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Pressedienst des Österreich-Konvents/02/19.10.2004/Nr. 24
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Österreich-Konvent: Endspurt für die neue Verfassung
Entwurf soll bis Jahresende vorliegen
"Die Ausschüsse haben alle intensiv gearbeitet und auch schon beachtliche Ergebnisse gebracht", bekräftigt der Präsident des Österreich-Konvents, Franz Fiedler.
Ein neuer Grundrechtskatalog
So gehen die Arbeiten an einem Grundrechtskatalog zügig voran. Der zuständige Ausschuss hat bereits die Gleichheitsrechte abgeschlossen, zu denen die Rechte von Kindern oder die Rechte
von älteren Menschen zählen. Diese Themen wurden völlig neu erarbeitet. Die Rechte der Volksgruppen waren dagegen bisher sehr zersplittert. So fanden sich Teile im Staatsgrundgesetz,
im Staatsvertrag von St. Germain, im Staatsvertrag von Wien, im Minderheitenschulgesetz von Kärnten und dem Burgenland sowie im Volksgruppengesetz. Dem Ausschuss gelang es, einen einheitlichen,
umfassenden Textvorschlag zu erarbeiten.
Bei den sozialen Grundrechten wurde das Recht auf Bildung, Ausbildung und Weiterbildung neu erarbeitet. Darin enthalten sind das Recht auf unentgeltlichen Schulbesuch und Textvorschläge für
Personen mit besonderem Förderungsbedarf.
Auch Fundamentalgarantien wie das Recht auf Menschenwürde, das Recht auf Leben (inklusive dem Verbot der aktiven Sterbehilfe), das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit, das
Folterverbot und das Asylrecht wurden neu und umfassend bearbeitet.
Bei den Freiheitsrechten wurde aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung getragen. So enthält der Katalog zum Beispiel die Koalitionsfreiheit. Hier geht es um das Recht von Arbeitnehmern
und Arbeitgebern, sich freiwillig zusammenzuschließen und zu ihrer Interessenvertretung Vereinigungen zu bilden. Auch über das Streikrecht wurde diskutiert. Bei einem weiteren Freiheitsrecht,
nämlich dem Recht auf Ehe und Familie wurden Vorschläge für gleichgeschlechtliche Partnerschaften vorgebracht und diskutiert.
Straffe Verfassung
Eine Vorgabe des Gründungskomitees an den Konvent war, einen straffen Verfassungstext zu schaffen. Diese Vorgabe wurde bereits mit der Flurbereinigung der Verfassung erfüllt. Um die 1200
Verfassungsbestimmungen wurden durchgearbeitet. Mit dem Ergebnis, dass vier Fünftel aufgehoben oder in einfache Gesetze umgewandelt werden können. Die Notwendigkeit für eine derartige
Kürzung erklärt sich unter anderem aus der politischen Praxis der letzten Jahrzehnte. Verfassungsgesetze können nur mit Zweidrittelmehrheit aufgehoben werden und haben deshalb auch bei wechselnden
parlamentarischen Mehrheiten größeren Bestand. Aus diesem Grund gelangten in Zeiten, in denen Koalitionsregierungen über eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament verfügten, auch Regelungen
in den Verfassungsrang, von denen man solchen nicht vermutet hätte. So erhob man etwa den Düngemittel-Förderungsbeitrag im Marktordnungsgesetz in Verfassungsrang.
Ein weiterer Grund für die Unübersichtlichkeit der derzeitigen österreichischen Verfassung ist, dass bei jeder Ausgliederung eine eigene Verfassungsbestimmung geschaffen werden muss.
Ziel ist es nun, eine gemeinsame verfassungsrechtliche Grundlage zu schaffen. In der Verfassung soll nur noch eine Grundbestimmung verankert werden, die den Rahmen für alle künftigen Ausgliederungen
vorgibt. "Auch damit wird die Verfassung schlanker, systematischer und übersichtlicher", erklärt Franz Fiedler.
Auch das fünfte Hauptstück der Verfassung, das den Rechnungshof regelt, soll systematisiert und somit gestrafft werden. Außerdem wird ernsthaft diskutiert, die Prüfungskompetenz
des Rechnungshofes auf Gemeinden unter 20.000 Einwohner auszuweiten. Das ist derzeit nur auf Ersuchen der zuständigen Landesregierung möglich.
Mehr Rechte für den Bürger
Konsens besteht über die Schaffung unabhängiger Verwaltungsgerichte, die grundsätzlich für alle Rechtsmittel gegen Entscheidungen der weisungsgebundenen Verwaltungsorgane zuständig
sein werden, also etwa für Verkehrsstrafsachen oder Angelegenheiten des Baurechts. Damit kommt der Bürger leichter zu seinem Recht – und durch die Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs
auch rascher.
Ein weiterer Diskussionspunkt im Konvent ist die Einführung eines Unabhängigen Justizsenats. Mit diesem Gremium aus dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, weiteren Präsidenten
von Gerichten sowie Richtern soll ein Gegengewicht zum Justizminister geschaffen werden, das die Unabhängigkeit der Gerichte stärken soll.
In den nächsten Wochen werden die Ausschüsse ihre Arbeit beenden. Parallel dazu werden die noch offenen Punkte im Präsidium beraten. "Wir stehen vor der Endphase des Konvents",
bekräftigt Vorsitzender Franz Fiedler. Schließlich soll bis Jahresende der Entwurf einer neuen österreichischen Verfassung vorliegen. (Schluss)
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