführenden Präsidenten des Landesschulrats gesetzlich vorgesehen, so tritt dieser in allen Angelegenheiten, die sich der Präsident nicht selbst vorbehält, an dessen Stelle. Wird die Bestellung eines Vizepräsidenten gesetzlich vorgesehen, so steht diesem das Recht der Akteneinsicht und Beratung zu; ein solcher Vizepräsident ist jedenfalls in jenen fünf Ländern zu bestellen, die nach dem Ergebnis der letzten vor dem Inkrafttreten dieses Bundesverfassungsgesetzes durchgeführten amtlichen Volkszählung die meisten Einwohner haben.
               c) Die Aufgabenbereiche der Kollegien und der Präsidenten (Vorsitzenden) der Landes- und Bezirksschulräte sind durch Gesetz zu bestimmen. Zur Erlassung von Verordnungen und allgemeinen Weisungen, zur Bestellung von Funktionären und zur Erstattung von Ernennungsvorschlägen sowie zur Erstattung von Gutachten zu Gesetz- und Verordnungsentwürfen sind die Kollegien zu berufen.
               d) In dringenden Fällen, die einen Aufschub bis zur nächsten Sitzung des Kollegiums nicht zulassen, hat der Präsident (der Vorsitzende) auch in den dem Wirkungsbereich des Kollegiums zugewiesenen Angelegenheiten Erledigungen zu treffen und hierüber ohne Verzug dem Kollegium zu berichten.
               e) Ist ein Kollegium durch mehr als zwei Monate beschlussunfähig, so gehen die Aufgaben des Kollegiums für die weitere Dauer der Beschlussunfähigkeit auf den Präsidenten (Vorsitzenden) über. Der Präsident (Vorsitzende) tritt in diesen Fällen an die Stelle des Kollegiums.
               (4) In den Angelegenheiten, die in den Wirkungsbereich der Kollegien fallen, können Weisungen (Art. 20 Abs. 1) nicht erteilt werden. Dies gilt nicht für Weisungen, mit denen wegen Gesetzwidrigkeit die Durchführung des Beschlusses eines Kollegiums untersagt oder die Aufhebung einer vom Kollegium erlassenen Verordnung angeordnet wird. Solche Weisungen sind zu begründen. [ ... ]
               (5) Der zuständige Bundesminister kann sich persönlich oder durch Organe des von ihm geleiteten Bundesministeriums vom Zustand und von den Leistungen auch jener Schulen und Schülerheime überzeugen, die dem Bundesministerium im Wege der Landesschulräte unterstehen. Festgestellte Mängel – soweit es sich nicht um solche im Sinne des Art. 14    Abs. 8 handelt – sind dem Landesschulrat zum Zweck ihrer Abstellung bekannt zu geben.
 

[Über diese Bestimmung wurde – mit Ausnahme des Abs. 4 letzter Satz – im Ausschuss 9 nicht beraten. Die ersatzlose Streichung des letzten Satzes in Abs. 4 ist im Ausschuss 9 konsentiert (vgl. Ausschussbericht vom 26. März 2004, S. 58 f).]

 

VIII.9 Ordentliche Gerichtsbarkeit [Punkte VIII.9.1 bis VIII.9.16]

B. Justiz

[Variante: „B. Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaft“]

Artikel 82. (1) Alle Gerichtsbarkeit geht, soweit bundesverfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, vom Bund aus.
               (2) Die Urteile und Erkenntnisse werden im Namen der Republik verkündet und ausgefertigt.

 

Artikel 83. (1) Die Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte wird durch Bundesgesetz festgestellt.
               (2) Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

 

Artikel 84. Die Militärgerichtsbarkeit ist – außer für Kriegszeiten – aufgehoben.
 
[Die als Variante vorgeschlagene neue Überschrift des Abschnitts B. ist ein Textvorschlag der richterlichen Standesvertretung; nicht konsentiert. Die Art. 82 bis 84 B-VG wurden im Ausschuss 9 großteils nicht ausdrücklich behandelt;  Art. 82 Abs. 1 textlich konsentiert.]

 

Artikel 85. Die Todesstrafe ist abgeschafft.
[Diese Bestimmung soll in den Grundrechtskatalog kommen; siehe Protokoll über die 10. Sitzung vom 2. Juli 2004, S. 9.]

 

Artikel 86. (1) Die Richter werden, sofern nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist, gemäß dem Antrag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten oder auf Grund seiner Ermächtigung vom zuständigen Bundesminister ernannt; die Bundesregierung oder der Bundesminister hat Besetzungsvorschläge der durch die Gerichtsverfassung hiezu berufenen Senate einzuholen.
               (2) Der dem zuständigen Bundesminister vorzulegende und der von ihm an die Bundesregierung zu leitende Besetzungsvorschlag hat, wenn genügend Bewerber vorhanden sind, mindestens drei Personen, wenn aber mehr als eine Stelle zu besetzen ist, mindestens doppelt so viele Personen zu umfassen, als Richter zu ernennen sind.

 

Textvorschlag der richterlichen Standesvertretung für folgende neue Art. 85a bis 86a (an Stelle des jetzigen Art. 86):

Artikel 85a. (1) Die Leitung der Verwaltung der Gerichte obliegt dem Unabhängigen Justizsenat. Sie umfasst auch die Verteilung der sachlichen und personellen Ressourcen.

(2) Der Unabhängige Justizsenat kann auf Grund der Gesetze innerhalb seines Wirkungsbereichs Richtlinien erlassen. Er übt die Diensthoheit des Bundes gegenüber den bei den Gerichten tätigen Bediensteten aus.

(3) Hinsichtlich der die Gerichte betreffenden Teile des Bundesfinanzgesetzes ist das Einvernehmen mit dem Unabhängigen Justizsenat herzustellen. Kommt dieses nicht zustande, ist vom Nationalrat auch der abweichende Entwurf des Unabhängigen Justizsenats in Verhandlung zu ziehen. Ein Vertreter des Unabhängigen Justizsenats ist berechtigt, an den Verhandlungen des Nationalrats und des Budgetausschusses betreffend diese Teile des Bundesfinanzgesetzes teilzunehmen und gehört zu werden.

(4) Der Unabhängige Justizsenat hat dem Nationalrat und dem Bundesrat jährlich über seine Tätigkeit zu berichten.

 

Artikel 85b. (1) Dem Unabhängigen Justizsenat gehören kraft Amtes der Bundespräsident als Vorsitzender sowie der Präsident des Obersten Gerichtshofs, der Bundesminister für Justiz, der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags und der Präsident der Österreichischen Notariatskammer an.

(2) Die weiteren Mitglieder ernennt der Bundespräsident; eines Vorschlags nach Art. 67 bedarf es hiezu nicht. Zumindest zwei Drittel der Mitglieder des Unabhängigen Justizsenats sind Richter; diese werden von allen Richtern aus deren Mitte auf bestimmte Zeit gewählt und dürfen keiner politischen Partei angehören. Sie können durch Beschluss des Nationalrats in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen abberufen werden.[55]

 

Artikel 86. Die Ernennung zum Richteramtsanwärter und zum Richter sowie jede weitere Ernennung obliegt dem Bundespräsidenten auf Vorschlag des Unabhängigen Justizsenats; dieser hat auf Grund von Dreiervorschlägen der durch die Gerichtsverfassung hiezu berufenen Personalsenate zu entscheiden. 
 
Artikel 86a. Die näheren Bestimmungen über Einrichtung, Zusammensetzung und Verfahren des Unabhängigen Justizsenats werden durch ein besonderes Bundesgesetz und auf Grund dieses durch eine vom Unabhängigen Justizsenat zu beschließende Geschäftsordnung geregelt.

 

[Die vorgeschlagenen neuen Art. 85a bis 86a sind Textvorschläge der richterlichen Standesvertretung; im Ausschuss 9 nicht konsentiert.]

 

Textvorschlag von Dr. Schnizer für folgenden neuen Art. 94 (Kollegialorgan der Richter zur Führung der Justizverwaltung):

Artikel 94. (1) Die Justiz ist von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt.

            (2) Die Angelegenheiten der Justizverwaltung werden von einem Senat geführt, dem unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs die Präsidenten der Oberlandesgerichte und vier weitere Richter angehören, die auf Vorschlag der Richtervereinigung vom Nationalrat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln für die Dauer von vier Jahren gewählt werden. Eine Wiederwahl ist zulässig.

            (3) Dem Nationalrat und dem Bundesrat stehen gegenüber dem Senat die Befugnisse gemäß Art. 52 und 53 zu. Der Vorsitzende des Senats hat in allen Angelegenheiten der Justizverwaltung die den Mitgliedern der Bundesregierung gemäß Art. 75 zustehenden Rechte. Der Vorsitzende und die Mitglieder des Senats sind hinsichtlich der Verantwortlichkeit Mitgliedern der Bundesregierung gleichgestellt.

            (4) Die die ordentliche Gerichtsbarkeit betreffenden Kapitel des Entwurfs des Bundesfinanzgesetzes sind im Einvernehmen mit dem Senat zu erstellen. Kommt es zu keinem Einvernehmen, ist der Senat berechtigt, einen eigenen Vorschlag dem Nationalrat vorzulegen.

 

[Der vorgeschlagene neue Art. 94 ist ein Textvorschlag von Dr. Schnizer; im Ausschuss 9 nicht konsentiert.]
 

Adaptierter Textvorschlag von Präsident Dr. Rzeszut für folgenden neuen Art. 94 (Kollegialorgan der Richter zur Führung der Justizverwaltung):

Artikel 94. (1) Die Justiz ist von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt.

            (2) An dem Entwurf des Kapitels des Bundesfinanzgesetzes, das die ordentliche Gerichtsbarkeit betrifft, wirkt ein Senat (Oberster Justizsenat) mit. Diesem gehören der Präsident des Obersten Gerichtshofs als Vorsitzender, die Präsidenten der Oberlandesgerichte als weitere Mitglieder und eine diesen weiteren Mitgliedern gleiche Anzahl von aus der Mitte aller Richter auf bestimmte Zeit gewählten Richtern an. Die gewählten Mitglieder können mit Beschluss des Nationalrats gemeinsam abberufen werden. [Dieser Beschluss bedarf der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.]

            (3) Das Kapitel des Entwurfs des Bundesfinanzgesetzes, das die ordentliche Gerichtsbarkeit betrifft, ist im Einvernehmen mit dem Senat zu erstellen. Kommt es zu keinem Einvernehmen, ist der Senat berechtigt, einen eigenen Vorschlag dem Nationalrat vorzulegen. Im Rahmen einer die Gebarung der Justizverwaltung betreffenden Kontrolle durch den Rechnungshof hat der Senat das Recht auf Stellungnahme. Dem Senat können durch Gesetz weitere Aufgabenbereiche übertragen werden.

            (4) Dem Nationalrat und dem Bundesrat stehen gegenüber dem Senat die Befugnisse gemäß Art. 52 zu. Der Vorsitzende des Senats hat die den Mitgliedern der Bundesregierung gemäß Art. 75 zustehenden Rechte. Der Vorsitzende und die Mitglieder des Senats sind wie die Mitglieder der Bundesregierung nach Art. 142 Abs. 2 lit. b verantwortlich.

(5) Die näheren Bestimmungen über die Einrichtung, Zusammensetzung und das Verfahren des  Senats werden durch ein besonderes Bundesgesetz und aufgrund dieses durch eine vom Senat zu beschließende Geschäftsordnung geregelt.

 

[Der vorgeschlagene neue Art. 94 ist ein Textvorschlag von Präsident Dr. Rzeszut; im Ausschuss 9 nicht konsentiert.]

 

Artikel 87. (1) Die Richter sind in Ausübung ihres richterlichen Amtes unabhängig.
               (2) In Ausübung seines richterlichen Amtes befindet sich ein Richter bei Besorgung aller ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden gerichtlichen Geschäfte, mit Ausschluss der Justizverwaltungssachen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sind.
               (3) Die Geschäfte sind unter die Richter eines Gerichts für die in der Gerichtsverfassung bestimmte Zeit im voraus zu verteilen. Eine nach dieser Geschäftsverteilung einem Richter zufallende Sache darf ihm nur durch Verfügung des durch die Gerichtsverfassung hiezu berufenen Senats und nur im Fall seiner Verhinderung oder dann abgenommen werden, wenn er wegen des Umfangs seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist.

 

Artikel 87a. (1) Durch Bundesgesetz kann die Besorgung einzelner, genau zu bezeichnender Arten von Geschäften der Gerichtsbarkeit erster Instanz in Zivilrechtssachen besonders ausgebildeten nichtrichterlichen Bundesbediensteten übertragen werden.
               (2) Der nach der Geschäftsverteilung zuständige Richter kann jedoch jederzeit die Erledigung solcher Geschäfte sich vorbehalten oder an sich ziehen.
               (3) Bei der Besorgung der im Abs. 1 bezeichneten Geschäfte sind die nichtrichterlichen Bundesbediensteten nur an die Weisungen des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richters gebunden. Art. 20 Abs. 1 dritter Satz ist anzuwenden.

 

Artikel 88. (1) In der Gerichtsverfassung wird eine Altersgrenze bestimmt, nach deren Erreichung die Richter in den dauernden Ruhestand zu versetzen sind.
               (2) Im Übrigen dürfen Richter nur in den vom Gesetz vorgeschriebenen Fällen und Formen und auf Grund eines förmlichen richterlichen Erkenntnisses ihres Amtes entsetzt oder wider ihren Willen an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Diese Bestimmungen finden jedoch auf Übersetzungen und Versetzungen in den Ruhestand keine Anwendung, die durch Veränderungen in der Verfassung der Gerichte nötig werden. In einem solchen Fall wird durch das Gesetz festgestellt, innerhalb welchen Zeitraums Richter ohne die sonst vorgeschriebenen Förmlichkeiten übersetzt und in den Ruhestand versetzt werden können.
               (3) Die zeitweise Enthebung der Richter vom Amt darf nur durch Verfügung des Gerichtsvorstands oder der höheren Gerichtsbehörde bei gleichzeitiger Verweisung der Sache an das zuständige Gericht stattfinden.
 
[Die Art. 87 und 88 B-VG wurden im Ausschuss 9 nicht ausdrücklich behandelt.]
 
Artikel 88a. Die Gerichtsverfassung kann bestimmen, dass bei einem übergeordneten Gericht Stellen für Sprengelrichter vorgesehen werden können. Die Zahl der Sprengelrichterstellen darf [2 vH ?] der bei den nachgeordneten Gerichten bestehenden Richterstellen nicht übersteigen. Die Verwendung der Sprengelrichter bei den nachgeordneten Gerichten wird von dem durch die Gerichtsverfassung hiezu berufenen Senat des übergeordneten Gerichts bestimmt. Sprengelrichter dürfen nur mit der Vertretung von Richtern nachgeordneter Gerichte und nur im Falle der Verhinderung dieser Richter oder dann betraut werden, wenn diese Richter wegen des Umfangs ihrer Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert sind.
 
[Laut ergänzendem Mandat sollte dieser Artikel, insbesondere die Frage einer möglichen Erhöhung des Prozentsatzes und einer zeitlichen Befristung des Einsatzes als Sprengelrichter – unter Berücksichtigung des Erkenntnisses VfSlg. 8.523/1979 – behandelt werden; derzeit: nicht konsentiert; siehe aber Allgemeiner Teil, Punkt I.3., erster Absatz.]
 

Artikel 89. (1) Die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen, Wiederverlautbarungen, Gesetze und Staatsverträge steht, soweit in diesem Artikel nicht anderes bestimmt ist, den Gerichten nicht zu.

(2) Hat ein Gericht gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken, so hat es den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Hat ein Gericht gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken, so hat es den Antrag auf Aufhebung dieses Gesetzes beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.

(3) Ist die vom Gericht anzuwendende Rechtsvorschrift bereits außer Kraft getreten, so hat der Antrag des Gerichts an den Verfassungsgerichtshof die Feststellung zu begehren, dass die Rechtsvorschrift gesetzwidrig oder verfassungswidrig war.

(4) Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 gelten für Wiederverlautbarungen, Abs. 2 und Abs. 3 nach Maßgabe des Art. 140a für Staatsverträge sinngemäß.

(5) Welche Wirkungen der Antrag des Gerichts für das bei ihm anhängige Verfahren hat, wird durch Bundesgesetz geregelt.

 

[Im Ausschuss 9 textlich konsentiert; vgl. Beilage zum Protokoll 13. Sitzung v. 23. September 2004]

 

Variante Schnizer/Stoisits für einen neuen Art. 89:

Artikel. 89. (1) Die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen, Wiederverlautbarungen, Gesetze und Staatsverträge steht den Gerichten nicht zu, soweit in diesem Artikel nicht anderes bestimmt ist.

(2) Hat ein Gericht aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken gegen die Anwendung einer Verordnung, so hat es beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung der betroffenen Rechtsvorschrift zu stellen. Gleiches gilt, wenn ein Gericht Bedenken gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit hat.

(3) Ist die vom Gericht anzuwendende Rechtsvorschrift bereits außer Kraft getreten, so hat der Antrag des Gerichts an den Verfassungsgerichtshof die Feststellung zu begehren, dass die Rechtsvorschrift gesetz- oder verfassungswidrig war.

(4) Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 gelten für Kundmachungen über die Wiederverlautbarung, Abs. 2 und Abs. 3 nach Maßgabe des Art. 140a für Staatsverträge sinngemäß.

(5) Durch Bundesgesetz wird geregelt, welche Wirkungen der Antrag des Gerichts für das bei ihm anhängige Verfahren hat.

 

[Textvorschlag Schnizer/Stoisits zur Einführung der Verfassungsbeschwerde; im Ausschuss 9 nicht konsentiert.]

 

Artikel 90. (1) Die Verhandlungen in Zivil- und Strafrechtssachen vor dem erkennenden Gericht sind mündlich und öffentlich. Ausnahmen bestimmt das Gesetz.
               (2) Im Strafverfahren gilt der Anklageprozess.
               (3) Die öffentliche Anklage sowie die justizielle Strafverfolgung obliegen den Staatsanwaltschaften. Durch Bundesgesetz ist die Stellung der Staatsanwälte als Organe der Justiz zu gewährleisten.
 
[Im Ausschuss 9 zunächst textlich konsentiert; vgl. aber die Wortmeldung von Dr. Schnizer in der letzten Sitzung vom 28. Oktober 2004.]
 
Artikel 91. (1) Das Volk wirkt nach Maßgabe des Gesetzes an der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit mit. Die Bereiche der Mitwirkung und die Art der Auswahl richten sich nach dem Gesetz.
               (2) Bei den mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, die das Gesetz zu bezeichnen hat, sowie bei allen politischen Verbrechen und Vergehen entscheiden Geschworene über die Schuld des Angeklagten.
               (3) Im Strafverfahren wegen anderer strafbarer Handlungen nehmen Schöffen an der Rechtsprechung teil, wenn die zu verhängende Strafe ein vom Gesetz zu bestimmendes Maß überschreitet.
 
[Siehe auch Protokoll über die 9. Sitzung vom 7. Juni 2004, S. 6; im Ausschuss 9 textlich konsentiert.]
 
Artikel 92. (1) Oberste Instanz in Zivil- und Strafrechtssachen ist der Oberste Gerichtshof.
               (2) Dem Obersten Gerichtshof können Mitglieder der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines allgemeinen Vertretungskörpers nicht angehören; für Mitglieder der allgemeinen Vertretungskörper, die auf eine bestimmte Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode gewählt wurden, dauert die Unvereinbarkeit auch bei vorzeitigem Verzicht auf das Mandat bis zum Ablauf der Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode fort. Zum Präsidenten oder Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs kann nicht bestellt werden, wer eine der eben erwähnten Funktionen in den letzten vier Jahren bekleidet hat.

 

[Art. 92 B-VG wurde im Ausschuss 9 nicht ausdrücklich behandelt. Die Aufhebung der in diesem Zusammenhang zu nennenden Übergangsbestimmung des § 8 Abs. 5 lit. d) ÜG 1920 wurde im Ausschuss 9 im Prinzip konsentiert; vgl. dazu näher Ausschussbericht vom 26. März 204, S. 15, 45 f; sowie die Arbeitsunterlage „Überlegungen zur Mitsprache der Bundesländer bei der Organisation der Gerichtsbarkeit“ von DDr. Karl Lengheimer vom     25. August 2004.]

 

Artikel 93. Amnestien wegen gerichtlich strafbarer Handlungen werden durch Bundesgesetz erteilt.

 

Artikel 94. Die Justiz ist von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt.
 
[Die Art. 93 und 94 B-VG wurden im Ausschuss 9 nicht ausdrücklich behandelt; zum Trennungsgrundsatz des Art. 94 B-VG vgl. die Punkte I.9 und VI.15.]
 

Textvorschlag von Dr. Schnizer für folgenden neuen Art. 94a (Einrichtung eines weisungsfreien Bundesstaatsanwalts):

Artikel 94a. (1) Die öffentliche Anklage wird von den bei den staatsanwaltschaftlichen Behörden ernannten und ständig tätigen Staatsanwälten wahrgenommen. Sie sind Organe der Rechtspflege.

            (2) Die staatsanwaltschaftlichen Behörden unterstehen dem Bundesstaatsanwalt. Dieser ist unabhängig und weisungsfrei.

            (3) Der Bundesstaatsanwalt wird aufgrund eines Vorschlags des Hauptausschusses vom Nationalrat in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gewählt. Seine Amtsdauer beträgt sechs Jahre. Eine einmalige Wiederwahl ist zulässig.

            (4) Dem Vorschlag des Hauptausschusses des Nationalrats hat eine öffentliche Ausschreibung voranzugehen. Der Hauptausschuss hat eine öffentliche Anhörung durchzuführen, an der Vertreter der Richter und Staatsanwälte zu beteiligen sind. Näheres wird in der Geschäftsordnung des Nationalrats bestimmt.

            (5) Dem Nationalrat und dem Bundesrat stehen gegenüber dem Bundesstaatsanwalt die Befugnisse nach Art. 52 mit Ausnahme der Befugnis, in Entschließungen Wünschen über die Ausübung der Vollziehung Ausdruck zu geben, und Art. 53 zu.

            (6) Der Bundesstaatsanwalt ist hinsichtlich der Verantwortlichkeit den Mitgliedern der Bundesregierung gleichgestellt.

 

[Der vorgeschlagene neue Art. 94a ist ein Textvorschlag von Dr. Schnizer; im Ausschuss 9 nicht konsentiert.]

 

 

XI Selbstverwaltung

XI.1.3 Gemeinde: eigener und übertragener Wirkungsbereich

Artikel 118. (1) Der Wirkungsbereich der Gemeinde ist ein eigener und ein vom Bund oder vom Land übertragener.
               (2) Der eigene Wirkungsbereich umfasst neben den im Art. 116 Abs. 2 angeführten Angelegenheiten alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die Gesetze haben derartige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde zu bezeichnen.
               (3) Der Gemeinde sind zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich die behördlichen Aufgaben insbesondere in folgenden Angelegenheiten gewährleistet:
               1. Bestellung der Gemeindeorgane unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Wahlbehörden; Regelung der inneren Einrichtungen zur Besorgung der Gemeindeaufgaben;
         2. Bestellung der Gemeindebediensteten und Ausübung der Diensthoheit unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Disziplinar-, Qualifikations- und Prüfungskommissionen;
         3. örtliche Sicherheitspolizei (Art. 15 Abs. 2), örtliche Veranstaltungspolizei;
               4. Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde, örtliche Straßenpolizei;
               5. Flurschutzpolizei;
               6. örtliche Marktpolizei;
7. örtliche Gesundheitspolizei, insbesondere auch auf dem Gebiet des Hilfs- und Rettungswesens sowie des Leichen- und Bestattungswesens;
               8. Sittlichkeitspolizei;
9. örtliche Baupolizei, soweit sie nicht bundeseigene Gebäude, die öffentlichen Zwecken dienen (Art. 15 Abs. 5) zum Gegenstand hat; örtliche Feuerpolizei; örtliche Raumplanung;
               10. öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten;
               11. freiwillige Feilbietungen beweglicher Sachen.
               (4) Die Gemeinde hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen und [ ... ] unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane [ ... ] zu besorgen. Dem Bund und dem Land kommt gegenüber der Gemeinde bei Besorgung ihres eigenen Wirkungsbereichs ein Aufsichtsrecht (Art. 119a) zu. Die Bestimmungen des Art. 12 Abs. 2 bleiben unberührt.
               (5) Der Bürgermeister, die Mitglieder des Gemeindevorstands (Stadtrats, Stadtsenats) und allenfalls bestellte andere Organe der Gemeinde sind für die Erfüllung ihrer dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehörigen Aufgaben dem Gemeinderat verantwortlich.
               (6) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs hat die Gemeinde das Recht, ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstände zu erlassen, sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären. Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen.
               (7) Auf Antrag einer Gemeinde kann die Besorgung einzelner Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs nach Maßgabe des Art. 119a Abs. 3 durch Verordnung der Landesregierung beziehungsweise durch Verordnung des Landeshauptmanns auf eine staatliche Behörde übertragen werden. Soweit durch eine solche Verordnung eine Zuständigkeit auf eine Bundesbehörde übertragen werden soll, bedarf sie der Zustimmung der Bundesregierung. Soweit durch eine solche Verordnung des Landeshauptmanns eine Zuständigkeit auf eine Landesbehörde übertragen werden soll, bedarf sie der Zustimmung der Landesregierung. Eine solche Verordnung ist aufzuheben, sobald der Grund für ihre Erlassung weggefallen ist. Die Übertragung erstreckt sich nicht auf das Verordnungsrecht nach Abs. 6.
               (8) Die Errichtung eines Gemeindewachkörpers oder eine Änderung seiner Organisation ist der Bundesregierung anzuzeigen.
 
[Die Abs. 1 bis 3 und die Abs. 5 bis 8 wurden im Ausschuss 9 nicht ausdrücklich behandelt; die Streichungen in Abs. 4 sind im Ausschuss 9 konsentiert.]

 

XI.1.8 Gemeinde: Gemeindeaufsicht

Artikel 119a. (1) Der Bund und das Land üben das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahin aus, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereichs die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt.
               (2) Das Land hat ferner das Recht, die Gebarung der Gemeinde auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Bürgermeister zur Vorlage an den Gemeinderat zu übermitteln. Der Bürgermeister hat die auf Grund des Überprüfungsergebnisses getroffenen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten der Aufsichtsbehörde mitzuteilen.
               (3) Das Aufsichtsrecht und dessen gesetzliche Regelung stehen, insoweit als der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde Angelegenheiten aus dem Bereich der Bundesvollziehung umfasst, dem Bund, im Übrigen den Ländern zu; das Aufsichtsrecht ist von den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung auszuüben.
               (4) Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, sich über jedwede Angelegenheit der Gemeinde zu unterrichten. Die Gemeinde ist verpflichtet, die von der Aufsichtsbehörde im einzelnen Fall verlangten Auskünfte zu erteilen und Prüfungen an Ort und Stelle vornehmen zu lassen.
               [Der bisherige Abs. 5 entfällt.]
               (5) Die Gemeinde hat im eigenen Wirkungsbereich erlassene Verordnungen der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen. Die Aufsichtsbehörde hat gesetzwidrige Verordnungen nach Anhörung der Gemeinde durch Verordnung aufzuheben und die Gründe hiefür der Gemeinde gleichzeitig mitzuteilen.
               (6) Sofern die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) als Aufsichtsmittel die Auflösung des Gemeinderats vorsieht, kommt diese Maßnahme in Ausübung des Aufsichtsrechts des Landes der Landesregierung, in Ausübung des Aufsichtsrechts des Bundes dem Landeshauptmann zu. Die Zulässigkeit der Ersatzvornahme als Aufsichtsmittel ist auf die Fälle unbedingter Notwendigkeit zu beschränken. Die Aufsichtsmittel sind unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu handhaben.
               (7) Einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die auch überörtliche Interessen in besonderem Maß berührt werden, insbesondere solche von besonderer finanzieller Bedeutung, können durch die zuständige Gesetzgebung (Abs. 3) an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden. Als Grund für die Versagung der Genehmigung darf nur ein Tatbestand vorgesehen werden, der die Bevorzugung überörtlicher Interessen eindeutig rechtfertigt.
               (8) Die Gemeinde hat im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung; sie ist berechtigt, gegen die Aufsichtsbehörde vor den Verwaltungsgerichten (Artikel 131 und 132), vor dem Verwaltungsgerichtshof (Artikel 133) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144) Beschwerde zu führen.
               (9) Die Bestimmungen dieses Artikels sind auf die Aufsicht über Gemeindeverbände, soweit diese Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde besorgen, entsprechend anzuwenden.
 
[Die Abs. 1 bis 4 und die neuen Abs. 5 bis 7 sowie Abs. 9 wurden im Ausschuss 9 nicht ausdrücklich behandelt; der Entfall des bisherigen Abs. 5 wurde im Ausschuss 9 konsentiert.]
 
 
XII Kontrolle

XII.3 Unabhängige Kontrolleinrichtungen, soweit sie nicht in Gerichte transformiert werden und im Verfassungsrecht verankert bleiben sollen

[Diese Fragen wurden im Rahmen der bisherigen Ausschussarbeiten zwar bereits beraten, Textvorschläge liegen aber – noch – nicht vor. Zum UFS vgl. Ausschussbericht vom 26. März 2004, S. 30; zum Umweltsenat vgl. Ausschussbericht vom 26. März 2004, S. 73; zum Menschenrechtsbeirat vgl. Ausschussbericht vom 26. März 2004, S. 37, und Protokoll über die 5. Sitzung am 13. Februar 2004, S. 6; zum Datenschutzrat vgl. Ausschussbericht vom 26. März 2004, S. 34, und Protokoll über die 5. Sitzung am 13. Februar 2004, S. 6]

 

XII.4 Rechtsschutzbeauftragte

Variante A.

Ursprünglicher Textvorschlag für die verfassungsrechtliche Verankerung

von Rechtsschutzbeauftragten im 7. Hauptstück des B-VG

Art. XY lautet:

Artikel XY. Rechtsschutzbeauftragte, wie etwa jene nach der Strafprozessordnung, nach dem Sicherheitspolizeigesetz und nach dem Militärbefugnisgesetz, sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Sie unterliegen jedoch der Amtsverschwiegenheit.

 

Variante B.

Textvorschlag Grabenwarter

Art. XY lautet:

Artikel XY. Durch Gesetz können Rechtsschutzbeauftragte eingerichtet und mit besonderen Aufgaben des Grundrechtsschutzes betraut werden. Sie unterliegen der Amtsverschwiegenheit, sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden.

 

[Diese beiden Textvarianten sind im Bericht des Ausschusses 9 vom 26. März 2004, S. 68 ff, enthalten, wobei die Frage der Notwendigkeit der ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Verankerung der Amtsverschwiegenheit noch zu klären sein wird; im Prinzip inhaltlich, aber nicht textlich konsentiert.]

 

 

XIII Garantien der Verfassung und Verwaltung

XIII.1 Verwaltungsgerichtsbarkeit

[Im Folgenden ist der gemeinsame, mehrfach überarbeitete Textvorschlag Grabenwarter/Jabloner wiedergegeben; im Ausschuss 9 textlich konsentiert.]

 

Sechstes Hauptstück

Garantien der Verfassung und Verwaltung

 

A. Verwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshof

Artikel 129. (1) Zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung sind die Verwaltungsgerichte der Länder und des Bundes sowie der Verwaltungsgerichtshof berufen. Der Verwaltungsgerichtshof hat seinen Sitz in Wien.

(2) In jedem Land besteht ein Verwaltungsgericht des Landes. Darüber hinaus können die Länder für bestimmte Angelegenheiten besondere Verwaltungsgerichte einrichten, soweit dies im Sinne der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit für notwendig erachtet wird.

 

Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über

1.   Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit;

2.   Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Verwaltungsbehörden wegen einer behaupteten Rechtsverletzung;

3.   Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht der Verwaltungsbehörden;

4.   ansonsten, wenn die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze den Verwaltungsgerichten die Zuständigkeit übertragen, über Beschwerden anderer Art zu entscheiden; den Verwaltungsgerichten der Länder dürfen solche Angelegenheiten durch Bundesgesetz nur mit Zustimmung der Länder zugewiesen werden.

(2) Rechtswidrigkeit im Sinn des Abs. 1 Z. 1 liegt nicht vor, soweit die Gesetzgebung von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Verwaltungsbehörde absieht und die Bestimmung dieses Verhaltens der Behörde selbst überlässt, die Behörde aber von diesem freien Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.

            (3) In den Angelegenheiten des Abs. 1 Z. 1 hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Rechtsfrage geklärt ist und der Sachverhalt entweder feststeht oder vom Verwaltungsgericht – insbesondere im Rahmen einer mündlichen Verhandlung – festgestellt werden kann, soweit anzunehmen ist, dass dies im Interesse der Beschleunigung der Erledigung oder einer erheblichen Kosteneinsparung gelegen ist. In den Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen hat das Verwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden.
 
[1. Alternativvariante Grabenwarter zu Art. 130 Abs. 3:
            (3) In den Angelegenheiten des Abs. 1 Z. 1 hat das Verwaltungsgericht grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden.
Erläuterungen: In den Angelegenheiten des Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG hat das Verwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden.
 
2. Alternativvariante Funk/Jabloner zu Art. 130 Abs. 3:

(3) In den Angelegenheiten des Abs. 1 Z. 1 hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, außer der Sachverhalt steht noch nicht fest und kann auch nicht im Interesse der Beschleunigung der Erledigung oder einer erheblichen Kosteneinsparung – insbesondere im Rahmen einer mündlichen Verhandlung – festgestellt werden. In den Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen hat das Verwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden.]

 

Artikel 131. (1) Die Verwaltungsgerichte des Bundes erkennen:

1. über Beschwerden in Angelegenheiten der Bundesverwaltung, die von Bundesbehörden vollzogen werden und nicht durch Bundesgesetz mit Zustimmung der Länder den Verwaltungsgerichten der Länder zugewiesen werden; in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen jedoch nur, soweit es sich um Finanzstrafsachen des Bundes handelt;[56]

2. über Beschwerden gegen einvernehmliche Bescheide der zuständigen Landesbehörden und Bescheide eines Bundesministers nach Art. 15 Abs. 7;

3. über Beschwerden in Angelegenheiten des Art. 130 Abs. 1 Z. 4, sofern die Länder der Zuweisung der Angelegenheit durch Bundesgesetz nicht zustimmen.

(2) In allen übrigen Angelegenheiten erkennen die Verwaltungsgerichte der Länder.

 

Artikel 132. (1) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben:

1.   wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet nach Erschöpfung des Instanzenzugs;

2.   der zuständige Bundesminister in den Angelegenheiten der[s] Art. 11[, 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3 und 4] sowie in jenen Angelegenheiten, in denen dem Bescheid eines Landes- oder Bezirksschulrats ein kollegialer Beschluss zugrunde liegt, soweit die Parteien den Beschluss nicht mehr anfechten können;

3.   die Landesregierung gegen Bescheide des zuständigen Bundesministers in den Angelegenheiten des Art. 15 Abs. 5 erster Satz und des Art. 15 Abs. 7;

4.   in weiteren Fällen nach Maßgabe der die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze wer unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen dazu berechtigt ist.

(2) Gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Verwaltungsbehörden kann Beschwerde erheben, wer behauptet, durch die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann Beschwerde erheben, wer als Partei im Verwaltungsverfahren zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Verwaltungsstrafsachen kann gesetzlich ausgeschlossen werden.

 

Artikel 133. (1) Der Verwaltungsgerichtshof erkennt über:

1.   Revisionen gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nach Maßgabe des

      Abs. 3 wegen Rechtswidrigkeit;

2.   Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision wegen Rechtswidrigkeit;

3.   Kompetenzkonflikte zwischen Verwaltungsgerichten oder zwischen einem Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof.

(2) Von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs sind jene Angelegenheiten ausgeschlossen, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs gehören.

(3) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.   die angefochtene Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird, oder wenn

2.   im Fall einer Verwaltungsstrafsache die Begehung der Verwaltungsübertretung nicht nur mit einer geringen Geldstrafe bedroht ist.

(4) Unter den Voraussetzungen des Abs. 3 Z. 1 oder 2 kann die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde auch dann Revision einlegen, wenn sie nicht Partei ist.

(5) Sofern der Verwaltungsgerichtshof die Revision nicht zurückzuweisen hat, hebt er die angefochtene Entscheidung auf oder weist er die Revision oder die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ab. Der Verwaltungsgerichtshof kann die Behandlung von Beschwerden und von Revisionen gemäß Abs. 1 Z. 1 ablehnen, wenn keine der Voraussetzungen des Abs. 3 Z. 1 oder 2 gegeben ist.

 

Artikel 134. (1) Die Verwaltungsgerichte und der Verwaltungsgerichtshof bestehen aus je einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und der erforderlichen Zahl von sonstigen Mitgliedern (Senatspräsidenten und Richtern).

(2) Den Präsidenten, den Vizepräsidenten und die übrigen Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofs ernennt der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung. Die Bundesregierung erstattet ihre Vorschläge, soweit es sich nicht um die Stelle des Präsidenten oder Vizepräsidenten handelt, auf Grund von Dreiervorschlägen der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtshofs. Die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofs müssen die rechtswissenschaftlichen Studien vollendet und bereits durch mindestens zehn Jahre eine Berufsstellung bekleidet haben, für die die Vollendung dieser Studien erforderlich ist. Wenigstens der dritte Teil der Mitglieder muss die Befähigung zum Richteramt haben, wenigstens der vierte Teil soll aus Berufsstellungen in den Ländern, womöglich aus dem Verwaltungsdienst der Länder, entnommen werden.

(3) Den Präsidenten, den Vizepräsidenten und die übrigen Mitglieder der Verwaltungsgerichte des Bundes ernennt der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat, soweit es sich nicht um die Stelle des Präsidenten oder Vizepräsidenten handelt, Dreiervorschläge des jeweiligen Verwaltungsgerichts des Bundes einzuholen. Die Mitglieder der Verwaltungsgerichte des Bundes müssen die rechtswissenschaftlichen Studien vollendet und bereits durch mindestens fünf Jahre eine Berufsstellung bekleidet haben, für die die Vollendung dieser Studien erforderlich ist. Wenigstens der vierte [fünfte?] Teil der Mitglieder soll aus Berufsstellungen der Länder, womöglich aus dem Verwaltungsdienst der Länder, entnommen werden. Wenigstens der vierte Teil der Mitglieder soll die Befähigung zum Richteramt haben.

(4) Den Präsidenten, den Vizepräsidenten und die übrigen Mitglieder des Verwaltungsgerichts eines Landes ernennt die Landesregierung. Diese hat, soweit es sich nicht um die Stelle des Präsidenten oder Vizepräsidenten handelt, Dreiervorschläge des Verwaltungsgerichts des Landes einzuholen. Die Mitglieder der Verwaltungsgerichte müssen die rechtswissenschaftlichen Studien vollendet und bereits durch mindestens fünf Jahre eine Berufsstellung bekleidet haben, für die die Vollendung dieser Studien erforderlich ist. Wenigstens der vierte Teil der Mitglieder soll aus Berufsstellungen im Bund, womöglich mit der Befähigung zum Richteramt, entnommen werden.

(5) Dem Verwaltungsgerichtshof können Mitglieder der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines allgemeinen Vertretungskörpers nicht angehören; den Verwaltungsgerichten können Mitglieder der Bundesregierung, einer Landesregierung, des Nationalrats, des Bundesrats oder eines Landtags nicht angehören; für Mitglieder solcher allgemeiner Vertretungskörper, die auf eine bestimmte Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode gewählt wurden, dauert die Unvereinbarkeit auch bei vorzeitigem Verzicht auf das Mandat bis zum Ablauf der Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode fort.

(6) Zum Präsidenten oder Vizepräsidenten eines Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs kann nicht bestellt werden, wer eine der in Abs. 5 bezeichneten Funktionen in den letzten vier Jahren bekleidet hat.

(7) Alle Mitglieder der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofs sind berufsmäßig angestellte Richter. Die Bestimmungen des Artikels 87 Abs. 1 und 2 und des Artikels 88 Abs. 2 finden auf sie Anwendung. Am 31. Dezember des Jahres, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden, treten die Mitglieder der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofs kraft Gesetzes in den dauernden Ruhestand.

 

Artikel 135. (1) Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in Senaten. Die Verwaltungsgerichte erkennen grundsätzlich durch Einzelmitglieder; das auf Grundlage des Art. 136 Abs. 3 ergangene Bundesgesetz kann die Entscheidung in Senaten normieren, soweit nicht das auf Grundlage des Art. 136 Abs. 1 oder Abs. 2 ergangene Gesetz Abweichendes vorsieht. Die Senate sind von der Vollversammlung aus den Mitgliedern des Gerichts zu bilden. Der zur Regelung der einzelnen Gebiete der Verwaltung zuständige Gesetzgeber kann die Mitwirkung von Personen in Senaten der Verwaltungsgerichte vorsehen, die nicht die Anforderungen des   Art. 134 Abs. 3, 4 und 5 erfüllen.[57]

(2) Die Geschäfte des Verwaltungsgerichtshofs sind durch die Vollversammlung, jene der Verwaltungsgerichte nach Maßgabe gesetzlicher Regelung auch durch ein anderes von deren Vollversammlung gewähltes Organ, dem jedenfalls der Präsident anzugehören hat,[58] auf die einzelnen Senate oder auf die einzelnen Mitglieder für die durch Gesetz bestimmte Zeit im voraus zu verteilen.

(3) Eine nach dieser Einteilung einem Mitglied zufallende Sache darf diesem nur durch das nach Abs. 2 zuständige Organ und nur im Falle seiner Verhinderung oder dann abgenommen werden, wenn es wegen des Umfangs seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist.

 

Artikel 136. (1) Die näheren Bestimmungen über Einrichtung und Aufgabenkreis der Verwaltungsgerichte des Bundes und des Verwaltungsgerichtshofs werden durch ein besonderes Bundesgesetz geregelt.

(2) Die näheren Bestimmungen über Einrichtung und Aufgabenkreis der Verwaltungsgerichte der Länder sowie das Dienstrecht ihrer Mitglieder werden durch Landesgesetz geregelt.

(3) Das Verfahren der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofs wird durch ein besonderes Bundesgesetz geregelt.

(4) Die Vollversammlungen der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofs beschließen auf Grund der nach den vorstehenden Absätzen erlassenen Gesetze Geschäftsordnungen, in denen Näheres über den Geschäftsgang und das Verfahren geregelt wird.

 

XIII.2 Verfassungsgerichtsbarkeit

[Im Folgenden ist der gemeinsame, mehrfach überarbeitete Textvorschlag Grabenwarter/Jabloner wiedergegeben; im Ausschuss 9 textlich konsentiert.]

 

 

B. Verfassungsgerichtshof

Artikel 137. Der Verfassungsgerichtshof erkennt über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

 

Artikel 138. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt ferner über Kompetenzkonflikte
a)      zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden;

b) zwischen einem Verwaltungsgericht oder zwischen dem Verwaltungsgerichtshof einerseits und den anderen Gerichten andererseits, insbesondere auch zwischen einem Verwaltungsgericht oder dem Verwaltungsgerichtshof einerseits und dem Verfassungsgerichtshof selbst andererseits, sowie zwischen den ordentlichen Gerichten und anderen Gerichten;

c) zwischen den Ländern untereinander sowie zwischen einem Land und dem Bund.
               (2) Der Verfassungsgerichtshof stellt weiters auf Antrag der Bundesregierung oder einer Landesregierung fest, ob ein Akt der Gesetzgebung oder Vollziehung in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fällt.

 

Artikel 138a. (1) Auf Antrag der Bundesregierung oder einer beteiligten Landesregierung stellt der Verfassungsgerichtshof fest, ob eine Vereinbarung im Sinne des Art. 15a Abs. 1 vorliegt und ob von einem Land oder dem Bund die aus einer solchen Vereinbarung folgenden Verpflichtungen, soweit es sich nicht um vermögensrechtliche Ansprüche handelt, erfüllt worden sind.
               (2) Wenn es in einer Vereinbarung im Sinne des Art. 15a Abs. 2 vorgesehen ist, stellt der Verfassungsgerichtshof ferner auf Antrag einer beteiligten Landesregierung fest, ob eine solche Vereinbarung vorliegt und ob die aus einer solchen Vereinbarung folgenden Verpflichtungen, soweit es sich nicht um vermögensrechtliche Ansprüche handelt, erfüllt worden sind.

 

Artikel 139. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundes- oder Landesbehörde auf Antrag eines Gerichts [ ... ] oder des Bundesvergabeamts, sofern aber der Verfassungsgerichtshof eine solche Verordnung in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte, von Amts wegen. Er erkennt über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Landesbehörde auch auf Antrag der Bundesregierung und über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundesbehörde auch auf Antrag einer Landesregierung und über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Gemeindeaufsichtsbehörde nach Art. 119a Abs. 6 auch auf Antrag der betreffenden Gemeinde. Er erkennt ferner über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheids für diese Person wirksam geworden ist; für solche Anträge gilt  Art. 89 Abs. 3 sinngemäß.
 
Variante Schnizer/Stoisits für einen neu einzufügenden 3. Satz in Art. 139 Abs. 1:

Durch Bundes- oder Landesgesetz können weitere Fälle vorgesehen werden,  in denen der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag von Amtsorganen und Organisationen erkennt.

[Textvorschlag Schnizer/Stoisits zur Einführung der Verfassungsbeschwerde; im Ausschuss 9 nicht konsentiert.]

 

Gemeinsamer Textvorschlag Jabloner/Grabenwarter/Rzeszut für Gesetzesbeschwerde:
               (1a) Der Verfassungsgerichtshof erkennt ferner über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen nach Fällung einer rechtskräftigen Entscheidung durch ein letztinstanzlich erkennendes[59] Gericht; dies aufgrund eines Antrags einer Person, die Partei dieses Verfahrens war und die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet. Art. 89 Abs. 3 gilt sinngemäß. Mit der Entscheidung über die Aufhebung der Verordnung oder dem Ausspruch ihrer Gesetzwidrigkeit gilt das gerichtliche Verfahren als wieder aufgenommen. In gerichtlichen Strafverfahren hat auch der Generalprokurator ein Antragsrecht. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung eines Antrags bis zur Verhandlung durch Beschluss ablehnen, wenn  keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
[Adaptierter, gemeinsamer Textvorschlag Jabloner/Grabenwarter/Rzeszut für die „Gesetzesbeschwerde“ = ehemals „Subsidiarantrag“; im Ausschuss 9 textlich konsentiert, aber Dr. Schnizer und Abg. z. NR Maga. Stoisits sprechen sich für die darüber hinaus gehende Verfassungsbeschwerde aus.]
 
               (2) Wird in einer beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Rechtssache, in der der Verfassungsgerichtshof eine Verordnung anzuwenden hat, die Partei klaglos gestellt, so ist ein bereits eingeleitetes Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung dennoch fortzusetzen.
               (3) Der Verfassungsgerichtshof darf eine Verordnung nur insoweit als gesetzwidrig aufheben, als ihre Aufhebung ausdrücklich beantragt wurde oder als sie der Verfassungsgerichtshof in der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. Gelangt der Verfassungsgerichtshof jedoch zur Auffassung, dass die ganze Verordnung
               a) der gesetzlichen Grundlage entbehrt,
               b) von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde oder
               c) in gesetzwidriger Weise kundgemacht
wurde, so hat er die ganze Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben. Dies gilt nicht, wenn die Aufhebung der ganzen Verordnung offensichtlich den rechtlichen Interessen der Partei zuwiderläuft, die einen Antrag gemäß dem letzten Satz des Abs. 1 gestellt hat oder deren Rechtssache Anlass für die Einleitung eines amtswegigen Verordnungsprüfungsverfahrens gegeben hat.
               (4) Ist die Verordnung im Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs bereits außer Kraft getreten und wurde das Verfahren von Amts wegen eingeleitet oder der Antrag von einem Gericht [ ... ], vom Bundesvergabeamt oder von einer Person gestellt, die unmittelbar durch die Gesetzwidrigkeit der Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, so hat der Verfassungsgerichtshof auszusprechen, ob die Verordnung gesetzwidrig war. Abs. 3 gilt sinngemäß.
               (5) Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, mit dem eine Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben wird, verpflichtet die zuständige oberste Behörde des Bundes oder des Landes zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung. Dies gilt sinngemäß für den Fall eines Ausspruchs gemäß Abs. 4. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft, wenn nicht der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmt, die sechs Monate, wenn aber gesetzliche Vorkehrungen erforderlich sind, 18 Monate nicht überschreiten darf.
               (6) Ist eine Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass eine Verordnung gesetzwidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofs gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalls ist jedoch die Verordnung weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist die Verordnung auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalls anzuwenden.

 

Artikel 139a. Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Gesetzwidrigkeit von Kundmachungen über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrags) auf Antrag eines Gerichts [ ... ] oder des Bundesvergabeamts, sofern aber der Verfassungsgerichtshof eine solche Kundmachung in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte, von Amts wegen. Er erkennt über Gesetzwidrigkeit solcher Kundmachungen eines Landes auch auf Antrag der Bundesregierung und über Gesetzwidrigkeit solcher Kundmachungen des Bundes auch auf Antrag einer Landesregierung. Er erkennt ferner über Gesetzwidrigkeit solcher Kundmachungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Kundmachung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Art. 139 Abs. 2 bis 6 ist sinngemäß anzuwenden.

 

Artikel 140. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Verfassungswidrigkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes auf Antrag [ ... ] eines Gerichts, sofern aber der Verfassungsgerichtshof ein solches Gesetz in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte, von Amts wegen. Er erkennt über [die] Verfassungswidrigkeit von Landesgesetzen auch auf Antrag der Bundesregierung und über [die] Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen auch auf Antrag einer Landesregierung, eines Drittels der Mitglieder des Nationalrats oder eines Drittels der Mitglieder des Bundesrats. Durch Landesverfassungsgesetz kann bestimmt werden, dass ein solches Antragsrecht hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit von Landesgesetzen auch einem Drittel der Mitglieder des Landtags zusteht. Der Verfassungsgerichtshof erkennt ferner über [die] Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheids für diese Person wirksam geworden ist; für solche Anträge gilt Art. 89 Abs. 3 sinngemäß.
 
Variante Schnizer/Stoisits für einen neu einzufügenden 4. Satz in Art. 140 Abs. 1:

Durch Bundes- oder Landesgesetz können weitere Fälle vorgesehen werden, in denen der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag von Amtsorganen und Organisationen erkennt.   

[Textvorschlag Schnizer/Stoisits zur Einführung der Verfassungsbeschwerde; im Ausschuss 9 nicht konsentiert.]

 
Gemeinsamer Textvorschlag Jabloner/Grabenwarter/Rzeszut für Gesetzesbeschwerde:
               (1a) Der Verfassungsgerichtshof erkennt ferner über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen nach Fällung einer rechtskräftigen Entscheidung durch ein letztinstanzlich erkennendes[60] Gericht; dies aufgrund eines Antrags einer Person, die Partei dieses Verfahrens war und die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet. Art. 89 Abs. 3 gilt sinngemäß. Mit der Entscheidung über die Aufhebung des Gesetzes oder dem Ausspruch seiner Verfassungswidrigkeit gilt das gerichtliche Verfahren als wieder aufgenommen. In gerichtlichen Strafverfahren hat auch der Generalprokurator ein Antragsrecht. Art. 139  Abs. 1a letzter Satz gilt sinngemäß.
[Adaptierter, gemeinsamer Textvorschlag Jabloner/Grabenwarter/Rzeszut für die „Gesetzesbeschwerde“ = ehemals „Subsidiarantrag“; im Ausschuss 9 textlich konsentiert, aber Dr. Schnizer und Abg. z. NR Maga. Stoisits sprechen sich für die darüber hinaus gehende Verfassungsbeschwerde aus.]
 
               (2) Wird in einer beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Rechtssache, in der der Verfassungsgerichtshof ein Gesetz anzuwenden hat, die Partei klaglos gestellt, so ist ein bereits eingeleitetes Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes dennoch fortzusetzen.
               (3) Der Verfassungsgerichtshof darf ein Gesetz nur insoweit als verfassungswidrig aufheben, als seine Aufhebung ausdrücklich beantragt wurde oder als der Verfassungsgerichtshof das Gesetz in der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. Gelangt der Verfassungsgerichtshof jedoch zu der Auffassung, dass das ganze Gesetz von einem nach der Kompetenzverteilung nicht berufenen Gesetzgebungsorgan erlassen oder in verfassungswidriger Weise kundgemacht wurde, so hat er das ganze Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben. Dies gilt nicht, wenn die Aufhebung des ganzen Gesetzes offensichtlich den rechtlichen Interessen der Partei zuwiderläuft, die einen Antrag gemäß dem letzten Satz des Abs. 1 gestellt hat oder deren Rechtssache Anlass für die Einleitung eines amtswegigen Gesetzesprüfungsverfahrens gegeben hat.
               (4) Ist das Gesetz im Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs bereits außer Kraft getreten und wurde das Verfahren von Amts wegen eingeleitet oder der Antrag von einem Gericht, [ ... ] vom Bundesvergabeamt oder von einer Person gestellt, die unmittelbar durch die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, so hat der Verfassungsgerichtshof auszusprechen, ob das Gesetz verfassungswidrig war. Abs. 3 gilt sinngemäß.
               (5) Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, mit dem ein Gesetz als verfassungswidrig aufgehoben wird, verpflichtet den Bundeskanzler oder den zuständigen Landeshauptmann zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung. Dies gilt sinngemäß für den Fall eines Ausspruchs gemäß Abs. 4. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft, wenn nicht der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmt. Diese Frist darf 18 Monate nicht überschreiten.
               (6) Wird durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs ein Gesetz als verfassungswidrig aufgehoben, so treten mit dem Tag des Inkrafttretens der Aufhebung, falls das Erkenntnis nicht anderes ausspricht, die gesetzlichen Bestimmungen wieder in Kraft, die durch das vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannte Gesetz aufgehoben worden waren. In der Kundmachung über die Aufhebung des Gesetzes ist auch zu verlautbaren, ob und welche gesetzlichen Bestimmungen wieder in Kraft treten.
               (7) Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofs gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalls ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalls anzuwenden.

 

Artikel 140a. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen. Dabei ist auf die mit Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 abgeschlossenen Staatsverträge und die gesetzändernden oder gesetzesergänzenden Staatsverträge gemäß Art. 16 Abs. 1 der Art. 140, auf alle anderen Staatsverträge der Art. 139 mit der Maßgabe anzuwenden, dass Staatsverträge, deren Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit der Verfassungsgerichtshof feststellt, mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Erkenntnisses von den zu ihrer Vollziehung berufenen Organen nicht anzuwenden sind, wenn der Verfassungsgerichtshof nicht eine Frist bestimmt, innerhalb welcher ein solcher Staatsvertrag weiter anzuwenden ist. Diese Frist darf bei den in Art. 50 bezeichneten Staatsverträgen und bei den Staatsverträgen gemäß Art. 16 Abs. 1, die gesetzändernd oder gesetzesergänzend sind, zwei Jahre, bei allen anderen Staatsverträgen ein Jahr nicht überschreiten.
               (2) Stellt der Verfassungsgerichtshof die Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit eines Staatsvertrags fest, so tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Erkenntnisses eine diesen Staatsvertrag betreffende Anordnung des Bundespräsidenten nach Art. 65 Abs. 1 zweiter Satz oder ein Beschluss des Nationalrats nach Art. 50 Abs. 2 außer Kraft.

 

Artikel 141. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt
               a) über die Anfechtung der Wahl des Bundespräsidenten, von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, zum Europäischen Parlament und zu den satzungsgebenden Organen (Vertretungskörpern) der gesetzlichen beruflichen Vertretungen;
               b) über Anfechtungen von Wahlen in die Landesregierung und in die mit der Vollziehung betrauten Organe einer Gemeinde;
               c) auf Antrag eines allgemeinen Vertretungskörpers auf Mandatsverlust eines seiner Mitglieder; auf Antrag von wenigstens elf Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Republik Österreich auf Mandatsverlust eines Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Republik Österreich;
               d) auf Antrag eines satzungsgebenden Organs (Vertretungskörpers) einer gesetzlichen beruflichen Vertretung auf Mandatsverlust eines der Mitglieder eines solchen Organs;
               e) soweit in den die Wahlen regelnden Bundes- oder Landesgesetzen die Erklärung des Mandatsverlusts durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde vorgesehen ist, über die Anfechtung solcher Bescheide, durch die der Verlust des Mandats in einem allgemeinen Vertretungskörper, in einem mit der Vollziehung betrauten Organ einer Gemeinde oder in einem satzungsgebenden Organ (Vertretungskörper) einer gesetzlichen beruflichen Vertretung ausgesprochen wurde, nach Erschöpfung des Instanzenzugs.
Die Anfechtung (der Antrag) kann auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens beziehungsweise auf einen gesetzlich vorgesehenen Grund für den Verlust der Mitgliedschaft in einem allgemeinen Vertretungskörper, im Europäischen Parlament, in einem mit der Vollziehung betrauten Organ einer Gemeinde oder in einem satzungsgebenden Organ (Vertretungskörper) einer gesetzlichen beruflichen Vertretung gegründet werden. Der Verfassungsgerichtshof hat einer Wahlanfechtung stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit eines Wahlverfahrens erwiesen wurde und auf das Wahlergebnis von Einfluss war. In dem Verfahren vor den Verwaltungsbehörden hat auch der allgemeine Vertretungskörper und die gesetzliche berufliche Vertretung Parteistellung.
               (2) Wird einer Anfechtung gemäß Abs. 1 lit. a stattgegeben und dadurch die teilweise oder gänzliche Wiederholung der Wahl zu einem allgemeinen Vertretungskörper, zum Europäischen Parlament oder zu einem satzungsgebenden Organ der gesetzlichen beruflichen Vertretungen erforderlich, so verlieren die betroffenen Mitglieder dieses Vertretungskörpers ihr Mandat im Zeitpunkt der Übernahme desselben durch jene Mitglieder, die bei der innerhalb von 100 Tagen nach der Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs durchzuführenden Wiederholungswahl gewählt wurden.
               (3) Unter welchen Voraussetzungen der Verfassungsgerichtshof über Anfechtungen des Ergebnisses von Volksbegehren, Volksbefragungen oder Volksabstimmungen zu entscheiden hat, wird durch Bundesgesetz geregelt. Bundesgesetzlich kann auch angeordnet werden, wie lang im Hinblick auf eine solche Anfechtungsmöglichkeit mit der Kundmachung
des Bundesgesetzes, über das eine Volksabstimmung erfolgte, zugewartet werden muss.

 

Artikel 142. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Anklage, mit der die verfassungsmäßige Verantwortlichkeit der obersten Bundes- und Landesorgane für die durch ihre Amtstätigkeit erfolgten schuldhaften Rechtsverletzungen geltend gemacht wird.
               (2) Die Anklage kann erhoben werden:
               a) gegen den Bundespräsidenten wegen Verletzung der Bundesverfassung: durch Beschluss der Bundesversammlung;
               b) gegen die Mitglieder der Bundesregierung und die ihnen hinsichtlich der Verantwortlichkeit gleichgestellten Organe wegen Gesetzesverletzung: durch Beschluss des Nationalrats;
               c) gegen einen österreichischen Vertreter im Rat wegen Gesetzesverletzung in Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung Bundessache wäre: durch Beschluss des Nationalrats, wegen Gesetzesverletzung in Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung      Landessache wäre: durch gleichlautende Beschlüsse aller Landtage;
               d) gegen die Mitglieder einer Landesregierung und die ihnen hinsichtlich der Verantwortlichkeit durch dieses Gesetz oder durch die Landesverfassung gleichgestellten Organe wegen Gesetzesverletzung: durch Beschluss des zuständigen Landtags;
               e) gegen einen Landeshauptmann, dessen Stellvertreter (Art. 105 Abs. 1) oder ein Mitglied der Landesregierung (Art. 103 Abs. 2 und 3) wegen Gesetzesverletzung sowie wegen Nichtbefolgung der Verordnungen oder sonstigen Anordnungen (Weisungen) des Bundes in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung, wenn es sich um ein Mitglied der Landesregierung handelt, auch der Weisungen des Landeshauptmanns in diesen Angelegenheiten: durch Beschluss der Bundesregierung;
               f) gegen Organe der Bundeshauptstadt Wien, soweit sie Aufgaben aus dem Bereich der Bundesvollziehung im eigenen Wirkungsbereich besorgen, wegen Gesetzesverletzung: durch Beschluss der Bundesregierung;
               g) gegen einen Landeshauptmann wegen Nichtbefolgung einer Weisung gemäß   Art. 14 Abs. 8: durch Beschluss der Bundesregierung;
               h) gegen einen Präsidenten oder Amtsführenden Präsidenten des Landesschulrats wegen Gesetzesverletzung sowie wegen Nichtbefolgung der Verordnungen oder sonstigen Anordnungen (Weisungen) des Bundes: durch Beschluss der Bundesregierung.
               (3) Wird von der Bundesregierung gemäß Abs. 2 lit. e die Anklage nur gegen einen Landeshauptmann oder dessen Stellvertreter erhoben, und erweist es sich, dass einem nach Art. 103 Abs. 2 mit Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung befassten anderen Mitglied der Landesregierung ein Verschulden im Sinne des Abs. 2 lit. e zur Last fällt, so kann die Bundesregierung jederzeit bis zur Fällung des Erkenntnisses ihre Anklage auch auf dieses Mitglied der Landesregierung ausdehnen.
               (4) Das verurteilende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs hat auf Verlust des Amtes, unter besonders erschwerenden Umständen auch auf zeitlichen Verlust der politischen Rechte, zu lauten; bei geringfügigen Rechtsverletzungen in den in Abs. 2 unter c, e, g und h erwähnten Fällen kann sich der Verfassungsgerichtshof auf die Feststellung beschränken, dass eine Rechtsverletzung vorliegt. Der Verlust des Amtes des Präsidenten des Landesschulrats hat auch den Verlust jenes Amtes zur Folge, mit dem das Amt des Präsidenten gemäß        Art. 81a Abs. 3 lit. b verbunden ist.
               (5) Der Bundespräsident kann von dem ihm nach Art. 65 Abs. 2 lit. c zustehenden Recht nur auf Antrag des Vertretungskörpers oder der Vertretungskörper, von dem oder von denen die Anklage beschlossen worden ist, wenn aber die Bundesregierung die Anklage beschlossen hat, nur auf deren Antrag Gebrauch machen, und zwar in allen Fällen nur mit Zustimmung des Angeklagten.

 

Artikel 143. Die Anklage gegen die in Art. 142 Genannten kann auch wegen strafgerichtlich zu verfolgender Handlungen erhoben werden, die mit der Amtstätigkeit des Anzuklagenden in Verbindung stehen. In diesem Falle wird der Verfassungsgerichtshof allein zuständig; die bei den ordentlichen Strafgerichten etwa bereits anhängige Untersuchung geht auf ihn über. Der Verfassungsgerichtshof kann in solchen Fällen neben dem Art. 142 Abs. 4 auch die strafgesetzlichen Bestimmungen anwenden.
 
Gemeinsamer Textvorschlag Grabenwarter/Jabloner :

Artikel 144. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Beschwerden gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, soweit der Beschwerdeführer durch die Entscheidung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrig wiederverlautbarten Rechtsvorschrift, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrags in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

(2) Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde bis zur Verhandlung durch Beschluss ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist. Die Ablehnung der Beschwerde ist unzulässig, wenn es sich um einen Fall handelt, der nach  Art. 133 Abs. 2 von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs ausgeschlossen ist.

(3) Findet der Verfassungsgerichtshof, dass durch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts ein Recht im Sinne des Abs. 1 nicht verletzt wurde, so hat der Beschwerdeführer das Recht, innerhalb der hiefür gesetzlich bestimmten Frist beim Verwaltungsgerichtshof Revision oder im Fall der Nichtzulassung der Revision Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben. Dies gilt sinngemäß bei Beschlüssen nach Abs. 2.

 

[Dies ist der gemeinsame, mehrfach überarbeitete Textvorschlag Grabenwarter/Jabloner; im Ausschuss 9 textlich konsentiert; Dr. Schnizer und Abg. z. NR Maga. Stoisits sprechen sich für die darüber hinaus gehende Verfassungsbeschwerde aus.]

 

Variante Schnizer/Stoisits für einen neuen Art. 144:

Artikel 144. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Beschwerden gegen Entscheidungen von Gerichten, soweit der Beschwerdeführer durch die Entscheidung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrags), eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrags in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Beschwerde kann erst nach Erschöpfung des Instanzenzugs erhoben werden.

            (2) Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde bis zur Verhandlung durch Beschluss ablehnen, wenn sie im Lichte der bisherigen Rechtsprechung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

 

[Textvorschlag Schnizer/Stoisits zur Einführung der Verfassungsbeschwerde; im Ausschuss 9 zwar textlich überarbeitet, aber nicht konsentiert; vgl. dazu näher Protokoll über die 13. Sitzung vom 23. September 2004.]

 
Artikel 145. Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Verletzungen des Völkerrechts nach den Bestimmungen eines besonderen Bundesgesetzes.

 

Artikel 146. (1) Die Exekution der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs nach Art. 126a, Art. 127c und Art. 137 wird von den ordentlichen Gerichten durchgeführt.
               (2) Die Exekution der übrigen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs liegt dem Bundespräsidenten ob. Sie ist nach dessen Weisungen durch die nach seinem Ermessen hiezu beauftragten Organe des Bundes oder der Länder einschließlich des Bundesheeres durchzuführen. Der Antrag auf Exekution solcher Erkenntnisse ist vom Verfassungsgerichtshof beim Bundespräsidenten zu stellen. Die erwähnten Weisungen des Bundespräsidenten bedürfen, wenn es sich um Exekutionen gegen den Bund oder gegen Bundesorgane handelt, keiner Gegenzeichnung nach Art. 67.

 

Artikel 147. (1) Der Verfassungsgerichtshof besteht aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten, zwölf weiteren Mitgliedern und sechs Ersatzmitgliedern.
               (2) Den Präsidenten, den Vizepräsidenten, sechs weitere Mitglieder und drei Ersatzmitglieder ernennt der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung; diese Mitglieder und Ersatzmitglieder sind aus dem Kreis der Richter, Verwaltungsbeamten und Professoren eines rechtswissenschaftlichen Fachs an einer Universität zu entnehmen. Die übrigen sechs Mitglieder und drei Ersatzmitglieder ernennt der Bundespräsident auf Grund von Vorschlägen, die für drei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder der Nationalrat und für drei Mitglieder und ein Ersatzmitglied der Bundesrat erstatten. Drei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder müssen ihren ständigen Wohnsitz außerhalb der Bundeshauptstadt Wien haben. Verwaltungsbeamte des Dienststands, die zu Mitgliedern oder Ersatzmitgliedern ernannt werden, sind unter Entfall ihrer Bezüge außer Dienst zu stellen. Dies gilt nicht für zum Ersatzmitglied ernannte Verwaltungsbeamte, die von allen weisungsgebundenen Tätigkeiten befreit worden sind, für die Dauer dieser Befreiung.
               (3) Der Präsident, der Vizepräsident sowie die übrigen Mitglieder und die Ersatzmitglieder müssen das Studium der Rechtswissenschaften oder die rechts- und staatswissenschaftlichen Studien abgeschlossen und bereits durch mindestens zehn Jahre eine Berufsstellung bekleidet haben, für die der Abschluss dieser Studien vorgeschrieben ist.
               (4) Dem Verfassungsgerichtshof können nicht angehören: Mitglieder der Bundesregierung oder einer Landesregierung, ferner Mitglieder des Nationalrats, des Bundesrats oder sonst eines allgemeinen Vertretungskörpers; für Mitglieder dieser Vertretungskörper, die auf eine bestimmte Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode gewählt wurden, dauert die Unvereinbarkeit auch bei vorzeitigem Verzicht auf das Mandat bis zum Ablauf der Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode fort. Endlich können dem Verfassungsgerichtshof Personen nicht angehören, die Angestellte oder sonstige Funktionäre einer politischen Partei sind.
               (5) Zum Präsidenten oder Vizepräsidenten des Verfassungsgerichtshofs kann nicht bestellt werden, wer eine der im Abs. 4 bezeichneten Funktionen in den letzten vier Jahren bekleidet hat.
               (6) Auf die Mitglieder und die Ersatzmitglieder des Verfassungsgerichtshofs finden Art. 87 Abs. 1 und 2 und Art. 88 Abs. 2 Anwendung; die näheren Bestimmungen werden in dem gemäß Art. 148 ergehenden Bundesgesetz geregelt. Als Altersgrenze, nach deren Erreichung ihr Amt endet, wird der 31. Dezember des Jahres bestimmt, in dem der Richter das siebzigste Lebensjahr vollendet hat.
               (7) Wenn ein Mitglied oder Ersatzmitglied drei aufeinander[]folgenden Einladungen zu einer Verhandlung des Verfassungsgerichtshofs ohne genügende Entschuldigung keine Folge geleistet hat, so hat dies nach seiner Anhörung der Verfassungsgerichtshof festzustellen. Diese Feststellung hat den Verlust der Mitgliedschaft oder der Eigenschaft als Ersatzmitglied zur Folge.

 

Artikel 148. Der Gerichtshof teilt in seinen Entscheidungen das Stimmenverhältnis mit. Jedes Mitglied kann seine in der Beratung vertretene abweichende Meinung zu der Entscheidung oder zu deren Begründung in einem Sondervotum niederlegen; dieses ist der Entscheidung anzuschließen. Die näheren Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren des Verfassungsgerichtshofs werden durch ein besonderes Bundesgesetz und auf Grund dieses durch eine vom Verfassungsgerichtshof zu beschließende Geschäftsordnung geregelt.

 

[Der hier in den ersten beiden Sätzen über Wunsch des Präsidiums erstellte gemeinsame Textvorschlag des Ausschussvorsitzenden und des Ausschussbetreuers für die Einführung der „dissenting opinion“ ist im Ausschuss 9 nicht konsentiert.]

 

 

XV Übergangsbestimmungen

[Ein von der Ausschussbetreuung erarbeiteter „Rohentwurf“ für einen (nach dem derzeitigen System) neu anzufügenden Abs. 30 in Art. 151 B-VG ist hier aus praktischen Erwägungen noch nicht eingearbeitet.]

 

 

 

Ausschussvorsitzender: Univ.-Prof. Dr. Herbert Haller                17. November 2004



[1] Vgl. dazu näher die einzelnen Textvorschläge für die Art. 82 bis 94 B-VG unter Punkt VIII.9 „Ordentliche Gerichtsbarkeit“ im Besonderen Teil B. des Ausschussberichts.

[2] Veröffentlicht auf der Homepage des Österreich-Konvents (unter www.konvent.gv.at).

[3] Vgl. dazu Richterliche Standesvertretung, Entwurf für die Einrichtung eines Unabhängigen Justizsenats, Wien, Oktober 2004; vgl. dazu weiters die neu vorgeschlagenen Art. 85a bis 86a B-VG unter Punkt VIII.9 „Ordentliche Gerichtsbarkeit“ im Besonderen Teil B. des Ausschussberichts.

[4] Vgl. den Vorschlag von Dr. Schnizer zu einem Kollegialorgan der Richter zur Führung der Justizverwaltung idF vom 25. Oktober 2004.

[5] Vgl. den aufgrund der Ausschussberatungen erstellten Textvorschlag von Präsident Dr. Rzeszut zu einem Kollegialorgan der Richter idF vom 2. November 2004.

[6] Vgl. die Stellungnahme der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte vom 18. August 2004.

[7] Vgl. die gemeinsame Stellungnahme der Vereinigung der Österreichischen Richter und der Bundessektion Richter und Staatsanwälte in der GÖD vom 27. August 2004.

[8] Vgl. VfSlg. 8.523/1979.

[9] Vgl. dazu näher Helige/Aistleitner, Disziplinarrecht neu?, RZ 2004, 169 ff.

[10] Vgl. dazu näher Ausschussbericht vom 26. März 2004, S. 44 f.

[11] Vgl. dazu näher den Textvorschlag für einen teilweise neuen Art. 52a B-VG unter Punkt VII.11.3 „Kontrollrechte“ im Besonderen Teil B. des Ausschussberichts.

[12] In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich das Ergänzungsmandat für den Ausschuss 9 vom 9.6.2004 nur auf das externe Weisungsrecht bezieht, wenn dort wörtlich festgehalten ist: „Weisungsrecht des Bundesministers für Justiz: Ausarbeitung der beiden folgenden Textvorschläge: Verbesserung der Kontrolle und Transparenz des Weisungsrechts durch einen eigenen parlamentarischen Ausschuss (unter Umständen ständiger Unterausschuss gemäß Art. 52a B-VG); ...“ [Hervorhebung durch die Verfasser]

[13] Vgl. dazu näher Punkt I. 5. 2.

 

[14] Vgl. dazu näher Dr. Schnizer, Vorschlag für einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt idF vom 25. Oktober 2004.

[15] Vgl. dazu näher die Initiativanträge 329/A XXI. GP und 126/A XXII. GP der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion und den Ausschussbericht vom 26. März 2004, S. 12 f.

[16] Vgl. dazu näher Ausschussbericht vom 26. März 2004, S. 15.

[17] StGBl 1920/451 idF BGBl 1925/368 [Wv] idF BGBl I 1999/194.

[18] Vgl. dazu näher Ausschussbericht vom 26. März 2004, S. 15.

[19] Vgl. dazu näher DDr. Lengheimer, Überlegungen zur Mitsprache der Bundesländer bei der Organisation der Gerichtsbarkeit, Stellungnahme vom 25. August 2004.

[20] Vgl. dazu näher Burgstaller in Korinek/Holoubek, B-VG, Rz 20 zu Art. 91/2-3.

[21] Vgl. dazu näher den Textvorschlag für einen teilweise neuen Art. 91 B-VG unter Punkt VIII.9 „Ordentliche Gerichtsbarkeit“ im Besonderen Teil B. des Ausschussberichts.

 

[22] Vgl. dazu den gemeinsamen Textvorschlag Jabloner/Grabenwarter/Rzeszut in: „Die Gesetzesbeschwerde als systematische Fortentwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit“ (samt Erläuterungen) idF 28. September 2004.

[23] Aufgrund des Umstands, dass der Konditionalsatz am Ende („..., wenn er [jener] keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.“) – im Gegensatz zum derzeit geltenden Art. 144 Abs. 2 erster Satz B-VG – nicht zwei Tatbestände, sondern nur einen Tatbestand umfasst, könnte man diesen letzten Satz nach Ansicht der Verfasser dieses Textvorschlags wie folgt umstellen: „Hat der Antrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, kann der Verfassungsgerichtshof seine Behandlung bis zur Verhandlung durch Beschluss ablehnen.

[24] Vgl. dazu näher den Textvorschlag für die neuen Absätze 1a in den Art. 139 und 140 B-VG unter Punkt XIII.2 „Verfassungsgerichtsbarkeit“ im Besonderen Teil B. des Ausschussberichts.

[25] Vgl. dazu den gemeinsamen Textvorschlag Schnizer/Stoisits zur „Einführung einer Verfassungsbeschwerde und zur Erweiterung der Anfechtungslegitimation“ (samt Erläuterungen) idF 7. Oktober 2004.

[26] Vgl. dazu den gemeinsamen Textvorschlag Schnizer/Stoisits idF 15. Oktober 2004 sowie den Textvorschlag für den neuen Art. 144 B-VG unter Punkt XIII.2 „Verfassungsgerichtsbarkeit“ im Besonderen Teil B. des Ausschussberichts.

[27] Vgl. dazu im Einzelnen die Fußnote 3 auf S. 11 des Protokolls über die 13. Sitzung vom 23. September 2004.

[28] Vgl. dazu näher oben unter Punkt I. 3.

[29] Vgl. den diesbezüglich bereits erzielten, im Ausschussbericht vom 26. März 2004, S. 20, dokumentierten Konsens.

[30] In der Zwischenzeit hat der VfGH mit Erkenntnis G 4/04 u. a. vom 16.6.2004 die Wortfolge „mit den Rechten nach § 19 Abs. 3 2. Satz“ in § 24 Abs. 3 2. Satz UVP-Gesetz 2000 aufgehoben.

[31] § 30 Abs. 2 BVerfGG in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 21.12.1970 lautet: „(2) Ein Richter kann seine in der Beratung vertretene abweichende Meinung zu der Entscheidung oder zu deren Begründung in einem Sondervotum niederlegen; das Sondervotum ist der Entscheidung anzuschließen. Die Senate können in ihren Entscheidungen das Stimmenverhältnis mitteilen. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung.“

[32] Vgl. dazu näher den gemeinsamen Textvorschlag des Ausschussvorsitzenden und der Ausschussbetreuung für die Einführung einer „dissenting opinion“ beim VfGH (samt Erläuterungen) vom 2. August 2004, der auch unter Punkt XIII.2 „Verfassungsgerichtsbarkeit“ im Besonderen Teil B. des Ausschussberichts enthalten ist.

[33] Vgl. dazu näher den Textvorschlag von Abg. z. NR Maga. Stoisits zur Einführung eines „Organstreitverfahrens“ zwischen Parlament und Bundesregierung sowie den Punkt VII.11.3 „Kontrollrechte“ im Besonderen Teil B. des Ausschussberichts.

[34] Vgl. dazu näher Ausschussbericht vom 26. März 2004, S. 22 ff und 49 ff.

[35] Vgl. dazu näher den gemeinsamen Textvorschlag Grabenwarter/Jabloner für die verfassungsrechtliche Verankerung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, zuletzt idF vom 28. September 2004, der auch unter den Punkten XIII.1 „Verwaltungsgerichtsbarkeit“ und XIII.2 „Verfassungsgerichtsbarkeit“ im Besonderen Teil B. des Ausschussberichts enthalten ist.

[36] Vgl. dazu folgende Anmerkung von Dr. Schnizer zu Art. 130 Abs. 3 des gemeinsamen Textvorschlags Grabenwarter/Jabloner vom 14. September 2004:

„Abs. 3 [des Art. 130 des Entwurfs; Anmerkung der Verfasser] scheint mir nicht den Konsens zum Ausdruck zu bringen, der hinsichtlich der Entscheidungsbefugnis im Ausschuss gefunden wurde; dieser geht dahin, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst entscheiden, außer dass der Sachverhalt so ergänzungsbedürftig ist oder aus anderen Gründen eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde aus verwaltungsökonomischen Gründen vorteilhaft ist. Daher schließe ich mich der Alternativvariante Grabenwarter an, vielleicht lässt sich eine gemeinsame Formulierung finden. Missverständlich ist in diesem Zusammenhang der Hinweis auf die Verwaltungsübertretungen.“

 

[37] Vgl. dazu folgende Anmerkung von Dr. Schnizer zu Art. 131 des gemeinsamen Textvorschlags Grabenwarter/Jabloner vom 14. September 2004:

„Zu Art 131: Aus Gründen der Übersichtlichkeit und leichteren Verständlichkeit sollte die Hauptzuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder, nämlich die Entscheidung über Bescheide aus der Bestimmung des Abs. 1 Z. 3 („alle übrigen Angelegenheiten ...“) herausgelöst und als neue Z. 1 an den Beginn der Aufzählung ihrer Zuständigkeiten gestellt werden.

Der Abs. 2 Z. 3 sollte wie folgt geändert werden: „über sonstige Beschwerden in Angelegenheiten des Art. 130 Abs. 1 Z. 4, die ihnen durch Bundesgesetz zugewiesen werden“.

Nach der vorgeschlagenen Fassung des Art. 130 Abs. 1 Z. 4 – die ich (siehe oben) jedenfalls ablehne – dürfte ein Bundesgesetz, das die Übertragung von Angelegenheiten in die Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte vorsieht, ohne Zustimmung der Länder nicht kundgemacht werden. Daraus ergibt sich notwendiger Weise eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes, dem durch Bundesgesetz diese Aufgabe zuzuweisen ist. Für den Bürger ist das Kriterium, ob die Länder einer Übertragung nicht zugestimmt haben, nicht ersichtlich, es gibt dann eben kein Bundesgesetz – sodass es im Verfassungstext nicht vorkommen sollte.

Der Abs. 3 sollte zur Gänze entfallen. Es ist im Sinne einer Parität nicht vorstellbar, dass die Länder einseitig die Möglichkeit haben, in (unmittelbarer) Bundesverwaltung vollzogene Angelegenheiten des Bundes vor ihre Gerichte zu ziehen. Denkbar wäre eine solche Übertragung allenfalls durch Bundesgesetz mit Zustimmung des betreffendes Landes.“

 

[38] Zur textlichen Adaptierung der Z. 1 des Art. 131 Abs. 1 des Entwurfs vgl. näher die Stellungnahmen von Univ.-Prof. DDr. Grabenwarter und Mag. Dr. Steiner, jeweils vom 25. Oktober 2004.

[39] Vgl. dazu näher Ausschussbericht, S. 24.

[40] Vgl. dazu näher Ausschussbericht, S. 64.

[41] Vgl. dazu näher Ausschussbericht, S. 26 ff.

[42] Vgl. dazu ebenfalls Ausschussbericht vom 26. März 2004, S. 26 ff.

[43] Für die Bundeshauptstadt Wien ist in diesem Zusammenhang freilich auf das – bislang ungelöste – Sonderproblem hinzuweisen, dass Mitglieder des Wiener Gemeinderats gleichzeitig Mitglieder des Wiener Landtags sind und daher von dieser Unvereinbarkeitsregelung vollständig erfasst wären. Vom Vertreter Wiens wird lediglich für die sonderverwaltungsgerichtliche Nachfolgeeinrichtung der Abgabenberufungskommission und des Berufungssenats gewünscht, die Option zu wahren, allenfalls Gemeinderäte entsenden zu dürfen.

[44] Vgl. dazu näher Protokoll über die 14. Ausschusssitzung vom 11. Oktober 2004, S. 10 und Fußnote 1.

[45] Zur textlichen Adaptierung des Art. 135 Abs. 1 des Entwurfs vgl. näher die Stellungnahmen von Univ.-Prof. DDr. Grabenwarter und Mag. Dr. Steiner, jeweils vom 25. Oktober 2004.

[46] Vgl. dazu näher Teil C. des vorliegenden Ausschussberichts.

[47] In diesem Sinne wurde in Art. 135 Abs. 1 des Entwurfs – in Anlehnung an Art. 91 Abs. 1 erster Satz des Entwurfs („Das Volk wirkt nach Maßgabe des Gesetzes an der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit mit.“) – folgender Satz eingefügt: „Das Volk wirkt nach Maßgabe des Gesetzes an der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit.“

[48] Vgl. dazu jedoch auch das – in diesem Punkt ablehnende – Schreiben der Wiener Stadträtin Maga. Wehsely vom 21. Oktober 2004.

[49] Vgl. näher den Formulierungsvorschlag „Staatshaftung“ (samt Erläuterungen) von Abg. z. NR Maga.  Stoisits.

[50] Vgl. näher den Formulierungsvorschlag „Staatshaftung“ (samt Erläuterungen) von Dr. Schnizer; beide Vorschläge beruhen auf Vorarbeiten von Frau Univ.-Prof. Dr. Kucsko-Stadlmayer.

[51] Vgl. dazu näher die Stellungnahmen von Hon.-Prof. Dr. Kurt Heller, zuletzt vom 10. Oktober 2004.

[52] Vgl. den diesbezüglichen Textvorschlag von Präsident Dr. Rzeszut für einen „Gemeinsamen Senat“.

[53] Vgl. Ausschussbericht vom 26. März 2004, S. 25 f.

[54] Vgl. dazu näher Protokoll über 9. Sitzung des Ausschusses 9 vom 7. Juni 2004, S. 9 bis 16, sowie die Übersicht über die Ergebnisse „A09 Beantwortung der Fragen des A02“.

[55] VfGH-Präsident i. R. Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Adamovich schlug  bei der von der Österreichischen Richtervereinigung am 22. September 2004 veranstalteten Enquete über „Gewaltenteilung im demokratischen Rechtsstaat“ ein reines Richtergremium für einen Teil der Justizverwaltungsaufgaben vor, wobei er die Vermeidung von Verpolitisierung ins Treffen führte; mit einem derartigen Richtergremium könnte Art. 85b B-VG wie folgt lauten:

„Artikel 85b. Den Vorsitz im Unabhängigen Justizsenat führt der Präsident des Obersten Gerichtshofs. Außerdem gehören ihm weitere Präsidenten von Gerichten und die doppelte Anzahl von Richtern an, die von allen Richtern aus ihrer Mitte auf bestimmte Zeit gewählt werden und keiner politischen Partei angehören dürfen.“

Die Autoren dieses Entwurfs meinten, dass ihr Vorschlag den Vorteil böte, durch die Mitglieder, die keine aktiven Richter sind, der Stellung des neu zu schaffenden Organs als verfassungsunmittelbares Organ sui generis an der Schnittstelle der drei Staatsgewalten besser gerecht zu werden. Dadurch wäre im Sinne einer die notwendige Gewaltentrennung begleitenden wechselseitigen Kontrolle („checks und balances“) Transparenz und Informationsfluss zwischen den Staatsgewalten am leichtesten herstellbar. Die bisherige über Jahre geführte Diskussion lässt erwarten, dass einem reinen Richtergremium im Bereich der Ernennungen von Richtern und Richteramtsanwärtern der Vorwurf der Selbstrekrutierung des Richterstands gemacht werden könnte. Hier müsste dann im Art. 86 B-VG entgegengewirkt werden, etwa dadurch, dass der Bundesregierung hinsichtlich des Ernennungsvorschlags des Unabhängigen Justizsenats bei allen oder einzelnen Richter- und Richteramtsanwärterpositionen ein Vetorecht eingeräumt wird. Hinsichtlich der kraft Amtes dem Gremium angehörigen Präsidenten müsste der einfache Gesetzgeber festlegen, wie die Auswahl zwischen den derzeit 24 Präsidenten getroffen werden sollte. Ist kein Mischgremium von Richtern und anderen Mitgliedern vorgesehen, erscheint auch die Abberufung durch den Nationalrat als Eingriff in die Judikative problematisch.

[56] Zur textlichen Adaptierung der Z. 1 des Art. 131 Abs. 1 des Entwurfs vgl. näher die Stellungnahmen von Univ.-Prof. DDr. Grabenwarter und Mag. Dr. Steiner, jeweils vom 25. Oktober 2004.

[57] Zu dieser textlichen Adaptierung vgl. näher die Stellungnahmen von Univ.-Prof. DDr. Grabenwarter und      Mag. Dr. Steiner, jeweils vom 25. Oktober 2004.

[58] Zu dieser Einfügung vgl. ebenfalls näher die Stellungnahmen von Univ.-Prof. DDr. Grabenwarter und      Mag. Dr. Steiner, jeweils vom 25. Oktober 2004.

[59] Zum Hintergrund dieser Einfügung vgl. näher die Ausführungen auf den S. 24 f dieses Ausschussberichts.

[60] Siehe FN 57.