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Pressedienst des Österreich-Konvents/02/03.05.2005/Nr. 27
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Bericht des Österreich-Konvents liegt den Abgeordneten vor
Besonderer Ausschuss des Nationalrates wird sich damit befassen
Wien (PK) - Rund eineinhalb Jahre lang hat der Österreich-Konvent an einer modernen, bürgernahen Verfassung gearbeitet. Ergebnis ist ein rund 1.200 Seiten starker Bericht, der vor kurzem
von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel dem Nationalrat vorgelegt wurde und eine umfassende Übersicht über die vom Konvent erzielten Ergebnisse enthält. Konsens konnten die Konventsmitglieder
dabei, wie aus dem Bericht hervorgeht, nur in Teilbereichen erzielen, viele Punkte, etwa die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, blieben offen. Die einzelnen Vorschläge des Österreich-Konvents
sollen nun von den Abgeordneten in einem eigens dafür eingesetzten Ausschuss des Nationalrats beraten werden. (Bericht an den Nationalrat: III-136 d.B.)
Der Österreich-Konvent war Anfang Mai 2003 mit der Aufgabe betraut worden, Vorschläge für eine grundlegende Staats- und Verfassungsreform zu erarbeiten. Die neue Verfassung sollte,
wie es im Beschluss des Gründungskomitees heißt, eine zukunftsorientierte, kostengünstige, transparente und bürgernahe Erfüllung der Staatsaufgaben ermöglichen. Konkret auseinandersetzen
sollte sich der Konvent mit einer umfassenden Analyse der Staatsaufgaben, der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, dem Legalitätsprinzip, der Struktur der staatlichen Institutionen,
der Finanzverfassung und dem Finanzausgleich, der Frage der Kontrolle auf Bundes- und Landesebene, der Ausgestaltung des Rechtsschutzes sowie mit Fragen der Verfassungsbereinigung.
Als Vorsitzender des Österreich-Konvents wurde der damalige Rechnungshofpräsident Franz Fiedler bestellt, darüber hinaus gehörten dem Konvent 69 weitere Mitglieder - Vertreter
aller vier Parlamentsparteien, Regierungsmitglieder, Vertreter der Bundesländer sowie des Städte- und des Gemeindebundes, Vertreter der Höchstgerichte, des Rechnungshofes und der Volksanwaltschaft,
Interessenvertreter sowie unabhängige Verfassungsexperten - an.
Nach insgesamt 19 Monaten Arbeit, 44 Sitzungen des Konvents-Präsidiums, 17 Plenarsitzungen und 172 Ausschusssitzungen liegt nun das Ergebnis der Beratungen vor, das von Konvents-Präsident
Franz Fiedler in einem 1.200 Seiten starken Bericht zusammengefasst wurde. Der Bericht setzt sich aus einem allgemeinen Teil mit einem umfassenden Überblick über die Arbeit des Konvents, einer
Übersicht über die Mandate der zehn Ausschüsse des Konvents, den in den Ausschüssen und im Präsidium erzielten Beratungsergebnissen, konkreten Textvorschlägen, einem vom Fiedler
selbst erarbeiteten - nicht konsensualen - Verfassungsentwurf, einem Positionspapier der Länder, einer abweichenden Stellungnahme des Gemeindebundes zum Fiedler-Entwurf und der Tonbandabschrift der
letzten Plenarsitzung des Österreich-Konvents zusammen.
DIE BERATUNGSERGEBNISSE DES ÖSTERREICH-KONVENTS
Fiedler zufolge hat der Konvent bei den Beratungen in etlichen Bereichen Konsens erzielen können. So herrschte etwa Einigkeit hinsichtlich der Eingliederung von mehr als tausend außerhalb
der Verfassung bestehenden Verfassungsnormen in den Verfassungstext, das Gleiche gilt für die Integration eines Grundrechtskatalogs in die Verfassung, die Schaffung von Landesverwaltungsgerichten,
die Beibehaltung des Bundesrats und die Adaptierung der Rechte des Bundespräsidenten. Viele wichtige Punkte, etwa die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, die Zusammenführung von
Einnahmen- und Ausgabenverantwortung, der Abbau teurer Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung, die Lockerung des Legalitätsprinzips oder die genaue Ausformulierung der Staatsziele und der Grundrechte,
blieben jedoch strittig. Auch in der Frage, ob die Verfassung mit einer Präambel eingeleitet werden soll, konnte man sich nicht einigen.
Da also kein konsensualer Verfassungsentwurf zustande kam, werden im Hauptteil des Berichts die Beratungsergebnisse der zehn Ausschüsse des Konvents und zum Teil auch jene des Präsidiums
wiedergegeben, wobei sowohl die konsensualen als auch die nichtkonsensualen Vorschläge berücksichtigt wurden. Ein weiterer Berichtsteil enthält zusätzlich diverse konkrete Textvorschläge,
die im Rahmen der Konventsberatungen von einzelnen Konventsmitgliedern, den politischen Fraktionen, den Ausschüssen, dem Präsidium und anderen Beteiligten eingebracht wurden. Eine detaillierte
Gegenüberstellung von Textvorschlägen und deren Vergleich mit geltenden Rechtsgrundlagen gibt es für die Bereiche Grundrechte und Sicherheitspolitik.
Beratungsergebnisse und Textvorschläge umfassen zusammen fast 630 Seiten. Die Vorschläge reichen von der Einführung eines Drei-Säulen-Modells für die Aufgabenverteilung
zwischen Bund und Ländern über verschiedene Ideen zur Verwaltungsreform bis hin zu einer Neuordnung der Gerichtsorganisation, von der Ausweitung der Kontrollrechte der Parlamente über die
Reduktion der Komplexität der Finanzverfassung bis zu einem neuen Finanzausgleich. An Detailvorschlägen finden sich etwa das Verbot von Sammelgesetzen, die Neuformulierung des Legalitätsprinzips,
neue Modelle für die Schulverwaltung und die Sicherheitsverwaltung, die Ausweitung der Prüfungsbefugnis der Volksanwaltschaft, ein erweitertes verfassungsrechtliches Effizienz- und Transparenzgebot,
ein Gesetzesbegutachtungsrecht für Bürgerinnen und Bürger, die Möglichkeit der Auflösung des Nationalrats durch das Volk, die Verankerung des Prinzips des ausgeglichenen Haushalts
als Staatsziel und die Möglichkeit der Globalbudgetierung im Bericht.
DER "FIEDLER-ENTWURF" FÜR EINE NEUE VERFASSUNG
"Die Fülle an im Konvent unterbreiteten Vorschlägen und ausgearbeiteten Texten war bereichernd", schreibt Fiedler in seinem Bericht, "die Konsensfindung über den letztlich
zu erstellenden Entwurf für eine neue Bundesverfassung war jedoch schwierig". Der Konventspräsident unterzog sich - unter Bezug auf den Auftrag des Österreich-Konvents - dennoch der
Aufgabe, auf Basis der vorliegenden Vorschläge einen Verfassungsentwurf zu erarbeiten.
Dabei griff Fiedler zum Teil auf im Konsens zustande gekommene Ergebnisse zurück, zum Teil nahm er von breiten Mehrheiten vertretene Meinungen auf und zum Teil verwendete er für seinen
Entwurf Inhalte und Texte der geltenden Verfassung. Bisweilen suchte er aber auch, wie er festhält, einen "Mittelweg" zwischen voneinander abweichenden Ansichten. Zudem bemühte sich
Fiedler in manchen Bereichen um Systematisierungen und Straffungen und formulierte in diesem Sinn einzelne Passagen um. Dieser so genannte Fiedler-Entwurf ist gleichfalls Teil des Endberichts des Österreich-Konvents,
auch über ihn konnte im Österreich-Konvent aber kein Konsens erzielt werden. Die Konventsmitglieder nahmen zum Teil sogar eine massiv ablehnende Haltung ein.
Einige wesentliche Neuerungen des Fiedler-Entwurfs gegenüber der geltenden Verfassung sind die Verankerung eines Inkorporationsgebots in der Verfassung - einer Vorschrift, wonach es Verfassungsrecht
nur in der eigentlichen Verfassungsurkunde geben darf -, die Integration eines Grundrechtskatalogs in die Verfassung einschließlich sozialer Grundrechte, eine neue Kompetenzverteilung zwischen Bund
und Ländern mit einer deutlichen Reduzierung der Kompetenzfelder, eine weitgehende Eliminierung organisations- und verfahrensrechtlicher Bestimmungen aus der Verfassung, die Schaffung von Verwaltungsgerichten
anstelle der Unabhängigen Verwaltungssenate, die Einführung einer grundsätzlichen Auskunftspflicht aller öffentlichen Stellen, neue haushaltsrechtliche Bestimmungen, die generelle Senkung
des Wahlalters bei Gemeinderatswahlen auf 16 Jahre, die Einführung der Briefwahl, die Ausweitung parlamentarischer Kontrollrechte, die Stärkung der Stellung der Richter und Staatsanwälte,
erweiterte Möglichkeiten zur Bildung von Gemeindeverbänden, eine Ausweitung der Rechte des Rechnungshofes und der Volksanwaltschaft und die Integration der Finanzverfassung in die Verfassungsurkunde.
LÄNDER- UND GEMEINDEPOSITIONEN
Sowohl die Landeshauptleute als auch der Gemeindebund haben in der Endphase der Beratungen des Österreich-Konvents Positionspapiere abgegeben, die ebenfalls Eingang in den Endbericht gefunden
haben. Die Landeshauptleute unterstützen in ihrem Papier unter anderem die Idee eines Drei-Säulen-Modells für die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern und fordern eine stärkere
Beteiligung der Länder und des Bundesrats an der Gesetzgebung des Bundes. So sollen Gesetze, die wesentliche finanzielle Folgen für die Länder nach sich ziehen, z.B. Steuerreformen, der
ausdrücklichen Zustimmung des Bundesrates sowie einer Zustimmung von zwei Dritteln der Länder bedürfen. Gleiches soll für Bundesgesetze gelten, die die dritte Kompetenz-Säule -
Materien, für die Bund und Länder gemeinsam zuständig sind - betreffen. Um die Umsetzung von EU-Richtlinien in Österreich auch im selbständigen Wirkungsbereich der Länder
zu gewährleisten, schlagen die Landeshauptleute vor, bei - "qualifizierter" - Säumigkeit eines Landes die Zuständigkeit für entsprechende gesetzliche Regelungen vorübergehend
an den Bund zu übertragen, und zwar so lange, bis das Land die erforderlichen Maßnahmen selbst gesetzt hat.
Das Positionspapier des Österreichischen Gemeindebundes wurde als Abweichende Stellungnahme zum Verfassungsentwurf von Konventspräsident Fiedler eingebracht, wiewohl der Gemeindebund diesen
Entwurf ausdrücklich lobt und als ideale Diskussionsgrundlage bezeichnet. Der Gemeindebund drängt aber darauf, die Bedeutung der Gemeinden als föderalistische Partner stärker in den
Vordergrund zu rücken und wendet sich u.a. gegen unzumutbare "Kontrollbürokratie". Positiv bewertet werden dem gegenüber z.B. die Aufnahme der Daseinsvorsorge in den Aufgabenkatalog
der Gemeinden, die Möglichkeit zur Bildung von länderübergreifenden Gemeindeverbänden und die im Fiedler-Entwurf enthaltene Bestimmung, wonach zwangsweise Gemeindefusionen bzw. zwangsweise
Trennungen von Gemeinden ohne Zustimmung der betroffenen Bevölkerung in Hinkunft ausschlossen sind.
Wie unterschiedlich die Mitglieder des Konvents selbst die Ergebnisse des Österreich-Konvents bewerten, geht aus der in den Bericht integrierten Tonbandabschrift der 17. und letzten Plenarsitzung
des Konvents Ende Jänner 2005 hervor.
Der Endbericht des Österreich-Konvents ist über die Homepage des Konvents (www.konvent.gv.at) im Volltext abrufbar. Auf dieser Website finden sich auch weitere ausführliche Informationen
über die Arbeit des Konvents.
Hinweis: Diese Meldung erschien ursprünglich als Meldung der Parlamentskorrespondenz, Nr. 234/2005 vom 8. April 2005. (Schluss)
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