22. November 2004

 

Anlage B

zum Ergänzenden Bericht

des Ausschusses 4 (Grundrechtskatalog)

 

 

Zusammenstellung der Textentwürfe und Erläuterungen von Ausschussmitgliedern und externen Experten

(Fortsetzung ab der 21. Sitzung)

 

 

21. Sitzung (6. Juli 2004):

 

·        Beitrag von Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk zur Konventssitzung am 25. Juni 2004

·        Aktualisierte Textvorschläge des Sozialdemokratischen Grundrechtsforums zu den „Gleichheitsrechten“ (25. Juni 2004).

 

22. Sitzung (9. Juli 2004):

 

·        Schreiben der Ökumenischen Expertengruppe zu den Themen „Grundrechte, Staatsziele, Präambel“ (30. Juni 2004)

·        Schreiben von Dr. Johannes Schnizer zum Thema „Volksgruppenrechte“ (7. Juli 2004).

 

23. Sitzung (6. September 2004):

 

·        Änderungsvorschlag der Ökumenischen Expertengruppe zum Thema „Grundrecht auf Gedanken- und Gewissensfreiheit, Religionsfreiheit, Abs. 6 und 7 samt Erläuterungen“ (24. August 2004).

 

24. Sitzung (10. September 2004):

 

·        Schreiben der Ökumenischen Expertengruppe zum Thema „Volksgruppenrechte“

      (10. September 2004).

 

26. Sitzung (17. September 2004):

 

·        Textentwurf mit Erläuterungen zu „sozialen Grundrechten“ von der Ökumenischen Expertengruppe (14. September 2004)

·        Vorläufige Endfassung des Entwurfs eines Grundrechtskataloges vom Sozialdemo­kratischen Grundrechtsforum (14. Juli 2004).

 

27. Sitzung (20. September 2004):

 

·        Schreiben der Ökumenischen Expertengruppe zum Thema „Dialogklausel“

      (14. September 2004).

 

28. Sitzung (27. September 2004):

 

·        Schreiben von Univ.Prof. DDr. Christoph Grabenwarter zum Thema „Rechte von Kindern“ (30. September 2004).

 

31. Sitzung (15. Oktober 2004):

 

·        Schreiben der Sozialpartner Bundesarbeiterkammer, Österreichischer Gewerkschaftsbund und Wirtschaftskammer zum Thema „soziale Grundrechte im Bereich der Arbeitswelt“

      (5. Oktober 2004).

 

36. Sitzung (29. Oktober 2004):

 

·        Schreiben von Dr. Dieter Böhmdorfer zu den Themen „Eigentumsgarantie“ und „Recht auf Leben, Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit“ (8. November 2004)

·        Schreiben von Univ.Prof. Dr. Christoph Grabenwarter und Univ.Prof. Dr. Rudolf Thienel zum Thema „Schutz der persönlichen Freiheit (4. November 2004).

 

37. Sitzung (12. November 2004):

 

·        Schreiben von Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk zum Thema „Einbindung von völkerrechtlichen Quellen grundrechtlichen Inhaltes“ (5. November 2004)

·        Schreiben der Ökumenischen Expertengruppe zu den Themen „Dialogklausel“ und „Schule und Kirche“ (9. November 2004)

·        Schreiben von Mag. Terezija Stoisits/Grüner Parlamentsklub zum Thema „Asylrecht“ (11. November 2004)

·        Schreiben von Dr. Dieter Böhmdorfer zum Thema „Recht auf ein faires Verfahren“

      (12. November 2004).

 

38. Sitzung (22. November 2004):

 

·        Schreiben von Dr. Johann Rzeszut zum Thema „Verfahrensgarantien“

(15. November 2004)

·        Positionspapier der Ökumenischen Expertengruppe zu den Grundrechten

(16. November 2004)

·        Schreiben von Dr. Ernst Strasser zum Thema „Asylrecht“ (19. November 2004)

·        Zusammenstellung von Mag. Caesar über die Ergebnisse der Beratungen der Aus-

      schüsse 3, 6 und 8 zu den Themen „Wahlrecht“, „Petitionsrecht“ und „Auskunftsrecht“.


Bericht Bernd-Christian FUNK an das Konvents-Plenum am 25.6.2004

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

Sehr geehrte Mitglieder des Österreich-Konvents!

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der Bericht des Ausschusses 4 ist ein Zwischenbericht. Das Pensum konnte – bei aller Vorsicht, die mit einer quantifizierenden Schätzung geboten ist – zu mehr als einem Drittel erledigt werden. Der heute zu präsentierende Bericht beruht auf insgesamt 20 Sitzungen des Ausschusses. Die letzten beiden Sitzungen waren der Erstellung des Berichtes gewidmet. In 5 Sitzungen hat es Vorträge von 10 Experten und Aussprachen zu den Themen Grundrechte mit Gesundheits- und Umweltbezug, Grundrechtsfragen der Biomedizin, Rechte der Volks­gruppen und soziale Grundrechte gegeben.

Dem Ausschuss lagen und liegen Memoranden und Vorschläge von Ausschuss­mitgliedern, von staatlichen, öffentlichen und privaten Institutionen sowie von Privatpersonen vor. Strukturierte Grundlagen der Ausschussarbeit bildeten und bilden synoptische Listen und Textvorschläge geltender und neu vorgeschlagener Grundrechtsquellen. All das ist im Bericht des Ausschusses im Detail belegt.

An dieser Stelle möchte ich für die vielfältigen Vorschläge, Anregungen und Hinweise danken, die von den Mitgliedern des Ausschusses, von Expertenseite, von Organisationen und Einzelpersonen an den Konvent und an den Ausschuss 4 herangetragen wurden. Danken möchte ich allen, die an den Sitzungen als Ausschussmitglieder, BeobachterInnen und Begleitpersonen, Experten teilgenommen haben. Vor allem aber möchte ich der engagierten, sachkundigen und präzisen Ausschussbetreuung durch Frau Mag. Birgit Caesar und der Unterstützung durch Frau Monika Siller danken. Sie sind die organisatorische Seele der Ausschussarbeit. Nicht zuletzt möchte ich den MitarbeiterInnen im Bereich der Universität, der ich angehöre, danken. Sie haben mitgedacht und mitgearbeitet und dadurch zum Fortgang der Arbeit beigetragen.

Dem Ausschuss 4 ist die Aufgabe gestellt, einen neuen Grundrechtskatalog vorzubereiten und vorzuschlagen – dies vor dem Hintergrund einer zerklüfteten Landschaft der Texte und Quellen, systematischer und semantischer Probleme und einer starken Dynamik der Rechtsprechung und der sozio-politischen Systemumwelt. Im Wissen um die Probleme, mit denen die Grundrechtsreformkommission konfrontiert war, hat der Ausschuss eine Strategie der Kodifikation vermieden, die der Dynamik der Grundrechtsentwicklung Verengungen und Fesseln durch Festschreibung auferlegt hätte. Grundrechtskodifikation kann sinnvoll nur als Notierung und Erhaltung von Steuerungsdynamik betrieben werden.

Dennoch geht es in der Hauptsache nicht um semantische Fragen, sondern um rechts­politische Weichenstellungen. Die bestehende Grundrechtsordnung umfasst neben Texten und Quellen des formellen Verfassungsrechts, unter denen die EMRK und ihre Zusatzprotokolle eine hervorragende Stellung einnehmen, eine bedeutende Menge an Texten und Quellen, die nicht dem formellen Verfassungsrecht angehören und/oder völkerrechtlicher Herkunft sind und nur teilweise unmittelbar anwendbares Recht bilden.

Die bisherige Phase und die nunmehr vorliegenden konkreten Ergebnisse der Ausschussarbeit betreffen im Wesentlichen den Bereich klassischer Freiheiten, der sog liberalen Grundrechte. Hier gibt es eine Reihe von Textvorschlägen, die von mehr oder weniger starkem Konsens getragen sind. Die Restarbeit in diesem Bereich ist überschaubar und erfolgversprechend.

Wesentliche Grund- und Vorarbeiten liegen für den Bereich der sozial- und leistungs­staatlichen Rechte und Garantien vor.  Der Ausschuss kann sich auf Konzepte stützen, die für Gesamt- und Teilkodifikationen vorgelegt wurden. Diese konkurrierenden Konzepte bilden eine unverzichtbare Arbeitshilfe, sie sind allerdings auch Ausgangspunkte für Dissens und Differenzen. Hervorgehoben sei in diesem Zusammenhang der Widerspruch zwischen der Logik von Gesamtlösungen, die als Einheit angenommen werden wollen, und dem allein schon durch die Arbeitstechnik bedingten Operieren mit Einzelbausteinen und Modulen.

Zurück zu den sozial- und leistungsstaatlichen Garantien. Im Ausschuss besteht Über­einstimmung darüber, dass ein neuer Grundrechtskatalog ohne Gewährleistungen dieser Art nicht auskommen kann. Der Ausschuss ist sich weiters darin einig, dass dergleichen Gewährleistungen differenziert zu gestalten sind. Sie sollen neben subjektiven Rechten in Form von sozialen Grundrechten auch Zielbestimmungen, Gesetzgebungsaufträge und Einrichtungsgarantien enthalten. Die richtige Kombination wird in weiterer Arbeit zu suchen sein. Hier besteht Gesprächs- und Koordinationsbedarf mit dem Ausschuss 1, dem die Staatsaufgaben und Staatsziele anvertraut sind.

Übereinstimmung im Grundsätzlichen besteht im Ausschuss 4 des Weiteren darüber, dass der verfassungsrechtliche Ein- und Fortbau sozial- und leistungsstaatlicher Garantien weitreichende Fern- und Folgewirkungen in den Bereichen des Grundrechtsschutzes, der Normenkontrolle und der Staatshaftung haben muss. Hier besteht Gesprächs- und Koordinationsbedarf vor allem mit Ausschuss 9.

Ein weiteres zu bearbeitendes Paket bilden die Volksgruppenrechte in Verbindung mit Gleichbehandlungsgeboten und Diskriminierungsverboten. Dem Ausschuss liegen dazu konkrete Gestaltungsvorschläge vor. Erste Arbeiten sind in Form von Expertenhearings und partiellen Generaldebatten geleistet worden. Der Boden für konkrete Einlassung ist bereitet.

Ein eher technisches und nichts desto weniger wichtiges Problem bilden die Allgemeinen Bestimmungen in einem künftigen Grundrechtskatalog. Auch hier gibt es erste Konsensansätze im Ausschuss. Sie gehen in die Richtung der Kodifikation allgemeiner Grundrechtsmaximen, etwa in Form einer einheitlichen Formel des Gesetzesvorbehaltes anstelle des bisherigen Systems von speziellen und heterogenen Gesetzesvorbehalten zu einzelnen Grundrechten. Erste Überlegungen hat es auch in der Frage einer allgemeinen Bindungsklausel gegeben, mit der die – in Lehre und Rechtsprechung dem Grunde nach anerkannte –  Grundrechtspflichtigkeit sämtlicher Staatsfunktionen festgehalten wird.

Bei den noch offenen Fragen der justiziellen Gewährleistungen und der Freiheitsrechte, soweit sie noch nicht abgehandelt wurden, sehe ich die Weichen für einen zügigen Fortgang und raschen Abschluss der Ausschussarbeit gestellt.

Das Thema der politischen Rechte ist noch nicht behandelt worden.

Bei den Rechtsschutzmechanismen besteht Übereinstimmung, dass neue Gewährleistungen sozialen und leistungsstaatlichen Inhalts nicht allein mit Hilfe der klassischen Grundrechtsbeschwerde bei den UVS und beim VfGH bewältigt werden können. Hier werden neue und zusätzliche Formen des Rechtsschutzes vorzuschlagen sein.

Die Frage des Verhältnisses eines neuen Grundrechtskataloges zu bestehenden Grundrechtsgewährleistungen völkerrechtlicher Herkunft hängt eng mit den Problemen der Herstellung geschlossener Texte in der Einheit einer Grundrechtscharta als Teil einer Urkunde des Bundesverfassungsrechts zusammen. Auf Grund der bisherigen Diskussion im Ausschuss zeichnet sich ab, dass es Netto-Textreduktionen geben wird – so dürfte das StGG von 1867 als eigener Text künftig verzichtbar sein –, weiters dass es neben einem neuen Grundrechts­katalog eine zweite Ebene von assoziierten Texten und Quellen, vor allem solchen völkerrechtlicher Herkunft, geben wird, und dass schließlich die normative Integration der verschiedenen Ebenen durch allgemeine Verweisungs- und Auslegungsklauseln im Grundrechtskatalog hergestellt wird.

Keine größeren Probleme sehe ich bei der Frage der Abstimmung eines künftigen österreichischen Grundrechtskataloges mit gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsgarantien. Offen ist die Frage der Grundrechte von EU-Ausländern.

Ich sehe meine Aufgabe der Berichterstattung, die einen Zwischenbericht präsentiert, nicht darin, die Arbeit des Ausschusses einer Beurteilung zu unterziehen. Das ist Sache des Präsidiums und des Konvents. Ganz zu vermeiden ist eine Selbsteinschätzung jedoch nicht und ich meine, dass der Ausschuss in seiner bisherigen Tätigkeit jene Stufe der Operationsfähigkeit erreicht hat und aufrecht erhalten kann, die die Bedingung der Möglichkeit für eine Bewältigung der noch anstehenden Fragen bildet.

Ich danke Ihnen.

 


Dr. Maria Berger

Sozialdemokratisches Grundrechtsforum

Grundrechtskatalog für eine neue

Bundesverfassung der Republik Österreich

Stand: 25. Juni 2004

 

2. Abschnitt: Gleichheitsrechte

Artikel 8.  Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Artikel 9. (1) Diskriminierung, insbesondere wegen der Geburt, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, der Rasse, der Hautfarbe, der genetischen Merkmale, einer Behinderung, des Alters, der Krankheit, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, der Sprache, der Religion, der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, des Vermögens oder der sozialen Stellung, sind verboten.

(2) Der Staat ergreift Maßnahmen, um Diskriminierungen vorzubeugen und sie zu beseitigen.

Artikel 10. (1) Frauen und Männer haben das Recht auf tatsächliche Gleichstellung.

(2) Menschen des benachteiligten Geschlechts haben Anspruch auf Maßnahmen, die bestehende Benachteiligungen beseitigen.

(3) Der Staat ergreift Maßnahmen, um eine wirksame Durchsetzung dieser Rechte zu gewährleisten, insbesondere durch Klagsbefugnisse für Organisationen, die nach ihrem Wirkungsbereich zur Herbeiführung der tatsächlichen Gleichstellung berufen sind.

Artikel 11. (1) Menschen mit Behinderung haben Anspruch auf Maßnahmen, die tatsächliche Benachteiligungen beseitigen und die volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit durch Ausbildung, Arbeit und Teilnahme am politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Gemeinschaft ermöglichen.

(2) Hörbehinderte Menschen (Gehörlose, Ertaubte und Schwerhörige) und sprachbehinderte Menschen haben das Recht, die Österreichische Gebärdensprache oder lautsprachbegleitende Gebärden zu verwenden.

Artikel 12. (1) Jedes Kind hat Anspruch auf Schutz und Fürsorge für sein Wohlergehen und auf bestmögliche individuelle Entwicklung und Entfaltung, auf Freizeit und Spiel. Kinder, die dauernd oder vorübergehend aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, haben Anspruch auf besonderen Schutz und Beistand des Staates.

(2) Jedes Kind hat das Recht auf Partizipation in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten, in einer seinem Alter und seiner Entwicklung entsprechenden Weise.

(3) Das Wohl des Kindes muss bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen staatlicher Organe oder sonstiger öffentlicher oder privater Einrichtungen sozialer Fürsorge eine vorrangige Erwägung sein.

(4) Jedes Kind hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen.

(5) Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, die Zufügung seelischen Leides, sexueller Missbrauch und andere Misshandlungen sind verboten. Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung, einschließlich von Kinderarbeit, Kinderprostitution, Kinderpornographie und Kinderhandel. Kinder als Opfer von Gewalt oder Ausbeutung haben ein Recht auf Rehabilitation.

Artikel 13. Ältere Menschen haben Anspruch auf ein würdiges und unabhängiges Leben, auf Teilnahme am politischen, sozialen und kulturellen Leben und auf Pflege.

Artikel 14. (1) Jeder Mensch hat einen Anspruch auf Achtung seiner Sprache und Kultur. Der Staat fördert den Geist der Offenheit und des interkulturellen Dialogs und ergreift Maßnahmen zur Förderung der gegenseitigen Achtung und der Zusammenarbeit zwischen allen in seinem Staatsgebiet lebenden Menschen, ungeachtet ihrer Sprache und Kultur.

(2) Die Volksgruppen und ihre Angehörigen haben einen Anspruch auf besondere Förderung ihrer Entwicklung und Sicherung ihres Bestandes, ihrer Sprache und ihrer Kultur. Das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei. Keinem Angehörigen einer Volksgruppe darf durch die Ausübung oder Nichtausübung der ihm zustehenden Rechte ein Nachteil erwachsen.

(3) Die Volksgruppen und ihre Angehörigen haben Anspruch auf Kindergartenerziehung und Schulunterricht in öffentlichen Pflichtschulen in der jeweiligen Volksgruppensprache in ihrem Siedlungsgebiet und außerhalb dieses bei einem nachhaltigen Bedarf. Weiters haben sie einen Anspruch auf eine verhältnismäßige Anzahl von öffentlichen höheren Schulen und auf Einrichtung einer eigenen Schulaufsicht. Die Volksgruppen haben ergänzend einen Anspruch auf angemessene Förderung von privaten Kindergärten und Privatschulen, die der Pflege ihrer Sprache und Kultur dienen.

(4) Die Volksgruppen und ihre Angehörigen haben im gemischtsprachigen Gebiet einen Anspruch auf Gebrauch der jeweiligen Volksgruppensprache als zusätzliche Amtssprache im Verkehr mit Verwaltungsbehörden und Gerichten sowie im öffentlichen Leben; außerhalb dieses Gebietes haben sie Anspruch auf angemessene Erleichterungen zum Gebrauch der jeweiligen Volksgruppensprache. Die zusätzliche Amtssprache kann im gemischtsprachigen Gebiet von jeder Person gebraucht werden. Die Volksgruppen haben im gemischtsprachigen Gebiet einen Anspruch auf mehrsprachige topographische Bezeichnungen und Aufschriften.

(5) Die Volksgruppen haben einen Anspruch auf einen angemessenen Anteil an öffentlichen Mitteln als finanzielle Volksgruppenförderung aus dem Budget des Bundes sowie aus den Budgets der Länder und Gemeinden, in denen sich gemischtsprachige Gebiete befinden, sowie auf eine besondere Förderung der Medien in ihrer eigenen Sprache.

(6) Organisationen, die Interessen von Volksgruppen vertreten, haben das Recht die auf diesen Artikel gegründeten Rechte der betreffenden Volksgruppe vor Gerichten und Verwaltungsbehörden geltend zu machen. Die Rechte der Angehörigen der Volksgruppen bleiben davon unberührt.

 


Ökumenische Expertengruppe

der gesetzlich anerkannten christlichen Kirchen in Österreich

 

 

 

 

 

 

An das

Präsidium des Österreich-Konvents

z.H. Herrn Präsident Dr. Franz. Fiedler

 

Parlament

Dr. Karl Renner-Ring 1

1010 Wien                                                                                                   2004-06-30

 

 

 

 

Sehr geehrte Mitglieder des Präsidiums,

 

die Zwischenberichte der Ausschüsse des Österreich-Konvents rechtfertigen die Aussage, dass die Arbeit des Konvents insgesamt erfolgreich sein kann, vor allem auch im Bereich der Grund- und Menschenrechte.

 

Die Ergebnisse der Konventsarbeit wurden von den Leitungen der gesetzlich anerkannten christlichen Kirchen ausführlich beraten und im Lichte ihrer gemeinsamen Stellungnahme, vorgetragen im Hearing des Konvents am 25.11.2003, geprüft. Im Einvernehmen mit den Kirchenleitungen erklärt die Expertengruppe, dass die Kirchen in Österreich in der zweiten Phase des Konvents wieder aktiv mitarbeiten wollen; die Ökumenische Expertengruppe konnte schon bisher Beiträge leisten, die oft zwischen den Fronten vermittelt und tragfähige Kompromisse eingeleitet haben.

 

Dankbar ist festzuhalten, dass Menschenwürde ein Grundrecht sein soll, worüber Einstimmigkeit erzielt wurde, und dass für viele der sogenannten „klassischen“ Grundrechte ein schon weitgehender Konsens hergestellt werden konnte. Als Beispiele  können etwa das Verbot der Tötung auf Verlangen, die Bildungs- und die Religionsrechte gelten. In diesen Fällen wäre die Arbeit mit Nachdruck fortzusetzen.

 

Die Beratungen im Ausschuss 4 konnten aber in wesentlichen Punkten nicht abgeschlossen werden:

-         So blieb – trotz mehrheitlicher Zustimmung – das Recht auf  Sicherstellung der Voraussetzungen, gerade auch der finanziellen Voraussetzungen, für Palliativmedizin und ein menschenwürdiges Sterben unformuliert.

-         Beim Recht auf Bildung fehlen noch die Prinzipien, Staatsziele, die den Gesetzgeber leiten sollen, wie z.B. die Ziele von Bildung allgemein und der öffentlichen Bildungseinrichtungen im Besonderen, ein nach Begabungen differenziertes Schulwesen, das Privatschulwesen und seine subsidiäre staatliche Förderung, die staatskirchenrechtliche Zusicherung des Religionsunterrichts. In diesen wenigen Grundsatzfragen müssten bei der Beschlussfassung der Gesetze die bisherigen Mehrheitserfordernisse beibehalten werden, um den gesellschaftspolitischen Konsens zu untermauern. Im Übrigen soll der einfache Gesetzgeber durchaus ohne Formalschranken die Schulgesetze jeweils neu gestalten können, um z.B. die Wettbewerbsfähigkeit der Absolventen zu sichern.

-         Bei den Rechten der gesetzlich anerkannten Kirchen ist die „Dialogklausel“ unerledigt geblieben, die dem Art. 51 Abs. 3 des Europäischen Verfassungsvertrages nachgebil­det ist und auf Wunsch des Ausschusses 4 von der Ökumenischen Expertengruppe überarbeitet und präzisiert wurde.

 

Die gesetzlich anerkannten christlichen  Kirchen in Österreich begrüßen die Fortschritte in der Arbeit des Konvents und die in Aussicht genommene Verlängerung des Mandats des Ausschusses 4.

 

Sie weisen für die Weiterarbeit zunächst auf die Diskussionen in verschiedenen Ausschüssen hin, wonach –ähnlich wie im Europäischen Verfassungsvertrag – Staatsziele in der neuen österreichischen Bundesverfassung enthalten sein sollen. Wie von den Kirchen wird von vielen argumentiert, dass sich die Rolle des Staates in unserer Zeit wesentlich verändert hat und dass sie daher, wie in allen menschlichen Organisationen, einer Definition bedarf, die im politischen Prozess außer Streit steht.

 

Nach dem Beschluss der Regierungschefs der Europäischen Union, den Entwurf des Europäischen Verfassungsvertrages anzunehmen, wird sich die Weiterarbeit, vor allem in den Ausschüssen 4 und 1, stärker als bisher europäisch, d.h. unionsrechtlich orientieren müssen; so vor allem bei der Behandlung der „Dialogklausel“ und der sozialen Grundrechte.

 

Der beschlossene Verfassungsvertrag hat – was bisher in der öffentlichen Berichterstattung wohl übersehen wurde – die religiöse Dimension verstärkt:

-         In der neu formulierten Präambel wird die prägende Kraft des religiösen Erbes deutlicher als bisher unterstrichen.

-         Mit der Annahme des Art. 51 hat die  europäische Verfassung die Rolle der „freien Kirchen in einem freien Staat“ und „in einem freien Europa“ grundsätzlich und gesamteuropäisch neu bestimmt.

-         Mit der angenommenen „Dialogklausel“  hat die Verfassung die Identität der gesetzlich anerkannten Kirchen und ihre besonderen gesamtstaatlichen Leistungen anerkannt; sie hat damit auch das Potenzial der Kirchen für die künftige Politikgestaltung in den wesentlichen Entwicklungsfragen des staatlichen Gemeinwesens unterstrichen.

 

Die Kirchen haben vorgeschlagen, eine dem Art. 51 Abs. 3 nachgebildete „Dialogklausel“ in die neue österreichische Bundesverfassung aufzunehmen, nicht nur wegen der am Gemeinwohl orientierten Arbeit der Kirchen, sondern auch als Konsequenz ihres besonderen Auftrages und ihrer Freiheit von parteipolitischen Bindungen. Dieser Vorschlag bleibt aktuell; die Beratungen konnten noch nicht abgeschlossen werden.

 

Die neue europäische Verfassung enthält für den Bereich der Grundrechte und der sozialen Grundrechte gemeinsame europäische Standards, die eine neue österreichische Bundesverfassung nicht unterbieten darf, sondern zu beachten hat und, wenn möglich, ausbauen sollte. Für die Menschen in unserem Land ist entscheidend, ob und inwieweit soziale Grundrechte verbürgt sind und in essentiellen Punkten dafür ein individueller Rechtsschutz gegeben ist; ferner ob die Freiheit zu einer politischen Neugestaltung und Weiterentwicklung in den sich schnell verändernden Zeiten gewährleistet ist. Die bisherigen Positionen werden von vielen auf der einer Seite als zu wenig frei für eine künftige Neugestaltung, auf der anderen Seite aber als zu wenig individuell sicherstellend angesehen. Die Kirchen haben auf der Basis des „Sozialwortes“ des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich einen eigenständigen, vermittelnden Text vorgelegt; er übersetzt die sozialen Grundrechte des Europäischen Verfassungsvertrages ins Österreichische. Ähnliches gilt für die Gleichheitsrechte, die von den Kirchen um die Volksgruppenrechte und um das Asylrecht ergänzt wurden. Da die Kirchen mithelfen wollen, zwischen den Positionen einen für alle akzeptablen Kompromiss zu finden, nehmen sie mit Freude zur Kenntnis, dass am 25.6.2004 im Plenum des Konvents erstmals alle Gruppen die Aufnahme sozialer Grundrechte in die neue Bundesverfassung gefordert haben.

 

In diesem Zusammenhang ist die „Allianz für den Sonntag“ zu nennen. Die Kirchen unterstützen die Forderung nach einem verfassungsrechtlichen Schutz des Sonntags als arbeitsfreien Tag.

 

Mit dem Wunsch, dass die Arbeit des Österreich-Konvents wie vorgesehen zu Ende des Jahres 2004 erfolgreich abgeschlossen werden kann, zeichnen für die Ökumenische Expertengruppe

 

 

 

Christine Gleixner

Raoul Kneucker

Walter Hagel

 

                                                     

 

 

 

Zur Information an:

die Vorsitzenden der Ausschüsse 1, 2, 4 und 6

 


Dr. Johannes SCHNIZER                                                                                            7. Juli 2004

 

Österreich-Konvent, Ausschuss 4 – Volksgruppenschutz

 

Zur Unterstützung der Beratungen des Ausschusses über das Thema Volksgruppen darf ich folgende Anmerkungen zum Art. 14 des Sozialdemokratischen Grundrechtsentwurfes machen:

 

Der Art. 14 basiert auf dem Vorschlag, den Univ.Prof. Dr. Dieter Kolonovits dem Ausschuss in seiner Sitzung am 30. Jänner 2004 vorgelegt hat. Zu seiner Erläuterung – etwa zu der in der Ausschussdiskussion aufgetretenen Frage nach der Abgrenzung von „gemischtsprachigen Gebieten“ – sei daher grundsätzlich auf die von Kolonovits dem Ausschuss ebenfalls zur Verfügung gestellten „Erläuterungen zum Textvorschlag“ verwiesen.

 

Der Art. 14 des Sozialdemokratischen Grundrechtsentwurfes unterscheidet sich vom Vorschlag Kolonovits insbesondere durch die Aufnahme des interkulturellen Dialogs (in Abs. 1 Satz 2). Dazu ist folgendes zu bemerken:

 

Das auch von Österreich unterzeichnete „Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten“ des Europarates enthält solch ein Bekenntnis zum „Interkulturellen Dialog“ und zur Partizipation von Minderheiten an den politischen Willensbildungen, insbesondere auf regionaler Ebene.

 

Art. 6 Abs. 1 dieses Übereinkommens, an dem sich der Art. 14 des Sozialdemokratischen Grundrechtsentwurfes orientiert, lautet:

Die Vertragsparteien fördern den Geist der Toleranz und des interkulturellen Dialogs und ergreifen wirksame Maßnahmen zur Förderung der gegenseitigen Achtung und des gegenseitigen Verständnisses sowie der Zusammenarbeit zwischen allen in ihrem Hoheitsgebiet lebenden Menschen ungeachtet deren ethnischer, kultureller, sprachlicher oder religiöser Identität, insbesondere in den Bereichen Bildung, Kultur und Medien.

 

Schließlich werden beim kollektiven Rechtschutz im Unterschied zum Kolonovits-Vorschlag „Organisationen, die Interessen von Volksgruppen vertreten“ zur Geltendmachung der Rechte der Volksgruppen berufen (Abs. 6). Darunter sind alle Vereinigungen zu verstehen, gleichgültig, ob sie privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich eingerichtet sind bzw. werden.


24.08.2004

 

Ökumenische Expertengruppe

 

Gedanken- und Gewissensfreiheit, Religionsfreiheit

Abänderungsvorschlag

__________________________________________________

 

 

 

1.

 

Artikel Y, C 12, Seite 2, Absatz 6 hat zu lauten:

„(6) Anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften haben das Recht, innerhalb ihrer Autonomie Einrichtungen mit Rechtspersönlichkeit für den staatlichen Bereich zu gründen.

Sie sind verpflichtet, diese und deren Organe dem Staat anzuzeigen. Sie sind berechtigt, zur Deckung ihres Personal- und Sachbedarfes von ihren Mitgliedern Beiträge einzuheben.“

 

Erläuterungen:

 

Die Expertengruppe hat zur Kenntnis genommen, dass in der Diskussion zu Absatz 6 und Absatz 7 des Ausschussentwurfes 1. März 2004 ein hohes Maß an Konfliktpotential festgestellt wurde, wobei insbesondere die mangelnde Transparenz der Organisation der einzelnen anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften geortet wurde.

 

Diese mangelnde Transparenz soll mit dem obigen Vorschlag der Einführung des Satzes, „Sie sind verpflichtet, diese und deren Organe dem Staat anzuzeigen.“, beseitigt werden.

 

Der Staat hat dann die Möglichkeit, neben dem Verzeichnis der anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften einerseits und der religiösen Bekenntnisgemeinschaften andererseits auch ein Register der Rechtspersonen und deren Organe anzulegen, welches sowohl die Einrichtungen der anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften mit Rechtspersönlichkeit einerseits, als auch deren Vertretung transparent macht.

 

Überdies wird der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich ein Internet-Portal mit den entsprechenden „Links“ auf die einzelnen Kirchen anbieten.

 

Nach Meinung der Expertengruppe ist dadurch Gewähr gegeben, dass nach Aufbau dieses Registers die fehlende Transparenz der Organisation und der entsprechenden Vertretungen wegfällt. Zur Aufarbeitung schon bestehender Rechtspersonen können die Verzeichnisse über die Rechtspersonen und ihre Vertretungen, welche die anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften führen, dem Staat zur Verfügung gestellt werden.

 

 

2.         Begutachtungsrecht der anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften im Gesetzgebungsverfahren des Bundes:

 

Bei der Durchsicht und Kenntnisnahme des Berichtes des Ausschusses 3 (Seite 14) ist die Expertengruppe zur folgenden Auffassung gelangt:

 

Wenn schon der Städtebund und der Gemeindebund ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Begutachtungsrecht erhalten, muss dieses jedenfalls auch den anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften auf Grund ihrer besonderen Stellung und Aufgabe zukommen.

 

Das auf gesetzlicher Grundlage (Protestantengesetz 1961) geregelte Recht auf Teilnahme am Begutachtungsverfahren von Bundesgesetzen sollte, wenn es nun verfassungsmäßig geregelt wird, im Sinne des bestehenden Begutachtungsrechtes auf die anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften ausgedehnt werden. Dies würde verhindern, dass einzelne Korporationen ihr Begutachtungsrecht auf Grund der Bundesverfassung geltend machen können, die anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften jedoch ein solches Begut­achtungsrecht nur auf gesetzlicher Stufe haben würden.

 

Die Positionierung in der Bundesverfassung müsste bei den verfassungsrechtlichen Bestimmungen über das Begutachtungsverfahren erfolgen.

 

 

3.                  Absatz 7

 

Die Expertengruppe hat die kontroverse Diskussion und die Positionen, die in dieser Diskussion aufgelistet wurden, studiert und erörtert.

 

Unter Bedachtnahme auf diese Positionen und nach ausführlicher Diskussion in der Expertengruppe wird nunmehr der folgender neuer modifizierte Formulierungsvorschlag zu Absatz 7 erstattet:

„Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religions­gesell­schaften genießen den Beistand des Staates. Über grundsätzliche Entwicklungen, welche die Interessen dieser Kirchen und Religionsgesellschaften sowie die des Staates berühren, pflegen beide einen regelmäßigen, offenen und transparenten Dialog.“

 

Erläuterungen:

 

Die Expertengruppe ist auf Grund der tieferstehenden Überlegungen zur übereinstimmenden Meinung gelangt, dass der nicht verabschiedete Absatz 7 in der nunmehr modifizierten Form nochmals im Ausschuss, falls dies nicht möglich ist, im Präsidium diskutiert werden sollte.

 

Begründung

 

 

1.           Der „staatliche Beistand“ ist schon im Anerkennungs­gesetz 1874, welches nach wie vor zum Rechtsbestand der Republik Österreich gehört, für alle anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften vorgesehen  und stellt daher kein Novum dar. 

 

2.           Unter Bedachtnahme auf die Neuformulierung des Absatzes 6 ist die nunmehr in abgeänderter Formulierung vorgeschlagene Dialogklausel auch im Hinblick auf die erforderliche Transparenz und Definition des Teilnehmerkreises verfassungstauglich.

 

3.             Die in Rede stehende Bestimmung hat auch im Kon­vents­entwurf der Europäischen Verfassung (Artikel I – 51 Absatz 3) ihren Platz gefunden. In der Annahme, dass der Abschluss des Verfassungsvertrages der Union (vorbehaltlich des Ratifizierungsverfahrens) noch vor Abschluss der Arbeiten des österreichischen Verfassungskonvents (nämlich noch unter irischem Vorsitz) erfolgen könnte, wäre eine Harmonisierung der österreichischen Verfassung mit dem Artikel I-51 Absatz 3 mutatis mutandis (d.h. unter Anpassung an die österreichische Verfassungslage) zweckmäßig und anzustreben.

 

4.                  Kirchen und Religionsgesellschaften nehmen an der Zivilgesellschaft teil, sind aber nicht Teile der Zivilgesell­schaft, sondern reichen darüber hinaus. Der Verfassungs­konvent der Union hat diesem Umstand dadurch Rechnung getragen, dass der Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften (Artikel I-51) abgesondert von den Bestimmungen über den Grundsatz der partizipativen Demokratie (Artikel 46) geregelt wurde. Die besondere Identität der Kirchen und Religionsgesellschaften, auf die im Artikel I-51 besonders Bedacht genommen wird, besteht auch darin, dass die Kirchen und Religions­gesell­schaften schwer verzichtbare Beiträge zur notwendigen Bereit­schaft der Bürger, den demokratischen Konsens aus freien Stücken zu akzeptieren und zu seiner Realisierung bei­zutragen, über gesellschaftliche Barrieren hinweg leisten können. Dies bedarf eines vertrauensvollen Gesprächsver­hältnisses zwischen Kirche und Staat und einer ebenso voll­ständigen wie jeweils aktuellen Gesprächskultur.

 

5.                  Die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religions­gesellschaften und der Staat sollten deshalb im beiderseitigen Interesse und vor allem im Interesse der Zivilgesellschaft in grundsätzlichen, beide Teile berührenden Themen nicht nur gelegentlich Kontakt nehmen, sondern einen offenen, regelmäßigen und transparenten Dialog pflegen, in dessen Rahmen beide Dialog­partner ihre notwendigen Beiträge zum Gemeinwohl leisten können (vgl. die auch für unser Land relevante Diskussion über die „Seele“ der Europäischen Union, anders gesagt, über das Problem der weithin mangelnden Motivation der Bürger, für den Staat Verantwortung zu übernehmen und an der Realisierung der Staatsziele aus freiem Entschluss und über gesetzliche Regelungen und Zwänge hinaus mitzuwirken – das „Böckenförde –Dilemma“).

Dadurch werden die anerkannten Kirchen und Religions­gesellschaften als Vermittler von Werten für die Gemeinschaft und damit für den Staat wirksam, eine Auf­gabe, die der säkulare Staat von sich aus nicht erfüllen kann.

 

6.                  Die christlichen Kirchen sind, wie die Vorschläge zu Absatz 6 zeigen, an Transparenz interessiert, aber auch daran, dass im Interesse der Gesellschaft ein Miteinander von Staat, Kirchen und Religionsgesellschaften ermöglicht wird. Mit einem Streben nach Machtausübung im staatlichen Bereich hat dieses Anliegen nichts zu tun. Im Gegenteil: Gegenseitige offene,  transparente regel­mäßige Information und Aussprache unterstreicht die Unabhängigkeit der Gesprächspartner („freie Kirche im freien Staat“). Die Kirchen und Religionsgesellschaften wollen im staatlichen Bereich keine Macht ausüben, sondern die Entwicklung in „kirchenspezifischen“ (vgl. die Einschränkung gegenüber dem Ursprungstext!)  Grundsatzangelegenheiten zeitgerecht beraten und begleiten, anstatt die gegebenenfalls notwendigen staatlichen Reaktionen auf solche Entwicklungen nur  im Nachhinein zu kritisieren oder gar zu konterkarieren (vgl. zahlreiche Beispiele aus der Gegenwart, auf die im vorliegenden Rahmen nicht weiter einzugehen ist). Der angestrebte Gleichklang ohne Vernachlässigung existentieller Überzeugungen ist aber nur dann herstellbar, wenn der gewünschte Dialog  nicht nur zufällig, sondern institutionell stattfindet. Schon durch die gewünschte Offenheit und Transparenz ist jeder Fehlentwicklung wirksam vorgebeugt.

 

7.                  Auf dem im Ursprungstext enthaltenen Bezug auf die besondere Identität und den gesamtstaatlichen Beitrag der Kirchen und Religionsgesellschaften wird im modifizierten Textvorschlag  nicht mehr Bedacht genommen, weil diese für das Verständnis und die Interpretation der Bestimmung nötigen Verweise ebensogut in die Begründung der angestrebten Regelung übernommen werden können.

 

 


Ökumenische Expertengruppe                                                                                  10.09.2004

 

 

Österreich – Konvent

Ausschuss 4 Grundrechte

 

 

Zu „Volksgruppenrechten“

 

 

 

 

Die Pfarrgemeinden vor allem der katholischen, der evangelischen und der orthodoxen Kirchen in Österreich sind oftmals Zentren der Begegnung, der kulturellen und sozialen Aktivitäten und der religiösen Gemeinschaftsbildung von Volksgruppen. Die Erfahrungen der Kirchen mit Volksgruppen motivieren die Ökumenische Expertengruppe, einen neuerlichen Beitrag zur Konsensbildung im Österreich-Konvent zu Fragen der Volksgruppenrechte zu leisten; sie will versuchen, auf der Basis der Diskussionen im Ausschuss 4 zwischen den Positionen zu vermitteln; sie glaubt, dass die Positionen weitgehend vereinbar sind, d.h. dass Elemente des Konsenses den Dissens überwiegen.

 

Die Ökumenische Expertengruppe lässt sich dabei von folgenden Erwägungen leiten:

-         Die verfassungsrechtlichen Neuregelungen sollten offen für eine zukünftige Entwicklung sein; die historischen Regelungen, die übrigens noch nicht in allen Punkten umgesetzt sind, genügen dafür nicht mehr.

-         Neuregelungen sollten die tatsächliche Lage, die Wirklichkeit in den einzelnen Gemeinden, aber auch die Unterschiede in der Situation der Volksgruppen in den Ballungszentren, insbesondere dem Wiener Raum, und in den anderen Landesteilen beachten.

-         Neuregelungen sollten vor allem die Veränderungen in den Lagen ethnischer Minderheiten seit dem 2. Weltkrieg beachten: die schrittweise Auflösung der Siedlungsgebiete, selbst für die historischen, „autochthonen“ Minderheiten, die Migrationen, die Flüchtlingswellen, die Auswirkungen der beruflichen Mobilität, die Änderungen der Rechtslage in Europa durch neue Konventionen und durch den Prozess der europäischen Einigung.

 

Die Expertengruppe ist der Auffassung, dass der zuletzt erarbeitete Textvorschlag des  Ausschusses 4 eine geeignete Grundlage für die weiteren Beratungen darstellt. Sie erläutert im folgenden, warum sie diese Auffassung vertritt.

 

1. Zunächst sind die beiden staatszielartigen Prinzipien beizubehalten, wonach sich Bund, Länder und Gemeinden zur sprachlichen und kulturellen Vielfalt bekennen, die Vielfalt achten und fördern wollen; wonach sie ferner die gegenseitige Achtung und die Zusammenarbeit zwischen allen im Staatsgebiet lebenden Menschen fördern wollen, ungeachtet ihrer Sprache, Kultur und Volksgruppenzugehörigkeit. Die Vielfalt drückt sich heute nicht mehr allein in den autochthonen Minderheiten aus, insoferne ist Art 8 B-VG überholt und wirklichkeitsfremd. Die allgemeine Forderung nach Toleranz und Anerkennung aller Volksgruppen und der Volksgruppen untereinander fehlt in Art 8 B-VG.

 

2. Der Grundsatz „das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei“ ist trotz der Freiheitsrechte und Diskriminierungsverbote essentiell, ebenso der Grundsatz, dass einem Angehörigen einer Volksgruppe aus seinem Bekenntnis zur Volksgruppe oder aus der Ablehnung seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe kein Nachteil erwachsen darf; gleiches gilt für einen Wechsel dieses Bekenntnisses. Die Gleichheitsrechte genügen nicht; sie sind mit wenigen Ausnahmen staatsgerichtet,  Nachteile und Diskriminierungen können sich aber in vielen gesellschaftlichen Bereichen ergeben. Feststellungsverfahren sind abzulehnen.

 

3. Im Zuge einer Neufassung des Volksgruppengesetzes ist es ratsam, das rudimentäre Anerkennungsverfahren für Volksgruppen rechtstaatlich auszubauen; damit wird Transparenz gesichert, damit werden objektive Kriterien anwendbar und durch die Kontrolle der Höchstgerichte nachprüfbar: wie vor allem eine signifikante Zahl potentieller Angehöriger, deren nichtdeutsche Muttersprache, eine nachhaltige Organisation, eigenes Brauchtum. Das zuletzt genannte Kriterium bedeutet, dass statistische Erwägungen nicht ausreichen und namensgleiche Minderheiten nicht über einen kulturellen Leisten geschlagen werden dürfen. Art 67 StV St.Germain ist in den Text zu übernehmen. Anerkannte Volksgruppen sollen nicht nur den Schutz des Staates genießen, sondern sollen Anspruch auf Förderung ihrer Kultur haben, allerdings im Rahmen der Gesetze und der budgetären Möglichkeiten; Förderungen bestehen übrigens nicht allein in der Form direkter Subventionen und anderer finanzieller Zuwendungen. Indirekte Förderungen zum Anreiz privater und eigenfinanzierter Aktivitäten sind oft wirksamer.

 

4. Die autochthonen österreichischen Minderheiten sind durch Art.7 StV Wien und durch die Ausführungsgesetze in besonderer Weise geschützt. Wenn der StV Wien in einem vorgesehenen Nebengesetz zur neuen Bundesverfassung erhalten bliebe, bedürfte es keiner weiteren Formulierung der Minderheitenrechte in diesem Text; wenn nicht, sollte der Inhalt des Art 7 in den Text übernommen werden, ungefähr so wie es der bisherige Textentwurf des Ausschusses 4  vorsieht. In diesen Text könnte oder sollte insbesondere die Volksgruppenförderung des gegenwärtigen Volksgruppengesetzes für die autochthonen Minderheiten aufgenommen werden.

 

 


14. 9. 2004

 

Ökumenische Expertengruppe

 

Soziale Grundrechte

 

Entwurf - Abänderungsvorschlag

 

 

Soziale Rechte haben ihren Ausgangspunkt und ihre Begründung in der Pflicht des Ge­meinwesens, die Menschenwürde zu achten und zu schützen. Es ist aus christlichem Ver­ständnis eine unverzichtbare Aufgabe des Staates, bei der Gewährleistung von Grund- und Menschenrechten für eine Balance von Individualität und Solidarität und für einen gerechten und wirksamen Ausgleich zwischen Freiheitsrechten und wesentlichen Lebens­bedürfnissen der Einzelnen zu sorgen. Dies erfordert eine gleichrangige Verbürgung li­beraler und sozialer Rechte auf Verfassungsebene.

 

Eine solche Ausgewogenheit des Grundrechtsschutzes entspricht auch dem europäischen Standard, wie er in den Verfassungen der meisten Mitgliedstaaten der EU sowie im Grundrechtskatalog der EU-Verfassung, die voraussichtlich in naher Zukunft Rechtsver­bindlichkeit erlangen wird, zum Ausdruck kommt.

 

Die christlichen Kirchen sind daher der Überzeugung, dass in die neue Verfassung ein Katalog sozialer Grundrechte aufgenommen werden soll, welche dem Einzelnen subjek­tive Rechte im Verfassungsrang vermitteln.

 

Diese Rechte können im konkreten Fall einen Anspruch auf bestimmte soziale Mindest­leistungen, ein Recht auf Gleichbehandlung bei der Gewährung staatlicher Leistungen oder aber auf Gewährleistung des grundrechtlich geschützten Rechts im Rahmen der formulierten Zielvorgaben durch den Staat, insbesondere durch den Gesetzgeber, ver­mitteln. Eine bloße Gewährleistungspflicht des Staates ohne entsprechende subjektive Rechtsposition des Einzelnen ist nach Auffassung der christlichen Kirchen allerdings für jene Rechte angezeigt, welche typischerweise nicht individualisierbar sind, wie z. B. ein nicht weiter spezifiziertes Recht auf „Wohnung“ oder auf „Arbeit“.

 

Ganz allgemein verkörpern ferner auch soziale Grundrechte objektive Grundsatznormen, die das Staatshandeln in allen seinen Erscheinungsformen binden. Diese Dimension so­zialer Grundrechte bietet die Grundlage für eine von den Kirchen in ihrem Sozialwort angeregten Sozialverträglichkeitsprüfung.

 

Die Gewährleistung sozialer Grundrechte erfolgt durch den einfachen Gesetzgeber  unter Beachtung der Grundsätze der Eigenverantwortung, der Nachhaltigkeit und der sozialen Gerechtigkeit. Maßgeblich sind ferner das Sachlichkeitsgebot sowie die Ein­griffsschranken allenfalls berührter Freiheitsrechte. Die erforderlichen Abwägungsvor­gänge eröffnen dem Gesetzgeber relativ weite Gestaltungsspielräume.

 

Soziale Grundrechte sind, soferne sie als subjektive öffentliche Rechte verbürgt werden, nach der gegenwärtig geltenden Rechtslage entweder mittels Bescheidbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder in Angelegenheiten, deren Grundlage privatrechtliche Rechtsverhältnisse bilden, mit Klage vor den ordentlichen Gerichten durchsetzbar. Die Frage, ob dies einen ausreichenden und effizienten Rechtsschutz sicherstellt oder ob zu­sätzliche Vorsorgen im Verfahrensrecht, bei der Antragslegitimation sowie in den Kom­petenzen des Verfassungsgerichtshofs erforderlich sind, ist zu prüfen.

 

Die im Folgenden angeführten Rechte orientieren sich, was ihren Gegenstand betrifft, im Wesentlichen an jenen, die in der EU-Grundrechtscharta und dieser folgend im EU-Verfassungsentwurf enthalten sind, gehen aber auch darüber hinaus, etwa durch Auf­nahme von Minderheitenrechten. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung der einzelnen Grundrechte wurden eigenständige, auf die Funktion sozialer Grundrechte in einer Staatsverfassung abgestellte Lösungen auch unter Berücksichtigung von bestehendem österreichischem Verfassungsrecht gesucht. Ferner wurde eine knappe Diktion ange­strebt, wie sie für Grundrechte charakteristisch ist.

 

Eine allgemeine, offene und zielorientierte Formulierung sozialer Grundrechte, die auf Zukunft hin angelegt ist und neue sachadäquate Lösungen für künftige soziale Erforder­nisse zulässt, nicht blockiert, ist ein wesentliches legistisches Erfordernis. Nichts wäre dem Anliegen sozialstaatlicher Garantien in der Verfassung schädlicher als der Versuch, über entsprechend detaillierte Vorgaben die bestehende Sozialordnung und ihre Instituti­onen gleichsam zu „versteinern“ oder konkrete gesetzgeberische Maßnahmen vorzu­schreiben.

 

Die meisten der im Vorschlag enthaltenen sozialen Grundrechte sind auch im UN-Sozi­alpakt, vor allem aber in der Europäischen Sozialcharta (ESC) sowie in einzelne Schutz­bereiche betreffenden internationalen Verträgen verankert, welche Österreich völker­rechtlich binden. Die in diesem Abkommen enthaltenen Regelungen zählen jedenfalls zu den Grundlagen der Auslegung der in der österreichischen Verfassung zu verankernden respektiven sozialen Grundrechte. Zusätzliche inhaltliche Ausgestaltungen einzelner so­zialer Grundrechte stützen sich ferner auf die revidierte Fassung der ESC aus 1996 (Re­vESC), die Österreich unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert hat. Weitere Vorgaben finden sich im EGV, in der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeit­nehmer vom 9. 12. 1989 (Gemeinschaftscharta) sowie in einer Reihe von Richtlinien, ins­besondere zur Gleichbehandlung von Frau und Mann.

 

Es wird angeregt, in der neuen Verfassung ausdrücklich auf die Funktion dieser Ver­bürgungen als Auslegungsmaximen hinzuweisen, um auf diese Weise eine inhaltliche Präzisierung der allgemein formulierten sozialen Rechte sicherzustellen.

 

Der nachfolgend vorgelegte Katalog fasst alle Verbürgungen zusammen, die als soziale Grundrechte betrachtet werden können und bezieht daher auch Gleichheitsrechte mit ein.

 


Soziale Grundrechte

Art 1

(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz seiner Gesundheit.

(2) Der Gesetzgeber gewährleistet ein allgemein und gleich zugängliches Gesundheitswe­sen, das Gesundheitsvorsorge und ärztliche Versorgung bietet, und bekämpft gesundheits­schädliche Umweltbedingungen.

 

Art 2

(1) Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Sicherheit.

(2) Der Gesetzgeber gewährleistet ein System der Sicherung in den Fällen von Mutter­schaft, Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Unfall, geminderte Erwerbsfähigkeit, Arbeitslo­sigkeit und Alter sowie die gleiche Teilhabe an diesem System.

(3) Wer in Not gerät und nicht für sich sorgen kann, hat einen durch Gesetz verbürgten An­spruch auf Hilfe, Betreuung und Unterkunft sowie auf jene Mittel, die für ein menschen­würdiges Dasein unerlässlich sind.

(4) Die öffentliche Hand arbeitet bei der Erfüllung von sozialpolitischen Aufgaben mit den nicht gewinnorientierten Trägern der freien Wohlfahrt zusammen.

 

Art 3

(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit unter gerechten und angemessenen Bedingungen. Dieses Recht wird durch den Gesetzgeber gewährleistet.

(2) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zu einer aktiven Arbeitsmarktpolitik.

 

Art 4

Die Republik Österreich achtet die Tradition eines arbeitsfreien Tages in der Woche, ins­besondere des Sonntags.

 

Art 5

(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Wohnung zu angemessenen Bedingungen.

(2) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zu einer entsprechenden Wohnungspoli­tik.

 

Art 6 (Im Ausschuss bereits behandelt und verabschiedet)

(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung mit dem Ziel der vollen Entfaltung der menschli­chen Persönlichkeit und der Stärkung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

Dazu zählen insbesondere

a)      der Zugang zur beruflichen Aus- und Weiterbildung;

b)      der unentgeltliche Pflichtschulbesuch;

c)      der Zugang zum Religionsunterricht in den Schulen;

d)      der Zugang zur Erwachsenenbildung und zum lebenslangen Lernen.

(2) Bund, Länder und Gemeinden haben bei Ausübung der von ihnen auf dem Gebiet der Erzie­hung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Er­ziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicher zu stellen.

(3) Jeder Staatsbürger ist berechtigt, Privatschulen zu errichten und zu betreiben. Die Unterrichts­erteilung ist an den Nachweis der gesetzlichen Befähigung gebunden.

Der häusliche Unterricht unterliegt dieser Beschränkung nicht.

(4) Die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei

 

Art 7

Jeder Mensch hat das Recht auf Gewährleistung des gleichen Zugangs zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu fairen Bedingungen und in angemessener Qualität durch den Gesetzgeber.

 

Art 8

(1) Ehe und Familie werden anerkannt und geschützt.

(2) Pflege und Erziehung ihrer Kinder ist Recht und Aufgabe der Eltern. Bund, Länder und Ge­meinden haben bei der Ausübung der von ihnen auf dem Gebiet der Erziehung und des Un­terrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen si­cher zu stellen.

(3) Eltern und ihre Kinder haben das Recht auf Schutz und Fürsorge sowie auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Aus der Eigenschaft als Mutter oder Vater darf kein Nachteil erwachsen.

Diese Rechte gewährleistet der Gesetzgeber.

 

Art 9

(1) Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres haben Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind, sowie auf regelmä­ßige persönliche Beziehungen und direkten Kontakt zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies stehe seinem Wohlergehen entgegen.

Diese Rechte gewährleistet der Gesetzgeber.

(2) Bei allen Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen, die Kinder oder Jugendliche betreffen, hat deren Wohl Vorrang vor allen anderen Zielsetzungen.

(3) Kinderarbeit und jede andere Form der Ausbeutung von Kindern ist vom Gesetzgeber zu verbieten.

 

Art 10

(1) Frauen und Männer sind gleichberechtigt.

(2) Sie haben das Recht auf Gleichstellung in allen Lebensbereichen durch den Gesetzgeber.

Der Gleichberechtigung von Männern und Frauen stehen Vergünstigungen zum Ausgleich bestehender Ungleichheiten nicht entgegen.

 

Art 11

Alte Menschen haben das Recht auf ein würdiges und unabhängiges Leben, auf Teilnahme am Arbeitsleben sowie am sozialen, politischen und kulturellen Leben und auf Hilfe im Fall der Pflegebedürftigkeit.

Diese Rechte gewährleistet der Gesetzgeber.

 

Art 12

(1) Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(2) Behinderte haben ein Recht auf Zugang zu und auf Gleichstellung in allen Bereichen des tägli­chen Lebens.

      Dieses Recht gewährleistet der Gesetzgeber.

 

 

Art 13 (Formulierung wird im Ausschuss bereits diskutiert – siehe Protokoll der 21. Sit­zung)

 

(1) Alle Menschen haben das Recht auf Wahrung und Pflege ihrer Sprache und kulturellen Identi­tät.

(2) Das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei.

(3) Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung der Volksgruppen werden geachtet, gefördert und geschützt.

(4) Art 66 Abs 3 und 4 StV v. St. Germain, StGBl Nr. 303/1920 und Art 7 des StV v. Wien, BGBl 152/1955 sind Bestandteil der Bundesverfassung.

 

Art 14

Flüchtlinge haben das Recht auf Asyl.

Dieses Recht gewährleistet der Gesetzgeber.


Erläuterungen

 

Der vorliegende Entwurf stellt eine erweiterte Fassung des inhaltlich weitestgehend beibehaltenen Vorschlags der ökumenischen Expertengruppe für einen Katalog so­zialer Grundrechte und Gleichheitsrechte dar, der dem Konvent am 14. 4. 2004 übermittelt worden ist. Die neu hinzugekommenen Formulierungen sollen vor allem klarstellen, dass die sozialen Rechte vom einfachen Gesetzgeber zu gewährleisten und zunächst auf dem von diesem vorgesehenen Rechtsweg geltend zu machen sind. Gesetzgeber und Vollziehung stehen dabei unter der nachprüfenden Kontrolle des VfGH. Einige soziale Grundrechte wurden inhaltlich präzisiert. Fer­ner wurde klar ausgesprochen, welche Verbürgungen nach Auffassung der christli­chen Kirchen als bloße Staatsziele ohne Verleihung subjektiver Rechte normiert werden sollen.

 

Art 1

(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz seiner Gesundheit.

(2) Der Gesetzgeber gewährleistet ein allgemein und gleich zugängliches Gesundheitswe­sen, das Gesundheitsvorsorge und ärztliche Versorgung bietet, und bekämpft gesundheits­schädliche Umweltbedingungen.

 

Erläuterungen:

Mit der Präambel der WHO-Satzung geht Art 1 von einem umfassenden Begriff der Gesundheit aus, als einem Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheiten und Gebrechen. Unter dem Schutz der Gesundheit sind sowohl kurative als auch präventive Maßnahmen einschließlich der Gewährleistung einer gesunden Umwelt zu verstehen. Das Gesundheitssystem soll allgemein und ohne Diskrimi­nierung zugänglich sein.

 

Gesundheitsbezogene Schutzpflichten des Staates können auch einem Recht auf körperliche Un­versehrtheit entnommen werden, wenn ein solches in die Verfassung aufgenommen wird (vgl. Art 3 GRCh).

 

Art 1 entspricht im Wesentlichen Art II-35 Verfassungsvertrag (VerfV) und stützt sich ferner auch auf Art 11 ESC und Art 152 EGV.

 

Art 2

(1) Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Sicherheit.

(2) Der Gesetzgeber gewährleistet ein System der Sicherung in den Fällen von Mutter­schaft, Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Unfall, geminderte Erwerbsfähigkeit, Arbeitslo­sigkeit und Alter sowie die gleiche Teilhabe an diesem System.

(3) Wer in Not gerät und nicht für sich sorgen kann, hat einen durch Gesetz verbürgten An­spruch auf Hilfe, Betreuung und Unterkunft sowie auf jene Mittel, die für ein menschen­würdiges Dasein unerlässlich sind.

(4) Die öffentliche Hand arbeitet bei der Erfüllung von sozialpolitischen Aufgaben mit den nicht gewinnorientierten Trägern der freien Wohlfahrt zusammen.

 


Erläuterungen:

Abs 2 vermittelt das Recht auf Gewährleistung eines vom Staat verantworteten Systems der Ab­sicherung gegen typische Lebensrisken sowie das Recht, an diesem System ohne Diskriminie­rung teilzuhaben.

Hiezu Art II-34 Abs 1 VerfV, ferner wird auf Art 12 ESC sowie auf Nr. 10 der Gemeinschafts­charta hingewiesen.

 

Abs 2 gewährt einen Anspruch auf ausreichende Hilfe in Notsituationen und vermittelt ein Recht auf Gewährleistung entsprechender Sozialhilfeeinrichtungen wie sie in Art 2 aufgezählt sind.

 

Er entspricht inhaltlich Art II-34 Abs 3 VerfV, ferner wird auf Art 13 ESC verwiesen.

 

Abs 3 anerkennt den sozialen Auftrag der nicht gewinnorientierten Träger der freien Wohlfahrt und verpflichtet den Staat zur Zusammenarbeit mit diesen. Auf die von den christlichen Kirchen vorgeschlagene Aufnahme einer „Dialogklausel“ in den Ausschussentwurf zur Religionsfreiheit wird hingewiesen.

 

Art 3

(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit unter gerechten und angemessenen Bedingungen. Dieses Recht wird durch den Gesetzgeber gewährleistet.

(2) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zu einer aktiven Arbeitsmarktpolitik.

 

Erläuterungen:

Art 3 Abs 1 entspricht in seiner Formulierung im Wesentlichen Art 31 Abs 1 GRCh. Er fasst unter dem Ausdruck „gerechte und angemessene [Arbeits-]bedingungen“ jene Anforderungen an das Arbeitsrecht zusammen, die sich beispielhaft aus Art 31 Abs 2 und Art 32 GRCh, aus Art 1 Z 3 und 4 sowie aus Art 2 – 4 und Art 7 ESC, Art 26 RevESC sowie aus den einschlägigen Be­stimmungen der Gemeinschaftscharta ergeben und begründet ein Recht auf die Gewährleistung entsprechender Arbeitsbedingungen durch den Gesetzgeber. Dieser ist ferner verpflichtet, allfäl­ligen neuen Gefährdungslagen im Bereich der Arbeitsbeziehungen zu begegnen.

 

Zu dem in Art II-31 Abs 2 VerfV verbürgten Recht auf wöchentliche Ruhezeit besteht die Forde­rung nach Garantie der Sonntagsruhe in der Verfassung (siehe hiezu auch Art 2 Z 5 ESC).

 

Art 3 Abs 2 verpflichtet die Gebietskörperschaften in Form eines Staatsziels zu einer akti­ven Arbeitsmarktpolitik.

 

Art 4

Die Republik Österreich achtet die Tradition eines arbeitsfreien Tages in der Woche, ins­besondere des Sonntags.

 

Erläuterungen:

In Ergänzung des in Art 3 formulierten, vom Gesetzgeber zu gewährleistenden Rechts auf Arbeit unter gerechten und angemessenen Bedingungen verpflichtet der neu eingefügte Art 4 die Gebietskörperschaften, einen festen arbeitsfreien Tag – nach österreichischer Tradi­tion wird dies in erster Linie der Sonntag sein – zu sichern.

 

Sonn- und Feiertage stellen für alle Menschen in unserer Gesellschaft, insbesondere für Gruppierungen, die im kulturellen, religiösen, sportlichen, sozialen oder politischen Be­reich tätig sind, einen unverzichtbaren Wert dar.

 

Als Inbegriff gemeinsamer freier Zeit ist der arbeitsfreie Sonntag ein wesentlicher Teil un­seres gesellschaftlichen, religiösen, kulturellen und familiären Zusammenlebens und besitzt einen gesellschaftlichen Wert als Rhythmusgeber und gemeinsame Atempause für unser aller Lebensqualität. Gerade der gemeinsame arbeitsfreie Sonntag ist ein Zeichen dafür, dass der Mensch mehr ist als Arbeitskraft und Konsument.

 

Eine Ausweitung der Sonn- und Feiertagsarbeit in gesellschaftlich nicht notwendige Berei­che bedeutet somit einen gravierenden Einschnitt in das Gefüge der Gesellschaft und soll vermieden werden.

 

Art 5

(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Wohnung zu angemessenen Bedingungen.

(2) Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zu einer entsprechenden Wohnungspoli­tik.

 

Erläuterungen:

Ein Recht auf Wohnen verpflichtet den Staat zu einer geeigneten Wohnungspolitik, die für eine ausreichende Wohnversorgung zu erschwinglichen Preisen sorgt, die aber vom Einzelnen rechtlich nicht einforderbar ist. Hiezu auch Art 31 RevESC.

 

Das Recht auf Bereitstellung einer Unterkunft im Fall der Obdachlosigkeit wurde wegen des inhaltlichen Zusammenhangs in Art 2 integriert.

 

Art 6

(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung mit dem Ziel der vollen Entfaltung der menschli­chen Persönlichkeit und der Stärkung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

Dazu zählen insbesondere

e)      der Zugang zur beruflichen Aus- und Weiterbildung;

f)        der unentgeltliche Pflichtschulbesuch;

g)      der Zugang zum Religionsunterricht in den Schulen;

h)      der Zugang zur Erwachsenenbildung und zum lebenslangen Lernen.

(2) Bund, Länder und Gemeinden haben bei Ausübung der von ihnen auf dem Gebiet der Erzie­hung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Er­ziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicher zu stellen.

(3) Jeder Staatsbürger ist berechtigt, Privatschulen zu errichten und zu betreiben. Die Unterrichts­erteilung ist an den Nachweis der gesetzlichen Befähigung gebunden.

Der häusliche Unterricht unterliegt dieser Beschränkung nicht.

(4) Die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei

 

Erläuterungen:

Ein Antrag auf Verbürgung der in Art 5 angeführten Rechte wurde bereits im Ausschuss 4 be­handelt und verabschiedet. Auf die dort gegebenen Erläuterungen wird verwiesen.

 


Art 7

Jeder Mensch hat das Recht auf Gewährleistung des gleichen Zugangs zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu fairen Bedingungen und in angemessener Qualität durch den Gesetzgeber.

 

Erläuterungen:

Art II-36 VerfV gewährt ein Recht auf Zugang zu „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftli­chen Interesse“. Art 7 greift diese Verbürgung auf und verleiht einen Anspruch auf gleichen Zu­gang zu diesen Einrichtungen sowie ein Recht auf Gewährleistung solcher Leistungen zu fairen Bedingungen und in angemessener Qualität. Die öffentliche Hand kann diese Leistungen entwe­der selbst erbringen oder an Private übertragen. Diesfalls ist sie verpflichtet, geeignete Maßnah­men zur Sicherstellung der Anforderungen gem. Art 7 zu treffen.

 

Statt des in der ersten Fassung traditionellen Ausdrucks „öffentliche Leistungen der Daseinsvorsorge“ wird nunmehr die Bezeichnung im Verfassungsentwurf verwendet.

 

Art 8

(1) Ehe und Familie werden anerkannt und geschützt.

(2) Pflege und Erziehung ihrer Kinder ist Recht und Aufgabe der Eltern. Bund, Länder und Ge­meinden haben bei der Ausübung der von ihnen auf dem Gebiet der Erziehung und des Un­terrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen si­cher zu stellen.

(3) Eltern und ihre Kinder haben das Recht auf Schutz und Fürsorge sowie auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Aus der Eigenschaft als Mutter oder Vater darf kein Nachteil erwachsen.

Diese Rechte gewährleistet der Gesetzgeber.

 

Erläuterungen:

Art 8 legt soziale Grundrechte der Familie fest. Er berücksichtigt dabei Art II-33 VerfV, die Art 8 und 16 ESC sowie Art 8 und 12 EMRK und Art 2 1. ZPEMRK. Abs 1 hebt die besondere Be­deutung von Ehe und Familie ausdrücklich hervor und statuiert eine Schutzpflicht des Staates.

 

Die Begriffe von Ehe und Familie sind den Art 12 und 8 EMRK und der dazu ergangenen Judi­katur zu entnehmen: Ehe bedeutet gem. Art 12 EMRK die auf Dauer angelegte rechtsförmliche Verbindung von Mann und Frau, der Familienbegriff des Art 8 EMRK ist hingegen weit und umfasst auch die Beziehungen nicht verheirateter Eltern, Adoptiv- oder Pflegeeltern sowie von Alleinerziehenden zu ihren Kindern.

 

Die besondere Schutzpflicht des Staates gegenüber diesen Lebensformen vermittelt dem Betrof­fenen ein Recht auf entsprechende Berücksichtigung ihrer Lebenssituation. Dies bedeutet unter anderem die Pflicht des Gesetzgebers zu einer sachlichen Differenzierung zwischen Eltern und Kinderlosen mit dem Ziel einer Angleichung der Situation dieser beiden Bevölkerungsgruppen. Als Förderungsmaßnahme nennt Art 16 ESC beispielsweise Sozial- und Familienleistungen, steuerliche Maßnahmen, Förderung des Baus familiengerechter Wohnungen, Hilfe für junge Eheleute, verweist aber ausdrücklich auf andere Mittel jeglicher Art.

 

Abs 3 hebt insbesondere das Recht der Eltern aber auch der betroffenen Kinder auf Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf hervor. Damit sind nicht nur die traditionellen Maßnahmen des Mutterschutzes und des Elternurlaubs im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes angesprochen, sondern auch beispielsweise die Gestaltung von Arbeitsverhältnissen, Hil­fen bezüglich der Kinderbetreuung oder steuerliche Maßnahmen.

Ausdrücklich ist ferner ein Diskriminierungsverbot für Eltern festgelegt. Vgl. hiezu auch Art 27 RevESC.

 

Abs 2 garantiert den Vorrang der Eltern bei der Pflege und Erziehung der Kinder. Notwendige Eingriffe des Staates in dieses Recht im Interesse des Kindeswohls können sich auf Art 9 dieses Vorschlages stützen (verwiesen wird auch auf Art 9 der Kinderrechtskonvention).

 

Gem. Abs 2 Satz 2 haben Eltern das Recht zu verlangen, dass der Staat dabei und allgemein bei der Wahrnehmung von Aufgaben der Erziehung und des Unterrichts ihr Recht auf Erziehung und Unterricht entsprechend ihrer religiösen und weltanschaulichen Überzeugung achtet. Diese Ga­rantie enthält schon jetzt Art 2 1. ZPEMRK. Sie hat bereits Eingang in den Ausschussentwurf betreffend das Recht auf Bildung gefunden.

 

Art 9

(1) Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres haben Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind, sowie auf regelmä­ßige persönliche Beziehungen und direkten Kontakt zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies stehe seinem Wohlergehen entgegen.

Diese Rechte gewährleistet der Gesetzgeber.

(2) Bei allen Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen, die Kinder oder Jugendliche betreffen, hat deren Wohl Vorrang vor allen anderen Zielsetzungen.

(3) Kinderarbeit und jede andere Form der Ausbeutung von Kindern ist vom Gesetzgeber zu verbieten.

 

Erläuterungen:

Art 9 legt Rechte von Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr auf Schutz und Für­sorge fest, wie sie vor allem aus der Kinderrechtskonvention ergeben und verpflichten den Staat dazu, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Er wird sich dabei an der Kinderrechtskon­vention orientieren, auf einen ausdrücklichen Verweis auf diese Konvention wurde aber aus legistischen Überlegungen verzichtet.

 

Abs 2 hebt ausdrücklich den Vorrang des Kindeswohl vor allen anderen Zielsetzungen hervor (Art 3 Abs 1 Kinderrechtskonvention). Art 9 berücksichtigt Art II-24 sowie Art II-32 VerfV.

 

Abs 3 spricht ein ausdrückliches Verbot von Kinderarbeit und anderen Formen der Aus­beutung von Kindern aus.

 

Art 10

(1) Frauen und Männer sind gleichberechtigt.

(2) Sie haben das Recht auf Gleichstellung in allen Lebensbereichen durch den Gesetzgeber.

Der Gleichberechtigung von Männern und Frauen stehen Vergünstigungen zum Ausgleich be­stehender Ungleichheiten nicht entgegen.

 


Erläuterungen:

Art 10 betont ausdrücklich die schon im allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verbürgte Gleichbe­rechtigung von Frauen und Männern und verleiht diesen ein Recht auf Gleichstellung in allen Lebensbereichen. Damit geht er über Art 7 Abs 2 B-VG hinaus, welche deren tatsächliche Gleichstellung lediglich als Staatsziel verankert. Wie Art 7 Abs 2 B-VG erklärt Art 10 Abs 2 einseitig begünstigende Maßnahmen zum Zweck des Ausgleichs bestehender Ungleichheiten ausdrücklich für zulässig.

 

Art 10 berücksichtigt Art II-23 VerfV, welcher sich seinerseits auf Art 2, Art 3 Abs 2 und Art 141 Abs 3 und 4 EGV sowie auf die Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207 EWG beruft.

 

Art 11

Alte Menschen haben das Recht auf ein würdiges und unabhängiges Leben, auf Teilnahme am Arbeitsleben sowie am sozialen, politischen und kulturellen Leben und auf Hilfe im Fall der Pflegebedürftigkeit.

Diese Rechte gewährleistet der Gesetzgeber.

 

Erläuterungen:

Art 11 garantiert alten Menschen spezifische, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Rechte. Sie dürfen von den genannten Lebensbereichen nicht ausgeschlossen werden. Dem steht eine Pflicht des Staats gegenüber, die Teilnahme durch entsprechende Maßnahmen zu ermöglichen.

 

Das Recht auf ein würdiges und unabhängiges Leben ist insbesondere durch die Sicherung eines angemessenen Lebensstandards im Alter und durch Hilfe bei Pflegebedürftigkeit zu sichern. In diesem Zusammenhang wird auch auf Art 2 dieses Vorschlags verwiesen. Das Recht umfasst aber z. B. auch ein Recht auf entsprechende Gestaltung der Lebensverhältnisse in Alters- und Pflegeheimen.

 

Art 11 entspricht inhaltlich weitgehend Art II-25 VerfV und stützt sich auch auf Nr. 25 und 26 der Gemeinschaftscharta. Siehe auch Art 23 RevESC.

 

Art 12

(1) Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(2) Behinderte haben ein Recht auf Zugang zu und auf Gleichstellung in allen Bereichen des tägli­chen Lebens.

Dieses Recht gewährleistet der Gesetzgeber.

 

Erläuterungen:

Art 12 hebt ausdrücklich das Verbot der Diskriminierung behinderter Menschen hervor. Er gibt diesen einen Anspruch auf Maßnahmen zur Integration in allen Lebensbereichen und geht damit über Art 7 Abs 1 3. Satz B-VG hinaus, der lediglich ein Staatsziel dieses Inhalts kennt. Einen Anspruch auf Integration Behinderter anerkennt auch Art II-26 VerfV. Dieser Anspruch kann sich auch auf Art 15 ESC und Nr. 26 der Gemeinschaftscharta berufen.

 

Art 13

(1) Alle Menschen haben das Recht auf Wahrung und Pflege ihrer Sprache und kulturellen Identi­tät.

(2) Das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei.

(3) Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung der Volksgruppen werden geachtet, gefördert und geschützt.

(4) Art 66 Abs 3 und 4 StV v. St. Germain, StGBl Nr. 303/1920 und Art 7 des StV v. Wien, BGBl 152/1955 sind Bestandteil der Bundesverfassung.

 

Erläuterungen:

Eine über diesen Vorschlag inhaltlich hinausgehende Formulierung der Volksgruppen­rechte wurde im Ausschuss bereits akzeptiert (Protokoll der 21. Sitzung).

 

Art 14

Flüchtlinge haben das Recht auf Asyl.

Dieses Recht gewährleistet der Gesetzgeber.

 

Erläuterungen:

Art 14 gewährt Flüchtlingen in Übereinstimmung mit Art 18 GRCh ein Recht auf Asyl. Damit besteht ein verfassungsgesetzlich gewährleisteter Anspruch der Betroffenen auf Gewährung von Asyl. Der Gesetzgeber wird dabei das Genfer Abkommen v. 28. 7. 1951 und das Protokoll v. 31. 1. 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge beachten, ein ausdrücklicher Verweis auf diese internationalen Vereinbarungen unterbleibt aber aus legistischen Gründen.

 


 

 

SOZIALDEMOKRATISCHES

GRUNDRECHTSFORUM

 

 

 

grundrechtsforum.spoe.at

 

 

 

 

 

Diskussionsentwurf

Vorläufige Endfassung

Stand: 25. Juni14. Juli 2004

 

 

 

Grundrechtskatalog

für eine neue

Bundesverfassung der Republik Österreich


 

Diskussionsentwurf

Vorläufige Endfassung

Stand: 25. Juni 14. Juli 2004

 

Grundrechtskatalog

für eine neue

Bundesverfassung der Republik Österreich

 

 

Artikel 1. Alle Menschen haben gleiche, angeborene und unveräußerliche Rechte. Sie zu achten, zu gewährleisten und zu schützen, ist vornehmste Aufgabe des Staates. Die Würde des Menschen ist unantastbar.

 

1. Abschnitt: Elementare Menschenrechte

Artikel 2. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Leben.

(2) Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.

(3) Ein das Leben gefährdender Eingriff ist nur zulässig, wenn er gesetzlich vorgesehen, unbedingt erforderlich und verhältnismäßig ist,

   1.  um andere Menschen vor rechtswidriger Gewaltanwendung zu schützen,

   2.  um eine gesetzmäßige Festnahme durchzuführen oder das Entkommen eines gesetzmäßig festgehaltenen Menschen zu verhindern, der eine Gefahr für andere Menschen darstellt.

 

Artikel 2a. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.

(2) Eine Einschränkungen dieses Rechts sind nur unter den Voraussetzungen des Artikel 31 zulässig.ist nur zulässig, wenn sie gesetzlich vorgesehen, verhältnismäßig und in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Artikel 3.  (1) Jeder Mensch hat das Recht, in Würde zu sterben. Tötung auf Verlangen ist verboten.

(2) Dieses Recht schließt jedenfalls den Anspruch auf Sterbebegleitung und bestmögliche Schmerzbehandlung ein. Die Betreuung durch Angehörige ist unabhängig vom Einkommen zu ermöglichen.

 

Artikel 4. Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Artikel 5. (1) Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.

(2) Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.

(3) Als Zwangs- oder Pflichtarbeit gilt nicht

1.    jede Arbeit, die normalerweise von einer Person verlangt wird, die unter den verfassungsgesetzlichen Bedingungen in Haft gehalten oder bedingt freigelassen worden ist;

1.2.Wehr- oder Zivildienst;

1.3.jede Dienstleistung im Fall von Notständen und Katastrophen, die das Leben oder das Wohl der Gemeinschaft bedrohen;

1.4.jede Arbeit oder Dienstleistung, die zu den normalen Bürgerpflichten gehört.

(4) Menschenhandel ist verboten.

 

Artikel 6. (1) Niemand darf in einen Staat verbracht werden, in dem ihr oder ihm die ernstliche Gefahr einer Verletzung elementarer Menschenrechte droht.

(2) Menschen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, haben das Recht auf Aufenthalt.

 

Artikel 7. Flüchtlinge nach Maßgabe des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 und des Protokolls vom 31. Jänner 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Menschen, die in vergleichbarer Weise verfolgt sind, haben das Recht auf Asyl in Österreich, sofern sie in keinem anderen Staat ausreichend Schutz vor Verfolgung finden.

 

2. Abschnitt: Gleichheitsrechte

 

Artikel 8.  Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

 

Artikel 9. (1) Diskriminierung, insbesondere wegen der Geburt, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, der Rasse, der Hautfarbe, der genetischen Merkmale, einer Behinderung, des Alters, einer Krankheit, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, der Sprache, der Religion, der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, des Vermögens oder der sozialen Stellung, sind verboten.

 

(2) Der Staat ergreift Maßnahmen, um Diskriminierungen vorzubeugen und sie zu beseitigen.

 

Artikel 10. (1) Frauen und Männer haben das Recht auf tatsächliche Gleichstellung.

(2) Menschen des benachteiligten Geschlechts haben Anspruch auf Maßnahmen, die bestehende Benachteiligungen beseitigen.

(3) Der Staat ergreift Maßnahmen, um eine wirksame Durchsetzung dieser Rechte zu gewährleisten, insbesondere durch Klagsbefugnisse für Organisationen, die nach ihrem Wirkungsbereich zur Herbeiführung der tatsächlichen Gleichstellung berufen sind.

 

Artikel 11. (1) Menschen mit Behinderung haben Anspruch auf Maßnahmen, die tatsächliche Benachteiligungen beseitigen und die volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit durch Ausbildung, Arbeit und Teilnahme am politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Gemeinschaft ermöglichen.

(2) Hörbehinderte Menschen (Gehörlose, Ertaubte und Schwerhörige) und sprachbehinderte Menschen haben das Recht, die Österreichische Gebärdensprache oder lautsprachbegleitende Gebärden zu verwenden.

 

Artikel 12. (1) Jedes Kind hat Anspruch auf Schutz und Fürsorge für sein Wohlergehen und auf bestmögliche individuelle Entwicklung und Entfaltung, auf Freizeit und Spiel. Kinder, die dauernd oder vorübergehend aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, haben Anspruch auf besonderen Schutz und Beistand des Staates.

(2) Jedes Kind hat das Recht auf Partizipation in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten, in einer seinem Alter und seiner Entwicklung entsprechenden Weise.

(3) Das Wohl des Kindes muss bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen staatlicher Organe oder sonstiger öffentlicher oder privater Einrichtungen sozialer Fürsorge eine vorrangige Erwägung sein.

(4) Jedes Kind hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen.

(5) Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, die Zufügung seelischen Leides, sexueller Missbrauch und andere Misshandlungen sind verboten. Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung, einschließlich von Kinderarbeit, Kinderprostitution, Kinderpornographie und Kinderhandel. Kinder als Opfer von Gewalt oder Ausbeutung haben ein Recht auf Rehabilitation.

 

Artikel 13. Ältere Menschen haben Anspruch auf ein würdiges und unabhängiges Leben, auf Teilnahme am politischen, sozialen und kulturellen Leben und auf Pflege.

 

Artikel 14. (1) Jeder Mensch hat einen Anspruch auf Achtung seiner Sprache und Kultur. Der Staat fördert den Geist der Offenheit und des interkulturellen Dialogs und ergreift Maßnahmen zur Förderung der gegenseitigen Achtung und der Zusammenarbeit zwischen allen in seinem Staatsgebiet lebenden Menschen, ungeachtet ihrer Sprache und Kultur.

(2) Die Volksgruppen und ihre Angehörigen haben einen Anspruch auf besondere Förderung ihrer Entwicklung und Sicherung ihres Bestandes, ihrer Sprache und ihrer Kultur. Das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei. Keinem Angehörigen einer Volksgruppe darf durch die Ausübung oder Nichtausübung der ihm zustehenden Rechte ein Nachteil erwachsen.

(3) Die Volksgruppen und ihre Angehörigen haben Anspruch auf Kindergartenerziehung und Schulunterricht in öffentlichen Pflichtschulen in der jeweiligen Volksgruppensprache in ihrem Siedlungsgebiet und außerhalb dieses bei einem nachhaltigen Bedarf. Weiters haben sie einen Anspruch auf eine verhältnismäßige Anzahl von öffentlichen höheren Schulen und auf Einrichtung einer eigenen Schulaufsicht. Die Volksgruppen haben ergänzend einen Anspruch auf angemessene Förderung von privaten Kindergärten und Privatschulen, die der Pflege ihrer Sprache und Kultur dienen.

(4) Die Volksgruppen und ihre Angehörigen haben im gemischtsprachigen Gebiet einen Anspruch auf Gebrauch der jeweiligen Volksgruppensprache als zusätzliche Amtssprache im Verkehr mit Verwaltungsbehörden und Gerichten sowie im öffentlichen Leben; außerhalb dieses Gebietes haben sie Anspruch auf angemessene Erleichterungen zum Gebrauch der jeweiligen Volksgruppensprache. Die zusätzliche Amtssprache kann im gemischtsprachigen Gebiet von jeder Person gebraucht werden. Die Volksgruppen haben im gemischtsprachigen Gebiet einen Anspruch auf mehrsprachige topographische Bezeichnungen und Aufschriften.

(5) Die Volksgruppen haben einen Anspruch auf einen angemessenen Anteil an öffentlichen Mitteln als finanzielle Volksgruppenförderung aus dem Budget des Bundes sowie aus den Budgets der Länder und Gemeinden, in denen sich gemischtsprachige Gebiete befinden, sowie auf eine besondere Förderung der Medien in ihrer eigenen Sprache.

(6) Organisationen, die Interessen von Volksgruppen vertreten, haben das Recht die auf diesen Artikel gegründeten Rechte der betreffenden Volksgruppe vor Gerichten und Verwaltungsbehörden geltend zu machen. Die Rechte der Angehörigen der Volksgruppen bleiben davon unberührt.

 

3. Abschnitt: Freiheitsrechte

 

Artikel 15. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln.

(2) Wer erklärt, bei Leistung des Wehrdienstes in Gewissensnot zu geraten, hat das Recht, einen Zivildienst in gleicher Dauer außerhalb des Bundesheeres zu leisten.

(3) Angehörige des Bundesheeres haben das Recht den Dienst zu verweigern, wenn die Beteiligung Österreichs an kriegerischen Maßnahmen gegen das Völkerrecht verstößt.

(4) Niemand darf zur Teilnahme an religiösen Handlungen oder Feierlichkeiten sowie zur Offenlegung seiner religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung gezwungen werden.

(5) Der Staat achtet das Recht der Eltern, die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen.

 

Artikel 16. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit.

(2) Das bestehende Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl Nr. 684/1988, wird hiemit als Bestandteil dieser Bundesverfassung erklärt.

 

Artikel 17. (1) Jeder Mensch hat das Recht, sich im Bundesgebiet frei zu bewegen, Wohnsitz oder Aufenthalt frei zu wählen und Österreich zu verlassen.

(2) StaatsbürgerInnen darf die Einreise in das Bundesgebiet nicht verwehrt werden. Sie dürfen weder ausgewiesen noch ausgeliefert werden. Dieses Verbot steht einer im europäischen Recht oder gesetzlich vorgesehenen Zurückstellung oder Überstellung an einen internationalen Gerichtshof oder zur Vollstreckung einer von einem solchen verhängten Strafe nicht entgegen, sofern rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

(3) Für Menschen, die nicht Staats- oder UnionsbürgerInnen sind, kann der Genuss der in Abs. 1 gewährleisteten Rechte von einem rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet abhängig gemacht oder auf bestimmte Gebiete beschränkt werden.

(4) Kollektivausweisungen sind unzulässig.

 

Artikel 18. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Privat‑ und Familienleben.

(2) Jeder Mensch hat das Recht, mit Erreichen des gesetzlich zu bestimmenden Alters eine Ehe oder verschieden- oder gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft einzugehen und eine Familie zu gründen.

(3) Jede Frau hat das Recht auf Selbstbestimmung über ihre Familienplanung und Reproduktion[sfähigkeit], über ihre Reproduktion frei zu bestimmen.

 

Artikel 19. (1) Haus und Wohnung sind unverletzlich.

(2) Ihre Durchsuchung oder technische Überwachung bedarf eines richterlichen Befehls.

 

Artikel 20. (1) Jede Person hat das Recht auf ungestörte Kommunikation.

(2) Eingriffe in das Kommunikationsgeheimnis bedürfen eines richterlichen Befehls.

 

Artikel 21. (1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden Daten. Dieses Recht umfasst die Geheimhaltung, Richtigstellung und Löschung personenbezogener Daten und die Auskunft über sie.

(2) Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Stelle überwacht.

(3) Die Verwendung sensibler Daten darf nur erlaubt werden, wenn die Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen durch wirksame Garantien geschützt sind.

 

Artikel 22. Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe zu empfangen und weiterzugeben.

 

Artikel 23. (1) Presse, Rundfunk und andere Medien sind frei.

(2) Zensur und andere vorbeugende Maßnahmen sind unzulässig.

(3) Das Redaktionsgeheimnis steht unter besonderem Schutz.

(4) Die Vielfalt der Medien wird geachtet, gefördert und geschützt.

(5) Rundfunk ist eine öffentliche Aufgabe.

(6) Rundfunk darf von einer Bewilligung abhängig gemacht werden. Berichterstattung hat objektiv, wahrheitsgemäß und unparteilich zu erfolgen, Meinungsbildung als solche erkennbar und Meinungsvielfalt gewährleistet zu sein.

 

Artikel 24. (1) Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich mit anderen zusammenzuschließen.

(2) Die Bildung von Vereinen darf nicht von einer behördlichen Bewilligung abhängig gemacht werden.

(3) Die Gründung von Parteien ist frei, soweit nicht diese Bundesverfassung anderes bestimmt*.

 

Artikel 25. (1) Alle Menschen haben das Recht, sich frei zu versammeln.

(2) Eine behördliche Anmeldung darf nur für allgemein zugängliche Versammlungen verlangt werden.

 

Artikel 26. (1) Anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften haben das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsausübung und der selbständigen Ordnung und Verwaltung ihrer inneren Angelegenheiten einschließlich der Errichtung juristischer Personen eigenen Rechts.

(2) Die Anerkennung erfolgt durch Gesetz. **

 

Artikel 27. (1) Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.

(2) Die öffentlichen Universitäten sind Stätten freier wissenschaftlicher Wissenschaft, Forschung, Lehre und Bildung mit dem Recht auf Selbstverwaltung.

(3) Jede Person kann Unterrichts‑, Erziehungs- und Bildungseinrichtungen gründen und an ihnen Unterricht erteilen, sofern sie ihre Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat.

 

Artikel 28. (1) Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst und ihre Lehre sind frei.

(2) Ihre Vielfalt wird geachtet, gefördert und geschützt.

 

Artikel 29. Jede Person hat das Recht, zu arbeiten, ein Unternehmen zu gründen, einen Beruf frei zu wählen und ihn auszuüben.

 

Artikel 30. (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums.

(2) Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, dürfen nur gegen rechtzeitige, angemessene Entschädigung erfolgen.

(3) Die Vertragsfreiheit ist gewährleistet.

 

Artikel 31. Einschränkungen der in diesem Abschnitt gewährleisteten Rechte

   1.  bedürfen einer gesetzlichen Grundlage;

   2.  müssen im öffentlichen Interesse oder zum Schutz von Rechten und Freiheiten anderer erforderlich sein;

   3.  müssen verhältnismäßig sein;

   4.  müssen die in dieser Bundesverfassung sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehenen weiteren Bedingungen und Grenzen wahren.

 

 

4. Abschnitt: Soziale Rechte

 

Artikel 32. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf ein Dasein in Würde.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Maßnahmen zur Vermeidung und Bekämpfung von Armut und sozialer Ausschließung.

(3) Jeder Mensch hat Anspruch auf die zur sozialen Mindestsicherung erforderlichen Leistungen, insbesondere für Nahrung, Kleidung, Unterkunft, medizinische Versorgung und soziale Teilhabe. Wer nicht in der Lage ist, für sich und die ihm gegenüber Unterhaltsberechtigten zu sorgen, hat Anspruch auf persönliche Hilfe sowie die zur sozialen Mindestsicherung erforderlichen Leistungen für Nahrung, Kleidung, Unterkunft, notwendige medizinische Versorgung und soziale Teilhabe. *

 

Artikel 33. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Sicherheit.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Einrichtung einer öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherung, die auf Einkommens- und Risikosolidarität beruht und die im Fall von Krankheit, Mutterschaft, Unfall, geminderter Arbeitsfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Pflegebedürftigkeit und Alter eine angemessene Versorgung sicherstellt.

(3) Der Staat gewährleistet dieses Recht weiters durch angemessene Versorgung im Fall von Pflegebedürftigkeit.

(4) Waisen haben Anspruch auf ein angemessenes Einkommen.

(3) Der Staat gewährleistet, dass die Pensionen gesichert sind und in angemessenem Ausmaß steigen.

 

Artikel 34. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz der Gesundheit.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Einrichtung eines allgemein zugänglichen öffentlichen Gesundheitswesens, durch den Schutz vor Gesundheitsbeeinträchtigungen und durch die Förderung der Gesundheitsvorsorge in allen Bereichen.

 

Artikel 35. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Wohnung.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Maßnahmen, die zu einer ausreichenden Zahl an Wohnungen zu angemessenen Preisen und Bedingungen führen, durch Mieterschutz und durch sozialen Wohnbau.

 

Artikel 36. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit zu menschenwürdigen, sicheren, gesunden und gerechten Bedingungen.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er sicherstellt:

   1.  ein angemessenes Entgelt und gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit;

   2.  angemessene Beschränkungen der Arbeitszeit, einschließlich Erholungszeiten;

   3.  angemessene Arbeitsruhe, insbesondere auch an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen;

4.Jahresurlaub in einer Dauer, die der gesellschaftlichen Entwicklung angemessen ist;

4.5.berufliche Aus- und Weiterbildung;

6.  besonderer Schutz von Jugendlichen und von Schwangeren und Müttern am Arbeitsplatz, soweit erforderlich auch durch  Beschäftigungsverbote, sowie durch einen wirksamen Schutz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses während eines angemessenen Zeitraums vor und nach der Geburt;

7.  Fortzahlung des Arbeitsentgelts für angemessene Zeit bei Verhinderung an der Arbeitsleistung aus wichtigen Gründen;

8.  Schutz vor ungerechtfertigter Beendigung oder Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses;

9.  Schutz vor herabwürdigender Behandlung, Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz;

10.    Schutz des Entgelts bei Insolvenz der ArbeitgeberIn .

(3) Jeder Mensch hat Anspruch auf unentgeltliche Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und auf Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Wiedereingliederung.

(4) ArbeitnehmerInnen Arbeitende Menschen haben das Recht auf Vertretung ihrer Interessen gegenüber der ArbeitgeberInim Betrieb. Eine angemessene Mitbestimmung in personellen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten ist gewährleistet. Gewählte VertreterInnen sind vor Benachteiligungen wegen Ausübung dieses Rechts wirksam zu schützen. Wählbar und wahlberechtigt sind alle ArbeitnehmerInnen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit.Das aktive und passive Wahlrecht steht ungeachtet der Staatsangehörigkeit zu.

 

Artikel 37. (1) ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnenAlle Menschen haben das Recht, sich freiwillig zur Vertretung ihrer jeweiligen Interessen zusammenzuschließen und hiezu Vereinigungen zu bilden.

(2) Sie können haben das Recht, kollektive Maßnahmen zur Durchsetzung der Interessen ihrer Mitglieder ergreifen.

(3) Solche Vereinigungen und gesetzliche Interessensvertretungen haben das Recht, im Rahmen der Gesetze alle Angelegenheiten der Arbeitswelt durch Kollektivvertrag verbindlich zu regeln.

 

Artikel 38. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er sicherstellt:

1.      eine den familiären Bedürfnissen entsprechende Gestaltung der Arbeitsbedingungen;

1.2.einen Anspruch auf angemessene Elternkarenz, Pflegeurlaub und Sterbekarenz einschließlich eines wirksamen Schutzes vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses;

1.3.ein dem Bedarf entsprechendes Angebot an Kinderbetreuung, an ganztägigen Schulen und an Alten- und Krankenpflege;

1.ein dem Bedarf entsprechendes Angebot an ganztägigen Schulformen;

1.4.einen angemessenen Ausgleich für ein wegen der Betreuung entfallendes Erwerbseinkommen und eine Unterstützung bei der Tragung der Familienlasten.

 

Artikel 39. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er sicherstellt :

1.     die Einrichtung öffentlicher Kindergärten, Schulen, Fachhochschulen, Hochschulen und Universitäten; sowie

2.     die Unterstützung von privaten Bildungseinrichtungen, beruflicher Aus- und Weiterbildung und lebenslangem lebensbegleitendem Lernen.;

3.     individuelle Förderung und Integration;

4.     eine angemessene Mitbestimmung an öffentlichen Bildungseinrichtungen.

(3) Der Staat hat den Zugang zur Bildung unabhängig vom Einkommen zu gewährleisten. Der Besuch öffentlicher Bildungseinrichtungen ist grundsätzlich unentgeltlich.

 

Artikel 39a. (1) Jeder Mensch hat das Recht auf kulturelle Teilhabe.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Unterstützung von kulturellen Betätigungen sowie von Einrichtungen, die die Mitwirkung am kulturellen Schaffen und die Auseinandersetzung mit kulturellen Gütern ermöglichen.

 

Artikel 40. (1) Jeder Mensch hat Anspruch auf Zugang zu Infrastruktur und sonstigen Leistungen von allgemeinem Interesse.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er die Leistungen selbst erbringt oder die Erbringung durch Private zu gleichen und fairen Bedingungen, in angemessener Qualität und zu erschwinglichen Preisen sicherstellt.

 

Artikel 40a. (1) Jeder Mensch hat Anspruch auf Schutz als KonsumentIn.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht, indem er die Information, die Sicherheit, die Gesundheit und die legitimen wirtschaftlichen Interessen der Konsumenten durch wirksame Maßnahmen schützt.

 

 

5. Abschnitt: Politische Rechte

Artikel 41. (1) Mit Erreichen des Wahl‑ und Stimmalters sind berechtigt:

   1.  StaatsbürgerInnen und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen bei der Wahl des Nationalrats, der BundespräsidentIn und der österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament sowie bei der Teilnahme an Abstimmungen, Befragungen und Begehren des Bundesvolkes;

   2.  BürgerInnen eines Landes und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen bei der Wahl des Landtags und bei der Teilnahme an Abstimmungen, Befragungen und Begehren des Landesvolkes;

   3.  BürgerInnen einer Gemeinde und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen bei der Wahl des Gemeinderats und der BürgermeisterIn, sofern sie vom Gemeindevolk gewählt wird, sowie bei der Teilnahme an Abstimmungen, Befragungen und Begehren des Gemeindevolkes.

(2) Jedenfalls wahl‑ und stimmberechtigt ist, wer am Tag der Stimmabgabe das 16. Lebensjahr vollendet hat.

(3) Jede Wahl‑ und Stimmberechtigte hat Anspruch auf die zur Wahrnehmung dieser Rechte nötige freie Zeit.

 

Artikel 42. (1) Mit Erreichen des Wählbarkeitsalters sind wählbar:

   1.  StaatsbürgerInnen und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen zum Nationalrat, zur BundespräsidentIn und zum Europäischen Parlament;

   2.  BürgerInnen eines Landes und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen zum Landtag und in die Landesregierung;

   3.  BürgerInnen einer Gemeinde und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen zum Gemeinderat und zur BürgermeisterIn.

(2) Jedenfalls wählbar ist, wer am Tag der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet hat.

(3) Der Ausschluss von der Wählbarkeit darf nur die Folge einer gerichtlichen Verurteilung sein.

 

Artikel 43. Jede Person hat das Recht, an öffentliche Einrichtungen Petitionen zu richten und im Rahmen der Gesetze an der politischen Willensbildung teilzunehmen.

 

Artikel 44. Alle StaatsbürgerInnen und durch das Recht der Europäischen Union oder durch Gesetz gleichgestellte Menschen haben das Recht auf gleichen Zugang zu den öffentlichen Ämtern.

 

Artikel 45. (1) Öffentlich Bediensteten ist die ungeschmälerte Ausübung ihrer politischen Rechte gewährleistet.

(2) Konflikte zwischen Dienst und Mandat sind zugunsten des Mandats zu lösen.

 

Artikel 46. Jeder im Bundesgebiet geborene Mensch erwirbt die österreichische Staatsbürgerschaft.

 

[Artikel 47. weggefallen]

 

6. Abschnitt: Verfahrensrechte und Rechtsschutz

Artikel 48. (1) Jede Person hat das Recht auf ein Verfahren vor der nach dem Gesetz zuständigen Behörde.

(2) Ausnahmegerichte sind unzulässig.

 

Artikel 49. Jede Person hat das Recht, über Angelegenheiten öffentlicher Einrichtungen Auskunft zu erhalten und in deren Dokumente Einsicht zu nehmen. Die Auskunft und der Zugang können im öffentlichen Interesse oder zum Schutz von Rechten und Freiheiten anderer gesetzlich beschränkt werden.

 

Artikel 50. (1) Jede Person hat vor jeder Behörde Anspruch auf faire Behandlung sowie auf Beurteilung ihres Falles innerhalb angemessener Frist.

(2) Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.

(3) Jeder festgenommene Mensch hat das Recht auf anwaltliche Vertretung.

(4) Jeder angeklagten Person sind die Verteidigungsrechte gewährleistet.

(5) Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf Verfahrenshilfe, sofern ihr Begehren nicht von vornherein aussichtslos erscheint. Dies schließt unentgeltlichen Rechtsbeistand vor Gericht mit ein.

 

Artikel 51. (1) In Zivil‑ und Strafsachen hat jede Person Anspruch auf Beurteilung ihrer Sache durch ein Gericht.

(2) Verhandlung und Urteilsverkündung sind öffentlich. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.

(3) In Justizstrafsachen gilt der Anklageprozess.

 

Artikel 52. (1) Jede Person gilt bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig.

(2) Jede verurteilte Person hat das Recht, das Urteil von einem höheren Gericht prüfen zu lassen. Ausnahmen dürfen nur für strafbare Handlungen geringfügiger Art, für Verurteilungen in erster Instanz durch ein Höchstgericht und für Verurteilungen in zweiter Instanz nach Freispruch in erster Instanz vorgesehen werden.

 

Artikel 53. Niemand darf wegen einer Tat verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Auch darf keine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden.

 

Artikel 54. (1) Niemand darf wegen einer Tat, deretwegen sie oder er bereits in der Europäischen Union nach dem Gesetz rechtskräftig abgeurteilt worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden.

(2) Die gesetzlich vorgesehene Wiederaufnahme des Verfahrens ist zulässig, wenn neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen oder wenn das vorausgegangene Verfahren schwere, seinen Ausgang berührende Mängel aufweist.

 

Artikel 55. Wer rechtswidrig verhaftet oder angehalten wird oder aufgrund eines Fehlurteils eine Strafe verbüßt hat, hat das Recht auf angemessene Entschädigung, sofern sie oder ihn am nicht rechtzeitigen Bekannt werden der Tatsachen, die zur Aufhebung der Verhaftung, der Anhaltung oder des Urteils führen, kein oder nur ein geringes Verschulden trifft.

 

Artikel 56. Wer sich in einem Grundrecht verletzt erachtet, hat das Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz.

 

Artikel 57. Wer durch rechtswidriges Handeln oder Unterlassen der Gesetzgebung oder durch rechtswidriges schuldhaftes Verhalten der Vollziehung Schaden erleidet, hat Anspruch auf Entschädigung nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts.

 

Artikel 57a. Opfer strafbarer Handlungen sind am Strafverfahren angemessen zu beteiligen.

 

Artikel 58. Organisationen, die nach ihrem Wirkungsbereich zum Schutz von Grundrechten oder zur Vertretung grundrechtlich geschützter Interessen berufen sind, ist das Recht einzuräumen, gegen behauptete Verletzungen der betreffenden Grundrechte Beschwerde einzulegen. Näheres bestimmt das Gesetz.

 


Die Expertengruppe lehnt eine Änderung der Dialogklausel mit folgenden Gründen ab:

 

1.         Durch die Einführung des in der EU-Verfassung durchaus eingeführten Begriffes der „Weltanschauungsgemeinschaften“ würde das österrei­chische System der Unterscheidung zwischen gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften einerseits, den registrierten religiösen Bekenntnisgemeinschaften andererseits und den ebenfalls existierenden, nicht registrierten und nicht anerkannten Religionen dritterseits konterkarieren.

2.         Der Begriff der „Weltanschauungsgemeinschaften“ ist der österreichischen Verfassungsordnung bisher nicht inhärent. Ihn einzuführen, würde eine Rechtsunsicherheit nach sich ziehen, und zwar insofern, als keinerlei Definition des Begriffes „Weltanschauungsgemeinschaft“ existiert und daher nicht bewusst gemacht werden kann, welche in Österreich existierenden Gemeinschaften unter diesen Begriff fallen könnten oder nicht.

3.         Wenn der Begriff „Weltanschauungsgemeinschaften“ in die österrei­chische Verfassungsordnung mit aufgenommen wird, dann müsste – entsprechend der gesetzlichen Anerkennung von Kirchen und Religions­gesellschaften – auch ein Verfahren zur gesetzlichen Anerkennung von Weltanschauungsgemeinschaften eingeführt werden, mit aller Unsicher­heit, welche mit der Definition des Begriffes selbst verbunden ist.

4.         Sollte ein solches Verfahren (einfach gesetzlich) eingeführt werden und würde dadurch der Begriff der Weltanschauungsgemeinschaften auch in der österreichischen Rechtsordnung eingeführt sein, wäre seitens der gesetzlich anerkannten Kirchen sicher kein Einwand, auch gesetzlich an­erkannte Weltanschauungsgemeinschaften in die Dialogklausel mit auf­zunehmen.

5.         Solange der Begriff „Weltanschauungsgemeinschaften“ und das Ver­fahren einer gesetzlichen Anerkennung analog dem Verfahren zur gesetzlichen Anerkennung von Religionen als gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften nicht eingeführt ist, ist keine Parität zwischen gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften einerseits und Weltanschauungsgemeinschaften andererseits gegeben, sodass bis dahin die Aufnahme dieses Begriffes in die vorgeschlagene Dialogklausel von der Gesamtheit der Rechtsordnung her kontraproduktiv wäre.

 


Univ.Prof.DDr. Christoph Grabenwarter                                                               30.9.2004

 

 

Rechte von Kindern

 

 

Artikel 3 (Folterverbot; Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung)

 

Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

 

Erläuterungen:

Die Regelung ist wortgleich mit Art. 3 EMRK sowie Art. 4 GRCh. Unter unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung fallen auch ensprechende körperliche Bestrafungen und Misshandlungen von Kindern und Jugendlichen (vgl. EGMR, Urteil vom 25.4.1978, Tyrer, Urteil vom 25.4.1978, Serie A 26, Z. 30 ff.). Darüber hinaus gebietet Art. 3 wie Art. 3 EMRK, dass der Staat konkrete Maßnahmen ergreift, wenn die Gefahr des Missbrauchs eines Kindes in der Familie besteht. Zudem müssen geeignete gesetzliche Regelungen vorhanden sein, um einem Missbrauch in der Familie begegnen zu können (so zu Art. 3 EMRK ausdrücklich EGMR, Urteil vom 23.9.1998, A., RJD 1998-VI, Z. 23 f.).

 

[…]

 


Artikel 12 (Schutz von Ehe und Familie; Rechte der Eltern und Kinder)

 

(1) Mit Erreichung des heiratsfähigen Alters haben Frau und Mann das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.

 

(2) Ehe und Familie genießen den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schutz des Staates.

 

(3) Die Erziehung der Kinder ist das Recht und die Pflicht der Eltern. Der Staat hat bei Ausübung der von ihm auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen.

 

(4) Ehegatten haben untereinander und in ihren Beziehungen zu ihren Kindern gleiche Rechte und Pflichten privatrechtlicher Art hinsichtlich der Eheschließung, während der Ehe und bei Auflösung der Ehe. Die Pflicht des Staates, die im Interesse der Kinder notwendigen Maßnahmen zu treffen, wird dadurch nicht beschränkt.

 

(5) Kinder haben Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind. Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes vorrangig berücksichtigt werden. Jedes Kind hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen.

 

 

Erläuterungen:

1.      In Artikel 12 sind unter dem Titel Schutz von Ehe und Familie das Recht auf Eheschließung, die Rechte der Ehegatten untereinander, der Schutz der Familie, das Elternrecht im Hinblick auf die Erziehung sowie Kinderrechte zu finden. Diese Garantien sind sowohl in der EMRK als auch in der GRCh an jeweils verschiedenen Stellen zu finden und hier entsprechend ihrem inhaltlichem Zusammenhang in einem Artikel vereint. Hinzukommt der Schutz des Familienlebens gemäß Artikel 8 (s. dort).

1.2.Gemäß Absatz 1 haben Mann und Frau das Recht auf Eheschließung ab Erreichung des heiratsfähigen Alters. Dem einfachen Gesetzgeber bleibt es überlassen, das entsprechende Alter festzulegen. Diese Garantie entspricht Art. 12 EMRK. Die Formulierung des Grundrechts stellt klar, dass vom Recht auf Eheschließung wie in der EMRK nur die verschiedengeschlechtliche Verbindung erfasst ist. Insofern deckt sich die Gewährleistung mit dem Garantieumfang des Art. 12 EMRK, der ebenfalls nur die Verbindung von zwei Personen verschiedenen Geschlechts erfasst (vgl. den insofern klaren Wortlaut der authentischen französischen Fassung „l’homme et la femme“ sowie die Rechtsprechung des EGMR, Urt. v. 27.9.1990, Cosey, Serie A 184, Z. 43; Urt. v. 30.7.1998, Sheffield u. Horsham, RJD 1998-V, Z. 66). Diese Festlegung steht im Einklang mit Art. 9 GRCh. Diese Bestimmung gewährt das Recht, eine Ehe einzugehen, nach den einzelstaatlichen Gesetzen, welche die Ausübung dieses Recht regeln. Der Chartabestimmung ist ein Anspruch auf Zuerkennung des Ehestatus für gleichgeschlechtliche Verbindungen nicht zu entnehmen, auch wenn sie einer solchen Zuerkennung durch das innerstaatliche Recht nicht entgegensteht. Ungleichbehandlungen zwischen Ehe und sonstigen Lebensgemeinschaften sind nach dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu beurteilen. Im Übrigen sind einzelne Aspekte des Zusammenlebens gleichgeschlechtlicher Paare, insbesondere mit Kindern, durch Artikel 8 geschützt (EGMR, Urt. v. 21.12.1999, Salgueiro da Silva Mouta, RJD 1999-IX, Z. 22).

1.3.Absatz 2 enthält eine Schutzpflicht des Staates gegenüber Ehe und Familie. Sie entspricht Art. 33 Abs. 1 GRCh sowie dem für diesen als Vorbild herangezogenen Art. 6 Abs. 1 des deutschen Grundgesetzes. Eine solche Schutzpflicht ist in der EMRK nicht ausdrücklich verankert, eine Reihe von Aspekten wird jedoch sowohl durch den EGMR als auch den VfGH aus dem Schutz der Familie gem. Art. 8 EMRK (Artikel 8 des Entwurfs) abgeleitet. Während der Begriff der Ehe sich entsprechend Absatz 1 nur auf die Verbindung von Mann und Frau bezieht, werden mit dem Begriff der Familie (entsprechend dem Familienbegriff des Art. 8 EMRK) neben der traditionellen Familie auch andere Lebensformen, insbesondere uneheliche Lebensgemeinschaften und alleinerziehende Mütter oder Väter mit ihren Kindern erfasst. Aus dieser Garantie folgen Pflichten des Staates, die Situation von Erziehenden zu verbessern und damit der von Kinderlosen anzugleichen (etwa durch Leistungen oder Berücksichtigungen im Steuerrecht). Einzelheiten wird die Rechtsprechung zu klären haben. Artikel 23 Ziffer 6 des Entwurfs enthält als Gesetzgebungsauftrag die Gewährleistung von Mutterschutzurlaub, Elternurlaub und den Schutz vor Entlassung aus einem mit der Elternschaft zusammenhängenden Grund. Insofern ist die in Artikel 12 Abs. 2 enthaltene allgemeine Schutzpflicht gegenüber Ehe und Familie konkretisiert.

1.4.In Absatz 3 wird klargestellt, dass das Erziehungsrecht vorrangig ein Recht der Eltern ist. Subsidiär hat der Staat die Pflicht, das Wohl des Kindes zu wahren (vgl. auch Abs. 5). Nach Satz 2 hat der Staat dabei und im Übrigen, soweit er auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts Aufgaben übernimmt, die Pflicht, das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen Überzeugungen hinsichtlich Religion und Weltanschauung durchzuführen. Diese Garantie entspricht Art. 2 1. ZPEMRK. Die Normierung einer gesetzlichen Schulpflicht ist Voraussetzung für die Übernahme von Erziehungs- und Unterrichtsaufgaben durch den Staat; sie ist daher verfassungsrechtlich zulässig.

1.5.In Absatz 4 ist der in Art. 5 7. ZPEMRK enthaltene besondere Gleichheitssatz in Zusammenhang mit der Ehe übernommen.

1.6.Absatz 5 enthält eine Reihe von Rechten des Kindes. Er beruht auf den entsprechenden Garantien in Art. 24 GRCh. Dieser wiederum berücksichtigt das internationale Übereinkommen über die Rechte des Kindes, das für alle Mitgliedstaaten der EU in Kraft getreten ist. Im Einzelnen sind gewährleistet ein Anspruch des Kindes auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind.

1.7.Absatz 5 verpflichtet den Staat auch zu aktivem Tun, das heißt dazu, Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, wenn das Wohl von Kindern beeinträchtigt zu werden droht (vgl. Hölscheidt, in: Meyer [Hrsg.], Grundrechtecharta. Kommentar [2003], Art. 24 Rn. 18). Dazu gehören insbesondere Maßnahmen zum Schutz vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung oder Misshandlung, vor Verwahrlosung oder Vernachlässigung vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschließlich des sexuellen Missbrauchs, der Kinderprostitution, des Kinderhandels und der Kinderpornographie (vgl. auch Art. 19 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes sowie das – von Österreich noch nicht ratifizierte – Fakultativprotokoll zu dem Übereinkommens über die Rechte des Kindes betreffend Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornographie).

 

[….]

 

 


Artikel 15 (Berufs- und Erwerbsfreiheit; Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit)

 

(1) Jede Person hat das Recht, unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig auszuüben, ihren Beruf frei zu wählen sowie sich für diesen auszubilden.

(2) Die öffentlichen Ämter sind für alle Staatsangehörigen gleich zugänglich. Im Übrigen wird der Eintritt in dieselben vom Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft abhängig gemacht.

(3) Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden. Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten. Als Zwangs- oder Pflichtarbeit gilt nicht:

a)      jede Arbeit die normalerweise von einer Person verlangt wird, die unter den von Artikel 5 vorgesehenen Bedingungen in Haft gehalten oder bedingt freigelassen worden ist;

a)b)                        Wehr- oder Ersatzdienst;

a)c)jede Dienstleistung im Falle von Notständen und Katastrophen, die das Leben oder das Wohl der Gemeinschaft bedrohen;

a)d)                        jede Arbeit oder Dienstleistung, die zu den normalen Bürgerpflichten gehört.

 

(4) Kinderarbeit ist verboten. Unbeschadet günstigerer Vorschriften für Jugendliche und abgesehen von begrenzten Ausnahmen darf das Mindestalter für den Eintritt in das Arbeitsleben das Alter, in dem die Schulpflicht endet, nicht unterschreiten. Zur Arbeit zugelassene Jugendliche müssen ihrem Alter angepasste Arbeitsbedingungen erhalten und vor wirtschaftlicher Ausbeutung und vor jeder Arbeit geschützt werden, die ihre Sicherheit, ihre Gesundheit, ihre körperliche, geistige, sittliche oder soziale Entwicklung beeinträchtigen oder ihre Erziehung gefährden könnte.

 

(5) Menschenhandel ist verboten.

 

 

Erläuterungen:

1.      Der vorgeschlagene Entwurf verbindet die Garantien der Art. 6 und 18 StGG zu einem Grundrecht der Berufs- und Erwerbsfreiheit. Ferner enthält Artikel 15 die Gewährleistung des Zugangs zu öffentlichen Ämtern (Absatz 2) und das Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit entsprechend Art. 4 EMRK.

1.2.Gemäß Absatz 1 wird die Berufs- und Erwerbsfreiheit ein Menschenrecht. Der Status quo ist, dass zwar die Berufsfreiheit ein Menschenrecht, die Erwerbsfreiheit jedoch ein Staatsbürgerrecht ist. Durch das EU-Recht wurde die Rechtslage insoweit jedoch erheblich modifiziert.

1.3.Im Übrigen entspricht der Wortlaut Art. 6 StGG und er nimmt Art. 18 StGG im Wesentlichen wortgleich in seinen Gewährleistungsumfang auf. Auf folgende Punkte sei hingewiesen:

a)      Mit Erwerbszweig sind sowohl selbstständige, als auch unselbstständige Tätigkeiten erfasst, auch der Beruf des Beamten gehört dazu. Beruf ist nach der Rechtsprechung des VfGH eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit und dient im Allgemeinen der Erzielung des Lebensunterhalts.

Die Erwerbsfreiheit nach Art. 6 StGG steht nach der Judikatur neben Staatsbürgern auch inländischen juristischen Personen zu. Die Berufsfreiheit nach Art. 18 StGG steht nur natürlichen Personen zu. Der neue Text macht keine Unterscheidung mehr zwischen natürlichen und juristischen Personen. Für die Reichweite des Grundrechtsschutzes von juristischen Personen ist Artikel 22 Abs. 3 maßgeblich.

b)      Der Entwurf enthält neben dem formellen Gesetzesvorbehalt keine Grundrechtsschranken. Nach der Judikatur des VfGH sind die Grundrechtsschranken für Erwerbsfreiheit und Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit im Wesentlichen einheitlich. Danach dürfen Eingriffe in die Freiheiten erfolgen, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind, ein legitimes Ziel verfolgen und das Verhältnis zwischen Schwere des Eingriffs und Gewicht der rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig (angemessen) ist. Von einer expliziten Normierung dieser „Grundrechtsformel“ kann im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung abgesehen werden. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zulässig ist, die Erwerbsfreiheit im Interesse des Verbraucherschutzes zu beschränken (z.B. VfSlg 11853/1988). Damit wird der für die Europäische Union formulierten Vorgabe eines hohen Verbraucherschutzniveaus in Art. 38 GRCh Rechnung getragen.

4.      Absatz 2 entspricht Art. 3 StGG. Bürgerinnen und Bürger eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union sind gemäß Artikel 22 Abs. 2 des Entwurfs im Rahmen von Art. 39 EGV österreichischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Soweit ein öffentliches Amt unter Art. 39 Abs. 4 EGV fällt, ist der grundrechtliche Anspruch auf österreichische Staatsangehörige beschränkt.

4.5.Absatz 3 übernimmt inhaltlich Art. 4 EMRK. Er enthält ein ausdrückliches Verbot von Sklaverei und Leibeigenschaft sowie von Zwangs- und Pflichtarbeit und eine Aufzählung von Pflichten, die keine Zwangs- oder Pflichtarbeit darstellen. Im Ergebnis ermächtigen Absatz 3 Satz 2 und 3 zu besonderen Eingriffen in das Grundrecht jenseits der allgemeinen Schranke der Verhältnismäßigkeit. Von der EMRK wird nur insoweit abgewichen, als der Tatbestand der lit. b präzise auf das österreichische Verfassungsrecht abgestimmt ist. Dienstleistungen im Fall von Notständen und Katastrophen sind z.B. Hilfeleistungen nach einem Hochwasser. Arbeiten oder Dienstleistungen, die zu den normalen Bürgerpflichten gehören, sind beispielsweise kommunale Hand- und Spanndienste, Feuerwehrdienste etc.

4.6.Absatz  5 entspricht inhaltlich Art. 32 GRCh sowie Art. 32 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes. Neben dem allgemeinen Verbot der Kinderarbeit muss ein Mindestalter festgelegt werden, ab dem Jugendliche in das Berufsleben eintreten können. Dabei ist eine Regelung, die nach täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeiten differenzierte Altersgrenzen festlegt, zulässig. Ferner muss der Gesetzgeber zum Schutz jugendlicher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besondere Regelungen treffen, die eine Rücksichtnahme auf das Alter in den Betrieben gewährleisten. Die geltenden gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen (z.B. KJBG, BAG, Verordnungen zum ASchG) werden dieser Vorgabe gerecht und determinieren den Schutzumfang des Abs. 4.

4.7.Das Verbot des Menschenhandels gemäß Absatz 5 entspricht Art. 5 Abs. 3 GRCh. Das Verbot ergibt sich unmittelbar aus dem Grundsatz der Menschenwürde und trägt neueren Entwicklungen auf dem Gebiet der organisierten Kriminalität wie der Schlepperkriminalität oder der organisierten sexuellen Ausbeutung Rechnung. Es umfasst auch das Verbot des Kinderhandels.


Die Sozialpartner Bundesarbeitskammer, Österreichischer Gewerkschaftsbund und Wirt­schaftskammer Österreich haben vereinbart, das folgende Papier als gemeinsamen Vor­schlag in den Ausschuss 4 des Österreich-Konvents einzubringen:

 

 

Soziale Grundrechte

im Bereich der Arbeitswelt

 

1.       Allgemeines

Die Punkte 1. bis 4. beziehen sich auf alle Grundrechte (klassische und soziale).

Grundrechte wirken staatsgerichtet und nicht direkt zwi­schen Privaten – keine „un­mit­telbare Drittwirkung“ (Ausnahme: Grundrecht auf Datenschutz).

Werden aus Grundrechten Leistungsansprüche abgeleitet, bestehen diese in angemes­senem, die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und die Bedürfnisse der Einzelnen berücksichtigenden, Umfang.

 

2.       Subsidiarantrag

Nach Abschluss des Verfahrens vor einem zweitinstanzlichen Gericht soll der Be­schwerdeführer das Recht haben, beim VfGH einen „Subsidiarantrag“ auf Normprü­fung zu stellen. In diesem Fall wird die Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels beim OGH bis zur Entscheidung des VfGH gehemmt. Der VfGH hat ein Ablehnungsrecht in­nerhalb einer Frist von ... in Fällen, die keine hinreichende Aussicht auf Er­folg haben, insbesondere weil die angefochtene Norm bereits Gegenstand einer frü­heren verfas­sungsgerichtlichen Prüfung war.

3.     Staatshaftung

Gebietskörperschaften haften unter bestimmten Umständen auch für gesetzgeberi­sches Unterlassen. Folgendes Verfahren zur Geltendmachung gesetzgeberischen Un­terlassens wird vorgeschlagen: Auf Antrag eines Betroffenen hat der VfGH ein ver­fas­sungswidriges Unterlassen festzustellen und eine Frist zur Erlassung eines verfas­sungskonformen Ge­setzes zu setzen. Wenn innerhalb dieser Frist kein verfassungskon­former Gesetzesbeschluss gefasst wird und das entsprechende Ge­setz in Kraft tritt, soll ein Staatshaftungs­anspruch bestehen. Für den Beschwerdefüh­rer soll auch schon für den Anlassfall eine Art „Ergreiferprämie“ gelten. Andere Betroffene können einen Staatshaftungsanspruch erst geltend machen, wenn nach Feststellung eines verfas­sungswidrigen Unterlassens eines Gesetzesbeschlusses durch den VfGH die Frist zur Erlassung eines verfassungskonformen Gesetzes verstrichen ist.

 

4.     Verbandsklage

Die WKÖ lehnt eine „Verbandsklage“ in Grundrechtsangelegenheiten ab, was von der Arbeitnehmerseite akzeptiert wird.

 


5.     Koalitionsfreiheit


„Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ha­ben das Recht, sich freiwillig zur Vertretung ihrer Interessen zusammenzuschließen und Vereinigungen zu bilden. Diese Vereinigungen und gesetzliche berufliche Interes­sen­vertretungen können kollektive Maßnah­men ergreifen. Jede Person hat das Recht, an derartigen Maßnahmen teilzunehmen. Jeder Unternehmer darf Abwehr­maßnahmen ergreifen“.

 

“Solche Vereinigungen und gesetzliche berufliche Interessenvertretungen haben das Recht, im Rahmen der Gesetze Kollektivverträge abzuschließen. Durch Kollektivver­träge können Angelegenheiten der Arbeitswelt verbindlich geregelt wer­den.“

6.     Unternehmerische Freiheit

„Jede Person hat das Recht, unter den gesetzlichen Bedingungen ein Unternehmen zu gründen und zu führen.“

 

7.     Existenzielle Mindestversorgung

„Wer nicht für sich sorgen kann und nicht über ausreichende Mittel verfügt, hat im notwendigen Umfang Anspruch auf Unterstützung und Betreuung, auf Nahrung, Klei­dung, Unterkunft, medizinische Versorgung und auf jene Mittel, die für ein menschen­würdiges Dasein unerlässlich sind“.

8.     Soziale Sicherheit

„Der Staat gewährleistet das Recht auf soziale Sicherheit durch Einrichtung einer selbstverwalteten öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherung, die auf Einkommens- und Risikosolidarität beruht und  die in Fällen wie Mutterschaft, Krankheit, Arbeits­unfall, geminderter Ar­beitsfähigkeit, im Alter und bei Arbeitslosigkeit eine angemes­sene Versorgung sicher­stellt. Der Staat gewährleistet dieses Recht weiters durch eine angemessene  Versor­gung im Fall von Pflegebedürftigkeit.“

9.     Arbeit


„Jeder Mensch hat das Recht auf sichere, gesunde, würdige, gerechte und angemesse­ne Arbeitsbe­dingungen. Der Staat gewährleistet dieses Recht insbesondere durch:

-     angemessene Beschränkung der Arbeitszeit;

-     angemessene Arbeitsruhe, insbesondere angemessene Sonn- und  Feiertagsruhe;

      -     bezahlten Jahresurlaub;

-     Schutz von Jugendlichen;

-     Schutz von Schwangeren und Müttern besonders durch angemessene Beschäfti­gungsverbote und Beendigungsschutz vor und nach der Geburt;  

-     berufliche Aus- und Weiterbildung;


-     Schutz vor herabwürdigender Behandlung, Belästigung und Diskriminierung;

-     Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Krankheit und Unfall für angemessene Zeit;

-     Schutz vor ungerechtfertigter fristloser Beendigung des Arbeitsverhältnisses;

-            angemessene Mitwirkung in personellen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegen­heiten durch gewählte Organe. Die gewählten Organe dür­fen wegen ihrer Tätig­keit nicht benachteiligt werden.“

 

10.       Kinderarbeit


„Kinderarbeit ist verboten.“

 

11.       Arbeitsvermittlung


„Jeder Mensch hat ein Recht auf unentgeltliche Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und sonstige Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Wiedereingliederung.“

 

 

 

Wien, 5.10.2004

 

 


Österreich-Konvent / Ausschuss 4

08. November 2004

 

 

 

Textvorschlag von Bundesminister a.D. Abg. Dr. Dieter Böhmdorfer

 

 

ad Fundamentalgarantien:

Recht auf Leben, Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit (Synopse A-02)

 

„Der Staat hat das Recht auf Leben, Gesundheit, körperliche und geistige Unversehrtheit in angemessener Weise und durch präventive und repressive Maßnahmen auch gegenüber Eingriffen Dritter sicherzustellen.“

 

 

ad Freiheitsrechte:

Eigentumsgarantie (Synopse C-25)

 

„Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums. Dieses Recht ist durch präventive und repressive Maßnahmen des Staates auch gegenüber Eingriffen Dritter sicherzustellen.“


Christoph Grabenwarter/Rudolf Thienel                                                               4.11.2004

 

 

Entwurf zum Grundrecht „Persönliche Freiheit“

 

 

Artikel X (Schutz der persönlichen Freiheit)

(1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die persönliche Freiheit darf einer Person nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

1.      wenn auf Grund einer mit Strafe bedrohten Handlung auf Freiheitsentzug erkannt worden ist;

1.2.wenn sie einer bestimmten, mit gerichtlicher oder finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung verdächtig ist,

a)     zum Zwecke der Beendigung des Angriffes oder zur sofortigen Feststellung des Sachverhalts, sofern der Verdacht im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat oder dadurch entsteht, dass sie einen bestimmten Gegenstand innehat,

a)b)                      um sie daran zu hindern, sich dem Verfahren zu entziehen oder Beweismittel zu beeinträchtigen, oder

a)c)                       um sie bei einer mit beträchtlicher Strafe bedrohten Handlung an der Begehung einer gleichartigen Handlung oder an der Ausführung zu hindern;

3.      zum Zweck ihrer Vorführung vor die zuständige Behörde wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung, bei der sie auf frischer Tat betreten wird, sofern die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung oder zur Verhinderung weiteren gleichartigen strafbaren Handelns erforderlich ist;

3.4.um die Befolgung einer rechtmäßigen Gerichtsentscheidung oder die Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung zu erzwingen;

3.5.wenn Grund zur Annahme besteht, dass sie eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten sei oder wegen psychischer Erkrankung sich oder andere gefährde;

3.6.zum Zweck notwendiger Erziehungsmaßnahmen bei einer minderjährigen Person;

3.7.wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

 

(2) Niemand darf allein deshalb festgenommen oder angehalten werden, weil er nicht in der Lage ist, eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen.

 

(3) Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

 

(4) Wer festgenommen oder angehalten wird, ist unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu behandeln und darf nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort der Anhaltung notwendig sind.

 

Erläuterungen:

1.      Das Grundrecht der persönlichen Freiheit entspricht im Wesentlichen der Regelung des Art. 5 Abs. 1 EMRK sowie der Art. 1 und 2 PersFrBVG. Die übrigen, primär verfahrensrechtlichen Garantien des Art. 5 EMRK sowie des PersFrBVG 1988 finden sich in den Art. Y und Z.

1.2.Abs. 1 und 2 führen die Inhalte der Art. 1 Abs. 1 und 2 sowie Art. 2 PersFrBVG zusammen. Die abschließende Aufzählung der Festnahmegründe entspricht dem entsprechenden Katalog in Art. 2 Abs. 1 PersFrBVG.

1.3.Abs. 3 enthält das besondere Verhältnismäßigkeitsgebot des Art. 1 Abs 3 PersFrBVG.

1.4.Abs. 4 entspricht Art. 1 Abs. 4 PersFrBVG bzw. Art. 5 Abs. 2 EMRK.

 

 

Artikel Y (Verfahrensgarantien im Freiheitsentzug)

(1) Auf Grund einer mit Strafe bedrohten Handlung darf nur ein Gericht auf Freiheitsentzug erkennen. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe und die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen durch Verwaltungsbehörden dürfen jedoch vorgesehen werden, wenn das Ausmaß des angedrohten Freiheitsentzuges je sechs Wochen, soweit die Entscheidung einer unabhängigen Behörde obliegt, je drei Monate nicht übersteigt. Wird eine Freiheitsstrafe nicht von einer unabhängigen Behörde verhängt oder eine Ersatzfreiheitsstrafe nicht von ihr festgesetzt, so muss die Anfechtung der Entscheidung bei einem Gericht in vollem Umfang und mit aufschiebender Wirkung gewährleistet sein.

 

(2) Eine Festnahme aus den Gründen des Art. X Abs. 1 Z 2 lit. b und c ist nur in Vollziehung eines begründeten richterlichen Befehls zulässig, der dem Betroffenen bei der Festnahme, spätestens aber innerhalb von 24 Stunden zuzustellen ist. Bei Gefahr im Verzug sowie im Fall des Art. X Abs. 1 Z 2 lit. a darf eine Person auch ohne richterlichen Befehl festgenommen werden. Sie ist freizulassen, sobald sich ergibt, dass kein Grund zu ihrer weiteren Anhaltung vorhanden ist, sonst ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber vor Ablauf von 48 Stunden, dem zuständigen Gericht oder der zuständigen Finanzbehörde zu übergeben.

 

(3) Eine dem Gericht übergebene Person ist ohne Verzug vom Richter zur Sache und zu den Voraussetzungen der Anhaltung zu vernehmen.

 

(4) Eine Festnahme aus den Gründen des Art. X Abs. 1 Z 2 lit. b und c wegen des Verdachtes einer mit finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung ist nur in Vollziehung einer begründeten Anordnung eines gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Beamten zulässig. Jedoch darf bei Gefahr im Verzug sowie im Falle des Art. X Abs. 1 Z 2 lit. a eine Person auch ohne eine solche Anordnung festgenommen werden. Im übrigen gelten die Abs. 2 und 3 mit der Maßgabe sinngemäß, dass die festgenommene Person unverzüglich der zuständigen Finanzstrafbehörde zu übergeben ist.

 

(5) Eine aus dem Grund des Art. X Abs. 1 Z 3 festgenommene Person ist, wenn der Grund für die Festnahme nicht schon vorher wegfällt, unverzüglich der zuständigen Behörde zu übergeben und darf keineswegs länger als 24 Stunden angehalten werden. 

 

(6) Jede festgenommene Person ist ehestens, womöglich bei ihrer Festnahme, in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe ihrer Festnahme und die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu unterrichten. Den sprachlichen Minderheiten eingeräumte Rechte bleiben unberührt.

 

(7) Jede festgenommene Person hat das Recht, dass auf ihr Verlangen ohne unnötigen Aufschub und nach ihrer Wahl ein Angehöriger und ein Rechtsbeistand von der Festnahme verständigt werden.

 

(8) Jede Person, die auf Grund des Verdachtes einer mit gerichtlicher oder finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung angehalten wird, hat das Recht auf Beendigung des Verfahrens, das wegen der gegen sie erhobenen Anschuldigung eingeleitet worden ist, innerhalb einer angemessenen Frist oder auf Freilassung während des Verfahrens.

 

(9) Wenn gelindere Mittel ausreichen, ist vom Freiheitsentzug abzusehen. Wer wegen einer nicht mit schwerer Strafe bedrohten Handlung angehalten wird, um ihn daran zu hindern, sich dem Verfahren zu entziehen, ist jedenfalls freizulassen, wenn er eine vom Gericht oder von den gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Beamten unter Bedachtnahme auf das Gewicht der ihm zur Last gelegten strafbaren Handlung, seine persönlichen Verhältnisse und das Vermögen des die Sicherheit Leistenden festgesetzte Sicherheit beistellt; zusätzliche gelindere Mittel zur Sicherung des Verfahrens sind zulässig.

 

 

 

Erläuterungen:

1.      In Art. Y werden die Verfahrensgarantien der Art. 3 bis 5 PersFrBVG  im Wesentlichen inhaltsgleich übernommen und zusammengefasst.

1.2.Abs. 1 entspricht Art. 3 PersFrBVG. Art. 3 Abs. 3 PesFrBVG sah bisher die Anfechtung einer behördlich verhängten Freiheitsstrafe bei einer unabhängigen Behörde vor. Im Hinblick auf die Einführung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit ist die Anfechtung zwingend bei einem Gericht zu gewährleisten.

1.3.Abs. 2 entspricht Art. 4 Abs. 1 und 2 PersFrBVG.

1.4.Abs. 3 enthält das Recht der festgenommenen Person, unverzüglich einem Richter vorgeführt zu werden. Die Garantie entspricht Art. 4 Abs. 3 PersFrBVG.

1.5.Abs. 4 entspricht Art. 4 Abs. 4 PersFrBVG .

1.6.Abs. 5 entspricht Art. 4 Abs. 5 PersFrBVG.

1.7.Abs. 6 entspricht Art. 4 Abs. 6 PersFrBVG.

1.8.Abs. 7  entspricht Art. 4 Abs. 7 PersFrBVG.

1.9.Abs. 8 enthält einen Anspruch der festgenommenen Person auf Entscheidung über die Festnahme in angemessener Frist oder auf Freilassung. Er entspricht Art. 5 Abs. 1 PersFrBVG  (vgl. auch Art. 5 Abs. 3 Satz 2 EMRK).

1.10.                   Abs. 9 entspricht Art. 5 Abs. 2 PersFrBVG.

 

 

 

 

Artikel Z (Haftprüfung, Recht auf Haftentschädigung)

 

(1) Jede Person, die festgenommen oder angehalten wird, hat das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit ihre Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.

 

(2) Im Fall einer Anhaltung von unbestimmter Dauer ist deren Notwendigkeit in angemessenen Abständen durch ein Gericht zu überprüfen.

 

(3) Jede Person, die rechtswidrig festgenommen oder angehalten wurde, hat Anspruch auf volle Genugtuung einschließlich des Ersatzes nicht vermögensrechtlichen Schadens.

 

 

Erläuterungen:

 

1.   Die Garantie auf Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Festnahme durch ein Gericht gemäß Absatz 4 entspricht im Wesentlichen Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG bzw. Art. 5 Abs. 4 EMRK.

2.   Im Fall von Anhaltungen unbestimmter Dauer bzw. lebenslanger Haft hat eine Überprüfung der Haft in angemessenen Abständen zu erfolgen. Diese Garantie wurde durch die Rechtsprechung des EGMR aus der Garantie des Art. 5 Abs. 4 EMRK entwickelt (EGMR, Urt. v. 24.10.1979, Winterwerp, Serie A 33, Z. 55) und entspricht Art. 6 Abs. 2 PersFrBVG.

3.   Das Recht auf Entschädigung für unrechtmäßige Haft gemäß Abs. 5 entspricht Art. 7 PersFrBVG, der seinerseits Art. 5 Abs. 5 EMRK nachgebildet wurde.

 

 


Bernd-Christian FUNK                                                                                             05.11.2004

 

Vorschlag an den Ausschuss 4 betr Einbindung von völkerrechtlichen Quellen grundrechtlichen Inhaltes

 

 

Problem

In einer Reihe von völkerrechtlichen Verträgen sind grundrechtliche oder grundrechtlich relevante Gewährleistungen enthalten, die größtenteils nicht als formelles Verfassungsrecht transformiert wurden und/oder – zumeist wegen Erfüllungsvorbehalten – nicht unmittelbar anwendbar sind (siehe Anlage und den Bericht des Ausschusses 2 – Tabellenteil II). Das Mandat des Ausschusses 4 umfasst den Auftrag zur Ermittlung und Beratung auch dieser Grundrechtsquellen und ihrer Berücksichtigung in einem künftigen Grundrechtskatalog.

 

Perspektiven

Eine Transformation solcher Verträge als unmittelbar anwendbares formelles Verfassungsrecht erscheint – schon wegen der damit verbundenen textlichen Inflationswirkung – nicht sinnvoll. Überdies enthalten solche Verträge auch außergrundrechtliche Einzelbestimmungen. Ebenso wenig zweckmäßig wäre es, wenn es in einem künftigen Grundrechtskatalog keinen ausdrücklichen Bezug auf diese für die Dynamik der Grund- und Menschenrechte wichtigen Quellen gäbe. Die strikten Grenzziehungen, die sich aus der Verfassungsform einerseits und der unmittelbaren Anwendbarkeit andererseits ergeben, tragen dazu bei, dass nicht verfassungsförmliche und nicht unmittelbare Grundrechtsquellen für die Entwicklung der Grund- und Menschenrechte im innerstaatlichen Bereich zumeist nicht die gebührende Beachtung finden und bei der juristischen Argumentation nur selten ins Kalkül gezogen werden, zumal davon ausgegangen wird, dass dergleichen Gewährleistungen ohnehin durch die innerstaatliche Rechtslage transponiert werden.

 

 

Vorschlag

Entsprechend dem verfassungs- und völkerrechtlichen Gebot zu völkerrechtskonformer Auslegung sollte als Bestandteil des Allgemeinen Teils eines künftigen Grundrechtskataloges eine Regelung geschaffen werden, die eben diesen Grundsatz ausdrücklich festhält. Die Regelung gilt auch für künftige materielle Grundrechtsquellen völkerrechtlicher Herkunft:

 

Art x. Auslegung der Grundrechte

Die in dieser Verfassung gewährleisteten Rechte sind so zu interpretieren, dass sie mit völkerrechtlichen Verpflichtungen und Gewährleistungen grundrechtlichen Inhaltes vereinbar sind.

 

 

Begleit- und Folgeprobleme

Offen bleibt die Frage nach dem rechtlichen Schicksal völkerrechtlicher Verträge im Verfassungsrang – vor allem der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle – bzw von Verträgen mit einzelnen Verfassungsbestimmungen, wie sie auch in einigen der nachstehend aufgelisteten Quellen enthalten sind. Im Prinzip sind sämtliche Gewährleistungen in den Gesamtvorschlägen und in den darauf beruhenden, vom Ausschuss in Beratung gezogenen bzw vorgeschlagenen Texten inhaltlich abgedeckt, sodass die grundrechtlichen Verfassungsbestimmungen in völkerrechtlichen Verträgen aufgelassen werden könnten. Bei der EMRK und ihren Zusatzprotokollen ist dieser Weg jedoch – schon aus Gründen der Optik – fragwürdig.

 

 

 


Anlage

 

           

 

VÖLKERRECHTLICHE VERTRÄGE

 

Europarat

 

BGBl. Nr. 460/1969

Europäische Sozialcharta

            idF:      BGBl. Nr.        284/1970

einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

Revidierte Europäische Sozialcharta 1996

unterzeichnet am 07. 05. 1999

 

BGBl. Nr. 74/1989

Europäisches Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe

            idF:      BGBl. III Nr.   198/2002        

                        BGBl. III Nr.   199/2002        

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. III Nr. 216/2001

Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. III Nr. 120/1998

Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten samt Erklärung

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 317/1988

Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

European Convention on the Exercise of Children’s Rights

Unterzeichnet am 13. 07. 99

           

.

 

 

UNO

 

BGBl. Nr. 91/1958

Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes

Einfachgesetzlich, (Art IV und VI verfassungsändernd), kein Erfüllungsvorbehalt

 

 

 

zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang auch:

 
BGBl. III Nr. 180/2002

Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs

Einfachgesetzlich (Art 27 und Art 89 Abs. 1 und 3 verfassungsändernd), kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. I Nr. 135/2002

BG über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof

Einfachgesetzlich (§7 Verfassungsbestimmung)

 

BGBl. Nr. 256/1969

Übereinkommen über die politischen Rechte der Frau

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 377/1972

Internationales Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung

Einfachgesetzlich (Art 1, 4, 14 Verfassungsbestimmungen), Kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 590/1978

Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 591/1978

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 105/1988

Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 333/1993

Zweites Fakultativprotokoll zu dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 443/1982

Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

Einfachgesetzlich, (Art 1-4 verfassungsändernd), Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. III Nr. 206/2000

Fakultativprotokoll zur Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 492/1987

Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 7/1993

Übereinkommen über die Rechte des Kindes

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. III Nr. 92/2002

Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

 

BGBl. III Nr. 93/2004

Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes (Kinderhandel und Prostitution)

 

BGBl. Nr. 55/1955

Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 78/1974

Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

 

ILO

 

Österreich ist auch Vertragspartner von zahlreichen ILO Konventionen; da deren Schutzbereich aber weitgehend von den hier bereits aufgezählten Rechtsquellen (insb. die Sozialcharta) abgedeckt ist, kann auf eine taxative Auflistung der ILO Verträge verzichtet werden. Beispielhaft seien genannt:

 

BGBl. III Nr. 41/2002

Übereinkommen (Nr. 182) über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit

einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. III Nr. 200/2001

Übereinkommen (Nr. 138) über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung

einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 111/1973

Übereinkommen (Nr. 111) über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 355/1972

Übereinkommen (Nr. 122) über die Beschäftigungspolitik

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 34/1970

Übereinkommen (Nr. 128) über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 33/1970

Übereinkommen (Nr. 102) über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 105/2004
Übereinkommen (Nr. 103) über die Neufassung des Übereinkommens über den Mutterschutz (Neufassung)

Einfachgesetzlich, Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 86/1961

Übereinkommen (Nr. 29) über Zwangs- oder Pflichtarbeit

idF: BGBl Nr. 39/1964

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 81/1958

Übereinkommen (Nr.105) über die Abschaffung der Zwangsarbeit

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 39/1954

Übereinkommen (Nr. 100) über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

BGBl. Nr. 228/1950

Übereinkommen (Nr. 87) über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes

Einfachgesetzlich, kein Erfüllungsvorbehalt

 

 

 

 

 

 

 

Quellen: Index des Bundesrechts, RIS

 

 

 


Ökumenische Expertengruppe

Österreich - Konvent

Ausschuss 4

 

 

 

 

 

Die “Ökumenische Expertengruppe” legt nach zahlreichen Gesprächen mit Konventualen eine neue Formulierung der sogenannten “Dialogklausel” vor:

 

Zu Synopse C 13 Absatz 4: Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit

 

“Gesetzlich anerkannte Kirchen  und Religionsgesellschaften genießen den Beistand des Staates. Wegen ihres besonderen Beitrages werden mit ihnen grundsätzliche, ihren Wirkungsbereich betreffende Entwicklungen durch  Gesetzgebung und Vollziehung in regelmäßigen, offenen und transparenten Beratungsvorgängen erörtert. Näheres bestimmen die Gesetze.”

 

Motive:

 

Heute ist das Verhältnis von Staat und Kirchen in Österreich durch das staatskirchenrechtliche Prinzip “freie Kirchen in einem freien Staat” gekennzeichnet; dieses Prinzip ist in allen Mitgliedstaaten der EU akzeptiert. Seine Konsequenz ist es, dass Kirchen und Konfessionen von politischen Kräften nicht vereinnahmt werden dürfen und dass Kirchen und Religionsgesellschaften selbst nicht zu politischen Kräften werden. Die “Trennung von Staat und Kirche” in politischer Dimension erfordert andererseits aber, dass Kirchen und Religionsgesellschaften als gleichberechtigte Partner in ihrer Verantwortung für gesamtstaatliche Entwicklungen anerkannt werden. Sie streben damit gerade nicht politischen Einfluss oder Macht an; denn sie stehen außerhalb der politischen Prozesse und Taktiken und nehmen ihren eigenen, spezifischen Auftrag wahr, für eine menschenwürdige Politik und staatliche Entwicklung im Dienste der Menschen insgesamt zu wirken. Dazu ist ein regelmäßiger und offener und für alle Teile der Bevölkerung transparenter Dialog mit Parlament und Regierung zu pflegen, - ähnlich wie im Zuge der Arbeiten des Österreich-Konvents. Für die Mitarbeit in einem Dialog und Gesprächsforum bestehen freilich formale und materielle Voraussetzungen: formal bedarf es der im nationalen Recht vorgesehenen Anerkennung, materiell ist nachzuweisen, dass diese Kirchen und Religionsgesellschaften die Grundwerte des Staates, seinen ordre public, anerkennen und glaubwürdig sind durch ihre bisherigen Beiträge und Leistungen für das Staatsganze.

 


Textentwurf

 

Schule und Kirche

Fassung der Besprechung

in der Klausur der Ökumenischen Expertengruppe zum Österreichischen Verfassungskonvent

am 9.9.2004 in Klein Mariazell

__________________________________________________________

 

 

Bestimmung:

 (x) An öffentlichen Schulen und Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht ist für Angehörige gesetzlich anerkannter Kirchen oder Religionsgesellschaften Religionsunterricht Pflichtgegenstand. Die Erlassung der Lehrpläne und die Besorgung des Religionsunterrichts obliegt der jeweiligen gesetzlich aner­kannten Kirche oder Religionsgesellschaft. Als Religionslehrer dürfen nur Personen beschäftigt werden, die von der jeweiligen Kirche oder Religions­gesellschaft hiezu befähigt und ermächtigt erklärt sind. Konfessionelle Privatschulen gesetzlich anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften oder deren Einrichtungen sowie von Vereinen, Stiftungen oder Fonds erhaltene Schulen, wenn sie vom zuständigen kirchlichen oder religions­gesellschaftlichen Entscheidungsträger als konfessionelle Privatschulen aner­kannt sind, sind zumindest in der Ausstattung mit aus öffentlichen Mitteln finanziertem Unterrichtspersonal mit öffentlichen Schulen gleichzustellen.

 

Erläuterungen:

 

Die Religionsfreiheit stellt ein Grundrecht im Rahmen der Freiheitsrechte der Verfassung dar. In Verbindung mit den Rechten der Eltern ergibt sich daraus auch die Notwendigkeit, eine entsprechende Möglichkeit für Bildung und Er­ziehung der Kinder nach den religiösen Vorstellungen der Eltern sicherzu­stellen. Dazu bedarf es einer Absicherung der konfessionellen Privatschulen einerseits und des Religionsunterrichtes andererseits. Dies ergibt sich nicht nur als Ausfluss der Religionsfreiheit nach dem in Österreich allgemein aner­kannten Verständnis der Grundrechte, sondern auch aus internationalen Ver­trägen und der besonderen Bedeutung und den besonderen Leistungen, die die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften im Bereich der Wertevermittlung und in ihren sozialen Tätigkeiten erbringen. Bei der Formulierung wurde von der derzeit bestehenden Rechtslage, insbesondere des Religionsunterrichtsgesetzes und des Privatschulgesetzes ausgegangen. Die verwendeten Begriffe sind daher im Kontext dieser Rechtsnormen zu verstehen. Darüber hinaus kommt den Kirchen und Religionsgesellschaften eine besondere Bedeutung in der Vermittlung von Werten und Didaktiken zur Sinnstiftung des Menschen zu.

 

Die Selbstbestimmung des Unterrichtes durch Besorgung, Leitung und Auf­sicht über den Religionsunterricht sowie die Auswahl des Lehrpersonals ist ein unverzichtbarer Teil der kollektiven Religionsfreiheit. Der Begriff „Besorgung“ umfasst dabei sowohl die inhaltliche Gestaltung, als auch die Gestaltung der Unterrichtsmaterialien. Die Lehrpläne werden wie bisher von der jeweiligen Kirche oder Religionsgesellschaft erlassen und vom Bund kundgemacht. Dadurch wird auch nach außen deutlich, dass der Religionsunterricht eine innere Angelegenheit der Kirchen und Religionsgesellschaften ist.

 

Neben einer formalrechtlichen Verfassungsgrundlage bedarf es auch einer materiellen Absicherung, die sich an der geltenden Rechtslage des Privat­schulgesetzes und des Schulvertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich orientiert. Diese Regelung ist für die Republik Österreich insofern von Vorteil, als sich die öffentlichen Haushalte durch die konfessionellen Schulerhalter erhebliche Aufwendungen im Bereich der Schul­erhaltung ersparen. Durch die große Zahl an Angeboten der konfessionellen Schulerhalter wird das Erfordernis an ausschließlich staatlich finanzierten Bildungsangeboten geringer. Dadurch leisten die anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften erhebliche jährliche finanzielle Leistungen, welche sonst im staatlichen Haushalt abgesichert werden müssten.“

 


Vorschlag von Terezija STOISITS

 

11. November 2004

eingebracht im Ausschuss 4

des Österreich-Konvents

 

 

Textvorschlag zum Asylrecht

 

Variante 3 zum Asylrecht:

(1) Verfolgte genießen in Österreich Asyl, sofern sie in keinem anderen Staat tatsächlichen Schutz und rechtmäßigen Aufenthalt finden.

(2) Jede Asylwerberin und jeder Asylwerber hat in Österreich ein Aufenthaltsrecht und Anspruch auf Grundversorgung.

(3) Niemand darf in einen Staat zurückgeschoben oder abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, der sie oder ihn nicht vor einer ernstlichen Gefahr einer Verletzung elementarer Menschenrechte schützt.

 

Erläuterung:

Der Ausschuss 4 des Österreich-Konvents hat in seinem ersten Bericht vom 3. Juni 2004 zwei Vorschläge zu einem Grundrecht auf Asyl erstattet. Beide verweisen auf das Genfer Abkommen vom 28. Juli 1951 und das Protokoll vom 31. Jänner 1967 über die Rechtsstellung von Flüchtlingen (Genfer Flüchtlingskonvention).

In der Plenarsitzung des Österreich Konvents vom 25. Juni 2004 hat Univ.-Prof. Dr. Ewald Wiederin die Vorschläge des Ausschuss 4 zu einem Grundrecht auf Asyl kritisiert. Beide vorgeschlagenen Formulierungen würden darauf abzielen, ein Grundrecht auf Asyl nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewährleisten. Die Genfer Flüchtlingskonvention kenne aber ein Recht auf Asyl nicht. Nehme man die Formulierung ernst, dann bedeutete sie, dass Flüchtlinge in Österreich kein Recht auf Asyl haben. Das sollte aber keinesfalls in die Verfassung hineingeschrieben werden. Wenn man sich gegen ein Grundrecht auf Asyl entscheiden will, dann solle man das Asyl unerwähnt lassen, statt Rechte zu versprechen, die es nicht geben soll.

In der nun vorgeschlagenen 3. Variante wird in Absatz 1 so wie in der 1. Variante das Recht auf Asyl verfassungsrechtlich festgeschrieben. Im Gegensatz zu den beiden bisherigen Vorschlägen wird ausdrücklich nicht auf die Genfer Flüchtlingskonvention verwiesen, da diese kein Recht auf Asyl gewährt, sondern bloß eine Begriffsbestimmung des Flüchtlingsbegriff enthält.

Anders als in der bisherigen 1. Variante wird eine ausdrückliche Drittstaatsklausel vorgeschlagen. Diese ist aber in zweifacher Hinsicht sehr eng auszulegen. Sie gilt nur, soweit der oder die Verfolgte in dem Drittstaat tatsächlich Schutz findet und einen legalen Aufenthaltsstatus erlangt hat oder erlangen wird.

Nach dem nun vorgeschlagenen Abs. 2 hat jede Asylwerberin und jeder Asylwerber bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens in Österreich ein Aufenthaltsrecht und Anspruch auf Grundversorgung. Der Anspruch auf Grundversorgung umfasst im notwendigen Umfang zum Beispiel Unterstützung, Betreuung, Nahrung, Mittel des täglichen Bedarfes, Unterkunft und medizinische Versorgung.

In Abs. 3 wird das allgemeine Non-Refoulment-Prinzip verfassungsrechtlich festgeschrieben. Davon umfasst ist auch ein Verbot der sogenannten Kettenabschiebungen. Auch wenn eine ernstliche Gefahr einer Verletzung elementarer Menschenrechte zwar nicht unmittelbar von dem Drittstaat ausgeht, aber von dort eine weitere Abschiebung in einen Staat droht, in dem der Schutz vor einer solchen Gefahr nicht sichergestellt ist, genießt die oder der Verfolgte in Österreich Asyl.

Eine Regelung für den Aufenthalt von Menschen, die keinen legalen Aufenthaltsstatus in Österreich haben, aber keine Möglichkeit auf Rückkehr in das Heimatland besteht, wird in einer neuen Verfassung vorzusehen sein. Diese wird vom Ausschuss 4 aber im Zusammenhang mit der Aufenthaltsfreiheit beraten.

 


Österreich-Konvent / Ausschuss 4

12. November 2004

 

 

 

Textvorschlag von Bundesminister a.D. Abg. Dr. Dieter Böhmdorfer

 

 

ad Verfahrensrechte:

Recht auf ein faires Verfahren (Synopse F-42)

 

„Der Staat hat sicherzustellen, dass zivilrechtliche Verfahren vor Behörden in erster Instanz binnen Jahresfrist abgeschlossen werden. Bei längerer Dauer trifft die Republik Österreich zur Abwehr von Amtshaftungsansprüchen die Beweislast.“

 

Begründung:

 

Die Bedeutung schneller Verfahren wird sowohl im privaten als auch im wirtschaftlichen Bereich unterschätzt. Der Kreditschutzverband 1870 hat errechnet, dass durch Verkürzung der Verfahren auf ein Jahr die Vermögensvernichtung durch Konkursverschleppung (als Ergebnis der Verfahrensverzögerung) erheblich eingeschränkt wurde. Die erzielte Ersparnis beziffert der Kreditschutzverband mit in etwa 1 Mrd. (in Worten: 1 Millarde) Euro. Das Ergebnis der Verfahrensverkürzung in anderen Bereichen (Abgabenbereich, Bauwesen, etc. ) ist dabei gar nicht kalkuliert.

 

Man kann sagen, dass die Verkürzung von Verfahren einen Quantensprung in Rechtssicherheit und rechtsstaatlicher Autorität eines Staates und auch bislang unterschätzte große wirtschaftliche Effekte bringt.

 

Was würde die Verfahrensverkürzung im Justizbereich kosten?

 

Das Justizministerium verfügt über eine außergewöhnliche exakte Leistungskennzahlenerfassung. Die Berechnungen des Mehraufwandes für die Verfahrensverkürzung auf ein Jahr haben ergeben, dass der Mehraufwand an Personal im BMJ in etwa 10 bis 15 Mio. (in Worten: Millionen) Euro ausmachen würde.

 

Also: Eine Personalinvestition von 10 bis 15 Mio. (in Worten: Millionen) Euro stünde ein volkswirtschaftlicher Effekt von jedenfalls mehr als 1. Mrd. (in Worten: Millarden) Euro gegenüber.

 

Der Investitionsaufwand ist auf jeden Fall vertretbar. Er wird allerdings von der Republik nur dann gemacht werden, wenn eine gesetzliche Verpflichtung - ein konkreter Amtshaftungstatbestand auf Verfassungsebene - geschaffen würde. Diese Regelung wäre für die Republik zumutbar, da sie im Einzelfall den Beweis dafür antreten kann, dass die Einhaltung binnen Jahresfrist nicht möglich war.

 

Als Folge dieser Organisationsmaßnahme könnte sich Österreich international als Schiedsgerichtsstand profilieren und sehr hohe Einnahmen an Schiedsgerichtsgebühren lukrieren, die vorraussichtlich a la longe die Investition zumindest wettmachen.


                  Vorschlag einer Textergänzung zu den Verfahrensgarantien

                        eingebracht im Ausschuss 4 des Österreich-Konvents

                                                 von Dr. Johann Rzeszut

                                                    15. November 2004

 

 

Art...  Jeder Mensch hat ein Recht auf Tatsachenwahrheit als Grundlage justizieller oder verwaltungsbehördlicher Rechtsakte, die ihn betreffen.  Wie dieses Recht gewährleistet wird, bestimmt das Gesetz.

 

Erläuterungen:

 

Fundamentale Voraussetzung dafür, dass Rechtspflege - insbesondere in Form staatlicher Individualakte - die gebotene umfassende  gesellschaftliche Akzeptanz (einschließlich und vor allem auch der im Einzelfall Betroffenen)  findet, ist auf der Sachverhaltsseite die Basis jeweils realitätskonformer Tatsachenfeststellungen. Der für die   Rechtsanwendung jedweder Art dominierende Stellenwert der Tatsachenwahrheit als Grundlage rechtlicher Anknüpfung zur Schaffung von Rechtsfrieden wird zwar im geltenden Recht nicht verkannt, in keinem Regelungstext aber ausdrücklich hervorgehoben. Verfassungsrecht hat (neben der rechtsverbindlichen Vorgabe der wesentlichen Staatsorganisation) begriffsessentiell eine alle weiteren  Rechtsebenen leitende Signalfunktion, die ihrer grundlegenden Bedeutung nur dann adäquat und uneingeschränkt gerecht wird, wenn sie  sich zu staatstragenden Prinzipien nicht verschweigt, diese vielmehr auch ausdrücklich klarstellt, wie dies etwa im B-VG hinsichtlich der fundamentalen Determinanten des demokratischen Rechtsstaates geschieht. Die - auch unter Bedachtnahme auf  gelegentliche Spannungsverhältnisse zu anderen  Rechtsinteressen - grundsätzlich unverzichtbare und durch eine Vielzahl von Rechtsvorschriften aller Ebenen verdeutlichte Ausrichtung  staatlicher Rechtsanwendung auf den Grundsatz, dass sich die im Einzelfall ausgesprochenen Rechts- oder Unrechtsfolgen auf Tatsachenfeststellungen stützen sollen, die mit dem in der Lebensrealität verwirklichten Sachverhalt übereinstimmen, ist in einem Maß bedeutungsschwer, das - über die indirekten Impulse der geltenden Rechtslage hinaus - eine (soweit überblickbar in sowohl inner- als auch zwischenstaatlichen Rechtstexten bisher unterbliebene) ausdrückliche Signalisierung im Verfassungsrang nahelegt.

Das geltende Recht ist randvoll von Bestimmungen, die im Ergebnis der Korrelation von Rechtsfrieden und Tatsachenwahrheit Rechnung tragen. Dies setzt bereits auf MRK-(sohin Verfassungs-)Ebene ein, indem Art. 6 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, die notorisch auch aus der Sicht zuverlässiger und vertrauenswürdiger Wahrheitsfindung als geeignete Garantieelemente eingeschätzt werden, als unabdingbare Tribunalkriterien normiert und indem er ferner die bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld bestehende Unschuldsvermutung und die Gewährleistung einer fairen (ausreichende Vorbereitungs- und Entlastungsmöglichkeiten miteinschließende) Verteidigung als zwingende Garantien, die (auch als effizientes Kontrollelement gedachte) Öffentlichkeit der Verhandlung und Urteilsverkündung hinwieder als grundsätzliches Prinzip der “tribunalen” Rechtsanwendung klarstellt . Einfachgesetzlich sind im besonderen alle Verfahrensgesetze im wesentlichen darauf ausgerichtet, dem Ziel realitätskonformer Wahrheitsfindung möglichst optimal Rechnung zu tragen. Dazu sei nur auf all jene prozessualen Bestimmungen verwiesen, die neben den verschiedensten Verpflichtungen und Möglichkeiten zu amtswegiger Wahrheitserforschung ua. auch die Zeugnispflicht sowie die mannigfaltigen Parteienrechte zu Anträgen im Beweisverfahren und zur Bekämpfung der Tatsachengrundlagen ergangener Entscheidungen bis hin zu Korrekturmöglichkeiten, die dem Eintritt der Rechtskraft nachfolgen (etwa Wiederaufnahme des Verfahrens), betreffen.

Die Bedeutung des rechtsstaatlichen Fundamentalprinzips der Tatsachenwahrheit als Anknüpfungsgrundlage jedweder individueller staatlicher Rechtsakte findet nicht zuletzt auch  in seiner umfassenden strafrechtlichen Absicherung im einundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches ( Strafbare Handlungen gegen die Rechtspflege - §§ 288 bis 301 StGB) signifikanten Niederschlag (insbes. Tatbestände der falschen Beweis­aussage vor Gericht bzw. vor einer Verwaltungsbehörde, Fälschung bzw. Unterdrückung eines Beweismittels, Verleumdung, Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung etc).

Der hier vorgeschlagenen Textergänzung liegt nicht mehr aber auch nicht weniger als die Intention zugrunde, der Tatsachenwahrheit als wesentlichster Grundlage rechtsstaatlicher Rechtsanwendung eine in der Relation zu anderen Grundrechtsaspekten, die auf eine bereits traditionelle verfassungsrechtliche Verankerung zurückblicken, eine entsprechend gleichwertige ausdrückliche Akzentuierung zu verleihen. In diesem Sinn ist die Verpflichtung des Staates, seine Indiviualrechtsakte nicht auf unwahre Tatsachen zu stützen, aus der Sicht und im Interesse der im Einzelfall jeweils Betroffenen grundrechts- und damit verfassungswürdig.

 


 

Ökumenische Expertengruppe

zum Österreichischen Verfassungskonvent

 

 

 

An das

Präsidium des Osterreich-Konvents

Herrn Präsident Dr. Franz Fiedler

 

Parlament

Dr. Karl-Renner-Ring

1010 Wien

 

 

 

                                                                                  Wien, am 16. November 2004

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

 

Im Österreich-Konvent beginnen in diesen Tagen die Abschlussarbeiten. Für die Schlussberatungen, insbesondere im Konventspräsidium selbst, erlauben wir uns, namens der Expertengruppe der christlichen Kirchen unter Verweis auf deren gemeinsame Stellungnahme vor dem Plenum des Konvents am 21.11.2003 festhalten,

 

-         dass ihre Anliegen im Bereich der Grundrechte weitgehend berücksichtigt wurden, vor allem durch die Anerkennung der Menschenwürde als Grundrecht, durch die geplanten Regelungen der individuellen und korporativen Religions­rechte, des Rechts auf Ehe und Familie und einiger sozialer Grundrechte; dafür ist die Expertengruppe dankbar. Zahlreichen Anregungen und Texte der „Ökumenischen Expertengruppe“ wurden als hilfreich und zwischen den oft starren Positionen als vermittelnd angesehen. Die Kirchen haben ja nicht so sehr ihre eigenen Belange in den Vordergrund gerückt als vielmehr Beiträge zur Verfassungsreform im allgemeinen zu leisten versucht.

-         Andererseits blieben Punkte offen, die nach Ansicht der „ökumenischen Expertengruppe im Ausschuss 4 nicht oder noch nicht ausreichend beraten und beachtet wurden.

(a)    Mit Bezug auf das Grundrecht der Menschenwürde: die unmissverständliche Ablehnung der Sterbehilfe und die öffentliche Förderung der Sterbebegleitung.

(b)   Mit Bezug auf die korporativen Religionsrechte: die Annahme einer dem Art. I 52 Abs. 3 des Europäischen Verfassungsvertrages nachgebildeteten „Dialog­klausel“ mit folgender Textierung „ Die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften genießen den Beistand des Staates. Wegen ihres besonderen Beitrages wird der Staat mit ihnen die grundsätzlichen, ihren Wirkungsbereich betreffenden Entwicklungen durch Gesetzgebung und Vollziehung in regelmäßigen, offenen und transparenten Beratungsvorgängen erörtern. Näheres bestimmen die Gesetze“.
Die “Trennung von Staat und Kirche” in politischer Dimension erfordert andererseits aber, dass Kirchen und Religionsgesellschaften als gleichberechtigte Partner in ihrer Verantwortung für gesamtstaatliche Entwicklungen anerkannt werden. Sie streben damit gerade nicht politischen Einfluss oder Macht an; denn sie stehen außerhalb der politischen Prozesse und Taktiken und nehmen ihren eigenen, spezifischen Auftrag wahr, für eine menschenwürdige Politik und staatliche Entwicklung im Dienste der Menschen  insgesamt zu wirken. Dazu ist ein regelmäßiger und offener und für alle Teile der Bevölkerung transparenter Dialog mit Parlament und Regierung zu pflegen.

(c)    Mit Bezug auf die sozialen Grundrechte: die Annahme und allfällige Erweiterung des von den Sozialpartnern erstellten Arbeitspapieres zu den sozialen Grundrechten im Bereich der Arbeit, das die „ökumenische Expertengruppe“ unterstützt; ferner die Verankerung des Sonntags in der Formulierung „Die Republik Österreich achtet die Tradition eines arbeitsfreien Tages in der Woche, insbesondere des Sonntags“.

(d)   Mit Bezug auf die Volksgruppenrechte: Anerkennung als Staatsziele das  Bekenntnis zur kulturellen, religiösen und sprachlichen Vielfalt, deren Achtung und Förderung, ferner die gegenseitige Achtung und die Förderung der Zusammenarbeit zwischen allen im Staatsgebiet lebenden Menschen, ferner das freie Bekenntnis zu einer Volksgruppe, ohne dass jemandem aus diesem Bekenntnis  oder aus der Ablehnung der Zugehörigkeit ein Nachteil erwachsen darf. Aufzunehmen wäre als eine verfassungsrechtliche Vorgabe für eine Neufassung des geltenden Volksgruppengesetzes ein rechtstaatliches Anerkennungsverfahren mit objektiven Kriterien.

(e)    Mit Bezug auf die Bildungs-/Schulrechte: die vorgesehene Abschaffung der Zweidrittelmehrheit für grundlegende Aspekte des Schulwesens im gegenwärtigen Art 14 Abs. 10 B-VG (dem die „ökumenische Expertengruppe nicht entgegentritt) erfordert die Sicherung folgender staatskirchenrechtlicher Zusicherungen durch einen ergänzenden Absatz bei den kollektiven Religionsrechten: Religionsunterricht als Pflichtgegenstand für konfessionell bekennende SchülerInnen; Religionspädagogik als Pflichtgegenstand in den Ausbildungsstätten der LehrerInnen; Gestaltung der Lehrpläne und der Unterrichtsmaterialien, die Besorgung, Leitung und unmittelbare Aufsicht über den Religionsunterricht durch die jeweils betroffene gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft; die Erteilung der Unterrichtsbefähigung, auch als Kriterium der Anstellung, für ReligionslehrerInnen durch die jeweils betroffene Kirche oder Religionsgesellschaft; die Festlegung einer Privatschule als konfessionelle Schule; der Anspruch auf Subventionierung der konfessionellen Privatschulen zumindest im Ausmaß der Personalausstattung der öffentlichen Schulen.

 

Dem Österreich-Konvent sind alle Texte zu diesen Punkten, verbunden mit Erläuterungen, zugegangen; darauf darf verwiesen werden.

 

Wenn der Entwurf einer neuen Bundesverfassung parlamentarisch behandelt werden wird, werden die Kirchen den Prozess wiederum begleiten.

 

Die Kirchen wollen sich bei Beachtung der von ihnen vertretenen, berechtigten Anliegen einer Verfassungsreform bemühen, zur Information der Öffentlichkeit und zur Bildung der Urteilsfähigkeit in der Zivilgesellschaft beizutragen.

 

Wir dürfen Sie, sehr geehrter Herr Präsident, bitten, die oben angesprochenen Problem­kreise ins Auge zu fassen, überdies, eine Kopie dieses Schreibens allen Mitgliedern des Präsidiums zuzuleiten.

 

Mit herzlichem Dank für alle Ihre Bemühungen und freundlichen Grüßen

 

für die Ökumenische Expertengruppe

 

 

 

Raoul Kneucker                Christine Gleixner                  Walter Hagel

 


Bundesministerium für Inneres

Textvorschlag
zur Vorlage am 22. November 2004

 

Asylrecht

 

Artikel X [Asylrecht]

 

(1) Das Recht auf Asyl wird nach Maßgabe des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 und des Protokolls vom 31. Jänner 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge gewährleistet.[1]

 

 (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Union, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Bundesgesetz bestimmt.[2] In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Bundesgesetz können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, dass ein Fremder aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, dass er entgegen dieser Vermutung verfolgt wird.

 

 

 

 

 

 

 

 


Mag. Birgit Caesar

5. November 2004

 

 

Ergebnisse der Beratungen

der Ausschüsse 3, 6 und 8 zu den Themen

Wahlrecht, Petitionsrecht und Auskunftsrecht

 

 

WAHLRECHT (AUSSCHUSS 3)

 

 

Das Wahlrecht wurde vom Ausschuss 3 (Staatliche Institutionen) beraten. Die Ergebnisse der Beratungen finden sich im Ausschussbericht vom 9. Februar 2004 (S 6-8, 19-20, 31-35) und im Bericht zum Ergänzungsmandat vom 17. Oktober 2004 (S 12-16).

 

 

Bericht des Ausschusses 3 vom 9. Februar 2004

 

 

Seite 6 – 8 sowie Seite 32 – 33:

 

1.1.1.2.      Wahlen zum Nationalrat

 

1.1.1.2.3    Ausgestaltung

 

Die Wahl des Nationalrates ist in Art. 26 B‑VG geregelt. Der Ausschuss spricht sich dafür aus, diese Bestimmung zu ändern.

 

Einigkeit besteht darüber, dass sämtliche Wahlrechtsgrundsätze im B‑VG kodifiziert werden sollten und daher auch der derzeit im B‑VG nicht ausdrücklich genannte Grundsatz der freien Wahl (im Sinne des Art. 8 des Staatsvertrages von Wien und Art. 3 des 1. ZPEMRK) in den Text des Art. 26 B‑VG aufgenommen werden soll, sowie auch darüber, dass die Regelung des Art. 26 Abs. 7 B‑VG (Anlegung der Wählerverzeichnisse) auf bundesverfassungsgesetzlicher Ebene entbehrlich ist.

 

Über den Inhalt der weiteren Änderungen bestehen jedoch unterschiedliche Auffassungen. Diese lassen sich im Wesentlichen zu folgenden Positionen zusammenfassen:

 

a) In legistischer Hinsicht treten einige Mitglieder des Ausschusses dafür ein, eine einheitliche Regelung über die Grundsätze des Wahlrechts für die Wahlen zum Nationalrat, zu den Landtagen und zu den Gemeinderäten - allenfalls im Kontext des Art. 1 B‑VG betreffend das demokratische Prinzip oder als Grundrechtsbestimmung - zu schaffen. Dafür wird vor allem ins Treffen geführt, dass auf diese Weise die fundamentale Bedeutung des Wahlrechts zu den genannten allgemeinen Vertretungskörpern für das demokratische Prinzip, aber auch die Einheitlichkeit der diesbezüglichen Standards für sämtliche „staatliche“ Ebenen zum Ausdruck gebracht würde. Demgegenüber wird zu Bedenken gegeben, dass spezielle bundesverfassungsgesetzliche Regelungen für die einzelnen dieser Wahlen (Nationalrats-, Landtags- und Gemeinderatswahl) dadurch nicht gänzlich entbehrlich würden und der Gestaltungsspielraum der Länder zur Regelung der Wahlen zu den Landtagen und zu den Gemeinderäten mehr als erforderlich beschränkt sein könnte.

 

b) Abgesehen davon werden zu einer Neufassung des Art. 26 B‑VG im Wesentlichen die folgenden Varianten in die Diskussion eingebracht:

 

ba) Nach einer Position[3] soll Art. 26 B‑VG dahin gehend abgeändert werden, dass der Grundsatz der Verhältniswahl nicht mehr bundesverfassungsgesetzlich normiert wird, sondern die Festlegung des Wahlsystems dem Wahlrechtsgesetzgeber (und zwar mit einfacher Mehrheit) vorbehalten bleibt. Weiters besteht diese Position auch darin, dass die Briefwahl als eine gleichwertige Form der Stimmabgabe neben der Stimmabgabe vor einer Wahlbehörde vorgesehen und die Einführung von E‑Voting bei Beachtung der Wahlrechtsgrundsätze nicht ausgeschlossen wird.

 

Gegen diese Position werden von einer Reihe von Ausschussmitgliedern, für die der Grundsatz der Verhältniswahl einen essentiellen Bestandteil der repräsentativen Demokratie im Sinne der österreichischen Verfassungstradition darstellt, Bedenken geäußert. Hinsichtlich der Stimmabgabe, die nicht vor einer Wahlbehörde erfolgt, wird von einigen Mitgliedern des Ausschusses vorgebracht, dass die Briefwahl und in noch höherem Maße E‑Voting in einem Spannungsverhältnis zu den Grundsätzen der persönlichen, geheimen und freien Wahl steht. Diese Ausschussmitglieder treten dafür ein, dass die Stimmabgabe, die nicht vor einer Wahlbehörde erfolgt, stets nur den Ausnahmefall bilden dürfe.

 


bb) Eine andere Position[4] besteht darin, den Art. 26 B‑VG im Wesentlichen zu belassen, in den Details aber die folgenden Änderungen vorzusehen:

 

Dem wird insbesondere Folgendes entgegengehalten: Von einer Reihe von Ausschussmitgliedern wird die Absenkung des Wahlalters auf das vollendete 16. Lebensjahr - als auf keinem objektiven Kriterium beruhend - abgelehnt. Von einigen Ausschussmitgliedern wird weiters die Einführung des Familienwahlrechts zur Diskussion gestellt. Bedenken werden auch gegen ein Abgehen vom Bürgerzahlprinzip sowie gegen die Aufhebung des Art. 26 Abs. 5 B‑VG geäußert.

 

bc) Schließlich wird noch die folgende Position[6] vertreten:

Die bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen über die Wahl des Nationalrates könnten darauf reduziert werden, dass im B‑VG lediglich die Wahlrechtsgrundsätze (diesfalls einschließlich des allgemeinen Wahlrechts) normiert werden. Die nähere Ausführung dieser Grundsätze in der Nationalrats-Wahlordnung sollte aber - soweit sie verfassungspolitisch „sensible“ Bereiche betrifft - einer Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit (2/3-Mehrheit) vorbehalten werden (etwa im Sinne der Regelung des Art. 26 Abs. 6 letzter Satz B‑VG in der geltenden Fassung).

 

Gegen den Typus des einfachen Gesetzes, über das - generell oder partiell - mit qualifizierter Mehrheit zu beschließen ist, wird von manchen Ausschussmitgliedern vorgebracht, dass es sich dabei um eine „halbherzige Lösung“ handle. Abgesehen davon wird diesbezüglich das Ergebnis der Vorberatungen des Ausschusses 2 abzuwarten sein.

 

Textvorschläge zu Art. 26 B‑VG

 

Variante 1

 

Art. 26 lautet:

Artikel 26. (1) Die Mitglieder des Nationalrats werden nach den Grundsätzen der allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, geheimen, persönlichen und freien Wahl gewählt.

(2) Wahlberechtigt sind alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben. Wählbar sind alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die am Wahltag das 19. Lebensjahr vollendet haben. Der Ausschluss vom Wahlrecht oder von der Wählbarkeit darf nur die Folge einer gerichtlichen Entscheidung sein.

(3) Jedes Bundesland bildet einen Wahlkreis. Die Zahl der Abgeordneten wird auf diese Wahlkreise im Verhältnis der Zahl der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger verteilt. Das Wahlgebiet kann darüber hinaus insbesondere zur Berücksichtigung regionaler Bedürfnisse oder zur Personalisierung des Wahlsystems in weitere Wahlkreise gegliedert oder auf andere Weise unterteilt werden. Dabei dürfen die Wahlrechtsgrundsätze nicht beeinträchtigt werden. Wahlkreise können in einen oder mehrere Wahlkreisverbände zusammengefasst werden.

(4) Die Wählerinnen und Wähler können ihre Stimmen nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen vor einer Wahlbehörde, mittels Briefwahl oder auf jede andere technische Weise, die in Hinblick auf die Wahlrechtsgrundsätze geeignet ist, abgeben.

(5) Die näheren Bestimmungen werden durch ein Bundesgesetz festgelegt.“

 

Variante 2

 

Art. 26 lautet:

Artikel 26. (1) Der Nationalrat wird vom Bundesvolk auf Grund des gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Wahlrechtes der Frauen und Männer, die spätestens mit Ablauf des Tages der Wahl das 16. Lebensjahr vollendet haben, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Durch Bundesgesetz werden die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren getroffen.

(2) Das Bundesgebiet wird in räumlich geschlossene Wahlkreise geteilt, deren Grenzen die Landesgrenzen nicht schneiden dürfen; diese Wahlkreise sind in räumlich geschlossene Regionalwahlkreise zu untergliedern. Die Zahl der Abgeordneten wird auf die Wahlberechtigten der Wahlkreise (Wahlkörper) im Verhältnis der Zahl der Wahlberechtigten [der Wohnbevölkerung] verteilt; in gleicher Weise wird die Zahl der einem Wahlkreis zugeordneten Abgeordneten auf die Regionalwahlkreise verteilt. Die Wahlordnung zum Nationalrat hat ein abschließendes Ermittlungsverfahren im gesamten Bundesgebiet vorzusehen, durch das sowohl ein Ausgleich der den wahlwerbenden Parteien in den Wahlkreisen zugeteilten als auch eine Aufteilung der noch nicht zugeteilten Mandate nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgt. Parteien, denen im Bundesgebiet mehr als 4% [5%] der abgegebenen gültigen Stimmen zugefallen sind, haben Anspruch auf Zuweisung von Mandaten. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig.

(3) [entfällt]

(4) Wählbar sind alle Frauen und Männer, die am Stichtag die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und spätestens mit Ablauf des Tages der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben.

(5) [Die Ausschließung vom Wahlrecht und von der Wählbarkeit kann nur die Folge einer gerichtlichen Verurteilung sein.]

(6) Zur Durchführung und Leitung der Wahlen zum Nationalrat, der Wahl des Bundespräsidenten und von Volksabstimmungen sowie zur Mitwirkung bei der Überprüfung von Volksbegehren und Volksbefragungen sind Wahlbehörden zu bestellen, denen als stimmberechtigte Beisitzer Vertreter der wahlwerbenden Parteien anzugehören haben, bei der Bundeswahlbehörde überdies Beisitzer, die dem richterlichen Stand angehören oder angehört haben. Die in der Wahlordnung festzusetzende Anzahl dieser Beisitzer ist - abgesehen von den dem richterlichen Berufsstande entstammenden Beisitzern - auf die wahlwerbenden Parteien nach ihrer bei der letzten Wahl zum Nationalrat festgestellten Stärke aufzuteilen. Die näheren Bestimmungen über jene Fälle, in denen die Stimmabgabe bei Wahlen zum Nationalrat, der Wahl des Bundespräsidenten sowie bei Volksabstimmungen nicht vor einer Wahlbehörde erfolgen muss, können vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

(7) [entfällt]“

 

Variante 3

 

Art. 26 lautet:

Artikel 26. Der Nationalrat wird auf Grund des allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Wahlrechtes nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Durch Bundesgesetz werden die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren getroffen. Die näheren Bestimmungen über die Gliederung des Wahlgebietes in Wahlkreise, den Kreis der Wahlberechtigten, den Wahltag, die Organisation der Wahlbehörden sowie über jene Fälle, in denen die Stimmabgabe nicht vor einer Wahlbehörde erfolgen muss, können vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.“

[Die Abs. 2 bis 7 entfallen.]

 

 

Seite 19 – 20 und Seite 34 – 35:

 

2. Länder

 

2.1. Legislative/Landtage

 

Die Gesetzgebung der Länder ist in den Art. 95 bis 100 B‑VG geregelt.

 

a) Was das Anliegen einer einheitlichen bundesverfassungsgesetzlichen Regelung über die Grundsätze des Wahlrechtes für die Wahlen zum Nationalrat, zu den Landtagen und zu den Gemeinderäten anlangt, so wird auf die diesbezüglichen Ausführungen unter Pkt. 1.1.1.2. verwiesen.

 

Unstrittig ist auch für die Wahlen zu den Landtagen die Ergänzung der Auflistung der Wahlrechtsgrundsätze um das freie Wahlrecht.

 

b) Zur Wahl des Landtages im Besonderen bestehen im Ausschuss im Wesentlichen die folgenden Positionen:

 

ba) Eine Reihe von Mitgliedern tritt dafür ein, die diesbezüglich geltende Regelung des Art. 95 B‑VG grundsätzlich beizubehalten. Insbesondere sollte auch der Grundsatz der Verhältniswahl ausdrücklich normiert werden, wobei ergänzend auch eine Mindestprozentklausel (von 4 bzw. 5%) vorgesehen werden sollte. Weiters wird angeregt, in Art. 95 Abs. 3 B‑VG für die Verteilung der Abgeordneten auf die Wahlkreise an Stelle des derzeit geltenden Bürgerzahlprinzips auf die Zahl der Wahlberechtigten bzw. der Wohnbevölkerung abzustellen.[7]

 

bb) Eine Reihe anderer Mitglieder des Ausschusses spricht sich dem gegenüber dafür aus, die Verfassungsautonomie der Länder in diesem Bereich zu stärken und ihnen insbesondere die Regelung des Wahlsystems (also gegebenen Falles auch der Mehrheitswahl) und der Fälle, in denen die Stimmabgabe nicht vor einer Wahlbehörde zu erfolgen hat (vor allem also der Briefwahl und des E‑Voting) zu ermöglichen.[8]

 

Unbeschadet des zuletzt genannten Aspektes besteht im Ausschuss Einvernehmen darüber, dass bundesverfassungsgesetzlich (zumindest) dafür Vorkehrung getroffen werden sollte, dass bei Landtagswahlen (und auch bei Gemeinderatswahlen) die selben Möglichkeiten zur Stimmabgabe außerhalb des Wahlgebietes bestehen sollten wie bei Nationalratswahlen (vgl. Art. 26 Abs. 6 letzter Satz B‑VG; § 60 NRWO).

 

c) Vereinzelt wird auch gefordert, in Österreich ansässigen Ausländern (über das kommunale Wahlrecht für EU-Bürger hinaus) das Wahlrecht auf Landes- und Gemeindeebene einzuräumen. Dem wird vereinzelt entgegengehalten, dass das kommunale Wahlrecht vom generellen Recht der Staatsbürger auf demokratische Mitbestimmung in allgemeinen Wahlen nicht abgekoppelt werden sollte.

 

Textvorschläge zu Art. 95 B‑VG

 

Variante 1

 

Art. 95 lautet:

Artikel 95. (1) Die Gesetzgebung der Länder wird von den Landtagen ausgeübt. Deren Mitglieder werden auf Grund des gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Verhältniswahlrechtes aller nach den Landtagswahlordnungen wahlberechtigten Landesbürgerinnen und Landesbürger gewählt. Durch Landesgesetz werden die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren und über die allfällige Wahlpflicht getroffen. In diesem Landesgesetz sind insbesondere auch die Gründe festzusetzen, aus denen eine Nichtteilnahme an der Wahl trotz Wahlpflicht als entschuldigt gilt.

(2) Die Landtagswahlordnungen dürfen die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes nicht enger ziehen als die Bundesverfassung für Wahlen zum Nationalrat.

(3) Die Wahlberechtigten üben ihr Wahlrecht in Wahlkreisen aus, von denen jeder ein geschlossenes Gebiet umfassen muss und die in räumlich geschlossene Regionalwahlkreise unterteilt werden können. Die Zahl der Abgeordneten ist auf die Wahlkreise im Verhältnis der Zahl der Wahlberechtigten [der Wohnbevölkerung] zu verteilen. Die Landtagswahlordnung kann ein abschließendes Ermittlungsverfahren im gesamten Landesgebiet vorsehen, durch das sowohl ein Ausgleich der den wahlwerbenden Parteien in den Wahlkreisen zugeteilten als auch eine Aufteilung der noch nicht zugeteilten Mandate nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgt. Parteien, denen im Landesgebiet mehr als 4% [5%] der abgegebenen gültigen Stimmen zugefallen sind, haben Anspruch auf Zuweisung von Mandaten. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig.

(4) Durch Landesgesetz werden jene Fälle geregelt, in denen die Stimmabgabe nicht vor der Wahlbehörde erfolgen muss; diese Bestimmungen können vom Landtag nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.“

[Der bisherige Abs. 4 wird zu Abs. 5.]

 

Variante 2

 

Art. 95 Abs. 1 lautet:

Artikel 95. (1) Die Gesetzgebung der Länder wird von den Landtagen ausgeübt. Deren Mitglieder werden auf Grund des allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Wahlrechtes gewählt. Durch Landesgesetz werden die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren getroffen.“

[Der bisherige Abs. 4 wird zu Abs. 2.]

 

 

Seite 31:

 

8.   Wahl der Abgeordneten zum Europäischen Parlament (Art. 23a B‑VG), Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates an der nationalen Willensbildung zu Vorhaben der Europäischen Union (Art. 23e B‑VG) sowie Mitwirkung Österreichs an der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (Art. 23f B‑VG)

 

Im Sinne der diesbezüglichen Akkordierung mit dem Vorsitzenden des Ausschusses 5 wurden auch diese Punkte im Ausschuss 3 vorberaten. Als Ergebnis lässt sich Folgendes festhalten:

 

Hingewiesen wird darauf, dass die Mitwirkung der Länder und Gemeinden bei der innerstaatlichen Willensbildung zu Vorhaben der Europäischen Union (Art. 23d B‑VG) im Ausschuss 5 vorberaten wird.

 

 

Bericht des Ausschusses 3 zum Ergänzungsmandat vom 17. Oktober 2004

 

 

Seite 12 – 16:

 

III. Ergänzungsmandat gemäß der 26. Präsidiumssitzung am 13. Juli 2004

 
III.1. Einheitliche Wahlrechtsgrundsatzbestimmung für Bundes- und Landesebene - Ausdehnung der einheitlichen Wahlrechtsgrundsätze auf die Gemeindeebene

 

a. Ergänzungsmandat:

„Der Ausschuss 3 wird um die Ausarbeitung eines Textvorschlages folgenden Inhaltes ersucht:

Es soll eine für die Nationalratswahl und die Landtagswahlen einheitliche Wahlrechtsgrundsatzbestimmung formuliert werden, in der der Grundsatz der Verhältniswahl als Wahlrechtsgrundsatz enthalten ist. In dieser Norm soll der einfache Gesetzgeber ermächtigt werden, den Grundsatz der Verhältniswahl durch eine Mindestprozentklausel, nicht aber durch eine Grundmandatshürde einzuschränken, wobei die konkrete Höhe der Prozentklausel vom Wahlrechtsgesetzgeber festzulegen wäre.

Die Formulierung soll sicherstellen, dass den Ländern im Rahmen ihrer Verfassungsautonomie ein möglichst großer Gestaltungsspielraum verbleibt, die bundesverfassungsgesetzlichen Vorgaben sollen somit auf ein Minimum beschränkt und die Verfassungsautonomie der Länder soll nach Möglichkeit gestärkt werden.

Darüber hinaus soll der Ausschuss prüfen, welche Auswirkungen eine Ausdehnung einheitlicher Wahlrechtsgrundsätze auch auf die Gemeindeebene hätte und inwieweit ein Bedürfnis bzw. die Notwendigkeit besteht, für Wahlen auf Gemeindeebene größere Gestaltungsspielräume zu eröffnen.“

 

b. Vorbemerkung des Ausschusses:

Im Sinne der Einleitung zu diesem Bericht wird auf Folgendes hingewiesen:

Der Ausschuss hat in seinen Beratungen über das ursprüngliche Mandat das Thema „Wahlrecht“ eingehend diskutiert. Die Ergebnisse dieser Beratungen sind auf den Seiten 6 bis 8 des Berichtes vom 9. Februar 2004 wiedergegeben. Darüber hinaus finden sich auf den Seiten 32 bis 35 des genannten Berichtes drei Textvorschläge zu Art. 26 B‑VG sowie zwei Textvorschläge zu Art. 95 B‑VG. Die innerhalb des Ausschusses zu diesem Thema bestehenden Positionen bleiben ebenso aufrecht wie der im Bericht vom 9. Februar 2004 wiedergegebene Meinungsstand sowie die darin erstatteten Textvorschläge. Mit dem nachstehend wiedergegebenen Textvorschlag kommt der Ausschuss also bloß dem diesbezüglichen Ersuchen des Präsidiums im Ergänzungsmandat nach.

 

Dies ist umso mehr zu betonen, als eine Reihe von Mitgliedern des Ausschusses einer verfassungsgesetzlichen Regelung allein mit dem im Ergänzungsmandat angesprochenen Inhalt völlig ablehnend gegenübersteht. Dazu wird zum einen vorgebracht, dass die meisten der Regelungsinhalte des geltenden Art. 26 B‑VG, insbesondere betreffend die Wahlkreise, die Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise, das Wahlalter, den allfälligen Ausschluss vom Wahlrecht, die Wahlbehörden oder die allfällige Ausübung des Wahlrechtes nicht vor einer Wahlbehörde weiterhin auf bundesverfassungsgesetzlicher Ebene getroffen werden sollten. Zum anderen wird von einigen Mitgliedern des Ausschusses erneut darauf verwiesen, dass auch eine Mindestprozentklausel von 4 bzw. 5% im B‑VG selbst vorgesehen werden sollte.

 

ca. Textvorschlag:

Artikel X. Der Nationalrat und die Landtage werden auf Grund des allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, geheimen, persönlichen und freien Verhältniswahlrechts gewählt. Die Wahlordnung kann vorsehen, dass nur solche wahlwerbende Parteien Anspruch auf Zuweisung von Mandaten haben, die einen bestimmten Mindestprozentsatz der gültigen Stimmen im gesamten Wahlgebiet erzielt haben.“

 

cb. Anmerkungen:

Der Textvorschlag enthält - dem Ersuchen des Präsidiums entsprechend - eine Aufzählung sämtlicher (auch schon derzeit geltender) Wahlrechtsgrundsätze, wobei der Grundsatz des allgemeinen Wahlrechts im geltenden B‑VG in Art. 26 Abs. 1 und 4 eine implizite Regelung erfahren hat, jener des freien Wahlrechts durch bundesverfassungsgesetzliche Regelungen außerhalb des B‑VG (Art. 8 des Staatsvertrages von Wien und Art. 3 des 1. ZPEMRK). Diese Wahlrechtsgrundsätze sollen weiterhin den Inhalt haben, der ihnen vor allem von der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und ihr folgend von der Lehre beigemessen wird. Die ausdrückliche verfassungsgesetzliche Ermächtigung zur Regelung einer Mindestprozentklausel soll ‑ auch in dieser Hinsicht dem Ersuchen des Präsidiums folgend ‑ andere „Eintrittshürden“, wie etwa eine Grundmandatsregelung, ausschließen.

 

d. Überlegungen zur Gemeindeebene:

Eine zukünftige Wahlrechtsregelung sollte sicherstellen, dass derzeit bestehende Gestaltungsspielräume für die Gemeindeebene jedenfalls erhalten bleiben. Die zukünftige Regelung sollte jedenfalls nicht hinter den status quo zurückfallen.

 

Von einzelnen Mitgliedern des Ausschusses wird zu bedenken gegeben, dass die Frage, ob ein Bedarf nach weiteren Gestaltungsspielräumen für Wahlrechtsregelungen auf Gemeindeebene besteht, erst dann abschließend beurteilt werden kann, wenn feststeht, welche Wahlrechtsautonomie die Bundesverfassung den Gesetzgebern überhaupt einräumt.

 
III.2. Ermöglichung der Briefwahl

 

a. Ergänzungsmandat:

„Der Ausschuss wird um die Ausformulierung eines Textvorschlages ersucht, der die Stimmabgabe mittels Briefwahl (nicht aber E‑Voting) zulässt.

Als Variante soll eine Regelung ausformuliert werden, der zu Folge die Stimmabgabe mittels Briefwahl nur dann zulässig ist, wenn die Stimmabgabe vor einer Wahlbehörde aus sachlich gerechtfertigten Gründen nicht möglich ist (Briefwahl nur subsidiär zulässig).“

 

b. Vorbemerkung des Ausschusses:

Im Sinne der Einleitung zu diesem Bericht wird auf Folgendes hingewiesen:

Der Ausschuss hat in seinen Beratungen über das ursprüngliche Mandat das Thema „Briefwahl“ umfassend diskutiert. Die Ergebnisse dieser Beratungen sind auf den Seiten 6 und 7 des Berichtes vom 9. Februar 2004 wiedergegeben. Darüber hinaus finden sich auf den Seiten 32 bis 35 des genannten Berichtes Textvorschläge zu den Art. 26 und 95 B‑VG, die Regelungen betreffend die Stimmabgabe beinhalten, die nicht vor einer Wahlbehörde erfolgt. Mit dem nachstehend wiedergegebenen Textvorschlag kommt der Ausschuss bloß dem diesbezüglichen Ersuchen des Präsidiums im Ergänzungsmandat nach. Die innerhalb des Ausschusses zu diesem Thema bestehenden Positionen bleiben ebenso aufrecht wie der im Bericht vom 9. Februar 2004 wiedergegebene Meinungsstand sowie die darin erstatteten Textvorschläge.

 


ca. Textvorschlag:

Artikel X. Die Wahlberechtigten können ihre Stimme nach den näheren Bestimmungen der Wahlordnung auch in Form der Briefwahl abgeben.“

 

cb. Variante:

Artikel X. Wahlberechtigte, die sich voraussichtlich am Wahltag nicht im Wahlgebiet aufhalten, können ihre Stimme nach den näheren Bestimmungen der Wahlordnung auch in Form der Briefwahl abgeben.“

 

cc. Anmerkungen:

Während im Textvorschlag die Briefwahl der Stimmabgabe vor der Wahlbehörde prinzipiell gleichgestellt wird, geht die Variante davon aus, dass die Stimmabgabe vor der Wahlbehörde den Grundsatz darstellt, von dem für diejenigen Wahlberechtigten eine Ausnahme zulässig ist, die sich am Wahltag voraussichtlich nicht im Wahlgebiet aufhalten. (Diese Formulierung orientiert sich an der des § 60 Abs. 1 NRWO; diese Bestimmung stützt sich auf die Ermächtigung des Art. 26 Abs. 6 B‑VG.) Der Ausschuss ist überwiegend der Ansicht, dass eine diesbezügliche Regelung jedenfalls nicht zu einem unvertretbaren bürokratischen Aufwand bei den Behörden führen darf.

 

Als weitere Alternative wurde im Ausschuss 3 auch noch die folgende Textierung vorgelegt: „Wahlberechtigte, die am Wahltag voraussichtlich kein Wahllokal aufsuchen können, können beantragen, ihre Stimme [nach den näheren Bestimmungen der Wahlordnung] auch in Form der Briefwahl abzugeben.“

 

Von mehreren Mitgliedern des Ausschusses wird darüber hinaus die Auffassung vertreten, dass eine Regelung betreffend die Briefwahl einen ausdrücklichen Hinweis darauf enthalten sollte, dass sicherzustellen sei, dass der Wahlberechtigte die Wahlentscheidung persönlich und in einer für Dritte nicht erkennbaren Weise getroffen hat. Damit soll einer möglichen Aushöhlung der Grundsätze des persönlichen und geheimen Wahlrechts bei Zulassung der Briefwahl entgegengewirkt werden.

 

III.3. Ausländerwahlrecht

 

a. Ergänzungsmandat:

„Der Ausschuss wird um die Ausformulierung eines Textvorschlages ersucht, der eine Einräumung des Wahlrechts für Ausländer vorsieht.

Als Variante soll eine Regelung ausformuliert werden, der zufolge Ausländern das Wahlrecht unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit eingeräumt wird.“

 

b. Vorbemerkung des Ausschusses:

Im Sinne der Einleitung zu diesem Bericht wird auf Folgendes hingewiesen:

Der Ausschuss hat in seinen Beratungen über das ursprüngliche Mandat das Thema „Ausländerwahlrecht“ umfassend diskutiert. Die Ergebnisse dieser Beratungen sind auf Seite 7 des Berichtes vom 9. Februar 2004 wiedergegeben. Mit dem nachstehend wiedergegebenen Textvorschlag kommt der Ausschuss bloß dem diesbezüglichen Ersuchen des Präsidiums im Ergänzungsmandat nach. Die innerhalb des Ausschusses zu diesem Thema bestehenden Positionen bleiben ebenso aufrecht wie der im Bericht vom 9. Februar 2004 wiedergegebene Meinungsstand.

 

ca. Textvorschlag:

Artikel X. Die Wahlordnung kann vorsehen, dass das Wahlrecht auch Personen zukommt, die nicht die Staatsbürgerschaft besitzen.“

 

cb. Variante:

Artikel X. Unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit kommt das Wahlrecht auch im Wahlgebiet ansässigen Personen zu, die nicht die Staatsbürgerschaft besitzen.“

 

cc. Anmerkungen:

Im Textvorschlag wird dem Wahlrechtsgesetzgeber ein Regelungsspielraum eingeräumt. Dazu könnte in den Erläuterungen ausgeführt werden, dass die Einräumung des Wahlrechts an bestimmte Voraussetzungen (etwa ein Wohnsitzerfordernis bestimmter Dauer) geknüpft werden kann.

 

In der Variante wird - entsprechend dem Ersuchen des Präsidiums im Ergänzungsmandat - das Erfordernis der Gegenseitigkeit normiert.

 


PETITIONSRECHT (AUSSCHUSS 8)

 

 

Das Petitionsrecht wurde vom Ausschuss 8 (Demokratische Kontrollen) beraten. Die Ergebnisse der Beratungen finden sich im Ausschussbericht vom 13. Mai 2004 (S 53).

 

 

Bericht des Ausschusses 8 vom 13. Mai 2004

 

 

Seite 53:

 

G.  Instrumente der direkten Demokratie und der Bürgerinitiative auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene

 

G.4.    Petitionen und Bürgerinitiativen

 

Rechtslage

 

Petitionen und Bürgerinitiativen werden derzeit durch die Verfassung selbst nicht geregelt, sieht man von der grundrechtlichen Verankerung in Art. 11 des Staatsgrundgesetzes ab („Das Petitionsrecht steht jedermann zu“). Die Geschäftsordnungen regeln jedoch Petitionen an die allgemeinen Vertretungskörper. Gemäß dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz haben unter anderem Bürgerinitiativen auf Grund einer Verfassungsbestimmung das Recht, Verordnungen nach dem Bundesstraßengesetz und dem Hochleistungsstreckengesetz vor dem VfGH anzufechten. Einfachgesetzlich ist ihnen neben der Parteistellung im Verfahren zur Wahrung des objektiven Umweltschutzrechts das Recht eingeräumt, gegen Bescheide Beschwerde an den Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof zu erheben.

 

Ergebnis der Ausschussberatungen

 

Die überwiegende (G.4.1.) Mehrheit des Ausschusses tritt dafür ein, die bestehende Rechtslage aufrecht zu erhalten. Vor allem wurde Konsens (G.4.2.) erzielt, Bürgerinitiativen keiner eingehenden Verrechtlichung zu unterziehen. Die Schaffung eines "Sondervereinsrechtes für Bürgerinitiativen" wird konsensual abgelehnt. Bestehende Verfahrensrechte von Bürgerinitiativen (siehe hiezu das oben angeführte) werden konsensual (G.4.3.) nicht in Frage gestellt. Auf Vorschläge über die Schaffung eines Staatsziels betreffend den Umweltschutz und die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Informations- und Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit in Ausschuss 1 wurde im Zuge der Diskussion verwiesen (Bericht des Ausschusses 1 vom 25. Februar 2004, S 10-11):

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Bericht des Ausschusses 1 (Staatsaufgaben und Staatsziele) vom 25. Februar 2004

 

Seite 10-11:

 

Z 4 Umfassender Umweltschutz (BVG, BGBl 1984/491)

 

Die überwiegende Meinung geht dahin, dass der Text moderner formuliert werden soll. Mehrere Textvorschläge liegen zur Beratung vor. Es werden zwei Textvorschläge zu einem Kompromissvorschlag zusammengefasst. Konsens besteht über die Formulierung:

 

„(1) Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) schützt die Umwelt. Sie bewahrt Mensch, Tier, Pflanze und ökologische Systeme vor vermeidbaren nachteiligen Einwirkungen und verbessert ihre Lebensgrundlagen und Bedingungen unter Zugrundelegung des Verursacherprinzips. Natürliche Ressourcen sind sparsam zu nützen.“

 

Für die nachfolgenden Absätze war kein Konsens erzielbar. Diese lauten:

 

„(2) Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bewahrt den bestehenden freien Zugang zur Natur; sie ist bestrebt, freien Zugang zur Natur zu schaffen.“

 

„(3) Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) sorgt für die gerichtliche Durchsetzung von Vorschriften zum Schutz der Umwelt.“

 

Zu Abs. 2 werden Bedenken im Hinblick auf Eigentumsverhältnisse geltend gemacht, während zu Abs. 3 eine kritische Anmerkung erfolgt, warum gerade für den Umweltschutz eine verfassungsmäßige Durchsetzbarkeit konstituiert werden soll.

 

Gegen eine allfällige zusätzliche Inkorporierung des Atom-BVG bestehen einhellig keine inhaltlichen Bedenken. Die Mitglieder treten für eine Integration in die Verfassungsurkunde ein. Der diesbezügliche Textvorschlag lautet:

 

„(2) Maßnahmen, die der Herstellung oder Nutzung von Atomwaffen und der Nutzung der Kernspaltung zum Zweck der Energiegewinnung dienen, sind verboten.
(3) Die Beförderung von spaltbarem Material auf österreichischem Staatsgebiet ist untersagt, sofern dem völkerrechtliche Verpflichtungen nicht entgegen stehen. Von diesem Verbot ausgenommen ist der Transport für Zwecke der ausschließlich friedlichen Nutzung, nicht jedoch für Zwecke der Energiegewinnung durch Kernspaltung und deren Entsorgung.“

 

Diese beiden Absätze werden inhaltlich als zweckmäßig angesehen. Ob diese Bestimmungen in den Haupttext der Bundesverfassung integriert werden sollen, ist vom Ausschuss 2 zu beantworten.

 

Zu den Absätzen 2 und 3 enthält ein weiterer Textvorschlag folgende Varianten:

 

„(2)Maßnahmen entsprechen den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung und dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen. Die Kosten der Vermeidung und Beseitigung von Beeinträchtigungen tragen die Verursacher und Verursacherinnen.“

 

„(3) Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bezieht die Öffentlichkeit effektiv in die Umweltpolitik ein, indem sie ihr Informations- und Beteiligungsrechte und das Recht auf gerichtliche Durchsetzung von Vorschriften zum Schutz der Umwelt einräumt. Der Bund und die Länder richten Umweltanwaltschaften zur unabhängigen Wahrung der Umweltschutz-vorschriften ein.

 

Dazu gibt es keine einhellige Auffassung.

 

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Es bestand Konsens (G.4.4.), dass die Einbringung von Petitionen in gleicher Weise erleichtert werden soll wie die Stimmabgabe bei Wahlen, sofern es dort zu einer Änderung der Rechtslage kommt (einschließlich Briefwahl und elektronische Stimmabgabe).

 


AUSKUNFTSRECHT (AUSSCHUSS 6)

 

 

Das Auskunftsrecht wurde zunächst vom Ausschuss 6 (Reform der Verwaltung) beraten. Die Ergebnisse der Beratungen finden sich im Ausschussbericht vom 23. März 2004 (S 20-21).

 

Bericht des Ausschusses 6 vom 23. März 2004

 

 

Seite 20 – 21:

 

VII. Amtsverschwiegenheit und Auskunftspflicht

 

Die Verfassungsbestimmungen über die Amtsverschwiegenheit und die Auskunftspflicht in Art. 20 Abs. 3 und 4 B-VG sind nicht nur ein treffendes Beispiel für die derzeitige Unüber­sichtlichkeit im Verfassungsrecht, sondern berühren in einem hohen Ausmaß das Verwal­tungshandeln. Deshalb wurde diese Thematik in das Beratungsprogramm des Ausschusses 6 aufgenommen, obgleich es auch dem Ausschuss 8 zugewiesen ist. Der Ausschuss beschränkte sich auf Antrag einiger Mitglieder auf die Feststellung der Hauptzuständigkeit des Ausschus­ses 8 und nahm die eingebrachten Vorschläge zur Kenntnis.

 

In einigen Statements wurde dennoch von einigen Mitgliedern die Meinung vertreten, dass die derzeit „nebeneinander“ stehenden Tatbestände der Amtsverschwiegenheit (in Abs. 3) und der Auskunftspflicht (in Abs. 4) zumindest zusammengefasst werden sollten, wobei der bereits derzeit geltende Grundsatz der Auskunftspflicht auch legistisch zum Ausdruck gebracht wird. Die Verfassungsbestimmungen sollten also gewissermaßen „umgedreht“ werden. Weiters wurde eine grundrechtliche Positionierung der Auskunftspflicht in die Dis­kussion eingebracht.

 

Im Folgenden werden die drei dem Ausschuss 6 vorgelegten Textvorschläge, die keiner ausführlichen Diskussion unterzogen wurden und damit keinen Konsens erzielen konnten, abgebildet:

 

Textvorschlag A (kein Konsens):

[statt Art. 20 Abs. 3 und 4 B-VG]

 

   (x) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe haben über Angele­genheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen (Auskunftspflicht), soweit eine gesetzliche Ver­schwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht. Eine Pflicht zur Verschwiegenheit besteht für Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse

1. der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit,

2. der umfassenden Landesverteidigung,

3. der auswärtigen Beziehungen,

sowie zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist (Amts­verschwiegenheit). Näheres regeln die Gesetze. [+ Amtsverschwiegenheit gegenüber allg. Vertretungskörpern]

 

Textvorschlag B (kein Konsens):

[statt Art. 20 Abs. 3 und 4 B-VG]

 

   (x) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Aus­künfte zu erteilen. Das Recht auf Auskunft kann gesetzlichen Einschränkungen unterworfen werden, wenn und insoweit dies zum Schutz zwingender Interessen im Sinne des Art. 10 Abs.2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, erforderlich ist. Die politische Verantwortung ge­genüber parlamentarischen Vertretungskörpern umfasst in jedem Fall die Pflicht, im Rahmen des parlamentari­schen Fragerechts und in Untersuchungsausschüssen jede geforderte Auskunft zu erteilen. Die Auskunftsertei­lung kann in diesen Fällen in vertraulicher Form erfolgen, wenn die Auskunft geheim zu haltende Tatsachen enthält und die vertrauliche Auskunftserteilung in der Geschäftsordnung des betreffenden Vertretungskörpers geregelt ist.

 

Textvorschlag C (kein Konsens):

[als Teil eines Grundrechtskataloges]

 

Artikel x. Jede Person hat das Recht, über Angelegenheiten öffentlicher Einrichtungen Auskunft zu erhalten und in deren Dokumente Einsicht zu nehmen. Die Auskunft und der Zugang können im öffentlichen Interesse oder zum Schutz von Rechten und Freiheiten anderer gesetzlich beschränkt werden.

 


AUSKUNFTSRECHT (AUSSCHUSS 8)

 

 

Das Auskunftsrecht wurde auch vom Ausschuss 8 (Demokratische Kontrollen) beraten.

Die Ergebnisse der Beratungen finden sich im Ausschussbericht vom 13. Mai 2004 (S 15-16, 45-46, 102-103). Auch das Ergänzungsmandat zum Ausschuss 8 berührt dieses Thema. Da der diesbezügliche Bericht des Ausschusses 8 noch nicht vorliegt, können in dieser Übersicht lediglich die vorläufigen Beratungsergebnisse zum Ergänzungsmandat (Stand: 29.10.2004) dargestellt werden.

 

 

Bericht des Ausschusses 8 vom 13. Mai 2004

 

 

Seite 15 – 16:

 

A.                       Rechte der Parlamente (Nationalrat, Bundesrat, Landtage)

 

A.7.        Amtsverschwiegenheit gegenüber den Parlamenten

 

Rechtslage

 

Art. 20 Abs. 3 letzter Satz B-VG lautet: " Die Amtsverschwiegenheit besteht für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre nicht gegenüber diesem Vertretungskörper, wenn er derartige Auskünfte ausdrücklich verlangt." Der Verfassungsgesetzgeber der B-VG-Novelle 1925 wollte durch diesen Satz ausdrücklich verhindern, dass sich Mitglieder der Bundes-, einer Landesregierung und der Stadtsenate gegenüber „ihren“ allgemeinen Vertretungskörpern auf die gleichzeitig ins B-VG eingefügten Verschwiegenheitspflichten berufen können. Der damaligen Rechtslage zufolge wurden nämlich in allen drei Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Gemeinden) die obersten Exekutivorgane von den Vertretungskörpern bestellt. Durch die B‑VG-Novelle 1929 wurde jedoch die Ernennung der Mitglieder der Bundesregierung dem Bundespräsidenten übertragen. Zudem bestimmt Art. 117 Abs. 6 B-VG seit 1996 zwar nach wie vor grundsätzlich, dass der Bürgermeister vom Gemeinderat gewählt wird, fügt jedoch hinzu, dass in der Landesverfassung vorgesehen werden kann, dass "die zur Wahl des Gemeinderates berechtigten Bürger den Bürgermeister wählen". Sowohl Mitglieder der Bundesregierung wie auch direkt gewählte Bürgermeister können sich daher ‑ zumindest theoretisch – vor "ihren" Vertretungskörper auf die Amtsverschwiegenheit berufen.

 


Ergebnis der Ausschussberatungen

 

Der Ausschuss erachtete im Konsens (A.7.) beide Regelungen als korrekturbedürftige "Redaktionsfehler" des Bundesverfassungsgesetzgebers. Mitglieder der Bundesregierung sowie direkt gewählte Bürgermeister sollen sich daher in Zukunft nicht mehr unter Berufung auf Art. 20 Abs. 3 B-VG auf die Amtsverschwiegenheit gegenüber "ihren" allgemeinen Vertretungskörpern berufen können.

 

 

Seite 45 – 46 und Seite 102 – 103:

 

F.         Amtsverschwiegenheit und Transparenz der Verwaltung

 

Diskussionsgrundlage waren die Basisinformation VI und ein Fragenkatalog des Ausschussvorsitzenden zur Neuordnung der Amtsverschwiegenheit. Der Ausschuss hat zu diesem Thema weiters Thesenpapiere der Universitätsprofessoren Dr. Kucsko-Stadlmayer und Dr. Hengstschläger eingeholt. Dem Ausschuss lag auch noch eine Darstellung von Ass.Prof. Dr. Feik vor.

 

Rechtslage

 

Das B-VG verpflichtet "alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe ... zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, ... deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit)". Diese Regelung wurde im Jahre 1987 durch Art. 20 Abs. 4 B-VG erweitert, der die oben genannten Organe verpflichtet, "über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht". Die nähere Regelung dieser Auskunftspflicht obliegt dem Bund für seinen Vollzugsbereich. Gegenüber den Ländern kommt ihm auch noch eine Grundsatzgesetzgebung zu. Die Landtage haben schließlich die Pflicht zur Ausführungsgesetzgebung. Letztendlich gelten in Österreich somit 11 Auskunftspflichtgesetze: Ein solches des Bundes, ein Bundes-Grundsatzgesetz sowie 9 Ausführungsgesetze der Länder.

 


Ergebnis der Ausschussberatungen

 

Im Gegensatz zur geltenden Gleichrangigkeit der B-VG-Regelungen für die Amtsverschwiegenheit und die Pflicht zur Auskunftserteilung gemäß Art. 20 Abs. 3 und Abs. 4 B-VG besteht im Ausschuss Konsens (F.1.) über eine künftige hierarchische Unterordnung der Amtsverschwiegenheit unter die Informationsverpflichtung. Die Auskunftspflicht soll somit grundsätzlich die geltende Regel darstellen, die Amtsverschwiegenheit die auf ein Mindestmaß reduzierte Ausnahme. Es besteht Konsens (F.2.) im Ausschuss, dass dem Betroffenen ein diesbezügliches verfassungsrechtlich verankertes, subjektiv einklagbares Recht auf Erteilung von Auskünften zuerkannt werden soll.

 

Die überwiegende (F.3.) Mehrheit des Ausschusses war der Ansicht, dass die Amtsverschwiegenheit – wenn auch eingeschränkt – im B-VG verankert bleiben soll. Im Rahmen eines Ausgestaltungsvorbehaltes soll der einfache Gesetzgeber ermächtigt werden, die für die Amtsverschwiegenheit relevanten Bereiche möglichst klar zu umschreiben. Eine Einschränkung des Rechtes auf Auskunft soll vor allem im Rahmen von Art. 10 Abs. 2 EMRK und zum Schutz personenbezogener Daten möglich sein. Vereinzelt (F.4.) wurde die Ansicht vertreten, dass nur Art. 10 Abs. 2 EMRK zulässige Ausnahmen von der Informationspflicht begründen soll.

 

Überwiegend (F.5.) wird eine generelle Volksöffentlichkeit von Verwaltungsverfahren vom Ausschuss abgelehnt.

 

Überwiegend (F.6.) erzielte der Ausschuss Einvernehmen, dass die derzeitige Zersplitterung der Rechtsquellen über die Auskunftspflicht (insgesamt 11 Gesetze) einer einheitlichen Norm weichen soll, um die für alle Gebietskörperschaften und deren mittelbar oder unmittelbar zuzurechnenden Verwaltungen gelten soll. Vereinzelt (F.7.) wurde angeregt, für die bisher von den Landesgesetzgebern zu regelnde Auskunftspflicht eine Bedarfskompetenz des Bundes vorzusehen (vergleichbar jener für das Verwaltungsverfahren gemäß Art. 11 Abs. 2 B-VG). Des Weiteren bestand auch Konsens (F.8.), dass nicht nur die Verwaltung, sondern auch die Gerichte der neuen Auskunftserteilungs-/Amtsverschwiegenheits-Regelung unterworfen werden sollen. Bei ausgegliederten Rechtsträgern wird nach überwiegender (F.9.) Ansicht des Ausschusses jeweils im Einzelfall zu beurteilen sein, ob dem betreffenden Rechtsträger durch eine Auferlegung der Auskunftspflicht ein unzumutbarer Schaden am Markt zugefügt werden würde. Es müssten daher entsprechende Bestimmungen in die jeweiligen Ausgliederungsgesetze aufgenommen werden.

 

Es bestand schließlich Konsens (F.10.), dass die zu schaffenden B-VG-Bestimmungen möglichst abstrakt formuliert werden sollen. Die von der Regelung erfassten Datenarten (zB Akten, EDV usw.) sollen daher nicht detailliert in die Verfassungsregelung aufgenommen werden.

 

Anlage II

 

Sammlung nicht konsentierter verfassungsgesetzlicher Textvorschläge

 

Schon während der Ausschussberatungen haben Mitglieder des Ausschusses Formulierungsentwürfe für Verfassungstexte vorgelegt, die entweder Vorschläge verdeutlichen oder Beratungsergebnisse widerspiegeln sollten. Weitere Textvorschläge legten der Vorsitzende und der Präsident des RH als Diskussionsgrundlagen vor.

 

In ihrer abschließenden Sitzung erzielten die Ausschussmitglieder Konsens, diese Vorschläge für Teile einer neuen Verfassung dem Konvent vorzulegen, ohne jeweils im Einzelfall anzumerken, von wie vielen Ausschussmitgliedern der jeweilige Textentwurf mitgetragen wurde. (Siehe hiezu Seite 7 des Berichtes).

 

Die nachstehenden Formulierungsvorschläge gehen vom geltenden Text des Bundes-Verfassungsgesetzes aus. Die Textteile in magerer Schrift enthalten das geltende B-VG; die vorgeschlagenen Neuformulierungen sind fett gedruckten. In eckigen Klammern finden sich zusätzliche verfassungsgesetzliche Textvorschläge.

 

Artikel 20 Abs. 3 und 4 lauten:

 

Variante 1:

 

(3) Die österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger haben gegenüber Organen der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit das Recht auf Auskunft und Information. Die Ausübung dieses Rechtes wird durch ein besonderes Gesetz geregelt, in dem insbesondere der Kreis der Auskunfts- und Informationspflichtigen näher festzulegen ist.

 

(4) Der Gesetzgeber kann für die Ausübung dieses Rechtes Bedingungen und Einschränkungen vorsehen, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer, oder, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten oder ... notwendig sind.

 

Variante 2:

 

(3) Alle mit Aufgaben Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung sowie mit Aufgaben der Gerichtsbarkeit betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechtes haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, sofern dies nicht auf Grund des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens oder des Datenschutzes unzulässig ist. Berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies nur insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird (Auskunftspflicht).

 

(4) Näheres bestimmt ein Bundesgesetz über die Auskunftspflicht. Dieses kann die Erteilung von Auskünften einschränken oder untersagen, wenn dies im Interesse der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohls des Landes, der Verteidigung, der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Dieses Bundesgesetz ist jedoch nicht auf Auskünfte von Mitgliedern von obersten Organen einer Gebietskörperschaft gegenüber einem allgemeinen Vertretungskörper anzuwenden, der diese Organe bestellt hat; dies gilt auch für Mitglieder der Bundesregierung gegenüber dem Nationalrat und Bundesrat sowie für Bürgermeister, die gemäß Artikel 117 Abs. 6 letzter Halbsatz gewählt wurden.

 

Variante 3:

 

(3) Jede Person hat ein Recht auf Auskunftserteilung sowie Zugang zu den Dokumenten öffentlicher Einrichtungen. Dieses Recht kann durch Gesetz Einschränkungen unterworfen werden wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtssprechung zu gewährleisten.

 

 


Vorläufige Ergebnisse der Beratungen des Ausschusses 8 zum Ergänzungsmandat

(Stand: 29.10.2004)

 

 

A)     Rechte der Parlamente (Nationalrat, Bundesrat, Landtage)

 

9.)     Keine Amtsverschwiegenheit oberster Vollzugsorgane gegenüber "ihrem" allgemeinen Vertretungskörper.

 

Ergänzungsmandat:
Der Ausschuss wird ersucht, einen Textvorschlag zu akkordieren.

 

Textvorschlag:

Artikel 20 Abs. 3 und 4 (aus dem Ausschussbericht, Anlage II)

 

Variante 2:

 

(3) Alle mit Aufgaben Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung sowie mit Aufgaben der Gerichtsbarkeit betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechtes haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, sofern dies nicht auf Grund des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens oder des Datenschutzes unzulässig ist. Berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies nur insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird (Auskunftspflicht).

(4) Näheres bestimmt ein Bundesgesetz über die Auskunftspflicht. Dieses kann die Erteilung von Auskünften einschränken oder untersagen, wenn dies im Interesse der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohls des Landes, der Verteidigung, der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Dieses Bundesgesetz ist jedoch nicht auf Auskünfte von Mitgliedern von obersten Organen einer Gebietskörperschaft gegenüber einem allgemeinen Vertretungskörper anzuwenden, der diese Organe bestellt hat; dies gilt auch für Mitglieder der Bundesregierung gegenüber dem Nationalrat und Bundesrat sowie für Bürgermeister, die gemäß Artikel 117 Abs. 6 letzter Halbsatz gewählt wurden.

 

Erwägungen des Ausschusses:

Die Frage wird im Zuge der Verhandlungen bei der Amtsverschwiegenheit behandelt (siehe Punkt F.).

F)   Amtsverschwiegenheit, Transparenz der Verwaltung auch unter dem Gesichtspunkt des E-Governments sowie des Verhältnisses zu den Medien (Art. 20 Abs. 3 und
4 B-VG)

 

1.)  Subjektives einklagbares Recht des Betroffenen auf Auskunftserteilung

 

Ergänzungsmandat:
Der Ausschuss wird ersucht, die verfassungsgesetzliche Notwendigkeit zu prüfen.

 

Textvorschläge:

Artikel 20 Abs. 3 und 4 (aus dem Ausschussbericht, Anlage II)

 

Variante 1:

 

(3) Die österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger haben gegenüber Organen der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit das Recht auf Auskunft und Information. Die Ausübung dieses Rechtes wird durch ein besonderes Gesetz geregelt, in dem insbesondere der Kreis der Auskunfts- und Informationspflichtigen näher festzulegen ist.

(4) Der Gesetzgeber kann für die Ausübung dieses Rechtes Bedingungen und Einschränkungen vorsehen, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer, oder, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten oder ... notwendig sind.

(5) Näheres bestimmt ein Bundesgesetz über die Auskunftspflicht. Dieses kann die Erteilung von Auskünften einschränken oder untersagen, wenn dies im Interesse der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohls des Landes, der Verteidigung, der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Dieses Bundesgesetz ist jedoch nicht auf Auskünfte von Mitgliedern von obersten Organen einer Gebietskörperschaft gegenüber einem allgemeinen Vertretungskörper anzuwenden, der diese Organe bestellt hat; dies gilt auch für Mitglieder der Bundesregierung gegenüber dem Nationalrat und Bundesrat sowie für Bürgermeister, die gemäß Artikel 117 Abs. 6 letzter Halbsatz gewählt wurden.

 


Variante 2 (3):

 

(3) Jede Person hat ein Recht auf Auskunftserteilung sowie Zugang zu den Dokumenten öffentlicher Einrichtungen. Dieses Recht kann durch Gesetz Einschränkungen unterworfen werden wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtssprechung zu gewährleisten.

 

(Kucsko-Stadlmayer)

(3) Jede Person hat ein Recht auf Auskunft gegenüber den Organen der Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit. Dieses Recht schließt den Zugang zu Dokumenten mit ein. Es erstreckt sich auf den jeweiligen Wirkungsbereich der Organe. Seine Ausübung wird durch Bundesgesetz geregelt. Abweichende Regelungen können in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind.

(4) Das Auskunftsrecht kann durch Gesetz Bedingungen und Einschränkungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit, der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und Verbrechensverhütung, zum Schutz der Gesundheit und der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer oder zum Schutz von Ansehen und Unparteilichkeit der Recht-sprechung notwendig sind. Berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird.

 

(Poier)

(3) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht nicht besteht. Eine Pflicht zur Verschwiegenheit besteht für Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, zur Vorbereitung einer Entscheidung, im überwiegenden Interesse der Parteien oder aufgrund des Rechtes auf Datenschutz geboten ist.

(4) Die Pflicht zur Verschwiegenheit gemäß Abs. 3 besteht für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre nicht gegenüber diesem Vertretungskörper, wenn er derartige Auskünfte verlangt. Sinngemäß gilt dies auch für Mitglieder der Bundesregierung gegenüber dem Nationalrat und dem Bundesrat sowie für vom Volk gewählte Bürgermeister gegenüber dem jeweiligen Gemeinderat.

(5) Die näheren Bestimmungen werden durch ein Bundesgesetz geregelt. Abweichende Regelungen können in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind.

 

Erwägungen des Ausschusses:

Insbesondere wird die Frage aufgeworfen, ob die Auskunftspflicht für die Organe der Gesetzgebung statuiert werden soll, da manche Textvorschläge dies vorsehen.

 

Die Ausschussvorsitzende stellt fest, dass für die weitere Debatte vier Vorschläge in Verhandlung bleiben: Poier, Kucsko-Stadlmayer, Grüne (Variante 3) sowie Hatzl

(Variante 1). – Im Einzelnen wird noch zu prüfen sein, welche Schutzgüter aus dem von Art. 10 Abs. 2 EMRK (Freiheit der Meinungsäußerung) geschützten Bereich Ausnahmen von der Auskunftspflicht rechtfertigen können (z.B. Interesse der nationalen Sicherheit, öffentliche Sicherheit, Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung etc.).

 

2.)  Einschränkung der Amtsverschwiegenheit vor allem auf die Gründe von Art. 10 Abs. 2 EMRK sowie den Schutz personenbezogener Daten

 

Ergänzungsmandat:
Über diese Frage besteht Dissens. Der Ausschuss wird dennoch ersucht, einen Textvorschlag zu akkordieren.

Textvorschlag: Wie F.1.

 

3.)  Einheitliche Auskunftspflicht in Ausführung des neuen Art. 20 B-VG für Bund, Länder und Gemeinden.

 

Ergänzungsmandat:
Der Ausschuss
wird ersucht, einen Textvorschlag auszuarbeiten.

Wie F.1.

 

4.)  Abstrakte Formulierung für die erfassten Datenarten (keine taxative Aufzählung im B-VG)

 

Ergänzungsmandat:
Der Ausschuss
wird ersucht, einen Textvorschlag auszuarbeiten.

Wie F.1.

 



* Diese Bestimmung geht davon aus, dass das Verbotsgesetz in seiner derzeitigen Form Bestandteil der Verfassung bleibt.

** Übergangsbestimmung: „Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bundesverfassung gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften gelten als solche im Sinne des Artikels 26.“

 

* Variante: (3) Wer nicht in der Lage ist, für sich und die ihm gegenüber Unterhaltsberechtigten zu sorgen, hat Anspruch auf persönliche Hilfe sowie die zur sozialen Mindestsicherung erforderlichen Leistungen für Nahrung, Kleidung, Unterkunft, notwendige medizinische Versorgung und soziale Teilhabe.

[1] vgl Entwurf Prof. Grabenwarter

[2] Klausel sicherer Drittstaaten

[3] Ein aus dieser Position resultierender Textvorschlag findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 1.1.1.2. Wahlen zum Nationalrat als Variante 1.

[4] Ein aus dieser Position resultierender Textvorschlag findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 1.1.1.2. Wahlen zum Nationalrat als Variante 2.

[5] Dieser Aspekt ist im diesbezüglichen Textvorschlag (Variante 2) noch nicht berücksichtigt.

[6] Ein aus dieser Position resultierender Textvorschlag findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 1.1.1.2. Wahlen zum Nationalrat als Variante 3.

[7] Ein aus dieser Position resultierender Textvorschlag findet sich im Besonderen Teil zu Pkt. 2.1. Legislative der Länder als Variante 1.

[8] Ein aus dieser Position resultierender Textvorschlag findet sich im Besonderen Teil zu Pkt. 2.1. Legislative der Länder als Variante 2.